Presseartikel vom Tagblatt
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Tagblatt Online - Die Seele ins Gefängnis getan http://www.tagblatt.ch/nachrichten/kultur/ostschweiz_kultur/Die-... 22. Januar 2016, 02:40 Uhr Die Seele ins Gefängnis getan Hoseyn A. Zadeh zeigt sein Lieblingsplakat zum Roman von Romain Gary «La vie devant soi». (Bild: Ralph Ribi) Der aus Teheran stammende Grafiker Hoseyn A. Zadeh stellt in der Galerie vor der Klostermauer aus. Der in Thal lebende Flüchtling zeigt dort eine Auswahl seiner Plakate aus dem Iran, aber auch freie Arbeiten aus der Schweiz. CHRISTINA GENOVA ST. GALLEN. In der Galerie vor der Klostermauer herrscht emsiges Treiben. Die Ausstellung des iranischen Grafikers Hoseyn A. Zadeh ist mitten im Aufbau. Fleissige Helfer wuseln herum. Wenige seiner Plakate hängen schon, die meisten liegen noch gestapelt auf dem Boden, die gerahmten Arbeiten sind an die Wände gelehnt. Es scheint eine Ausstellung wie jede andere zu sein. Aussergewöhnlich daran ist Hoseyn A. Zadehs Lebenssituation. Der 34-Jährige wohnt mit seiner Frau und rund hundert anderen 1 von 4 12.02.16 17:07 Tagblatt Online - Die Seele ins Gefängnis getan http://www.tagblatt.ch/nachrichten/kultur/ostschweiz_kultur/Die-... Flüchtlingen im Asylheim in Thal. Im November wurde sein Asylgesuch definitiv abgelehnt, und das Ehepaar Zadeh musste seine Ein-Zimmer-Dachwohnung in Balgach räumen. Der Iraner mit den feinen Gesichtszügen lebt seit rund vier Jahren in der Schweiz. In dieser Zeit hat er zwar kaum Deutsch gelernt – wir verständigen uns auf Englisch. Er hat es jedoch geschafft, sich in der Kulturszene zu vernetzen und Schweizer Freunde zu finden, die ihn unterstützen. An der Vernissage spricht zum einen Michael Guggenheimer, der Präsident des Deutschschweizer PEN, zum anderen der renommierte St. Galler Gestalter Roland Stieger, der in Zadehs Arbeiten «eine ganz hohe Ästhetik und ein gutes Gefühl für Design» erkennt. Schwierige Warteposition «Right aligned», nach rechts ausgerichtet, lautet der Titel der Ausstellung, weil Farsi, die Muttersprache Hoseyn A. Zadehs von rechts nach links geschrieben wird. Der Grafiker zeigt zum einen freie Arbeiten, die in der Schweiz entstanden sind – ein T-Shirt mit einem persischen Liebesgedicht oder ein Plakat für eine St. Galler Hilfsorganisation. Zum andern sind Auftragsarbeiten aus dem Iran zu sehen: das Plakat für ein Fotofestival oder für eine Ausstellung zum 80. Geburtstag des Schriftstellers Gabriel Garcia Marquez, aber auch Entwürfe für Firmenlogos einer Möbel- oder eines Teppichgeschäfts. Sie sind ohne Kenntnisse des persischen Alphabets nicht interpretierbar und wirken wie abstrakte Symbole. Seine Kenntnisse gibt der Grafiker Anfang Februar anlässlich eines Workshops weiter. Zwar steht Hoseyn A. Zadeh ein Computer zur Verfügung, doch darf er ihn nur für grafische Studien verwenden. Denn als Flüchtling ist es ihm nicht gestattet, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Die letzten Jahre in Warteposition waren für den jungen, ehrgeizigen Mann nicht einfach, doch das Gestalten hat ihm dabei geholfen: «Wenn ich glücklich bin, arbeite ich, und auch wenn ich traurig bin. Meine Arbeiten sind meine Zunge. Sie kommen aus meinem Innern.» Über die Gründe seiner Flucht mag Hoseyn A. Zadeh nicht sprechen. Doch er zeigt ein Plakat, das er 2009 anlässlich der Wiederwahl des 2 von 4 12.02.16 17:07 Tagblatt Online - Die Seele ins Gefängnis getan http://www.tagblatt.ch/nachrichten/kultur/ostschweiz_kultur/Die-... damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad gestaltet hat. Damals kam es zu Demonstrationen, weil die Opposition Wahlbetrug vermutete. Auch Zadehs Plakat kam dabei zum Einsatz. Er hat darauf einen der damaligen Slogans geschickt umgesetzt: «Where is my vote», wo ist meine Stimme, steht da in Lettern, wie man sie von Fahndungsplakaten aus Western kennt. Das Wort «vote» ist nur schemenhaft zu lesen, verschwindet ebenso wie die nicht berücksichtigten Stimmen. Die Seele im Gefängnis Hoseyn A. Zadehs Lieblingsplakat ist jedoch ein anderes. Er hat darauf den Titel eines seiner Lieblingsromane grafisch umgesetzt: «Du hast das Leben noch vor dir», des französischen GoncourtPreisträgers Romain Gary. Man sieht das Ultraschallbild eines Fötus, der Buchtitel auf Persisch und Französisch ist unscharf: «Weil auch die Zukunft des Ungeborenen noch nicht scharf umrissen ist», sagt Zadeh. Die vorherrschende Farbe ist schwarz, es ist so dunkel wie im Uterus. Das Plakat hat der Grafiker in der Schweiz gestaltet. Vielleicht gefällt es Hoseyn A. Zadeh deshalb so gut, weil es ihn an seine schwierige Lebenssituation erinnert. Denn was in den nächsten Monaten geschehen wird, ist ungewiss. «In der Schweiz habe ich meine Seele ins Gefängnis getan», sagt er zum Abschied. Vernissage heute, 19 Uhr, Galerie vor der Klostermauer, St. Gallen. Ausstellung bis 7.2. An der Vernissage wird Hoseyn A. Zadeh der Kulturpreis der EDV Werkstatt St. Gallen verliehen. Workshop am 6.2., 15–18 Uhr, Anmeldung: [email protected] Diesen Artikel finden Sie auf St.Galler Tagblatt Online unter: http://www.tagblatt.ch/nachrichten/kultur/ostschweiz_kultur /Die-Seele-ins-Gefaengnis-getan;art482582,4497426 COPYRIGHT © ST.GALLER TAGBLATT AG ALLE RECHTE VORBEHALTEN. EINE WEITERVERARBEITUNG, WIEDERVERÖFFENTLICHUNG ODER DAUERHAFTE SPEICHERUNG ZU GEWERBLICHEN ODER ANDEREN ZWECKEN 3 von 4 12.02.16 17:07 Tagblatt Online - Die Seele ins Gefängnis getan http://www.tagblatt.ch/nachrichten/kultur/ostschweiz_kultur/Die-... OHNE VORHERIGE AUSDRÜCKLICHE ERLAUBNIS VON ST.GALLER TAGBLATT ONLINE IST NICHT GESTATTET. 4 von 4 12.02.16 17:07