DER WAGEN
Transcrição
DER WAGEN
feature feature JOY DENALANE DIE STRASSEN VON CHARLOTTENBURG Es läuft gut für Joy Denalane. Sie steht alleine auf dem Flur deutscher Soulmusik und sorgt dort seit mittlerweile zehn Jahren für Gänsehaut und Freudentränen. Hinzu kommt, dass sie nicht nur die R&B- Gefolgschaft begeistert, sondern regelmäßig auch ihre HipHop-Sozialisation durchschimmern lässt. So läuft zu Beginn der gemeinsamen Autofahrt im fabrikneuen VW Beetle nicht etwa einer dieser Songs über einen Jungen, der in ein Mädchen verliebt ist, die ihn zwar mag, aus unerfindlichen Gründen allerdings schon anderweitig verbandelt ist und weil der Herzschmerz ihn so zerreißt, muss er dieses Leid der Welt in zwei Dutzend Oktaven mitteilen. Nein, die umwerfende Dame legt tatsächlich »Stillmatic« in den Player und rappt alle Parts von Nasty Nas komplett fehlerfrei und intuitiv mit. Wenn sie dann auch noch bei »Ether« laut darüber nachdenkt, wer das große Battle Nas vs. Jay eigentlich damals für sich entschieden hat, wird dem HipHop-Redakteur schon ein wenig warm ums Herz. Eine Spritztour durch den Westen von Joy Denalanes Heimatstadt. Und, wie ist dein erster Eindruck vom neuen VW Beetle? Ich muss mich eigentlich immer einige Zeit an ein neues Auto gewöhnen, aber der hier geht sofort butterweich von der Hand. Das gefällt mir. Ich bin eigentlich gar nicht so autoaffin, aber dieser hier fährt sich wirklich gut. Ich fahre ja relativ viel, das beschränkt sich allerdings auf die jeweiligen Aktivitäten meiner Kinder und meine Studiotermine. Ich gehe in Berlin nicht wirklich viel aus, mein Leben dreht sich eigentlich hauptsächlich um meine Kinder und natürlich um meine Musik. Hörst du denn viel Musik im Auto? Ja, für mich ist die Anlage wirklich das A und O eines Autos. Ich höre während der Autofahrt ständig neue Aufnahmen von mir. Das Auto und der Kopfhörer während des Gyms eignen sich dafür einfach sehr gut – um zu schauen, ob es mich dort auch noch ergreift. Im Studio und in der Booth ist man einfach oft mit anderen Dingen beschäftigt. Und wenn man loslassen kann, im Auto sitzt, sich davon unterhalten lässt und es dann noch funktioniert, ist es eigentlich immer ein ganz gutes Zeichen für mich, dass die Aufnahme funktioniert. Du bist in Berlin aufgewachsen. Nervt dich der Stadtverkehr oder kommst du gut damit klar? Eigentlich nervt er mich nicht. Es gibt natürlich bestimmte Straßen, die man zur Rush Hour meiden sollte. Das kriegt man aber schnell raus. Eigentlich finde ich, dass man in Berlin mit dem Auto noch gut zurechtkommt. Manchmal lohnt es sich auch, die U-Bahn oder den Bus zu nehmen. Du fährst noch mit der U-Bahn? Oh ja, häufig sogar. Ich habe da keine Probleme mit kreischenden Kids oder so. Überhaupt ist es auch so, dass die eigene Wahrnehmung dabei eine Rolle spielt, also wie wichtig man sich am Ende selbst nimmt. Denn so wie man sich selbst sieht, wird man auch von außen gesehen. Wenn man entspannt ist, wird man meistens auch nicht genervt. Ich bin ja kein Superstar, der den Fuß nicht mehr auf die Straße setzen kann und muss. Jemand wie Xavier Naidoo zum Beispiel, der nun wirklich so etwas wie ein Haushaltsgerät in jedem Haushalt der Deutschen ist (lacht), für den ist es sicherlich viel schwerer, da er ja noch viel bekannter ist als ich. Dem würde ich das U-Bahn-Fahren eher nicht empfehlen. Bei mir schauen die Leute zwar schon mal, lassen mich dann aber in der Regel in Ruhe. Berlin ist ohnehin eine Stadt, die nicht so wahnsinnig darauf anspringt. Das ist hier keine Riesensache, wenn mal eine bekannte Persönlichkeit in der U-Bahn steht. 78 JUICE N° 138 Hörst du dir junge R&B-Sänger an? Es gibt ja gerade ein paar davon, die wirklich für Furore sorgen. Mir gefällt Frank Ocean, den höre ich sehr gerne. Ich habe mir auch das Tyler, the Creator-Album »Goblin« gekauft, da ist der ja auch drauf. Ich bin sicher nicht so auf dem neuesten Stand wie die Kids und verfolge jeden Hype. Aber es ist schon so, dass ich mir die guten Sachen heraussuche. Wie hat dir das Tyler-Album gefallen? Ich finde es interessant und verstehe auch die Aufmerksamkeit, die er auf sich zieht. Weil er ein wütender Teenager ist. Das Spezielle an ihm ist, dass er all seine Dämonen auf den Tisch packt – und ich denke, wir alle tragen jede Menge Dämonen in uns. Er macht das ohne mit der Wimper zu zucken, total ungeschminkt. Ich glaube, das macht ihn so interessant. Der Song »She« mit Frank Ocean ist super, obwohl am Ende herauskommt, dass er über das Mädchen herfällt. Man denkt die ganze Zeit, es handelt sich um seine Traumfrau, sein »Cutie Pie«. Und am Ende macht er sie fertig. (lacht) Auf welche Platten freust du dich privat? Auf Erykah Badus neue Platte. Sie ist schon eine richtige Instanz in der Musik, besonders wenn man es auf lange Sicht betrachtet. Sie hat immer sehr interessante Sachen gemacht, sich vor allem weiterentwickelt und gegen alle Konventionen ihr Ding gemacht. Das finde ich interessant an ihr. Das dritte Album ist meiner Meinung nach das wichtigste für jeden Künstler. Ich finde ganz ehrlich, dass es erst ab dem dritten Album richtig zählt. Erst dann sieht man, ob sich eine Karriere entwickelt und wie viel Hand und Fuß jemand hat. Ob jemand sich weiterentwickelt und ein interessanter Künstler bleibt. Einer zu werden, weil man mit dem ersten Album in eine Kerbe schlägt, die zu dem jeweiligen Zeitpunkt sehr unerwartet auftritt, ist eine Sache. Das ist auch wundervoll. Aber es muss alles auch später noch funktionieren und Sinn machen. Bist du mit den Reaktionen auf dein drittes Album »Maureen« zufrieden? Ja, sehr. Wir sind in die Top Ten eingestiegen, das hat mir schon gezeigt, dass es eine Fanbase gibt, die auf das Album gewartet hat und gleich losgezogen ist. Das hat mich schon sehr gefreut. Du bist ja nicht nur mit dem Auto in der Stadt unterwegs, sondern auch viel auf Reisen. Hast du dir die Videodrehorte von »Niemand« selbst ausgesucht? Wir wollten zwei traditionelle Orte miteinander verbinden und sind deswegen nach Neapel und London geflogen. Leider durfte unser Visagist nicht nach London einreisen, da er kein Visum für England bekommen hat. Dann mussten wir auf die Schnelle jemanden in London finden und auch sofort mit dem Shooten beginnen, am nächsten Tag ging es dann gleich weiter nach Neapel. Das war schon schwierig und stressig alles. Band inklusive Bläsern und BackgroundSängern dabei. Ich glaube, dass es eine sehr musikalische Show wird und freue mich schon darauf, auf der Bühne zu stehen. ♦ Text: Ndilyo Nimindé Foto: Tobias Schult Wie war die Zusammenarbeit mit J-Luv für die neue Single »Nie wieder, nie mehr«? Das Aufnehmen und Schreiben lief total unkompliziert und hochprofessionell ab. Ich hatte mir überlegt, wer diesen Part auf dem Duett singen könnte und Julian ist mir recht schnell eingefallen, da ich ihn in Deutschland für eine der großen Stimmen halte, was Soulmusik betrifft. Er hat auch gleich zugestimmt, kam ins Studio und war total freundlich und bescheiden. Er wollte einfach, dass es eine gute Arbeit wird. Genauso war es beim Videodreh. Ich komme sehr gut mit ihm zurecht und denke, dass er noch eine große Zukunft vor sich hat. Das Talent ist jedenfalls vorhanden. Im Herbst wirst du auf deine große »Maureen«-Tournee gehen. Genau. Wir konzipieren gerade und arbeiten einige Gimmicks aus. Die Besetzung steht allerdings schon – ich habe eine richtig große N° 138 JUICE 79 DER WAGEN VW Beetle Farbe: silber-metallic Baujahr: 2011 Leistung: 200 PS Extras: High-End-Soundanlage von Fender Strecke: Berlin-Charlottenburg – Siegessäule – Tiergarten (3,19 km)