Antonín Dvořák Sinfonie Nr. 9 e-Moll op.95 Aus - Schulmusik
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Antonín Dvořák Sinfonie Nr. 9 e-Moll op.95 Aus - Schulmusik
Antonín Dvořák Sinfonie Nr. 9 e-Moll op.95 Aus der Neuen Welt Konzertzyklus 9 Mit Werken von Wojciech Kilar und HK Gruber Do 26. / Fr 27. Juni 2014, jeweils 20 Uhr Konzerteinführung jeweils 19 Uhr Stuttgart, Beethoven-Saal Live-Übertragung in SWR2 am 27.06.2014 Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR Dirigent: Krzysztof Urbański Erstellt von Christoph Wagner -1- Antonín Dvořák – Sinfonie Nr. 9 e-Moll „Aus der Neuen Welt“ Materialien zusammengestellt von Christoph Wagner Inhalt 1. Vorwort ........................................................................................................................................... 3 2. Antonín Dvořák, Sinfonie Nr. 9 „Aus der Neuen Welt“ (Sek. I/II) ................................................... 4 3. Antonín Dvořák - sein Leben und Wirken (Sek. I/II) ....................................................................... 7 4. Arbeitsblätter (Sek. I)..................................................................................................................... 10 1. Satz - Adagio. Allegro molto .......................................................................................................... 10 2. Satz - Largo .................................................................................................................................... 11 3. Satz - Scherzo. Molto vivace .......................................................................................................... 12 5. Lösungshinweise............................................................................................................................ 13 6. A. Dvořák - Sinfonie "Aus der Neuen Welt" - 2. Satz (Beginn) - Mitspielsatz A (Stimmensatz weitgehend original) ............................................................................................................................. 14 7. Dvořák - Sinfonie "Aus der Neuen Welt" - 2. Satz (Beginn) - Mitspielsatz B (Stimmensatz vereinfacht) ........................................................................................................................................... 15 8. Antonín Dvořák: Sinfonie Nr. 9, e-Moll, op. 95 - »Aus der Neuen Welt« - Informationen, Notenbeispiele und Aufgaben (Sek. II) .................................................................................................. 16 9. Lösungshinweise: .......................................................................................................................... 20 10. Dvořáks Reißepass für Amerika ..................................................................................................... 26 -2- 1. Vorwort Die vorliegende Handreichung ist eine Zusammenstellung unterschiedlicher Materialien, die sowohl der Lehrkraft, als auch dem Schüler auf unterschiedliche Weise einen Zugang zu Dvořáks Sinfonie Aus der Neuen Welt vermitteln können. Dabei handelt es sich nicht um eine klar umrissene Unterrichtseinheit, sondern um eine Sammlung, die eine methodische Vielfalt für unterschiedliche Klassenstufen ermöglicht. Zu Beginn eine Zusammenfassung des Werks aus Schülerhand, die einen ersten Überblick vermitteln möchte (s. 2. Antonín Dvořák, Sinfonie Nr. 9 „Aus der Neuen Welt“ (Sek. I/II), S. 4). Hier werden die wichtigsten Themen bereits vorgestellt sowie die Sätze in aller Kürze ansprochen. Der nachfolgende gekürzte Wikipedia-Artikel (3. Antonín Dvořák - sein Leben und Wirken (Sek. I/II), S. 7) beleuchtet die biografischen Hintergründe zu Dvořák und kann z. B. als Basis für ein kurzes Schülerreferat genommen werden. Die Arbeitsblätter S. 10-12 sowie der Mitspielsatz zum Beginn des 2. Satzes (S. 13f.) sind eher für den Unterricht in Sekundarstufe I vorgesehen. Zweierlei Schwierigkeitsgrade ermöglichen es, den Beginn des 2. Satzes zum Beispiel auf Monochorde + Melodieinstrument mit der Klasse zu musizieren. Eine detaillierte Informations- und Aufgabenzusammenstellung bietet der für den Unterricht in Sekundarstufe II vorgesehene, leicht abgeänderte Auszug aus „Musik um uns“ aus dem Jahre 1992 und den dazugehörigen Lösungshinweisen (8. Antonín Dvořák: Sinfonie Nr. 9, e-Moll, op. 95 - „Aus der Neuen Welt“ - Informationen, Notenbeispiele und Aufgaben (Sek. II), S. 16ff. bzw. S. 20ff.). Diese Aufgaben erfordern zum Teil gute musiktheoretische Vorkenntnisse, vertiefen aber die Analysekompetenz der Schülerinnen und Schüler und erschließen das Werk in seinen wesentlichen Teilen. Mit einer geschickten Auswahl an Aufgaben kann diese Aufgabensammlung aber auch für schwächeren Klassen hilfreich sein. Auf Bildmaterial wurde bewusst verzichtet, da über www.google.de/bilder genügend Bilder zu finden sind. Lediglich der Reisepass Dvořáks (S. 26), den er für seine Amerikareise benötigte, soll zur Illustration dienen. Letztlich sollte nicht vergessen werden, dass nur ein Konzertbesuch, bei dem die Musik live gehört wird, am ehesten vermag der Intention des Komponisten das Werk aufzunehmen und zu verinnerlichen gerecht zu werden. -3- 2. Antonín Dvořák, Sinfonie Nr. 9 „Aus der Neuen Welt“1 (Sek. I/II) Rein formal ist die „Symphonie aus der Neuen Welt" klassisch aufgebaut: Der erste Satz hat die konventionelle Sonatenhauptsatzform mit langsamer Einleitung, die beiden Mittelsätze - Largo und Scherzo - sind dreiteilig, im Finale verwendet Dvořák wieder die Sonatenhauptsatzform. Bemerkenswert ist, dass Dvořák an den Höhepunkten und anderen zentralen Stellen der jeweiligen Sätze die Hauptthemen der vorausgehenden Sätze konsequent wiederholt und zusammenfasst. Dadurch gewinnt das Gesamtgefüge an Übersichtlichkeit und Ausdrucksfülle. Der Erfolg der „Symphonie aus der Neuen Welt" übertraf alle bisherigen Erfolge Dvořáks. Der Uraufführung unter Anton Seidl in der New Yorker Carnegie Hall am 16. Dezember 1893 gingen umfangreiche Vorartikel und Analysen mitsamt Notenbeispielen in den führenden Tageszeitungen voraus. Dvořák wurde einhellig von Publikum und Kritikern gefeiert und hochgelobt, das Nationalkonservatorium verlieh ihm einen Preis von 300 Dollar für eine „Originalsymphonie". Der Erfolg der Symphonie ist bis zum heutigen Tag ungebrochen. Sie ist nicht nur eins der meist aufgeführten Werke Antonín Dvořáks, sondern auch der gesamten symphonischen Wettliteratur. 1. Satz, Adagio - Allegro molto Schon die langsame Einleitung zeichnet mit ihren charakteristischen Synkopen ein Bild von der Umgebung, in der das Werk entstand: Dvořák, auf dem gerade im Hafen anlegenden Schiff stehend, blickt bewegt in seine noch ungewisse Zukunft in der Neuen Welt. Ein leises Tremolo der Violinen leitet über zum Allegro molto mit seinem ersten Thema: Der Vordersatz ist charakterisiert durch den „scotch snap", die betonte punktierte Viertelnote im zweiten und vierten Takt. An diese vier Takte schließt sich der ebenfalls viertaktige, tänzerische Nachsatz an. Das melodische Hauptelement des Nachsatzes, die aufsteigende Terz, findet man in vielen der nachfolgenden Themen wieder. Das zweite Thema ist „typisch amerikanisch": erniedrigter Leitton in Moll, geringe melodische Spannung, häufige Rückkehr auf den Grundton, das orgelpunktartige, eintönige D der Hörner. 1 Julia Devi Schmid, Klasse 13 Quellen: Otokar Sourek: Antonín Dvořák in Briefen und Erinnerungen. Prag 1954; Klaus Döge: Dvořák : Leben Werke - Dokumente. Mainz 1991; Otto Schumann: Handbuch der Orchestermusik. Wilhelmshaven 1959. -4- Das dritte Thema erinnert an das Spiritual „Swing low, sweet chariot" und mutet „amerikanisch" an durch Pentatonik und „scotch snap": In der Durchführung lösen sich die Themen 1 und 3 in buntem Wechsel ab, es ist, als prallten all die ersten Eindrücke aus der Neuen Welt aufeinander. Die Reprise weicht von der Exposition im wesentlichen nur dadurch ab, dass das 2. und 3. Thema einen Halbton höher, also in gis-Moll und As-Dur gesetzt sind. Eine klanglich hochgesteigerte Coda führt den Satz seinem Ende zu. 2. Satz, Largo „Legende" hat Dvořák diesen Satz in seinen Skizzen genannt. Nach eigenen Worten hat er sich von Longfellows Dichtung „Sang von Hiawatha" inspirieren lassen, und zwar durch das Bild Begräbnis im Walde". Blechbläser, Klarinetten und Fagotte eröffnen den Satz mit einer Folge ernster, langausgehaltener Akkorde, als glitte ein Vorhang auseinander und gäbe den Blick auf die Szenerie frei. Das sordinierte Streichorchester in ppp löst die Bläser ab, und über diesem ruhigen, gedämpften Klangteppich hebt das Englischhorn an mit dem verträumten, pentatonischen Hauptthema: Der Mittelteil ist „Un poco più mosso" überschrieben, über dem Trillern der Streicher erklingt von Flöte und Oboe eine etwas bewegtere Melodie. Diese wird kurz darauf vom „Poco mono mosso ", dem ergreifend traurigen Gesang der Klarinette abgelöst. Es folgt ein kurzer heiterer Teil, der an Vogelgezwitscher erinnert und sich rasch zum Höhepunkt in A-Dur hin steigert. Nach der Rückkehr in die Grundtonart Des-Dur und zum Hauptthema beschließt ein vierstimmiger Kontrabassakkord die „Legende". 3. Satz, Scherzo Auch der 3. Satz ist von Longfellows Dichtung inspiriert, diesmal von einem Indianertanz. Das Hauptthema. bei dem jeweils eine Stimme die andere imitiert, wird zwischendurch von zwei Walzern abgelöst, die sehr an Dvořáks böhmische Heimat erinnern. Der Schlussteil der Reprise ist um eine Coda erweitert. 4. Satz, Allegro con fuoco Zwischen der Niederschrift der ersten drei Sätze und den ersten Skizzen zum Finale war eine Zeitspanne von drei Monaten verstrichen. Dvořák freute sich in dieser Zeit auf die Ankunft seiner Kinder in Amerika und hatte gerade beschlossen, den Sommer bei seinen tschechischen Landsleuten in Spillville/Iowa zu verbringen. So spricht aus diesem Satz weniger das Heimweh nach Böhmen als in den letzten drei Sätzen, sondern eher unbändiger Optimismus und Lebensfreude. Das Streichorchester steigt in ungeduldig drängenden Schritten auf zum Einsatz des Hauptthemas: -5- Dieses „Thema der Neuen Welt" wird erst wuchtig von den Blechbläsern vorgestellt, bevor die Streicher den Vordersatz auf die obere Dominante verlegen und vierstimmig harmonisieren. Ein wirbelnder Triolenrhythmus, eine motivisch verkleinerte Variante des Hauptthemas, fährt empor. Dann, wieder ganz in Gedanken beim heimatlichen Böhmen, erklingt von der Klarinette das zweite Thema: dem unmittelbar das dritte folgt, welches an eine Polka erinnert: In der Durchführung verarbeitet Dvořák nicht nur die Themen aus dem Finale, sondern auch die Hauptthemen der vorausgehenden Sätze: Amerika ist alte und neue Welt zugleich. -6- 3. Antonín Dvořák - sein Leben und Wirken2 (Sek. I/II) Herkunft und Jugend Antonín Dvořák kam am 8. November 1841 als das erste von neun Kindern des Gastwirts und späteren Zitherspielers František Dvořák und Anna, der Tochter eines Gutsaufsehers, in Nehlahozeves (Mühlhausen) zur Welt. Mit sechs Jahren ging er in die dortige Schule und bekam dort von seinem Lehrer zum ersten Mal Geigenunterricht. Mit zwölf Jahren übersiedelte er nach Zlonice (Slonitz), um dort Deutsch zu lernen, ohne welches man in Böhmen nicht auskam. Beim dortigen Kantor Antonín Liehmann lernte er zudem Klavier und Orgel und fing an zu komponieren. Fünfzehnjährig ging Dvořák nach Česká Kamenice (Böhmisch Kamnitz), vermutlich um seine Deutschkenntnisse aufzubessern und sich für die deutschsprachige Prager Orgelschule vorzubereiten. Ab Oktober 1857 besuchte er für zwei Jahre die Orgelschule, daneben eine Allgemeinschule, und gleichzeitig trat er als Bratschist in das zweimal jährlich auftretende Orchester des Cäcilienvereins ein. Erste Jahre als Berufsmusiker Da seine Versuche, eine Stelle als Organist zu erlangen, scheiterten, arbeitete er ab Sommer 1859 als Bratschist in einer der Kapelle, die in Kaffeehäusern und auf öffentlichen Plätzen Potpourris, Ouvertüren und Tänze spielte. Dieses Leben als Musiker zog sich über elf Jahre hin, ohne dass Dvořák mit Kompositionen an die Öffentlichkeit ging. Nach den überlieferten Werken zu urteilen scheint er jedoch autodidaktisch seinen Kompositionsstil fast planmäßig weiterentwickelt zu haben, angefangen bei Mozart über Mendelssohn und Schumann bis zu Wagner am Ende der 1870er Jahre. In den musikalischen Formen lag der Schwerpunkt zunächst beim Streichquartett. Ab 1862 spielte die Kapelle auch im neueröffneten Prager Interimstheater. Eine wichtige Rolle in diesem Umfeld kam Bedřich Smetana zu, dessen Opern „Die Brandenburger in Böhmen“ und „Die verkaufte Braut“ 1866 uraufgeführt wurden. Ab 1865 erteilte Dvořák neben seiner Arbeit am Theater Klavierunterricht. Zu seinen Schülerinnen gehörten die Schwestern Josefina und die damalige elfjährige Anna Čermáková. Letztere heiratete er acht Jahre später, am 17. November 1873. Schritt an die Öffentlichkeit 1870 schrieb Dvořák seine erste Oper „Alfred“ auf ein deutschsprachiges Libretto, die aber zu seinen Lebzeiten nie aufgeführt wurde und wohl eher ein Übungsstück darstellte. Das erste für die Öffentlichkeit bestimmte Werk war die Oper „Der König und der Köhler“ auf ein Libretto in tschechischer Sprache von Bernhard J. Lobeský. Um mehr Zeit für das Komponieren zu haben, gab er im Juli 1871 seine Stelle als Orchestermusiker auf. Gleichzeitig mit der Komposition führte er im Laufe der Jahre 1871 bis 1873 Lieder, kammermusikalische Werke und den Hymnus „Die Erben des Weißen Berges“ für Chor und Orchester auf, die gut bis enthusiastisch aufgenommen wurden. Allein mit seiner Oper „Der König und der Köhler“ hatte er weniger Glück. Die 1873 am Interimstheater aufgenommen Proben wurden bald abgebrochen, weil das Werk als zu schwierig und unsingbar erachtet wurde. Dvořák überdachte daraufhin seinen Kompositionsstil und wandte sich von der Neudeutschen Schule ab. Seine Oper schrieb er komplett neu und führte sie im November 1874 erfolgreich auf. 1874 begann Dvořák an einer privaten Musikschule zu unterrichten und trat im Februar eine Organistenstelle an, die er bis Februar 1877 behielt. Internationaler Durchbruch In den Jahren 1874 bis 1877 wurde ihm jährlich ein staatliches Stipendium verliehen. Mitglied der begutachtenden Kommission war Eduard Hanslick, später auch Johannes Brahms. Dieser verhalf ihm 2 Gekürzter Artikel aus www.wikipedia.org (de.wikipedia.org/wiki/Antonín_Dvořák. April 2014) -7- 1877 schließlich zu seinem endgültigen Durchbruch, indem er sich bei seinem Verleger Fritz Simrock für die Veröffentlichung der „Klänge aus Mähren“, einer Sammlung von Duetten, einsetzte. Gleichzeitig war dies der Beginn einer lebenslangen Freundschaft zwischen den beiden Komponisten. Auslandsreisen 1884 unternahm Dvořák auf Einladung der Philharmonic Society die erste von mehreren Reisen nach London. Als Auftragswerke für Birmingham beziehungsweise Leeds entstanden in diesem und dem folgenden Jahr die Oratorien Die Geisterbraut (nach einer Ballade von Karel Jaromír Erben) und Die Heilige Ludmilla. Nach der ersten Londonreise legte sich Dvořák eine Sommerresidenz in Vysoká (bei Příbram, früher Freiberg in Böhmen) zu, wo er fernab der Stadt seiner Liebe zur Natur nachgehen konnte. Auch in seiner öffentlichen Tätigkeit lässt sich ab 1887 eine ruhigere Phase ausmachen, in der er weniger Aufträge annahm, ältere Werke überarbeitete und die Oper Die Jakobiner schrieb. Anfang 1889 unternahm Dvořák auf Einladung der kaiserlichen russischen Musikgesellschaft eine Konzertreise nach Moskau und Petersburg. Nach einem weiteren Besuch in London kehrte er nach Prag zurück, wo er die Ehrendoktorwürde der Karlsuniversität verliehen bekam. Im Oktober 1890 nahm er schließlich eine Stelle als Professor am Konservatorium an, die ihm schon im Januar 1889 angeboten worden war, die er aber zu der Zeit wegen der anderen Verpflichtungen ausgeschlagen hatte. In der Neuen Welt Im September 1892 trat Dvořák eine Stelle als Direktor des National Conservatory of Music in New York an. Die Stelle war mit 15.000 Dollar jährlich dotiert und somit ein attraktives finanzielles Angebot für Dvořák, wenn er auch für diesen langen Aufenthalt eine Lösung für seine Familie finden musste. Seine Frau, seine Tochter Otilie und sein Sohn Antonín begleiteten ihn. Die anderen vier Kinder kamen nur für die Sommermonate 1893 in die USA, die die Familie in dem tschechisch geprägten Spillville in Iowa verbrachte. Initiatorin des Angebots war die Präsidentin Jeannette Thurber, die von der Idee geleitet wurde, Amerika von der Vorherrschaft der europäischen Kunstmusik zu lösen und ein nationales amerikanisches Kunstidiom zu fördern. Dvořák ließ sich von dieser Idee begeistern und studierte Spirituals der schwarzen Plantagenarbeiter und Indianermelodien, in denen er die Grundlage für eine charakteristisch amerikanische Musik sah. Verschiedene dieser Themen fanden in leicht abgewandelter Form Eingang in die Sinfonie Nr. 9. Den Wurzeln der amerikanischen Kultur Rechnung tragend integrierte er aber auch Teile europäischer Volkslieder. Für New York schrieb Dvořák einige seiner bekanntesten Werke: die Sinfonie Nr. 9 „Aus der Neuen Welt“, das „Te Deum“ und das Streichquartett op. 96, das oft als „Amerikanisches Streichquartett“ bezeichnet wird. Hier zeigte sich der Einfluss des Landes in bestimmten Eigenarten der Komposition, wie Pentatonik, einem erniedrigten Leitton, dem Scotch snap und der Synkopierung. Zu Dvořáks Hauptaufgaben am Konservatorium zählte der Kompositionsunterricht, bei dem unter anderem Rubin Goldmark sein Schüler war. Ende des Amerika-Aufenthalts Offiziell war Dvořáks Vertrag zunächst für zwei Jahre abgeschlossen, dann um zwei Jahre verlängert worden. Jedoch reiste er schon im April 1895 wieder nach Hause. Ein Grund dafür mag die finanzielle Lage seiner Mäzenin Thurber gewesen sein, die sich durch die Wirtschaftskrise dramatisch verschlechtert hatte, so dass er mehrmals auf sein Gehalt warten musste. Er selbst führte aber im wesentlichen seine Kinder an, um deren Obhut in Prag er besorgt war und von denen seine Frau nicht getrennt sein wollte. So verbrachte Dvořák zunächst einige ruhige Monate in Vysoká, um im November wieder seine Tätigkeit am Prager Konservatorium aufzunehmen. Er erwog kurze Zeit einen Umzug nach Wien, wo er am Konservatorium eine Stelle hätte bekommen können, entschied sich dann aber dagegen. In dieser Zeit entstanden seine letzten Streichquartette. -8- Sinfonische Dichtungen Das Jahr 1896 markiert Dvořáks Abkehr von der Absoluten Musik. Er hatte zwar schon vorher Werke geschrieben, die man als Programmmusik bezeichnen konnte, so vor allem 1889 die „Poetischen Stimmungsbilder“ für Klavier, die er als „Programmmusik, aber im Sinne Schumanns“ bezeichnete, oder das „Dumky“-Trio (ein Klaviertrio) im selben Jahr. Doch nun wandte er sich direkt der Sinfonischen Dichtung zu, eine Gattung, die im Streit um die Neudeutsche Schule um Franz Liszt und Wagner eine wichtige Rolle gespielt hatte. Innerhalb eines Jahres schrieb er den „Wassermann“, die „Mittagshexe“, das „Goldene Spinnrad“ und die „Waldtaube“, alle nach Balladen aus der Sammlung „Kytice“ des tschechischen Dichters Karel Jaromír Erben. Zusammenfassungen der jeweiligen Handlung gab er den Hörern in Prosaform mit. Dazu kam noch im nächsten Jahr das Heldenlied, dessen Programm er nicht explizit veröffentlichte, das er aber in einem Brief erklärte. Die letzten Jahre Dvořák hatte nun mit seinem Kammermusik- und Orchesterschaffen abgeschlossen. In seinen letzten Jahren komponierte er nur noch Opern: 1898 die „Teufelskäthe“ („Čert a Káča“), 1900 „Rusálka“ und 1902/03 „Armida“. Während der Uraufführung der „Armida“ musste Dvořák wegen Hüftschmerzen das Theater verlassen. Nach einigen Tagen Ruhe zog er sich eine Grippe zu und wurde bettlägerig. Er starb am 1. Mai 1904 im Kreis seiner Familie, vermutlich an einem Gehirnschlag. -9- 4. Arbeitsblätter (Sek. I) 1. Satz - Adagio. Allegro molto 1. Aufgabe: Du siehst unten folgende Themen bzw. prägnante Ausschnitte. a) Höre sie dir einzeln an bzw. lasse sie dir auf dem Klavier vorspielen. Präge sie dir genau ein! b) Welche Themen hängen miteinander zusammen? c) Ordne sie anhand der Partitur oder durch genaues Hören in der richtigen Reihenfolge A B C D E F G H I Adagio 2. Aufgabe Die Form des ersten Satzes entspricht einer Sonatensatzform. a. Ordne in das Schema die Buchstaben aus Aufgabe 1 ein b. Beschrifte die Felder mit folgenden Begriffen: Durchführung – Exposition – Reprise – Coda - Einleitung 3. Aufgabe Beschreibe, was deiner Meinung nach die Musik Dvořáks besonders interessant macht! ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ - 10 - 2. Satz - Largo 1. Der Satz beginnt mit schweren und düsteren Klängen. a) Beschreibe die Wirkung, die Dvořák erreichen wollte! b) Bestimme die Tonarten der Akkorde und markiere den harmonischen Verlauf auf dem Quintenzirkel! Was kann man feststellen? b. Thema B: stelle Um welche Tonleiter den Tonvorrat zu einer Tonleiter zusammen. handelt es sich? 2. Die Themen a. Thema A: stelle den Tonvorrat zu einer Tonlei ter zusammen. Um welche Tonleiter handelt es sich? c. Thema C: Benenne die rhythmische Besonderheit dieses Themas! 3. Erstelle beim Hören einen Formverlauf des Satzes. Achtung, es gibt im Verlauf des Satzes eine thematische Überraschung! __________________________________________________________________________________ - 11 - 3. Satz - Scherzo. Molto vivace Aufgabe: Im dritten Satz hören wir 4 sehr unterschiedliche Themen, die sich abwechseln. Versuche sie in einer Art „musikalischer Reisebeschreibung“ zu charakterisieren. Entwirf hierfür einen Text für ein Programmheft, das einem Konzertbesucher hilft sich auf das einzustimmen, was ihn beim Hören der Musik erwartet. Achte dabei auf Folgendes: - Instrumentation - Dynamik (Lautstärke) - Tempo - Rhythmik - Artikulation (z. B. staccato oder legato) - sonstige Besonderheiten, Überraschungen, Wiederholungen - eventuell Assoziation (z. B. „die Musik hört sich an wie wenn….“) __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ - 12 - 5. Lösungshinweise 1. Satz - Adagio. Allegro molto Folgende Zusammenhänge kann man anhand der Notenbeispiele deutlich machen: Es lässt sich leicht erkennen, dass B und I sowie A und H dieselben, lediglich transponierten Themen sind. Die Frage, welches als erstes gespielt wird, kann anhand der e-Moll-Vorzeichnung schnell erkannt werden. Gleiche Rhythmen (Synkopen) ergeben sich in den Anfängen von A (bzw. H), C, D u. F. Melodisch tritt der gebrochene Dreiklang in A (schnell punktiert), D (langsam punktiert u. synkopisch), in C (triolisch) und als Fanfare in E hervor. Ein weiteres strukturbildendes Element ist die aufsteigende Terz: B (bzw. I) und D (zweite Hälfte). Die Notenbeispiele lasse sich in folgende Reihenfolge bringen: G Einleitung D - I - A F - C D - B(I‘) - H(A‘) E Exposition Durchführung Reprise Coda 2. Satz - Largo 1. b. E - B | E - Cis | A - fis | Cis Die Darstellung auf dem Quintenzirkel zeigt die für die Romantik typische Nebeneinanderstellung weit auseinanderliegender harmonischer Verbindungen. 2. a. Pentatonische Tonleiter aus den Tönen c - d - e - g - (a fehlt) b. cis-Moll-Tonleiter, allerdings in der äolischen und nicht in der melodischen Form. Das Fehlen des Leittons verleiht dem Thema B den Charakter des Fremdartigen. c. Hier treten gleich dreierlei Synkopisierungen in Erscheinung: Halbe, Viertel und Sechzehntel 3. E (Einleitung) - A - |: B - C :| Thema F (1. Satz, Dfg.) - A - E‘ Die Form bildet quasi ein Bogenrondo ab. - 13 - 6. A. Dvořák - Sinfonie "Aus der Neuen Welt" - 2. Satz (Beginn) - Mitspielsatz A (Stimmensatz weitgehend original) A. Dvorak - Sinfonie "Aus der Neuen Welt" - 2. Satz (Beginn) - Mitspielsatz A - 14 - 7. Dvořák - Sinfonie "Aus der Neuen Welt" - 2. Satz (Beginn) - Mitspielsatz B (Stimmensatz vereinfacht) A. Dvorak - Sinfonie "Aus der Neuen Welt" - 2. Satz (Beginn) - Mitspielsatz B - 15 - 8. Antonín Dvořák: Sinfonie Nr. 9, e-Moll, op. 95 - „Aus der Neuen Welt“ Informationen, Notenbeispiele und Aufgaben3 (Sek. II) Die Kompositionen Antonín Dvořáks (1841-1904) hatten ihm auch in Amerika eine gewisse Berühmtheit eingetragen. Deshalb erhielt er eine Einladung, als künstlerischer Direktor des National Conservatory of Music und als Kompositionslehrer nach Nest York zu kommen. Das erste Werk, das Dvořák während seines Aufenthaltes in den USA (1892-1890) schrieb und das mit grobem Erfolg im Jahre 1893 in der Carnegie-Hall uraufgeführt wurde, war seine Sinfonie Nr. 9 „Aus der Neuen Welt“. Zusammen mit Bedřich Smetana war er ein herausragender Vertreter jener politisch-kulturellen Bewegung, die man als Nationale Schulen bezeichnet. Dvořák besaß ein sehr enges und kreatives Verhältnis zur tschechischen (böhmischer, slawischen) Volksmusik und zu Folklore überhaupt. Vielleicht war dies auch mit ein Grund für die Einladung nach Amerika, denn auch dort war man auf der Suche nach einer nationalen Musik. Es gibt keinen Zweifel, dass die Themen seiner Sinfonie Aus der Neuen Welt folkloristisch beeinflusst sind. Diese Merkmale entstammen einerseits der amerikanischen Folklore, zum anderen aber natürlicherweise auch derjenigen seiner Heimat. Die Benennung der Sinfonie, Äußerungen Dvořáks wie „Ich bin überzeugt, dass die zukünftige Musik dieses Landes auf dem gründen muss, was man allgemein mit Negermelodien bezeichnet“, gewisse kompositorische Merkmale und schließlich die begeisterte Aufnahme des Werkes lassen darauf schließen, dass sich Dvořák von dem Land, der Weltstadt New York, von Melodien der Schwarzen und Indianer, mit denen er sich näher beschäftigt hatte, inspirieren ließ. Aber genauso, wie die Musik Eindrücke aus Amerika vermittelt, sind auch Erinnerungen an zu Hause und Heimweh herauszuhören. – Hierzu ein weiteres Zitat aus einem Brief Dvořáks: „ … aber den Unsinn - ich hätte >indianische< und amerikanische Motive gebraucht, lassen Sie aus, denn das ist eine Lüge; ich habe mich nur bemüht, im Geiste der volkstümlichen amerikanischen Melodien zu schreiben!“ Der bekannte Wiener Musikkritiker schreibt dazu: „Dvořáks neue Sinfonie in e-moll ist »Aus der Neuen Welt« betitelt und heißt darum gemeiniglich die »Amerikanische«. Der Komponist protestiert zwar lebhaft gegen die Vermutung, er habe die Motive in Amerika aufgelesen. Gewiss sind die Themen, so wie sie in der Symphonie stehen, Dvořáks Eigentum - aber dass seine Phantasie vom der originellen Nationalmusik angeregt und beeinflusst war, die ihn in New-York täglich umschwirrte, scheint mir außer Zweifel.“ Die tschechische Presse reagierte dagegen nationalbewusster: » Dvořák teilt uns als Titel der Sinfonie »Aus der Neuen Welt« mit, keineswegs etwa, um in oberflächlicher Absicht hervorzuheben, dass sie in erster Linie amerikanischen Charakters sei, sondern vor allem deshalb, weil sie das erste Werk des Komponisten war, das er auf dem Boden der Neuen 4 Welt komponiert hatte.« Ein Programm im engeren Sinne liegt diesen »Eindrücken und Grüßen« aus der Neuen Welt demnach nicht zugrunde. Aber: das romantisch-zyklische Element der Wiederaufnahme von Themen in späteren Sätzen – vor allein im letzten –, deren Kombination sowie deren (beispielsweise in den Skizzenbüchern) sehr bewusst angelegte folkloristische Färbung fordern eine, wenn auch vorsichtige Deutung geradezu heraus. Wie ein Motto durchzieht das erste Thema des 1. Satzes die ganze Sinfonie, und es ist durchaus realistisch, den Rhythmus, den Ambitus, die Harmonisierung der beiden Glieder dieses Themas mit einem Inhalt, einer Absicht, einem bestimmten Erleben des Komponisten zu verbinden. 3 Nach: Bernhard Binkowski u.a. (Hg.): Musik um uns für den Kursunterricht in der Klasse 11. Stuttgart 1992. Beide Zitate aus: Ulrich Prinz u.a. (Hg.): Materialien für den Musikunterricht in der Oberstufe. Bd. 1 - Instrumentalmusik. Stuttgart 1990. 4 - 16 - In dieser Sinfonie kann man vom „Primat des Melodischen“ sprechen, die Themen werden eindeutig und vorzugsweise herausgestellt, sie sollen ankommen; alle anderen Teile haben wenig oder keinen Durchführungscharakter. Sie sind eher Episode oder Überleitung von Melodie zu Melodie. Der Hörer braucht nicht lange am das nächste Thema zu warten. Dazwischen begegnet er sehr prägnanten Motiven und Floskeln aus dem Themenbereich, die keine Langeweile aufkommen lassen. Dies liegt an der Unkompliziertheit, Frische und Natürlichkeit der Musik, an der >musikantischen< Vitalität Dvořáks, schließlich auch an der Instrumentation, die häufig für Überraschungen sorgt. Aufgaben: 1. Höre unter den oben genannten Gesichtspunkten die Exposition und Durchführung der Ecksätze. 2. Woran liegt es, dass die Themen insgesamt sehr fasslich und einprägsam sind? Lassen sich Ähnlichkeiten freistellen? 3. Untersuche die Themen auf folkloristische Stilelemente hin. Höre diese an, und erörtere dann in der Klasse, ob von ihrer „Einfärbung“ eine Wirkung ausgeht, die gleiche, ähnliche oder gegensätzliche Gefühle und Eindrücke bei Ihnen hervorruft. Einige der folkloristischen Elemente sind: a) pentatonische Floskeln (z. B. gr. Sek. plus kl. Terz) b) kleine Septime in Moll (man könnte im Hinblick auf die damals übliche Leittönigkeit von einer „erniedrigten“ Septime sprechen. c) Kleingliedrigkeit der Themen, geringer Ambitus, Kreisen um einen Ton, Rückkehr der Melodie zum Ausgangs- bzw. Grundton. d) die Begleitung: harmonische Grundlage des Themas sind nur ein Ton, eine „leere Quinte“ (s. Bsp. b, e), ein pulsierender Akkord (s. Bsp. i, k) – plagale Wendungen (s. 1. Satz, Einleitung T. 3 u. 4 sowie Beispiele e, f.; Schluss des 4. Satzes, Harmonie nach der Unisonostelle). Beschreiben Sie die Art der Themenbegleitung, und versuchen Sie auch etwas über auffallende harmonische Wendungen auszusagen. e) die Rhythmen: an ihnen lässt sich der folkloristische Einschlag am leichtesten erkennen. – Erkläre, warum der Hörer den Ursprung mancher Themen aus dem Tanz auf Anhieb erkennt. Würden Sie die Beispiele l und m eher nach Amerika oder nach Böhmen zuordnen? (Betrachten Sie die oben genannten Hinweise bzw. Fragen als Höraufgaben, da die Notenbeispiele aus Platzgründen hier nicht vollständig sind.) 4. Warum ist eine Überleitung von Beispiel a zu b und dann zu c fast „mühelos“ möglich? 1. Satz Hauptthema (Beispiel a) Seitenthema (Beispiel b) Schlussgruppe (Beispiel c) - 17 - 2. Satz Einleitung (Beispiel d) 1. Thema (Beispiel e) 2. Thema (Beispiel f) 3. Thema (Beispiel g) Aufgaben: 5. Das Tor zum 2. Satz bilden Klänge. Bestimmen Sie die Akkorde von Beispiel d, wenn möglich auch die funktionalen Zusammenhänge dieser für die romantische Harmonik aufschlussreichen Stelle. Beachten Sie die Klangfarbe am Anfang und bei der Wiederkehr dieser Klänge. 6. Dieser 2. Satz, so einheitlich seine Stimmung auch erscheint, ist ein lebendiger Organismus, dessen Glieder (Teile) durchaus differenzierte Funktionen erfüllen. Verfolge daraufhin den Satz. Achte auf wichtige Elemente wie Melodik, Rhythmik, Harmonik, Klangfarbe und Dynamik (bei Themen und ihrer Begleitung). Weiterhin auf Veränderungen bei der Wiederkehr der Themen sowie auf die besondere Funktion der Phrase ab Beispiel h bis zur Wiederkehr des 1. Themas (samt einer besonderen Überraschung). Male auf diese Weise ein Stimmungsbild von der zeitlichen Abfolge. 3. Satz 1. Thema (Beispiel i) 2. Thema (Beispiel k) - 18 - 3. Thema (Beispiel l) 4. Thema (Beispiel m) Aufgaben: 7. Stelle die Form des 3. Satzes (Scherzo) in Buchstaben oder grafisch dar. Vergiss dabei die Überleitungen nicht. 8. Die Nähe zum Tanz, die aus jedem der Themen spricht, lässt fragen, ob es sich um gleichartige oder verschiedenartige Tänze handelt. Stelle dir Tanzschritte, Tänzer, Anlässe, Orte und eventuell Landschaften vor, für die diese jeweilige Musik gedacht sein könnte. 4. Satz Hauptthema (Beispiel n) Seitenthema (Beispiel p) Schlussgruppe (Beispiel q) Aufgaben: 9. Hauptthema, Seitenthema und Schlussgruppe des 4. Satzes stehen in e - G - G (Exposition) und e - E - E (Reprise). Im ersten Satz ergibt sich folgendes Bild: e - g - G (Exposition) und e - gis - As (Reprise). Was folgt daraus im Bezug auf die Sonatenhauptsatzform? 10. Vergleiche die Reprise mit der Exposition, und sieh das Ergebnis im Zusammenhang mit der Coda. 11. Warum sind die beiden unscheinbaren Fagottstellen - Takte 114 bis 121 und Takte 259 bis 263 - typisch für den Hintergrund der Sinfonie? 12. Stelle zusammen, welche Themen aus früheren Sätzen auftauchen (vgl. Beispiel r). Dabei ist auch interessant, welche nicht auftauchen. Haben die Themen des 4. Satzes und der vorangegangenen Sätze Ausdruck, Charakter und Wirkung beibehalten oder hat die Umgebung sie verändert? (vgl. Beispiel q)? - 19 - 9. Lösungshinweise5: Andrew Carnegie (1835 – 1919), dessen Lebensweg ihn vom Laufburschen zum Stahlkönig führte, stiftete Millionen für philanthropische Einrichtungen, unter anderem den Friedenspalast in Den Haag und die CarnegieHall in New York. Als Einstieg könnten Lieder aus der Heimat Dvořáks und Spirituals gesungen werden. Bekannt ist die Verwandtschaft des Beispiels c mit dem Spiritual »Swing low«. Allerdings gibt sich der Schluss dieses Themas dann sehr romantisch. Auch die meisten Themen der Sinfonie können gesungen werden. Ihre Nähe zu vokaler Musik ist eklatant. Die Stimme als Medium für das bessere Verständnis eines Werkes in den Unterricht einzubeziehen ist hier – wie auch sonst – ein allzu oft vernachlässigter, obwohl eigentlich selbstverständlich methodischer Weg. Die Schüler könnten Texte zu den Themen verfassen. Eine solche Aufgabe brächte sie näher an den Charakter der einzelnen Themengestalten heran, auch wenn die Gefahr des parodistischen Vergnügens seitens der Schüler nicht ganz auszuschließen ist. Beispiel b eignet sich gut zum Improvisieren. Der Vergleich von Themen (etwa der Beispiele e, f, l und n) erweist sich als sehr instruktiv. Diese Aufgabe darf aber nicht so missverstanden werden, als sollte der Lehrer/die Lehrerin alle Themen vorweg abhandeln. Zur Aufgabe 1: Diese Aufgabe kann zum Einhören in die Sinfonie genützt, sollte aber im Verlauf der Unterrichtseinheit da und dort noch etwas exakter aufgegriffen werden. Zu den Aufgaben 2-5: Die Themen kann der Hörer leicht auffassen und behalten. Sie prägen sich ein durch ihren prägnanten, oft tänzerischen Rhythmus, die liedhaft-folkloristische Grundhaltung (die folkloristische „Landschaft“ ist überall zu hören) und die stets klare Gliederung in eingängige, häufig zweitaktige Motive. Dazu kommt die deutliche Verwandtschaft der Themen untereinander, die auch zum Beispiel den unmerklichen Übergang zum nächsten Thema im ersten Satz ermöglicht. Die folgenden Notenbeispiele zeigen diese vor allem melodische Nähe und die Technik der Schaffung von Übergängen sozusagen mit einfachsten Mitteln. Übergänge in der Exposition des 1. Satzes: 5 Analyse nach: Bernhard Binkowski u.a. (Hg.): Lehrerband Musik um uns für den Kursunterricht in der Klasse 11, Stuttgart 1992, S. 69-73. - 20 - Verwandtschaft in den übrigen Sätzen: Vergleiche auch den Rhythmus von Beispiel a und Beispiel c. Ebenso die Terz in Beispiel a (T. 13) mit den ersten Takten der Beispiele b, e, k und q. Auch die Beispiele b und f sind verwandt. Bei mehreren Themen erhält das Intervall der Quinte ganz oder teilweise die Rolle des melodischen Rahmens: Beispiele i, e, k und g. Folkloristische Stilelemente: a) pentatonische Floskeln: Beispiele c (T. 1-2), e (außer Mittelteil), f (T. 3), n (T. 3-4), b) kleine Septime: die jeweils dritten Takte der Beispiele b, f, n; Beispiel o, c) melodische Formung: Beispiele b, e, f, i, n und o. d) Die Begleitung ist durchweg so gehalten, dass sie sozusagen nicht auffällt und der Melodie Raum gibt, oft spärlich besetzt oder als reiner Klanggrund, auch als harmonischer Grundpfeiler. Ganz selten rührt sich in den Begleitstimmen eigenes melodisches Leben, so beim dritten Thema des zweiten Satzes die gehenden Generalbassachtel oder das Vc-Motiv im Seitensatz des Finalsatzes. Nicht erwähnt wurde bisher die harmonische Seite der Begleitung und da vor allem die vom Komponisten häufig, fast könnte man sagen mit Vorliebe, gebrauchten plagalen Wendungen. (Plagal bedeutet eine Subdominant-Tonika-Beziehung; auch die Subdominantparallele wirkt plagal.) Plagale Wendungen klingen herb, archaisch, auch fremd, ungewohnt. Sie drängen nicht in der gleichen Weise zur Tonika wie die Dominante, sie nehmen der Tonika eher etwas von ihrer Schwerkraft. - - Beispiele für plagale Wendungen Einleitung zum ersten Satz (T. 3-4), vereinfachte Darstellung, die Subdominante hier mit der zugefügten Sexte: Hauptthema des ersten Satzes, Funktion der Begleitung: T – T – sP – T. Der Mittelteil des ersten Themas des zweiten Satzes steht in der Subdominante - Der Schluss dieses ersten Themas ist in T. 39 folgendermaßen harmonisiert: - Streichertremolo-Grund zu Beginn des zweiten Themas im zweiten Satz: - T. 52 und T. 131 im zweiten Satz, T. 131 mit Moll-Subdominante, die den plagalen Eindruck noch verstärkt, - die Akkordsäulen in e-Moll und a-Moll mit beigefügter Sexte in den ersten beiden Takten des Hauptthemas im vierten Satz: - 21 - e) Tanzmusik muss tänzerische Bewegung herausfordern. Das leistet zunächst und vor allem der Rhythmus, dann auch ein metrisches Kontinuum, dessen Gleichmaß eine Spannung zwischen diesem Gleichmaß und dem Rhythmus entstehen lässt, weiterhin eine häufig folkloristisch-eingängige melodische Linie, deren Gestaltung vom Charakter des Tanzes bestimmt wird, und schliesslich darf die spezielle harmonische Komponente bei manchen Tänzen nicht vergessen werden. Diese Kriterien können vorweg genannt oder an den Themen der Sinfonie erarbeitet werden. Das Hauptthema des ersten Satzes bietet sich unmittelbar für einen Vergleich an, und die Schüler werden unschwer erkennen, dass nicht die Takte 1-4, wohl aber die Takte 5-8 die Eigenschaften tänzerischer Musik aufweisen. Der Vergleich der Beispiele b und f und ein Versuch, sie in Bewegung umzusetzen, lassen die Schüler erfassen, dass der Wechsel von Triolen und Achteln, die hemmenden Überbindungen und die unklaren Akzentverhältnisse beim Beispiel f keine spontane Aktion aufkommen lassen. Die Melodien der Beispiele l und m schwingen in einem verhältnismäßig großen Ambitus (etwa im Vergleich zu den Beispielen a (T.55), b und i. Aber das gemessene Aufsteigen von Beispiel l ist grundverschieden vom Habitus des Beispiels m mit seinen „Jauchzern“ auf den Schlag 1. Diese beiden Tanzmelodien wird man wohl am ehesten in Böhmen ansiedeln. Auch die Aufeinanderfolge eines gemäßigten Tanzes, wie in Beispiel l dargestellt, und eines schwungvollen, Beispiel m, ist eine in Dvořáks Heimat anzutreffende Form. Beispiel l ist verwandt mit dem „Deutschen“, volkstümlich, gemütlich und dennoch von einer gewissen vornehmen Haltung. Beispiel m kommt dem Walzer näher, lustig, ausgelassen, die Triller kichern und glucksen noch fort in der Oberleitung zur Wiederholung von Beispiel l. Zur Aufgabe 5: Die Klänge des Notenbeispiels d sind im Gegensatz zum Original zum Teil enharmonisch verwechselt dargestellt, um Schülern das Erkennen des harmonischen Zusammenhangs zu erleichtern. Akkorde: E Funktion: A: D Cis: B E Cis A Fis Cis N D TG T TG s T s (N = Moll-Subdominante mit erniedrigter Sexte = Neapolitaner) s Klangfarbe der Klänge an verschiedenen Stellen: Takt 1: tiefes Holz, gesamtes Blech, ebenfalls tief; gewichtig, ernst, feierlich, große Weite. Takt 22: hohes Holz, am Ende verstärkt durch gesamtes Blech, gleiche Dynamik, gemilderter Ernst, weniger gewichtig, entfernter als am Beginn. Takt 120: Blech, aber dünner besetzt, gleiche Dynamik, wer-halten, abschließend. Vierter Satz, Takt 299: ganzes Orchester, fortissimo; weniger eine Reminiszenz an die Stimmung des zweiten Satzes als ein formales Instrument der zyklischen Einbindung und der Schlusssteigerung. Zur Aufgabe 6: Diese Aufgabe kann auf vielfältige Weise gelöst werden: grafisch, gleich-oder verschiedenfarbig, freigestaltend-malerisch, verbal, gestisch-pantomimisch, analytisch. Die Aufgabenstellung muss so beschaffen sein, dass Gegenüberstellung-, Veränderungen, Wechsel, Gegensätze, also die Differenzierung der Teile leichtgefunden werden können. Die Palette der Klangfarben dieses Satzes bietet sich zum Beispiel an, die realistisch mit differenzierenden Farben dargestellt wird. Natürlich muss man sich auf die Hauptlinien beschränken, sonst leidet die Obersicht. Die Takte 90 - 100 (Beispiel h) halben die Funktion einer Oberleitung, auch die eines Einschubs mit neuen Charakteren und Stimmungen. Das Motiv (Beispiel h), eine Variation des ersten Themas, erscheint zunächst. eher heiter, die Verdichtung des Geschehens aber führt zum vitalen Eintritt des Hauptthemas des ersten Sat- - 22 - zes als Dur-Sextakkord in den Posaunen, verbunden mit dem Themenkopf des ersten Themas des zweiten Satzes in den Trompeten und dem verkleinerten Themenkopf der Schlussgruppe des ersten Satzes in den Holzbläsern und Violinen (vgl. dazu auch die Coda des dritten Satzes). Das Ganze wirkt wie ein Einschub in die Atmosphäre des Satzes, sowohl musikalisch als auch inhaltlich zu verstehen als Kontrastpartie und als Verquickung und Gegensatz des Erlebens von Heimat und netter Welt (Hermeneutik in Maßen ist hier durchaus am Platze). Zur Aufgabe 7: Hier eine Lösung, die das rhythmische Gesicht eines Satzes mit seinen unterschiedlichen Ausprägungen verdeutlicht: Zur Aufgabe 8: Es geht bei dieser Frage nicht darum, die Themen bestimmten Tanztypen zuzuordnen und sie genau zu lokalisieren. Das wäre auch ziemlich schwierig, da es sich kaum um wörtliche Übernahme von Tanzmelodien handelt und der sinfonische Rahmen die Grenzen reiner Tanzmusik überschreitet. Andererseits findet man wenig motivische Arbeit in diesem Satz, eher eine Reihung der Themen, dies vor allem im Trio, so dass ihr tänzerischer Charakter auch im größeren Geschehen erhalten bleibt. Diese Reihung wirkt frisch und lebendig durch die Verschiedenartigkeit der Melodien. Es dürfte deswegen nicht schwer fallen, die Phantasie der Schüler für diese Aufgabe zu wecken. Es werden keine einheitlichen Antworten und Lösungen erwartet. Es sollte jedenfalls nicht bei der Beschreibung der Noten Beispiele bleiben. Sie sollten anschaulich - 23 - werden durch ihre Übersetzung in Bewegung. Schwierig, aber für entsprechend begabte Schüler reizvoll ist die Aufgabe, die Themen bzw. Teile des Satzes so zu dirigieren, daß ihr Charakter in Gestik und Körperhaltung zum Ausdruck. Zur Aufgabe 9: Man könnte klassischen Formwillen und klassische Geisteshaltung als unbeirrbare Tendenz zur Tonika kennzeichnen, die trotz heiter-witziger, dramatischer, schicksalhaftere Umwege im musikalischen und menschlichen Bereich als Ziel gesteckt wird, als Erfüllung und Erlebnis völliger Harmonie. Der Romantiker sucht größere Dimensionen, die Tonika bindet ihn zu sehr an die begrenzte Wirklichkeit menschlichen Strebens. Er muss sie überschreiten. Die strenge harmonische Bezogenheit, wie sie sich in der Klassik herauskristallisiert hatte, wird aufgegeben. Der romantische Komponist empfindet infolge der harmonischen Ausweitung auch entferntere Tonarten als hinreichend verwandt. Dvořák ist noch der Tradition verbunden, wie auch sein Vorbild Brahms, und behält zum Teil das klassische Tonika-Dominantverhältnis bei oder bleibt im Bereich der Terzverwandtschaft. Allerdings spielen Seitenthema und Schlussgruppe im vierten Satz eine so geringe Rolle, dass die in der Klassik form- und sinnbildende harmonische Spannung kaum ins Gewicht fällt. Zu den Aufgaben 10 und 12: Die Exposition des vierten Satzes umfasst 105 Takte, die Reprise dagegen nur 64 Takte, während die Coda mit ihren 70 Takten schon quantitativ mehr Gewicht erhält. Das Hauptthema erklingt in der Reprise nur zur Hälfte und ohne seinen klangvollen Schluss. Das aus dem Nebengedanken (Beispiel o) entwickelte Motiv mit dem Rhythmus gewinnt im Seitensatz noch mehr an Bedeutung als in der Exposition und - fast könnte man sagen - stört die beseelte Linie des Themas, so dass sich auch dessen Bedeutung verringert. Die Schlussgruppe schließlich wird verändert und wie das Hauptthema nur zum Teil ausgeführt. Die Reprise verliert insgesamt an Gewicht. Sie ist nicht mehr das bestätigende, zur Lösung, ans Ziel gelangende Äquivalent der Exposition. Sie erinnert eher. Nicht der ursprüngliche Sinn der Sonaten hauptsatzform ist angestrebt, sondern der zyklische Gedanke dominiert, die zyklische Großform. Die intensive Synthese des Ganzen geschieht vor allem in der Coda. Dort kehren die Einleitungsakkorde zum langsamen Satz und die ersten Themen aller Sätze bzw. ihr Themenkopf wieder. Sie waren bereits in der Durchführung aufgetaucht, außerdem noch der Nebengedanke (Beispiel o) aus dem ersten Satz und der etwas veränderte Themenkopf des vierten Themas aus dem dritten Satz (T.128, Beispiel m). So dient auch die Durchführung bereits dem Bestreben, das sinfonische Material zyklisch zusammenzufassen. Die Wiederaufnahme ruhiger, vielleicht heimatlicher, von einer leisen Sehnsucht geprägter Themen, wie man die zweiten Themen der vorangegangenen Sätze bezeichnen könnte, vermeidet Dvořák. Den auffallendsten Wandel im Charakter erfährt der Themenkopf des ersten Themas aus dem zweiten Satz. Er begegnet uns in Moll (T.313) mit Hornquinten; dann etwas bieder als Oberstimme einer Folge gleicher Akkorde (T.156, Beispiel r); weiterhin zweimal im ff von Trompeten und Posaunen gespielt und damit dem Hauptthema des Finalsatzes angeglichen (T. 176, T.182). Dieses Hauptthema hört man zweimal in einem sanften Licht, wie von ferne, gespielt von Oboe und Horn bzw. Horn allein, jeweils an einer wichtigen Stelle. Zunächst (T.214) zu Beginn der Reprise nach einem plötzlich abbrechenden ff-Einsatz desselben Themas; dann in der Coda genau umgekehrt vor dessen mächtigem Unisono-Einsatz kurz vor Schluss. Wie eine Klammer für die Sinfonie treffen 16 Takte vor dem Ende die Hauptthemen der Ecksätze in den Bläsern zusammen. Diese Koppelung wird besonders eindrücklich durch die Veränderung der ursprünglichen Gestalten. Der die ganze Sinfonie durchziehende Anfang des Hauptthemas aus dem ersten Satz steigt auf in klarem E-Dur, der Themenkopf aus dem Finalsatz beginnt ebenfalls in E-Dur, kehrt aber im zweiten Takt nicht zum Grundton e zurück, sondern erreicht nur eis. Es ergibt sich ein spannungsgeladener, wie ein weher Ausruf wirkender alterierender Nonakkord. Beispiel r zeigt die Kombination dreier Themen (T.156-159). Flöten, Klarinetten: erstes Thema, zweiter Satz, fortgesetzt durch das Hauptthema, vierter Satz in Dur; Bratschen: Hauptthema, vierter Satz verkleinert; 1.Violinen, Bässe: erstes Thema, dritter Satz. Die Charaktere sind durchweg verändert. Das Thema aus dem zweiten Satz wirkt jetzt, wie bereits oben erwähnt, ziemlich bieder, das des vierten Satzes in Flöten und Klarinetten eher elegisch über dem alterierten Akkord f - a - eis oder in der Bratsche unbedeutend verspielt, während der tänzerische Schwung des ersten Themas aus dem Scherzo zur lustigen Floskel wird. - 24 - Zur Aufgabe 11: Beide Male hören wir kleine, einfache Tanzmelodien, die versteckt und vom Fagott gespielt als heiterer Kontrapunkt auftauchen. - 25 - 10.Dvořáks Reißepass für Amerika - 26 -