Vera ,San Salvador de Jujuy, Argentinien
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Vera ,San Salvador de Jujuy, Argentinien
Argentinien 2008-2009 Mein Auslandsjahr in Argentinien war das eindrucksvollste, abwechslungsreichste und eines der besten Jahre meines Lebens. Am 23. August 2008 begann mein großes Abenteuer „Fernweh“ Mein genaues Ziel war Jujuy, eine kleine Provinz im Norden Argentiniens, an der Grenze zu Bolivien und Chile. Gelebt habe ich in der Provinzhauptstadt San Salvador de Jujuy. Es war ein völlig neues Gefühl, das erste Mal so lange Zeit ohne meine Eltern in einem ganz fremden Land, von dem ich vorher kaum etwas gehört hatte, zu leben. Ganz auf mich allein gestellt. Schon bei meiner Ankunft in meiner neuen Heimat prasselten so viele neue ungewohnte Eindrücke auf mich ein. Allein die Begrüßung, die so unglaublich herzlich und natürlich war, hat mich überwältigt. Ganz fremde Menschen haben mich sofort als ein neues Familienmitglied aufgenommen und mir geholfen, mich in meiner neuen Umgebung einzuleben und glücklich und wohl zu fühlen. Ich habe das ganze Jahr bei derselben Familie gelebt, bei meiner Mutter Txapi, meinen Schwestern Maite und Viktoria und meinem Gastvater Mito. meine Mutter, ich mit meinen Schwestern, meinen Tanten, meinen Cousinen, ....... Natürlich gab es auch ein paar Hürden zu überwinden. Dies ist aber ganz normal und durch Selbstvertrauen, Offenheit und die Hilfe von neuen Freunden und der neuen Familie ist dies alles sehr gut zu schaffen. Einige dieser Hindernisse waren für mich zum Beispiel die Sprache, die ich nur wenig beherrschte. Zum anderen musste ich mich daran gewöhnen, mir ein Zimmer zu teilen und mit den Lebensverhältnissen (die sich sehr von den unseren unterscheiden) gut zurechtzukommen. All diese Probleme habe ich mit der Hilfe der unglaublich herzlichen Menschen schnell gelöst. Die Sprache zum Beispiel habe ich durch das viele Zusammensein mit Freunden und der dadurch hervorgerufenen Konfrontation des Hören- und Sprechen- Müssens gelernt. Viele meiner Freunde konnten kaum Englisch, was mich noch mehr angespornt hat, so schnell wie möglich Spanisch zu lernen. Meine Freunde und ich bei mir zu Hause In diesem Jahr habe ich so viele Dinge erlebt und gesehen, von denen ich erfreut, erstaunt und auch erschreckt war. Besonders betroffen hat mich diese unglaubliche Armut. Menschen, die in Slums leben, sich mit verschmutztem Flusswasser nicht nur waschen, sondern es auch trinken müssen, um zu überleben. Menschen die nicht viel besitzen und die sich ihr Essen aus der Mülltonne suchen. Sie verrichten alle möglichen Arbeiten, oft haben sie mehrere Jobs und bekommen nur einen Hungerlohn. Kinder ab ca. 3 Jahren in schmutziger, alter, zerrissener Kleidung, völlig verlaust, verkaufen im Restaurant, in der Subtè (U-Bahn) und auf der Straße Karten, Rosen und andere Kleinigkeiten, um irgendwie an etwas Kleingeld zu kommen. Menschen, die sich für keine Arbeit zu gut sind, die, um irgendwie Geld zu verdienen, dich darum bitten, für umgerechnet 20 Cent deine Schuhe putzen zu dürfen. Diese traurige Wahrheit habe ich in meinem Auslandsjahr jeden Tag aufs Neue gesehen und mich immer gefragt wie man diese Probleme lösen kann. Aber eine Lösung dafür zu finden ist sehr schwer, denn es ist ein Kreislauf. Man wird in die Armut hineingeboren. Für diese Menschen sind die Kinder ihre einzige Lebensversicherung. Wenn sie irgendwann nicht mehr arbeiten können, sind es die Kinder, die sie versorgen. So werden wieder und wieder möglichst viele Kinder geboren, weil es keine andere Möglichkeit gibt zu überleben. Eine andere Sache, die mich erstaunt hat, ist die Wertschätzung der Menschen. Kaum einem ist es wichtig, in welchen Verhältnissen man lebt. .Keiner legt Wert auf Materielles. Nein, viel wichtiger ist das Menschliche. Sich seine Zuneigung zu zeigen, füreinander da zu sein, Freundschaften zu pflegen und zu helfen wo man kann. Diese so unglaubliche Herzlichkeit hat mich sofort begeistert. Meine Gastmama und ich An meinem ersten Tag in der Schule sind alle meine Klassenkameraden, die Freunde meiner älteren Schwester und die anderen Schüler auf mich zu gekommen und haben sich um mich gekümmert. Anfangs waren die typischen Fragen natürlich: Wie heißt du? Woher kommst du? Wie alt bist du? Hast du Geschwister? Nach 2 Wochen haben sich dann schon intensivere Freundschaften entwickelt, die sich nicht nur das ganze Jahr über, sondern auch bis nach meinem Auslandsjahr gehalten haben und ich hoffe , dass mich diese Freunde mein Leben lang begleiten werden. Jeden Tag habe ich mich mit ihnen getroffen. Die meisten hatten schon ein eigenes Auto und haben mich immer abgeholt. Ich hatte so viele tolle Erlebnisse, sowohl mit meiner Familie als auch mit Freunden oder allein. Ein kleiner Vorteil war es auch, dass ich blond und hellhäutig und daher aufgefallen bin und auch sehr viel angesprochen wurde. Auch dadurch sind viele Kontakte entstanden. Ich hatte unglaublich viele unvergessliche Erlebnisse in diesem Jahr. Zum Beispiel die Hochzeit meiner älteren Gastschwester , die in Buenos Aires lebt. Es war ein wunderschönes, elegantes Fest mit vielen interessanten Menschen und unbekannten Sitten und Gebräuchen. Auch der Aufenthalt in Buenos Aires war ein tolles Erlebnis. Von der breitesten Straße der Welt bis zum Tango hat mich einfach alles begeistert. Auch in meinem Alltag, ereigneten sich viele schöne Dinge. Zu lernen, wie man sich im Alltagsleben verhält , wie man mit Situationen umgeht, welche Bräuche angewendet werden, wie und was man isst, mit welchen Menschen man zusammen ist, wann man mit ihnen zusammen ist, wo man sich trifft, wie man seine Freizeit gestaltet. Zudem, was für mich anfangs ein wenig schwer war, musste ich lernen, zu spät zu kommen. Alles ist ganz anders als in Deutschland. Auch zu erlernen, wie man sich in der Schule und in Umgang mit seinen Freunden verhält, war mir ein wichtiges Anliegen. Im November 2008 bin ich dann auf große Reise gegangen. Vom nördlichsten Punkt Argentiniens zum südlichsten Punkt , mit dem Bus, in 2 Wochen hin und zurück ( Insgesamt ca. 8000 km.) Von Jujuy bis nach Ushuaia auf Feuerland, dem so genannten „Ende“ der Welt. Die Reise begann offiziell in Cordoba, einer großen, von Studenten geprägten Stadt. Ziele der Reise waren u.a. Calafate und der Moreno Gletscher. Ein riesiger Gletscher in den Anden, einfach atemberaubend. Für mich ein Weltwunder. Vera und Eva in Calafate Walmutter mit Kind In Puerto Madryn bekamen wir Wale in ihrem natürlichen Lebensraum zusehen. Sie waren fast so nahe, dass ich sie hätte anfassen können. Unbeschreiblich, wie sie mit ihrer großen Masse ganz elegant und seicht unterm Boot hergetaucht sind und ihre riesige Schwanzflosse zum Himmel gestreckt haben. Ein Moment, den ich nie vergessen werde, ist das Bild zweier Wale. Eine Mutter mit ihrem Jungen, die beide ihre Flossen aus dem Wasser strecken. Auch Pinguine haben wir gesehen. Keine im Zoo lebenden, eingesperrten Tiere, nein Pinguine haben in Argentinien einen natürlichen Lebensraum. Es war nicht, wie ich es mir vorgestellt hatte, alles vereist und kalt. Es war zwar in einem kälteren Gebiet, aber eher ein trockener, sandiger, strandartiger Lebensraum. Die Pinguine in ihrer freien Natur zu sehen war ein tolles und gerade wegen meiner falschen Vorstellungen ein total neuer Eindruck. Das Ende der Welt (Ushuaia) habe ich dann nicht nur zu Fuß, sondern auch auf dem Rücken der Pferde erkundet. Der Blick auf das letzte Landstück und das darauf folgende Wasser lässt einem den Atem stocken, wenn man daran denkt, dass es nicht mehr weiter geht. Diese Reise war für mich eines der schönsten Erlebnisse. Es hat mich sehr beeindruckt, in einem Land so viele außergewöhnliche, schöne Landschaften und Tiere, sowie einzigartige und vielseitige Natur zu sehen. Die Feiertage wie Weihnachten und das Neue Jahr waren für mich mit viel Aufregung und gleichzeitig großer Freude verbunden. Es wurde ganz anders gefeiert als zu Hause. Schon allein die Tatsache, dass ich anstatt im Schnee einen Schneemann zu bauen, mich in der Sonne bei 35 Grad auf ein schönes Fest gefreut habe, war sehr ungewöhnlich und ungewöhnlich war auch, am heißen Silvester ein Feuerwerk zu zünden. Die Bescherung war, wie es der Mentalität der Argentinier entspricht, nicht sehr wichtig. Viel wichtiger zum Beispiel für die Jugendlichen ist die Feier mit den Freunden, die ab 2 Uhr nachts sowohl an Heiligabend als auch am Silvesterabend stattfindet. Eine tolle Erfahrung, auch diese Feiertage mit seinen Freunden zu verbringen. Nach den Festen, im Januar, haben wir meine ältere Schwester Viktoria in Buenos Aires nach Deutschland in den Schüleraustausch verabschiedet und ich bin mit meiner kleinen Schwester weiter nach Mendoza, einer weiteren Provinz Argentiniens gefahren, um dort einen Monat meiner Ferien zu verbringen. Es war eine tolle, erlebnisreiche Zeit mit viel Sonne. Noch besser hat mir der argentinische Karneval gefallen. Ich mit meinem Onkel das Opferritual für die Karnevalsgötter Ein großes Fest mit tausenden von Menschen, die sich mit Wasser bespritzen, sich mit Kreidepulver bewerfen, tanzen, lachen und fröhlich sind. Die Balkarsen (Karnevalsumzüge) werden von so genannten Göttern geleitet, ganz bunt gekleidete Kinder und Erwachsene mit viel Glitzer, Glimmer und Glöckchen. Laute Musik, eine tanzende und singende Menschenmenge. Wer vom “Gott” aufgefordert wird zu tanzen, hat keine andere Wahl, als dies zu tun. Der Karneval wird mit einem Opferritual sowohl eröffnet als auch beendet. Dabei werden Wein, Essen, Zigaretten oder Zigarillos und schon gekaute Kokablätter geopfert. Die Karnevalswoche war eine der schönsten, abwechslungsreichsten und lustigsten Wochen meines Austauschjahres. An meinem Geburtstag haben meine Freunde eine Überraschungsparty für mich vorbereitet und mir eine Mappe mit persönlichen Briefen geschenkt, was mich unglaublich gerührt hat. Sie haben mir damit gezeigt, dass ich nicht nur eine Austauschschülerin, sondern eine wirklich wichtige Freundin für sie bin. Dieser Geburtstag war der schönste, bedeutendste und emotionalste meines Lebens. Im Mai sind wir zu einer Trekkingtour in den Anden aufgebrochen. Mit dreißig meiner Schulkameraden und einer Lehrerin als Betreuerin sind wir 4 Tage bis auf 4300 Meter gewandert. Wir haben bei nächtlichen Minusgraden in Zelten, die von Packeseln getragen wurden, übernachtet. Jeden Tag sind wir weiter gezogen und haben uns selbst verpflegt. Mit einem 20 Kilo Rucksack auf dem Rücken sind wir durch Schluchten geklettert und hatten unheimlich viel Spaß. Zusammenhalt der Gruppe hat mich überwältigt. Keiner ging ohne seinen Mitschüler weiter. Bei Problemen war sofort jemand zur Stelle, jeder hat Mut zu gesprochen und war einfach für den anderen da. Sowohl dieser Zusammenhalt, das tolle Gruppengefühl, als auch die unbeschreiblich schöne Landschaft haben dieses Trecking für mich unvergesslich gemacht. Am Ende meines Austauschjahres hatte ich die Möglichkeit an der „Eleccion de la Reina“ (Königinnenwahl) meiner Schule teilzunehmen. Ich war ganz stolz, einer der zwölf Kandidatinnen sein zu dürfen. Es wurden la Reina (Königin), zwei princesas (Prinzessinnen) und eine Embassadora de Juventud (Botschafterin der Jugend) gewählt. Schon die Vorbereitungen waren ganz spannend. Termine zum Interview mit Rundfunk und lokalem Fernsehen, Kleidauswahl usw.. Am Tag der Entscheidung musste sich jede Teilnehmerin einem großen Publikum präsentieren und von einer Jury wurden alle Mädchen bewertet. Der Moment, als ich zur Botschafterin der Jugend gewählt wurde, war beeindruckend. Freunde und Bekannte die mich bejubelten, Geschenke, Blumen und der Titel der „Embassadora de Juventud“. Insgesamt war dieses Jahr mit seinen Höhen und Tiefen einfach nur unbeschreiblich toll. Eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte und die mich für mein Leben geprägt hat. Es lohnt sich auf jeden Fall, für dieses einmalige Erlebnis in der Schule ein Jahr nachzuholen. Auch wenn man nur noch 12 Schuljahre hat, sollte man diese Chance ergreifen. Das, was man in so einem Jahr in einem fremden Land, mit fremden Menschen, einer fremden Kultur und einer vielleicht fremden Sprache lernt, kann einem in der Schule keiner beibringen. Das sind Lebenserfahrungen, die jeder machen sollte und die einem die Welt näher bringen. Vera Burggraf