Deloitte Millennial Survey
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Inhalt ▪ KW 5-6 2015 Pressespiegel … Suchen und Fördern des Guten schlechthin Deloitte Millennial Survey: Junge Deutsche wollen nicht Chef werden ... 1 von 3 http://www.wiwo.de/erfolg/zukunftderarbeit/deloitte-millennial-survey... 28.01.2015 Drucken Deloitte Millennial Survey Im internationalen Vergleich sind vor allem junge deutsche Frauen relativ unambitioniert. Dazu kommt ein wachsender moralischer Anspruch an die Wirtschaft, wie eine Umfrage zeigt. Der deutschen Jugend kommt offenbar der Ehrgeiz abhanden. Vor allem junge Frauen in Deutschland streben selten eine Führungsposition an. Das ist ein zentrales Ergebnis des „Delloitte Millenial Survey 2015“. Die Umfrage im Auftrag des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte fasst die Erfahrungen und Erwartungen von 7806 nach 1982 geborenen jungen Erwachsenen in 29 Ländern aller Kontinente zusammen. Drei Viertel von ihnen arbeiten in größeren Organisationen mit mehr als 100 Beschäftigten. In Deutschland wünscht sich nicht einmal jede dritte junge Frau (29 Prozent) eine leitende berufliche Position. Unter den jungen deutschen Männern sind es 46 Prozent. Im internationalen Vergleich gehören die Deutschen damit zu den am wenigsten Ehrgeizigen. In den untersuchten asiatischen Ländern Singapur, Südkorea, Malaysia, Thailand und China streben dagegen im Schnitt 70 Prozent der Befragten eine Führungsposition in ihrer Organisation an. Worauf die Deutschen bei einem neuen Job Wert legen Alles anzeigen 97 Prozent Fast alle der von forsa befragten 2.001 Bundesbürger sagten, dass sie bei einem neuen Job sehr viel Wert auf angenehme Kollegen legen. 96 Prozent Nur knapp dahinter folgt der sichere Arbeitsplatz, den 96 Prozent als sehr wichtig erachten. 95 Prozent 05.02.2015 11:41 Deloitte Millennial Survey: Junge Deutsche wollen nicht Chef werden ... 2 von 3 http://www.wiwo.de/erfolg/zukunftderarbeit/deloitte-millennial-survey... 95 Prozent wünschen sich Respekt und Anerkennung durch die Vorgesetzten. 93 Prozent Ein gutes Gehalt ist 93 Prozent wichtig beziehungsweise sehr wichtig. 90 Prozent 90 Prozent wünschen sich von der neuen Stelle, dass sie abwechslungsreiche Tätigkeiten mit sich bringt. 89 Prozent Für 89 Prozent ist es wichtig bis sehr wichtig, dass der neue Job unbefristet ist. 88 Prozent 88 Prozent der Befragten sagten, dass ihnen die Moralvorstellungen und das Leitbild des Unternehmens wichtig sind. Ebenfalls 88 Prozent legen sehr großen Wert darauf, dass sie Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten im neuen Unternehmen haben. 70 Prozent Flexible Arbeitszeiten wünschen sich 70 Prozent im neuen Job. 65 Prozent Wichtig beziehungsweise sehr wichtig finden 65 Prozent Mehrwertleistungen des Unternehmens wie beispielsweise eine Betriebsrente, Mitarbeiterrabatte oder einen Dienstwagen. 64 Prozent 64 Prozent wünschen sich, im neuen Unternehmen für besonders gute Leistungen auch Bonuszahlungen zu bekommen. 59 Prozent 59 Prozent wünschen sich im neuen Job Führungsverantwortung zu übernehmen, zumindest aber, 05.02.2015 11:41 Deloitte Millennial Survey: Junge Deutsche wollen nicht Chef werden ... 3 von 3 http://www.wiwo.de/erfolg/zukunftderarbeit/deloitte-millennial-survey... Projektleiter zu werden. Kritik am Profitstreben Der schwache Ehrgeiz der jungen Deutschen ist mit einem hohen moralischen Anspruch verbunden, der allerdings in anderen Ländern noch ausgeprägter ist. Von Unternehmen wird gesellschaftliches Engagement verlangt. Eine Mehrheit der jungen Deutschen von 62 Prozent kritisiert, dass wichtige Unternehmen in erster Linie profitgetrieben wirtschaften. Im internationalen Durchschnitt kritisieren dies sogar 75 Prozent. 43 Prozent der jungen Deutschen glauben, dass Unternehmen die gesellschaftliche Wirklichkeit stärker bestimmen als die Regierung. Das Verhalten von Firmen bewerten 39 Prozent der Deutschen als ethisches Statement. Von deren führenden Mitarbeitern erwarten sie dementsprechend, dass sie mithelfen, die Gesellschaft zu verbessern. weitere Artikel Generation Y Die Jugend will gerne führen Generation Y Angepasste Duckmäuser oder stille Revoluzzer Suche nach Talenten Unternehmensberater reagieren auf Generation Y „Die Millenials glauben in ihrer übergroßen Mehrheit, dass die Wirtschaft einen Neuanfang braucht, sowohl was die Aufmerksamkeit für Menschen und Ziele angeht, als auch ihre Produkte und Gewinne betreffend“, heißt es gleich im ersten Satz der Studie. Die Botschaft sei eindeutig, sagt Deloitte-CEO Barry Salzberg: Wenn sie auf ihre Karriere-Ziele schauen, interessieren sich die Millenials heute ebenso sehr dafür, wie ein Unternehmen seine Menschen entwickelt und zur Gesellschaft beiträgt, als auch für die Produkte und den Gewinn“. fk © 2015 Handelsblatt GmbH - ein Unternehmen der Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH & Co. KG Nutzungsbedingungen Archiv Kontakt Impressum Datenschutz Mediadaten-Online Mediadaten-Print 05.02.2015 11:41 Deloitte Millennial Survey 2015 Hier geht‘s zur Deloitte-Studie! SWR Fernsehen, 31. Februar 2015 „Lebendige“ Begegnung möglich – Eröffnung Erich Fromm Institut Hier geht‘s zum TV-Beitrag! (02:00 min) Vertrauen statt Rivalität ST o (.,.,2 . 2 . 2C·i-~ 150 Gäste feierten am Freitag die Eröffnung des Erich -Fromm-lnstituts Das Tübinger Erich-Fromm-lnstitut könnte die gesellschaftliche Debatte über die psychischen Folgen einer entfesselten Marktwirtschaft neu beleben. Das sagte Institutsleiter Rainer Funk bei der gut besuchten Eröffnung am Freitagabend. DOROTHEE HERMANN Ttibingen. Der Sozialphilosoph Erich Fromm hat schon früh erkannt. dass geseUschaftlich erwünschte Gefühle und Verhaltensweisen nicht unbedingt mit jenen übereinstimmen müssen, die für "das men schliche Gelingen" des Einzelnen entscheidend sind. Das sagte Rainer Funk. der engagierte Nachlassverwalter des soziologisch geschulten Denkers. Der mm öffentlich zugängliche Nachlass samt der persönlichen Bibliothek Fromms laden zur Auseinandersetzwlg mit solchen geseUschaftspoiJtischen Widersprüchen ein, sagte der 70-jährige Psychoanalytiker. Nach einem Studium der Philosophie un d Theologie war Funk 1974 bis 1980 Fromms letzter Assistent w1d Herausgeber von dessen Werk-Ausgabe. Lm Wettbewerb einer liberalisierten Marktwirtschaft hätten viele Menschen verinnerlicht, stets leistwlgsbereit zu sein, so Funk. "Sie beuten sich selbst aus, nur um zu Rainer Funk Archivbild: Metz den zu den Gewinnern zu gehören und nicht HariZ IV zu beziehen. Solidarische, empathische Gefühle bleiben vor lauter Rivalisieren auf der Strecke." Mir Erich Fromm lasse sich "die Grausanlkeit eines von Ri valität statt von Solidarität geprägten Gemeinwesens" ana)ysieren . Derzeit gängige Schlagwörter wie "Change, Restrukturierung oder sich neu erfinden" zielten auf Veränderwlgen, cUe man heute mit Erfolg auf technischem Wege zu erreichen versuche, sagte Funk. Komplizierter sei es, die inneren Antriebskräfte Karl Schlecht Archivbild: privat des Einzelnen miteinzubeziehen. Ge boren 1900 in Frankfurt/Main, wurde Fromm 1933 von den Nazis ins US-amerikanische Exil getriepen. Erst in den siebziger Jahren wurde sein Denken in den deutschsprachigen Ländern und in Italien wahrgenommen, berichtete Prof. Jürgen Hardeck von der internationalen Erich-Fromm-Gesellschaft. Schlüsselwerke wie "Haben oder Sein" und "Die Kw1st des Uebens" wurden Kultbücher, vor allem in Bürgerbewegungen wie den damals sich formierenden Grünen. Für Oberbürgermeister Boris Palmer reibt sich das neu eröffnete lnstitut in den ,. Perlenkranz von Kulturinstitutionen in der Altstadt", neben dem Hölderlinturrn und dem Hermann-Hesse-Kabinett. Palmer dankte dem Stifter Kar! Schlecht, der nach dem Weltethos-Institut nun auch das Fromm-Archiv ermöglicht habe. Zudem würdigte der Oberbürgermeister die Arbeit von Rainer Funk als bemerkenswert. Prof. Kar! Schlecht, verhinderter Finanzier einer Konzerthalle am Alten Botanischen Garten, bedauerte, dass die Erich-Fromm-Stiftungsprofessur nur in Berlin, nicht aber in Tübingen einen PlaiZ gefunden habe. Das Denken des Sozialphilosophen habe ihn dazu angeregt, ,.Konzentration, Vertrauen und Hingabe zu üben". Der Geschäftsführer des Tübinger Weltethos-lnstituts, Bernd Villhauer, warnte mit Fromm davor, menschliche Beziehungen allein als Nutzenbeziehungen zu sehen. Ln der gegenwärtigen Wirtschaftsweise, geprägt von einer ,,Anthropologie der Angst", rege der Sozialpsychologe dazu an, "dennoch auf Uebe und Vertr:auen zu setzen". Jochen Brusch (Violine) und Alexander Reitenbach (Piano) schufen den festlichen musikalischen Rahlnen. Info Das Erich-Fromm-lnstitut ist öffentlich zugänglich: Di bis Do, 12 bis 17 Uhr, Hintere Grabenstraße 26, 1. Stock (www.erich-fromm.de). Dienstag, 03. Februar 2015 Forschung - In Tübingen wurde das »Erich Fromm Institut« eröffnet. Der Nachlass des Psychoanalytikers und Soziologen ist jetzt für die Öffentlichkeit zugänglich Prinzip Lebensliebe VON MARTIN BERNKLAU TÜBINGEN . »Kein Idol, aber Vorbild, kein Guru, aber Lehrer« sei Erich Fromm, sagte Prof. Jürgen Hardeck von der Internationalen Erich-Fromm-Gesellschaft am Freitagabend bei der Begrüßung von fast 200 Gästen, die zur Eröffnung des Instituts für den 1980 gestorbenen Sozialpsychologen ins Tübinger Weltethos-Institut gekommen waren. Finanziert hat diese Einrichtung die Stiftung des Aichtaler Betonpumpen-Unternehmers Prof. Karl Schlecht, der auch Mäzen der Gastgeber ist. Für das vom Theologen Hans Küng gegründete Weltethos-Institut hieß dessen Geschäftsführer Bernd Villauer die neuen Nachbarn in der Hinteren Grabenstraße »in einer Atmosphäre des Vertrauens« willkommen. Kernstück des Instituts ist der schriftliche Nachlass einschließlich der Bibliothek des Psychoanalytikers, der mit seinen Büchern »Die Kunst des Liebens« oder »Haben und Sein« Weltruhm weit über die Wissenschaft hinaus erlangte. Erich Fromm stammte aus einer Frankfurter Rabbiner-Familie und gehörte nach seinem Studium der Soziologie und der Freud’schen Psychoanalyse zum Kern des Instituts für Sozialforschung. Nach der Flucht vor den Nationalsozialisten begann noch im New Yorker Exil Fromms Trennung von der neo-marxistischen »Frankfurter Schule« um die Philosophen Horkheimer, Adorno und Marcuse. Nachdem er als Professor in den USA und in Mexiko einer der weltweit einflussreichsten Denker geworden war, nahm er für die letzten Lebensjahre seinen Wohnsitz im schweizerischen Tessin, wo er 80-jährig starb. Rainer Funk als Leiter Sein als Erbe eingesetzter letzter Assistent Rainer Funk, Herausgeber einer Gesamtausgabe der Werke von Erich Fromm, wird das Institut künftig leiten. Der Psychoanalytiker hatte den Nachlass bislang in seiner Tübinger Privatwohnung verwaltet und erforscht. Oberbürgermeister Boris Palmer freute sich, dass neben dem Vermächtnis der aus der gleichen Zeit stammenden Trickfilm-Pionierin Lotte Reiniger nun auch das Archiv des grünen und pazifistischen Vordenkers Fromm in Tübingen eine dauerhafte Heimat gefunden habe und neben Hesse, Hölderlin und Verleger Cotta zum Kern eines literaturhistorischen Stadtmarketing-Profils werden solle. Dankbarkeit sei das Motiv für seine Stiftung, sagte Karl Schlecht. Ohne »die Verinnerlichung von Fromms Gedanken« wäre sein Unternehmen Putzmeister nie Weltmarktführer geworden. Gerade als Mann der Wirtschaft betrachte er »Liebe als Gottesgeschenk – und zwar gratis«, bekannte der 84-jährige Multi-Mäzen. Rainer Funk skizzierte das sozialphilosophischpsychologische Denken Erich Fromms mit seiner wirtschafts- und gesellschaftskritischen Perspektive als »Biophilie«, als Liebe zum Leben. Es kreise um die Frage, »was den Menschen als Menschen gelingen lässt«. Er wünsche sich, so Funk, dass das Tübinger ErichFromm-Institut zu einem »Ort des Forschens, der Begegnung und des Lernens« werde. Der Geiger Jochen Brusch und Alexander Reitenbach am E-Piano hatten die Feier mit ostjüdisch geprägter Musik begleitet, darunter dem Thema aus Steven Spielbergs HolocaustFilm »Schindlers Liste«. Nach deren letztem Stück gab es einen Stehempfang und die Begehung der überschaubaren, aber großzügig wirkenden Institutsräume. (GEA) http://www.gea.de/nachrichten/kultur/prinzip+lebensliebe.4093903.htm Neues Institut in Tübingen: Erich Fromms Lesecke - BW - Stuttgarter ... 1 von 3 http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.print.23aba852-bd38-4ca7-a4f... 04.02.2015 14:16 Neues Institut in Tübingen: Erich Fromms Lesecke - BW - Stuttgarter ... 2 von 3 http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.print.23aba852-bd38-4ca7-a4f... 04.02.2015 14:16 Neues Institut in Tübingen: Erich Fromms Lesecke - BW - Stuttgarter ... 3 von 3 http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.print.23aba852-bd38-4ca7-a4f... 04.02.2015 14:16 10 WIRTSCHAFT & POLITIK MITTWOCH, 28. JANUAR 2015, NR. 19 2 2 Wehrbeauftragter: Bundeswehr ist überlastet Der scheidende Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus hat eine teils unzumutbare Überforderung der Soldaten und massive Mängel bei Ausrüstung und Kasernen angeprangert. Die Bundeswehr stehe an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit, heißt es in seinem letzten Jahresbericht, den der FDP-Politiker am Dienstag in Berlin vorlegte. „Die jetzt dringend notwendigen Verbesserungen erfordern erhebliche finanzielle Aufwendungen“, sagte er. Andernfalls werde sich die „Abwärtsspirale“ noch schneller drehen. dpa Neuer Anlauf für europäische Börsensteuer Elf Länder der Euro-Zone wollen die Arbeit an der geplanten Börsensteuer enger koordinieren. Künftig soll der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling die Leitung der Treffen übernehmen, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Dienstag in Brüssel. Die technische Umsetzung solle die portugiesische Ministerin Maria Luis Albuquerque voranbringen. Elf Euro-Staaten hatten die Einführung der Finanztransaktionssteuer vor drei Jahren verabredet. Doch die Verhandlungen gehen nur mühsam voran. Reuters Weil ihnen staatliche Berufsschulen nicht genug bieten, setzen Arbeitgeber auf private Institute. Thomas Sigmund Berlin ► Unternehmen bevorzugen meist Blockunterricht. M it einer Gedenkstunde hat der Bundestag an die Millionen Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Bundespräsident Joachim Gauck warnte auf der Veranstaltung zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 70 Jahren davor, einen Schlussstrich unter den Holocaust zu ziehen. „Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz“, sagte er. „Die Erinnerung an den Holocaust bleibt eine Sache aller Bürger, die in Deutschland leben. Er gehört zur Geschichte dieses Landes.“ Die Mahnungen des Bundespräsidenten beziehen sich auch auf eine aktuelle Umfrage der Bertelsmann Stiftung, nach der sich eine große Mehrheit der Deutschen nicht mehr mit dem Holocaust beschäftigen will. 81 Prozent möchten demnach die Geschichte der Judenverfolgung „hinter sich lassen“. 58 Prozent wollen einen Schlussstrich ziehen. Mit Nachdruck erinnerte Gauck an die moralische Pflicht zum Schutz von Flüchtlingen und Menschenrechten. Aus dem Erinnern an das Menschheitsverbrechen des millionenfachen Mordes an Juden ergebe sich ein Auftrag. „Er sagt uns: Schützt und bewahrt die Mitmenschlichkeit. Schützt und bewahrt die Rechte eines jeden Menschen.“ Dies gelte gerade in Zeiten, „in denen wir uns in Deutschland erneut auf das Miteinander unterschiedlicher Kulturen und Religionen zu verständigen haben“, sagte Gauck, ohne die islamkritischen Pegida-Demonstrationen direkt anzusprechen. An der Gedenkstunde nahmen auch Auschwitz-Überlebende teil. In dem NS-Vernichtungslager waren mehr als 1,1 Millionen Menschen ermordet worden. Eine Million von ihnen waren Juden. Die Sowjetarmee hatte am 27. Januar 1945 die letzten 7 500 Gefangenen befreit. Am Montag hatte Kanzlerin Angela Merkel an die Befreiung vor 70 Jahren erinnert. Die Kanzlerin be- ► Der Privatunterricht kostet die Firmen zusätzlich Geld. Stefani Hergert Düsseldorf Kanzlerin Angela Merkel: Gedenkstunde im Bundestag. Bundespräsident Joachim Gauck im polnischen Oświęcim: „Die Erinnerung an den Holocaust bleibt eine Sache aller Bürger.“ Eingang zum Hauptlager Auschwitz: Überlebende gedenken der im Vernichtungslager Getöteten. zeichnete die Bedrohung von Juden in Deutschland als Schande und deren Schutz als Staatsaufgabe. „Es ist eine Schande, dass Menschen in Deutschland angepöbelt, bedroht oder angegriffen werden, wenn sie sich irgendwie als Juden zu erkennen geben oder auch wenn sie für den Staat Israel Partei ergreifen“, sagte Merkel. Dass Synagogen und jüdische Institutionen unter Polizeischutz stehen müssten, laste wie ein Makel auf Deutschland. Es zeigten sich zwei Übel unserer Zeit – islamistischer Terrorismus und Antisemitismus, sagte sie mit Hinweis auf die Anschläge in Paris gegen die Satire-Zeitung „Charlie Hebdo“. Umstellung bei Ökostrom-Förderung Wirtschaftsministerium legt Ausschreibungsmodell vor. Startschuss ist im Februar. Klaus Stratmann Berlin D as Bundeswirtschaftsministerium ebnet den Weg für eine Umstellung der Vergütungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Künftig wird die Vergütung je Kilowattstunde Strom nicht mehr staatlich festgesetzt, sondern mittels einer Ausschreibung im Wettbewerb ermittelt. Am heutigen Mittwoch soll das Bundeskabinett die entsprechende Verordnung beschließen – das Papier liegt dem Handelsblatt vor. Der Verordnung zufolge kann die Bundesnetzagentur die erste Ausschreibungsrunde für Photovoltaik- Freiflächenanlagen im Februar starten, erste Gebote können bis zum 15. April eingehen. Das Wirtschaftsministerium versteht die ersten Runden als Versuchsballon und will mit den Pilotprojekten Erfahrungen sammeln. 2015, 2016 und 2017 sollen pro Jahr Freiflächenanlagen mit insgesamt durchschnittlich 400 Megawatt entstehen. Ab 2017 sollen auch für andere Quellen erneuerbarer Energie Ausschreibungen eingeführt werden. „So wollen wir die Ausbauziele bei den erneuerbaren Energien planbar und kostengünstiger erreichen“, sagte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Der Ausbau der Erneuerbaren ist rasant vorangeschritten, so dass geeignete Flächen für neue Anlagen inzwischen knapp sind. Das gilt vor allem für Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Diesen Umstand will die Bundesregierung ausnutzen, um Kosten zu senken: Für das Gelingen der Ausschreibungen sei „das Vorliegen einer Knappheitssituation auf dem jeweiligen Markt“ wichtige Voraussetzung, heißt es in dem Verordnungsentwurf. Das Papier trägt dem Wunsch der Branche Rechnung, die Hürden für eine Teilnahme an der Ausschreibung so niedrig wie möglich zu halten. Durch ein einfaches, transparentes und verständliches © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. Ausschreibungsdesign solle die Akteursvielfalt erhalten bleiben, heißt es in dem Entwurf. Auch der finanzielle Aufwand für das Ausschreibungsverfahren soll sich in Grenzen halten, damit nicht nur kapitalkräftige Investoren mitmachen können. Die Umstellung auf das Ausschreibungsverfahren war bereits mit der EEG-Reform aus dem vergangenen Jahr beschlossen worden. Mit der jetzt vorliegenden Verordnung, die nicht der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat bedarf, wird dieser Beschluss umgesetzt. Die Bundesregierung folgt damit Vorgaben der EU-Kommission. W enn in der Schule immer wieder mal Unterricht ausfällt oder niemand Bescheid sagt, dass Schüler nicht zum Unterricht erscheinen, dann ärgert das Dieter Göwel. Seine Kollegen und er haben die Konsequenz gezogen, die auch immer mehr Eltern ziehen: Sie wechselten zu einer Privatschule. Nur geht es in seinem Fall um ganze Jahrgänge. Göwel leitet beim Händler Rewe die Personalentwicklung in der Region Mitte mit rund 800 Auszubildenden. Etwa 200 von ihnen lernen seit 2011 nicht mehr an einer staatlichen Berufsschule, sondern an einer privaten. „Wir haben eine Schule gesucht, die das bietet, was sie leisten soll: Auf die theoretische Abschlussprüfung vorbereiten“, sagt Göwel. Eine mit Blockunterricht und den ReweAzubis in einer Klasse. Der erste Jahrgang hat die Abschlussprüfung hinter sich, die Ergebnisse seien so gut wie an staatlichen Schulen. Dennoch lohne sich das Schulgeld – Rewe zahlt etwa 1 200 Euro je Schüler und Jahr, hinzu kommen Reiseund Übernachtungskosten. „Für die Fachkenntnisse unserer Azubis ist die private Schule auf jeden Fall ein Gewinn“, sagt Göwel. Denn früher musste oft im Betrieb der Schulstoff nachgearbeitet werden. Jetzt können sich die Kollegen darauf konzentrieren, intern das Spezialwissen zu vermitteln, das die angehenden Kaufleute mit Fachrichtung Feinkost aus Sicht ihres Arbeitgebers brauchen. Die Welt beneidet Deutschland um seine duale Ausbildung mit Phasen im Unternehmen und in den Berufsschulen. Doch mit denen sind nicht alle rundherum glücklich. Und so steigt die Zahl der Arbeitgeber, die Lehrlinge privat obs Die 28 Staats- und Regierungschefs habe ihre Außenminister aufgefordert, Vorbereitungen für weitere Strafmaßnahmen gegen Russland zu treffen. Die Ressortchefs kommen am Donnerstag zusammen. Belege für eine zunehmende Unterstützung der ukrainischen Separatisten durch Russland unterstrichen die Verantwortung Moskaus, hieß es in einer Erklärung. Man sei zu weiteren Schritten bereit. Offen blieb, ob es sich um neue Strafen gegen Einzelpersonen oder Wirtschaftszweige handeln könnte. lud Bundespräsident Gauck warnt davor, die Aufarbeitung des Holocaust zu beenden. Getty Images EU droht Russland mit neuen Sanktionen Ausbildung nach Maß AFP In der Tarifrunde für die 3,7 Millionen Beschäftigten der Metallund Elektroindustrie hat die IG Metall zu ersten Warnstreiks aufgerufen. Nach dem Ende der Friedenspflicht werde es ab Donnerstag Warnstreiks und Kundgebungen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen geben, kündigten die IG-Metall-Bezirkschefs an. Zuvor hatte die Gewerkschaft das Arbeitgeberangebot zurückgewiesen, von März bis Ende des Jahres 2,2 Prozent mehr Geld zu zahlen. Die IG Metall verlangt 5,5 Prozent für zwölf Monate. fsp Erinnerung wachhalten! DAVIDS Gewerkschaft IG Metall ruft zu ersten Warnstreiks auf WIRTSCHAFT & BILDUNG 11 MITTWOCH, 28. JANUAR 2015, NR. 19 Azubi in einem Rewe-Markt: Unterrichtsausfall an staatlichen Berufsschulen nervt. ausbilden lassen. Schon vor Jahrzehnten haben Branchen etwa in Nordrhein-Westfalen auf eigene Berufsschulen gesetzt – die Immobilienwirtschaft mit einer Schule in Bochum, die Hotellerie und Gastronomie mit einer in Dortmund oder die Dachdecker mit einer im Boom der Privaten Private Berufsschulen in Deutschland 2 165 1 707 1 822 1 958 1 263 1993 1998 Handelsblatt 2003 2008 2013 Quelle: Destatis Sauerland. Eine eigene Berufsschule hat seit 1962 auch Bertelsmann. Christian Engel, der Berufsschulen unter anderem für Rewe, Merck und ein großes Textilunternehmen betreibt, beobachtet, dass sich Firmen stärker dafür interessieren, seit es schwieriger wird, sehr gute Auszubildende zu finden. Engel expandiert: 2015 eröffnet er neue Standorte seiner ProGenius-Berufsschulen in Bochum und in der Region Heilbronn. Komplett zu privaten Anbietern wechseln die meisten aber nicht. „Wir wollen vernünftig und ordentlich ausbilden. Wenn staatliche Schulen das leisten, was wir erwarten, sind diese erste Wahl“, sagt Rewe-Mann Göwel. Auch beim Pharmakonzern Merck werden nur die Kaufleute seit 2006 privat ausgebildet. Einer der Gründe: „Die staatliche Schule konnte uns damals unter anderem keinen Blockunterricht bieten“, sagt Holger Hiltmann, Leiter der kaufmännischen Ausbildung. Doch der habe Vorteile: Jetzt sind die Azubis Wir haben eine Schule gesucht, die das bietet, was sie leisten soll: Auf die theoretische Abschlussprüfung vorbereiten. Dieter Göwel Leiter Personalentwicklung in der Region Mitte bei Rewe vier bis fünf Wochen in einer Abteilung und könnten dort auch ganze Vorgänge bearbeiten. Der Technologiekonzern Voith hingegen betreibt in der Zentrale im schwäbischen Heidenheim eine eigene Sonderberufsfachschule, in der 30 Jugendliche mit Handicap oder Defiziten in einem Jahr fit für eine Ausbildung gemacht werden. Nicht bei Voith, es geht nicht darum, den eigenen Nachwuchs heranzuziehen. „Voith will jungen Menschen helfen, die nicht so viel Glück auf dem Weg hatten“, sagt Thomas Born, Geschäftsführer der Voith-Dienstleistungstochter. Ziel sei es, sie auf einen Beruf vorzubereiten, „ihnen so viel mitzugeben, dass sie ,Guten Morgen‘ sagen, auf Ordnung und Sauberkeit achten und an Geräten wie Bohrmaschinen arbeiten können“, ergänzt Ausbildungsleiter Erwin Krajewski. Die Jugendlichen arbeiten mit Holz, kümmern sich um den Garten einer anderen Schule oder streichen auch mal Räume. Der Konzern lässt sich das jährlich einen sechsstelligen Betrag kosten – zusätzlich zu den Zuschüssen vom Staat. Dafür ist er auch erfolgreicher als viele staatliche Programme. „90 Prozent der Jugendlichen vermitteln wir in eine Berufsausbildung“, sagt Born. Die Absolventen arbeiten etwa in der Gastronomie, dem Metallbereich, der Altenpflege oder dem Gartenbau. Kritik am Programm für Studienabbrecher Bildungsministerin Wanka fördert Projekte, die Ex-Studenten in eine Berufsausbildung bringen. Anja Stehle Berlin D ie Anforderungen im Studiengang Maschinenbau sind kaum zu bewältigen und im Architekturstudium geht es nicht so kreativ zu wie erhofft? Die Gründe, warum ein Studium hinter den Erwartungen zurückbleibt, sind vielfältig. Fest steht: 28 Prozent der Bachelorstudenten brechen ab. Bildungsministerin Johanna Wanka will den Ex-Studenten nun den Einstieg in die Berufsausbildung erleichtern – und erntet dafür auch Kritik. Mit „Jobstarter plus“ fördert ihr Ministerium bundesweit 18 Projekte, in denen Hochschulen, Firmen und Ex-Studenten zusammengebracht werden. Wanka will so auch dem drohenden Fachkräftemangel entgegenwirken. Bis 2030 fehlen laut ihren Beamten voraussichtlich rund vier Millionen Fachkräfte. „Die Hochschulabbrecher sollten erkennen, dass sie an anderer Stelle gebraucht werden“, sagte sie. Insgesamt 7,2 Millionen Euro sieht der Bund bis 2017 für die Projekte vor. Eine Initiative, die unterstützt wird, heißt „Switch“ und kommt aus Aachen. Die Stadt vermittelt nicht nur ehemalige Studen- 28 Prozent der Bachelorstudenten des Absolventenjahrgangs 2012 brachen das Studium ab. Quelle: DZHW ten an Unternehmen aus der Region. Seit 2011 haben 170 Studienabbrecher eine Ausbildung mit 18 Monaten statt der üblichen drei Jahre Lernzeit begonnen. Mit dem Geld aus Berlin sollen es mehr werden. Der Bedarf ist da: Das Bundesbildungsministerium rechnet deutschlandweit mit 60 000 bis 100 000 Abbrechern pro Jahr. Daher sieht auch Hochschulexperte Frank Ziegele, Geschäftsführer des Centrums für Hochschulentwicklung, Handlungsbedarf. Die Initiative sei richtig, wenngleich sie zu spät komme. Ziegele kritisiert zudem, dass sie nicht für klare Regeln bei der Anerkennung der Studienleistungen sorgt: „Das Problem löst sich nur mit einem maximal durchlässigen Bildungssystem. Dazu gehört auch, dass Studienleistungen gemäß einem festgelegten Schema bei der Ausbildung anerkannt werden.“ Doch das sieht Jobstarter plus nicht vor, wahrscheinlich braucht es in Zukunft aber genau das. Das Studium ist zum Normalfall geworden, die Lehre droht zum Auslaufmodell zu werden. Mit der neuen Initiative ist wohl auch die Hoffnung verbunden, dass die Ausbildung wieder anerkannter wird. 10 WIRTSCHAFT & POLITIK MITTWOCH, 28. JANUAR 2015, NR. 19 2 2 Wehrbeauftragter: Bundeswehr ist überlastet Der scheidende Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus hat eine teils unzumutbare Überforderung der Soldaten und massive Mängel bei Ausrüstung und Kasernen angeprangert. Die Bundeswehr stehe an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit, heißt es in seinem letzten Jahresbericht, den der FDP-Politiker am Dienstag in Berlin vorlegte. „Die jetzt dringend notwendigen Verbesserungen erfordern erhebliche finanzielle Aufwendungen“, sagte er. Andernfalls werde sich die „Abwärtsspirale“ noch schneller drehen. dpa Neuer Anlauf für europäische Börsensteuer Elf Länder der Euro-Zone wollen die Arbeit an der geplanten Börsensteuer enger koordinieren. Künftig soll der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling die Leitung der Treffen übernehmen, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Dienstag in Brüssel. Die technische Umsetzung solle die portugiesische Ministerin Maria Luis Albuquerque voranbringen. Elf Euro-Staaten hatten die Einführung der Finanztransaktionssteuer vor drei Jahren verabredet. Doch die Verhandlungen gehen nur mühsam voran. Reuters Weil ihnen staatliche Berufsschulen nicht genug bieten, setzen Arbeitgeber auf private Institute. Thomas Sigmund Berlin ► Unternehmen bevorzugen meist Blockunterricht. M it einer Gedenkstunde hat der Bundestag an die Millionen Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Bundespräsident Joachim Gauck warnte auf der Veranstaltung zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 70 Jahren davor, einen Schlussstrich unter den Holocaust zu ziehen. „Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz“, sagte er. „Die Erinnerung an den Holocaust bleibt eine Sache aller Bürger, die in Deutschland leben. Er gehört zur Geschichte dieses Landes.“ Die Mahnungen des Bundespräsidenten beziehen sich auch auf eine aktuelle Umfrage der Bertelsmann Stiftung, nach der sich eine große Mehrheit der Deutschen nicht mehr mit dem Holocaust beschäftigen will. 81 Prozent möchten demnach die Geschichte der Judenverfolgung „hinter sich lassen“. 58 Prozent wollen einen Schlussstrich ziehen. Mit Nachdruck erinnerte Gauck an die moralische Pflicht zum Schutz von Flüchtlingen und Menschenrechten. Aus dem Erinnern an das Menschheitsverbrechen des millionenfachen Mordes an Juden ergebe sich ein Auftrag. „Er sagt uns: Schützt und bewahrt die Mitmenschlichkeit. Schützt und bewahrt die Rechte eines jeden Menschen.“ Dies gelte gerade in Zeiten, „in denen wir uns in Deutschland erneut auf das Miteinander unterschiedlicher Kulturen und Religionen zu verständigen haben“, sagte Gauck, ohne die islamkritischen Pegida-Demonstrationen direkt anzusprechen. An der Gedenkstunde nahmen auch Auschwitz-Überlebende teil. In dem NS-Vernichtungslager waren mehr als 1,1 Millionen Menschen ermordet worden. Eine Million von ihnen waren Juden. Die Sowjetarmee hatte am 27. Januar 1945 die letzten 7 500 Gefangenen befreit. Am Montag hatte Kanzlerin Angela Merkel an die Befreiung vor 70 Jahren erinnert. Die Kanzlerin be- ► Der Privatunterricht kostet die Firmen zusätzlich Geld. Stefani Hergert Düsseldorf Kanzlerin Angela Merkel: Gedenkstunde im Bundestag. Bundespräsident Joachim Gauck im polnischen Oświęcim: „Die Erinnerung an den Holocaust bleibt eine Sache aller Bürger.“ Eingang zum Hauptlager Auschwitz: Überlebende gedenken der im Vernichtungslager Getöteten. zeichnete die Bedrohung von Juden in Deutschland als Schande und deren Schutz als Staatsaufgabe. „Es ist eine Schande, dass Menschen in Deutschland angepöbelt, bedroht oder angegriffen werden, wenn sie sich irgendwie als Juden zu erkennen geben oder auch wenn sie für den Staat Israel Partei ergreifen“, sagte Merkel. Dass Synagogen und jüdische Institutionen unter Polizeischutz stehen müssten, laste wie ein Makel auf Deutschland. Es zeigten sich zwei Übel unserer Zeit – islamistischer Terrorismus und Antisemitismus, sagte sie mit Hinweis auf die Anschläge in Paris gegen die Satire-Zeitung „Charlie Hebdo“. Umstellung bei Ökostrom-Förderung Wirtschaftsministerium legt Ausschreibungsmodell vor. Startschuss ist im Februar. Klaus Stratmann Berlin D as Bundeswirtschaftsministerium ebnet den Weg für eine Umstellung der Vergütungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Künftig wird die Vergütung je Kilowattstunde Strom nicht mehr staatlich festgesetzt, sondern mittels einer Ausschreibung im Wettbewerb ermittelt. Am heutigen Mittwoch soll das Bundeskabinett die entsprechende Verordnung beschließen – das Papier liegt dem Handelsblatt vor. Der Verordnung zufolge kann die Bundesnetzagentur die erste Ausschreibungsrunde für Photovoltaik- Freiflächenanlagen im Februar starten, erste Gebote können bis zum 15. April eingehen. Das Wirtschaftsministerium versteht die ersten Runden als Versuchsballon und will mit den Pilotprojekten Erfahrungen sammeln. 2015, 2016 und 2017 sollen pro Jahr Freiflächenanlagen mit insgesamt durchschnittlich 400 Megawatt entstehen. Ab 2017 sollen auch für andere Quellen erneuerbarer Energie Ausschreibungen eingeführt werden. „So wollen wir die Ausbauziele bei den erneuerbaren Energien planbar und kostengünstiger erreichen“, sagte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Der Ausbau der Erneuerbaren ist rasant vorangeschritten, so dass geeignete Flächen für neue Anlagen inzwischen knapp sind. Das gilt vor allem für Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Diesen Umstand will die Bundesregierung ausnutzen, um Kosten zu senken: Für das Gelingen der Ausschreibungen sei „das Vorliegen einer Knappheitssituation auf dem jeweiligen Markt“ wichtige Voraussetzung, heißt es in dem Verordnungsentwurf. Das Papier trägt dem Wunsch der Branche Rechnung, die Hürden für eine Teilnahme an der Ausschreibung so niedrig wie möglich zu halten. Durch ein einfaches, transparentes und verständliches © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. Ausschreibungsdesign solle die Akteursvielfalt erhalten bleiben, heißt es in dem Entwurf. Auch der finanzielle Aufwand für das Ausschreibungsverfahren soll sich in Grenzen halten, damit nicht nur kapitalkräftige Investoren mitmachen können. Die Umstellung auf das Ausschreibungsverfahren war bereits mit der EEG-Reform aus dem vergangenen Jahr beschlossen worden. Mit der jetzt vorliegenden Verordnung, die nicht der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat bedarf, wird dieser Beschluss umgesetzt. Die Bundesregierung folgt damit Vorgaben der EU-Kommission. W enn in der Schule immer wieder mal Unterricht ausfällt oder niemand Bescheid sagt, dass Schüler nicht zum Unterricht erscheinen, dann ärgert das Dieter Göwel. Seine Kollegen und er haben die Konsequenz gezogen, die auch immer mehr Eltern ziehen: Sie wechselten zu einer Privatschule. Nur geht es in seinem Fall um ganze Jahrgänge. Göwel leitet beim Händler Rewe die Personalentwicklung in der Region Mitte mit rund 800 Auszubildenden. Etwa 200 von ihnen lernen seit 2011 nicht mehr an einer staatlichen Berufsschule, sondern an einer privaten. „Wir haben eine Schule gesucht, die das bietet, was sie leisten soll: Auf die theoretische Abschlussprüfung vorbereiten“, sagt Göwel. Eine mit Blockunterricht und den ReweAzubis in einer Klasse. Der erste Jahrgang hat die Abschlussprüfung hinter sich, die Ergebnisse seien so gut wie an staatlichen Schulen. Dennoch lohne sich das Schulgeld – Rewe zahlt etwa 1 200 Euro je Schüler und Jahr, hinzu kommen Reiseund Übernachtungskosten. „Für die Fachkenntnisse unserer Azubis ist die private Schule auf jeden Fall ein Gewinn“, sagt Göwel. Denn früher musste oft im Betrieb der Schulstoff nachgearbeitet werden. Jetzt können sich die Kollegen darauf konzentrieren, intern das Spezialwissen zu vermitteln, das die angehenden Kaufleute mit Fachrichtung Feinkost aus Sicht ihres Arbeitgebers brauchen. Die Welt beneidet Deutschland um seine duale Ausbildung mit Phasen im Unternehmen und in den Berufsschulen. Doch mit denen sind nicht alle rundherum glücklich. Und so steigt die Zahl der Arbeitgeber, die Lehrlinge privat obs Die 28 Staats- und Regierungschefs habe ihre Außenminister aufgefordert, Vorbereitungen für weitere Strafmaßnahmen gegen Russland zu treffen. Die Ressortchefs kommen am Donnerstag zusammen. Belege für eine zunehmende Unterstützung der ukrainischen Separatisten durch Russland unterstrichen die Verantwortung Moskaus, hieß es in einer Erklärung. Man sei zu weiteren Schritten bereit. Offen blieb, ob es sich um neue Strafen gegen Einzelpersonen oder Wirtschaftszweige handeln könnte. lud Bundespräsident Gauck warnt davor, die Aufarbeitung des Holocaust zu beenden. Getty Images EU droht Russland mit neuen Sanktionen Ausbildung nach Maß AFP In der Tarifrunde für die 3,7 Millionen Beschäftigten der Metallund Elektroindustrie hat die IG Metall zu ersten Warnstreiks aufgerufen. Nach dem Ende der Friedenspflicht werde es ab Donnerstag Warnstreiks und Kundgebungen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen geben, kündigten die IG-Metall-Bezirkschefs an. Zuvor hatte die Gewerkschaft das Arbeitgeberangebot zurückgewiesen, von März bis Ende des Jahres 2,2 Prozent mehr Geld zu zahlen. Die IG Metall verlangt 5,5 Prozent für zwölf Monate. fsp Erinnerung wachhalten! DAVIDS Gewerkschaft IG Metall ruft zu ersten Warnstreiks auf WIRTSCHAFT & BILDUNG 11 MITTWOCH, 28. JANUAR 2015, NR. 19 Azubi in einem Rewe-Markt: Unterrichtsausfall an staatlichen Berufsschulen nervt. ausbilden lassen. Schon vor Jahrzehnten haben Branchen etwa in Nordrhein-Westfalen auf eigene Berufsschulen gesetzt – die Immobilienwirtschaft mit einer Schule in Bochum, die Hotellerie und Gastronomie mit einer in Dortmund oder die Dachdecker mit einer im Boom der Privaten Private Berufsschulen in Deutschland 2 165 1 707 1 822 1 958 1 263 1993 1998 Handelsblatt 2003 2008 2013 Quelle: Destatis Sauerland. Eine eigene Berufsschule hat seit 1962 auch Bertelsmann. Christian Engel, der Berufsschulen unter anderem für Rewe, Merck und ein großes Textilunternehmen betreibt, beobachtet, dass sich Firmen stärker dafür interessieren, seit es schwieriger wird, sehr gute Auszubildende zu finden. Engel expandiert: 2015 eröffnet er neue Standorte seiner ProGenius-Berufsschulen in Bochum und in der Region Heilbronn. Komplett zu privaten Anbietern wechseln die meisten aber nicht. „Wir wollen vernünftig und ordentlich ausbilden. Wenn staatliche Schulen das leisten, was wir erwarten, sind diese erste Wahl“, sagt Rewe-Mann Göwel. Auch beim Pharmakonzern Merck werden nur die Kaufleute seit 2006 privat ausgebildet. Einer der Gründe: „Die staatliche Schule konnte uns damals unter anderem keinen Blockunterricht bieten“, sagt Holger Hiltmann, Leiter der kaufmännischen Ausbildung. Doch der habe Vorteile: Jetzt sind die Azubis Wir haben eine Schule gesucht, die das bietet, was sie leisten soll: Auf die theoretische Abschlussprüfung vorbereiten. Dieter Göwel Leiter Personalentwicklung in der Region Mitte bei Rewe vier bis fünf Wochen in einer Abteilung und könnten dort auch ganze Vorgänge bearbeiten. Der Technologiekonzern Voith hingegen betreibt in der Zentrale im schwäbischen Heidenheim eine eigene Sonderberufsfachschule, in der 30 Jugendliche mit Handicap oder Defiziten in einem Jahr fit für eine Ausbildung gemacht werden. Nicht bei Voith, es geht nicht darum, den eigenen Nachwuchs heranzuziehen. „Voith will jungen Menschen helfen, die nicht so viel Glück auf dem Weg hatten“, sagt Thomas Born, Geschäftsführer der Voith-Dienstleistungstochter. Ziel sei es, sie auf einen Beruf vorzubereiten, „ihnen so viel mitzugeben, dass sie ,Guten Morgen‘ sagen, auf Ordnung und Sauberkeit achten und an Geräten wie Bohrmaschinen arbeiten können“, ergänzt Ausbildungsleiter Erwin Krajewski. Die Jugendlichen arbeiten mit Holz, kümmern sich um den Garten einer anderen Schule oder streichen auch mal Räume. Der Konzern lässt sich das jährlich einen sechsstelligen Betrag kosten – zusätzlich zu den Zuschüssen vom Staat. Dafür ist er auch erfolgreicher als viele staatliche Programme. „90 Prozent der Jugendlichen vermitteln wir in eine Berufsausbildung“, sagt Born. Die Absolventen arbeiten etwa in der Gastronomie, dem Metallbereich, der Altenpflege oder dem Gartenbau. Kritik am Programm für Studienabbrecher Bildungsministerin Wanka fördert Projekte, die Ex-Studenten in eine Berufsausbildung bringen. Anja Stehle Berlin D ie Anforderungen im Studiengang Maschinenbau sind kaum zu bewältigen und im Architekturstudium geht es nicht so kreativ zu wie erhofft? Die Gründe, warum ein Studium hinter den Erwartungen zurückbleibt, sind vielfältig. Fest steht: 28 Prozent der Bachelorstudenten brechen ab. Bildungsministerin Johanna Wanka will den Ex-Studenten nun den Einstieg in die Berufsausbildung erleichtern – und erntet dafür auch Kritik. Mit „Jobstarter plus“ fördert ihr Ministerium bundesweit 18 Projekte, in denen Hochschulen, Firmen und Ex-Studenten zusammengebracht werden. Wanka will so auch dem drohenden Fachkräftemangel entgegenwirken. Bis 2030 fehlen laut ihren Beamten voraussichtlich rund vier Millionen Fachkräfte. „Die Hochschulabbrecher sollten erkennen, dass sie an anderer Stelle gebraucht werden“, sagte sie. Insgesamt 7,2 Millionen Euro sieht der Bund bis 2017 für die Projekte vor. Eine Initiative, die unterstützt wird, heißt „Switch“ und kommt aus Aachen. Die Stadt vermittelt nicht nur ehemalige Studen- 28 Prozent der Bachelorstudenten des Absolventenjahrgangs 2012 brachen das Studium ab. Quelle: DZHW ten an Unternehmen aus der Region. Seit 2011 haben 170 Studienabbrecher eine Ausbildung mit 18 Monaten statt der üblichen drei Jahre Lernzeit begonnen. Mit dem Geld aus Berlin sollen es mehr werden. Der Bedarf ist da: Das Bundesbildungsministerium rechnet deutschlandweit mit 60 000 bis 100 000 Abbrechern pro Jahr. Daher sieht auch Hochschulexperte Frank Ziegele, Geschäftsführer des Centrums für Hochschulentwicklung, Handlungsbedarf. Die Initiative sei richtig, wenngleich sie zu spät komme. Ziegele kritisiert zudem, dass sie nicht für klare Regeln bei der Anerkennung der Studienleistungen sorgt: „Das Problem löst sich nur mit einem maximal durchlässigen Bildungssystem. Dazu gehört auch, dass Studienleistungen gemäß einem festgelegten Schema bei der Ausbildung anerkannt werden.“ Doch das sieht Jobstarter plus nicht vor, wahrscheinlich braucht es in Zukunft aber genau das. Das Studium ist zum Normalfall geworden, die Lehre droht zum Auslaufmodell zu werden. Mit der neuen Initiative ist wohl auch die Hoffnung verbunden, dass die Ausbildung wieder anerkannter wird. 10 WIRTSCHAFT & POLITIK MITTWOCH, 4. FEBRUAR 2015, NR. 24 WIRTSCHAFT & BILDUNG 11 MITTWOCH, 4. FEBRUAR 2015, NR. 24 2 2 Kein Licht im Steuerdschungel Tausende Studienplätze blieben frei EU-Untersuchungsausschuss zu Junckers Luxleaks-Affäre droht zu scheitern. der EU-Kommission. Ruth Berschens Brüssel E U-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kann aufatmen: Dem ehemaligen luxemburgischen Premierminister droht womöglich doch keine peinliche öffentliche Befragung im Europaparlament. Denn der geplante parlamentarische Untersuchungsausschuss zu den Steuervorteilen für Unternehmen in Luxemburg und anderswo könnte wider Erwarten doch noch scheitern. Grund dafür ist eine Stellungnahme des juristischen Dienstes der EU-Volksvertretung. Darin wird der Ausschuss als rechtlich unhaltbar verworfen. Die Einsetzung des Ausschusses ist damit fraglich geworden. Die von Parlamentspräsident Martin Schulz geleitete Konferenz der Fraktionsvorsitzenden will am morgigen Donnerstag darüber entscheiden. Dass sie sich über die rechtlichen Bedenken hinwegsetzt, scheint wenig wahrscheinlich. Schulz und die Chefs der beiden größten Fraktionen, Manfred Weber (EVP) und Gianni Pittella (S&D), waren von der Idee sowieso nie begeistert. Nun EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: Eine Befragung zu Luxemburgs Steuerpolitik ist noch unsicher. hüllen sie sich in Schweigen. „Wir warten auf einen Vorschlag von Schulz“, heißt es im Umfeld von Manfred Weber. Die Befürworter des Ausschusses ANZEIGE ! # $ im Parlament reagierten verärgert auf die neue Entwicklung. Immerhin rund 190 der 751 Europaparlamentarier hatten den Ausschuss verlangt. Einer von ihnen ist der WHU ► Belgien nun auch im Visier W CSU-Abgeordnete Markus Ferber. Dass der Ausschuss nun an Formalitäten scheitern soll, will er nicht akzeptieren. „Wenn wir die Vorgänge aufklären und an unfairen Steuerpraktiken in Europa wirklich etwas ändern wollen, muss gerade das Europäische Parlament an der Spitze der Aufklärung stehen.“ Ähnlich sieht es Grünen-Parlamentarier Sven Giegold: „Ein Untersuchungsausschuss ist das schlagkräftigste Instrument des Europäischen Parlaments und deshalb die angemessene Antwort auf Luxleaks und die Folgen.“ EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hat ihre Ermittlungen gegen steuerliche Sondervereinbarungen („tax rulings“) mit Unternehmen am Dienstag auf Belgien ausgeweitet. Es bestehe der Verdacht auf eine „ernsthafte Wettbewerbsverzerrung“ zugunsten „einer begrenzten Zahl multinationaler Unternehmen“, erklärte die Dänin. Der WHU-Campus in Düsseldorf: Internetunternehmer und Alumnus Oliver Samwer hat die Schule bekannter gemacht. Ein wenig lauter auftreten Cristina Kirchner von Prozess verschont Der neue Chef der Privatuni WHU setzt auf mehr Marketing und Weiterbildung. ► Das Geschäft mit Semina- Politthriller lenkt die Argentinier von der miesen Wirtschaftslage ab. ren wird erst aufgebaut. ► Im wichtigsten Ranking ist die Uni noch nicht gelistet. $( )!,))" **))(*( ,")!")*(,! -( (* ," #/ ) + "&."!) +! )&+)+&! ! & )&! )&',&'"&+! +$)'$"!'"& "$"!'"& -+',& ')& ' !!&' D ie frohe Nachricht ereilte Argentiniens Präsidentin auf dem Weg nach China: Zwei Richter weigern sich, Cristina Fernandez de Kirchner wegen des Vorwurfs anzuklagen, sie habe bei Geheimverhandlungen mit Iran dessen Mittäterschaft beim Anschlag auf ein jüdisches Kulturzentrum vor 20 Jahren in Buenos Aires vertuschen wollen. Im Gegenzug soll Argentinien billiges Öl erhalten haben. Zu diesem Schluss war zumindest Staatsanwalt Alberto Nisman nach jahrelangen Recherchen gekommen. Einen Tag bevor er seinen 300-seitigen Untersuchungsbericht im Kongress vorstellen konnte, wurde er jüngst tot in seinem Apartment aufgefunden. Nach Ansicht der Richter reichen die Beweise des Gerichts nicht aus, um eine Anklage gegen Kirchner zuzulassen. Das heißt jedoch nicht, dass die Präsidentin nun keine Klage mehr fürchten muss. Ein Bundesgericht wird jetzt entscheiden, ob es den Fall zulässt. Doch es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die zunehmend autoritär auftretende Präsidentin mit ihrer Deutung des Verbrechens durchsetzen kann: Demnach soll ein entlassener Geheimdienstdirektor den getöteten Staatsan- Präsidentin Cristina Kirchner: Beweise reichen nicht aus. © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. walt aus Rache gegen die Präsidentin mit gefälschten Telefonmitschnitten versorgt haben, um den Verdacht auf Kirchner zu lenken. In den zwei Wochen seit dem Tod Nismans ist kaum ein Tag vergangen, an dem sich die Präsidentin nicht per Twitter, Facebook und offiziellen TV-Ansprachen zum Thema geäußert hätte. Dabei stellte sich Kirchner zunehmend als das Opfer einer Intrige dar. Ungeklärt ist weiterhin, ob es sich im Fall Nisman um Mord, induzierten Suizid oder Selbstmord handelt. So schwerwiegend die Vorwürfe sein mögen – für die Regierung Kirchner haben sie den Vorteil, dass es Negativnachrichten aus der Wirtschaft kaum noch in die Schlagzeilen schaffen. Bei einer Geldentwertung von 40 Prozent im vergangenen Jahr und einer um knapp zwei Prozent geschrumpften Wirtschaftsleistung muss sich die Präsidentin Sorgen machen, dass sie bei den Wahlen am 25. Oktober einen Nachfolger durchsetzen kann. Sie selbst kann nicht mehr antreten. Doch ein politisch von ihr bestimmter Nachfolger wird für die Präsidentin wegen der Verwicklungen in den gegenwärtigen Politthriller immer wichtiger: Nur ein ihr nahestehender Präsident kann verhindern, dass sie sich noch jahrelang mit Verfahren in der Justiz herumschlagen muss. Stefani Hergert Düsseldorf D REUTERS Alexander Busch São Paulo er Übergang war geräuschlos. So leise, wie die private Hochschule WHU – Otto Beisheim School of Management mit Standorten in Vallendar und Düsseldorf auch sonst auftritt. Seit Januar leitet Markus Rudolf die 1984 gegründete Wirtschaftshochschule, die zu den besten in Deutschland und den besseren in der Welt zählt. „Es ist nicht unsere erste Priorität, zur Kenntnis genommen zu werden, indem wir auf die Pauke hauen. Leistung ist das, womit wir überzeugen wollen“, sagt der Professor für Finanzwirtschaft im ersten Interview nach der Stabübergabe. Ein bisschen lauter aber soll die Wirtschaftshochschule mit Promotionsrecht und ihren Bachelor- und Masterstudiengängen in den nächsten drei Jahren Amtszeit schon werden. „Wir müssen mehr Geld fürs Marketing ausgeben“, sagt Rudolf mit Blick auf das Managementstudium. „Ein bisschen mehr müssen wir schon über uns sprechen.“ Etwa über die „Exzellenzstrategie“ des neuen Chefs. Vorgänger Michael Frenkel hatte in seinen neun Jahren als Rektor stark das Wachstum im Blick. „Wenn wir heute noch immer 600 statt 1 500 Studenten hätten, weiß ich nicht, ob es uns noch geben würde. Wir wären zu klein für die Rankings und Akkreditierungen“, sagt Rudolf. Die Gütesiegel von international anerkannten Hochschulorganisationen wie der europäischen EFMD oder der amerikanischen AACSB sowie die Bestenlisten für Managementstudiengänge der „Financial Times“ (FT) oder des „Economist“ sind ein Muss im globalen Wettbewerb. Da will und muss Rudolf aufholen. In einige Ranglisten hat die WHU es schon geschafft, doch in der wichtigsten, dem FT-Ranking des Vollzeit-Master of Business Administration (MBA) – dem Aushängeschild fast aller internationalen Wirtschaftshochschulen – fehlt sie im Gegensatz zur Mannheim Business School oder ESMT in Berlin. „Schön ist das nicht, klar“, gibt Rudolf zu. „Bisher ist unser Programm zu klein, um ins MBA-Ranking aufgenommen zu werden. Wir könnten 2016 das erste Mal drin sein.“ Der Studiengang müsse weiter wachsen, zwei Starttermine im Jahr seien denkbar. Auf exzellente Teilnehmer komme es an. Dafür könnte sich einiges ändern. Rudolf kann sich vorstellen, den 15-monatigen Vollzeit-MBA-Studiengang auf zwölf Monate zu verkürzen, um mit europäischen Schwergewichten wie dem französischen Insead mithalten zu können. „Eine Überlegung ist es auf jeden Fall wert. Die deutschen Program- Wenn Sie sich die Internetfirmen in Berlin anschauen, dann merken Sie, dass es kaum mehr eine internetbasierte Firma gibt, in deren Geschäftsführung nicht ein WHU-Absolvent sitzt. Markus Rudolf Rektor der WHU WHU-Rektor Markus Rudolf: „Ein schwieriges Geschäft.“ Lena Böhm für Handelsblatt erhebt schwere Bedenken. Grundsätzlich darf ein Untersuchungsausschuss im Europaparlament nur dann eingerichtet werden, wenn ein begründeter Verdacht auf Verstöße gegen EU-Recht vorliegt. „Ausreichende Hinweise“ darauf würden im geplanten Arbeitsauftrag des Ausschusses jedoch fehlen, heißt es in der Stellungnahme des juristischen Dienstes. Eine genaue Begründung dazu lieferten die Hausjuristen des Parlaments nicht. AFP ► Juristischer Dienst me sind eher länger als die anderer Business-Schools. Die Frage ist: Machen wir es richtig und alle anderen falsch? Man könnte zu dem Schluss kommen, dass die anderen es besser machen“, argumentiert Rudolf, der seit 1998 Finanzwirtschaft an der WHU lehrt. Er weiß aber auch: „Der MBA ist in Deutschland grundsätzlich ein schwieriges Geschäft.“ Richtig angehen will der neue Chef zudem das Thema Weiterbildung, in der Branche Executive Education genannt. „Das müssen wir überhaupt erst einmal aufbauen, wir haben uns bisher nicht sehr viel darum gekümmert“, resümiert Rudolf. Zu einem Vollanbieter gehöre die Weiterbildung aber einfach dazu, das nötige Know-how habe die Hochschule. Doch gerade mit den mehrtägigen Weiterbildungsseminaren tun sich auch einige Konkurrenten hierzulande schwer. Die WHU ist vielen vor allem wegen eines Mannes bekannt: Oliver Samwer. Der erfolgreiche, aber umstrittene Internetunternehmer, der vor einigen Jahren Mitarbeiter in einer E-Mail zum „Blitzkrieg“ aufforderte, hat in Vallendar seinen Abschluss gemacht. Wirbt man gerne mit jemandem wie ihm? „Wir werben nicht mit einer einzelnen Person“, sagt Rudolf. „Wenn Sie sich die Internetfirmen in Berlin anschauen, dann merken Sie, dass es kaum mehr eine internetbasierte Firma gibt, in deren Geschäftsführung nicht ein WHU-Absolvent sitzt.“ Oliver Samwer habe die WHU sichtbarer gemacht, es gebe allerdings nicht nur ihn unter den WHUGründern, sondern zahlreiche andere. Unternehmerische Persönlichkeiten auszubilden – damit wirbt die Hochschule. Das heiße aber nicht, dass man nur Gründer hervorbringen wolle. „Sondern auch Leute, die in den Dax-Unternehmen die Ärmel hochkrempeln“, sagt Rudolf. er Medizin oder auch Jura studieren will, muss normalerweise auf Enttäuschungen gefasst sein – der Numerus clausus ist für viele eine hohe Hürde. Nach einer Länder-Umfrage blieben gegen Ende des Wintersemesters mehrere Tausend dieser begehrten Studienplätze frei – wegen Problemen bei der Verteilungspraxis. Allein in den NC-Fächern konnten bis Januar mindestens 14 579 Plätze nicht vergeben werden, so das Portal „Spiegel Online“. Die tatsächlichen Zahlen lägen jedoch wohl noch höher, da Berlin, Brandenburg, Hessen, das Saarland und Schleswig-Holstein keine Angaben hätten machen können. Oft sind nicht nur Medizin- und naturwissenschaftliche Studiengänge, sondern auch etwa Jura, Betriebswirtschaftslehre und Sozialwissenschaften mit einem NC belegt. Das Bundesbildungsministerium verwies auf die Zuständigkeit von Ländern und Hochschulen. Die Kultusministerkonferenz (KMK) sicherte den Ländern zu, man werde die Zahlen sorgfältig prüfen und gegebenenfalls Schlussfolgerungen daraus ziehen. Das Deutsche Studentenwerk (DSW) fordert, die zentrale Vergabe über die Stiftung für Hochschulzulassung zu stärken. DSWGeneralsekretär Achim Meyer auf der Heyde bezeichnete im Deutschlandradio Kultur eine Beteiligung aller Unis an dem zentralen Vergabeverfahren als sinnvoll. Im Moment sei die Beteiligung freiwillig. Das computergestützte Dialogorientierte Serviceverfahren (DoSV) der Stiftung für Hochschulzulassung hatte 2008 die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) abgelöst. Es wird wegen Problemen bei der Datenübermittlung nicht voll genutzt. Im Wintersemester hätten 62 Hochschulen 289 Studienfächer angeboten – also laut dem Portal nur ein Bruchteil der rund 400 Hochschulen mit mehr als 16 000 Studiengängen im Land. Der Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Holger Burckhart, wies die Vergleichsgröße von 400 Hochschulen zurück – es gehe nur um rund 170 staatliche Hochschulen. Er räumte ein: „Aufgrund der vielen unterschiedlichen Systeme in den Hochschulen musste erst die Anbindung an das DoSV gelöst werden. So sind noch nicht alle Hochschulen dabei, für die das Verfahren konzipiert wurde. Aber es werden stetig mehr.“ Es werde „immer an bestimmten Orten und in bestimmten Fächern dazu kommen, dass Studienplätze offen bleiben: Da spielen Fragen der Attraktivität einer Region, einer Stadt, einer Hochschule, eines Studienprogramms ebenfalls eine große Rolle.“ Burckhart forderte mehr Geld von den Ländern, da die Hochschulen die alleinige Bezahlung des Systems nicht leisten könnten. dpa SWR Online, 31. Februar 2015 Spatenstich für neue Musikschule in Filderstadt MENSCHEN UND MARKEN Serie Aus den Labors der Region Was geht in der Forschungsregion Stuttgart? Unsere Serie zeigt, woran Hochschulen, Institute und Unternehmen arbeiten. Stuttgarter Windpioniere Foto: Uni Stuttgart Erneuerbare Energien Der Windenergielehrstuhl an der Uni Stuttgart setzt die Tradition interdisziplinärer HightechForschung fort MAGAZIN Windfeld vor einer Windkraftanlage oder einem ganzen Windpark vermessen. „Damit können die Belastungen besser ausgeregelt werden“, erklärt Cheng. Ingenieure können die Gesamtanlage optimieren, besser dimensionieren und so beispielsweise Material einsparen. Durch die Lastregelung sollen auch Verschleiß und Wartungsaufwand sinken. Ein weiteres Projekt baut darauf auf. Zusammen mit dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung in Stuttgart arbeitet das Team an einem Konzept, um eine genauere Leistungsvorhersage eines Verbunds von Wind- und Solaranlagen auf einer Zeitskala von 10 bis 20 Minuten zu ermöglichen. Da diese regenerativen Energien schwanken, könnte so die Bereitstellung von Regelenergie, etwa durch Gaskraftwerke, besser gesteuert werden, meint Cheng. Die Energieversorgung sei immer als Gesamtsystem zu verstehen, und regenerative Energien haben darin ihren festen Platz. Steiler Weg zur Stiftungsprofessur Hoch auf der Gondel einer Windkraftanlage montieren die Forscher ein Lasergerät zur Windvorhersage. Noch ist Baden-Württemberg kein Land der Windenergie -- aber eines der Windenergie-Forschung. Stuttgart hat hier eine prominente Stellung und zeigt abermals, dass im Ländle Techniken ersonnen werden, die global Furore machen. So gehen die heute üblichen Windturbinen mit drei Rotoren und Glasfaserstrukturen in den Flügeln auf den Maschinenbauer Ulrich Hütter zurück, der sich als Professor der damaligen Technischen Hochschule Stuttgart von 1959 bis 1980 mit Leichtbau, Flugzeugbau, Windturbinen und Glasfaser beschäftigte. Das war Pionierarbeit, stellte der emeritierte Maschinenbauprofessor und Windenergieforscher Robert Gasch von der TU Berlin kürzlich fest. Po Wen Cheng will diese Tradition fortführen. Der 43-jährige Luft- und Raumfahrtingenieur hat den Stuttgarter Lehrstuhl für Windenergieforschung inne. Mit dem E-Bike radelt er vom Stuttgarter Westen zu seinem Arbeitsplatz im zweiten Stockwerk eines Mehrzweckgebäudes im Vaihinger Campus empor, auf MAGAZIN WIRTSCHAFT 02.15 dessen Dach kleine Windräder drehen. 20 Mitarbeiter. Viele Projekte. Ob darunter auch Pioniertaten sind? Die Themen klingen spannend. Zum Beispiel die vorausschauende Regelung einer Windkraftanlage (WKA). Dreht sich eine Anlage unter Nennlast mit 18 bis 20 Umdrehungen pro Minute, so zerrt jede zusätzliche Windspitze oder Böe kräftig am Material. Cheng vergleicht das mit einem Radfahrer, der die Augen schließt -- und dann natürlich durch jede Bodenwelle rattert. „Mit geöffneten Augen fahren wir um die Schlaglöcher locker rum“, sagt Cheng. Er und seine Mitarbeiter geben den Windkraftanlagen gewissermaßen Augen, um zu erkennen, wann Windböen die WKA erreichen. Dazu tastet ein Laser den Luftraum einige 100 Meter vor der Anlage ab. Schwebeteilchen in Luft und Wind streuen die Lichtstrahlen zurück und geben über Windgeschwindigkeiten Aufschluss. Mit dieser Lidar genannten Technik können die Forscher das gesamte Genauso sieht das Karl Schlecht, ebenfalls Pionier, aber bei Betonförderpumpen, und Gründer der Firma Putzmeister. „Mir ist wichtig, dass wir die Energie der Natur für die Gesellschaft nutzen“, erklärt Schlecht seine Motivation, der Universität Stuttgart über zehn Jahre lang den ersten bundesdeutschen Lehrstuhl für Windenergieforschung zu stiften. Als Student hatte Schlecht den Windenergiepionier Ulrich Hütter noch an der Hochschule kennen und schätzen gelernt. Als Ingenieur ging Schlecht eigene Wege. „Dass jemand einen Lehrstuhl im Ganzen stiftet, kam so noch nicht vor“, erinnert sich Schlecht. Entsprechend steinig war der bürokratische Weg dorthin. Die Förderung lief 2014 vereinbarungsgemäß aus, das Land übernimmt. Ein wichtiges Ziel sieht Schlecht durch sein Engagement erreicht: Der Lehrstuhl gibt jungen Menschen eine solide Ausbildung in einem vielseitigen und zukunftssichern Arbeitsgebiet. Gute Voraussetzungen also für den Windenergiestandort BadenWürttemberg: Die Landesregierung hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 zehn Prozent des hiesigen Stromverbrauchs aus Windenergie zu decken. Martin Schäfer EuroScience.Net Stuttgart martin.schaefer@ euroscience.net 31 DEFGH Nr. 22, Mittwoch, 28. Januar 2015 S E L B S T FA H R E N D E A U T O S Roboter an Bord von thomas fromm W enn es um sehr langfristige Projekte geht, können Politiker manchmal sehr schnell sein. Zum Beispiel bei der Frage, Autobahnen für fahrerlose Autos freizuräumen. Kaum hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die A 9 zur Teststrecke für die Autos der Zukunft erklärt, zog der baden-württembergische Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) nach und kündigte an, dass auch sein Land eine geeignete Roboter-Bahn gefunden hat: Die A 81, die – wie praktisch – direkt durch die Hinterhöfe von Porsche, Daimler und Bosch führt. „Was in Bayern möglich ist, muss auch bei uns möglich sein“, sagte Schmid. Was frei übersetzt heißt: Was Audi und BMW in Bayern kriegen, „Tested on German Autobahn“ – das klingt doch gleich ganz anders kriegen unsere auch. Und weil die Deutschen seit Monaten neidisch nach Kalifornien schauen, wo so etwas schon länger geht, könnte man auch sagen: Was die Konzerne an der Westküste kriegen, kriegen sie bald auch bei uns. Oder, wie es Audi-Chef Rupert Stadler formuliert: „Tested on German Autobahn“. Klingt doch gleich schon ganz anders. Die Übungspisten stehen also, an der Serienreife der fahrenden Computer feilen BMW, Audi und Daimler mit Hochgeschwindigkeit, und spätestens seit Google seine ersten selbstfahrenden Kugeln gezeigt hat, könnte man sagen: Die Konzerne haben den Turbo eingeschaltet. Was zurzeit noch fehlt, ist der Rest. Es ist eben einfacher, Autobahnen zu Teststrecken zu erklären, als den rechtlichen Rahmen für dieses wohl größte Auto-Experiment seit Erfindung des Autos festzuzurren. Ohne klare Regeln aber wären die autonomen Vehikel wie Geisterfahrer im rechtsfreien Raum unterwegs. Es beginnt mit der entscheidenden Frage nach den unzähligen Daten, die so ein durchdigitalisiertes Auto produziert und die ständig mitfahren. Bleiben die im Auto? Wenn nicht, wo sind sie dann? Was wird aus der Privatsphäre, was ist mit Datenschutz? Dann das Thema Haftung. Wer fährt? Der Fahrer? Das Auto selbst? Auch bei selbstfahrenden Autos sollen die Fahrer, so sieht es der Gesetzgeber vor, die Kontrolle nicht komplett abgeben. Auch deshalb gilt: Ohne Führerschein kein Auto, auch kein selbstfahrendes. Kommt es zu einem selbst verschuldeten Unfall mit Fahrer, ist der Fahrer verantwortlich. Wenn aber das Auto autonom fährt und in die Leitplanken knallt? Ein Programmierfehler, ein kaputter Sensor vielleicht? Weil eine Maschine in dem Sinne nicht schuldig sein kann, wird der Versicherer fragen: Welche Verantwortung trägt der Hersteller? Im Zeitalter autonomen Fahrens, wenn aus kleinen technischen Pannen große Unfälle werden können, sind das Themen, die viel Geld und noch mehr Image kosten können. Um zu wissen, wer wirklich fuhr, müsste man den Innenraum permanent überwachen – ein seltsames Szenario. Aber ein realistisches. Der Mensch, bisher alleiniger Lenker im Auto-Cockpit, bekommt Hunderte Sensoren und kleine Computer zur Seite gestellt und verliert so die alleinige Hoheit über das Auto. Das könnte die Straßen sicherer machen, denn die meisten Unfälle werden von Fahrern verschuldet. Sensoren und Computer trinken kein Bier, sind nicht übermüdet, denken auf der Autobahn nicht an Beziehungsstress, achten auf den Sicherheitsabstand, sie biegen richtig ab, und rasen nicht (zumindest solange mit der Elektronik alles in Ordnung ist). Und man kann mit ihnen bequem durch Autobahnstaus und verstopfte Innenstädte segeln. Insofern: Ja doch, selbstfahrende Autos können, richtig eingesetzt, für mehr Sicherheit sorgen, und das Leben komfortabler machen. Wenn aber doch etwas passiert? Wer haftet dann? Die Allianz, Europas größter Versicherer, hat schon grünes Licht gegeben: Ja, man werde auch solche Autos versichern. Aber eben anders. Denn, so ein Manager neulich: Das Risiko verlagere sich vom Fahrer hin zum Entwickler. Entwickler, das wäre dann der Ingenieur des Autoherstellers. Also der Autohersteller selbst. Eine neue Risikobetrachtung, die den Unternehmen so gar nicht gefallen dürfte. Egal, ob es im Alltag dann um schwere Unfälle oder nur Ordnungswidrigkeiten geht: Den Nachweis, dass ihre Bordcomputer richtig tickten, müssen sie dann bringen. So viel kann man jetzt schon sagen: Für Computerexperten und Verkehrsanwälte werden das goldene Zeiten! Etwas Zeit gibt es noch. Studien gehen davon aus, dass um das Jahr 2035 herum zehn Prozent der Autos autonom fahren können. Es sollte machbar sein, die kniffligen juristischen Probleme bis dahin zu lösen. Und was Dobrindts A-9-Pläne betrifft: Gut möglich, dass man sich hier schon früher ein paar Gedanken über solche Fragen machen muss. Seite 20 NAHAUFNAHME „Ich habe mit dem Wachstum der Golf-Airlines überhaupt kein Problem. Ich bewundere sie sogar.“ Willie Walsh FOTO: REUTERS Zurück nach Hause Früher war Willie Walsh dort Pilot, nun will er Aer Lingus kaufen Zwischendurch packt es Willie Walsh immer noch. Wenn er aus seinem Bürofenster am Londoner Flughafen Heathrow schaut und sieht, wie einer seiner Piloten die Maschine besonders hart aufsetzt, dann ruft er in der Flugbetriebszentrale an und forscht nach, was los war. Und denkt sich womöglich, dass er selbst den Anflug besser hinbekommen hätte, schließlich hat er es jahrelang trainiert. Mit 17 hatte Willie Walsh, Vorstandschef der International Airlines Group (IAG), bei der irischen Aer Lingus als Pilot angefangen. Jetzt, mit 53, kehrt er wohl nach Hause zurück. IAG, die Muttergesellschaft von British Airways, Iberia und Vueling, hat gerade ihr drittes Angebot, Aer Lingus zu übernehmen, veröffentlicht. Der Verwaltungsrat der irischen Fluggesellschaft hat den Aktionären empfohlen, dem Angebot unter bestimmten Bedingungen zuzustimmen. Nun müssen noch die beiden bisherigen Hauptaktionäre von Aer Lingus, der irische Staat und Ryanair, mitmachen. Es sieht ganz gut aus. Wenn denn alles klappt und sich die irische Regierung davon überzeugen lässt, dass Aer Lingus bei IAG gut aufgehoben ist, dann schließt sich für Walsh ein Kreis. Schon während seiner Pilotenjahre war er bei Aer Lingus quasi Teilzeitmanager geworden und wurde im Jahr 2000 als Chief Operating Officer die Nummer zwei im Unternehmen. Nur ein Jahr später und wenige Tage nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurde Walsh sogar Vorstandschef. Gegen den erbitterten Widerstand der irischen Gewerkschaften setzte er ein Sparprogramm durch, weswegen 2000 Mitarbeiter ihren Job verloren. Walsh machte aus Aer Lingus eine Art Billig-Fluggesellschaft, verkaufte Unternehmensteile und schaffte die Business Class auf der Kurzstrecke ab. Aer Lingus konnte dadurch eine nahende Pleite vermeiden. Walshs Erfolg, vor al- lem dessen Härte bei der Sanierung, blieb auch British Airways nicht verborgen, die 2005 einen neuen Vorstandschef suchte. Der Ire Walsh folgte dem Australier Rod Eddington. Und er begann, auch bei BA aufzuräumen. Er verhandelte trotz teils wochenlanger Streiks neue, für das Unternehmen günstigere Tarifverträge mit Piloten und Flugbegleitern aus. Er machte aus einem Krisenfall ein mittlerweile hoch profitables Unternehmen. Doch Walsh ist nicht nur ein Sanierer, sondern auch ein Stratege. British Airways hatte 2004 und 2005 die erste Fusionswelle in Europa verpasst, als sich Air France und KLM sowie Lufthansa und Swiss zusammentaten. Dafür hat er aber nachgezogen: 2011 gründeten BA und Iberia den IAGKonzern, noch im gleichen Jahr kaufte Walsh der Lufthansa BMI ab und bekam wertvolle zusätzliche Start- und Landezeiten (Slots) in Heathrow. Mit der spanischen Vueling gehört nun auch eine große Billigfluggesellschaft zum Konzern. IAG strebt mittlerweile operative Margen von etwa 14 Prozent an, davon können Lufthansa und Air France-KLM nur träumen. Walsh ist nicht nur ungewöhnlich erfolgreich, wenn es um den Aufbau von IAG geht, er ist auch ein Freund des offenen Wortes. Ryanair-Chef Michael O’Leary schätzt er außerordentlich, die beiden sind sich in Stil und Einstellung nicht unähnlich. Und während Lufthansa und Air France über die staatlichen Fluggesellschaften vom Persischen Golf lamentieren, hat Walsh auch hier eine sehr eindeutige Meinung: „Ich habe mit dem Wachstum der Golf-Airlines überhaupt kein Problem“, sagt er. „Ich bewundere sie sogar.“ Wenn er nun tatsächlich Aer Lingus bei IAG integriert, ist eines anders als früher: Die Fluggesellschaft ist auch dank Walsh und ihres derzeitigen deutschen Chefs Christoph Müller längst kein Sanierungsfall mehr. jens flottau WIRTSCHAFT HBG 17 interview: michael bauchmüller und stefan braun U m neun Milliarden Dollar ist Bill Gates 2014 reicher geworden. Spricht man den reichsten Mann der Welt darauf an, zuckt er mit den Schultern und nippt an seiner Cola light. Seit einigen Jahren hat er sich aufs Geldausgeben verlegt – für den Kampf gegen Aids, Kindersterblichkeit, Armut. Oder er gibt, wie dieser Tage in Berlin, mal eben 1,5 Milliarden Dollar für die Impfallianz Gavi. SZ: Herr Gates, wie ist das, der reichste Mann der Welt zu sein? Bill Gates: Ich gebe rund vier Milliarden USDollar im Jahr für meine Stiftung aus. Und ich gebe zu: Es freut mich sehr, dass ich mit meinem Vermögen Gutes tun kann, um in Impfstoffe, Medikamente gegen Malaria, HIV, Kinderlähmung und in die Forschung und Entwicklung von Medizin zu investieren. Je mehr Forschung wir betreiben, desto mehr Leben können wir retten. „Du darfst keine Zweifel haben“ Bill Gates erklärt, warum er vier Milliarden Dollar im Jahr verschenkt – und warum es eigentlich einer Weltregierung bedürfte Was ist mit Ihnen passiert? Wie konnte aus dem Geschäftsmann Gates der Entwicklungshelfer Gates werden? Schon in meinen Zwanzigern habe ich Bücher über Rockefeller und Carnegie gelesen. Mich hat interessiert, wie sie gelebt und was sie mit ihrem Geld gemacht haben. Folgen hatte das nicht. Ich habe aber schon damals gewusst, dass ich nicht ewig mit Microsoft arbeiten wollte. Ich wusste, dass ich danach noch etwas anderes machen würde. Aber ich dachte, dass das vielleicht mit 60 sein würde, nicht früher. Andere machen eine Weltreise und lassen es sich gut gehen. Als ich Melinda geheiratet habe, waren wir uns schnell einig, dass wir unbedingt etwas gemeinsam verändern wollten. Dann erfuhren wir in den Neunzigern das erste Mal etwas über den Rota-Virus, die Durchfallkrankheit, die Kinder tötete. Wir wurden neugierig, wir lernten etwas über Malaria und stellten fest, dass es dazu fast keine Forschung gab. Da wurde klar, dass wir genau an der Stelle ansetzen wollten. Ich war 45, als ich 20 Milliarden Dollar in die Stiftung investierte. So fing es für mich an. Hat Sie das glücklich gemacht? Ehrlich gesagt, es war sehr aufregend und spannend, weil wir erst mal entscheiden mussten, wo wir anfangen. Und es war traurig, weil uns bewusst wurde, wie wenig bis dahin erreicht worden war, auch gegen weit verbreitete Krankheiten wie Polio, Malaria und HIV. Umso mehr tat es gut, jetzt etwas zu tun. Wir merkten schnell, dass auch etwas verändert werden kann, wenn es mehr Forschung gibt, mehr Einsatz, mehr Aufmerksamkeit. Von einem Vollzeit-Geschäftsmann zu einem Vollzeit-Stifter bin ich erst 2008 geworden. Hat es eine Rolle gespielt, dass Sie Vater geworden waren? Es hat eine sehr große Rolle gespielt, dass ich nicht mehr zwanzig, sondern fünfzig war. Mitte zwanzig war ich ein Single, voller Ehrgeiz, der keinen Urlaub brauchte und stolz war, dass er zwei Nächte am Stück durcharbeiten konnte; der kein Wochenende kannte und seine Mitarbeiter antrieb; der also vor allem an sich dachte. Mit fünfzig denkst Du mehr darüber nach, wie Du anderen helfen kannst, Du fährst außerdem auch mal in den Urlaub, Du fragst Dich, wie es den Menschen um Dich herum geht. Du wirst ein sozialerer Mensch. Melinda zu heiraten, war da der größte Meilenstein. Und das Alter. Ich muss es so sagen: Altern führt einen in diese Richtung. Außerdem sind Kinder natürlich auch eine gigantische Sache. Wir reisten durch die Welt und sahen plötzlich die Armut, wir sahen Slums ohne jede sanitäre Einrichtung. Wir lernten, dass 20 Prozent aller Kinder starben, bevor sie fünf waren. Wir merkten, wir müssen etwas ändern. Gibt es Reiche, die Ihnen böse sind? Ihr Beispiel setzt sie ja unter Druck. Keine Frage, es gibt Menschen, die sagen, dass der Kapitalismus diese enormen Einkommen erst möglich macht. Also soll derjenige auch etwas zurückgeben. Aber ich käme nie auf die Idee, jemanden, auch wenn er noch so reich ist, zu etwas zu verpflichten. Das muss freiwillig geschehen. Ich denke nur, dass Menschen, die über einen gewissen Reichtum verfügen, wissen „Früher starben 13 Millionen Kinder vor ihrem fünften Geburtstag, heute sind es noch sechs Millionen.“ sollen, wie befriedigend und berührend es sein kann, diese Möglichkeiten zu nutzen. Auch wenn ich sagen muss, dass es am Anfang unglaublich schwer war zu entscheiden, wofür und wie ich das Geld am besten anlegen soll. Es gibt so viel Not, so viele Bedürftige. Man muss das, was man unterstützt, aus vollem Herzen verteidigen können. Du darfst keine Zweifel haben, wenn Du so viel Geld einsetzt. In Ihrem jährlichen Stiftungsbrief schreiben Sie, bis 2030 werde sich das Leben der Ärmsten schneller und stärker verbessern denn je. Woher der Optimismus? Ich glaube, dass den Menschen heute nicht klar ist, wie sehr sich die Lage für die Armen schon verbessert hat. Natürlich ist es an vielen Stellen noch lange nicht genug. Aber Millionen Kindern geht es heute besser als früher. Millionen sterben heute nicht mehr und wären vor nicht allzu langer Zeit noch gestorben. Diese Opfer der Armut wurden aber lange kaum wahrgenommen. Ein Kind starb an Polio, das nächste an Malaria, das dritte am Rota-Virus, jedes an einem anderen Ort. Wir nehmen wahr, wenn ein Flugzeug abstürzt, ein Krieg tötet oder ein Tsunami seine zerstörerische Kraft entfaltet. Den täglichen Tod nehmen wir nicht wahr. Deshalb sind uns auch die enormen Fortschritte entgangen. Welche zum Beispiel? Früher starben 13 Millionen Kinder vor ihrem fünften Geburtstag, heute sind es noch sechs Millionen. Damals war es jedes zehnte Kind, heute ist es jedes Zwanzigste. Wir wollen erreichen, dass es nur noch jedes vierzigste Kind ist. Nicht anders ist es bei HIV. Außerdem sehe ich, was es in den nächsten Jahren an Geld und Forschung geben wird. Und ich sehe, dass es inzwischen Länder gibt, die einfach gute Arbeit machen. Länder wie Äthiopien zum Beispiel. Trotzdem waren 2014 so viel Menschen auf der Flucht wie seit 1945 nicht mehr. Und es war weltweit so warm wie nie. Der Kampf gegen Klimawandel geht jeden etwas an, auch ich investiere da viel. Ich sehe, was hier geschieht. Und ich bin noch keineswegs zufrieden. Wir brauchen erneuerbare Energien und neue Transportsysteme, wir brauchen Mittel für die Forschung. Es geht alles zu langsam. Es ist absurd, dass die reichen Länder das Problem erzeugt haben – und von den Folgen bis heute am wenigsten abbekommen. Vor- und Nachteile sind einfach ungerecht verteilt. Aber nicht nur beim Klima. Das stimmt. Nehmen Sie die Landwirtschaft. In Afrika leben 70 Prozent der Menschen von der Landwirtschaft, in den USA sind es zwei Prozent. Trotzdem liefern die Amerikaner Lebensmittel nach Afrika. Afrika kauft überall in der Welt Essen, jährlich für 50 Milliarden Dollar. Selbst dann bekommen sie nicht genügend. Das ist verrückt. Was, wenn es Afrika gelänge, selbst zu produzieren? Effektiver, mit besserem Saatgut, mit besserer Schulung der Bauern – es würde das Einkommen erhöhen, es würde der Verwüstung entgegenwirken, es würde die Sterblichkeitsrate senken. Ärgert es Sie, dass Sie letztlich die Aufgabe von Staaten erledigen müssen? So sehe ich das nicht. Es gibt Bereiche, da braucht es Philanthropie, um zum Beispiel einfach einmal zu einer renommierten Universität wie dem MIT zu gehen und zu sagen: Kommt Wissenschaftler, unterstützt uns. Wenn es darum geht, den richtigen Aids-Impfstoff zu finden, sind Politiker nicht unbedingt richtig ausgebildet. Wenn man dagegen die weltweite Entwicklungshilfe nimmt, also rund 130 Milliarden Dollar, sieht man, dass die Staaten schon sehr viel machen. Wir geben rund vier Milliarden Dollar jährlich aus, das mag nach viel klingen. Aber verglichen mit den Budgets der Staaten ist es wenig. Die USA investieren rund 30 Milliarden Dollar, Deutschland rund 14 Milliarden Dollar. Trotzdem reicht es noch lange nicht. Weil wir die Welt nicht hypereffizient managen. Nehmen Sie den Klimawandel – da fehlt eine Art globale Regierungsführung. Man kann sich darüber lustig machen, aber in Wahrheit war es traurig, wie die Milliardär und Philanthrop: „Wir haben noch viel vor“, sagt Bill Gates, 59. FOTO: EMMERT/AFP Konferenz in Kopenhagen verlaufen ist, wie einzelne sich verhalten haben, wie das UN-System versagte. Bislang gibt es keinen perfekten Rahmen. Wir brauchen eine Weltregierung? Wir haben globale Fragen, da wäre sie bitter nötig. Nehmen Sie die UN, sie ist vor allem für die Sicherheit auf der Welt geschaffen worden. Für den Krieg sind wir bereit, da haben wir alle Vorkehrungen getroffen. Wir haben die Nato, wir haben Divisionen, Jeeps, trainierte Leute. Aber was ist mit Seuchen? Wie viele Ärzte haben wir dafür, wie viel Flugzeuge, Zelte, was für Wissenschaftler? Gäbe es so etwas wie eine Weltregierung, wären wir besser vorbereitet. Es heißt, Sie seien im vorigen Jahr allein neun Milliarden Dollar reicher geworden. Was ist Ihr nächster Plan? Wir haben noch viel vor. Wir wollen nach Pakistan und Afghanistan – das wird schwer. Wenn wir die richtigen Impfstoffe haben, kümmern wir uns um andere Krankheiten. Bei sanitären Anlagen können wir noch viel tun, genauso bei Finanzdienstleistungen für Arme wie Banking mit Mobiltelefonen. Wir können dafür sorgen, dass die Dinge 20 Jahre schneller gehen, als sie ohne uns gegangen wären. Haben Sie schon mal ganz spontan jemandem geholfen? Der richtig in Not war? Rational gesehen würde ich sagen: Ich arbeite auf Großhandels-Niveau. Wenn ich auf eine Konferenz gehe und für Gavi werbe, sage ich: Wir haben sechs Millionen Leben gerettet. Das ist unfassbar! Was aber Menschen wirklich berührt, ist der Einzelfall. Was also wäre, wenn ich nicht von den sechs Millionen sprechen würde, sondern sechs Bilder mitbrächte? Von Jane, Joe, Sally, Jim. Das würde die Menschen wahrscheinlich mehr berühren. Das geht mir genauso. Wenn mir früher einer sagte: Wir haben 50 Millionen mal Windows verkauft, dann habe ich geantwortet: Sicher? Und was machen Sie, wenn Ihnen Jane oder Joe begegnen? Da geht es uns nicht anders als anderen. Ich habe meinen Kindern einmal unser neues Video zur Kinderlähmung gezeigt. In dem Film tauchte ein Mädchen auf, das lief an Krücken. Meine Tochter fand das alles ganz okay, aber eigentlich wollte sie nur eins wissen: Wie heißt das Mädchen, und was habt Ihr für sie getan? Da konnte ich ihr keine gute Antwort geben. Wir haben das dann herausgefunden und uns um das Mädchen gekümmert. IKB Festzinsanleihe PLUS: Zinsen sichern – Zusatz-Chance on top. Die neue IKB Festzinsanleihe PLUS bietet Ihnen für Ihre Geldanlage nicht nur einen Festzins von 1,35 % p. a., sondern auch noch die Chance auf ein zusätzliches PLUS* von 0,50 % p. a. für das 4. Anlagejahr. Das bedeutet: sichere Planung mit extraguten Aussichten. 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Der Basisprospekt einschließlich etwaiger Nachträge und die Endgültigen Bedingungen sind im Internet (www.ikb.de/wertpapiere) oder kostenlos bei der IKB Deutsche Industriebank AG erhältlich. Für den Anleger können Entgelte für den Erwerb und Verwahrkosten anfallen. 64 GASTKOMMENTAR WOCHENENDE 30. JANUAR BIS 1. FEBRUAR, NR. 21 Schlechte Erfahrungen prägen Kevin Rudd schildert, wie China seine Begegnungen mit dem Westen in der Neuzeit wertet. D nen, dass China seine Rolle als globaler Stakeholder auszufüllen habe, stößt diese Forderung den Chinesen nicht von ungefähr häufig bitter auf. Nach ihrer Auffassung wurden sie für ihre Teilnahme am Ersten Weltkrieg, durch die sie das westliche Konzept aktiv unterstützten, nicht nur nicht belohnt – sie wurden sogar dafür bestraft und durften eine ähnliche Erfahrung nach dem Zweiten Weltkrieg noch einmal machen. Der Westen wäre gut beraten, die Zukunft der globalen Ordnung auch aus chinesischer Perspektive zu betrachten, statt sie notorisch zu missachten. Wir mögen uns mit den daraus resultierenden politi- Der Westen wäre gut beraten, die Zukunft der globalen Ordnung auch aus chinesischer Perspektive zu betrachten, statt sie notorisch zu missachten. AFP [M] ie weltweiten Kräfteverhältnisse verschieben sich derzeit wie tektonische Platten. Alte Großmächte verlieren an Gewicht, neue Machtzentren treten hinzu, und die Vormacht des Westens bröckelt angesichts der unaufhaltsam aufstrebenden Staaten in Asien. Allen voran fordert China das tradierte Kräftegefüge heraus und drängt an die Spitze. Für die gesamte westliche Welt ist deshalb kaum ein strategischer Aspekt von größerer Bedeutung als die langfristige Positionierung Chinas und sein Gestaltungs- oder gar Führungsanspruch in der Weltpolitik. Um zu verstehen, was China antreibt und warum das Land dem Westen mit einer gehörigen Portion Skepsis gegenübertritt, müssen wir den Blick in die Vergangenheit richten, aber auch verstehen lernen, dass mit dem Aufstieg Chinas andere Werteorientierungen an Einfluss auf die Zukunft des internationalen Systems gewinnen. Es sind vor allem drei historische Entwicklungen, die Chinas Bild vom Westen bis heute prägen: die Zerschlagung des chinesischen Kaiserreiches durch den europäischen Imperialismus im 19. Jahrhundert, die Ignoranz der westlichen Siegermächte gegenüber China im Rahmen der Friedensverhandlungen nach den beiden Weltkriegen – und schließlich die Arroganz, mit der der Westen seit dem Beginn des chinesischen Aufstiegs wie selbstverständlich einfordert, das Land müsse sich im Sinne der westlichen Welt- und Werteordnung in das geltende System einfügen. Die Gründe für die Distanz des modernen China zum Westen wurden mit dem Ausgreifen der europäischen Mächte nach Asien vor bald 150 Jahren gelegt. Binnen kurzer Zeit ging mit dem kaiserlichen China und seiner Qing-Dynastie ein Staat mit einer 2 100 Jahre alten Kultur und Regierungsform unter. Dieser Prozess begann mit den Opiumkriegen von 1839 bis 1842 und endete mit der Niederschlagung des Boxeraufstandes 1901. Chinas letzte Dynastie zerbrach nur ein Jahrzehnt später während der Xinhai-Revolution von 1911. Das imperiale Verhalten der Europäer im Verlauf des 19. Jahrhunderts wirkt sich bis heute auf Chinas Nationalbewusstsein aus. Vereinfacht gesagt, entstand dadurch ein tiefes Gefühl des Misstrauens gegenüber dem imperialen Westen. Es ist nicht zuletzt diese historische Erfahrung, die wiederum das chinesische „Sendungsbewusstsein“ auf dem Weg des Landes zu neuer Größe – und vielleicht bereits in naher Zukunft an die Weltspitze – erklärt. Der Westen beging seinen zweiten Fehler schon 1919 bei den Versailler Verhandlungen zur globalen Nachkriegsordnung. Die Siegermächte hätten allen Grund gehabt, China in den Friedensverhandlungen nicht außer Acht zu lassen. Was kaum noch jemand in Europa weiß: China hatte sich auf Drängen der „Triple Entente“ aus Großbritannien, Frankreich und Russland dazu überreden lassen, in den Krieg gegen Deutschland einzutreten. Die chinesische Republik müsse sich als verantwortungsbewusstes Mitglied der internationalen Gemeinschaft verhalten und die Sache der Alliierten unterstützen, lautete schon damals die wohlfeile Forderung. Tatsächlich entsandte China ab 1916 mehrere Hunderttausend Arbeiter in Kriegsgebiete, um Gräben auszuheben und andere gefährliche Arbeiten für die Sache der Alliierten auszuführen. Viele von ihnen wurden dabei getötet, viele wei- tere durch Krankheit. Doch der Lohn für das Engagement blieb China verwehrt. Eine chinesische Delegation wurde in Versailles gar nicht erst zu den Verhandlungen zugelassen. Vor allem aber wurde entschieden, die ehemaligen deutschen Kolonien in China dem Land nicht zurückzugeben. Sie gingen stattdessen ausgerechnet an den asiatischen Rivalen Japan. Die Legitimität der jungen chinesischen Republik wurde durch den Versailler Vertrag effektiv zerstört. Es kam zu massiven Studentenunruhen in Peking – und zwei Jahre danach schließlich zur Gründung der Kommunistischen Partei Chinas, die das Land später auf einen ganz anderen Kurs steuern sollte. Damit nicht genug, legitimierte Versailles so implizit auch die Ambitionen Japans, die künftige Hegemonialmacht Asiens zu werden und dabei den europäischen Imperialisten nachzueifern. Die späteren Großinvasionen Japans – das in den 1930er Jahren China besetzte – waren die konsequente Auswirkung. Japan hatte von Die Gründe für die Distanz des modernen China zum Westen wurden mit dem Ausgreifen der europäischen Mächte nach Asien vor bald 150 Jahren gelegt. den Europäern nur allzu schnell gelernt, dass der Imperialismus nichts „Falsches“ sei, sondern der natürliche Gang der Dinge. Die Japaner lernten auch, dass ein imperiales Reich offenbar Voraussetzung war, um Weltmachtstatus zu erlangen. Der Erfolg der japanischen Invasion in China war auch entscheidend für die Delegitimierung der zweiten chinesischen Republik unter Chiang Kai-shek. Der japanische Erfolg entzog dessen Kuomintang-Regierung in den 1930er-Jahren den Rückhalt in der Bevölkerung. Den Bürgerkrieg, der nach der Kapitulation Japans ausbrach, verlor sie trotz militärischer Überlegenheit gegen die Kommunisten. Am Aufbau der Weltordnung nach 1945 wurden die Chinesen einmal mehr nicht beteiligt. In China hallt dieses historische Echo bis heute nach, nicht nur im anhaltenden politischen Erfolg der herrschenden Kommunistischen Partei, sondern auch im aktuellen Stand der japanisch-chinesischen Beziehungen. Angesichts dieser leidvollen Geschichte muss man sich in Europa nicht wundern, wenn sich Peking mit Blick auf die seit 1945 errichtete Nachkriegsordnung die Frage stellt, warum dieses – wiederum rein westlich geprägte – Staatensystem von Natur aus legitim sein sollte. Die Chinesen erkennen zwar durchaus, dass die aktuelle Ordnung mit ihren offenen Volkswirtschaften Vorteile hat, die sie auch zu nutzen wissen. Aber sie verstehen sich eben nicht als verantwortlicher Mitgestalter, sondern fühlen sich bis heute nicht ernst genug genommen. Und dies, obwohl das erstarkte China inzwischen die (kaufkraftbereinigt) größte Volkswirtschaft der Welt ist und über die zweitgrößte Militärmaschinerie der Welt verfügt. Wenn gerade die USA oft und gern beto- © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. schen Schlussfolgerungen schwertun, aber es ist sinnvoll und zeugt von Respekt, die Vorgeschichte des Aufstiegs Chinas zur neuen Weltmacht verstehen zu wollen. Einfach zu erwarten, dass China sich den Wertekanon und die gesellschaftliche Ordnung des Westens zu eigen macht, ist naiv. Und es genügt auch nicht, wie selbstverständlich davon auszugehen, dass das eigene, westliche System besser sei als jede Alternative. In China ist man der Ansicht, die künftige Weltordnung müsse „fairer und gerechter“ gestaltet werden. Seine Außenminister und der chinesische Staatsrat für auswärtige Angelegenheiten formulieren inzwischen offen, dass sich China mit seiner aufstrebenden globalen Präsenz auch für eine Reform der Weltordnung engagieren müsse. Zwar bleiben die Chinesen ganz bewusst vage, an welche Veränderungen sie genau denken. Klar ist jedoch, dass ihr Bestreben auch von vielen Entwicklungsländern mitgetragen wird. Vor diesem Hintergrund – und gerade auch angesichts der jüngsten Krise in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen wie auch der weltweiten Terrorgefahr – ist es dringend an der Zeit für neue Überlegungen zur Austarierung des internationalen Staatensystems unter aktiver Einbindung Chinas. Auch der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger hat diese Notwendigkeit in seinem neuen Buch „Weltordnung“ beschrieben und vor einer sich sonst abzeichnenden Legitimitätsund Effektivitätskrise der Weltordnung gewarnt. Die 1919 gefundene und 1945 weitgehend bestätigte Ordnung der Staatenwelt steht mehr denn je unter Rechtfertigungsdruck. Will der Westen nicht riskieren, seine Gestaltungsmacht sukzessive einzubüßen, muss er die Kraft zu Reformen aufbringen und aufstrebenden Staaten mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten einräumen. Der Autor war Premierminister Australiens. Sie erreichen ihn unter: [email protected] 76 MENSCHEN 2014 WOCHENENDE 12./ 13./ 14. DEZEMBER 2014, NR. 240 1 MENSCHEN 2014 77 WOCHENENDE 12./ 13./ 14. DEZEMBER 2014, NR. 240 1 gend. Der Patriarch hatte in langen Gesprächen herausgefunden, dass ein guter Teil seiner Arbeit und seines Erfolgs darin besteht, dass er Dinge macht, die mit dem Ingenieurwissen gar nichts zu tun haben. Führungskompetenz sei in erster Linie eine Frage der Haltung. Die Fähigkeit, eigene Interessen zurückzunehmen und sich für andere zu engagieren, sei ebenso von überragender Bedeutung wie die Bestimmung der Strategie und der Kultur des Unternehmens. In der Summe aller Fähigkeiten sei seine älteste Tochter Nicola die beste Wahl. Ich weiß noch genau, wie gespannt ich war, als ich Dr. Nicola LeibingerKammüller das erste Mal begegnete. Schon nach wenigen Momenten merkte ich, welche Ausnahmeerscheinung sie ist. Sie wirkt gleichermaßen charismatisch und durchsetzungsfähig, jedoch ebenfalls herzlich und stilvoll. Ihre Worte lassen schnell auf eine sehr kluge und integre Frau schließen. Die Trumpf-Chefin ist ein Vorbild. Sie zeichnet Integrität und Verantwortung aus – und sie wagt es, immer wieder neue Wege zu gehen, wie jüngst mit der Gründung einer eigenen Bank. Von Marie-Christine Ostermann Meine Eltern haben mir stets klassische kaufmännische Tugenden wie Bescheidenheit, Zurückhaltung, Disziplin, Verantwortung, Solidität und Maßhalten vorgelebt. Doch habe ich mich immer wieder gefragt, ob diese Werte in der heutigen Zeit noch so zählen, wie ich es mir wünsche. Schon lange war ich deshalb neben meinen Eltern auf der Suche nach einem weiteren Vorbild. Etwa zur Zeit der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 durfte ich erstmalig Dr. Nicola Leibinger-Kammüller begegnen. In den Jahren zuvor hatte ich schon viel ausgesprochen Gutes über sie und die Unternehmerfamilie Leibinger aus Ditzingen gehört, gerade auch über den Familienkodex, eine Art Grundgesetz der Familie, in der vieles festgeschrieben ist. Ihre Rolle in der Gesellschaft ist dabei ebenso definiert wie die Verantwortung der Unternehmerfamilie. Es gibt Empfehlungen, zum Beispiel in der Öffentlichkeit Zurückhaltung zu üben und Festschreibungen für kommende Krisen. Das Interesse Einzelner hat vor dem Interesse der Firma zurückzustehen. M D ieser Familienkodex hat mich in höchstem Maße beeindruckt. Auch die Begründung ihres Vaters Berthold Leibinger, warum er die promovierte Geisteswissenschaftlerin im Jahr 2005 zu seiner Nachfolgerin als Chefin des größten Werkzeugmaschinen-Herstellers der Welt machte, fand ich sehr überzeu- Marie C. Ostermann Die Unternehmerin und Politikerin führt gemeinsam mit ihrem Vater und ihrem Bruder den Lebensmittelgroßhandel Rullko in Hamm und ist seit 2014 Landesschatzmeisterin der FDP in Nordrhein-Westfalen. In den Jahren 2009 bis 2012 war sie Bundesvorsitzende des Verbandes Die Jungen Unternehmer (BJU). ich Dr. Nicola Leibinger-Kammüller begegne oder etwas über sie lese. Es hat mich auch überhaupt nicht überrascht, als die Vorzeigeunternehmerin in diesem Jahr die weltweit erste Universalbank für den Maschinenbau gründete. Trumpf Financial Services bietet Käufern von Maschinen maßgeschneiderte Finanzdienstleistungen. Mit Dr. Nicola Leibinger-Kammüller hat Trumpf die beste Unternehmenslenkerin an der Spitze, die ich mir vorstellen kann. Und wer sie so erlebt, der neigt dazu, ihr nach alter Buddenbrook’scher Weisheit zuzuordnen, dass sie mit Lust bei den Geschäften ist. Und ruhig schlafen können die Familie Leibinger und ihre Mitarbeiter bei einer solchen großartigen Chefin auch. Hätte ich einen Hut, ich würde ihn mit Freude und Hochachtung vor der Lebensleistung von Dr. Nicola Leibinger-Kammüller ziehen. ANZEIGE eine hohe Anerkennung für Dr. Nicola Leibinger-Kammüllers unternehmerische Leistung sollte sich im Jahr 2010 noch einmal steigern. Ihr Unternehmen Trumpf hatte aufgrund der weltweiten Wirtschaftskrise in den Jahren 2008/2009 über 40 Prozent an Umsatz verloren. Statt wie andere Unternehmenslenker in dieser schwierigen Zeit Mitarbeiter zu entlassen, glich sie die Verluste mit 75 Millionen Euro aus dem Familienvermögen aus und reduzierte die Geschäftsführergehälter um zehn Prozent. Kein einziger Mitarbeiter wurde entlassen. Johann Buddenbrook wäre sicher begeistert gewesen, zu erfahren, dass die Unternehmerin ihre Mitarbeiter in der Krise schulen und weiterbilden ließ. Dadurch war Trumpf schnell in der Lage, alte Umsatz- und Gewinnmarken zu erreichen. Ich hatte nun mein großes Vorbild gefunden und freue mich jedes Mal, wenn TRUMPF M ein Sohn, sey mit Lust bey den Geschäften am Tage, aber mache nur solche, dass wir bey Nacht ruhig schlafen können.“ Diese Leitlinie gibt der alte Johann Buddenbrook in Thomas Manns Roman seinen Kindern mit auf den Weg. Sein Sohn Jean Buddenbrook hält sich an diesen Grundsatz und geht keine unüberschaubaren Risiken ein. Doch sein Enkel Thomas Buddenbrook riskiert ein Spekulationsgeschäft und scheitert. Der Niedergang der wohlhabenden Kaufmannsfamilie und des Familienunternehmens nimmt seinen Lauf. Die Buddenbrook’sche Maxime ist Ausdruck klassischer kaufmännischer Ehrbarkeit. Diese gilt jedoch nicht nur für Nachfolger, sondern auch für Nachfolgerinnen in Familienunternehmen. Sinngemäß hat auch mein Vater mir ans Herz gelegt: „Meine Tochter, sey mit Lust bey den Geschäften am Tage, aber mache nur solche, dass wir bey Nacht ruhig schlafen können.“ Als junge Unternehmerin bin ich ständig auf der Suche nach meinem eigenen Weg, auch wenn noch so viel Gutes vom eigenen Vater vorgegeben ist. Ich treffe oft auf Unternehmenslenker, deren Handeln sich vor allem danach ausrichtet, kurzfristigen Unternehmenserfolg zu erreichen, ohne das mittel- und langfristige Wohl des Unternehmens im Blick zu haben. Eine zu hohe Risikobereitschaft zahlt sich jedoch häufig nicht aus. picture alliance/dpa Die ehrbare Kauffrau FAMILIENUNTERNEHMERIN DES JAHRES: NICOLA LEIBINGER-KAMMÜLLER Mit Mut, Ausdauer und Kreativität F Vertrag als Vorstandschef. Seine Söhne Alexander und Konstantin sind bereits auf Schlüsselpositionen im Unternehmen, müssten aber auch die übrigen Aktionäre überzeugen. Die Familie hält 61 Prozent der Anteile. Markus Fasse Erich Sixt Expansion in Amerika, CarSharing in London, Aufbau eines Chauffeurdienstes: Erich Sixt sprühte auch 2014 vor Tatendrang. Für den 70-Jährigen ist die Welt nach wie vor voller Möglichkeiten. Seit 45 Jahren mischt Erich Sixt den Markt der Autovermieter auf und hat immer noch neue Ideen. Der Markteintritt in den USA, wo mehr Autos vermietet werden als im Rest der Welt, ist für ihn ein großes Abenteuer. Sixt hat sich bereits an den großen Flughäfen im Süden der USA etabliert. Trotz der hohen Investitionen konnte Sixt zum Jahresende seine Prognose für den Gesamtkonzern übertreffen. Wie lange ihm der Job noch Spaß macht? Bis 2016 läuft sein Dirk Roßmann Ob Kritik am untergegangenen Konkurrenten Schlecker, Verteidigung von Ex-Bundespräsident und Freund Christian Wulff oder Klage gegen den Rundfunkbeitrag – der 68-Jährige, Gründer von Deutschlands zweitgrößter Drogeriemarktkette Rossmann, mag klare Worte. Und so steht schon lange fest, dass Roßmann seine Söhne auf die Nachfolge vorbereitet: Daniel, Jahrgang 1976, und sein Halbbruder Raoul, Jahrgang 1985, sind Mitglieder der Geschäftsleitung. Der Ältere leitet die Expansion, der Jüngere den Non-Food-Einkauf. Wer von beiden eines Tages den Chefposten übernimmt, darüber schwieg Roßmann – bis vor wenigen Wochen. Da verkündete das Unternehmen drei neue Ge- schäftsführer, darunter Raoul Roßmann. Der 29-Jährige, der Betriebswirtschaft studierte, verantwortet ab Januar Einkauf und Marketing. Er und seine Mitstreiter werden das Unternehmen gemeinsam mit Roßmann und dessen Frau Alice leiten. „Es ist der erste große Führungswechsel seit 20 Jahren“, hieß es in einer Mitteilung. Damit steht der Kronprinz fest. Nicht aber, wann der Vater abtritt. Kirsten Ludowig Lencke Steiner Hauptberuflich führt Lencke Steiner, besser bekannt unter ihrem Geburtsnamen Wischhusen, seit fünf Jahren das väterliche Verpackungsunternehmen W-Pack in Bremen. Der Vater mischt zwar bei den Knubbel-, Stretch- und sonstigen Folien noch mit, hauptsächlich teilt die 29-Jährige die Arbeit aber mit ihrem Bruder. Bekannt ist Steiner aber vor allem durch ihr nebenberufliches Engagement. Seit gut zwei Jahren leitet sie lautstark den Verband „Die Jungen Unternehmer“, im Novem- ber wurde sie im Amt bestätigt, ein Gegner war gar nicht erst angetreten. Und damit nicht genug. 2014 trat sie als Investorin in der Fernsehsendung „Die Höhle der Löwen“ auf. Unternehmensgründer präsentieren hier ihre Geschäftsidee und hoffen, dass sich einer der „Löwen“ beteiligt. Steiner fiel vor allem durch ihre nordisch-kühle Art und Zurückhaltung auf. Sie investierte selten in die Ideen der Gründer. Im November wählte die Bremer FDP die parteilose Familienunternehmerin zudem zur Spitzenkandidatin für die Bürgschaftswahl im Mai 2015. Dass Bahn-Chef Rüdiger Grube sie auch noch in den BahnBeirat holte, kann man da schon fast vernachlässigen. Kirsten Krumrey Friedhelm Loh Bescheidenheit ist eine christliche Tugend. Und deshalb spricht Friedhelm Loh nicht so oft über sich. Da hat er sich lieber acht Jahre lang als ZVEI-Präsident für die ElektrotechnikBranche eingesetzt, seit diesem Som- © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. Friedhelm Loh Dirk Roßmann Lencke Steiner Erich Sixt dpa (3), Friedhelm Loh Group amilienunternehmer führen ihr Unternehmen nicht einfach nur, sie tun es mit Verstand und Herz, und es gehört ihnen meist auch. Eine Konstellation, die Mut, Ausdauer, Kreativität und Charisma erfordert. mer ist er Ehrenvorsitzender auf Lebenszeit. Dabei hat der 68-Jährige genug zu tun mit seiner eigentlichen Aufgabe: der Friedhelm-Loh-Group im hessischen Haigar. Dazu gehören Stahlund Kunststofffirmen sowie der weltweit führende Schaltschrankhersteller Rittal. Insgesamt beschäftigt die Gruppe 11 500 Mitarbeiter an 15 Produktionsstätten und setzte 2013 rund 2,2 Milliarden Euro um. 2014 rückte Loh mit einem Mal ins Rampenlicht, als er über seine Beteiligungsgesellschaft Swoctem rund zehn Prozent am Roboterhersteller Kuka kaufte. Die Medien rätselten – er selbst sieht die Beteiligung als naturgemäß an, weil ihn moderne Technologien interessieren. Die Vernetzung von Industrie und Software treibt ihn an. Der gelernte Starkstromelektriker beendete sein BWL-Studium nicht und gründete die Friedhelm-Loh-Group. Das Engagement bei Kuka ist vor allem für die Gruppen-Tochter Rittal Software Systems interessant. Anja Müller