Deloitte Millennial Survey

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Deloitte Millennial Survey
Inhalt ▪ KW 5-6 2015
Pressespiegel
… Suchen und Fördern des Guten schlechthin
Deloitte Millennial Survey: Junge Deutsche wollen nicht Chef werden ...
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28.01.2015
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Deloitte Millennial Survey
Im internationalen Vergleich sind vor allem junge deutsche Frauen relativ unambitioniert.
Dazu kommt ein wachsender moralischer Anspruch an die Wirtschaft, wie eine Umfrage
zeigt.
Der deutschen Jugend kommt offenbar der Ehrgeiz abhanden. Vor allem junge Frauen in
Deutschland streben selten eine Führungsposition an. Das ist ein zentrales Ergebnis des „Delloitte
Millenial Survey 2015“.
Die Umfrage im Auftrag des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte fasst die
Erfahrungen und Erwartungen von 7806 nach 1982 geborenen jungen Erwachsenen in 29 Ländern
aller Kontinente zusammen. Drei Viertel von ihnen arbeiten in größeren Organisationen mit mehr als
100 Beschäftigten.
In Deutschland wünscht sich nicht einmal jede dritte junge Frau (29 Prozent) eine leitende berufliche
Position. Unter den jungen deutschen Männern sind es 46 Prozent. Im internationalen Vergleich
gehören die Deutschen damit zu den am wenigsten Ehrgeizigen. In den untersuchten asiatischen
Ländern Singapur, Südkorea, Malaysia, Thailand und China streben dagegen im Schnitt 70 Prozent
der Befragten eine Führungsposition in ihrer Organisation an.
Worauf die Deutschen bei einem neuen Job Wert legen
Alles anzeigen
97 Prozent
Fast alle der von forsa befragten 2.001 Bundesbürger sagten, dass sie bei einem neuen Job sehr
viel Wert auf angenehme Kollegen legen.
96 Prozent
Nur knapp dahinter folgt der sichere Arbeitsplatz, den 96 Prozent als sehr wichtig erachten.
95 Prozent
05.02.2015 11:41
Deloitte Millennial Survey: Junge Deutsche wollen nicht Chef werden ...
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95 Prozent wünschen sich Respekt und Anerkennung durch die Vorgesetzten.
93 Prozent
Ein gutes Gehalt ist 93 Prozent wichtig beziehungsweise sehr wichtig.
90 Prozent
90 Prozent wünschen sich von der neuen Stelle, dass sie abwechslungsreiche Tätigkeiten mit sich
bringt.
89 Prozent
Für 89 Prozent ist es wichtig bis sehr wichtig, dass der neue Job unbefristet ist.
88 Prozent
88 Prozent der Befragten sagten, dass ihnen die Moralvorstellungen und das Leitbild des
Unternehmens wichtig sind. Ebenfalls 88 Prozent legen sehr großen Wert darauf, dass sie
Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten im neuen Unternehmen haben.
70 Prozent
Flexible Arbeitszeiten wünschen sich 70 Prozent im neuen Job.
65 Prozent
Wichtig beziehungsweise sehr wichtig finden 65 Prozent Mehrwertleistungen des Unternehmens
wie beispielsweise eine Betriebsrente, Mitarbeiterrabatte oder einen Dienstwagen.
64 Prozent
64 Prozent wünschen sich, im neuen Unternehmen für besonders gute Leistungen auch
Bonuszahlungen zu bekommen.
59 Prozent
59 Prozent wünschen sich im neuen Job Führungsverantwortung zu übernehmen, zumindest aber,
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Deloitte Millennial Survey: Junge Deutsche wollen nicht Chef werden ...
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Projektleiter zu werden.
Kritik am Profitstreben
Der schwache Ehrgeiz der jungen Deutschen ist mit einem hohen moralischen Anspruch verbunden,
der allerdings in anderen Ländern noch ausgeprägter ist. Von Unternehmen wird gesellschaftliches
Engagement verlangt. Eine Mehrheit der jungen Deutschen von 62 Prozent kritisiert, dass wichtige
Unternehmen in erster Linie profitgetrieben wirtschaften. Im internationalen Durchschnitt kritisieren
dies sogar 75 Prozent.
43 Prozent der jungen Deutschen glauben, dass Unternehmen die gesellschaftliche Wirklichkeit
stärker bestimmen als die Regierung. Das Verhalten von Firmen bewerten 39 Prozent der Deutschen
als ethisches Statement. Von deren führenden Mitarbeitern erwarten sie dementsprechend, dass sie
mithelfen, die Gesellschaft zu verbessern.
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reagieren auf Generation Y
„Die Millenials glauben in ihrer übergroßen Mehrheit, dass die
Wirtschaft einen Neuanfang braucht, sowohl was die
Aufmerksamkeit für Menschen und Ziele angeht, als auch ihre
Produkte und Gewinne betreffend“, heißt es gleich im ersten
Satz der Studie.
Die Botschaft sei eindeutig, sagt Deloitte-CEO Barry Salzberg:
Wenn sie auf ihre Karriere-Ziele schauen, interessieren sich die
Millenials heute ebenso sehr dafür, wie ein Unternehmen seine
Menschen entwickelt und zur Gesellschaft beiträgt, als auch für
die Produkte und den Gewinn“.
fk
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05.02.2015 11:41
Deloitte Millennial Survey 2015
Hier geht‘s zur Deloitte-Studie!
SWR Fernsehen, 31. Februar 2015
„Lebendige“ Begegnung möglich – Eröffnung Erich Fromm Institut
Hier geht‘s zum TV-Beitrag!
(02:00 min)
Vertrauen statt Rivalität
ST
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150 Gäste feierten am Freitag die Eröffnung des Erich -Fromm-lnstituts
Das Tübinger Erich-Fromm-lnstitut könnte die gesellschaftliche Debatte über die psychischen Folgen einer entfesselten
Marktwirtschaft neu beleben.
Das sagte Institutsleiter Rainer
Funk bei der gut besuchten Eröffnung am Freitagabend.
DOROTHEE HERMANN
Ttibingen. Der Sozialphilosoph
Erich Fromm hat schon früh erkannt. dass geseUschaftlich erwünschte Gefühle und Verhaltensweisen nicht unbedingt mit jenen
übereinstimmen müssen, die für
"das men schliche Gelingen" des
Einzelnen entscheidend sind. Das
sagte Rainer Funk. der engagierte
Nachlassverwalter des soziologisch
geschulten Denkers.
Der mm öffentlich zugängliche
Nachlass samt der persönlichen Bibliothek Fromms laden zur Auseinandersetzwlg mit solchen geseUschaftspoiJtischen Widersprüchen
ein, sagte der 70-jährige Psychoanalytiker. Nach einem Studium der
Philosophie un d Theologie war
Funk 1974 bis 1980 Fromms letzter
Assistent w1d Herausgeber von dessen Werk-Ausgabe.
Lm Wettbewerb einer liberalisierten Marktwirtschaft hätten viele
Menschen verinnerlicht, stets leistwlgsbereit zu sein, so Funk. "Sie
beuten sich selbst aus, nur um zu
Rainer Funk
Archivbild: Metz
den zu den Gewinnern zu gehören
und nicht HariZ IV zu beziehen. Solidarische, empathische Gefühle
bleiben vor lauter Rivalisieren auf
der Strecke." Mir Erich Fromm lasse
sich "die Grausanlkeit eines von Ri valität statt von Solidarität geprägten
Gemeinwesens" ana)ysieren .
Derzeit gängige Schlagwörter wie
"Change, Restrukturierung oder sich
neu erfinden" zielten auf Veränderwlgen, cUe man heute mit Erfolg auf
technischem Wege zu erreichen
versuche, sagte Funk. Komplizierter
sei es, die inneren Antriebskräfte
Karl Schlecht
Archivbild: privat
des Einzelnen miteinzubeziehen.
Ge boren 1900 in Frankfurt/Main,
wurde Fromm 1933 von den Nazis
ins US-amerikanische Exil getriepen.
Erst in den siebziger Jahren wurde
sein Denken in den deutschsprachigen Ländern und in Italien wahrgenommen, berichtete Prof. Jürgen
Hardeck von der internationalen
Erich-Fromm-Gesellschaft. Schlüsselwerke wie "Haben oder Sein" und
"Die Kw1st des Uebens" wurden
Kultbücher, vor allem in Bürgerbewegungen wie den damals sich formierenden Grünen.
Für Oberbürgermeister Boris Palmer reibt sich das neu eröffnete lnstitut in den ,. Perlenkranz von Kulturinstitutionen in der Altstadt", neben
dem Hölderlinturrn und dem Hermann-Hesse-Kabinett.
Palmer
dankte dem Stifter Kar! Schlecht, der
nach dem Weltethos-Institut nun
auch das Fromm-Archiv ermöglicht
habe. Zudem würdigte der Oberbürgermeister die Arbeit von Rainer
Funk als bemerkenswert.
Prof. Kar! Schlecht, verhinderter
Finanzier einer Konzerthalle am Alten Botanischen Garten, bedauerte,
dass die Erich-Fromm-Stiftungsprofessur nur in Berlin, nicht aber in
Tübingen einen PlaiZ gefunden habe. Das Denken des Sozialphilosophen habe ihn dazu angeregt, ,.Konzentration, Vertrauen und Hingabe
zu üben". Der Geschäftsführer des
Tübinger Weltethos-lnstituts, Bernd
Villhauer, warnte mit Fromm davor,
menschliche Beziehungen allein als
Nutzenbeziehungen zu sehen. Ln
der gegenwärtigen Wirtschaftsweise,
geprägt von einer ,,Anthropologie
der Angst", rege der Sozialpsychologe dazu an, "dennoch auf Uebe und
Vertr:auen zu setzen". Jochen Brusch
(Violine) und Alexander Reitenbach
(Piano) schufen den festlichen musikalischen Rahlnen.
Info Das Erich-Fromm-lnstitut ist öffentlich zugänglich: Di bis Do, 12 bis
17 Uhr, Hintere Grabenstraße 26,
1. Stock (www.erich-fromm.de).
Dienstag, 03. Februar 2015
Forschung - In Tübingen wurde das »Erich Fromm Institut« eröffnet. Der Nachlass des Psychoanalytikers und Soziologen ist
jetzt für die Öffentlichkeit zugänglich
Prinzip Lebensliebe
VON MARTIN BERNKLAU
TÜBINGEN . »Kein Idol, aber Vorbild, kein Guru, aber Lehrer« sei Erich Fromm, sagte
Prof. Jürgen Hardeck von der Internationalen Erich-Fromm-Gesellschaft am Freitagabend bei
der Begrüßung von fast 200 Gästen, die zur Eröffnung des Instituts für den 1980 gestorbenen
Sozialpsychologen ins Tübinger Weltethos-Institut gekommen waren.
Finanziert hat diese Einrichtung die Stiftung des Aichtaler Betonpumpen-Unternehmers Prof.
Karl Schlecht, der auch Mäzen der Gastgeber ist. Für das vom Theologen Hans Küng
gegründete Weltethos-Institut hieß dessen Geschäftsführer Bernd Villauer die neuen
Nachbarn in der Hinteren Grabenstraße »in einer Atmosphäre des Vertrauens« willkommen.
Kernstück des Instituts ist der schriftliche Nachlass einschließlich der Bibliothek des
Psychoanalytikers, der mit seinen Büchern »Die Kunst des Liebens« oder »Haben und Sein«
Weltruhm weit über die Wissenschaft hinaus erlangte.
Erich Fromm stammte aus einer Frankfurter Rabbiner-Familie und gehörte nach seinem
Studium der Soziologie und der Freud’schen Psychoanalyse zum Kern des Instituts für
Sozialforschung. Nach der Flucht vor den Nationalsozialisten begann noch im New Yorker
Exil Fromms Trennung von der neo-marxistischen »Frankfurter Schule« um die Philosophen
Horkheimer, Adorno und Marcuse. Nachdem er als Professor in den USA und in Mexiko
einer der weltweit einflussreichsten Denker geworden war, nahm er für die letzten
Lebensjahre seinen Wohnsitz im schweizerischen Tessin, wo er 80-jährig starb.
Rainer Funk als Leiter
Sein als Erbe eingesetzter letzter Assistent Rainer Funk, Herausgeber einer Gesamtausgabe
der Werke von Erich Fromm, wird das Institut künftig leiten. Der Psychoanalytiker hatte den
Nachlass bislang in seiner Tübinger Privatwohnung verwaltet und erforscht.
Oberbürgermeister Boris Palmer freute sich, dass neben dem Vermächtnis der aus der
gleichen Zeit stammenden Trickfilm-Pionierin Lotte Reiniger nun auch das Archiv des grünen
und pazifistischen Vordenkers Fromm in Tübingen eine dauerhafte Heimat gefunden habe
und neben Hesse, Hölderlin und Verleger Cotta zum Kern eines literaturhistorischen
Stadtmarketing-Profils werden solle.
Dankbarkeit sei das Motiv für seine Stiftung, sagte Karl Schlecht. Ohne »die Verinnerlichung
von Fromms Gedanken« wäre sein Unternehmen Putzmeister nie Weltmarktführer geworden.
Gerade als Mann der Wirtschaft betrachte er »Liebe als Gottesgeschenk – und zwar gratis«,
bekannte der 84-jährige Multi-Mäzen. Rainer Funk skizzierte das sozialphilosophischpsychologische Denken Erich Fromms mit seiner wirtschafts- und gesellschaftskritischen
Perspektive als »Biophilie«, als Liebe zum Leben. Es kreise um die Frage, »was den
Menschen als Menschen gelingen lässt«. Er wünsche sich, so Funk, dass das Tübinger ErichFromm-Institut zu einem »Ort des Forschens, der Begegnung und des Lernens« werde.
Der Geiger Jochen Brusch und Alexander Reitenbach am E-Piano hatten die Feier mit
ostjüdisch geprägter Musik begleitet, darunter dem Thema aus Steven Spielbergs HolocaustFilm »Schindlers Liste«. Nach deren letztem Stück gab es einen Stehempfang und die
Begehung der überschaubaren, aber großzügig wirkenden Institutsräume. (GEA)
http://www.gea.de/nachrichten/kultur/prinzip+lebensliebe.4093903.htm
Neues Institut in Tübingen: Erich Fromms Lesecke - BW - Stuttgarter ...
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http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.print.23aba852-bd38-4ca7-a4f...
04.02.2015 14:16
Neues Institut in Tübingen: Erich Fromms Lesecke - BW - Stuttgarter ...
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Neues Institut in Tübingen: Erich Fromms Lesecke - BW - Stuttgarter ...
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10 WIRTSCHAFT & POLITIK
MITTWOCH, 28. JANUAR 2015, NR. 19
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Wehrbeauftragter:
Bundeswehr
ist überlastet
Der scheidende Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus hat eine
teils unzumutbare Überforderung der Soldaten und massive
Mängel bei Ausrüstung und Kasernen angeprangert. Die Bundeswehr stehe an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit, heißt es
in seinem letzten Jahresbericht,
den der FDP-Politiker am Dienstag in Berlin vorlegte. „Die jetzt
dringend notwendigen Verbesserungen erfordern erhebliche
finanzielle Aufwendungen“,
sagte er. Andernfalls werde sich
die „Abwärtsspirale“ noch
schneller drehen. dpa
Neuer Anlauf
für europäische
Börsensteuer
Elf Länder der Euro-Zone wollen
die Arbeit an der geplanten Börsensteuer enger koordinieren.
Künftig soll der österreichische
Finanzminister Hans Jörg Schelling die Leitung der Treffen übernehmen, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am
Dienstag in Brüssel. Die technische Umsetzung solle die portugiesische Ministerin Maria Luis
Albuquerque voranbringen. Elf
Euro-Staaten hatten die Einführung der Finanztransaktionssteuer vor drei Jahren verabredet.
Doch die Verhandlungen gehen
nur mühsam voran. Reuters
Weil ihnen staatliche Berufsschulen nicht genug bieten, setzen Arbeitgeber auf private Institute.
Thomas Sigmund
Berlin
► Unternehmen bevorzugen
meist Blockunterricht.
M
it einer Gedenkstunde hat der Bundestag an die Millionen
Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Bundespräsident Joachim
Gauck warnte auf der Veranstaltung
zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 70 Jahren davor,
einen Schlussstrich unter den Holocaust zu ziehen. „Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz“, sagte er. „Die Erinnerung an den Holocaust bleibt eine Sache aller Bürger,
die in Deutschland leben. Er gehört
zur Geschichte dieses Landes.“
Die Mahnungen des Bundespräsidenten beziehen sich auch auf eine
aktuelle Umfrage der Bertelsmann
Stiftung, nach der sich eine große
Mehrheit der Deutschen nicht
mehr mit dem Holocaust beschäftigen will. 81 Prozent möchten demnach die Geschichte der Judenverfolgung „hinter sich lassen“. 58 Prozent wollen einen Schlussstrich
ziehen.
Mit Nachdruck erinnerte Gauck
an die moralische Pflicht zum
Schutz von Flüchtlingen und Menschenrechten. Aus dem Erinnern
an das Menschheitsverbrechen des
millionenfachen Mordes an Juden
ergebe sich ein Auftrag. „Er sagt
uns: Schützt und bewahrt die Mitmenschlichkeit. Schützt und bewahrt die Rechte eines jeden Menschen.“ Dies gelte gerade in Zeiten,
„in denen wir uns in Deutschland
erneut auf das Miteinander unterschiedlicher Kulturen und Religionen zu verständigen haben“, sagte
Gauck, ohne die islamkritischen Pegida-Demonstrationen direkt anzusprechen.
An der Gedenkstunde nahmen
auch Auschwitz-Überlebende teil.
In dem NS-Vernichtungslager waren
mehr als 1,1 Millionen Menschen ermordet worden. Eine Million von
ihnen waren Juden. Die Sowjetarmee hatte am 27. Januar 1945 die
letzten 7 500 Gefangenen befreit.
Am Montag hatte Kanzlerin Angela Merkel an die Befreiung vor 70
Jahren erinnert. Die Kanzlerin be-
► Der Privatunterricht kostet
die Firmen zusätzlich Geld.
Stefani Hergert
Düsseldorf
Kanzlerin Angela Merkel: Gedenkstunde im Bundestag.
Bundespräsident Joachim Gauck im polnischen Oświęcim:
„Die Erinnerung an den Holocaust bleibt eine Sache aller Bürger.“
Eingang zum Hauptlager Auschwitz: Überlebende gedenken der im Vernichtungslager Getöteten.
zeichnete die Bedrohung von Juden
in Deutschland als Schande und deren Schutz als Staatsaufgabe. „Es ist
eine Schande, dass Menschen in
Deutschland angepöbelt, bedroht
oder angegriffen werden, wenn sie
sich irgendwie als Juden zu erkennen geben oder auch wenn sie für
den Staat Israel Partei ergreifen“,
sagte Merkel. Dass Synagogen und
jüdische Institutionen unter Polizeischutz stehen müssten, laste wie
ein Makel auf Deutschland. Es zeigten sich zwei Übel unserer Zeit – islamistischer Terrorismus und Antisemitismus, sagte sie mit Hinweis
auf die Anschläge in Paris gegen die
Satire-Zeitung „Charlie Hebdo“.
Umstellung bei Ökostrom-Förderung
Wirtschaftsministerium legt Ausschreibungsmodell vor. Startschuss ist im Februar.
Klaus Stratmann
Berlin
D
as Bundeswirtschaftsministerium ebnet den Weg für eine Umstellung der Vergütungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Künftig wird die
Vergütung je Kilowattstunde Strom
nicht mehr staatlich festgesetzt,
sondern mittels einer Ausschreibung im Wettbewerb ermittelt. Am
heutigen Mittwoch soll das Bundeskabinett die entsprechende Verordnung beschließen – das Papier liegt
dem Handelsblatt vor.
Der Verordnung zufolge kann die
Bundesnetzagentur die erste Ausschreibungsrunde für Photovoltaik-
Freiflächenanlagen im Februar starten, erste Gebote können bis zum
15. April eingehen. Das Wirtschaftsministerium versteht die ersten
Runden als Versuchsballon und will
mit den Pilotprojekten Erfahrungen
sammeln. 2015, 2016 und 2017 sollen pro Jahr Freiflächenanlagen mit
insgesamt durchschnittlich 400 Megawatt entstehen.
Ab 2017 sollen auch für andere
Quellen erneuerbarer Energie Ausschreibungen eingeführt werden.
„So wollen wir die Ausbauziele bei
den erneuerbaren Energien planbar und kostengünstiger erreichen“, sagte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).
Der Ausbau der Erneuerbaren ist
rasant vorangeschritten, so dass geeignete Flächen für neue Anlagen
inzwischen knapp sind. Das gilt vor
allem für Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Diesen Umstand will die
Bundesregierung ausnutzen, um
Kosten zu senken: Für das Gelingen
der Ausschreibungen sei „das Vorliegen einer Knappheitssituation
auf dem jeweiligen Markt“ wichtige
Voraussetzung, heißt es in dem Verordnungsentwurf.
Das Papier trägt dem Wunsch
der Branche Rechnung, die Hürden für eine Teilnahme an der Ausschreibung so niedrig wie möglich
zu halten. Durch ein einfaches,
transparentes und verständliches
© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].
Ausschreibungsdesign solle die Akteursvielfalt erhalten bleiben, heißt
es in dem Entwurf. Auch der finanzielle Aufwand für das Ausschreibungsverfahren soll sich in Grenzen halten, damit nicht nur kapitalkräftige Investoren mitmachen
können.
Die Umstellung auf das Ausschreibungsverfahren war bereits
mit der EEG-Reform aus dem vergangenen Jahr beschlossen worden. Mit der jetzt vorliegenden Verordnung, die nicht der Zustimmung von Bundestag und
Bundesrat bedarf, wird dieser Beschluss umgesetzt. Die Bundesregierung folgt damit Vorgaben der
EU-Kommission.
W
enn in der Schule
immer wieder mal
Unterricht ausfällt
oder niemand Bescheid sagt, dass
Schüler nicht zum Unterricht erscheinen, dann ärgert das Dieter
Göwel. Seine Kollegen und er haben
die Konsequenz gezogen, die auch
immer mehr Eltern ziehen: Sie
wechselten zu einer Privatschule.
Nur geht es in seinem Fall um ganze
Jahrgänge. Göwel leitet beim Händler Rewe die Personalentwicklung
in der Region Mitte mit rund 800
Auszubildenden. Etwa 200 von ihnen lernen seit 2011 nicht mehr an
einer staatlichen Berufsschule, sondern an einer privaten.
„Wir haben eine Schule gesucht,
die das bietet, was sie leisten soll:
Auf die theoretische Abschlussprüfung vorbereiten“, sagt Göwel. Eine
mit Blockunterricht und den ReweAzubis in einer Klasse. Der erste
Jahrgang hat die Abschlussprüfung
hinter sich, die Ergebnisse seien so
gut wie an staatlichen Schulen.
Dennoch lohne sich das Schulgeld –
Rewe zahlt etwa 1 200 Euro je Schüler und Jahr, hinzu kommen Reiseund Übernachtungskosten. „Für
die Fachkenntnisse unserer Azubis
ist die private Schule auf jeden Fall
ein Gewinn“, sagt Göwel. Denn früher musste oft im Betrieb der Schulstoff nachgearbeitet werden. Jetzt
können sich die Kollegen darauf
konzentrieren, intern das Spezialwissen zu vermitteln, das die angehenden Kaufleute mit Fachrichtung
Feinkost aus Sicht ihres Arbeitgebers brauchen.
Die Welt beneidet Deutschland
um seine duale Ausbildung mit
Phasen im Unternehmen und in
den Berufsschulen. Doch mit denen sind nicht alle rundherum
glücklich. Und so steigt die Zahl der
Arbeitgeber, die Lehrlinge privat
obs
Die 28 Staats- und Regierungschefs habe ihre Außenminister
aufgefordert, Vorbereitungen
für weitere Strafmaßnahmen
gegen Russland zu treffen. Die
Ressortchefs kommen am Donnerstag zusammen. Belege für
eine zunehmende Unterstützung der ukrainischen Separatisten durch Russland unterstrichen die Verantwortung Moskaus, hieß es in einer Erklärung.
Man sei zu weiteren Schritten
bereit. Offen blieb, ob es sich
um neue Strafen gegen Einzelpersonen oder Wirtschaftszweige handeln könnte. lud
Bundespräsident Gauck warnt davor, die Aufarbeitung des Holocaust zu beenden.
Getty Images
EU droht Russland
mit neuen
Sanktionen
Ausbildung nach Maß
AFP
In der Tarifrunde für die 3,7 Millionen Beschäftigten der Metallund Elektroindustrie hat die IG
Metall zu ersten Warnstreiks
aufgerufen. Nach dem Ende der
Friedenspflicht werde es ab
Donnerstag Warnstreiks und
Kundgebungen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen geben, kündigten die IG-Metall-Bezirkschefs an. Zuvor hatte die Gewerkschaft das Arbeitgeberangebot zurückgewiesen,
von März bis Ende des Jahres
2,2 Prozent mehr Geld zu zahlen. Die IG Metall verlangt 5,5
Prozent für zwölf Monate. fsp
Erinnerung wachhalten!
DAVIDS
Gewerkschaft IG
Metall ruft zu ersten
Warnstreiks auf
WIRTSCHAFT & BILDUNG 11
MITTWOCH, 28. JANUAR 2015, NR. 19
Azubi in einem Rewe-Markt: Unterrichtsausfall an staatlichen Berufsschulen nervt.
ausbilden lassen. Schon vor Jahrzehnten haben Branchen etwa in
Nordrhein-Westfalen auf eigene Berufsschulen gesetzt – die Immobilienwirtschaft mit einer Schule in
Bochum, die Hotellerie und Gastronomie mit einer in Dortmund
oder die Dachdecker mit einer im
Boom der Privaten
Private Berufsschulen in Deutschland
2 165
1 707
1 822
1 958
1 263
1993
1998
Handelsblatt
2003
2008
2013
Quelle: Destatis
Sauerland. Eine eigene Berufsschule hat seit 1962 auch Bertelsmann.
Christian Engel, der Berufsschulen unter anderem für Rewe,
Merck und ein großes Textilunternehmen betreibt, beobachtet, dass
sich Firmen stärker dafür interessieren, seit es schwieriger wird,
sehr gute Auszubildende zu finden. Engel expandiert: 2015 eröffnet er neue Standorte seiner ProGenius-Berufsschulen in Bochum
und in der Region Heilbronn.
Komplett zu privaten Anbietern
wechseln die meisten aber nicht.
„Wir wollen vernünftig und ordentlich ausbilden. Wenn staatliche
Schulen das leisten, was wir erwarten, sind diese erste Wahl“, sagt
Rewe-Mann Göwel. Auch beim
Pharmakonzern Merck werden
nur die Kaufleute seit 2006 privat
ausgebildet. Einer der Gründe:
„Die staatliche Schule konnte uns
damals unter anderem keinen
Blockunterricht bieten“, sagt Holger Hiltmann, Leiter der kaufmännischen Ausbildung. Doch der habe Vorteile: Jetzt sind die Azubis
Wir haben eine Schule
gesucht, die das bietet,
was sie leisten soll:
Auf die theoretische
Abschlussprüfung
vorbereiten.
Dieter Göwel
Leiter Personalentwicklung in der Region
Mitte bei Rewe
vier bis fünf Wochen in einer Abteilung und könnten dort auch ganze
Vorgänge bearbeiten.
Der Technologiekonzern Voith
hingegen betreibt in der Zentrale
im schwäbischen Heidenheim eine
eigene Sonderberufsfachschule, in
der 30 Jugendliche mit Handicap
oder Defiziten in einem Jahr fit für
eine Ausbildung gemacht werden.
Nicht bei Voith, es geht nicht darum, den eigenen Nachwuchs heranzuziehen. „Voith will jungen
Menschen helfen, die nicht so viel
Glück auf dem Weg hatten“, sagt
Thomas Born, Geschäftsführer der
Voith-Dienstleistungstochter.
Ziel sei es, sie auf einen Beruf vorzubereiten, „ihnen so viel mitzugeben, dass sie ,Guten Morgen‘ sagen,
auf Ordnung und Sauberkeit achten
und an Geräten wie Bohrmaschinen arbeiten können“, ergänzt Ausbildungsleiter Erwin Krajewski. Die
Jugendlichen arbeiten mit Holz,
kümmern sich um den Garten einer
anderen Schule oder streichen
auch mal Räume.
Der Konzern lässt sich das jährlich einen sechsstelligen Betrag kosten – zusätzlich zu den Zuschüssen
vom Staat. Dafür ist er auch erfolgreicher als viele staatliche Programme. „90 Prozent der Jugendlichen
vermitteln wir in eine Berufsausbildung“, sagt Born. Die Absolventen
arbeiten etwa in der Gastronomie,
dem Metallbereich, der Altenpflege
oder dem Gartenbau.
Kritik am Programm für Studienabbrecher
Bildungsministerin Wanka fördert Projekte, die Ex-Studenten in eine Berufsausbildung bringen.
Anja Stehle
Berlin
D
ie Anforderungen im Studiengang Maschinenbau sind
kaum zu bewältigen und im
Architekturstudium geht es nicht so
kreativ zu wie erhofft? Die Gründe,
warum ein Studium hinter den Erwartungen zurückbleibt, sind vielfältig. Fest steht: 28 Prozent der Bachelorstudenten brechen ab. Bildungsministerin Johanna Wanka will den
Ex-Studenten nun den Einstieg in
die Berufsausbildung erleichtern –
und erntet dafür auch Kritik.
Mit „Jobstarter plus“ fördert ihr
Ministerium bundesweit 18 Projekte, in denen Hochschulen, Firmen
und Ex-Studenten zusammengebracht werden. Wanka will so auch
dem drohenden Fachkräftemangel
entgegenwirken. Bis 2030 fehlen
laut ihren Beamten voraussichtlich
rund vier Millionen Fachkräfte.
„Die Hochschulabbrecher sollten
erkennen, dass sie an anderer Stelle
gebraucht werden“, sagte sie.
Insgesamt 7,2 Millionen Euro
sieht der Bund bis 2017 für die Projekte vor. Eine Initiative, die unterstützt wird, heißt „Switch“ und
kommt aus Aachen. Die Stadt vermittelt nicht nur ehemalige Studen-
28
Prozent der Bachelorstudenten des
Absolventenjahrgangs
2012 brachen
das Studium ab.
Quelle: DZHW
ten an Unternehmen aus der Region. Seit 2011 haben 170 Studienabbrecher eine Ausbildung mit 18
Monaten statt der üblichen drei
Jahre Lernzeit begonnen. Mit dem
Geld aus Berlin sollen es mehr werden. Der Bedarf ist da: Das Bundesbildungsministerium
rechnet
deutschlandweit mit 60 000 bis
100 000 Abbrechern pro Jahr.
Daher sieht auch Hochschulexperte Frank Ziegele, Geschäftsführer des Centrums für Hochschulentwicklung, Handlungsbedarf. Die Initiative sei richtig,
wenngleich sie zu spät komme. Ziegele kritisiert zudem, dass sie nicht
für klare Regeln bei der Anerkennung der Studienleistungen sorgt:
„Das Problem löst sich nur mit einem maximal durchlässigen Bildungssystem. Dazu gehört auch,
dass Studienleistungen gemäß einem festgelegten Schema bei der
Ausbildung anerkannt werden.“
Doch das sieht Jobstarter plus nicht
vor, wahrscheinlich braucht es in
Zukunft aber genau das.
Das Studium ist zum Normalfall
geworden, die Lehre droht zum
Auslaufmodell zu werden. Mit der
neuen Initiative ist wohl auch die
Hoffnung verbunden, dass die Ausbildung wieder anerkannter wird.
10 WIRTSCHAFT & POLITIK
MITTWOCH, 28. JANUAR 2015, NR. 19
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2
Wehrbeauftragter:
Bundeswehr
ist überlastet
Der scheidende Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus hat eine
teils unzumutbare Überforderung der Soldaten und massive
Mängel bei Ausrüstung und Kasernen angeprangert. Die Bundeswehr stehe an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit, heißt es
in seinem letzten Jahresbericht,
den der FDP-Politiker am Dienstag in Berlin vorlegte. „Die jetzt
dringend notwendigen Verbesserungen erfordern erhebliche
finanzielle Aufwendungen“,
sagte er. Andernfalls werde sich
die „Abwärtsspirale“ noch
schneller drehen. dpa
Neuer Anlauf
für europäische
Börsensteuer
Elf Länder der Euro-Zone wollen
die Arbeit an der geplanten Börsensteuer enger koordinieren.
Künftig soll der österreichische
Finanzminister Hans Jörg Schelling die Leitung der Treffen übernehmen, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am
Dienstag in Brüssel. Die technische Umsetzung solle die portugiesische Ministerin Maria Luis
Albuquerque voranbringen. Elf
Euro-Staaten hatten die Einführung der Finanztransaktionssteuer vor drei Jahren verabredet.
Doch die Verhandlungen gehen
nur mühsam voran. Reuters
Weil ihnen staatliche Berufsschulen nicht genug bieten, setzen Arbeitgeber auf private Institute.
Thomas Sigmund
Berlin
► Unternehmen bevorzugen
meist Blockunterricht.
M
it einer Gedenkstunde hat der Bundestag an die Millionen
Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Bundespräsident Joachim
Gauck warnte auf der Veranstaltung
zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 70 Jahren davor,
einen Schlussstrich unter den Holocaust zu ziehen. „Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz“, sagte er. „Die Erinnerung an den Holocaust bleibt eine Sache aller Bürger,
die in Deutschland leben. Er gehört
zur Geschichte dieses Landes.“
Die Mahnungen des Bundespräsidenten beziehen sich auch auf eine
aktuelle Umfrage der Bertelsmann
Stiftung, nach der sich eine große
Mehrheit der Deutschen nicht
mehr mit dem Holocaust beschäftigen will. 81 Prozent möchten demnach die Geschichte der Judenverfolgung „hinter sich lassen“. 58 Prozent wollen einen Schlussstrich
ziehen.
Mit Nachdruck erinnerte Gauck
an die moralische Pflicht zum
Schutz von Flüchtlingen und Menschenrechten. Aus dem Erinnern
an das Menschheitsverbrechen des
millionenfachen Mordes an Juden
ergebe sich ein Auftrag. „Er sagt
uns: Schützt und bewahrt die Mitmenschlichkeit. Schützt und bewahrt die Rechte eines jeden Menschen.“ Dies gelte gerade in Zeiten,
„in denen wir uns in Deutschland
erneut auf das Miteinander unterschiedlicher Kulturen und Religionen zu verständigen haben“, sagte
Gauck, ohne die islamkritischen Pegida-Demonstrationen direkt anzusprechen.
An der Gedenkstunde nahmen
auch Auschwitz-Überlebende teil.
In dem NS-Vernichtungslager waren
mehr als 1,1 Millionen Menschen ermordet worden. Eine Million von
ihnen waren Juden. Die Sowjetarmee hatte am 27. Januar 1945 die
letzten 7 500 Gefangenen befreit.
Am Montag hatte Kanzlerin Angela Merkel an die Befreiung vor 70
Jahren erinnert. Die Kanzlerin be-
► Der Privatunterricht kostet
die Firmen zusätzlich Geld.
Stefani Hergert
Düsseldorf
Kanzlerin Angela Merkel: Gedenkstunde im Bundestag.
Bundespräsident Joachim Gauck im polnischen Oświęcim:
„Die Erinnerung an den Holocaust bleibt eine Sache aller Bürger.“
Eingang zum Hauptlager Auschwitz: Überlebende gedenken der im Vernichtungslager Getöteten.
zeichnete die Bedrohung von Juden
in Deutschland als Schande und deren Schutz als Staatsaufgabe. „Es ist
eine Schande, dass Menschen in
Deutschland angepöbelt, bedroht
oder angegriffen werden, wenn sie
sich irgendwie als Juden zu erkennen geben oder auch wenn sie für
den Staat Israel Partei ergreifen“,
sagte Merkel. Dass Synagogen und
jüdische Institutionen unter Polizeischutz stehen müssten, laste wie
ein Makel auf Deutschland. Es zeigten sich zwei Übel unserer Zeit – islamistischer Terrorismus und Antisemitismus, sagte sie mit Hinweis
auf die Anschläge in Paris gegen die
Satire-Zeitung „Charlie Hebdo“.
Umstellung bei Ökostrom-Förderung
Wirtschaftsministerium legt Ausschreibungsmodell vor. Startschuss ist im Februar.
Klaus Stratmann
Berlin
D
as Bundeswirtschaftsministerium ebnet den Weg für eine Umstellung der Vergütungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Künftig wird die
Vergütung je Kilowattstunde Strom
nicht mehr staatlich festgesetzt,
sondern mittels einer Ausschreibung im Wettbewerb ermittelt. Am
heutigen Mittwoch soll das Bundeskabinett die entsprechende Verordnung beschließen – das Papier liegt
dem Handelsblatt vor.
Der Verordnung zufolge kann die
Bundesnetzagentur die erste Ausschreibungsrunde für Photovoltaik-
Freiflächenanlagen im Februar starten, erste Gebote können bis zum
15. April eingehen. Das Wirtschaftsministerium versteht die ersten
Runden als Versuchsballon und will
mit den Pilotprojekten Erfahrungen
sammeln. 2015, 2016 und 2017 sollen pro Jahr Freiflächenanlagen mit
insgesamt durchschnittlich 400 Megawatt entstehen.
Ab 2017 sollen auch für andere
Quellen erneuerbarer Energie Ausschreibungen eingeführt werden.
„So wollen wir die Ausbauziele bei
den erneuerbaren Energien planbar und kostengünstiger erreichen“, sagte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).
Der Ausbau der Erneuerbaren ist
rasant vorangeschritten, so dass geeignete Flächen für neue Anlagen
inzwischen knapp sind. Das gilt vor
allem für Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Diesen Umstand will die
Bundesregierung ausnutzen, um
Kosten zu senken: Für das Gelingen
der Ausschreibungen sei „das Vorliegen einer Knappheitssituation
auf dem jeweiligen Markt“ wichtige
Voraussetzung, heißt es in dem Verordnungsentwurf.
Das Papier trägt dem Wunsch
der Branche Rechnung, die Hürden für eine Teilnahme an der Ausschreibung so niedrig wie möglich
zu halten. Durch ein einfaches,
transparentes und verständliches
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Ausschreibungsdesign solle die Akteursvielfalt erhalten bleiben, heißt
es in dem Entwurf. Auch der finanzielle Aufwand für das Ausschreibungsverfahren soll sich in Grenzen halten, damit nicht nur kapitalkräftige Investoren mitmachen
können.
Die Umstellung auf das Ausschreibungsverfahren war bereits
mit der EEG-Reform aus dem vergangenen Jahr beschlossen worden. Mit der jetzt vorliegenden Verordnung, die nicht der Zustimmung von Bundestag und
Bundesrat bedarf, wird dieser Beschluss umgesetzt. Die Bundesregierung folgt damit Vorgaben der
EU-Kommission.
W
enn in der Schule
immer wieder mal
Unterricht ausfällt
oder niemand Bescheid sagt, dass
Schüler nicht zum Unterricht erscheinen, dann ärgert das Dieter
Göwel. Seine Kollegen und er haben
die Konsequenz gezogen, die auch
immer mehr Eltern ziehen: Sie
wechselten zu einer Privatschule.
Nur geht es in seinem Fall um ganze
Jahrgänge. Göwel leitet beim Händler Rewe die Personalentwicklung
in der Region Mitte mit rund 800
Auszubildenden. Etwa 200 von ihnen lernen seit 2011 nicht mehr an
einer staatlichen Berufsschule, sondern an einer privaten.
„Wir haben eine Schule gesucht,
die das bietet, was sie leisten soll:
Auf die theoretische Abschlussprüfung vorbereiten“, sagt Göwel. Eine
mit Blockunterricht und den ReweAzubis in einer Klasse. Der erste
Jahrgang hat die Abschlussprüfung
hinter sich, die Ergebnisse seien so
gut wie an staatlichen Schulen.
Dennoch lohne sich das Schulgeld –
Rewe zahlt etwa 1 200 Euro je Schüler und Jahr, hinzu kommen Reiseund Übernachtungskosten. „Für
die Fachkenntnisse unserer Azubis
ist die private Schule auf jeden Fall
ein Gewinn“, sagt Göwel. Denn früher musste oft im Betrieb der Schulstoff nachgearbeitet werden. Jetzt
können sich die Kollegen darauf
konzentrieren, intern das Spezialwissen zu vermitteln, das die angehenden Kaufleute mit Fachrichtung
Feinkost aus Sicht ihres Arbeitgebers brauchen.
Die Welt beneidet Deutschland
um seine duale Ausbildung mit
Phasen im Unternehmen und in
den Berufsschulen. Doch mit denen sind nicht alle rundherum
glücklich. Und so steigt die Zahl der
Arbeitgeber, die Lehrlinge privat
obs
Die 28 Staats- und Regierungschefs habe ihre Außenminister
aufgefordert, Vorbereitungen
für weitere Strafmaßnahmen
gegen Russland zu treffen. Die
Ressortchefs kommen am Donnerstag zusammen. Belege für
eine zunehmende Unterstützung der ukrainischen Separatisten durch Russland unterstrichen die Verantwortung Moskaus, hieß es in einer Erklärung.
Man sei zu weiteren Schritten
bereit. Offen blieb, ob es sich
um neue Strafen gegen Einzelpersonen oder Wirtschaftszweige handeln könnte. lud
Bundespräsident Gauck warnt davor, die Aufarbeitung des Holocaust zu beenden.
Getty Images
EU droht Russland
mit neuen
Sanktionen
Ausbildung nach Maß
AFP
In der Tarifrunde für die 3,7 Millionen Beschäftigten der Metallund Elektroindustrie hat die IG
Metall zu ersten Warnstreiks
aufgerufen. Nach dem Ende der
Friedenspflicht werde es ab
Donnerstag Warnstreiks und
Kundgebungen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen geben, kündigten die IG-Metall-Bezirkschefs an. Zuvor hatte die Gewerkschaft das Arbeitgeberangebot zurückgewiesen,
von März bis Ende des Jahres
2,2 Prozent mehr Geld zu zahlen. Die IG Metall verlangt 5,5
Prozent für zwölf Monate. fsp
Erinnerung wachhalten!
DAVIDS
Gewerkschaft IG
Metall ruft zu ersten
Warnstreiks auf
WIRTSCHAFT & BILDUNG 11
MITTWOCH, 28. JANUAR 2015, NR. 19
Azubi in einem Rewe-Markt: Unterrichtsausfall an staatlichen Berufsschulen nervt.
ausbilden lassen. Schon vor Jahrzehnten haben Branchen etwa in
Nordrhein-Westfalen auf eigene Berufsschulen gesetzt – die Immobilienwirtschaft mit einer Schule in
Bochum, die Hotellerie und Gastronomie mit einer in Dortmund
oder die Dachdecker mit einer im
Boom der Privaten
Private Berufsschulen in Deutschland
2 165
1 707
1 822
1 958
1 263
1993
1998
Handelsblatt
2003
2008
2013
Quelle: Destatis
Sauerland. Eine eigene Berufsschule hat seit 1962 auch Bertelsmann.
Christian Engel, der Berufsschulen unter anderem für Rewe,
Merck und ein großes Textilunternehmen betreibt, beobachtet, dass
sich Firmen stärker dafür interessieren, seit es schwieriger wird,
sehr gute Auszubildende zu finden. Engel expandiert: 2015 eröffnet er neue Standorte seiner ProGenius-Berufsschulen in Bochum
und in der Region Heilbronn.
Komplett zu privaten Anbietern
wechseln die meisten aber nicht.
„Wir wollen vernünftig und ordentlich ausbilden. Wenn staatliche
Schulen das leisten, was wir erwarten, sind diese erste Wahl“, sagt
Rewe-Mann Göwel. Auch beim
Pharmakonzern Merck werden
nur die Kaufleute seit 2006 privat
ausgebildet. Einer der Gründe:
„Die staatliche Schule konnte uns
damals unter anderem keinen
Blockunterricht bieten“, sagt Holger Hiltmann, Leiter der kaufmännischen Ausbildung. Doch der habe Vorteile: Jetzt sind die Azubis
Wir haben eine Schule
gesucht, die das bietet,
was sie leisten soll:
Auf die theoretische
Abschlussprüfung
vorbereiten.
Dieter Göwel
Leiter Personalentwicklung in der Region
Mitte bei Rewe
vier bis fünf Wochen in einer Abteilung und könnten dort auch ganze
Vorgänge bearbeiten.
Der Technologiekonzern Voith
hingegen betreibt in der Zentrale
im schwäbischen Heidenheim eine
eigene Sonderberufsfachschule, in
der 30 Jugendliche mit Handicap
oder Defiziten in einem Jahr fit für
eine Ausbildung gemacht werden.
Nicht bei Voith, es geht nicht darum, den eigenen Nachwuchs heranzuziehen. „Voith will jungen
Menschen helfen, die nicht so viel
Glück auf dem Weg hatten“, sagt
Thomas Born, Geschäftsführer der
Voith-Dienstleistungstochter.
Ziel sei es, sie auf einen Beruf vorzubereiten, „ihnen so viel mitzugeben, dass sie ,Guten Morgen‘ sagen,
auf Ordnung und Sauberkeit achten
und an Geräten wie Bohrmaschinen arbeiten können“, ergänzt Ausbildungsleiter Erwin Krajewski. Die
Jugendlichen arbeiten mit Holz,
kümmern sich um den Garten einer
anderen Schule oder streichen
auch mal Räume.
Der Konzern lässt sich das jährlich einen sechsstelligen Betrag kosten – zusätzlich zu den Zuschüssen
vom Staat. Dafür ist er auch erfolgreicher als viele staatliche Programme. „90 Prozent der Jugendlichen
vermitteln wir in eine Berufsausbildung“, sagt Born. Die Absolventen
arbeiten etwa in der Gastronomie,
dem Metallbereich, der Altenpflege
oder dem Gartenbau.
Kritik am Programm für Studienabbrecher
Bildungsministerin Wanka fördert Projekte, die Ex-Studenten in eine Berufsausbildung bringen.
Anja Stehle
Berlin
D
ie Anforderungen im Studiengang Maschinenbau sind
kaum zu bewältigen und im
Architekturstudium geht es nicht so
kreativ zu wie erhofft? Die Gründe,
warum ein Studium hinter den Erwartungen zurückbleibt, sind vielfältig. Fest steht: 28 Prozent der Bachelorstudenten brechen ab. Bildungsministerin Johanna Wanka will den
Ex-Studenten nun den Einstieg in
die Berufsausbildung erleichtern –
und erntet dafür auch Kritik.
Mit „Jobstarter plus“ fördert ihr
Ministerium bundesweit 18 Projekte, in denen Hochschulen, Firmen
und Ex-Studenten zusammengebracht werden. Wanka will so auch
dem drohenden Fachkräftemangel
entgegenwirken. Bis 2030 fehlen
laut ihren Beamten voraussichtlich
rund vier Millionen Fachkräfte.
„Die Hochschulabbrecher sollten
erkennen, dass sie an anderer Stelle
gebraucht werden“, sagte sie.
Insgesamt 7,2 Millionen Euro
sieht der Bund bis 2017 für die Projekte vor. Eine Initiative, die unterstützt wird, heißt „Switch“ und
kommt aus Aachen. Die Stadt vermittelt nicht nur ehemalige Studen-
28
Prozent der Bachelorstudenten des
Absolventenjahrgangs
2012 brachen
das Studium ab.
Quelle: DZHW
ten an Unternehmen aus der Region. Seit 2011 haben 170 Studienabbrecher eine Ausbildung mit 18
Monaten statt der üblichen drei
Jahre Lernzeit begonnen. Mit dem
Geld aus Berlin sollen es mehr werden. Der Bedarf ist da: Das Bundesbildungsministerium
rechnet
deutschlandweit mit 60 000 bis
100 000 Abbrechern pro Jahr.
Daher sieht auch Hochschulexperte Frank Ziegele, Geschäftsführer des Centrums für Hochschulentwicklung, Handlungsbedarf. Die Initiative sei richtig,
wenngleich sie zu spät komme. Ziegele kritisiert zudem, dass sie nicht
für klare Regeln bei der Anerkennung der Studienleistungen sorgt:
„Das Problem löst sich nur mit einem maximal durchlässigen Bildungssystem. Dazu gehört auch,
dass Studienleistungen gemäß einem festgelegten Schema bei der
Ausbildung anerkannt werden.“
Doch das sieht Jobstarter plus nicht
vor, wahrscheinlich braucht es in
Zukunft aber genau das.
Das Studium ist zum Normalfall
geworden, die Lehre droht zum
Auslaufmodell zu werden. Mit der
neuen Initiative ist wohl auch die
Hoffnung verbunden, dass die Ausbildung wieder anerkannter wird.
10 WIRTSCHAFT & POLITIK
MITTWOCH, 4. FEBRUAR 2015, NR. 24
WIRTSCHAFT & BILDUNG 11
MITTWOCH, 4. FEBRUAR 2015, NR. 24
2
2
Kein Licht im Steuerdschungel
Tausende
Studienplätze
blieben frei
EU-Untersuchungsausschuss zu Junckers Luxleaks-Affäre droht zu scheitern.
der EU-Kommission.
Ruth Berschens
Brüssel
E
U-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
kann aufatmen: Dem
ehemaligen luxemburgischen Premierminister
droht womöglich doch keine peinliche öffentliche Befragung im Europaparlament. Denn der geplante
parlamentarische Untersuchungsausschuss zu den Steuervorteilen
für Unternehmen in Luxemburg
und anderswo könnte wider Erwarten doch noch scheitern. Grund dafür ist eine Stellungnahme des juristischen Dienstes der EU-Volksvertretung. Darin wird der Ausschuss
als rechtlich unhaltbar verworfen.
Die Einsetzung des Ausschusses ist
damit fraglich geworden. Die von
Parlamentspräsident Martin Schulz
geleitete Konferenz der Fraktionsvorsitzenden will am morgigen
Donnerstag darüber entscheiden.
Dass sie sich über die rechtlichen
Bedenken hinwegsetzt, scheint wenig wahrscheinlich. Schulz und die
Chefs der beiden größten Fraktionen, Manfred Weber (EVP) und Gianni Pittella (S&D), waren von der
Idee sowieso nie begeistert. Nun
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: Eine Befragung zu
Luxemburgs Steuerpolitik ist noch unsicher.
hüllen sie sich in Schweigen. „Wir
warten auf einen Vorschlag von
Schulz“, heißt es im Umfeld von
Manfred Weber.
Die Befürworter des Ausschusses
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!
# $ im Parlament reagierten verärgert
auf die neue Entwicklung. Immerhin rund 190 der 751 Europaparlamentarier hatten den Ausschuss
verlangt. Einer von ihnen ist der
WHU
► Belgien nun auch im Visier
W
CSU-Abgeordnete Markus Ferber.
Dass der Ausschuss nun an Formalitäten scheitern soll, will er nicht
akzeptieren. „Wenn wir die Vorgänge aufklären und an unfairen Steuerpraktiken in Europa wirklich etwas ändern wollen, muss gerade
das Europäische Parlament an der
Spitze der Aufklärung stehen.“
Ähnlich sieht es Grünen-Parlamentarier Sven Giegold: „Ein Untersuchungsausschuss ist das schlagkräftigste Instrument des Europäischen
Parlaments und deshalb die angemessene Antwort auf Luxleaks und
die Folgen.“
EU-Wettbewerbskommissarin
Margrethe Vestager hat ihre Ermittlungen gegen steuerliche Sondervereinbarungen („tax rulings“) mit
Unternehmen am Dienstag auf Belgien ausgeweitet. Es bestehe der
Verdacht auf eine „ernsthafte Wettbewerbsverzerrung“ zugunsten „einer begrenzten Zahl multinationaler Unternehmen“, erklärte die Dänin.
Der WHU-Campus in Düsseldorf: Internetunternehmer und Alumnus Oliver Samwer hat die Schule bekannter gemacht.
Ein wenig lauter auftreten
Cristina Kirchner von
Prozess verschont
Der neue Chef der Privatuni WHU setzt auf mehr Marketing und Weiterbildung.
► Das Geschäft mit Semina-
Politthriller lenkt die Argentinier
von der miesen Wirtschaftslage ab.
ren wird erst aufgebaut.
► Im wichtigsten Ranking ist
die Uni noch nicht gelistet.
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D
ie frohe Nachricht ereilte Argentiniens Präsidentin auf
dem Weg nach China: Zwei
Richter weigern sich, Cristina Fernandez de Kirchner wegen des Vorwurfs anzuklagen, sie habe bei Geheimverhandlungen mit Iran dessen Mittäterschaft beim Anschlag
auf ein jüdisches Kulturzentrum vor
20 Jahren in Buenos Aires vertuschen wollen. Im Gegenzug soll Argentinien billiges Öl erhalten haben.
Zu diesem Schluss war zumindest
Staatsanwalt Alberto Nisman nach
jahrelangen Recherchen gekommen. Einen Tag bevor er seinen
300-seitigen Untersuchungsbericht
im Kongress vorstellen konnte, wurde er jüngst tot in seinem Apartment aufgefunden. Nach Ansicht
der Richter reichen die Beweise des
Gerichts nicht aus, um eine Anklage
gegen Kirchner zuzulassen. Das
heißt jedoch nicht, dass die Präsidentin nun keine Klage mehr
fürchten muss. Ein Bundesgericht wird jetzt entscheiden,
ob es den Fall zulässt.
Doch es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die
zunehmend autoritär
auftretende Präsidentin mit ihrer Deutung
des
Verbrechens
durchsetzen kann:
Demnach soll ein
entlassener Geheimdienstdirektor den
getöteten Staatsan-
Präsidentin Cristina
Kirchner: Beweise
reichen nicht aus.
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walt aus Rache gegen die Präsidentin mit gefälschten Telefonmitschnitten versorgt haben, um den
Verdacht auf Kirchner zu lenken. In
den zwei Wochen seit dem Tod Nismans ist kaum ein Tag vergangen,
an dem sich die Präsidentin nicht
per Twitter, Facebook und offiziellen TV-Ansprachen zum Thema geäußert hätte. Dabei stellte sich
Kirchner zunehmend als das Opfer
einer Intrige dar. Ungeklärt ist weiterhin, ob es sich im Fall Nisman
um Mord, induzierten Suizid oder
Selbstmord handelt.
So schwerwiegend die Vorwürfe
sein mögen – für die Regierung
Kirchner haben sie den Vorteil, dass
es Negativnachrichten aus der Wirtschaft kaum noch in die Schlagzeilen schaffen. Bei einer Geldentwertung von 40 Prozent im vergangenen Jahr und einer um knapp zwei
Prozent geschrumpften Wirtschaftsleistung muss sich die Präsidentin Sorgen machen,
dass sie bei den Wahlen
am 25. Oktober einen
Nachfolger durchsetzen
kann. Sie selbst kann
nicht mehr antreten.
Doch ein politisch
von ihr bestimmter
Nachfolger wird für
die Präsidentin wegen der Verwicklungen in den gegenwärtigen Politthriller
immer
wichtiger: Nur ein
ihr nahestehender
Präsident kann verhindern, dass sie sich
noch jahrelang mit
Verfahren in der Justiz
herumschlagen muss.
Stefani Hergert
Düsseldorf
D
REUTERS
Alexander Busch
São Paulo
er Übergang war geräuschlos. So leise, wie
die private Hochschule
WHU – Otto Beisheim
School of Management
mit Standorten in Vallendar und
Düsseldorf auch sonst auftritt. Seit
Januar leitet Markus Rudolf die 1984
gegründete Wirtschaftshochschule,
die zu den besten in Deutschland
und den besseren in der Welt zählt.
„Es ist nicht unsere erste Priorität,
zur Kenntnis genommen zu werden, indem wir auf die Pauke hauen. Leistung ist das, womit wir überzeugen wollen“, sagt der Professor
für Finanzwirtschaft im ersten Interview nach der Stabübergabe.
Ein bisschen lauter aber soll die
Wirtschaftshochschule mit Promotionsrecht und ihren Bachelor- und
Masterstudiengängen in den nächsten drei Jahren Amtszeit schon werden. „Wir müssen mehr Geld fürs
Marketing ausgeben“, sagt Rudolf
mit Blick auf das Managementstudium. „Ein bisschen mehr müssen
wir schon über uns sprechen.“
Etwa über die „Exzellenzstrategie“ des neuen Chefs. Vorgänger Michael Frenkel hatte in seinen neun
Jahren als Rektor stark das Wachstum im Blick. „Wenn wir heute
noch immer 600 statt 1 500 Studenten hätten, weiß ich nicht, ob es uns
noch geben würde. Wir wären zu
klein für die Rankings und Akkreditierungen“, sagt Rudolf. Die Gütesiegel von international anerkannten Hochschulorganisationen wie
der europäischen EFMD oder der
amerikanischen AACSB sowie die
Bestenlisten für Managementstudiengänge der „Financial Times“
(FT) oder des „Economist“ sind ein
Muss im globalen Wettbewerb.
Da will und muss Rudolf aufholen. In einige Ranglisten hat die
WHU es schon geschafft, doch in
der wichtigsten, dem FT-Ranking
des Vollzeit-Master of Business Administration (MBA) – dem Aushängeschild fast aller internationalen
Wirtschaftshochschulen – fehlt sie
im Gegensatz zur Mannheim Business School oder ESMT in Berlin.
„Schön ist das nicht, klar“, gibt Rudolf zu. „Bisher ist unser Programm
zu klein, um ins MBA-Ranking aufgenommen zu werden. Wir könnten 2016 das erste Mal drin sein.“
Der Studiengang müsse weiter
wachsen, zwei Starttermine im Jahr
seien denkbar. Auf exzellente Teilnehmer komme es an.
Dafür könnte sich einiges ändern. Rudolf kann sich vorstellen,
den 15-monatigen Vollzeit-MBA-Studiengang auf zwölf Monate zu verkürzen, um mit europäischen
Schwergewichten wie dem französischen Insead mithalten zu können.
„Eine Überlegung ist es auf jeden
Fall wert. Die deutschen Program-
Wenn Sie sich die
Internetfirmen in
Berlin anschauen,
dann merken Sie,
dass es kaum mehr
eine internetbasierte
Firma gibt, in deren
Geschäftsführung
nicht ein
WHU-Absolvent
sitzt.
Markus Rudolf
Rektor der WHU
WHU-Rektor Markus Rudolf:
„Ein schwieriges Geschäft.“
Lena Böhm für Handelsblatt
erhebt schwere Bedenken.
Grundsätzlich darf ein Untersuchungsausschuss im Europaparlament nur dann eingerichtet werden, wenn ein begründeter Verdacht auf Verstöße gegen EU-Recht
vorliegt. „Ausreichende Hinweise“
darauf würden im geplanten Arbeitsauftrag des Ausschusses jedoch fehlen, heißt es in der Stellungnahme des juristischen Dienstes. Eine genaue Begründung dazu
lieferten die Hausjuristen des Parlaments nicht.
AFP
► Juristischer Dienst
me sind eher länger als die anderer
Business-Schools. Die Frage ist: Machen wir es richtig und alle anderen
falsch? Man könnte zu dem Schluss
kommen, dass die anderen es besser machen“, argumentiert Rudolf,
der seit 1998 Finanzwirtschaft an
der WHU lehrt. Er weiß aber auch:
„Der MBA ist in Deutschland grundsätzlich ein schwieriges Geschäft.“
Richtig angehen will der neue
Chef zudem das Thema Weiterbildung, in der Branche Executive
Education genannt. „Das müssen
wir überhaupt erst einmal aufbauen, wir haben uns bisher nicht sehr
viel darum gekümmert“, resümiert
Rudolf. Zu einem Vollanbieter gehöre die Weiterbildung aber einfach
dazu, das nötige Know-how habe
die Hochschule. Doch gerade mit
den mehrtägigen Weiterbildungsseminaren tun sich auch einige Konkurrenten hierzulande schwer.
Die WHU ist vielen vor allem wegen eines Mannes bekannt: Oliver
Samwer. Der erfolgreiche, aber umstrittene Internetunternehmer, der
vor einigen Jahren Mitarbeiter in einer E-Mail zum „Blitzkrieg“ aufforderte, hat in Vallendar seinen Abschluss gemacht. Wirbt man gerne
mit jemandem wie ihm? „Wir werben nicht mit einer einzelnen Person“, sagt Rudolf. „Wenn Sie sich
die Internetfirmen in Berlin anschauen, dann merken Sie, dass es
kaum mehr eine internetbasierte
Firma gibt, in deren Geschäftsführung nicht ein WHU-Absolvent
sitzt.“ Oliver Samwer habe die WHU
sichtbarer gemacht, es gebe allerdings nicht nur ihn unter den WHUGründern, sondern zahlreiche andere.
Unternehmerische Persönlichkeiten auszubilden – damit wirbt die
Hochschule. Das heiße aber nicht,
dass man nur Gründer hervorbringen wolle. „Sondern auch Leute,
die in den Dax-Unternehmen die
Ärmel hochkrempeln“, sagt Rudolf.
er Medizin oder auch Jura studieren will, muss
normalerweise auf Enttäuschungen gefasst sein – der Numerus clausus ist für viele eine hohe Hürde. Nach einer Länder-Umfrage blieben gegen Ende des
Wintersemesters mehrere Tausend dieser begehrten Studienplätze frei – wegen Problemen bei
der Verteilungspraxis. Allein in
den NC-Fächern konnten bis Januar mindestens 14 579 Plätze
nicht vergeben werden, so das
Portal „Spiegel Online“. Die tatsächlichen Zahlen lägen jedoch
wohl noch höher, da Berlin, Brandenburg, Hessen, das Saarland
und Schleswig-Holstein keine Angaben hätten machen können.
Oft sind nicht nur Medizin- und
naturwissenschaftliche Studiengänge, sondern auch etwa Jura,
Betriebswirtschaftslehre und Sozialwissenschaften mit einem NC
belegt. Das Bundesbildungsministerium verwies auf die Zuständigkeit von Ländern und Hochschulen. Die Kultusministerkonferenz (KMK) sicherte den
Ländern zu, man werde die Zahlen sorgfältig prüfen und gegebenenfalls Schlussfolgerungen daraus ziehen.
Das Deutsche Studentenwerk
(DSW) fordert, die zentrale Vergabe über die Stiftung für Hochschulzulassung zu stärken. DSWGeneralsekretär Achim Meyer auf
der Heyde bezeichnete im
Deutschlandradio Kultur eine Beteiligung aller Unis an dem zentralen Vergabeverfahren als sinnvoll. Im Moment sei die Beteiligung freiwillig.
Das computergestützte Dialogorientierte Serviceverfahren
(DoSV) der Stiftung für Hochschulzulassung hatte 2008 die
Zentralstelle für die Vergabe von
Studienplätzen (ZVS) abgelöst. Es
wird wegen Problemen bei der
Datenübermittlung nicht voll genutzt. Im Wintersemester hätten
62 Hochschulen 289 Studienfächer angeboten – also laut dem
Portal nur ein Bruchteil der rund
400 Hochschulen mit mehr als
16 000 Studiengängen im Land.
Der Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK),
Holger Burckhart, wies die Vergleichsgröße von 400 Hochschulen zurück – es gehe nur um rund
170 staatliche Hochschulen.
Er räumte ein: „Aufgrund der
vielen unterschiedlichen Systeme
in den Hochschulen musste erst
die Anbindung an das DoSV gelöst werden. So sind noch nicht
alle Hochschulen dabei, für die
das Verfahren konzipiert wurde.
Aber es werden stetig mehr.“
Es werde „immer an bestimmten Orten und in bestimmten Fächern dazu kommen, dass Studienplätze offen bleiben: Da spielen Fragen der Attraktivität einer
Region, einer Stadt, einer Hochschule, eines Studienprogramms
ebenfalls eine große Rolle.“
Burckhart forderte mehr Geld
von den Ländern, da die Hochschulen die alleinige Bezahlung
des Systems nicht leisten könnten. dpa
SWR Online, 31. Februar 2015
Spatenstich für neue Musikschule in Filderstadt
MENSCHEN UND MARKEN
Serie Aus den Labors der Region
Was geht in der Forschungsregion Stuttgart? Unsere Serie zeigt, woran
Hochschulen, Institute und Unternehmen arbeiten.
Stuttgarter Windpioniere
Foto: Uni Stuttgart
Erneuerbare Energien Der Windenergielehrstuhl an der Uni Stuttgart setzt
die Tradition interdisziplinärer Hightech­Forschung fort
MAGAZIN
Windfeld vor einer Windkraftanlage oder einem ganzen Windpark vermessen. „Damit
können die Belastungen besser ausgeregelt
werden“, erklärt Cheng. Ingenieure können
die Gesamtanlage optimieren, besser dimensionieren und so beispielsweise Material einsparen. Durch die Lastregelung sollen auch
Verschleiß und Wartungsaufwand sinken.
Ein weiteres Projekt baut darauf auf. Zusammen mit dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung in Stuttgart
arbeitet das Team an einem Konzept, um
eine genauere Leistungsvorhersage eines
Verbunds von Wind- und Solaranlagen auf
einer Zeitskala von 10 bis 20 Minuten zu ermöglichen. Da diese regenerativen Energien
schwanken, könnte so die Bereitstellung von
Regelenergie, etwa durch Gaskraftwerke,
besser gesteuert werden, meint Cheng. Die
Energieversorgung sei immer als Gesamtsystem zu verstehen, und regenerative Energien
haben darin ihren festen Platz.
Steiler Weg zur Stiftungsprofessur
Hoch auf der Gondel einer Windkraftanlage montieren die Forscher ein Lasergerät zur Windvorhersage.
Noch ist Baden-Württemberg kein Land
der Windenergie -- aber eines der Windenergie-Forschung. Stuttgart hat hier
eine prominente Stellung und zeigt abermals,
dass im Ländle Techniken ersonnen werden,
die global Furore machen. So gehen die heute
üblichen Windturbinen mit drei Rotoren und
Glasfaserstrukturen in den Flügeln auf den
Maschinenbauer Ulrich Hütter zurück, der
sich als Professor der damaligen Technischen
Hochschule Stuttgart von 1959 bis 1980 mit
Leichtbau, Flugzeugbau, Windturbinen und
Glasfaser beschäftigte. Das war Pionierarbeit,
stellte der emeritierte Maschinenbauprofessor und Windenergieforscher Robert Gasch
von der TU Berlin kürzlich fest.
Po Wen Cheng will diese Tradition fortführen. Der 43-jährige Luft- und Raumfahrtingenieur hat den Stuttgarter Lehrstuhl für Windenergieforschung inne. Mit dem E-Bike radelt
er vom Stuttgarter Westen zu seinem Arbeitsplatz im zweiten Stockwerk eines Mehrzweckgebäudes im Vaihinger Campus empor, auf
MAGAZIN WIRTSCHAFT 02.15
dessen Dach kleine Windräder drehen.
20 Mitarbeiter. Viele Projekte. Ob darunter
auch Pioniertaten sind?
Die Themen klingen spannend. Zum Beispiel die vorausschauende Regelung einer
Windkraftanlage (WKA). Dreht sich eine Anlage unter Nennlast mit 18 bis 20 Umdrehungen pro Minute, so zerrt jede zusätzliche
Windspitze oder Böe kräftig am Material.
Cheng vergleicht das mit einem Radfahrer,
der die Augen schließt -- und dann natürlich
durch jede Bodenwelle rattert. „Mit geöffneten Augen fahren wir um die Schlaglöcher
locker rum“, sagt Cheng. Er und seine Mitarbeiter geben den Windkraftanlagen gewissermaßen Augen, um zu erkennen, wann
Windböen die WKA erreichen.
Dazu tastet ein Laser den Luftraum einige
100 Meter vor der Anlage ab. Schwebeteilchen
in Luft und Wind streuen die Lichtstrahlen
zurück und geben über Windgeschwindigkeiten Aufschluss. Mit dieser Lidar genannten
Technik können die Forscher das gesamte
Genauso sieht das Karl Schlecht, ebenfalls
Pionier, aber bei Betonförderpumpen, und
Gründer der Firma Putzmeister. „Mir ist wichtig, dass wir die Energie der Natur für die Gesellschaft nutzen“, erklärt Schlecht seine Motivation, der Universität Stuttgart über zehn
Jahre lang den ersten bundesdeutschen Lehrstuhl für Windenergieforschung zu stiften.
Als Student hatte Schlecht den Windenergiepionier Ulrich Hütter noch an der Hochschule kennen und schätzen gelernt. Als Ingenieur
ging Schlecht eigene Wege.
„Dass jemand einen Lehrstuhl im Ganzen
stiftet, kam so noch nicht vor“, erinnert sich
Schlecht. Entsprechend steinig war der bürokratische Weg dorthin. Die Förderung lief
2014 vereinbarungsgemäß aus, das Land
übernimmt. Ein wichtiges Ziel sieht Schlecht
durch sein Engagement erreicht: Der Lehrstuhl gibt jungen Menschen eine solide Ausbildung in einem vielseitigen und zukunftssichern Arbeitsgebiet. Gute Voraussetzungen
also für den Windenergiestandort BadenWürttemberg: Die Landesregierung hat sich
das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020
zehn Prozent des hiesigen Stromverbrauchs
aus Windenergie zu decken.
Martin Schäfer
EuroScience.Net
Stuttgart
martin.schaefer@
euroscience.net
31
DEFGH Nr. 22, Mittwoch, 28. Januar 2015
S E L B S T FA H R E N D E A U T O S
Roboter an Bord
von thomas fromm
W
enn es um sehr langfristige Projekte geht, können Politiker
manchmal sehr schnell sein.
Zum Beispiel bei der Frage, Autobahnen
für fahrerlose Autos freizuräumen.
Kaum hatte Bundesverkehrsminister
Alexander Dobrindt (CSU) die A 9 zur Teststrecke für die Autos der Zukunft erklärt,
zog der baden-württembergische Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) nach
und kündigte an, dass auch sein Land eine geeignete Roboter-Bahn gefunden
hat: Die A 81, die – wie praktisch – direkt
durch die Hinterhöfe von Porsche, Daimler und Bosch führt. „Was in Bayern möglich ist, muss auch bei uns möglich sein“,
sagte Schmid. Was frei übersetzt heißt:
Was Audi und BMW in Bayern kriegen,
„Tested on German
Autobahn“ – das klingt doch
gleich ganz anders
kriegen unsere auch. Und weil die Deutschen seit Monaten neidisch nach Kalifornien schauen, wo so etwas schon länger
geht, könnte man auch sagen: Was die
Konzerne an der Westküste kriegen, kriegen sie bald auch bei uns. Oder, wie es Audi-Chef Rupert Stadler formuliert: „Tested on German Autobahn“. Klingt doch
gleich schon ganz anders.
Die Übungspisten stehen also, an der
Serienreife der fahrenden Computer feilen BMW, Audi und Daimler mit Hochgeschwindigkeit, und spätestens seit Google seine ersten selbstfahrenden Kugeln
gezeigt hat, könnte man sagen: Die Konzerne haben den Turbo eingeschaltet.
Was zurzeit noch fehlt, ist der Rest. Es
ist eben einfacher, Autobahnen zu Teststrecken zu erklären, als den rechtlichen
Rahmen für dieses wohl größte Auto-Experiment seit Erfindung des Autos festzuzurren. Ohne klare Regeln aber wären die
autonomen Vehikel wie Geisterfahrer im
rechtsfreien Raum unterwegs. Es beginnt
mit der entscheidenden Frage nach den
unzähligen Daten, die so ein durchdigitalisiertes Auto produziert und die ständig
mitfahren. Bleiben die im Auto? Wenn
nicht, wo sind sie dann? Was wird aus der
Privatsphäre, was ist mit Datenschutz?
Dann das Thema Haftung. Wer fährt?
Der Fahrer? Das Auto selbst? Auch bei
selbstfahrenden Autos sollen die Fahrer,
so sieht es der Gesetzgeber vor, die Kontrolle nicht komplett abgeben. Auch deshalb gilt: Ohne Führerschein kein Auto,
auch kein selbstfahrendes. Kommt es zu
einem selbst verschuldeten Unfall mit
Fahrer, ist der Fahrer verantwortlich.
Wenn aber das Auto autonom fährt und in
die Leitplanken knallt? Ein Programmierfehler, ein kaputter Sensor vielleicht?
Weil eine Maschine in dem Sinne nicht
schuldig sein kann, wird der Versicherer
fragen: Welche Verantwortung trägt der
Hersteller? Im Zeitalter autonomen Fahrens, wenn aus kleinen technischen Pannen große Unfälle werden können, sind
das Themen, die viel Geld und noch mehr
Image kosten können.
Um zu wissen, wer wirklich fuhr, müsste man den Innenraum permanent überwachen – ein seltsames Szenario.
Aber ein realistisches. Der Mensch, bisher alleiniger Lenker im Auto-Cockpit, bekommt Hunderte Sensoren und kleine
Computer zur Seite gestellt und verliert
so die alleinige Hoheit über das Auto. Das
könnte die Straßen sicherer machen,
denn die meisten Unfälle werden von Fahrern verschuldet. Sensoren und Computer trinken kein Bier, sind nicht übermüdet, denken auf der Autobahn nicht an Beziehungsstress, achten auf den Sicherheitsabstand, sie biegen richtig ab, und rasen nicht (zumindest solange mit der Elektronik alles in Ordnung ist). Und man
kann mit ihnen bequem durch Autobahnstaus und verstopfte Innenstädte segeln.
Insofern: Ja doch, selbstfahrende Autos
können, richtig eingesetzt, für mehr Sicherheit sorgen, und das Leben komfortabler machen. Wenn aber doch etwas passiert? Wer haftet dann?
Die Allianz, Europas größter Versicherer, hat schon grünes Licht gegeben: Ja,
man werde auch solche Autos versichern.
Aber eben anders. Denn, so ein Manager
neulich: Das Risiko verlagere sich vom
Fahrer hin zum Entwickler. Entwickler,
das wäre dann der Ingenieur des Autoherstellers. Also der Autohersteller selbst. Eine neue Risikobetrachtung, die den Unternehmen so gar nicht gefallen dürfte. Egal,
ob es im Alltag dann um schwere Unfälle
oder nur Ordnungswidrigkeiten geht:
Den Nachweis, dass ihre Bordcomputer
richtig tickten, müssen sie dann bringen.
So viel kann man jetzt schon sagen: Für
Computerexperten und Verkehrsanwälte
werden das goldene Zeiten!
Etwas Zeit gibt es noch. Studien gehen
davon aus, dass um das Jahr 2035 herum
zehn Prozent der Autos autonom fahren
können. Es sollte machbar sein, die kniffligen juristischen Probleme bis dahin zu lösen. Und was Dobrindts A-9-Pläne betrifft: Gut möglich, dass man sich hier
schon früher ein paar Gedanken über solche Fragen machen muss.
Seite 20
NAHAUFNAHME
„Ich habe mit dem
Wachstum der Golf-Airlines
überhaupt kein Problem.
Ich bewundere sie sogar.“
Willie Walsh
FOTO: REUTERS
Zurück nach Hause
Früher war Willie Walsh dort Pilot, nun will er Aer Lingus kaufen
Zwischendurch packt es Willie Walsh immer noch. Wenn er aus seinem Bürofenster am Londoner Flughafen Heathrow
schaut und sieht, wie einer seiner Piloten
die Maschine besonders hart aufsetzt,
dann ruft er in der Flugbetriebszentrale an
und forscht nach, was los war. Und denkt
sich womöglich, dass er selbst den Anflug
besser hinbekommen hätte, schließlich
hat er es jahrelang trainiert.
Mit 17 hatte Willie Walsh, Vorstandschef der International Airlines Group
(IAG), bei der irischen Aer Lingus als Pilot
angefangen. Jetzt, mit 53, kehrt er wohl
nach Hause zurück. IAG, die Muttergesellschaft von British Airways, Iberia und Vueling, hat gerade ihr drittes Angebot, Aer Lingus zu übernehmen, veröffentlicht. Der
Verwaltungsrat der irischen Fluggesellschaft hat den Aktionären empfohlen, dem
Angebot unter bestimmten Bedingungen
zuzustimmen. Nun müssen noch die beiden bisherigen Hauptaktionäre von Aer
Lingus, der irische Staat und Ryanair, mitmachen. Es sieht ganz gut aus.
Wenn denn alles klappt und sich die
irische Regierung davon überzeugen lässt,
dass Aer Lingus bei IAG gut aufgehoben
ist, dann schließt sich für Walsh ein Kreis.
Schon während seiner Pilotenjahre war er
bei Aer Lingus quasi Teilzeitmanager geworden und wurde im Jahr 2000 als Chief
Operating Officer die Nummer zwei im Unternehmen. Nur ein Jahr später und wenige Tage nach den Terroranschlägen vom
11. September 2001 wurde Walsh sogar Vorstandschef. Gegen den erbitterten Widerstand der irischen Gewerkschaften setzte
er ein Sparprogramm durch, weswegen
2000 Mitarbeiter ihren Job verloren.
Walsh machte aus Aer Lingus eine Art Billig-Fluggesellschaft, verkaufte Unternehmensteile und schaffte die Business Class
auf der Kurzstrecke ab.
Aer Lingus konnte dadurch eine nahende Pleite vermeiden. Walshs Erfolg, vor al-
lem dessen Härte bei der Sanierung, blieb
auch British Airways nicht verborgen, die
2005 einen neuen Vorstandschef suchte.
Der Ire Walsh folgte dem Australier Rod Eddington. Und er begann, auch bei BA aufzuräumen. Er verhandelte trotz teils wochenlanger Streiks neue, für das Unternehmen
günstigere Tarifverträge mit Piloten und
Flugbegleitern aus. Er machte aus einem
Krisenfall ein mittlerweile hoch profitables Unternehmen.
Doch Walsh ist nicht nur ein Sanierer,
sondern auch ein Stratege. British Airways
hatte 2004 und 2005 die erste Fusionswelle in Europa verpasst, als sich Air France
und KLM sowie Lufthansa und Swiss zusammentaten. Dafür hat er aber nachgezogen: 2011 gründeten BA und Iberia den IAGKonzern, noch im gleichen Jahr kaufte
Walsh der Lufthansa BMI ab und bekam
wertvolle zusätzliche Start- und Landezeiten (Slots) in Heathrow. Mit der spanischen
Vueling gehört nun auch eine große Billigfluggesellschaft zum Konzern. IAG strebt
mittlerweile operative Margen von etwa
14 Prozent an, davon können Lufthansa
und Air France-KLM nur träumen.
Walsh ist nicht nur ungewöhnlich erfolgreich, wenn es um den Aufbau von IAG
geht, er ist auch ein Freund des offenen
Wortes. Ryanair-Chef Michael O’Leary
schätzt er außerordentlich, die beiden sind
sich in Stil und Einstellung nicht unähnlich. Und während Lufthansa und Air
France über die staatlichen Fluggesellschaften vom Persischen Golf lamentieren, hat Walsh auch hier eine sehr eindeutige Meinung: „Ich habe mit dem Wachstum
der Golf-Airlines überhaupt kein Problem“, sagt er. „Ich bewundere sie sogar.“
Wenn er nun tatsächlich Aer Lingus bei
IAG integriert, ist eines anders als früher:
Die Fluggesellschaft ist auch dank Walsh
und ihres derzeitigen deutschen Chefs
Christoph Müller längst kein Sanierungsfall mehr.
jens flottau
WIRTSCHAFT
HBG
17
interview: michael bauchmüller
und stefan braun
U
m neun Milliarden Dollar ist Bill
Gates 2014 reicher geworden.
Spricht man den reichsten Mann
der Welt darauf an, zuckt er mit den Schultern und nippt an seiner Cola light. Seit einigen Jahren hat er sich aufs Geldausgeben
verlegt – für den Kampf gegen Aids, Kindersterblichkeit, Armut. Oder er gibt, wie
dieser Tage in Berlin, mal eben 1,5 Milliarden Dollar für die Impfallianz Gavi.
SZ: Herr Gates, wie ist das, der reichste
Mann der Welt zu sein?
Bill Gates: Ich gebe rund vier Milliarden USDollar im Jahr für meine Stiftung aus. Und
ich gebe zu: Es freut mich sehr, dass ich mit
meinem Vermögen Gutes tun kann, um in
Impfstoffe, Medikamente gegen Malaria,
HIV, Kinderlähmung und in die Forschung
und Entwicklung von Medizin zu investieren. Je mehr Forschung wir betreiben, desto mehr Leben können wir retten.
„Du darfst
keine Zweifel
haben“
Bill Gates erklärt, warum er
vier Milliarden Dollar im Jahr
verschenkt – und warum
es eigentlich einer
Weltregierung bedürfte
Was ist mit Ihnen passiert? Wie konnte
aus dem Geschäftsmann Gates der Entwicklungshelfer Gates werden?
Schon in meinen Zwanzigern habe ich Bücher über Rockefeller und Carnegie gelesen. Mich hat interessiert, wie sie gelebt
und was sie mit ihrem Geld gemacht haben. Folgen hatte das nicht. Ich habe aber
schon damals gewusst, dass ich nicht ewig
mit Microsoft arbeiten wollte. Ich wusste,
dass ich danach noch etwas anderes machen würde. Aber ich dachte, dass das vielleicht mit 60 sein würde, nicht früher.
Andere machen eine Weltreise und lassen
es sich gut gehen.
Als ich Melinda geheiratet habe, waren wir
uns schnell einig, dass wir unbedingt etwas gemeinsam verändern wollten. Dann
erfuhren wir in den Neunzigern das erste
Mal etwas über den Rota-Virus, die Durchfallkrankheit, die Kinder tötete. Wir wurden neugierig, wir lernten etwas über Malaria und stellten fest, dass es dazu fast keine
Forschung gab. Da wurde klar, dass wir genau an der Stelle ansetzen wollten. Ich war
45, als ich 20 Milliarden Dollar in die Stiftung investierte. So fing es für mich an.
Hat Sie das glücklich gemacht?
Ehrlich gesagt, es war sehr aufregend und
spannend, weil wir erst mal entscheiden
mussten, wo wir anfangen. Und es war traurig, weil uns bewusst wurde, wie wenig bis
dahin erreicht worden war, auch gegen
weit verbreitete Krankheiten wie Polio, Malaria und HIV. Umso mehr tat es gut, jetzt etwas zu tun. Wir merkten schnell, dass auch
etwas verändert werden kann, wenn es
mehr Forschung gibt, mehr Einsatz, mehr
Aufmerksamkeit. Von einem Vollzeit-Geschäftsmann zu einem Vollzeit-Stifter bin
ich erst 2008 geworden.
Hat es eine Rolle gespielt, dass Sie Vater geworden waren?
Es hat eine sehr große Rolle gespielt, dass
ich nicht mehr zwanzig, sondern fünfzig
war. Mitte zwanzig war ich ein Single, voller Ehrgeiz, der keinen Urlaub brauchte
und stolz war, dass er zwei Nächte am
Stück durcharbeiten konnte; der kein Wochenende kannte und seine Mitarbeiter antrieb; der also vor allem an sich dachte. Mit
fünfzig denkst Du mehr darüber nach, wie
Du anderen helfen kannst, Du fährst außerdem auch mal in den Urlaub, Du fragst
Dich, wie es den Menschen um Dich herum
geht. Du wirst ein sozialerer Mensch. Melinda zu heiraten, war da der größte Meilenstein. Und das Alter. Ich muss es so sagen:
Altern führt einen in diese Richtung. Außerdem sind Kinder natürlich auch eine gigantische Sache. Wir reisten durch die
Welt und sahen plötzlich die Armut, wir sahen Slums ohne jede sanitäre Einrichtung.
Wir lernten, dass 20 Prozent aller Kinder
starben, bevor sie fünf waren. Wir merkten, wir müssen etwas ändern.
Gibt es Reiche, die Ihnen böse sind? Ihr
Beispiel setzt sie ja unter Druck.
Keine Frage, es gibt Menschen, die sagen,
dass der Kapitalismus diese enormen Einkommen erst möglich macht. Also soll derjenige auch etwas zurückgeben. Aber ich
käme nie auf die Idee, jemanden, auch
wenn er noch so reich ist, zu etwas zu verpflichten. Das muss freiwillig geschehen.
Ich denke nur, dass Menschen, die über einen gewissen Reichtum verfügen, wissen
„Früher starben 13 Millionen
Kinder vor ihrem fünften
Geburtstag, heute sind
es noch sechs Millionen.“
sollen, wie befriedigend und berührend es
sein kann, diese Möglichkeiten zu nutzen.
Auch wenn ich sagen muss, dass es am Anfang unglaublich schwer war zu entscheiden, wofür und wie ich das Geld am besten
anlegen soll. Es gibt so viel Not, so viele Bedürftige. Man muss das, was man unterstützt, aus vollem Herzen verteidigen können. Du darfst keine Zweifel haben, wenn
Du so viel Geld einsetzt.
In Ihrem jährlichen Stiftungsbrief schreiben Sie, bis 2030 werde sich das Leben der
Ärmsten schneller und stärker verbessern denn je. Woher der Optimismus?
Ich glaube, dass den Menschen heute nicht
klar ist, wie sehr sich die Lage für die Armen schon verbessert hat. Natürlich ist es
an vielen Stellen noch lange nicht genug.
Aber Millionen Kindern geht es heute besser als früher. Millionen sterben heute
nicht mehr und wären vor nicht allzu langer Zeit noch gestorben. Diese Opfer der Armut wurden aber lange kaum wahrgenommen. Ein Kind starb an Polio, das nächste
an Malaria, das dritte am Rota-Virus, jedes
an einem anderen Ort. Wir nehmen wahr,
wenn ein Flugzeug abstürzt, ein Krieg tötet
oder ein Tsunami seine zerstörerische
Kraft entfaltet. Den täglichen Tod nehmen
wir nicht wahr. Deshalb sind uns auch die
enormen Fortschritte entgangen.
Welche zum Beispiel?
Früher starben 13 Millionen Kinder vor ihrem fünften Geburtstag, heute sind es
noch sechs Millionen. Damals war es jedes
zehnte Kind, heute ist es jedes Zwanzigste.
Wir wollen erreichen, dass es nur noch jedes vierzigste Kind ist. Nicht anders ist es
bei HIV. Außerdem sehe ich, was es in den
nächsten Jahren an Geld und Forschung geben wird. Und ich sehe, dass es inzwischen
Länder gibt, die einfach gute Arbeit machen. Länder wie Äthiopien zum Beispiel.
Trotzdem waren 2014 so viel Menschen
auf der Flucht wie seit 1945 nicht mehr.
Und es war weltweit so warm wie nie.
Der Kampf gegen Klimawandel geht jeden
etwas an, auch ich investiere da viel. Ich sehe, was hier geschieht. Und ich bin noch keineswegs zufrieden. Wir brauchen erneuerbare Energien und neue Transportsysteme, wir brauchen Mittel für die Forschung.
Es geht alles zu langsam. Es ist absurd,
dass die reichen Länder das Problem erzeugt haben – und von den Folgen bis heute am wenigsten abbekommen. Vor- und
Nachteile sind einfach ungerecht verteilt.
Aber nicht nur beim Klima.
Das stimmt. Nehmen Sie die Landwirtschaft. In Afrika leben 70 Prozent der Menschen von der Landwirtschaft, in den USA
sind es zwei Prozent. Trotzdem liefern die
Amerikaner Lebensmittel nach Afrika.
Afrika kauft überall in der Welt Essen, jährlich für 50 Milliarden Dollar. Selbst dann
bekommen sie nicht genügend. Das ist verrückt. Was, wenn es Afrika gelänge, selbst
zu produzieren? Effektiver, mit besserem
Saatgut, mit besserer Schulung der Bauern
– es würde das Einkommen erhöhen, es
würde der Verwüstung entgegenwirken, es
würde die Sterblichkeitsrate senken.
Ärgert es Sie, dass Sie letztlich die Aufgabe von Staaten erledigen müssen?
So sehe ich das nicht. Es gibt Bereiche, da
braucht es Philanthropie, um zum Beispiel
einfach einmal zu einer renommierten Universität wie dem MIT zu gehen und zu sagen: Kommt Wissenschaftler, unterstützt
uns. Wenn es darum geht, den richtigen
Aids-Impfstoff zu finden, sind Politiker
nicht unbedingt richtig ausgebildet. Wenn
man dagegen die weltweite Entwicklungshilfe nimmt, also rund 130 Milliarden Dollar, sieht man, dass die Staaten schon sehr
viel machen. Wir geben rund vier Milliarden Dollar jährlich aus, das mag nach viel
klingen. Aber verglichen mit den Budgets
der Staaten ist es wenig. Die USA investieren rund 30 Milliarden Dollar, Deutschland rund 14 Milliarden Dollar.
Trotzdem reicht es noch lange nicht.
Weil wir die Welt nicht hypereffizient managen. Nehmen Sie den Klimawandel – da
fehlt eine Art globale Regierungsführung.
Man kann sich darüber lustig machen,
aber in Wahrheit war es traurig, wie die
Milliardär und Philanthrop:
„Wir haben noch viel vor“, sagt
Bill Gates, 59. FOTO: EMMERT/AFP
Konferenz in Kopenhagen verlaufen ist,
wie einzelne sich verhalten haben, wie das
UN-System versagte. Bislang gibt es keinen perfekten Rahmen.
Wir brauchen eine Weltregierung?
Wir haben globale Fragen, da wäre sie bitter nötig. Nehmen Sie die UN, sie ist vor allem für die Sicherheit auf der Welt geschaffen worden. Für den Krieg sind wir bereit,
da haben wir alle Vorkehrungen getroffen.
Wir haben die Nato, wir haben Divisionen,
Jeeps, trainierte Leute. Aber was ist mit
Seuchen? Wie viele Ärzte haben wir dafür,
wie viel Flugzeuge, Zelte, was für Wissenschaftler? Gäbe es so etwas wie eine Weltregierung, wären wir besser vorbereitet.
Es heißt, Sie seien im vorigen Jahr allein
neun Milliarden Dollar reicher geworden.
Was ist Ihr nächster Plan?
Wir haben noch viel vor. Wir wollen nach
Pakistan und Afghanistan – das wird
schwer. Wenn wir die richtigen Impfstoffe
haben, kümmern wir uns um andere
Krankheiten. Bei sanitären Anlagen können wir noch viel tun, genauso bei Finanzdienstleistungen für Arme wie Banking
mit Mobiltelefonen. Wir können dafür sorgen, dass die Dinge 20 Jahre schneller gehen, als sie ohne uns gegangen wären.
Haben Sie schon mal ganz spontan jemandem geholfen? Der richtig in Not war?
Rational gesehen würde ich sagen: Ich arbeite auf Großhandels-Niveau. Wenn ich
auf eine Konferenz gehe und für Gavi werbe, sage ich: Wir haben sechs Millionen Leben gerettet. Das ist unfassbar! Was aber
Menschen wirklich berührt, ist der Einzelfall. Was also wäre, wenn ich nicht von den
sechs Millionen sprechen würde, sondern
sechs Bilder mitbrächte? Von Jane, Joe, Sally, Jim. Das würde die Menschen wahrscheinlich mehr berühren. Das geht mir genauso. Wenn mir früher einer sagte: Wir haben 50 Millionen mal Windows verkauft,
dann habe ich geantwortet: Sicher?
Und was machen Sie, wenn Ihnen Jane
oder Joe begegnen?
Da geht es uns nicht anders als anderen.
Ich habe meinen Kindern einmal unser
neues Video zur Kinderlähmung gezeigt.
In dem Film tauchte ein Mädchen auf, das
lief an Krücken. Meine Tochter fand das alles ganz okay, aber eigentlich wollte sie nur
eins wissen: Wie heißt das Mädchen, und
was habt Ihr für sie getan? Da konnte ich
ihr keine gute Antwort geben. Wir haben
das dann herausgefunden und uns um das
Mädchen gekümmert.
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etwaiger Nachträge und die Endgültigen Bedingungen sind im Internet (www.ikb.de/wertpapiere) oder kostenlos bei der
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64 GASTKOMMENTAR
WOCHENENDE 30. JANUAR BIS 1. FEBRUAR, NR. 21
Schlechte Erfahrungen prägen
Kevin Rudd schildert, wie China seine Begegnungen mit dem Westen in der Neuzeit wertet.
D
nen, dass China seine Rolle als globaler
Stakeholder auszufüllen habe, stößt diese
Forderung den Chinesen nicht von ungefähr häufig bitter auf. Nach ihrer Auffassung wurden sie für ihre Teilnahme am
Ersten Weltkrieg, durch die sie das westliche Konzept aktiv unterstützten, nicht nur
nicht belohnt – sie wurden sogar dafür
bestraft und durften eine ähnliche Erfahrung nach dem Zweiten Weltkrieg noch
einmal machen.
Der Westen wäre gut beraten, die Zukunft der globalen Ordnung auch aus chinesischer Perspektive zu betrachten, statt
sie notorisch zu missachten. Wir mögen
uns mit den daraus resultierenden politi-
Der Westen wäre gut
beraten, die Zukunft
der globalen Ordnung
auch aus chinesischer
Perspektive zu
betrachten, statt sie
notorisch zu
missachten.
AFP [M]
ie weltweiten Kräfteverhältnisse verschieben
sich derzeit wie tektonische Platten. Alte Großmächte verlieren an Gewicht, neue Machtzentren treten hinzu, und
die Vormacht des Westens bröckelt angesichts der unaufhaltsam aufstrebenden
Staaten in Asien. Allen voran fordert China
das tradierte Kräftegefüge heraus und
drängt an die Spitze. Für die gesamte westliche Welt ist deshalb kaum ein strategischer Aspekt von größerer Bedeutung als
die langfristige Positionierung Chinas und
sein Gestaltungs- oder gar Führungsanspruch in der Weltpolitik.
Um zu verstehen, was China antreibt
und warum das Land dem Westen mit einer gehörigen Portion Skepsis gegenübertritt, müssen wir den Blick in die Vergangenheit richten, aber auch verstehen lernen, dass mit dem Aufstieg Chinas andere
Werteorientierungen an Einfluss auf die
Zukunft des internationalen Systems gewinnen.
Es sind vor allem drei historische Entwicklungen, die Chinas Bild vom Westen
bis heute prägen: die Zerschlagung des chinesischen Kaiserreiches durch den europäischen Imperialismus im 19. Jahrhundert, die Ignoranz der westlichen Siegermächte gegenüber China im Rahmen der
Friedensverhandlungen nach den beiden
Weltkriegen – und schließlich die Arroganz, mit der der Westen seit dem Beginn
des chinesischen Aufstiegs wie selbstverständlich einfordert, das Land müsse sich
im Sinne der westlichen Welt- und Werteordnung in das geltende System einfügen.
Die Gründe für die Distanz des modernen China zum Westen wurden mit dem
Ausgreifen der europäischen Mächte nach
Asien vor bald 150 Jahren gelegt. Binnen
kurzer Zeit ging mit dem kaiserlichen China und seiner Qing-Dynastie ein Staat mit
einer 2 100 Jahre alten Kultur und Regierungsform unter. Dieser Prozess begann
mit den Opiumkriegen von 1839 bis 1842
und endete mit der Niederschlagung des
Boxeraufstandes 1901. Chinas letzte Dynastie zerbrach nur ein Jahrzehnt später während der Xinhai-Revolution von 1911. Das
imperiale Verhalten der Europäer im Verlauf des 19. Jahrhunderts wirkt sich bis
heute auf Chinas Nationalbewusstsein aus.
Vereinfacht gesagt, entstand dadurch
ein tiefes Gefühl des Misstrauens gegenüber dem imperialen Westen. Es ist nicht
zuletzt diese historische Erfahrung, die
wiederum das chinesische „Sendungsbewusstsein“ auf dem Weg des Landes zu
neuer Größe – und vielleicht bereits in naher Zukunft an die Weltspitze – erklärt.
Der Westen beging seinen zweiten Fehler schon 1919 bei den Versailler Verhandlungen zur globalen Nachkriegsordnung.
Die Siegermächte hätten allen Grund gehabt, China in den Friedensverhandlungen nicht außer Acht zu lassen. Was kaum
noch jemand in Europa weiß: China hatte
sich auf Drängen der „Triple Entente“ aus
Großbritannien, Frankreich und Russland
dazu überreden lassen, in den Krieg gegen
Deutschland einzutreten. Die chinesische
Republik müsse sich als verantwortungsbewusstes Mitglied der internationalen Gemeinschaft verhalten und die Sache der Alliierten unterstützen, lautete schon damals
die wohlfeile Forderung.
Tatsächlich entsandte China ab 1916
mehrere Hunderttausend Arbeiter in
Kriegsgebiete, um Gräben auszuheben
und andere gefährliche Arbeiten für die
Sache der Alliierten auszuführen. Viele
von ihnen wurden dabei getötet, viele wei-
tere durch Krankheit. Doch der Lohn für
das Engagement blieb China verwehrt. Eine chinesische Delegation wurde in Versailles gar nicht erst zu den Verhandlungen
zugelassen. Vor allem aber wurde entschieden, die ehemaligen deutschen Kolonien
in China dem Land nicht zurückzugeben.
Sie gingen stattdessen ausgerechnet an
den asiatischen Rivalen Japan.
Die Legitimität der jungen chinesischen
Republik wurde durch den Versailler Vertrag effektiv zerstört. Es kam zu massiven
Studentenunruhen in Peking – und zwei
Jahre danach schließlich zur Gründung der
Kommunistischen Partei Chinas, die das
Land später auf einen ganz anderen Kurs
steuern sollte.
Damit nicht genug, legitimierte Versailles so implizit auch die Ambitionen Japans, die künftige Hegemonialmacht
Asiens zu werden und dabei den europäischen Imperialisten nachzueifern. Die späteren Großinvasionen Japans – das in den
1930er Jahren China besetzte – waren die
konsequente Auswirkung. Japan hatte von
Die Gründe für die
Distanz des modernen
China zum Westen
wurden mit dem
Ausgreifen der
europäischen Mächte
nach Asien vor bald
150 Jahren gelegt.
den Europäern nur allzu schnell gelernt,
dass der Imperialismus nichts „Falsches“
sei, sondern der natürliche Gang der Dinge. Die Japaner lernten auch, dass ein imperiales Reich offenbar Voraussetzung war,
um Weltmachtstatus zu erlangen.
Der Erfolg der japanischen Invasion in
China war auch entscheidend für die Delegitimierung der zweiten chinesischen Republik unter Chiang Kai-shek. Der japanische Erfolg entzog dessen Kuomintang-Regierung in den 1930er-Jahren den Rückhalt
in der Bevölkerung. Den Bürgerkrieg, der
nach der Kapitulation Japans ausbrach,
verlor sie trotz militärischer Überlegenheit
gegen die Kommunisten.
Am Aufbau der Weltordnung nach 1945
wurden die Chinesen einmal mehr nicht
beteiligt. In China hallt dieses historische
Echo bis heute nach, nicht nur im anhaltenden politischen Erfolg der herrschenden Kommunistischen Partei, sondern
auch im aktuellen Stand der japanisch-chinesischen Beziehungen.
Angesichts dieser leidvollen Geschichte
muss man sich in Europa nicht wundern,
wenn sich Peking mit Blick auf die seit
1945 errichtete Nachkriegsordnung die
Frage stellt, warum dieses – wiederum rein
westlich geprägte – Staatensystem von Natur aus legitim sein sollte.
Die Chinesen erkennen zwar durchaus,
dass die aktuelle Ordnung mit ihren offenen Volkswirtschaften Vorteile hat, die sie
auch zu nutzen wissen. Aber sie verstehen
sich eben nicht als verantwortlicher Mitgestalter, sondern fühlen sich bis heute nicht
ernst genug genommen. Und dies, obwohl
das erstarkte China inzwischen die (kaufkraftbereinigt) größte Volkswirtschaft der
Welt ist und über die zweitgrößte Militärmaschinerie der Welt verfügt.
Wenn gerade die USA oft und gern beto-
© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].
schen Schlussfolgerungen schwertun, aber
es ist sinnvoll und zeugt von Respekt, die
Vorgeschichte des Aufstiegs Chinas zur
neuen Weltmacht verstehen zu wollen.
Einfach zu erwarten, dass China sich
den Wertekanon und die gesellschaftliche
Ordnung des Westens zu eigen macht, ist
naiv. Und es genügt auch nicht, wie selbstverständlich davon auszugehen, dass das
eigene, westliche System besser sei als jede Alternative.
In China ist man der Ansicht, die künftige Weltordnung müsse „fairer und gerechter“ gestaltet werden. Seine Außenminister und der chinesische Staatsrat für auswärtige Angelegenheiten formulieren
inzwischen offen, dass sich China mit seiner aufstrebenden globalen Präsenz auch
für eine Reform der Weltordnung engagieren müsse. Zwar bleiben die Chinesen
ganz bewusst vage, an welche Veränderungen sie genau denken. Klar ist jedoch, dass
ihr Bestreben auch von vielen Entwicklungsländern mitgetragen wird.
Vor diesem Hintergrund – und gerade
auch angesichts der jüngsten Krise in den
Beziehungen zwischen Russland und dem
Westen wie auch der weltweiten Terrorgefahr – ist es dringend an der Zeit für neue
Überlegungen zur Austarierung des internationalen Staatensystems unter aktiver
Einbindung Chinas. Auch der ehemalige
US-Außenminister Henry Kissinger hat diese Notwendigkeit in seinem neuen Buch
„Weltordnung“ beschrieben und vor einer
sich sonst abzeichnenden Legitimitätsund Effektivitätskrise der Weltordnung gewarnt.
Die 1919 gefundene und 1945 weitgehend bestätigte Ordnung der Staatenwelt
steht mehr denn je unter Rechtfertigungsdruck. Will der Westen nicht riskieren, seine Gestaltungsmacht sukzessive einzubüßen, muss er die Kraft zu Reformen aufbringen und aufstrebenden Staaten mehr
Mitgestaltungsmöglichkeiten einräumen.
Der Autor war Premierminister
Australiens. Sie erreichen ihn unter:
[email protected]
76 MENSCHEN 2014
WOCHENENDE 12./ 13./ 14. DEZEMBER 2014, NR. 240
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MENSCHEN 2014 77
WOCHENENDE 12./ 13./ 14. DEZEMBER 2014, NR. 240
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gend. Der Patriarch hatte in langen Gesprächen herausgefunden, dass ein guter Teil seiner Arbeit und seines Erfolgs
darin besteht, dass er Dinge macht, die
mit dem Ingenieurwissen gar nichts zu
tun haben. Führungskompetenz sei in
erster Linie eine Frage der Haltung. Die
Fähigkeit, eigene Interessen zurückzunehmen und sich für andere zu engagieren, sei ebenso von überragender
Bedeutung wie die Bestimmung der
Strategie und der Kultur des Unternehmens. In der Summe aller Fähigkeiten
sei seine älteste Tochter Nicola die beste Wahl.
Ich weiß noch genau, wie gespannt
ich war, als ich Dr. Nicola LeibingerKammüller das erste Mal begegnete.
Schon nach wenigen Momenten merkte
ich, welche Ausnahmeerscheinung sie
ist. Sie wirkt gleichermaßen charismatisch und durchsetzungsfähig, jedoch
ebenfalls herzlich und stilvoll. Ihre Worte lassen schnell auf eine sehr kluge und
integre Frau schließen.
Die Trumpf-Chefin ist ein Vorbild. Sie
zeichnet Integrität und Verantwortung aus –
und sie wagt es, immer wieder neue Wege
zu gehen, wie jüngst mit der Gründung
einer eigenen Bank. Von Marie-Christine Ostermann
Meine Eltern haben mir stets klassische kaufmännische Tugenden wie Bescheidenheit, Zurückhaltung, Disziplin,
Verantwortung, Solidität und Maßhalten
vorgelebt. Doch habe ich mich immer
wieder gefragt, ob diese Werte in der
heutigen Zeit noch so zählen, wie ich es
mir wünsche. Schon lange war ich deshalb neben meinen Eltern auf der Suche
nach einem weiteren Vorbild.
Etwa zur Zeit der Weltwirtschaftskrise
2008/2009 durfte ich erstmalig Dr. Nicola Leibinger-Kammüller begegnen. In
den Jahren zuvor hatte ich schon viel
ausgesprochen Gutes über sie und die
Unternehmerfamilie Leibinger aus Ditzingen gehört, gerade auch über den Familienkodex, eine Art Grundgesetz der
Familie, in der vieles festgeschrieben ist.
Ihre Rolle in der Gesellschaft ist dabei
ebenso definiert wie die Verantwortung
der Unternehmerfamilie. Es gibt Empfehlungen, zum Beispiel in der Öffentlichkeit Zurückhaltung zu üben und
Festschreibungen für kommende Krisen. Das Interesse Einzelner hat vor
dem Interesse der Firma zurückzustehen.
M
D
ieser Familienkodex hat mich
in höchstem Maße beeindruckt. Auch die Begründung
ihres Vaters Berthold Leibinger, warum er die promovierte Geisteswissenschaftlerin im Jahr 2005 zu seiner Nachfolgerin als Chefin des größten
Werkzeugmaschinen-Herstellers der
Welt machte, fand ich sehr überzeu-
Marie C. Ostermann
Die Unternehmerin und Politikerin führt
gemeinsam mit ihrem Vater und ihrem
Bruder den Lebensmittelgroßhandel
Rullko in Hamm und ist seit 2014
Landesschatzmeisterin der FDP in
Nordrhein-Westfalen. In den Jahren
2009 bis 2012 war sie Bundesvorsitzende des Verbandes Die Jungen Unternehmer (BJU).
ich Dr. Nicola Leibinger-Kammüller begegne oder etwas über sie lese. Es hat
mich auch überhaupt nicht überrascht,
als die Vorzeigeunternehmerin in diesem Jahr die weltweit erste Universalbank für den Maschinenbau gründete.
Trumpf Financial Services bietet Käufern von Maschinen maßgeschneiderte
Finanzdienstleistungen.
Mit Dr. Nicola Leibinger-Kammüller
hat Trumpf die beste Unternehmenslenkerin an der Spitze, die ich mir vorstellen kann. Und wer sie so erlebt, der
neigt dazu, ihr nach alter Buddenbrook’scher Weisheit zuzuordnen, dass
sie mit Lust bei den Geschäften ist. Und
ruhig schlafen können die Familie Leibinger und ihre Mitarbeiter bei einer solchen großartigen Chefin auch. Hätte ich
einen Hut, ich würde ihn mit Freude
und Hochachtung vor der Lebensleistung von Dr. Nicola Leibinger-Kammüller ziehen.
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eine hohe Anerkennung für
Dr. Nicola Leibinger-Kammüllers unternehmerische
Leistung sollte sich im Jahr
2010 noch einmal steigern. Ihr Unternehmen Trumpf hatte aufgrund der
weltweiten Wirtschaftskrise in den Jahren 2008/2009 über 40 Prozent an Umsatz verloren. Statt wie andere Unternehmenslenker in dieser schwierigen
Zeit Mitarbeiter zu entlassen, glich sie
die Verluste mit 75 Millionen Euro aus
dem Familienvermögen aus und reduzierte die Geschäftsführergehälter um
zehn Prozent. Kein einziger Mitarbeiter
wurde entlassen. Johann Buddenbrook
wäre sicher begeistert gewesen, zu erfahren, dass die Unternehmerin ihre
Mitarbeiter in der Krise schulen und
weiterbilden ließ. Dadurch war Trumpf
schnell in der Lage, alte Umsatz- und Gewinnmarken zu erreichen.
Ich hatte nun mein großes Vorbild gefunden und freue mich jedes Mal, wenn
TRUMPF
M
ein Sohn, sey mit
Lust bey den Geschäften am Tage, aber
mache nur solche,
dass wir bey Nacht
ruhig schlafen können.“ Diese Leitlinie gibt der alte Johann
Buddenbrook in Thomas Manns Roman
seinen Kindern mit auf den Weg. Sein
Sohn Jean Buddenbrook hält sich an diesen Grundsatz und geht keine unüberschaubaren Risiken ein. Doch sein Enkel
Thomas Buddenbrook riskiert ein Spekulationsgeschäft und scheitert. Der
Niedergang der wohlhabenden Kaufmannsfamilie und des Familienunternehmens nimmt seinen Lauf.
Die Buddenbrook’sche Maxime ist
Ausdruck klassischer kaufmännischer
Ehrbarkeit. Diese gilt jedoch nicht nur
für Nachfolger, sondern auch für Nachfolgerinnen in Familienunternehmen.
Sinngemäß hat auch mein Vater mir ans
Herz gelegt: „Meine Tochter, sey mit
Lust bey den Geschäften am Tage, aber
mache nur solche, dass wir bey Nacht
ruhig schlafen können.“
Als junge Unternehmerin bin ich ständig auf der Suche nach meinem eigenen
Weg, auch wenn noch so viel Gutes vom
eigenen Vater vorgegeben ist. Ich treffe
oft auf Unternehmenslenker, deren Handeln sich vor allem danach ausrichtet,
kurzfristigen Unternehmenserfolg zu erreichen, ohne das mittel- und langfristige Wohl des Unternehmens im Blick zu
haben. Eine zu hohe Risikobereitschaft
zahlt sich jedoch häufig nicht aus.
picture alliance/dpa
Die ehrbare Kauffrau
FAMILIENUNTERNEHMERIN DES JAHRES:
NICOLA LEIBINGER-KAMMÜLLER
Mit Mut, Ausdauer und Kreativität
F
Vertrag als Vorstandschef. Seine Söhne
Alexander und Konstantin sind bereits
auf Schlüsselpositionen im Unternehmen, müssten aber auch die übrigen
Aktionäre überzeugen. Die Familie hält
61 Prozent der Anteile. Markus Fasse
Erich Sixt Expansion in Amerika, CarSharing in London, Aufbau eines
Chauffeurdienstes: Erich Sixt sprühte
auch 2014 vor Tatendrang. Für den
70-Jährigen ist die Welt nach wie vor
voller Möglichkeiten. Seit 45 Jahren
mischt Erich Sixt den Markt der Autovermieter auf und hat immer noch
neue Ideen. Der Markteintritt in den
USA, wo mehr Autos vermietet werden
als im Rest der Welt, ist für ihn ein großes Abenteuer. Sixt hat sich bereits an
den großen Flughäfen im Süden der
USA etabliert. Trotz der hohen Investitionen konnte Sixt zum Jahresende seine Prognose für den Gesamtkonzern
übertreffen. Wie lange ihm der Job
noch Spaß macht? Bis 2016 läuft sein
Dirk Roßmann Ob Kritik am untergegangenen Konkurrenten Schlecker, Verteidigung von Ex-Bundespräsident und
Freund Christian Wulff oder Klage gegen
den Rundfunkbeitrag – der 68-Jährige,
Gründer von Deutschlands zweitgrößter
Drogeriemarktkette Rossmann, mag klare Worte. Und so steht schon lange fest,
dass Roßmann seine Söhne auf die
Nachfolge vorbereitet: Daniel, Jahrgang
1976, und sein Halbbruder Raoul, Jahrgang 1985, sind Mitglieder der Geschäftsleitung. Der Ältere leitet die Expansion,
der Jüngere den Non-Food-Einkauf. Wer
von beiden eines Tages den Chefposten
übernimmt, darüber schwieg Roßmann
– bis vor wenigen Wochen. Da verkündete das Unternehmen drei neue Ge-
schäftsführer, darunter Raoul Roßmann. Der 29-Jährige, der Betriebswirtschaft studierte, verantwortet ab Januar
Einkauf und Marketing. Er und seine
Mitstreiter werden das Unternehmen gemeinsam mit Roßmann und dessen
Frau Alice leiten. „Es ist der erste große
Führungswechsel seit 20 Jahren“, hieß
es in einer Mitteilung. Damit steht der
Kronprinz fest. Nicht aber, wann der Vater abtritt. Kirsten Ludowig
Lencke Steiner Hauptberuflich führt
Lencke Steiner, besser bekannt unter ihrem Geburtsnamen Wischhusen, seit
fünf Jahren das väterliche Verpackungsunternehmen W-Pack in Bremen. Der
Vater mischt zwar bei den Knubbel-,
Stretch- und sonstigen Folien noch mit,
hauptsächlich teilt die 29-Jährige die Arbeit aber mit ihrem Bruder. Bekannt ist
Steiner aber vor allem durch ihr nebenberufliches Engagement. Seit gut zwei
Jahren leitet sie lautstark den Verband
„Die Jungen Unternehmer“, im Novem-
ber wurde sie im Amt bestätigt, ein Gegner war gar nicht erst angetreten.
Und damit nicht genug. 2014 trat sie
als Investorin in der Fernsehsendung
„Die Höhle der Löwen“ auf. Unternehmensgründer präsentieren hier ihre Geschäftsidee und hoffen, dass sich einer
der „Löwen“ beteiligt. Steiner fiel vor allem durch ihre nordisch-kühle Art und
Zurückhaltung auf. Sie investierte selten
in die Ideen der Gründer. Im November
wählte die Bremer FDP die parteilose
Familienunternehmerin zudem zur
Spitzenkandidatin für die Bürgschaftswahl im Mai 2015. Dass Bahn-Chef Rüdiger Grube sie auch noch in den BahnBeirat holte, kann man da schon fast vernachlässigen. Kirsten Krumrey
Friedhelm Loh Bescheidenheit ist eine
christliche Tugend. Und deshalb spricht
Friedhelm Loh nicht so oft über sich.
Da hat er sich lieber acht Jahre lang als
ZVEI-Präsident für die ElektrotechnikBranche eingesetzt, seit diesem Som-
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Friedhelm Loh
Dirk Roßmann
Lencke Steiner
Erich Sixt
dpa (3), Friedhelm Loh Group
amilienunternehmer führen ihr
Unternehmen nicht einfach nur,
sie tun es mit Verstand und Herz,
und es gehört ihnen meist auch.
Eine Konstellation, die Mut, Ausdauer,
Kreativität und Charisma erfordert.
mer ist er Ehrenvorsitzender auf Lebenszeit. Dabei hat der 68-Jährige genug zu tun mit seiner eigentlichen
Aufgabe: der Friedhelm-Loh-Group im
hessischen Haigar. Dazu gehören Stahlund Kunststofffirmen sowie der weltweit führende Schaltschrankhersteller
Rittal. Insgesamt beschäftigt die Gruppe
11 500 Mitarbeiter an 15 Produktionsstätten und setzte 2013 rund 2,2 Milliarden Euro um. 2014 rückte Loh mit einem Mal ins Rampenlicht, als er über
seine Beteiligungsgesellschaft Swoctem
rund zehn Prozent am Roboterhersteller Kuka kaufte. Die Medien rätselten –
er selbst sieht die Beteiligung als naturgemäß an, weil ihn moderne Technologien interessieren. Die Vernetzung von
Industrie und Software treibt ihn an.
Der gelernte Starkstromelektriker beendete sein BWL-Studium nicht und gründete die Friedhelm-Loh-Group. Das Engagement bei Kuka ist vor allem für die
Gruppen-Tochter Rittal Software Systems interessant. Anja Müller