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Jahrbuch 2005/2006 | Fucini, Paola; Nierhaus, Knud H. | Ribosomen, die Eiw eißfabriken der Zelle, lüften ihre
Geheimnisse
Ribosomen, die Eiweißfabriken der Zelle, lüften ihre Geheimnisse
Ribosomes, the cellular production plants of proteins, loose their
secrets
Fucini, Paola; Nierhaus, Knud H.
Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Berlin
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Ribosomen übersetzen die genetische Information der DNA in die Aminosäuresequenz der Proteine; sie
gehören zu den kompliziertesten Zellstrukturen. Hochauflösende Methoden w ie Röntgenstrukturanalysen und
Kryo-Elektronenmikroskopie sow ie verfeinerte Funktionsmethoden haben in den letzten Jahren zu einer
Umw älzung unseres W issens geführt, sodass w ir beginnen, die Funktionen der Translationsmaschine
„Ribosom“ von der Struktur her abzuleiten.
Summary
Ribosomes translate the genetic DNA information into the amino-acid sequence of proteins and are one of the
most complicated structures of the cell. High resolution methods such as X-ray analysis and cryo-electron
microscopy as w ell as improved functional methods have led to a quantum leap in our understanding of the
mechanisms of the ribosome by deducing functionality from structure.
Einleitung
Entw icklung und Unterhalt der Zellprozesse sind im Zellkern in einem umfassenden genetischen Programm,
der DNA, festgelegt. Die genetische Information besteht vor allem in der Strukturinformation der Proteine,
w elche die zellulären Prozesse kontrollieren und ermöglichen. Um das Programm in Zellgeschehen und
Entw icklung umzusetzen, w erden nach einem festgelegten Regelw erk die genetischen Informationen
abgerufen.
Schauen w ir uns zunächst die Synthese eines Proteins an: Hierzu w ird eine Kopie oder Arbeitspause (mRNA)
von der Information des betreffenden Gens hergestellt und zu den Ribosomen, dem Ort der Proteinsynthese,
gebracht. Die Ribosomen gliedern sich in eine große und eine kleine Untereinheit, die gemeinsam aus über 50
verschiedenen Komponenten bestehen. Zur Proteinsynthese w erden die Bausteine der Proteine, die
Aminosäuren, mittels aminoacylierter transfer-RNAs (tRNAs) zu den Ribosomen gebracht.
DNA und RNA bestehen aus langen Ketten mit vier verschiedenen Bausteinen, den Nukleotiden, die sich
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paarw eise nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip aneinanderlagern und eine Doppelhelix bilden. Dabei paaren
sich jew eils die Nukleotide A und T sow ie G und C, man sagt auch, A und T sow ie G und C sind zueinander
komplementär. RNA enthält statt T (Thymidin) das Nukleotid U (Uridin). Den vier RNA-Nukleotiden stehen 20
Aminosäuren gegenüber. Ein „RNA-Wort“ aus jew eils drei Nukleotiden (= Codon) legt eindeutig eine
bestimmte Aminosäure in der Polypeptid-Kette fest, z.B. AUG die Aminosäure „Met“ (Methionin) oder „fMet“
(Formyl-Methionin) in der Startphase. Dieses System kennt 64 Codons, drei davon sind Stopp-Signale für die
Proteinsynthese, die übrigen 61 kodieren Aminosäuren, w obei einer bestimmten Aminosäure von einem bis zu
sechs Codons zugew iesen sein können. Der Übersetzungsschritt eines AUG-Codons einer mRNA am Ribosom
bedient sich der L-förmigen tRNA, w elche die Aminosäure trägt und die komplementäre Sequenz UAC
exponiert: Durch die Ausbildung der kurzen, zueinander passenden Tripletts AUG/UAC w ird die Met-tRNA
erkannt und am Ribosom gebunden.
Drei tRNA Bindestellen am Ribosom: die A-, P- und E-Stelle
Abbildung 1 stellt die w ohl einfachste Darstellung der Proteinsynthese dar: Die kleine ribosomale Untereinheit
„30S“ erkennt das Startsignal auf einer mRNA mitmilfe einer spezifischen fMet-tRNA, die in die mittlere P-Stelle
gebunden w ird. Danach w ird die große Untereinheit „50S“ aufgenommen und der „70S“ Initiationskomplex
fertig gestellt (oben in Abb. 1). In der benachbarten A-Stelle befindet sich dann beispielsw eise das mRNACodon UUC für die Aminosäure „Phe“. W ie beim Start in der P-Stelle w ird jetzt in die A-Stelle die Phe-tRNA
ausgew ählt und gebunden, w eil sie das zum Codon komplementäre AAG-Anticodon trägt.
Sche m a de r P rote insynthe se . W ä hre nd de r Initia tionspha se
binde t die fMe t-tR NA, e ine spe zie lle Sta rte r-tR NA (Dre izink e nGa be l), in die P -Ste lle . Mit de r De codie rung (Übe rse tzung) de s
A-Ste lle n C odons in de r A-Ste lle be tritt da s R ibosom die
Elonga tionspha se , in de r im m e r zum inde st zwe i tR NAs
vorlie ge n, die übe r C odon-Anticodon W e chse lwirk ung die
m R NA fix ie re n. P R E, Zusta nd vor de r Tra nslok a tion de r tR NAs;
P O ST, Zusta nd na ch de r Tra nslok a tion (vgl. [1]).
© MP I m ol. Ge ne tik
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Damit tritt das Ribosom in die w esentliche Phase der Proteinsynthese ein, nämlich die Elongationphase, in der
die w achsende Aminosäurekette, das Polypeptid, schrittw eise um jew eils eine Aminosäure nach Maßgabe der
Codonsequenz auf der mRNA verlängert w ird. Dabei ist nicht direkt eine aminoacylierte tRNA (aa-tRNA) das
Substrat für die Decodierung in der A-Stelle, vielmehr liegt jede aa-tRNA als Komplex mit dem Elongationsfaktor
EF-Tu und GTP vor und w ird als aa-tRNA•EF-Tu•GTP-Komplex selektioniert. Nehmen w ir w ieder an, dem AUG
Codon w ürde ein UUC Codon folgen, w elches spezifisch für die Phe-tRNA ist (Phe = Phenylalanin): Nach
erfolgreicher Bindung verlässt (EF-Tu•GDP +Pi) das Ribosom und die Phe-tRNA bindet an die A-Stelle. Unser
Modell-Ribosom trägt jetzt eine fMet-tRNA in der P- und eine Phe-tRNA in der A-Stelle. Im nächsten Schritt w ird
der fMet-Rest von der P-Stelle auf die Phe-tRNA in der A-Stelle über eine Peptidbindung übertragen, sodass
nun eine tRNA in der P-Stelle und eine fMet-Phe-tRNA in der A-Stelle vorliegt.
Der Elongationszyklus für die Phe-tRNA w ird beendet, indem mRNA und beide tRNAs um eine Codon-Länge auf
dem Ribosom verschoben w erden - eine Aufgabe des zw eiten Elongationsfaktors EF-G•GTP. In konzertierter
Aktion w andern die tRNAs von der P- in die E-Stelle, die fMet-Phe-tRNA von der A- in die P-Stelle und ein neues
Codon in die A-Stelle. Mit der Bindung des dem neuen Codon entsprechenden Komplexes aa-tRNA•EF-Tu•GTP
beginnt der nächste Elongationszyklus.
Die Rolle der E-Stelle
Seit Mitte der 60er-Jahre w ar die Notw endigkeit der A- und P-Stellen klar: Die P-Stelle trägt die Peptidyl-tRNA
vor der Bildung der Peptidbindung, die A-Stelle bindet die Aminoacyl-tRNA entsprechend des vorliegenden
Codons. Aber w as ist die Aufgabe der E-Stelle ? Die E-Stelle w urde erst 1981 gefunden [2], inzw ischen ist sie
in Ribosomen der Zellen aller Lebensdomänen (Bakterien, Archaea und Eukarya) nachgew iesen w orden
(Übersicht in [3]). Mindestens zw ei w ichtige Rollen der E-Stelle können für die präzise Übersetzung der
genetischen Information ausgemacht w erden:
1) Wenn eine tRNA die E-Stelle besetzt, w ird die A-Stelle derart verändert, dass sie im Wesentlichen nur noch
die Dekodierung über Codon-Anticodon-Wechselw irkung zulässt, w ährend andere Interaktionen w ie EF-Tu mit
dem Ribosom vorerst unterdrückt w erden. Die Folge ist, dass nur entw eder die aa-tRNA mit dem richtigen
Anticodon oder, in seltenen Fällen, eine mit ähnlichem Anticodon gew ählt w erden kann, w ährend aa-tRNAs mit
unähnlichen Anticodonen (die überw iegende Mehrzahl) nicht gebunden w erden kann. Das Codon-Lexikon ist
so organisiert, dass ähnliche Codone auch chemisch ähnliche Aminosäuren kodieren, sodass bei einem
Dekodierungsfehler (einer in 3.000 Dekodierungen) statt der richtigen zumindest eine ähnliche Aminosäure
eingebaut w ird. Der Fehleinbau einer chemisch ähnlichen Aminosäure hat für Faltung, Struktur und Funktion
eines Proteins in der Regel keine nachteiligen Folgen. Tatsächlich zerstört nur einer von 400 Fehleinbauten
Struktur und/oder Funktion eines Proteins. Falls die E-Stelle aber unbesetzt bliebe, könnten auch unähnliche
Aminosäuren eingebaut w erden - mit häufig schw erw iegenden Konsequenzen. Somit sorgt eine besetzte EStelle dafür, dass ein Fehl-Decodierung normalerw iese kein Problem für das betroffene Protein darstellt [4].
Nach erfolgter Dekodierung verändert sich w ieder die A-Stelle derart, dass die aa-tRNA in die A-Stelle klappt
und eine Peptidbindung stattfinden kann.
2) W ie in Abbildung 1 zu sehen ist, sind w ährend der Elongationsphase immer zw ei tRNAs im Ribosom,
entw eder in den A- und P-Stellen oder, nach der Verschiebung (Translokation), in P- und E-Stellen. Beide
tRNAs sind mit der mRNA mittels Codon-Anticodon-Wechselw irkung verbunden. Diese sechs Basenpaare (drei
pro tRNA) verhindern sehr effektiv ein Verrutschen der mRNA, den eine Verschiebung aus dem richtigen
Leseraster von 123-123-123 in ein falsches 12-312-312-3 w ürde zum Verlust der genetischen Information
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führen [5]. Tatsächlich kann eine vorzeitige Entlassung der tRNA aus der E-Stelle zu einem frühen
Abhandenkommen des Leserasters führen und damit Polypeptide mit einer Länge von über 50 Aminosäuren
kaum zulassen. In der Regel ist aber ein Protein durchschnittlich 300 bis 500 Aminosäuren lang, w as die
Bedeutung der E-Stelle für die Lebensvorgänge unterstreicht.
Struktur funktioneller Ribosomenkomplexe
Ein zw eiter Schw erpunkt unserer Arbeiten ist die Röntgenstrukturanalyse von Ribosomen zusammen mit
verschiedenen Komponenten, die im Laufe der Proteinsynthese an das Ribosom binden. Darüber hinaus
w idmen sich einige Projekte den Wechselw irkungen des Translationsapparates mit seinem primären Produkt,
der w achsenden Polypeptidkette, mit dem Ziel, direkt die de novo-Faltung des translatierten Proteins zu
verfolgen und aufzuklären. Von den drei sich ergänzenden Strukturmethoden, die für die Untersuchung des
Ribosoms
angew endet
w erden,
Kernspinresonanz
(NMR),
Kryo-Elektronenmikroskopie
(Kryo-EM)
und
Röntgenstrukturanalyse, ist letztere die geeignetste, da sie atomare Details der Wechselw irkungen zw ischen
Ribosomen und ihren Liganden offenbaren kann (Abb. 2).
tR NA-La ge n inne rha lb e ine s R ibosom s in de n be ide n
wichtigste n Kom ple x e n wä hre nd e ine r Elonga tionspha se : Kryoe le k trone nm ik rosk opische R e k onstruk tion von tR NAs im P R Eund P O ST-Sta dium , die a n e in 70S-R ibosom ge bunde n sind
(m R NA nicht da rge ste llt). P R E: tR NAs sind a n die A- (rosa viole tt) und P -Ste lle n (grün) de s R ibosom s ge bunde n. Be i de r
Tra nslok a tion wa nde rn sie von de r A- in die P - und von de r P in die E-Ste lle (P O ST) (m odifizie rt na ch [6]).
© W a dsworth C e nte r, Alba ny, Ne w York
Folgende Ribosomenkristalle w erden routinemäßig untersucht: 70S-Ribosomen und ihre 30S- und 50SUntereinheiten des Bakteriums Thermus thermophilus sow ie 50S-Untereinheiten der Bakterien Deinococcus
radiodurans, Bacillus stearothermophilus und des Archaebakteriums Haloarcula marismortui. W egen der enormen
Größe der Ribosomen (um 3 Mda [Megadalton]) und der w enigen Ribosomen-Kontakte im Kristallgitter
existieren große Zw ischenräume, in die kleinere Liganden eindringen und ihre Bindestelle am Ribosom finden
können. Auf diese Weise w urden in den letzten Jahren Ort und Art w ichtiger Antibiotika aufgeklärt. Aber nicht
nur Antibiotika (im Bereich von 1 kDa), sondern auch größere Liganden im Bereich von 10 kDa konnten in
Ribosomenkristallen untersucht w erden. Dabei konnte eine Auflösung von 2,8 Å für die 50S-Untereinheiten von
Deinococcus radiodurans-Ribosomen erreicht w erden - ein Rekord für bakterielle Ribosomen, der eine
detailliertere Untersuchung als bislang möglich erlaubt und zu zahlreichen Berichtigungen der bisherigen
Ergebnisse über Antibiotika-Bindestellen führte [7].
Weiterhin
w urden
Ribosomenkristalle
untersucht,
um
Bindungsort
und
Mechanismus
verschiedener
Proteinfaktoren aufzuklären. Beispiele sind der Triggerfaktor (TF), der an das Ribosom bindet und die kotranslationale Faltung der w achsenden Polypeptidkette unterstützt [8], sow ie der „Ribosomen Recycling
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Factor“ (RRF), der nach der Proteinsynthese in Bakterien die Dissoziation des 70S-Ribosoms in seine
Untereinheiten betreibt und die kleine 30S-Untereinheit w ieder für eine neue Runde der Proteinsynthese
bereitstellt [9]. Die letzte Untersuchung hat zu einem Patentantrag geführt, da dieser Faktor nur in Bakterien
vorkommt und deshalb Ziel einer neuen Gruppe von Antibiotika sein kann.
Die Röntgenstrukturanalysen w erden mit Kryo-EM und Massenspektroskopie-Studien ergänzt. Kryo-EMStudien w erden zusammen mit den Gruppen von R. Agraw al (Albany, USA) und C. M. T. Spahn (Berlin)
durchgeführt. Beispiele sind der Faktor ERA, eine GTPase, die am Aufbau der kleinen Untereinheit mitw irkt [10],
und
ein
70S-Komplex
mit
dem Elongationsfaktor
EF-G,
der
mit
einer
für
Kryo-EM-Untersuchungen
bemerkensw erten Auflösung von 7-8 Å untersucht w urde. Ferner w urden Dynamik und Komposition des
universellen L7/L12 Arms der großen Untereinheit untersucht, w elcher eine zentrale Rolle bei der Bindung der
Elongationsfaktoren spielt. Der überraschendste Befund w ar, dass statt der üblichen vier Kopien des L7/L12Proteins in einigen thermophilen Organismen sechs Kopien gefunden w urden, w as die Rätsel um Bedeutung
und Rolle dieses universellen Strukturmerkmals erheblich vergrößert (zusammen mit C. Robinson, Cambridge
[11]). Schließlich w urden mittels NMR und Kryo-EM-Techniken erste Hinw eise auf die Beteiligung des Ribosoms
bei der unmittelbaren Proteinfaltung gefunden (zusammen mit C. Dobson, Cambridge [12]).
Die großen Fortschritte, die in den letzten Jahren unsere Kenntnisse über Struktur und Funktion der
Ribosomen vermehrt haben, lassen hoffen, dass w ir in der nächsten Dekade w esentliche molekulare
Mechanismen der Proteinsynthese aus der ribosomalen Struktur ableiten können.
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The allosteric three site model for the ribosomal elongation cycle. New insights into the inhibition
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