KarrierenStandard
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1./2. März 2014 KarrierenStandard Top-Manager setzen auf ihre Headhunter Seite K 2 K1 Serie: New World of Work Seite K 15 derStandard.at/Karriere „Die Wall Street ist wie Alkohol in einer Bar“ Sam Polk wollte es an der Wall Street schaffen. Als sein Bonus drei Millionen Dollar hoch war, schmiss er hin. Warum er jetzt Ernährungstipps gibt und Geld nicht glücklich macht? Bettina Pfluger hat mit Polk telefoniert. Standard: Ihr letzter Bonus betrug rund 3,75 Millionen Dollar. Was verdienen Sie heute? Polk: Null. Ich lebe von dem, was ich an der Wall Street verdient habe. Standard: Glauben Sie, dass die Banker durch die Finanzkrise etwas gelernt haben? Polk: Nein. Es ist genauso wie vorher. Ich glaube, die Wall Street ist wie Alkohol in einer Bar. Wenn drinnen eine Gruppe steht und trinkt und einer kommt rein und sagt: „Hey Leute, draußen gibt es ein besseres Leben“, dann sagen die: „Lass uns alleine.“ So wurde auch auf Occupy Wall Street und andere Kritik reagiert. Standard: In welchem Moment haben Sie er- kannt, dass Sie an der Wall Street doch nicht am richtigen Ort sind? Polk: Als ich 28 Jahre als war, machte ich einen Trip nach Las Vegas. Wir hatten 5000-Dollar-Tickets für einen Boxkampf, wohnten in einem Luxushotel, hatten noble Dinner. In dieser Nacht gingen wir in einen exklusiven Club. Weil wir genug Geld hatten, bekamen wir dort einen tollen Tisch. Gegen Mitternacht gab es diesen einen Moment – in dem Club mit Freunden und schönen Frauen –, an dem ich merkte, dass ich mich trotz des Prunks und des Geldes so fühlte wie immer: leer und traurig. Standard: Waren Sie vor der Wall-Street- Karriere auch schon leer und traurig? Polk: Ja. Ich bin aufgewachsen in einer Familie, in der es nicht viel Geld gab. Mein Vater sagte immer: Eines Tages, wenn er genug Geld hat, wird alles gut werden. Das hat bei mir das Bild erzeugt, dass Geld alles richten kann. Als ich an die Wall Street kam, wollte ich nur viel Geld verdienen. Standard: Wie lange hat es gedauert seit dem Moment in Las Vegas, bis Sie die Wall Street wirklich verlassen haben? Polk: Fast drei Jahre. Die Leute haben darüber gelacht, dass ein Millionär Angst hat und den Job aufgibt. Aber egal, wie viel Geld ich verdiente oder welche Wohnung ich mir leisten konnte – ich hatte immer das Gefühl, es sei nicht genug. Obwohl ich wusste, dass ich genug Ersparnisse habe, hatte ich Angst, diesen Pfad zu verlassen. Ausscheiden bekam ich ein Angebot für einen Top-Job. Ich ging zu einigen Gesprächen und sagte: Wenn ich zurückkomme, will ich die Zustimmung, dass 50 Prozent des Geldes, das ich erwirtschafte, in einen Charity-Fonds gehen, den ich betreibe. Ich glaube, die Leute dachten, ich sei übergeschnappt. Ich habe den Job nicht bekommen. Heute bin ich dafür dankbar. Das Jobangebot war, als würde man einem Drogensüchtigen Heroin anbieten. Standard: Jetzt helfen Sie Familien und Kin- dern, sich gesund zu ernähren. Wie kam die Idee zum Projekt Groceryships? Polk: Ich habe mein ganzes Leben mit meinem Gewicht gekämpft. Meine Eltern waren beide adipös, ich habe einen Bruder, der wiegt rund 200 Kilo. Als ich einen Film sah über übergewichtige Kinder aus armen Familien und die emotionalen Folgen, startete ich das Programm. Ich hatte eine harte Zeit als pummeliges Kind. Daher wollte ich etwas tun, um diesen Kinder dern und Eltern zu helfen. gegeben, es durchzuziehen? Polk: Ich hatte damals bereits An seit mehreren Jahren mit einer Beraterin gearbeitet. Jede WoWall Street Standard: Wie helfen Sie jetzt? che hatte ich ein Gespräch mit ging es für Polk: Wir vergeben Stipendien ihr über die Ängste aus meiner für Lebensmittel. Familien könKindheit. Mit der Zeit hat sie mir mich immer geholfen, einen Charakter zu sich für ein Sechs-Monatsnur um Angst nen Programm bewerben. Jede Woentwickeln. Ich übernahm Verund Gier. che bekommen sie 100 Dollar, antwortung, habe die Menschen in meiner Umgebung besser beum gesundes Essen wie Obst und Gemüse zu kaufen. Wir zeigen handelt. All das brachte mir die ihnen, wie sie diese LebensmitKraft, mich zu entwickeln und von dem Leben abzuwenden, wo man in tel in ihre Ernährung integrieren können. Es Geld gemessen wird. gibt Kochkurse, Unterstützung beim Einkaufen und Ernährungsberatung. Ich glaube, Standard: Was haben Sie an Ihrem ersten dass es emotionale Gründe hat, wenn jemand stark übergewichtig ist. Bei mir war es Tag nach der Wall Street gemacht? Polk: Der erste Tag war okay. Da hat das so. Daher ist die emotionale Unterstützung Telefon dauernd geläutet, viele Kollegen Teil des Programms. Es gibt Gruppen, in haben sich nach mir erkundigt. Schreck- denen Familien über ihre Fettleibigkeit sprelich war der zweite Tag. Da hat niemand chen können und darüber, warum sie über mehr angerufen. Ich war alleine in meiner das Essen Kompensation suchen. Die Idee Wohnung und realisierte, dass ich nur ein ist, Familien gesünder zu machen und ihnen Typ bin, der einen Job hatte. Ich war be- eine Transformation zu ermöglichen. kannt an der Wall Street, aber das wird vergessen. Das Leben dort geht weiter. Ich hat- Standard: Wie finanzieren Sie das Projekt? te das Gefühl, wenn ich heute sterbe, wür- Polk: Wir haben im April 2013 losgelegt. Ein de es niemand mitbekommen. Teil des Geldes kommt von mir, ein Teil von alten Wall-Street-Kollegen. Wir starten Standard: Wollten Sie nie zurück? auch gerade ein Kooperationsprogramm. Polk: Doch. Sechs Monate nach meinem Standard: Sie haben in der „New York Times“ einen Artikel geschrieben und erzählen darin, wie leicht es als Banker war, Tickets für Spiele zu bekommen, Zugang zu ausgebuchten Rethink Career: Karrierenforschung – Restaurants etc. Vermissen Sie all das? Warum Mentoring so stark wirkt Seite K 2 Polk: Ja. Ich gehe jetzt nicht mehr in solche Restaurants, wohne im Urlaub nicht mehr Kahlenberger Gespräche über klassische und in den teuersten Hotels. Ich habe zwar geneue Hierarchien in Unternehmen Seite K 10 nug Geld, lebe aber moderater. Ich vermisse es, aber jetzt habe ich zum ersten Mal das Gefühl, die Potenziale meines Lebens ausSerie „Menschen von überall“, Cortis Nährwert, Sudoku Seite K 12 zuschöpfen. An der Wall Street habe ich meinen Intellekt nur dazu genützt, mehr Seite K 8 Geld zu machen. Ich habe mich immer auf Jobsplitter finden Sie auf “ INHALT Standard: Können Sie heute Geld ausgeben, SAM POLK (34) lebt in Los Angeles, ist seit einein- Geht es rauf oder runter? Blinkende Kurstafeln gehören für Händler dazu. Das Geldscheffeln macht aber nicht glücklich, sagt ein Wall-Street-Aussteiger. Foto: AP / Richard Drew „ Standard: Was hat Ihnen Kraft ein Leben in der Zukunft vorbereitet. Auf eine Zeit, wenn ich einmal genug Geld habe. Jetzt fühlt sich mein Leben voller an. Jetzt lebe ich ein Leben. An der Wall Street ging es für mich nur um Angst und Gier. Standard: Haben Sie schon den Film „Wolf of Wall Street“ gesehen? Polk: Ja, ich finde ihn aber nicht gut. Der Film zeigt einen Kriminellen, der Frauen schrecklich behandelt. Die Figur hat nichts Ausgleichendes. Als ob ein Monster kreiert wurde. Meine Geschichte zeigt, dass die Leute an der Wall Street auch nur Menschen sind. Wir verbringen viel Zeit damit, diese Leute zu dämonisieren. Aber wer sagt, dass Sie nicht auch so geworden wären, unter diesen Umständen? Das heißt nicht, dass das Verhalten der Banker nicht anzuprangern und zu ändern ist. Aber der Film bietet nur eine Fläche, um die Leute dort zu verurteilen. einfach mal shoppen gehen, ohne Angst zu haben, dieses dadurch zu verlieren? Polk: Ja. Heute habe ich einen großzügigeren und freigiebigeren Umgang mit Geld. halb Jahren verheiratet und wird im April Vater. Neben seinem Engagement bei Groceryships schrieb er das Buch „Gatsby, Interrupted“ und hält Vorträge. Hobbys: Surfen, Basketball und Lesen. Foto: Polk