Der Pioniergeist eines grenzenlosen Zeitalters
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Der Pioniergeist eines grenzenlosen Zeitalters
Der Pioniergeist eines grenzenlosen Zeitalters II - Beispiele wirtschaftlicher Beziehungen zwischen Hokkaidô und Deutschland - WATANABE Masato Umschlagabbildung: Hokkaidô-Kürbisse auf dem Marktstand eines Gemüsehändlers. (Aufnahme: Beamter der Stadt Sapporo, Hokkaidô, Japan) Autor und Herausgeber der deutschen Ausgabe: WATANABE Masato, Dezember 2010 Übersetzung aus dem Japanischen: Daniel Döbbeler Titel der japanische Originalausgabe (April 2010): Bôdaresu Jidai no Furontia Seishin II. 1 Vorwort Das Umschlagfoto zeigt den auffälligen Stand eines Gemüsehändlers auf einem Markt in Deutschland. Warum wurde ausgerechnet dieses Bild für die Titelseite gewählt? In Japan ist er kaum bekannt, aber Deutsche erkennen ihn sofort: Die Rede ist von dem in der Mitte des Fotos gut zu erkennenden, mit Hokaido ausgeschilderten und in Deutschland äußert beliebten Kürbis der Handelssorte Hokkaido. Das Wort Hokkaido verbinden Deutsche meist zunächst mit dieser Kürbissorte. Ein in einem Vorort von München lebender Japaner, der seine Kindheit in Sapporo verbracht hatte, führte diese Sorte 1993 als Hokkaido Kürbis erstmals ein. Seitdem ist er schon über 10 Jahre lang eine in ganz Deutschland so beliebte Sorte, dass sogar, wenn von Kürbis gesprochen wird, oft der Hokkaido gemeint ist. Ich hatte seit März 2006 in Deutschland eine neue Stelle angetreten und nahm Ende April 2009 diese schon über 3 jährige Arbeit in Deutschland zum Anlass, die Handelsbeziehungen zwischen Hokkaidô und Deutschland zu untersuchen und in einem ersten Buch 1 zu veröffentlichen. Auch nach meiner Rückkehr nach Japan setze ich meine Forschungen fort und aufgrund der zahlreichen, hervorragenden Fallbeispiele, die ich gewinnen konnte, entschied ich mich, eine Fortsetzung dazu zu verfassen. Nachdem ich das erste Buch an Freunde und Bekannte verteilt hatte, und diese es weiteren Personen vorstellten, erhielt ich rege Rückmeldungen. Von deutschen Lesern kam die Bitte auf, einige grundlegende Informationen über Hokkaidô zu erhalten, und so entschied ich mich, die vorliegende Fortsetzung des Buches um einige grundlegende Informationen zu Deutschland und Hokkaidô zu ergänzen. Weiterhin habe ich nun aufgrund des Interesses an Informationen zu meiner Person am Ende des Buches eine kurze Autobiographie hinzugefügt. Je mehr ich forschte, umso mehr wurde mir aufs Neue bewusst, dass gewisse Lücken bestanden. Das mag nur natürlich sein, aber es dürften noch unzählige weitere Fallbeispiele existieren, deren Auffindung mir noch nicht möglich war. Ferner denke ich, dass, bezöge man die Beziehungen aus den Bereichen der Kultur,Kunst und Bildung mit ein, noch viele weitere Beziehungen bestehen, sowie Fälle, in denen diese Beziehungen auch mit der Wirtschaft verknüpft sind. 1 WATANABE Masato: Der Pioniergeist eines grenzenlosen Zeitalters - Von Pionieren, die sich den Herausforderungen einer grenzenlosen Zeit stellen (Konkrete Beispiele für Aktivitäten von Unternehmen mit Bezug zu Hokkaidô und Deutschland). 2009. 2 Wie wichtig die wirtschaftlichen Beziehungen für die Fortsetzung internationaler Beziehungen sind, wie wichtig die direkten Verbindungen mit dem Ausland für die Planungen der künftigen Wirtschaft Hokkaidôs sind - diese und weitere Punkte werden durch die in diesem Manuskript geschilderten Fallbeispiele von Beziehungen mit Deutschland anschaulich verdeutlicht. Passend zum 150. Jubiläum der Deutsch-Japanischen Freundschaft im Jahre 2011 wünsche ich mir aufrichtig, dass die aus diesem Anlass in nächster Zukunft durchgeführten Veranstaltungen auch in Hokkaidô stattfinden. Allen, mich beim Verfassen dieses Manuskripts unterstützt haben, möchte ich meinen aufrichtigen Dank zum Ausdruck bringen. WATANABE Masato, Dezember 2010 Vorbemerkungen des Übersetzers Zunächst meinen herzlichsten Dank an den Autor und auch Herausgeber der deutschen Ausgabe, WATANABE Masato, der mir nicht nur die Übersetzung seines Buches anvertraut hat, sondern mir dabei auch als Editor mit Anregungen, Rat, Erläuterungen und Vorschlägen zur Seite gestanden hat. Sämtliche japanische Personennamen habe ich in ihrer ursprünglichen, japanischen Stellung belassen, der Zuname steht also vor dem Vornamen. Der Deutlichkeit halber wurde dabei der Nachname, wie in den Ostasienwissenschaften üblich, in Majuskeln gesetzt.(Die vielfach anzutreffende Umstellung der Namensteile scheint mir nicht nur unnatürlich,sondern durch ihre zudem oft inkonsequente Anwendung, insbesondere bei historischen Persönlichkeiten, verwirrend.) Die Transkription japanischer Begriffe folgt, mit Ausnahme anders etablierter Bezeichnungen, allgemein dem Hepburn-System. Wo es mir notwendig erschien, habe ich kurze Erläuterungen zu Fachtermini und japanischen Begriffen als Fußnoten eingefügt. Die Abbildungen stammen alle, soweit nicht anders angegeben, vom Autor, WATANABE Masato. 3 Der Pioniergeist eines grenzenlosen Zeitalters II - Beispiele wirtschaftlicher Beziehungen zwischen Hokkaidô und Deutschland - Inhaltsverzeichnis Vor wort ................................................................................................................................................. 2 Vorbemerkungen des Übersetzers ........................................................................................................ 3 Inhaltsverzeichnis................................................................................................................................. 4 1. Hokkaido und das Bundesland Nordrhein-Westfalen, Deutschland: Geographien ......................... 6 2. EVEC - Japans erstes Bio-Venture mit Großauftrag eines deutschen Pharmakonzerns ................ 11 3. Kinosen'i – der erste deutsche Anlagenexport ............................................................................. 15 4. Biei: Die deutschen Wurzeln japanische Agrikultur .................................................................... 17 5. Moderne Landwirtschaft und Obstanbau in Japan: Die Geschichte der Bakumatsu-Stadt Nanae 20 6. Deutsche Technik für Obst und Bier .............................................................................................. 23 7. Hokkaidô: Eine deutsche Modellfarm im Reich der Zuckerfee .................................................... 25 8. Echter Schinken und Wurst aus Hakodate ..................................................................................... 28 9. Schinken und Wurst: Optimale Nutzung der Umweltbedingungen Hokkaidôs ............................ 32 Barnabas-Foods, Sapporo Co., Ltd. ....................................................................................... 32 Eff-Eff..................................................................................................................................... 32 Bräunlingen ............................................................................................................................ 33 Wurst Yoshida, Tonden-Farm ................................................................................................. 33 10. Otaru-Bier: Unverfälschter Geschmack aus Leidenschaft ........................................................... 34 11. Eine Goldader in stillgelegter Zeche: Feinmechanik Kitanihon .................................................. 37 12. Dynax: Qualität und Menschlichkeit in der Automobilindustrie ................................................. 39 13. Boschs eiskalte Teststrecke .......................................................................................................... 41 14. Von Akabira um die Welt: Itagaki Taschen .................................................................................. 43 15. Moor-Quellen in Baden-Baden und dem Tokachigawa-Onsen ................................................... 45 16. Ein deutsches Schloss auf der Ebene von Tokachi?! - Feriendorf und Schloss Bückeburg ..... 46 17. Deutsche Gesundheitsschuhe: Ritz, Alpha-Miki und Benher ...................................................... 50 Deutsche Gesundheitsschuhe Ritz.......................................................................................... 50 Alpha-Miki ............................................................................................................................. 50 Schuhgeschäft Benher-Gesundheitsschuhe ............................................................................ 51 18. Deutsches Restaurant, deutsche Konditorei und deutsche Bäckerei............................................ 52 19. 150 Jahre deutsch-japanische Freundschaft ................................................................................. 56 Literaturverzeichnis............................................................................................................................58 Lebenslauf des Autors ........................................................................................................................ 61 4 5 1. Hokkaido und das Bundesland Nordrhein-Westfalen, Deutschland: Geographien Japan liegt geographisch zwischen Kap Kamoiwakka bzw. Kamuiwakka 2 (Kap Koritsky) auf der zur Präfektur Hokkaidô zählenden Insel Etorofu (Iturup) im Norden (45°33′19″N), der Insel Okinotorishima (Präfektur Tôkyô) im Süden (20°25′31″N), der Insel Minamitorishima (Präfektur Tôkyô) im Osten (153°59′11″E) und Kap Irizaki auf der Insel Yonagunijima (Präfektur Okinawa) im Karte von Japan und Umgebung (DEMNIS World Map) Westen (122°56′01″E). Das Land erstreckt sich also sowohl in seiner Nord-Süd-, als auch der Ost-West-Ausdehnung über je 3.000 km. Japans Hoheitsgebiet umfasst neben den vier großen Hauptinseln Honshû, Hokkaidô, Kyûshû und Shikoku auch 6.852 kleine und große Inseln. Die Gesamtfläche beträgt 377.946,46 km² und gliedert sich in 47 Präfekturen unter lokaler Selbstverwaltung mit 1.798 Gemeinden, die sich wiederum aus den 23 Stadtbezirken Tôkyôs und 783 Großstädten, 801 Städten und 191 Dörfern zusammensetzen. Die Bevölkerung zählt 127.917.702 Einwohner. Hokkaidô selbst liegt geographisch zwischen Kap Kamuiwakka 3 auf der Insel Etorofu im Norden (45°33′19″N), der Insel Oshima-Kojima im Süden (41°20′58″N), der Insel Etorofu im Osten (148°53′59″E) 4, und der Insel Oshima-Ôshima im Westen (139°20 ′16″E). Die Gesamtfläche beträgt 83.456,75 km² bei einer Nord-Süd-Ausdehnung von 450 km und einer Ost-West-Ausdehnung von 600 km und nimmt damit etwa 22% des japanischen Hoheitsgebiets ein. Die 180 Gemeinden 2 Diese Angabe ist umstritten. Die Insel Etorofu gehörte nach japanisch-russischem Abkommen seit 1855 offiziell zu Japan, wird aber, wie alle Kurilen-Inseln, seit Ende des 2. Weltkriegs von Russland beansprucht und verwaltet. Dies ist einer der Hauptgründe für die politischen Spannungen zwischen den beiden ländern und führt zu den weiterhin anhaltenden Grenzproblemen. Lässt man die russischen Ansprüche gelten, wäre aktuell der nördlichste Punkt Japans die kleine, verlassene Insel Benten (bzw. Bentenjima; 45°31′38.41″N), ca. 1 km nordwestlich von Kap Sôya. 3 s.o., Anmerkung 2. 4 s.o., Anmerkung 2. Unter diesem Aspekt wäre als der östlichste Punkt Hokkaidos Kap Nosappu auf der Halbinsel Nemuro (145°49′03″E) anzusehen. 6 Hokkaidôs gliedern sich in 35 Großstädte und die in 64 Verwaltungbezirke aufgeteilten 130 Städte und 15 Dörfer, wozu weiterhin noch 6 Dörfer (5 Verwaltungseinheiten) in den Nördlichen Gebieten gehören. Die Bevölkerung Hokkaidôs zählt 5.517.449 Einwohner, was 4,4% der gesamtjapanischen Bevölkerung entspricht. Die Frage nach den Besitzansprüchen der Nördlichen Gebiete (Süd-Kurilen Inseln), die von Russland nach dem 2. Weltkrieg annektiert wurden, ist nach wie vor ungelöst. Deutschland liegt geographisch zwischen List auf der Insel Sylt im Norden (55°03′33″N), dem bayerischen Oberstdorf im Süden (47°16′15″N), dem sächsischen Deschka im Osten (15°02′37″E) und dem nordrhein-westfälischen Selfkant im Westen (5°52′01″E). Das Land erstreckt sich in seiner Nord-Süd-Ausdehnung über 880 km, in der Ost-West-Ausdehnung über 640 km. Die Gesamtfläche 5 beträgt 357.104,07 km² und gliedert sich in 16 Bundesländer (13 Bundesländer und 3 Stadtstaaten 6) mit 111 kreisfreien Städten und 311 Landkreisen, die wiederum in 12.166 Gemeinden gegliedert sind, also insgesamt 12.277 selbstständige territoriale Einheiten. Karte von Deutschland (Generic Mapping Tools) Die Bevölkerung zählt 82.046.000 Einwohner (Stand: 30.11.2008). Nordrhein-Westfalen selbst liegt geographisch zwischen Rahden im Kreis Minden-Lübbecke im Norden (52°32′N), dem zum Gebiet der Eifel gehörenden Hellenthal im Süden (50°19′22″N), Höxter im Osten (9°26′E), und Selfkant im Westen (5°52′01″E). Die Gesamtfläche beträgt 34.088,31 km² bei einer Nord-Süd-Ausdehnung von 190 km und einer Ost-West-Ausdehnung von 235 km. Die insgesamt 396 Verwaltungseinheiten des Bundeslandes gliedern sich in 23 kreisfreie Städte und 31 Landkreise mit 373 Gemeinden. Die Bevölkerung Nordrhein-Westfalens zählt 17.933.064 Einwohner (Stand: 31.12.2008). 5 Angabe des Statistischen Bundesamtes Deutschland vom 22.10.2008. 6 Berlin, Hamburg und Bremen, wobei Berlin und Hamburg gleichzeitig den Verwaltungsstatus eines Bundeslandes besitzen. 7 So gesehen liegt Japan also weitaus südlicher als Deutschland, aber da es sich auf der Ostseite des eurasischen Kontinents befindet, hat Hokkaidô ein vergleichsweise kühleres Klima mit mehr Schneefall. Des weiteren kann Japan, bedingt durch seine je 3.000 km umfassende Ausdehnung in Nord-Süd- und West-Ost-Richtung mit vielen verschiedene Klimazonen aufwarten, die von der Subpolarzone bis zur Subtropischen Zone reichen. Obwohl Japan auf den ersten Blick flächenmäßig kleiner als Deutschland zu sein scheint, hat es, da das Hoheitsgebiet sich aus vielen Inseln zusammensetzt, inklusive der Hoheitsgewässer und der exklusiven Wirtschaftszonen Vergleich der Lage und Größe von Hokkaidô mit anderen Ländern (Hokkaidô Entwicklungsbehörde, offizielle Homepage) eine Gesamtfläche von 4.479.358 km² und steht damit international an 6. Stelle. Fasst man die Flächen der Hoheitsgebiete zusammen, kommt Japan international hinter Indien an 9. Stelle. Auch in der Bevölkerungsdichte übertrifft Japan mit 336,81 Einwohner pro km² Deutschland (229,75 Einwohner pro km²) um über 100 Einwohner pro km². Ähnlich hebt sich Hokkaidô mit seiner geringen Bevölkerungsdichte von 66,76 Einwohnern pro km² von der überfüllten Situation in Nordrhein-Westfalen mit 526,07 Einwohnern pro km² ab. Im Vergleich zu Japan mit 1.798 Gemeinden besitzt Deutschland trotz der früheren, fortschreitenden Eingemeindungen gegenwärtig immer noch mit 12.277 Gemeinden sehr viele klein-dimensionierte, selbstständige territoriale Einheiten. Auch beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf hat Deutschland mit 44.700,65 US-Dollar gegenüber Japan mit 38.681,91 US-Dollar einen Vorsprung von über 6.000 US-Dollar. Durch die zwischen Hokkaidô von Honshû bestehende Tsugaru-Meerenge verläuft auch die Blakiston-Linie, welche die Tier- und Pflanzenreiche Hoheitsgewässer und Exklusive Wirtschaftszonen Japans (Japanische Küstenwache, offizielle Homepage) der beiden Inseln von einander trennt. Durch unterschiedliche Klimata und die Trennung durch das 8 Meer konnten sich Tiere und Pflanzen in verschiedene Subspezies entwickeln. Hokkaidô besitzt daher eine Flora und Fauna mit charakteristischen Unterschieden zu den anderen, weiter südlich gelegenen Teilen Japans. Auch die bis heute von den übrigen Regionen sehr verschiedenen historischen Entwicklungen sind ein weiteres Charakteristikum Hokkaidôs. Klimavergleich Japan – Deutschland durch die Köppen Klimaklassifikations Karte (basierend auf: Hydrology and Earth System Sciences: Updated world map of the Köppen-Geiger climate classification) Mit der Einrichtung der Entwicklungsbehörde durch die Meiji-Regierung im Jahre 1869 begann die moderne Entwicklung Hokkaidôs. Zuvor bewohnten größtenteils Ainu Stämme das Gebiet, und obwohl seit Niederlassung des Matsumae-Clans während der Edo-Zeit 7 ein Tauschhandel mit den Ainu bestand, erfolgte keine weitere aktive Erschließung mit Ausnahme eines Teils der OshimaHalbinsel. Ein Jahr bevor in Japan TOKUGAWA Yoshinobu 1868 dem Kaiserhaus die Regierungsgewalt zurückgab und damit den Beginn der Meiji-Ära einläutete, wurde dagegen in Deutschland mit Gründung des Norddeutschen Bundes der erste Bundesstaat gegründet und Otto von Bismarck bezog sein Amt als Bundeskanzler. Darauf folgte 1871 die Einigung zum Deutschen Reich durch die Proklamation des preußischen Königs Wilhelms I. zum Deutschen Kaiser im Spiegelsaal von Versailles. Weiterhin wurde im Interesse der Deutsch-Japanischen Beziehungen 1861 der Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen Japan und Preußen geschlossen. Die Meiji Regierung übernahm aktiv die europäisch-amerikanische Technik und trieb die Entwicklung Hokkaidôs voran. Abgesehen von der Zeit nach Abschaffung der Entwicklungsbehörde während der Jahre 1882 bis 1886, in der sich die Präfekturen Hakodate, Sapporo und Nemuro kurzzeitig etabliert hatten, bestand Hokkaidô danach bis 1947 nach dem Zweiten Weltkrieg als eine Präfektur und genoss eine Zeit der konsequenten Entwicklungsförderung durch das Land. Weiterhin wurde nach Kriegsende im Jahr 1950 das Gesetz zur Erschließung Hokkaidôs (Hokkaidô Development Act) beschlossen, auf dessen Grundlage der bis heute wirkende 7 1603 – 1868. 9 Plan zur umfassenden Entwicklung Hokkaidôs (Hokkaidô Comprehensive Development Plan) ausgearbeitet wurde. Auch der Verlauf dieser Landeserschließung unterscheidet sich in hohem Maße von derjenigen in anderen Regionen Japans. Nach der Einigung des Deutschen Reiches erlitt Deutschland jedoch mit dem Ersten Weltkrieg eine Niederlage und wurde durch die Novemberrevolution von 1918 und der Ausrufung zur Weimarer Republik eine Demokratie. Das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Aufteilung in Besatzungszonen brachte 1949 die Gründungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutsch Demokratischen Republik mit sich. Durch den Fall der Berliner Mauer im Jahre 1990 erreichte Deutschland erneut seine bis heute bestehende Einigung. Während der Trennung von der Bundesrepublik fiel die Wirtschaft im ehemaligen Ostdeutschland stark zurück und auch gesellschaftliche und infrastrukturelle Wartungsmaßnahmen wurden nicht hinreichend ausgeführt. Die Aufhebung der so entstandenen wirtschaftlichen Ungleichheit zwischen Ost und West ist eine der Hauptaufgaben der deutschen Regierung. 10 2. EVEC - Japans erstes Bio-Venture mit Großauftrag eines deutschen Pharmakonzerns Im ausgehenden 21. Jahrhundert ist auch Japan zu einer Gesellschaft geworden, die den sich schnell entwickelnden Start-up-Unternehmen Platz bietet. Dennoch ist es außerordentlich schwierig, den Erfolg eines Start-up-Unternehmens zu sichern und es gibt bereits viele Beispiele von Übernahmen und Einbindungen in Großunternehmen. Auch im Bereich des Bioengineering wurden zahlreiche Start-up-Unternehmen gegründet. Je nach Region gelten dabei für Bio-Start-up-Unternehmen einige Besonderheiten: Zum Beispiel kann man beobachten, dass in der Kansai-Region 8 viele Bio-Start-up-Unternehmen von den dort seit jeher ansässigen, Soda 9 verarbeitenden Chemie- und Pharmaunternehmen gesponsert werden. Auf der anderen Seite findet man in Hokkaidô viele BioBlutentnahme Start-up-Unternehmen, die ihr Augenmerk auf die B-Lymphozyten Infektion mit EBVirus EB-Virus für Japan besondere Flora richten und die aus Pflanzen, Algen und Meerestieren extrahierten, aktiven Wirkstoffe verwerten. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, dass dabei unter B-Lymphozyten Vermehrung und Einleitung der Antikörper-Produktion den Bio-Ventures in der Kansai-Region, die durch ihre Kapitalkraft mit überwältigendem Vorteil Isolierung der Antikörperproduzierenden Zellklone ausgestattet sind, Erfolgsbeispiele mit Großaufträgen herauskommen. Trotzdem ist das erste Beispiel für den Erfolg eines Bio-Ventures in Japan das eines Unternehmens in Hokkaidô. Isolierung der Antikörper-Gene und Produktion von Antikörpern Die EVEC Co., Ltd. wurde im Januar 2003 von Professor TAKADA Kenzô vom Institut für Gentherapie der Universität Hokkaidô (nun Übersicht zur Produktion von perfekten menschlichen Antikörpern. (modifiziert übernommen von: EVEC AG, offizielle Homepage) Präsident des Unternehmens) unter Einbringung 8 Eine der 7 Regionen Japans, in welcher sich u.a. die Städte Kyôto, Osaka, Nara und Kôbe befinden. 9 Na2CO3x10H2O, auch bekannt unter engl. Natron. 11 seiner 30 jährigen Erfahrung in der Erforschung des Epstein-Barr-Virus 10 (EBV) gegründet, um seine Technik zu Produktion menschlicher Antikörper unter Verwendung des EBV in den praktischen Gebrauch umzusetzen. Das Unternehmen setzte sich die zügige Vermarktungsmöglichkeit eines hochwirksamen Medikamentes als Ziel und beschritt den Weg eines Pharmaunternehmens durch Kooperation mit Unternehmen, die für die jeweiligen Abschnitte der Strecke erfolgversprechend waren. Die Techniken der Antikörperproduktion mit Labormäusen waren bereits etabliert, aber die Entwicklung voll-menschlicher Antikörper ohne Anteile von Mausgenen wurde zur Hauptströmung der letzten Jahre. Die Methoden, mit Genen menschlicher Antikörper präparierte Mäuse oder gentechnisch veränderte Kolibakterien (Escherichia coli) zu verwenden, wurden als Techniken zur Herstellung voll-menschlicher Antikörper entwickelt. EVEC entwickelte dagegen eine eigene Technik, bei der die im menschlichen Blut vorkommenden, Antikörper produzierenden BLymphozyten voll-menschliche Antikörper herstellen. Dabei wird die durch Anwesenheit des EBV erhöhte Aktivität der B-Lmyphozyten ausgenutzt und zur Produktion der Antikörper verwendet. Diese EBV-Methode zur Antikörperproduktion war schon seit längerem bekannt, aber Berichte von Erfolgen in der Produktion waren zum damaligen Zeitpunkt gering. EVEC konnte große Mengen an Know-How bezüglich EBV ansammeln und entwickelte eine Methode, um Antikörpern mit der angestrebten, hohen Erfolgsquote zu gewinnen. Weil bisher die meisten Patente für Techniken zur Antikörperproduktion bei europäischen und amerikanischen Pharmaunternehmen lagen, mussten für deren Gebrauch große Summen an Lizenzgebühren aufgewendet werden. Für die Verwendung der von EVEC entwickelten Methode ist dies jedoch nicht erforderlich. Folglich ist eine effektive Senkung in den Behandlungskosten zu erwarten. Im Moment sind für die von EVEC entwickelten Antikörper schon eine Vielzahl an Lizenzen als Substanzpatent beantragt worden. Im August 2009 statte ich EVEC einen Besuch ab. Der aus Kôbe stammende Hauptgeschäftsführer DOI Hisato, arbeitete bis zu seinem Rücktritt bei einer großen Treuhandbank. Während seiner Arbeit für ein Unternehmen in Sapporo bildete er sich in Unternehmensführung in einem Erwachsenenprogramm der Graduiertenabteilung der Otaru Universität für Handel unter Professor SETO Atsushi weiter. Seine Hauptbeschäftigung während des Studiums war die 10 Ein Herpesvirus, u.a. verantwortlich für das Pfeiffer-Drüsenfieber sowie mutmaßliche Ursache verschiedener Autoimmun- und Krebserkrankungen. Bei den meisten Erwachsenen latent vorhanden. 12 Gründungsförderung (business incubation) neuer Unternehmen, die vom UnternehmensgründungsZentrum derselben Universität unterstützt wurden. 2002 gründete er dann die Human Capital Management Co., Ltd. als hauptberuflicher Gründungsförderer. Die Nebenbeschäftigung als Hauptgeschäftsführer von EVEC nahm er an, weil er Professor TAKADAs Technik für hervorragend hielt und dachte, einen Beitrag zur Gesellschaft leisten zu können, indem er diese Technik in einem Unternehmen zum Erfolg brächte. Im Folgenden einige Erklärungen von Herrn Hauptgeschäftsführer DOI. Um das Beste aus der vortrefflichen Technik zur Antikörper-Herstellung zu machen, arbeitete ich ein Business-Modell für ein Unternehmen aus, das als Rohstoff-Lieferant für AntikörperArzneimittel einen Beitrag zur Medizin leisten sollte. EVEC selbst sollte sich dabei auf seine eigene Stärke, nämlich den Herstellungsprozess voll-menschlicher Antikörper spezialisieren und andere Arbeiten wie industrielle Fertigung und klinische Arbeitsprozesse sollten von den darauf spezialisierten, kooperierenden Arzneimittelherstellern übernommen werden. Durch die konsequente Verfolgung dieser Auslagerungs-Strategie („outsourcing“) konnte das von Start-upUnternehmen gefürchtete Risiko des „Death-Valley 11“ vermieden werden. Nicht nur konnte auf diese Weise ein Risiko umgangen werden, sondern die Vorgehensweise entsprach auch dem sogenannten „Intel-Modell“. Bei diesem Modell spezialisiert sich ein Betrieb auf seine Kernkompetenzen. Durch die Produktion der für das spätere Produkt unentbehrlichen Bestandteile wie beispielsweise des CPU für den PC, wird mit jedem Verkauf Hauptarbeitsschritt: Produktion der Antikörper Antigen Identifikation Da EVEC-Antikörper vollständig menschliche Antikörper sind, ist eine Anpassung an den Menschen nicht nötig. Überwachung der Antikörper-Aktivität und Datensammlung Geistiges Eigentum eines PC gleichzeitig auch ein eigenes Produkt verkauft. Vertragspartner (Pharmakonzern) Lizenzvergabe an Pharmakonzern Selektion der führenden chemischen Verbindung diese auch vom Endhersteller Vertragspartner (Pharmakonzern) führt mittels seiner Kapitalkraft, der vorhandenen Einrichtungen und des Personals, sowie seiner Fülle an Erfahrung durch Phase II Phase III Lizenzen für verschiedene Länder Beim Fortschritt jeder Phase Ausschüttung von Milestone-Payment für die Lizenzen in jedem Gebiet verwendet und kommen somit letztendlich dem Verbraucher Phase I Beim Fortschritt jeder Phase Ausschüttung von Milestone-Payment Aufgrund der überragenden Techniken und Produkte werden Klinische Vorstudien Verkauf Dem Umsatz entsprechender Gewinn von Lizenzgebühren Übersicht zum Business-Modell der EVEC AG. (modifiziert übernommen von: EVEC AG, offizielle Homepage) zu Gute. Selbstverständlich ist dies auch ein Anliegen von EVEC. Im September 2008 konnte ein japanisches Bio-Venture als erstes seiner Art einen Vertrag mit 11 Insolvenz eines Start-up-Unternehmens durch die in der Anfangsphase ausbleibenden Gewinne. 13 einem Pharmakonzern in Übersee, Boehringer Ingelheim (BI), abschließen. Dabei handelte es sich um einen Lizenzvertrag zur Nutzung einer Sorte der von EVEC entwickelten, perfekten menschlichen Antikörper. BI erwarb hiermit internationale, exklusive Rechte an Weiterentwicklung und Kommerzialisierung dieser Antikörper. EVEC konnte damit nicht nur 55 Millionen Euro 12 an Milestone Payment 13 entsprechend der Vorleistungen und Entwicklungskosten gewinnen, sondern erhält auch weiterhin die Tantiemen aus der Umsatzbeteiligung am Verkauf der Medikamente. Weil es sich bei diesem Lizenzvertrag nur um die Rechte an einem Antikörper gehandelt hat, hält EVEC weiterhin die Rechte an der grundlegenden Technologie und den abgeschlossenen sowie folgenden Entwicklungen von Antikörpern.“ Laut DOI sei für Start-up-Unternehmen die Kooperation mit einem Pharmakonzern nicht leicht, aber EVEC werde trotzdem von BI als gleichwertiger Partner behandelt. Deutschland biete Raum für die Entstehung von Start-up-Unternehmen. Da es Ähnlichkeiten in den Rechtssystemen gebe, falle außerdem die Vertragsverhandlung mit deutschen Unternehmen im Vergleich zu amerikanischen leichter. Ich habe während meiner Tätigkeit in Deutschland Gelegenheit gehabt, für das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen zu arbeiten. Auch in Deutschland ist es ein wichtiges Thema, auf welche Weise die ausgezeichneten, an den Universitäten entwickelten Techniken in die Industrie eingebunden werden können. Ebenso kann eine Verbindung von Forschungsergebnissen japanischer Universitäten mit Unternehmen in Übersee, wie das Beispiel EVEC zeigt, trotz noch bestehender Schwierigkeiten bei der Kooperation von Industrie und Forschung innerhalb Japans außerordentlich erfolgreich sein. Das Beispiel von DOIs Geschicklichkeit verdient jedenfalls auch die Aufmerksamkeit aller an Kooperationen mit der deutschen Industrie und Wissenschaft Beteiligten. Obwohl mein Fachgebiet die Rechtswissenschaft ist, fühle ich als Absolvent der GraduiertenAbteilung der Otaru Universität für Handel eine gewisse Geistesverwandtschaft mit Herrn Hauptgeschäftsführer DOI und wünsche mir, dass von Menschen wie ihm noch mehr für die Wirtschaft Hokkaidôs getan wird. 12 Dies entsprach bei Vertragsabschluss etwa 8,8 Milliarden Yen. 13 Auch Down Payment. Abgeltung von Vorleistungen eines Pharmaunternehmens (Forschung, Entwicklung, Schutzrechte) bis zum Erreichen eines Entwicklungspunktes = “milestones“. 14 3. Kinosen'i – der erste deutsche Anlagenexport Im Juli 2008 begann in Tomakomai, einer Hafenstadt im Süden Hokkaidôs, der Bau einer Fabrikanlage zur Herstellung von Wärmeisolierungsplatten aus Holzfaser. Zu den Feierlichkeiten der Fertigstellung im Juli 2009 anwesend war zudem Hans- Grundsteinlegung der Fabrik von Kinosen'i in Tomakomai, Hokkaidô. Anwesende u.a.: Botschafter Joachim Daerr, der zu diesem Zeitpunkt H.-J. Daerr, Gouverneurin der Präfektur Hokkaidô amtierende Botschafter der Bundesrepublik TAKAHASHI Harumi und Herr Dr. Wilhelm Meemken. Deutschland in Japan, der auch schon bei (Quelle: Kinosen'i AG, offizielle Homepage.) der Grundsteinlegung zugegen war. Der Frage, warum eigentlich ein deutscher Botschafter teilgenommen hat, soll im Folgenden nachgegangen werden. Die Technik zur Herstellung von Holzfaser-Dämmplatten in dieser von der Aktiengesellschaft Kinosen'i (Wood Fiber Co.,Ltd.) in Sapporo errichteten Fabrik wurde von der in Berga ansässigen, deutschen Firma Homatherm entwickelt. Dabei erfolgte die Fertigung der Anlage selbst nun zum ersten Mal außerhalb Deutschlands. Bereits vor dem Bau war Wilhelm Meemken, Geschäftsführer der Firma ECOS Japan Consult, mit ÔTOMO Norio, Geschäftsführer von Ki-no-sen'i, in Kontakt getreten. Nachdem Herrn ÔTOMO die Holzfaser Wärmedämmplatten der Firma Homatherm vorgestellt worden waren, gab dies den Anstoß zur Gründung von Kinosen'i im September 2004. Herrn ÔTOMO war zuvor Forscher an der technischen Fakultät der Hokkaidô Universität gewesen, gründete dann aber die sich auf diese Arbeit stützende NERC Co., Ltd (Natural Energy Research Center) in Sapporo und förderte damit unter anderem die Wärmeisolierung aus Holzfaser. (Quelle: Kinosen'i AG, offizielle Homepage.) Industrialisierung von Erneuerbaren Energien. Die Holzfaser Wärmedämmplatten besitzen neben der Wärmeisolierung außerdem noch 15 hervorragende Eigenschaften in den Bereichen der Schallisolierung, des Feuchtigkeitsausgleichs, des Brandschutzes, des Energiesparens und ihrer Verarbeitung. Der zur Herstellung der Platten notwendige Energieaufwand ist dabei extrem gering und durch die Verwendung von 100% natürlichen Rohstoffen besteht keine Sorge bezüglich der Gefahren des Sick-Building-Syndroms 14 (SBS). Produktion, Verwendung und Entsorgung sind über den vollständig biologisch abbaubar. Wenn im eigenen Land produziert werden kann, besteht zusätzlich die Möglichkeit, durch Produktion und Konsum von Bauholz auf lokaler Ebene zur Wiederaufforstung und Neubelebung der Wälder beizutragen. Alle diese Produktmerkmale sind in der heutigen Gesellschaft von großem Gewicht. Weil dies alles im Einklang mit der Gründungsidee von NERC stand und es landesweit noch keine ähnlichen Produkte zu geben schien, wurde beschlossen, mit NERC als ein neues Unternehmen im Handel mit diesen Produkten auf den Markt zu gehen. Im Januar 2005 wurde das Werk in Deutschland inspiziert und unverzüglich ein Importvertrag geschlossen. Von August bis Oktober 2005 wurden fünf 40'-Container 15 importiert und in Hokkaidô in fünf Gebäuden errichtet. Investitionen von im Wesentlichen fünf Unternehmen aus Hokkaidô, darunter Nakayamagumi und Chûdôkikai, beide aus Sapporo, Tanjiringyô aus Tomakomai und Yamao aus Memuro, brachten der Unternehmensgründung den nötigen Aufschwung und durch Lizenzverträge war die neue Firma innerhalb eines Jahres betriebsbereit. Die im Industriegebiet der Stadt Tomakomai verwendete Maschinerie stammt übrigens aus der Produktion der deutschen Grenzebach Maschinenbau GmbH in Asbach-Bäumenheim/Hamlar. ÔTOMO gründete NERC auf Basis der durch seine Forschungstätigkeit an der Universität erworbenen Kenntnisse und seine Vertrauen in seine Fähigkeiten. Daraufhin entwickelte sich der Kontakt zu Meemken von der auf den Gebieten der Umwelttechnik und Erneuerbaren Resourcen schon fortgeschritteneren, deutschen Firma ECOS. Durch Planung dieses Unternehmens konnten, unter Verwendung der zum gegenwärtigen Zeitpunkt praktisch anwendbaren Technik und Nutzung von Ressourcen aus der Umgebung, ein Beitrag zur regionalen Wirtschaft geleistet und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Nicht nur einfaches Umweltschutzdenken war hier wichtig, sondern vor allem der vorausschauende Blick auf die Wirtschaft Hokkaidôs. Es bleibt zu hoffen, dass auf diesem Wege auch weiterhin ein Austausch international führender Technologien zwischen Hokkaidô und Deutschland stattfinden wird. 14 Unter SBS versteht man die gesundheitsschädlichen Auswirkungen von gewissen Baustoffen in Wohnhäusern und Arbeitsplätzen. 3 15 Nach ISO genormte Container für die Seefracht mit 77m Volumen (12,192 × 2,438 × 2,591 m) und insgesamt ca. 30 t Frachtgewicht. 16 4. Biei: Die deutschen Wurzeln japanische Agrikultur In der Stadt Biei, gelegen in der Unterpräfektur Kamikawa im Zentrum Hokkaidôs, lebt ein deutscher Farmer: der aus Gütersloh stammende Stefan Köster-Hirose. Herr Köster war im Management eines Bauunternehmens beschäftigt und sammelte bei seinen Tätigkeiten für die deutsche Entwicklungshilfe Erfahrungen in Nepal und Vietnam. 1995 kam er dann nach Japan und begann mit der Landwirtschaft in Nakafurano 16. 1998 machte er sich in Biei mit einem Bauernhof selbstständig. Heute betreibt er die Plantage für ökologisch angebautes Gemüse namens Landmann und das Landcafé im deutschen Stil. Die Vorbereitungen zur Unterbringung von Gästen und Anlage von Wanderwegen sind in gerade in Arbeit. Aussenansicht des „Landcafés“ Als ich mit Köster Bekanntschaft schloß, erzählte er mir seine Geschichte. Wie von seinem beruflichen Hintergrund als Experte im Bauwesen zu erwarten, stellt er sich neben der Landwirtschaft in Biei noch verschiedenen weiteren Herausforderungen, bei denen er sein Wissen nutzt. Wenn ich (der Autor, WATANABE Masato) während meines über 3 jährigen Aufenthaltes in Düsseldorf eine geschlagene Viertelstunde mit dem Auto fuhr, erstreckte sich vor meinen Augen eine Landschaft wogender Felder – das absolute Ebenbild der Hügel von Biei! Durch Nutzung der Topographie und der durch die Vulkanasche-Böden bedingte, gute Drainage, sowie dem Klima mit den für das Landesinnere typischen, relativ großen Schwankungen in der Tagestemperatur können die Feldfrüchte, die diesen Umweltbedingungen entsprechen, natürlich oder so naturnah wie möglich kultiviert werden. Um die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhöhen und hochwertige Feldfrüchte zu anzubauen, wird auf großflächige Monokulturen, die den Ertrag erhöhen würden, verzichtet und statt dessen Böden, die ihre Fruchtbarkeit durch Stefan Köster-Hirose und der Autor im Innern des „Landcafés“ Brachliegen zurückgewonnen haben, bebaut. Das 16 Nakafurano liegt wie Biei in der Unterpräfektur Kamikawa. 17 Entleihen solcher Weisheiten unserer Vorfahren und die Annahme der Gunst, ein Teil der Natur zu sein, gibt ein gutes Beispiel für die Bildung eines symbiotischen Kreislaufs. In den letzten Jahren haben die als Mischkultur bekannten Denkansätze zur Wiederaufforstung von Urwäldern Aufmerksamkeit auf sich gezogen, aber auf Kösters Feldern wird die Ausbreitung von Schädlingen durch die dort verwendete Begleitpflanzen-Methode kontrolliert, bei der harmonisierende Pflanzen nebeneinander gezogen werden. Auch auf der Apfelplantage des durch seine „Wunder-Äpfel“ bekannten KIMURA Akinori wird dem dichten Unterholzbewuchs die Ermöglichung der vollkommen Pestizid-freien Kultivierung der Äpfeln zugeschrieben. Allein der Mensch versucht, nach seinem Gutdünken die als unnötig empfundenen Elemente in der hoch diversen Lebensgemeinschaft von Pflanzen und Tieren zu entfernen und stört damit das bis dahin vorhandene natürliche Gleichgewicht. Um dies nachträglich zu kompensieren, wird man dann wohl nicht um einen enormen Aufwand kommen. Weiter führt Köster die Bedeutung von dem Klima in Hokkaidô angepassten und nicht angepassten Feldfrüchten aus. Auch hier ließe sich durch einen entsprechend hohen Aufwand an Agrochemikalien, Düngemitteln und Energie praktisch alles anbauen, aber durch die Kultivierung von an das vorherrschende Klima und den Boden angepassten Feldfrüchten könne man die den aufgewendeten Mühen und Kosten entsprechenden Früchte kontinuierlich gewinnen. Ich selbst bin während meines Deutschland-Aufenthaltes nach Italien und Spanien gereist und bekam den Eindruck, das sämtliche Lebensmittel in diesen Ländern von der direkten Sonne profitieren. Es besteht keine Notwendigkeit, zu versuchen, die Landwirtschaft Hokkaidôs den Bedingungen in Italien oder Spanien anzupassen. Wenn man in Hokkaidô, oder eben Biei, für die dortigen Umweltverhältnissen geeignete Produkte und Techniken wählt, braucht man einfach nur den natürlichen Gegebenheiten zu folgen. Die deutsche Landwirtschaft, deren Umweltbedingungen jenen in Hokkaidô relativ ähnlich sind, kann dabei in vielen Punkten als Referenz dienen. In seinem Landcafé verwendet Köster unter anderem die selbst angebauten Kartoffeln und man kann dort deutsche Hausmannskost wie Roggenbrot oder deutsche Kuchen kosten. Das Kochen besorgt Kösters Frau Kayoko. Sie hat zwar selbst nur rund ein Jahr in Deutschland verbracht, aber ihr zielbewusst gebackener, deutscher Kuchen wurde auch schon von meiner (des Autors, WATANABE Masato) Frau genossen. 18 Wenn der die Umgebung des Landcafés durchziehende Wanderweg fertiggestellt ist, wird man dazu noch die herrliche Natur Hokkaidôs genießen können. Das Ehepaar Köster fühlt die positiven Aspekte in Biei nicht weniger als die dort seit Generationen ansässigen Bürger Bieis und wünscht sich, das Beste daraus zu machen. Sei es für Untersuchungen aus technischer Sicht oder bezüglich der Einbringung Erneuerbarer Energien – auch der nächste Besuch dort wird gewiss vergnüglich. Das nächste Mal möchte ich zusammen mit meiner Familie dort eine Hütte mieten und gemütlich plaudern. Vielleicht wollen die Menschen in Hokkaidô sich so aktiv weiterbilden, gerade weil es ganz in ihrer Nähe solch gute Vorbilder gibt? 19 5. Moderne Landwirtschaft und Obstanbau in Japan: Die Geschichte der Bakumatsu17-Stadt Nanae Die jetzigen Bemühungen, eine vorbildliche Landwirtschaft in Hokkaidô zu etablieren, werden von Herr Köster unternommen (s. Kapitel 4). Aber schon über 140 Jahre zuvor, zur Bakumatsu-Zeit, prägte ebenfalls ein Deutscher den Beginn der modernen Landwirtschaft in Japan. Inmitten der langen Isolation Japans durch die Politik des Tokugawa-Shogunats, wurde durch den Harris-Vertrag 18 mit Beginn der Ansei-Ära 1854 der Hafen von Hakodate 19 für ausländische Schiffe geöffnet. Zu Beginn der Bunkyû-Ära 1861 unterzeichnete Japan den den Freundschafts- und Handelsvertrag mit Preußen und darauf begannen auch die offiziellen Beziehungen zwischen Japan und Deutschland. Auf der anderen Seite expandierte bereits 1859 eines der ersten deutschen Unternehmen in Japan, L.Kniffler & Co., von seinem Sitz im indonesischen Batavia 20 nach Nagasaki und führte ab 1861 ein Zweiggeschäft in Yokohama. 1862 kam Conrad Gaertner als Repräsentant der Yokohama-Zweigstelle nach Japan und pendelte geschäftlich zwischen Yokohama und Hakodate. Dies ist durch die erhaltenen, seit 1862 geführten Melderegister für Ausländer in Hakodate, belegt. Gaertner wurde 1865 zum Vizeconsul des Norddeutschen Bundes der in Hakodate befindlichen preußischen Botschaft berufen und nahm damit nun gleichzeitig die Positionen eines Kaufmanns und stellvertretenden Botschafters ein. Conrad Gaertners Bruder Richard kam 1863 ebenfalls nach Japan und ließ sich in Hakodate als Seidenhändler nieder. SUGIURA Hyôgonokami, der vom Shogunat als Magistrat von Hakodate eingesetzt worden war, überlegte, die Techniken des klimatisch ähnlichen Preußen zu verwenden, um die „Gartners Buchenhain“ (offizielle Homepage der Stadt Nanae) 17 Bakumatsu: 1853 – 1867, das Ende der Edo-Zeit und Beginn der Öffnung Japans gegenüber dem Westen. 18 Japanisch-amerikanischer Freundschafts- und Handelsvertrag. 19 Hakodate liegt im südlichsten Teil Hokkaidôs, auf der Halbinsel Oshima, und ist nur durch die TsugaruMeerenge von Aomori auf Honshû getrennt. Mittlerweile besteht auch eine direkte Verbindung durch den Seikan-Tunnel. Hakodate war einer der fünf Häfen Japans, die während der Edo-Zeit für ausländische Handelschiffe geöffnet waren. 20 Heute die indonesische Hauptstadt Jakarta, die zum damaligen Zeitpunkt Teil der holländischen Kolonie war. 20 landwirtschaftliche Erschließung der damals Ezo genannten Region voranzutreiben. Seit einiger Zeit hegte auch Richard Gaertner den Wunsch, in die Landwirtschaft einzusteigen und da sich ihre Interessen überschnitten, wurden Gaertner 1867 etwa 1.500 Tsubo 21 Land in der Umgebung des Dorfes Kameda für Versuche anvertraut. Damit war der Grundstein für die moderne Landwirtschaft in Japan gelegt und der Getreide- und Obstanbau (z.B. Äpfel, Kirschen und Trauben) mittels westlicher Pflüge kam in Japan in Gebrauch. Im folgenden Jahr, 1868, erweiterte INOUE Iwami, Richter des Gerichtshofs der Meiji Regierung in Hakodate, dieses Versuchsland auf 70.000 Tsubo 22, und 1869 wurde unter ENOMOTO Kamajirô 23, Präsident der Republik Ezo 24, ein 99 Jahre gültiger Leihvertrag (Abkommen zur Urbarmachung von Nanae, Ezochi 25) über 3.000.000 Tsubo 26 Land abgeschlossen. 1869, nach Niederlage bei der Schlacht von Hakodate, wurde die Republik Ezo wieder aufgelöst und die Meiji-Regierung übernahm die Verwaltung von Ezochi. Die Regierung erfuhr von dem Abkommen zur Urbarmachung von Nanae, Ezochi und löste den Vertrag 1870, also ein Jahr später wieder unter Zahlung einer Entschädigung von 62.500 Ryô 27. Man wusste, dass die Westmächte in Asien schon Pachtverträge über längere Zeiträume abgeschlossen und auf diesem Wege umfangreiche Kolonien gewonnen hatten, und wollte mit dieser Maßnahme eine ähnliche Kolonialisierung Ezochis, koste es, was es wolle, vermeiden. Daher kehrte Richard Gaertner 1870 mit seiner Familie wieder nach Deutschland zurück. Die Meiji Regierung setzte die Urbarmachung mit den bereits zuvor eingesetzten, modernen AckerbauMethoden auf der von Gaertner zurückgelassen Farm bei Nanae unter dem Namen einer Regierungs-Plantage weiterhin fort. L.Kniffler & Co. wurde 1881 in das bis heute bestehende Unternehmen C.Illis & Co. umbenannt. 21 Ein Tsubo entspricht etwa 3,3 m² (oder genauer 400/121 m²); 1.500 Tsubo wären also ungefähr 5.000 m² = ein halber Hektar. 22 Etwa 230.000 m² bzw. 2,3 ha. 23 ENOMOTO Kamajirô ist auch unter seinem später angenommenen Namen ENOMOTO Takeaki bekannt. 24 1868 spaltete sich Ezo für einige Monate als Republik nach dem Vorbild der USA vom restlichen Japan ab. Ihre Truppen wurden jedoch 1869, ein halbes Jahr später, von der kaiserlichen Armee geschlagen und die Meiji-Regierung übernahm erneut die Verwaltung. 25 Auch Ezo-ga-shima, zu deutsch etwa Land der Ezo bzw. Insel der Ezo, der Name Hokkaidôs bis zur Meiji-Restauration 1868 (wobei Ezo ein anderer Name für die dort lebenden Ainu ist). 26 Also fast 1.000 ha Land. 27 Eine Goldwährung der Edo-Zeit. 21 Übrigens übernahm eben jene C.Illis & Co. die Bereitstellung von Baumaterial für die Kanalbauarbeiten in Hakodate 1898. Heute existiert in Nanae Gartners Buchenhain und Hakodate-Wein produziert eine Weinserie mit dem Namen Gartnell 28 und verweisen damit auf Richard Gaertner. Wie im ersten Buch bereits dargestellt, kann man heute auch in Nanae Altbier und Kölsch der Marke Ônuma-Bier trinken. Daher wurde nun auch die Geschichten von Gaertners Farm, der Urbarmachung der aus dieser hervorgehenden Regierungsplantage von Nanae durch moderne Agrartechnik und der Obstplantagen vorgestellt. Als Startpunkt der landwirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Japan wird den landwirtschaftlichen Produkten, dem Bier und dem Wein dieser Region hoffentlich weiter ein wachsendes Interesse gezollt. Und als Region mit tiefer Bedeutung für die landwirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Japan bleibt für Nanae zu hoffen, dass dieser Hakodate-Wein „Gartnell“ (Hakodate-Wein, offizielle Homepage) gegenseitige Austausch weiter florieren wird. 28 Beide Schreibweisen werden in Japan als Umschrift des Namens Gaertner verwendet. 22 6. Deutsche Technik für Obst und Bier Nachdem Gaertner das Land verlassen hatte (s. Kapitel 5), übte ein weiterer Deutscher, bzw. deutsch-stämmiger Amerikaner, großen Einfluss auf die Landwirtschaft Hokkaidôs aus. Der Name des zur weiteren Urbarmachung Ezos angestellten Amerikaners Horace Capron ist berühmt geworden, aber derjenige, der von Capron für diese Arbeit angeworben worden war, war Louis Boehmer. Boehmer wurde 1843 in Lüneburg geboren und lernte Gartenbau bei einem Gärtner des preußischen Hofes. 1867 emigrierte er als Gartenarchitekt nach Amerika, um den Folgen des Deutschen Krieges 29 im Jahre zuvor zu entrinnen. 1872 wurde er dann von Capron als Experte für den Obstbau angeworben und ging nach Japan. Zu Nachforschungen ging Boehmer 1874 nach Hokkaidô. Während seiner Untersuchungen an der dortigen Flora entdeckte er in Sarugun eine vielversprechende Art wilden Hopfens und 1877 wurde in Sapporo eine Hopfen-Plantage eröffnet. Wilder Hopfen war bereits 1871 von dem Amerikaner Thomas Antisell in der Stadt Iwanai entdeckt worden und Antisells Leistungen sind wohlbekannt. Nichts desto trotz darf man die Verdienste des deutschen Boehmer nicht vergessen, wenn man an die Bierherstellung denkt, bei der die von Boehmer kultivierten Pflanzen als Rohstoffe in der Brauerei der Entwicklungsbehörde Verwendung fanden. Der im vorigen Buch vorgestellte NAKAGAWA Seibei 30 beispielsweise verwendete für das in der Brauerei der Entwicklungsbehörde hergestellte Bier auch den von Boehmer kultivierten Hopfen – übrigens mit den ebenfalls deutschen Techniken des Bierbrauens, die er in der Tivoli-Brauerei des Berliner Vorortes Fürstenwalde erlernt hatte. Die Hopfenplantage von Sapporo erstreckte sich in einem weiten Band um den Uhrenturm 31 bis zum heutigen Bahnhof Sapporo. Vor Eröffnung der Hopfen-Plantage wechselte Boehmer 1876 von der Landwirtschaftsbehörde in 29 Der Deutsche Krieg von 1866 zwischen Preußen und Österreich. Durch den Sieg Preußens zerfiel der Deutsche Bund und der Norddeutsche Bund (s.o.) wurde gegründet. 30 Erster Braumeister der Brauerei der Entwicklungsbehörde (1886 privatisiert und 1964 in Sapporo Breweries, Ltd. umbenannt. Marke: Sapporo Beer.). 31 Der Uhrenturm der (ehemaligen) Versammlungshalle der landwirtschaftlichen Universität ist eine der Sehenswürdigkeiten der Stadt und gilt als Wahrzeichen Sapporos. 23 Aoyama zu jener in Sapporo, um unter anderem Obst anzubauen. Boehmer, der während seiner Untersuchungen zum Klima Hokkaidôs den Anbau von Äpfeln für lohnend erachtete, konnte nach seiner Versetzung sein Geschick bei seinen Anleitungen zum Apfelanbau beweisen. Eine weitere wichtige Arbeit Boehmers war der Anbau von Trauben für die ebenfalls geplante Kelterei der Entwicklungsbehörde. Die von Gaertner auf der Farm in Nanae begonnenen Versuche wurden so von dem zufälligerweise ebenfalls aus Deutschland stammenden Amerikaner Boehmer weitergeführt und 1879 wurde von dem erfolgreichen Anbau in Yoichi 32 und Sapporo berichtet. Zudem ist heute mit dem im vorigen Buch vorgestellten Gustav Grün auch wieder ein Deutscher für das Keltern des Hokkaidô-Weins zuständig. Die Initiativen Gaertners haben in Hokkaidô Fuß gefasst und es konnten weitere hochinteressante Beziehungen mit Deutschland geknüpft werden. Daneben können als weitere Verdienste Boehmers die Einführung und öffentliche Zugänglichkeit europäischer Gewächshäuser sowie die Konstruktion des Kairakuen-Parks (dem gegenwärtigen Vorgarten des Seikatei 33) angeführt werden. Auch für das Design der Parkanlage des Hôheikan 34, dessen Konstruktionsarbeiten 1880 aufgenommen wurden, war er verantwortlich. Um die Lehren zur deutschen Landwirtschaft von Gaertner und Boehmer zu studieren, führte FURUYA Makoto aus Asahikawa 35 bis März 2010 Forschungen in Alfter, einer Nachbargemeinde von Bonn, durch, die von der Gesellschaft für den Internationalen Austausch von Landwirten (JAEC, Japan Agriculture Exchange Council) gefördert wurden. Seine nicht nur auf dem Gebiet der Landwirtschaft gemachten Erfahrungen in Deutschland lassen auf den Bau einer weiteren Brücke für den Deutsch-Japanischen Austausch hoffen. 32 Die Stadt Yoichi, Unterpräfektur Shiribeshi, liegt westlich von Sapporo im Südwesten Hokkaidôs. 33 Seikatei ist ein 1880 in Sapporo errichtetes Gästehaus im amerikanischen Stil für Staatsgäste. 1881 wurde dort z.B. Kaiser Meiji bewirtet. 34 Hôheikan ist ebenfalls ein Gästehaus im westlichen Stil, aber speziell für die Unterbringung westlicher Entwicklungsberater und Ingenieure errichtet. Ursprünglich 1880 in Sapporos Odori Park gebaut, wurde es 1958 in den Nakajima-Park umgesiedelt. Auch hier war 1881 Kaiser Meiji zu Besuch. Hôheikan und Seikatei zählen beide zu Japans Nationalschätzen. 35 Asahikawa, in der Unterpräfektur Kamikawa im Nordwesten Hokkaidôs gelegen, ist nach Sapporo Hokkaidôs zweitgrößte Stadt. 24 7. Hokkaidô: Eine deutsche Modellfarm im Reich der Zuckerfee Unter den in Hokkaidô und zugleich erstmalig in Japan angebauten Agrarprodukten befanden sich nicht nur diverse Obstsorten, sondern auch die zur Zuckerherstellung benötigten Zuckerrüben. Sie wurden zuerst 1870 im Auftrag der Landwirtschaftsbehörde in Sapporo kultiviert. In der Geschichte der Zuckerproduktion war 1747 der deutsche Chemiker Andreas Sigismund Marggraf der weltweit Erste, dem die Isolierung von Saccharose aus Rüben gelang. 1801 wurde dann die erste Zuckerraffinerie errichtet. 1881 nahm auch die staatliche Zuckerfabrik in Nishimonbetsu 36 ihren Betrieb zur ersten Zuckerproduktion in Japan auf, wurde jedoch bereits 1896 wieder stillgelegt und auch die später fertiggestellte Rübenzuckerfabrik der Banseisha-Tôryoku-Farm in Tokachi 37 kam nicht über das Versuchsstadium hinaus. Die Zuckerproduktion in der 1888 in Sapporo aufgestellten Zuckerfabrik wurde ebenfalls schon 1901 wieder eingestellt. Das Fabrikgebäude fand jedoch weiterhin Verwendung für die im vorigen Buch vorgestellte Brauerei der Entwicklungsbehörde. Danach begann eine ernsthafte Kultivierung erst wieder mit Hilfe von Anweisung im RübenPflanzen durch die Fortschritte von Fabriken wie der Hokkaidô-Raffinerie 1919 und der JapanZuckerrüben-Fabrik von Shimizu 38 1920. Die notwendigen hohen Düngergaben und die Unmöglichkeit einer direkt anschließenden, erneuten Pflanzung von Rüben erschwerten dabei den groß dimensionierten Anbau von Rüben. Daher strebte die ehemalige Hokkaido-Behörde eine Verbesserung der Kultivierungstechniken für die Farmer an und entschied, die Verhältnisse auf der 10 ha großen Versuchsfarm in Tokachi als Grundbedingungen für den Rübenanbau anzunehmen. Bis auf die Personalkosten, die von der Regierung getragen wurden, sponserten die Hokkaidô-Zucker Ltd. und die Meiji-Zucker Ltd. sämtliche Ausgaben für Land, Unterkünfte, Farmtiere, Ställe und Maschinen. Es wurde beschlossen, zwei Farmer auf Empfehlung der deutschen Zuckerfabrik Kochs ehemalige Residenz: Links das Gebäude zur damaligen Zeit, rechts das Gebäude heute. (HOMAS Newsletter No. 54) 36 Das ehemalige Nishimonbetsu gehört heute zur Stadt Date, Unterpräfektur Iburi, im Südwesten Hokkaidôs. 37 Die Unterpräfektur Tokachi mit der einzigen größeren Stadt Obihiro liegt im Süden Hokkaidôs. 38 Die Stadt Shimizu liegt nördlich von Obihiro, ebenfalls in der Unterpräfektur Tokachi. 25 Kleinwanzleben einzuladen, die im Juni 1923 für fünf Jahre befristet unter Vertrag genommen wurden: Friedrich Koch und Wilhelm Grabau. Grabau überwachte den Rübenanbau in Obihiro und kehrte 1928 nach Deutschland zurück, während Koch bis 1930 in seiner Funktion als Aufseher in Shimizu blieb. 1923 brachen Koch und Grabau zusammen vom Bremer Hafen aus auf und erreichen die Stadt Kobe etwa 2 Monate später. Grabau fuhr unverzüglich nach Obihiro zum Grundbesitz von Hokkaidô-Zucker Ltd. weiter, während Koch zum Besitz der Meiji-Zuckerfabrik nach Shimizu ging. Beide wurden als Aufseher mit dem Management der Rübenkultur in der gemischten 10 ha Farm in Tokachi betraut. Koch, der nach Abschluss der Primarstufe in der Zuckerrübenabteilung einer Raffinerie gearbeitet hatte, hatte als Experte für den Rübenanbau ein großes Fachwissen ansammeln können. Die Unterkünfte und Ställe waren nach Grundrissen deutscher Farmen als imposante, 2 stöckige Gebäude auf 24 (HOMAS Newsletter No. 54) Tsubo (etwa 80 m²) Grundfläche errichtet worden. Diese Unterkünfte sind heute immer noch erhalten. Koch lebte sich gut in Tokachi ein und verlängerte seinen Vertrag um weitere 2 Jahre. So leitete er die Farm in Shimizu 8 Jahre, bevor er im Mai 1930 mit seiner Familie von Yokohama aus heimreiste. Kochs zweite Tochter heiratete den Milchbauern und späteren Abgeordneten des Parlaments von Hokkaidô MISAWA Masao und blieb in Hokkaidô. Ihr ältester Sohn Michio, der später ebenfalls Abgeordneter im Parlament von Hokkaidô wurde, betreibt eine Milchfarm in Yakumo 39. Er verwendet den schon von Koch in Shimizu benutzten und mit nach Yakumo gebrachten Brotofen ebenso sorgsam weiter, wie auch der Kontakt der Familien MISAWA und Koch bis heute gepflegt wird. Auch Grabau trat nach seinem Schulabschluss in die gleiche Zuckerfabrik ein, in der auch Koch 39 Yakumo, Unterpräfektur Oshima, liegt nordwestlich von Hakodate im Zentrum der Oshima-Halbinsel Hokkaidôs. 26 arbeitete und baute dort Zuckerrüben an. Weil er ursprünglich Fabrikarbeiter in der Raffinerie gewesen war, wurden seine Fähigkeiten in der Landwirtschaft als nicht überragend eingestuft, aber er schien äußerst Stolz auf seine Tätigkeit als Landwirt gewesen zu sein. Im Herbst 1928 kehrte er nach Deutschland zurück. Die Einzelheiten der Beziehungen zwischen Koch und Grabaus Zuckerrübenanbau und der Vielzahl der Konditoreien in Tokachi sind bisher nicht en détail erforscht worden und bleiben daher vage. Heute sind jedoch in Tokachi so viele berühmte Confiserien, darunter auch die Stammsitze der landesweit geschätzten Firmen Rokkatei und Ryûgetsu, ansässig, dass es keine Übertreibung ist, es als Reich der Zuckerfee 40 zu bezeichnen. Auf der anderen Seite werden heute in Sapporo nicht nur Rübenzucker, sondern auch andere in Hokkaidô hergestellte Zutaten wie Molkereiprodukte, Weizen, Azuki 41 und Kartoffeln verwendet, um Sapporo-Sweets zu bewerben. Der im Ersten Weltkrieg als Kriegsgefangener nach Japan gelangte Karl Joseph Wilhelm Juchheim verbreitete nach dem Krieg den deutschen Baumkuchen in Japan, worauf sich auch in Hokkaidô dieses Gebäck nach seinem Erstverkauf durch verschiedene Konditoreien wie Ryûgetsu, Kitakarô und Ishiya Co., Ltd. vollständig einbürgern konnte. In den letzten Jahren wurde von Firmen wie Rokkatei, Kinotoya und Royce' Confect zur Weihnachtszeit auch Stollen angeboten und in der europäischen Konditorei Biene Maja in Shiroishi, einem Stadtteil von Sapporo, kann man süße Spezialitäten aus Deutschland und der Schweiz ordern. Auch wenn wir also heute in Hokkaidô in den Genuß köstlicher Süßigkeiten kommen können ohne die Leistungen von Menschen wie Koch und Grabau müssten wir uns wohl ein anderes Gesprächsthema suchen. 40 Die Übersetzung Reich der Zuckerfee sei hier auch wegen der Anspielung auf den – ebenfalls deutschen - Autoren E.T.A. Hoffmann und sein Werk gewählt: Seine Erzählung „Nussknacker und Mausekönig“ wurde als Ballett und Konzert-Suite „Der Nussknacker“ von P.I. Tschaikowsy weltberühmt. Wer japanische Süßigkeiten kennt und liebt, wird sich den Reigen dieser verschiedenen Zuckergebäcke nicht schwer vorstellen können! 41 Azuki sind kleine, dunkelrote Bohnen, die unter anderem zu Anko, einer süßen Paste und Grundzutat für viele traditionelle Süßigkeiten, verarbeitet werden. 27 8. Echter Schinken und Wurst aus Hakodate Carl Weidl-Raymon wurde 1894 im böhmisch-deutschen Karlsbad (heute in der Tschechischen Republik) geboren. In einer Familie großgezogen, die schon seit Generationen das Metzgerhandwerk ausübte, zeigte er bereits mit 5 Jahren Interesse an der Schinken- und Wurstherstellung und mit etwa 8 Jahren soll er diese Produkte durch Nachahmung selbst hergestellt haben. Als er 14 Jahre alt wurde, strebte er den Meistergrad an und erlernte die Büste neben der Carl Raymon Erinnerungshalle. Technik bei einem mit seinem Vater befreundeten Meister, während er zugleich täglich die Berufsschule besuchte. Danach konnte er durch die Sammlung handwerklicher Erfahrungen in ganz Europa erfolgreich weitere Qualifikationen erlangen. Nach dem Ersten Weltkrieg lernte er in Norwegen und Amerika die Techniken zur Dosenkonservierung von Wurst. Zu dieser Zeit wurde auch das Grundprinzip von Raymons Schinken- und Wurst-Herstellung perfektioniert, das er “Die Zellen zeitweilig schlafen lassen” nannte. Als er seine dreijährige Ausbildung in Amerika beendet hatte, entschied er sich, auf dem Heimweg nach Europa in Japan einen Zwischenhalt zu machen und gelangte er 1919 nach Japan. Nach seiner Ankunft dort lernte er den Direktor von Tôyô-Kanzume 42 kennen und wurde von ihm gebeten, ein Jahr lang die Produktion von Schinken und Wurst zu leiten. Im darauffolgenden Jahr wurden die Überwachung der Technik zur Dosenherstellung sowie Qualitätskontrollen von einem Unternehmen gefordert, welches Tôyô-Kanzume mit Dosen belieferte und Raymon begab sich 1920, damals 26 Jahre alt, nach Hakodate, wo sich der Stützpunkt zur Kontrolle des Werks in Kamtschatka befand. Nach seiner Ankunft in Hakodate wurde er in dem Ryokan 43 Katsuta untergebracht und lernte dort Kô, die Tochter des Hauses kennen. Kô konnte sich auf Englisch verständigen und während sich Raymon mit ihr unterhielt, entwickelte sich aus der anfänglichen Zuneigung bald Liebe. Doch obwohl Hakodate zu jener Zeit bereits eine internationale Hafenstadt geworden war, war eine Heirat mit einem Ausländer undenkbar. 1920 brannten sie miteinander durch und zogen in Raymons Heimatstadt Karlsbad. In Karlsbad wurden sie von Raymons Familie 42 Übersetzt etwa Oriental-Canned-Goods oder Orient-Konserven 43 Eine traditionell eingerichtete, japanische Pension. 28 herzlich empfangen, heirateten und eröffneten eine Metzgerei. Raymons Schinken und Würste erlangten einen guten Ruf, das Geschäft florierte und sie verbrachten eine glückliche Zeit. Doch 3 Jahre später kündigte er Kô plötzlich an, dass er nach Japan zurückkehren werde. Als sie jedoch nach Hakodate zurückkamen, existierte das Katsuta-Ryokan nicht mehr. Es war bei einem Feuer im Jahr zuvor zerstört worden. Raymon wollte nun eine größere Zahl Menschen mit den Schinken und Würsten, auf die er so Stolz war, versorgen und wünschte sich, die Ernährung der Japaner damit zu bereichern. Also eröffnete er 1925 vor dem Bahnhof von Hakodate einen Laden samt Fabrik. Die erhoffte Kundschaft blieb jedoch aus. Zur Zeit der Ladeneröffnung hatte sich in Japan die Sitte, Fleisch in Form von Schinken oder Wurst zu verzehren, noch nicht durchgesetzt. Zunächst beschränkte sich also die Kundschaft eher auf die Hotels in den Großstädten mit vielen ausländischen Gästen. Sein Enthusiasmus wurde jedoch zuletzt belohnt und sein Ruf verbreitete sich in Hakodate. Die Verkaufzahlen stiegen und eine weitere Fabrik wurde vor dem Bahnhof Goryôkaku 44 fertiggestellt. Als 1933 dann die Geschäfte nach Plan verliefen, gründete er eine neue, 3.000 Tsubo 45 einnehmende Fabrik bei der Stadt Ôno 46, die eine Viehfarm mit 35 Kühen, 310 Schweinen und 30 Schafen beinhaltete. Ein weiterer Schritt zur Erfüllung seines Traums war getan. Dieser Traum bestand nicht nur darin, dass mehr Menschen seine Waren essen könnten, sondern auf Hokkaidô eine großangelegte Viehzucht zu etablieren. Sein 1925 für das Geschäft vor dem Bahnhof Hakodate erstelltes System zur Ernährung und Selbstversorgung legte er 1931 der ehemaligen Hokkaidô-Behörde in Form des Ernährungsund Selbstversorgungs-Systems als Entwicklungsplan vor. Er schlug die Entwicklung Hokkaidôs durch die Etablierung einer Schinken- und Wurstwaren-Industrie, unter Berücksichtigung der Eigenarten des lokalen Klimas und unter Einbringung seines europäischen Know-Hows in der Viehzucht als Grundlage, vor. Sein Vorschlag wurde von der Hokkaidô-Behörde nicht akzeptiert. Statt dessen zeigten aber die Kantô-gun (Guandong- bzw. Kwantung- Aussenansicht des Carl Raymon Stammhauses und der Erinnerungshalle. Armee) 47 und die Südmandschurische Eisenbahn Interesse, die vom Erfolg der Farm in Ôno gehört 44 Benannt nach der in der Nähe liegenden, geschichtsträchtigen, vom Tokugawa-Shogunat Mitte des 19. Jh. nach Vorbild der europäischen trace italienne erbauten Festung Goryôkaku, die die Form eines fünfzackigen Sterns besitzt. 45 Etwa 10.000 m² bzw. 1 ha. 46 Einige Kilometer westlich von Hakodate. 47 Japanische Armee in China, ab 1907 zum Schutz der Südmandschurischen Eisenbahn eingesetzt, 29 hatten. So legte Raymon ab 1935 zwei Jahre lang an 10 Orten der Mandschurei Versuchsfarmen an und setzte hier seine Ideen zur Entwicklung Hokkaidôs in die Tat um. Als er 1938 nach drei Jahren als Aufseher in der Mandschurei zurückkehrte, wurde ihm von der Hokkaidô-Behörde die Arbeitserlaubnis entzogen und er zum Verkauf der Farm in Ôno gezwungen. Mit Ausbruch des Pazifikkrieges 48 wehte Raymon als Ausländer nun ein rauer Wind entgegen. 1948 waren nach Japans Niederlage im Krieg nunmehr drei Jahre vergangen und der mittlerweile 54 jährige Raymon nahm die Produktion von Schinken und Wurst wieder auf. Am Eingang des Betriebs neben seinem Wohnhaus hängte er ein Firmenschild mit der Aufschrift “Hokkaidô Pioneer's Workshop Raymon” in japanischer Schrift und setzte die Bewahrung der traditionelldeutschen Schinken- und Wurstproduktion fort. Als Raymon 1974 80 Jahre alt wurde, verlieh ihm der damaligen Bundespräsident der BRD, Gustav Heinemann, das Bundesverdienstkreuz 49 für seine Verdienste um die deutsch-japanische Freundschaft verliehen. 1979 erhielt er den Ehren-Preis der von der Suntory-Kulturstiftung gesponserten, ersten regionalen Kulturauszeichnung. 1983 nahm er auf Anraten des Präsidenten der Berufsgenossenschaft japanischer Metzger mit 89 Jahren erstmalig Lehrlinge an, um sein hervorragendes Handwerkskönnen weiterleben zu lassen. Seine ersten und letzten Lehrlinge, SHIMAKURA Kiyonori und FUKUDA Toshio, weihte er vollständig in die Kunst der Schinken- und Wurstproduktion ein. Nachdem er vertrauenswürdige Nachfolger ausgebildet hatte, ging Raymon 1984 in den Ruhestand und zog mit seiner Frau nach Deutschland, um bei seiner schon verheirateten, in München wohnenden Tochter Franceska zu leben. Doch einige Monate später kehrte das Ehepaar Raymon nach Hakodate zurück. Der nun in Hakodate Motomachi ansässige Raymon erhielt 1985 den Industrie- und Wirtschafts-Preis der Hokkaidô-Zeitung, sowie den Industrie-Verdienst-Preis, der ihm von Hokkaidôs damaligem Gouverneur YOKOMICHI Takahiro überreicht wurde. Darüber hinaus erhielt er 1986 für seine langjährigen Verdienste um die Viehzucht in Japan den Zweifarbigen Orden der Aufgehenden Sonne 50. Seine Freunde beschlossen, die Errichtung einer Gedenkhalle zu initiieren, um seine Verdienste besetzte 1932 die Mandschurei, was im weiteren Verlauf zur Gründung des (Marionetten-)Staates Mandschukuo führte. 48 Krieg in Asien vom Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg 1937 bis zur japanischen Kapitulation 1945; vom Angriff auf Pearl Harbour 1941 an unter aktiver Beteiligung der USA. 49 Offizielle Bezeichnung: Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. 50 Ein Orden der Aufgehenden Sonne 5. Klasse, mit Chrysanthemenblüte in Gold und Silber. 30 weiter zu verbreiten. Am 1. Dezember 1987 starb Raymon unter der Fürsorge seiner Frau Kô und seiner Tochter Franceska, ohne die Fertigstellung der Gedenkhalle noch zu erleben. Sein Andenken bleibt jedoch mitsamt des originalen Geschmacks seiner Schinken und Würste, die nun von der Firma Hakodate Carl Raymon Co., Ltd. vertrieben werden, auch heute noch erhalten. Des weiteren gründete sein Lehrling FUKUDA die Firma Schönefeld, nachdem er Hakodate Carl Raymon Co., Ltd. verlassen hatte. Angefangen mit den Einwohnern Hakodates wird Raymon von Fans im ganzen Land Missionar des Magens genannt. Er war fest überzeugt, dass man allen Menschen Glück durch gutes Essen verschaffen sollte. Gerade dies war sein ganzes Leben lang seine Überzeugung und sein Leitgedanke gewesen. Außerdem erklärte er, dass die Zellen des von ihm verarbeiteten Fleisches nur zeitweilig inaktiviert und im Magen der Menschen sofort wiederbelebt würden. Um die Zellen nicht abzutöten verzichte er auf unnötige Zusätze wie Konservierungsmittel und selbst zusätzliches Mehl und Wasser verwende er nicht. Als ein Verdienst Raymons wird auch die 12 Sterne auf blauem Grund tragende Flagge der Europäischen Union genannt. Es gibt Untersuchungen, dass es vor dem Hintergrund der Ermordung des in Serbien weilenden, österreichischen Kronprinzen, die eine der Auslöser für den Ersten Weltkrieg war, Streitigkeiten um den Schweinefleischhandel zwischen Ungarn und Serbien gegeben haben soll. Raymon hörte diese Geschichte und reiste quer durch Europa, um die Einigung von Wirtschaft und Industrie aller europäischen Länder unter Achtung ihrer jeweiligen Religionen und Kulturen zu propagieren. Das Bild des hell leuchtenden Polarsterns im Himmel über Hakodate formte sich in seinen Gedanken und die Idee zum Design einer europäischen Flagge bildete sich heraus, die auf blauem Grund einen einzelnen Stern in ihrem Zentrum zeigen sollte. Das war ein neuartiger Einfall, von dem zur damaligen Zeit jedoch niemand Notiz nahm. Doch während der Zweite Weltkrieg vorbeiging, versuchte er weiter, sein Ideal zu verwirklichen. 1955 erhielt er dann einen Brief vom Sekretariat des Parlaments der Europäischen Union in Straßburg, dass die Verwendung seiner Idee akzeptiert worden sei und man eine Europa-Flagge anfertige, die goldene Sterne auf einem blauen Hintergrund arrangiere. 31 9. Schinken und Wurst: Optimale Nutzung der Umweltbedingungen Hokkaidôs Die von Raymon propagierte Schinken- und Wurstherstellung fasste seinem Wunsch entsprechend Fuß als eine Industrie, die ihr Zentrum mit der Viehzucht in Hokkaidô hatte. • Barnabas-Foods, Sapporo Co., Ltd. 1979 wurde in Hokkaidô, das ein für die Schinkenherstellung geeignetes Klima besitzt, die Lebensmittel Matsuda Co., Ltd. gegründet, der Vorläufer von Barnabas-Schinken, die sich die Produktion von “echtem” Schinken zum Ziel gesetzt hatte. Sie warben einen deutschen Metzgermeister an, erlernten die traditionelle Herstellung von Schinken und Wurst und setzten ihr Streben nach originalen, sicheren und vertrauenerweckenden Köstlichkeiten mit ganzem Handwerkerstolz fort. Jeweils in den Jahren 1981, 1988 und 1990 wurden Mitarbeiter nach Stuttgart, München und Frankfurt zur Fortbildung entsandt. Das Unternehmen wurde im Jahr 2000 in Schinken Barnabas, Sapporo Co., Ltd. umbenannt. 2003 gewann die Firma erstmalig in dem internationalen Qualitäts-Wettstreit der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) fünf Goldmedaillen und 2 Silbermedaillen. Auch in den Folgejahren wurde sie bisher (Stand: 2010) acht mal in Folge mit Gold prämiert. 2007 gewann sie den ersten Preis des von Hokkaidô organisierten Preises für die Entwicklung neuer Technologien und Produkte in Hokkaidô. Durch die folgende Fusion wurde sie zum heutigen Barnabas-Foods, Sapporo Co., Ltd.. Beim G8 Gipfeltreffen 2008 in Tôyako, Hokkaidô, wurden ihre Produkte zum Frühstück serviert und wegen ihrer hohen Qualität gepriesen. Die Weiterführung der seit 3.000 Jahren von europäischen Handwerken hartnäckig gehüteten, immer wieder verbesserten Tradition und die Bewahrung der originalen Handwerkskunst wurde zum ganzen Stolz von Barnabas-Foods. • Eff-Eff SASAKI Minoru arbeitete nach seinem Abschluss an der Fakultät für Molkerei in der Produktion für Schinken und Wurst der Utopia Farm Hidaka. Danach lernte er in Nürnberg das MetzgerHandwerk und eröffnete kürzlich die Metzgerei Eff- 32 Außenansicht des Eff Eff (Eff Eff, offizielle Homepage) Eff in Niseko 51. Der im vorigen Buch vorgestellte ASANO Hideki von der Nierstein-Weintechniker ist ein guter Freund von SASAKI und so kann man in seiner Metzgerei ASANOS Wein, den in Japan nicht so einfach zu erhalten, kaufen. • Bräunlingen Nachdem er für eine große Schinken-Fleischerei gearbeitet hatte, ging NARASAKI Atsushi, der Besitzer des in Sapporos Stadtteil Minami gelegenen Bräunlingen, für vier Jahre bei einem Meister für traditionelle Metzgerei im deutschen Bräunlingen in die Lehre. Nach der Lehre kehrte nach Sapporo zurück und gründete die GmbH Schwarzwald – Handgemachte Schinken und Würste Bräunlingen. Nachdem sie auf den authentischen Geschmack seiner Waren aufmerksam wurden, zählen heute auch viele in Sapporo lebende Deutsche zu seinen Kunden. • Wurst Yoshida, Tonden 52-Farm Der Inhaber der in Shintotsukawa 53 gelegenen Metzgerei Wurst Yoshida ging bei der Firma Großwald Sano in der Stadt Fuji, Präfektur Shizuoka, in die Lehre, die bei dem vom Deutscher Fleischerverband gesponserten, weltweit anerkannten Wettbewerb als Sieger hervorgegangen war. Danach eröffnete er ein eigenes Geschäft. Wie auch Barnabas-Foods gewannen die Fleischprodukte von Tonden-Farm im internationalen Qualitäts-Wettstreit der DLG im Jahre 2008 Gold- und Silbermedaillen. Nicht nur Fleisch, sondern auch Milchprodukte zählen heute zu wichtigen Ressourcen Hokkaidôs. Daher wird der weitere Ausbau der lokalen Wirtschaft, die davon profitiert, zunehmend wichtiger. 51 Niseko, Unterpräfektur Shiribeshi, liegt westlich von Sapporo. 52 Tonden bezeichnet Soldaten, die zum Schutz und zur Urbarmachung auf Hokkaidô eingesetzt wurden. In Friedenszeiten arbeiteten sie als Bauern. 53 Shintotsukawa, Unterpräfektur Sorachi, liegt im Nordwesten Hokkaidôs. 33 10. Otaru-Bier: Unverfälschter Geschmack aus Leidenschaft Im Januar 2010 nahm ich an einem Event teil, bei dem deutsche Bierbrauer unter anderem die Geschichte des Bieres erläutern sollten. Die Veranstaltung fand im Lokal Leibspeise im Zentrum Sapporos statt, das von der großen Restaurant-Kette Aleph geführt wird. Dort werden in regelmäßigen Abständen die sogenannten Otaru-Bier Club-Treffen abgehalten, bei denen man das in der Region gebraute Bier so viel man will und zu einem moderaten Preis trinken kann. Darüber hinaus haben sie den Vorzug, dass man hier viel über Deutschland und Bier direkt von deutschen Experten erfahren kann. 1994 wurden die Gesetze zur Alkoholsteuer in Japan revidiert und die Bestimmungen zum Erhalt von Lizenzen für das Bierbrauen wurden mit einem Schlag von 20.000 hl Mindestproduktion pro Jahr auf 600 hl geändert. Das hatte zur Folge, das landesweit eine große Zahl lokaler Brauereien eröffnete. 2010 ist nun 16 Jahre später ihre zeitweilige Beliebtheit abgeflaut und nicht wenige Betriebe mussten aus verwaltungstechnischen Gründen wieder schließen. Unter diesen Umständen, seit der Revision der Alkoholsteuer-Gesetze und mit dem Anliegen, echtes Bier anbieten zu wollen, stellte Aleph Braumeister mit allerhöchsten, staatlichen geprüften Qualifikationen in der deutschen Bierherstellung und -vermarktung ein und bietet auch heute noch, seit Eröffnung unverändert, echtes Bier an. Der bei Otaru-Bier für das Brauen verantwortliche Johannes Braun wurde als Sohn des Managers einer traditionsreichen Brauerei in einem Vorort von Marburg geboren. Da es keinen Nachfolger gab, musste diese Brauerei leider schließen. Braun hatte jedoch selbst ein leidenschaftliches Interesse an der Braukunst entwickelt und schrieb sich als Student am namhaften, Bierbrauer ausbildenden Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität der Technischen Universität München ein. Zu jener Zeit waren nicht einmal zehn Prozent von den 100 Studenten, die mit Braumeister-Qualifikation abschließen konnten. Unter diesen schloss Braun als Bester seines Jahrgangs ab. 34 Johannes Braun. (Otaru-Bier, offizielle Homepage) Nach seinem Abschluß schrieb er sich an der schottischen Heriot-Watt Universität ein, um in der Heimat des Whiskey dessen Herstellung zu erlernen. Nachdem er dort nach einem Jahr seinen Abschluss erlangte, wirkte er am Aufbau eines Werks in Griechenland für das große deutsche Bierunternehmen Löwenbräu mit. Anschließend arbeitete er in einer Brennerei für schottischen Whiskey Nach 2 Jahren, im Herbst 1994, als Braun immer mehr das Verlangen überkam, wieder Bier zu brauen, wurde er darauf aufmerksam gemacht, dass ein Japaner einen Braumeister suche. Nach nicht einmal zwei Wochen begab er sich kurzerhand nach München zu einem Vorstellungsgespräch. Sein Gegenüber bei diesem Gespräch war der Verantwortliche für das Bier-Projekt der Restaurantkette Aleph aus Sapporo. Der Hauptgeschäftsführer dieser Firma, SHÔJI Akio, hatte im Jahr zuvor bei einer kleinen Brauerei einen lebhaften Eindruck vom Wohlgeschmack des Bieres gewonnen und war nun bestrebt, ein solch mit Sicherheit unverfälschtes Bier herzustellen. Dafür suchte er nun einen Braumeister. Braun hörte sich die Erläuterungen des Verantwortlichen an und gewann den Eindruck, dass die Versorgung mit Rohstoffen wie Gerstenmalz, Hopfen und Hefe wohl unproblematisch sein werde. Es blieb noch zu prüfen, Die Produktlinie von Otaru-Bier. (Otaru-Bier, offizielle Homepage) ob das Wasser in Hokkaidô geeignet für das Brauen sei und er forderte daher eine Wasserprobe an. Die erhaltene Probe erwies sich als für die Bierherstellung gut geeignetes Wasser. Im Winter des selben Jahres besuchte er gemeinsam mit Shôji einen halben Monat lang Brauereien in Deutschland. Ein gutes Verhältnis entspann sich zwischen ihnen und Braun entschied sich, künftig bei Aleph zu arbeiten. Nachdem er in Deutschland die für die neue Fabrik notwendige Versorgung mit Rohstoffen und deren Kontrollen sichergestellt hatte, ging er 1995 nach Japan. Sogleich begann er mit dem Aufbau der Fabrik, die sich unmittelbar an die Bierhalle am Ufer des Otaru-Kanals 54 anschloß. Im Juli öffnete dann das Otaru Lager No.1. 54 Der alte Kanal, der sich früher durch das Zentrum Otarus zog, ist teilweise erhalten und pittoresk von 35 Um noch mehr Menschen das Bier anbieten zu können, wurde es anschließend auch als Flaschenabfüllung verkauft. 1999 wurde die Otaru-Brauerei Zenibako im Zenibako-Bezirk der Stadt Otaru eröffnet, die eine Flaschenbier-Produktlinie mit jährlich 20.000 hl produzierte. Die Besonderheit des Otaru-Flaschenbiers ist das Belassen der Hefe. Die großen Bierhersteller filterten dagegen die Hefe ab, um so das Mindesthaltbarkeitsdatum zu verlängern und längere Transportwege zu ermöglichen. Doch Braun überlegte, dass ein Entfernen der nährstoffreichen Hefe auch den Geschmack verflachen würde und produzierte das Bier im Interesse des Geschmacks mit einer Lagerfähigkeit von nur 4 Wochen. Um den unverfälschten Geschmack deutscher Brauereien zu erreichen, legte er einen maximalen Transportweg von 100 km Radius für die Vermarktung fest. Bei meinem Aufenthalt in Deutschland habe ich mich nicht nur auf das offizielle Amt beschränkt, sondern habe, um mich auch privat aktiv mit den Einheimischen auszutauschen, aktiv an Partys und Geschäftsessen teilgenommen. Darunter war auch der äußerst vergnügliche, monatliche Stammtisch der Studenten der Japanologie der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf. Jeder, sei es ich als Diplomat oder die Studenten, wurde einfach als Mensch behandelt und stets herzlich empfangen. Dem Ortsansässigen hier wünsche ich auch einen solchen Stammtisch inklusive dem unverfälschten und von den besten Brauern hergestellten Otaru-Bier. Straßenlaternen im viktorianischen Stil gesäumt. 36 11. Eine Goldader in stillgelegter Zeche: Feinmechanik Kitanihon In Ashibetsu 55, dem ehemaligen Kohleabbaugebiet Hokkaidôs, ist ein Hersteller ansässig, der stolz auf einen Weltmarktanteil von 70 Prozent sein kann: Präzisionswerkzeuge Kitanihon Co., Ltd.. Der Hauptgeschäftsführer KOBAYASHI Eiichi stammt aus Tôkyô und trat nach seinem Schulabschluss als Manager in eine kleine Lager 56-Fabrik im Bezirk Edogawa ein. Dort wurde er als Verantwortlicher für die Steinkohle-Abbauregion von Hokkaidô abgestellt. In den 1950er Jahren florierte die Kohle-Industrie in Hokkaidô und in den Kohlewagen und Fließbändern wurden die Lager der Firma verwendet, für die KOBAYASHI arbeitete. Der Umstieg von Steinkohle zu Erdöl als Haupt-Energieerzeuger ließ jedoch der Kohleindustrie keinerlei Zukunftschancen. 1960 wurde Jôhoku Bearing Industries Co., Ltd. gegründet, begann rasch mit der Vermarktung von Lagern ins Ausland und expandierte nach Südostasien, Europa und Amerika. Gefördert durch Unterstützungsmaßnahmen staatlicher Kreditinstitute wie der Finanzkasse zur Entwicklung von Hokkaidô und der Tôhoku 57-Region, gründeten sie 1969 in einem joint-investment mit der Beteiligungsfirma Mitsui-Bergwerke in Ashibetsu die Manufaktur Feinmechanik Kitanihon Co., Ltd. und stellte aktiv Arbeiter aus dem Bergbau ein. 1970 nannte sich Jôhoku Bearing Industries in Jôhoku Handelsgesellschaft Co., Ltd. um und begann 1977 mit dem Export der Produkte von Kitanihon nach Amerika und Europa. Die Jôhoku Handelsgesellschaft wurde schließlich 1984 in Sapporo Precision Co., Ltd. umbenannt. 1980 sah KOBAYASHI bei einem innovativen Schweizer Armbanduhrenhersteller, wie dort winzige Lager von nicht mehr als 1 mm Durchmesser von Hand zusammengesetzt wurden und schätzte Lager der Firma Feinmechanik Kitanihon (oben); Miniaturlager (unten). (Feinmechanik Kitanihon Co., Ltd., Werbebroschüre.) Miniaturlager als vielversprechende Marktnische ein. Falls man eine Technik auf diesem Gebiet etablieren könnte, käme man praktischerweise mit geringen LogistikKosten aus. Die Glanzleistung des Unternehmens war dann die erfolgreiche Massenproduktion von nur 0,6 mm durchmessenden Miniaturlagern. 55 Die Stadt Ashibetsu, Unterpräfektur Sorachi, liegt im Westen Hokkaidôs, etwas nord-östlich von Sapporo. 56 Gemeint ist hier das Maschinenelement zur Führung beweglicher Bauteile wie z.B. das Kugellager. 57 Der nord-östliche Teil der japanischen Hauptinsel Honshû. 37 Derzeit erreicht Feinmachanik Kitanihon Co., Ltd. bei Miniaturlagern einen Weltmarktanteil von 70 Prozent. Ein Gästehaus für Verhandlungsgespräche wurde wurde neben dem Hauptsitz der Firma gebaut und Verhandlungspartner aus dem In- und Ausland besuchen Ashibetsu. Von einem aus Deutschland zu Verhandlungen angereisten Vorsitzenden einer Lager-Werkstatt wurde Kitanihon hoch gepriesen als “ohne wenn und aber Weltspitze in allen Bereichen, sei es Austattung, Qualität oder Management”. Es existieren bereits Verkaufsrouten in 36 Länder und so unterstützt die Firma das tägliche Leben von Menschen in aller Welt. Durch Produktion höherwertiger Produkte könne man auch als lokales Unternehmen fernab der Großstädte im internationalen Wettbewerb bestehen, meint Hauptgeschäftsführer KOBAYASHI. Mit der technologischen Leistungsfähigkeit als Grundlage konnte KOBAYASHI durch persönliche Kontakte Kooperation und Unterstützung erlangen. Des weiteren werde Wert auf die Notwendigkeit einer Einheit von Region und Industrie gelegt, wie es bei einem regionalen Unternehmen der Fall sein solle. Die 40 neuen Mitarbeiter eines Jahres stammten z.B. alle aus Hokkaidô und über die Hälfte davon sogar aus Ashibetsu selbst. Nach ihrer Einstellung würde man gemeinsam am äußerst wichtigen Punkt der Ausbildung des Bewusstseins für Problemstellungen jeden Ingenieurs arbeiten und große Anstrengung auf die Förderung von Talenten verwenden. 38 12. Dynax: Qualität und Menschlichkeit in der Automobilindustrie In der Stadt Chitose befindet sich das Unternehmen Dynax, welches Kupplungen herstellt und vertreibt, die auch von deutschen Automobilherstellern verwendet werden. Durch ein Joint-Venture der amerikanischen Unternehmen Raybestos Manhattan AG (RM) und EXEDY Corporation (vormals Daikin Manufacturing Co., Ltd.) entstand 1973 die Daikin-RM Co., Ltd.. 1989 wurde das Joint-Venture wieder aufgelöst und die Firmen unabhängig finanziert. 1990 eröffnete Produktpalette von Dynax Co., Ltd. (Dynax Co., Ltd., offizielle Homepage) in Stuttgart, wo sich viele namhafte Automobilhersteller angesiedelt haben, die erste Europavertretung und im folgenden Jahr wurde der Firmenname in den heute noch gültigen Namen Dynax geändert. Man bekommt leicht den Eindruck, dass sich Japans Industrie auf die Regionen um Tôkyô und Yokohama, sowie Nagoya konzentriert, während in Deutschland die Industrie vergleichsweise verstreut liegt. Historisch bedingt siedelten sich jedoch für jede Region charakteristische Industrien an. So entwickelte sich zum Beispiel um die Städte Velbert und Heiligenhaus, Kreis Mettmann in NRW, eine Schlüssel-Produktion, und beinahe sämtliche Schlüssel für Gebäude oder Autos werden in dieser Region hergestellt. Ebenso sind die Regionen mit Produktionsstätten für Endprodukte der Automobilindustrie die Hauptsitze der Hersteller BMW in München und Mercedes-Benz in Stuttgart. Daher neigten auch die Hersteller von für die Autoherstellung benötigten Teilen dazu, sich in Umgebung dieser beiden Städte zu sammeln. Auch Dynax errichtet seine Niederlassung wohl entsprechend dieser Regel in Stuttgart. Die Zahl der Mitarbeiter stieg von nur vier zur Zeit der Unternehmensgründung auf die heutigen 1.100 an. Auch konnten in den vier Jahren nach der Gründung zunächst keinerlei Umsatz gemacht werden, doch erwirtschaftete man im weiteren Verlauf bisher 44,7 Milliarden Yen 58 (Stand: Fiskaljahr 2008). Vom Werk in Chitose werden die Produkte nach Nordamerika, China und Europa exportiert. Ausländische Automobilhersteller wie Ford, Daimler, Chrysler und General Motors werden 58 Entsprach 2008 etwa 250 Millionen Euro. 39 ebenso mit Produkten versorgt wie japanische Hersteller wie Toyota und Honda. Mit seiner hohen technischen Leistungsfähigkeit hat Dynax mittlerweile eine hervorragende Reputation erworben und ist stolz auf seinen hohen Marktanteil im In- und Ausland. 2006 wurde Dynax beim Ersten Japanischen Großen Preis für Manufaktur, der dem Exporterfolg und der technischen Leistungsfähigkeit des Unternehmens Anerkennung zollte, der Preis des Ministers für Wirtschaft, Handel und Industrie verliehen und gewannen 2010 im Dritten Japanischen Großen Preis für Manufaktur den Preis für Exzellenz. Daneben ist Dynax auch ein Unternehmen, das seine menschlichen Ressourcen schätzt und achtet. Dynax vervollständigte sein Ausbildungssystem und stellt aktiv Studenten für Praktika ein, so zum Beispiel auch viele Studenten der Otaru Universität für Handel, meiner eigenen Alma Mater. Zur Zeit erfolgt ein beachtlicher Wechsel in der Automobilindustrie zu Fahrzeugen mit Hybrid(HV) oder Elektro-Antrieb (EV). Diese Tendenz ändert wenig am Kurs der Hersteller der Endprodukte, aber die weiter unten in der Produktionskette gelegenen Hersteller der Komponenten sind hiervon stark betroffen. Wenn ein vollständiger Umstieg der Autos auf EV erfolgt, werden Bauteile für das Treibstoffsystem und den Antrieb vollkommen unnötig und die zuliefernden Hersteller verlieren in Konsequenz ihre Aufträge. Auch die Zulieferer müssen nun Innovationen entwickeln, während sie die Entwicklungen der Automobilindustrie aufmerksam im Auge behalten. Die Produkte von Dynax werden sicherlich auch selbst nach einem Wechsel zu HV und EV benötigt werden. Mit Hilfe seiner hochkarätigen Arbeitskräften und des seine Mitarbeiter respektierende Management wird Dynax aber hoffentlich auch weiterhin seine weltweit anerkannten Innovationen fortsetzen. 40 13. Boschs eiskalte Teststrecke Charakteristisch für das Klima in Hokkaidô sind Schnee und Kälte, und das Wissen um und die Technologien für diese Besonderheit ist stetig gewachsen. Zum Beispiel wurde an der Hokkaidô Universität ein Institut für Kälteforschung gegründet, in dem auch im Hochsommer in Umweltbedingungen von unter -35°C geforscht werden kann. Auch gibt es hier bislang 25 Teststrecken für die Entwicklung von Reifen und Bremssystemen an (Business-Link Hokkaidô Nr. 27) Fahrzeugen, die die klimatischen Besonderheiten ausnutzen. Japanische Körperschaften deutscher Unternehmen haben ebenfalls Teststrecken zu Forschungszwecken errichtet. Die Werkzeuge herstellende Robert Bosch GmbH nahm ihren Anfang 1886 mit Gründung der Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik durch Robert Bosch in Deutschland. 1911 schloss man einen Vertrag mit Andrews and George in Yokohama als Geschäftsvertretung für Handel und Reparatur der Produkte von Bosch ab. 1992 wurde in Hokkaidô eine Teststrecke der Bosch AG ins Leben gerufen, in der fortan verschiedene Tests an Bremssystemen und deren Bauteilen durchgeführt wurden. Weiterhin beschloss man 2009 einen Plan zum Ausbau des Technischen Zentrums Memanbetsu 59 und investierte als ersten Schritt während der aktuellen Planungsphase 3,5 Milliarden Yen 60. Hokkaidô, von dem es hieß, dass die dortige produzierende Industrie schwach sei, nutzte die Stärken seiner klimatisch besonderen, weiten Landflächen aus und wurde zum wichtigen Stützpunkt für Forschungseinrichtungen von Unternehmen. Der Vorteil für die regionale Wirtschaft durch 59 Memanbetsu, Unterpräfektur Abashiri, war eine Stadt im Nordosten Hokkaidôs. Durch eine Städtefusion mit dem Dorf Higashimokoto im Jahre 2006 entstand die heutige Stadt Ôzora. 60 Etwa 30 Millionen Euro. 41 Erhöhung der Investitionen um 3,5 Milliarden Yen von Bosch mag nicht so sehr in der Arbeitsplatzschaffung liegen, denn im Vergleich zu den Produktionsstätten ist die Zahl der Angestellten eher gering, sondern vielmehr in dem Effekt auf die regionale Wirtschaft, den die Ansiedlung von Forschern in der Region mit sich bringt. Die Teststrecke von Automobilherstellern als Beispiel für die effektive Nutzung von Hokkaidôs Besonderheiten ist wohl auch zukünftig eine äußerst nützliche Referenz für die Möglichkeiten der Anwerbung von Unternehmen. 42 14. Von Akabira um die Welt: Itagaki Taschen ITAGAKI Emi pendelt beruflich zwischen der Stadt Akabira 61 im ehemaligen Kohleabbaugebiet Hokkaidôs und dem Stadtteil Roxförde der Stadt Gardelegen in Sachsen-Anhalt. Sie ist neben ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin des namhaften Taschen-Herstellers Itagaki Taschen außerdem für das Design zuständig. Nach ihrer Heirat mit einem Deutschen lebt sie in Gardelegen und richtete dort ein Büro von Itagaki Taschen ein. Aus dem in Deutschland besorgten Leder lässt sie die Produkte in der Werkstatt in Akabira fertigen. Ursprünglich war “Itagaki Taschen” eine Taschen-Werkstatt, die Itagakis Vater, ITAGAKI Eizô, sich aufgebaut hatte. ITAGAKI Eizô wurde 1935 in Yokohama geboren und ging 1950 mit 15 Jahren bei dem namhaften Täschner YAGI Rentarô, der auch die Taschen für die Reisen von Kaiser Shôwa fertigte, in die Lehre. Im Anschluss daran gründete er 1954 zusammen mit seinen beiden Brüdern die Sankyô Taschen-Fabrik in Tôkyô. Großformatige Umhängetasche in Form eines Sattels. (“Itagaki Taschen”, offizielle Homepage) 1971 wurde er vom technischen Leiter des großen Reisetaschen-Herstellers Ace-Luggage in Ôsaka ausgewählt, als Leiter der Entwicklungsabteilung im neu erbauten Werk von Ace in Akabira zu fungieren. In diesem Werk entwickelte und produzierte er den Samsonite und wurde zur führenden Person in der Produktion von Fließband-Massenproduktionsstraßen. 1976 zog er nach Hokkaidô und gründete dort 1982 die Werkstatt Itagaki. Ich selbst (der Autor) habe auf einer Veranstaltung Visitenkarten mit einer Angestellten von Itagaki ausgetauscht und sie später, als ich die Adresse der deutschen Niederlassung auf der Visitenkarte bemerkte, kontaktiert und viel in Erfahrung bringen können, wie zum Beispiel ITAGAKI Emis Arbeit als Designerin und Geschäftsführerin, dass sie in Deutschland ansässig ist, und dass ITAGAKI Eizô derjenige war, der in der Sattlerei Somes Saddle das Nähen von Taschen leitete. Die Taschen von Herstellern außerhalb Hokkaidôs sind gewiss nicht minderwertig, aber man sollte es auch einmal unter dem Aspekt der Industrie Hokkaidôs, die ja durch die von Gaertner 61 Die Stadt Akabira liegt in der Unterpräfektur Sorachi, nordöstlich von Sapporo. 43 initiierte 62 und von Raymon weiterverfolgte 63 Viehzucht ins Rollen kam, betrachten. Denn wenn es möglich ist, das als Nebenprodukt der Mastrind- und Milchkuhhaltung anfallende Leder zu nutzen, dieses mit in Hokkaidô produziertem Tannin zu gerben und von regionalen Betrieben zu sowohl in Design als auch der Handwerkskunst hervorragend genähten Taschen zu verarbeiten, dann besteht die Möglichkeit einer komplett in Hokkaidô durchgeführten Produktion. Im vorigen Buch wurde im Abschnitt “Nitta” bereits der Rückgang der für die Tannin-Produktion als Rohmaterial dienenden Eichenbestände in Hokkaidô und der nicht zu gewinnende Preiswettkampf mit im Ausland produzierten Tannin vorgestellt, und so scheint eine Verwendung von HokkaidôTannin nur schwer möglich. Und da sich seit jeher die Gerberei in Japan in der Kansai-Region 64 entwickelte, besteht sowieso das Problem, dass auch das handwerkliche Können von dort eingeführt werden müsste. Doch schon jetzt stellt Itagaki Taschen bereits hervorragend entworfene und verarbeitete Taschen her, und durch die international-vermittelnde Rolle von ITAGAKI Emi darf man sich schon darauf freuen, dass die in Akabira hergestellten Taschen bald in aller Welt Verwendung finden. 62 Siehe Kapitel 5. 63 Siehe Kapitel 8. 64 Eine der 7 Regionen Japans, in welcher sich u.a. die Städte Kyôto, Osaka, Nara und Kôbe befinden. 44 15. Moor-Quellen in Baden-Baden und dem Tokachigawa-Onsen Unter den verschiedenen Wasserqualitäten von Onsen 65 befindet sich auch die sogenannte MoorQuelle. Der Begriff Moor wurde als deutsches Fremdwort ins Japanische übernommen und wird für Quellen, die organisches Material pflanzlichen Ursprungs beinhalten, verwendet 66. Es wird angenommen, dass ursprünglich nur an den beiden Orten Baden-Baden in Deutschland und Tokachigawa-Onsen in Hokkaidô solche Quellen erschlossen waren. Heute wurden aber in Japan landesweit an mehreren Stellen Moor-Quellen nachgewiesen. In Deutschland ist das kurmäßige Baden zu Heilzwecken anerkannt und Aufenthalte zur Heilung in einem Kurort werden sogar von Krankenkassen übernommen, so dass auch längere Kuraufenthalte möglich sind. Vielleicht weil Japan aufgrund seines vulkanischen Ursprungs mit relativ vielen Onsen gesegnet ist, wird zwar ihr Wert für den Tourismus anerkannt, ihr Wert als Orte der Heilung ist jedoch weitgehend in Vergessenheit geraten. Doch die Existenz des Wortes Tôji im Japanischen, was soviel wie Onsen-Kur bedeutet, lässt darauf schließen, dass die Heilwirkungen der Onsen seit alters her bekannt waren. Außerdem konnten bis zur Zeit der streitenden Reiche 67 nur hohe Würdenträger die Onsen betreten und erst seit der Edo-Zeit 68 verbreiteten sich Onsen-Besuche auch beim übrigen Volk. Heute gibt es auch in Japan Bestrebungen, französische und andere Heilbäder zu imitieren und Regionen unter diesem Aspekt zu entwickeln. Deutsche Kurorte werden als Referenzen für Studien zum Design von Plänen für Onsen-Spas und ihrer Umgebung herangezogen. Für die Entwicklung einer Verbindung der Anwendungstechniken von Onsen mit einem Ausbau der Region und dem Tourismus kann, angefangen mit Baden-Baden, auf einen regen, internationalen Austausch zur weiteren Sammlung von Referenzen gehofft werden. 65 Als Onsen werden die in Japan an vielen Stellen vorkommenden, heißen Quellen bezeichnet, zu denen oftmals noch ein darum gebautes Badehaus gehört. 66 Im Tokachigawa-Onsen strömt das Wasser durch einen Gesteinshorizont mit Resten moorartiger Vegetation, bevor es die Oberfläche erreicht, und ist so neben Mineralien auch reich an organischen Stoffen wie Huminsäuren. 67 ca. 1477 - 1573. 68 1603 - 1868. 45 16. Ein deutsches Schloss auf der Ebene von Tokachi?! - Feriendorf und Schloss Bückeburg Auch in Nakasatsunai 69 gibt es einen Platz, wo sich Fachwerkhäuser, wie sie mir während meines Deutschland-Aufenthaltes so vertraut gewordenen sind, aneinanderreihen: das BauernhofFeriendorf Nakasatsunai. Das Wort Feriendorf wurde dabei unübersetzt als Fremdwort im japanischen Titel belassen und sorgt so schon im Namen für ein typisch deutsches Flair. 1991 schlug NISHI Atsuo, Hauptgeschäftsführer der Konstruktionsfirma Zenrin, den Bau eines ländlichen Feriendorfes im deutschen Stil in Nakasatsunai vor und 1992 begannen die Bauarbeiten. Um der Frage nachzugehen, warum NISHI ein deutsches Feriendorf in Nakasatsunai bauen Landhaus im Feriendorf wollte, stattete ich ihm im August 2009 einen Besuch ab. Um touristische Attraktionen zu entwickeln, beschäftigte sich NISHI mit Tourismus. Zu jener Zeit war er beeindruckt vom Tourismus nach deutscher Art und dachte daran, diesen deutschen Tourismus in Form von Rundreisen einerseits oder längeren Hotelaufenthalten andererseits nach Tokachi zu bringen. Dafür wurden zum einen zwischen Ashoro und Hiroo der Tokachi Glücks-Straße und zwischen dem Flughafen Obihiro und der Schlucht von Iwanai die Alte-Burgen Straße als touristische Reiserouten angelegt und 1989, direkt neben dem als Tor zu den Sehenswürdigkeiten von Tokachi dienenden Flughafen Obihiro, als Aushängeschild der deutsche Themenpark Glücks-Königreich eröffnet. Zur Eröffnungszeremonie des Glücks-Königreich waren unter Schloss Bückeburg im Glücks-Königreich. (Glücks-Königreich Schloss Bückeburg) anderem Seine Kaiserliche Hoheit Schloss Bückeburg, Deutschland (original). (Glücks-Königreich Schloss Bückeburg) 69 Die Ortschaft Nakasatsunai, Unterpräfektur Tokachi, liegt im Südosten Hokkaidôs. 46 Prinz Tomohito 70 und der Bürgermeister der Stadt Hanau aus der BRD bei den prunkvollen Feierlichkeiten zugegen. Zum anderen wurde für mittel- und langfristige Aufenthalte das deutsche Feriendorf in Nakasatsunai gebaut. Zwischen 1989 und 1992 war Japan auf dem Höhepunkt der Bubble Economy71 angelangt. Es scheint keine günstige Zeit für eine Akzeptanz dieser Form des deutschen Tourismus gewesen zu sein, welcher bei NISHI einen solch großen Eindruck hinterlassen hatte. Eigentlich besteht beim typisch japanischen Tourismus eher die Neigung, sich seltene, Glücks-Königreich, Schloss Bückeburg. (Foto: Januar 2010) ungewöhnliche und neue Dinge ansehen zu wollen, wie es der japanische Begriff dafür, monomi-yusan, was etwa Sich-Dinge-ansehen-und-inden-Bergen-amüsieren heißt, sehr direkt ausdrückt. Daher werden kurze, eintägige Exkursionen bevorzugt, bei denen man ein wenig die Umgebung erkundet, einige Fotos macht und Mitbringsel kauft. Auch heute noch ist es im japanischen Arbeitsumfeld nicht leicht, Urlaub für länger als eine Woche am Stück zu erhalten. Wenn dieser Zustand sich verbessert und für ein Umfeld gesorgt wird, in dem es möglich wird, mehrmals im Jahr für länger als eine Woche Urlaub zu nehmen, dann besteht wohl ein Grundlage für längere Reisen und Aufenthalte. Im Jahr des Baubeginns des Feriendorf wurde das Aushängeschild des Glücks-Königreich fertiggestellt: Schloss Bückeburg. Zu den Eröffnungsfeierlichkeiten von Schloss Bückeburg 1992 waren neben anderen auch Phillipp Ernst Fürst zu Schaumburg-Lippe 72 Restaurant im Feriendorf und 70 Prinz Tomohito (*1946) ist Erbprinz des Prinzenhauses Mikasa-no-miya und ein Cousin von Kaiser Akihito. Seine Kaiserliche Hoheit ist sein offizieller Titel. 71 Bubble Economy bezeichnet eine Hochkonjunktur, die durch eine Überbewertung von Geldanlagen wie Aktien und Immobilien entstand, wie sie in Japan zwischen 1985 und 1990 bestand. Nach platzen dieser Spekulationsblase folgte unmittelbar eine ausgeprägte Wirtschaftskrise. 72 Das originale Schloss Bückeburg in der niedersächsischen Stadt Bückeburg ist Stammsitz der 47 der Bürgermeister der Stadt Bückeburg anwesend. Leider verschlechterte sich hier, wie auch in anderen Themenparks, die Verwaltung und im Jahr 2003 wurde er vorläufig stillgelegt. Letztendlich schaut das Managements nur auf die wenig erfolgreichen Ergebnisse und die kritischen Kommentare dazu fallen ins Auge. Natürlich mag es unsinnig sein, Deutsches in Tokachi etablieren zu wollen. Aber die Vision NISHIs, der die deutsche Form des Reisens kennengelernt und einen Tourismus mit Rundreisen und Hotelaufenthalten dieser Art im Sinn hatte, mag um ihrer selbst willen einen Wert besitzen. Im Moment ist nicht deutlich, in welchem Umfang die nicht weiter gepflegt und gewarteten Gebäude auf dem Gelände des Glücks-Königreich benutzbar sind. Allerdings ist es sicher bedauerlich und eine Verschwendung, die extra aus Deutschland herbeigeschafften Fachwerkhäuser und alten Steinpflaster, die Reproduktion des Schlosses Bückeburg und all die mühevoll und mit hohem Aufwand an Arbeit, Zeit und Kosten hergestellten Dinge unbenutzt Wind und Wetter ausgesetzt sein zu lassen. Selbst wenn die Verwendung als Themen- und Vergnügungspark unrentabel ist, könnte man die verfügbaren Ressourcen nutzen und ihnen als Veranstaltungshallen oder Schulungsplätze einen neuen Zweck verleihen. Einen passenderen Ort zur Verwendung als Platz für ein Oktoberfest, bei dem auch die lokal produzierten Agrarprodukte verwendet werden könnten, oder als Säle für Opern und Konzerte kann man sich kaum denken. Einer meiner Bekannten, der bekannte Opernsänger Alfons Ebertz, findet die Vorstellung, im Schloss Bückeburg des Glücks-Königreich eine Aufführung zu geben, ebenfalls äußerst reizvoll. Der schnelle Zugang von der Stadt Obihiro aus wäre mit einem Shuttlebus ab dem Bahnhof Obihiro der Hokkaido Railway Company wohl gut realisierbar und Übernachtungsmöglichkeiten wären im Feriendorf gegeben, wo man sich auch das Vergnügen gönnen könnte, bei einer Kutschfahrt durchgeschüttelt zu werden. Wenn man die Gefühle der für das Glücks-Königreich Verantwortlichen berücksichtigte, wäre es vielleicht besser gewesen, dieses Thema hier nicht aufzugreifen. Ich hatte anfangs auch vor, hier nur das Feriendorf vorzustellen. Aber während ich mir Herrn NISHIS Gedanken dazu anhörte und die erhaltenen Materialien durchging, wollte ich doch ein akkurates Verständnis des Glücks-Königreich bekommen, in das die Emotionen und Erwartungen so vieler Beteiligter geflossen sind. So ist es, sich der Stelle von Glücks-Königreich für Kuriosität nicht zu nähern, die ich meiner Leser erwarte. ehemaligen Fürsten zu Schaumburg-Lippe. 48 Auf der anderen Seite kann man in den Landhäusern des Feriendorfes auch heute noch zu moderaten Preisen unterkommen. Wie wäre es, aus dem gehetzten Alltag auszubrechen und dort selbst einmal die Erfahrung eines längeren Aufenthalts zu machen? Nachdem man morgens vom Zwitschern der Vögel geweckt wurde, kann man ein Frühstück mit Gemüse von den hauseigenen Feldern und Eiern der freilaufenden Hühner genießen. Wie schön ist es, wenn die Zeit friedvoll vergeht, während man im Wald den Eichhörnchen zuschaut, oder, wenn es kalt zu werden beginnt, ein paar Scheite in den Kamin nachzulegen und sich dort zu wärmen. Die Zeit in dieser Weise zu nutzen und der Wert dieser Lebenseinstellung dringt nun wohl endlich auch nach Japan durch. Heute gibt es auch in Hokkaidô Städtepartnerschaften mit Deutschland. So ist München Partnerstadt von Sapporo und das ebenfalls bayrische Wasserburg von Betsukai. Daneben haben auch die Industrie- und Handelskammern der Städte Obihiro und Kassel ein Bündnis abgeschlossen und auch Herr NISHI pflegt heute immer noch die zur Zeit der Konstruktion des Glücks-Königreich aufgebauten Beziehungen zu Deutschland. Als ich Herrn NISHI besuchte, durfte ich Unterlagen für einen geplanten deutsch-japanischen Zeitungsartikel einsehen, der die freundschaftlichen Beziehungen bei einem Schüleraustausch mit der Stadt Spangenberg aufzeigen werde. Es ist ein einfaches Geschäftsprinzip und gilt nicht nur für Themenparks, dass Geschäfte ohne entsprechende Nachfrage nicht zustande kommen können. Nach der Erfahrung des schnellen Wirtschaftswachstums und Platzens der Bubble Economy Spekulationsblase geraten heute überall im Land die einmal fast ins Vergessen geratenen, regionalen Ressourcen ins Licht der Aufmerksamkeit und Bestrebungen für ihre erneute Verwendung sind auf dem Vormarsch. Hokkaidô wird zwar als Region mit nur wenig Geschichte angesehen, aber es besitzt einschließlich seiner Natur, Kultur und Industrie viele, sehr faszinierende Seiten. Vielleicht sollte man die von NISHI angelegte Tokachi Glücks-Straße und den Tourismus per Rundreise oder längerem Hotelaufenthalt auch noch einmal in neuem Licht sehen und so ein noch größeres Interesse und Verständnis der Strategien des deutschen Tourismus gewinnen. 49 17. Deutsche Gesundheitsschuhe: Ritz, Alpha-Miki und Benher • Deutsche Gesundheitsschuhe Ritz Die Türen des Fachgeschäfts für deutsche Gesundheitsschuhe Ritz wurden erstmalig 2002 im Stadtteil Maruyama von Sapporo geöffnet. Der Repräsentant INOUE Ryô konnte bereits Arbeitserfahrungen in einem Schuhgeschäft in England sammeln. Es werden Produkte von vier europäischen Firmen mit Deutschland in zentraler Rolle importiert und vertrieben. Beim Verkauf werden dann noch den Füßen der Kunden entsprechende Anpassungen vorgenommen. Gesundheitsschuhe werden in Deutschland mit traditionellen Verfahren hergestellt, die auf den schon seit langem bestehenden Fertigungstechniken für orthopädische Schuhe basieren. Beim Kauf können gelegentlich sogar Zuschüsse der Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Als das Ritz neu eröffnet hatte, war ein deutscher Fachmann für die individuellen Anpassungen der Schuhe zuständig, doch heute übernimmt INOUE diese Aufgabe selbst. • Alpha-Miki Alpha-Miki ist der Name eines Schuhgeschäfts, das 1988 von KIDA Michiko eröffnet wurde. 20 Jahre zuvor lernte sie während eines Aufenthalts in Tôkyô von einem deutschen Orthopädieschuhmachermeister hergestellte Sandalen kennen. In einem deutschen Meisterbetrieb für orthopädische Schuhe geht es zweifellos um Fußpflege. Durch Beratung kann Fußproblemen vorgebeugt werden, für die Füße passende Schuhe ausgewählt werden und individuelle Anpassungen vorgenommen werden. Obwohl KIDA sich nach ihrer Rückkehr nach Sapporo an ein namhaftes Schuhgeschäft wandte mit dem Vorschlag, dort künftig doch auch Fußpflege und von Orthopädieschuhmachermeistern gefertigte Schuhe anzubieten, stieß ihr Vorschlag vor dem Hintergrund der Bubble Economy zunächst auf wenig Anklang. Daher eröffnete sie kurzerhand selbst mit dem Alpha-Miki ein Geschäft für orthopädische Schuhe. Zwei Tage im Monat kommt der Orthopädieschuhmachermeister Lutz Behle zu Beratungsgesprächen für Füße und Schuhe und der Schuhherstellung der Angestellten ins AlphaMiki, was äußert lehrreich sei. Des weiteren besucht KIDA mitsamt ihren Angestellten die zweimal jährlich im Frühjahr und Herbst stattfindende Internationale Fachmesse der Schuhindustrie für Schuhe, Schuhmode und Schuhdesign - GDS in Düsseldorf zur Fortbildung und Einkäufen. In 50 derselben Firma wurde der Beruf des Orthopädieschuhtechnikers ins Leben gerufen. KIDA übernimmt als die einzige in Hokkaidô die verantwortungsvolle Führung unter den landesweit nur 16 weiteren mit dem Titel Master of shoe-fitting und strebt nach einem bestmöglichen Sitz ihrer Produkte. Laut KIDA könne man vor den jetzt bestehenden Theorien und Techniken zur bestmöglichen Nutzung der Funktion der Füße, die auf den deutschen konservierenden Heilverfahren basieren, nur den Hut ziehen. • Schuhgeschäft Benher-Gesundheitsschuhe KANNO Ken'ichi vom Schuhgeschäft für Gesundheitsschuhe Benha in Asahikawa 73 wurde in Deutschland zum staatlich geprüften Orthopädieschumacher-Gesellen ausgebildet . Außerdem ist er Schuhanpasser und technischer Berater in der Vereinigung des japanischen Einzelhandels und Mitglied im Verein für orthopädische Schuhe in Japan. 73 Die Stadt Asahikawa, Unterpräfektur Kamikawa, liegt im Nordwesten Hokkaidôs. 51 18. Deutsches Restaurant, deutsche Konditorei und deutsche Bäckerei Der Eigentümer und Koch des Neu GardenCourt in Tanukikôji 74 serviert Speisen, in die seine Erfahrungen von Aufenthalten in Deutschland und Frankreich eingeflossen sind. Das ursprünglich nur GardenCourt heißende Geschäft wurde im November 2002 umgestaltet und fortan Neu GardenCourt genannt. Das deutsche Menü im Neu GardenCourt besteht hauptsächlich Innenansicht des Neu GardenCourt. (Neu GardenCourt, offizielle Homepage) aus bayrischen Spezialitäten, aber auch die berühmten, in Brühe gegarten Maultaschen, deren japanische Gegenstücke übrigens Gyôza heißen, können dort genossen werden, obwohl sie eine Spezialität des schwäbischen Maulbronn sind. Das gleich neben der medizinischen Fakultät der Universität Sapporo gelegene Danke Schön wurde im November 2004 von Außenansicht des Danke Schön. (Danke Schön, offizielle Homepage) Inhaber und Koch ENDÔ Sadami eröffnet, der übrigens auch das Lamm Haus Kekere gleich nebenan führt. Das Danke Schön hat nur um die Mittagszeit geöffnet. Unter Verwendung seiner mit einer langjährigen Ausbildung in Deutschland, der Schweiz und Schweden bereicherten Erfahrungen und dem eigenhändigem, sorgfältigen Prüfen saisonaler Zutaten auf dem Markt bietet er europäische Gerichte an, die mit ökologisch angebautem Gemüse zubereitet wurden. Mit dem Schönwasser, das sich im Shin-Chitose Flughafen 75 befindet, hat ein weiteres Restaurant mit deutschen Gerichten eröffnet. Das Restaurant bietet zur Zeit hauptsächlich Gerichte im europäischen Stil wie zum Beispiel Würstchen an. In diesem Restaurant kann man auch das in der nahegelegenen Stadt Chitose gebraute, regionale Bier der Marke Pirikawakka probieren, dessen Name aus der Ainu-Sprache stammt und auch „schönes Wasser“ bedeutet. Hokkaidô Bier 74 Tanukikôji liegt im Stadtviertel Chûô von Sapporo. 75 Der Neue Flughafen von Chitose oder Shin-Chitose Airport liegt einige Kilometer südlich der Städte Chitose und Tomakomai und ist für die Region um Sapporo zuständig. 52 Pirikawakka wurde ursprünglich 1998 von der Brauerei Beer Works Chitose Co., Ltd. unter dem Namen Chitose Local Beer Pirikawakka eingeführt. Die Marke wurde 2005 in Hokkaidô Bier Pirikawakka umbenannt und seit 2006 von Kôjinsha Co., Ltd. verwaltet. Daneben findet seit 2008 in Chitose das Oktoberfest-in-Hokkaidô statt, an dem ich wohl dieses Jahr auch einmal teilnehmen werde. MURAGISHI Hiroshi, der Inhaber und Chef des Schönberg in Niseko 76, ging vier Jahre lang in Deutschland in die Lehre und stellt nun Würste her, die nach einer langen trial-and-errorEntwicklungsphase auch den japanischen Geschmack trafen. 1999 gewann er den Zweiten Preis in der Kategorie Anspruchsvolle Küche beim in Hokkaidô abgehaltenen, Ersten Wettbewerb für vornehmlich regionale Zutaten verarbeitende Pensionen. IWAKAWA Yoshihisa, Inhaber und Konditor der in Shiroishi 77 gelegenen, deutsch-schweizerischen Konditorei Biena Maja 78, wurde im berühmten Paul Götze in Kichijôji 79 ausgebildet. Hier kann man die in deutschen Konditoreien häufig zu sehenden Süßwaren zu moderaten Preisen erstehen. Der Berliner Wolfgang Paul Götze, IWAKAWAs Lehrer, war als Konditor in Deutschland, der Schweiz, Amerika und Japan tätig. Als Außenansicht des Biene Maja. (Biene Maja, Homepage) Autor des Buches Moderne Schweizer Konditorei (in Japan erschienen als Gendai Suisu Kashi no subete) übte er großen Einfluss auf die Verbesserung der Techniken für westliche Süßwaren in Japan aus. Heute konzentrieren sich seine Tätigkeiten vor allem auf Vorträge. In Sapporo gibt es auch einige deutsche Bäckereien. So wurde zum Beispiel das Brot von Burg, das Filialen neben der Uniklinik von Sapporo und dem Tôkyû-Kaufhaus besitzt, auch bei Japanern schnell beliebt. Die Bäckerei DOLPHY am Bahnhof Shin-Sapporo bietet Brot an, das mit in Hokkaidô produziertem Weizen- und Roggenmehl gebacken wird. Seit der Eröffnung sind bereits 30 Jahre vergangen und etwa 25 verschiedene Brotsorten reihen sich in der Auslage des Geschäfts. In Makomanai 80 befindet sich die Bäckerei KORB, die deutsches Brot und dänisches Gebäck 76 77 78 79 80 Der Skiort Niseko befindet sich westlich des Shin-Chitose Flughafens. Shiroishi ist ein Stadtteil im Osten von Sapporo. Siehe Kapitel 7. Kichijôji ist eine Gegend im Stadtviertel Musashino von Tôkyô. Makomanai ist eine Gegend im Stadtteil Minami, der die südöstliche Hälfte Sapporos einnimmt. 53 ohne künstliche Aromen und andere Zusatzstoffe verkauft. Die Inhaberin der Bäckerei Meister Ruppel im Inazumi 81-Park, Ôyama Hisui, konnte das Brot, das sie vor 40 Jahren in Deutschland gegessen hatte, nicht vergessen und brachte sich selbst das Brot-Backen bei. Das Brot im Ruppel ist ein festes Brot mit Roggengeschmack, ganz in der Art traditionellen deutschen Brotes. Da sich das Geschäft relativ nah an meiner (des Autors) eigenen Außenansicht des Meister Ruppel. Wohnung befindet, kaufe ich dort öfters ein und hoffe, dass sie auch weiterhin köstliches, deutsches Brot anbieten werden. Die Bäckerei Shimadaya hinter Sapporos Kita-Oberschule verlegte ihr ehemals im Stadtteil Higashi gelegenes Geschäft zum heutigen Standort. Nach seiner Ausbildung in Tôkyô eröffnete der Inhaber dieses Geschäft in Sapporo. Des weiteren gibt es in Hokkaidô an vielen Orten Geschäfte mit deutschem Brot, die ich leider nicht alle erfassen konnte. Daher habe ich mich hier auf die Vorstellung der Geschäfte in Sapporo beschränkt. Die Themen zu den Beziehungen in der Landwirtschaft zwischen Hokkaidô und Deutschland, die ich in diesem Buch vorstellen wollte, sind zahlreich. Was ich in Deutschland zu schätzen gelernt habe, ist der möglichst verschwendungsfreie Genuss von Fleisch. Die oft nur als Abfall betrachtete Leber wird beispielsweise zu leckeren Leberknödeln verarbeitet und die aus Blut hergestellte Blutwurst ist eine Delikatesse. Auch in Hokkaidô gibt es viele frische Fischprodukte und es gibt in dieser Beziehung vielleicht von Deutschland nicht unbedingt viel zu lernen. Aber wenn wir das Beste aus den jeweiligen Vorzügen wie Fleischverarbeitungstechniken oder wohlschmeckende Zubereitungsarten von Kartoffeln machen können, trägt das sicherlich zur Erweiterung der Horizonte bei. Wie im vorigen Buch erwähnt ist es wohl ein Privileg der Bewohner Hokkaidôs, weißen Spargel mit Milchprodukten aus Hokkaidô zuzubereiten und mit Bier oder Wein zu geniessen, und ihn, im Gegensatz zum Rest des Landes, das ihn nur unter der englischen Bezeichnung white asparagus kennt, als Spargel zu bezeichnen. 81 Der Inazumi-Park befindet sich im Stadtteil Teine im Westen von Sapporo 54 Weil Plätze wie Restaurants, Konditoreien oder Bäckereien Kanäle für sowohl kulinarischen als auch wirtschaftlichen Austausch sind, werden hoffentlich auch künftig Aktivitäten stattfinden, die diesen Austausch fördern. 55 19. 150 Jahre deutsch-japanische Freundschaft Um das Jahr 2010 reihen sich die Veranstaltungen zum Jubiläum der 150 jährigen Freundschaft mit verschiedenen Ländern, denn in Folge der Öffnung Japans durch den Niedergang des Tokugawa-Shogunats wurden kurz nacheinander Verträge mit den europäischen und amerikanischen Großmächten geschlossen. Inoffiziell gehen die Beziehungen mit Deutschland bis 1690 zurück. Erhaltene Dokumente belegen die Ankunft des aus Lemgo stammenden Engelbert Kaempfer in diesem Jahr als Arzt einer holländischen Handelsgesellschaft. Offiziell begannen die Beziehungen zwischen Deutschland und Japan erst 1861 mit dem japanisch-preußischen Handelsabkommen. Für 2011 wurden für beide Länder zahlreiche Veranstaltungen zum 150. Jubiläum geplant. Ich habe nun in diesem und dem vorigen Buch eine Vielzahl von Beispielen für die Beziehungen zwischen Deutschland und Japan vorgestellt. Mit rapiden Fortschritten im Bereich der Transportmöglichkeiten und des Informationsaustausches gehen wir einer Zeit ohne Grenzen entgegen, in denen selbst Informationen aus zehntausend Kilometer entfernten Ländern ohne Zeitverlust verfügbar sind. Doch nur wenige Jahrzehnte zuvor gab es kaum eine Entwicklung der Transport- und Informationswege und es mussten große Mühen aufgewandt werden, um auch nur an eine einzige Information zu gelangen. Ich kann den Errungenschaften dieser Pioniere nur Bewunderung entgegenbringen, die in jenen Zeiten durch fremde Länder reisten, ihre Kenntnisse erweiterten und viele Dinge lernten, um diese dann nach ihrer Heimkehr bestmöglich zu nutzen. Große Schneeskulptur der Dresdner Frauenkirche beim Sapporo Schneefest Frauenkirche in Dresden Es sind vielleicht nicht die beiden Js 82 von UCHIMURA Kanzô 83, aber auch ich wollte selbst einen Beitrag leisten für die beiden Ds, denn Deutschland ist neben Hokkaidô, wo ich geboren wurde und aufgewachsen bin, meine zweite Heimat geworden. 82 Jesus und Japan steht hier repräsentativ für die vom Christen UCHIMURA gleichermaßen geschätzen Werte des Christentums und Japans. Hokkaidô wird, oft in Verbindung mit anderen Begriffen zu „Dô“ verkürzt und so stehen die „beiden „Ds“ des Autors hier für (Hokkai)Dô und Deutschland. 83 Autor, protestantischer Christ und Begründer der Mukyôkai-Bewegung, welche die institutionalisierte Kirche ablehnt und die christliche Religion ohne Kirchenbauten und Klerus praktiziert. 56 2002 wurde erfreulicherweise auch in Sapporo, deren Partnerstadt München ist, der Münchener Weihnachtsmarkt in Sapporo eröffnet, womit während der Jubiläumsjahre also auch deutsche Bräuche Wurzeln zu schlagen beginnen. 2010 wurde beim Schneefest in Sapporo unter anderem auch die Dresdener Frauenkirche als riesige Schneeskulptur umgesetzt und konnte nicht nur die Einheimischen, sondern Touristen aus aller Welt erfreuen. Bei der 150-Jahrfeier 2011 werden hoffentlich auch in Hokkaidô noch mehr Veranstaltungen als bisher zur Förderung der gegenseitigen, freundschaftlichen Beziehungen beider Länder umgesetzt. Auch wird es interessant sein zu sehen, ob auch 2017, zum 150 jährigen Jubiläum der 1867 von Gaertner initiierten, modernen Landwirtschaft und des Obstanbaus, Veranstaltungen zur deutschjapanischen Landwirtschaft abgehalten werden können. Ich hoffe, dass einmal das Beste aus Brauerei und Kelterei, Fleischverarbeitung und Landwirtschaft, insbesondere aus den in diesem Buch erwähnten, eng damit in Verbindung stehenden Orten wie Nanae, Sapporo und Tokachi, versammelt wird und es nicht bei einer einzigen Veranstaltung bleibt, sondern mittel- und langfristig zu weiteren Entwicklungen der beiden Regionen Hokkaidô und Deutschland führen wird. 57 Literaturverzeichnis http://www.newsdigest.de/newsde/index.php?cucoaction%5B0%5D=edit&option=com_co ntent&task=view&id=1530&Itemid=108 Doitsu no Jitsujô, Außenministerium der Bundesrepublik Deutschland EVEC Co., Ltd., offizielle Homepage Kinosen'i Co., Ltd., offizielle Homepage Landcafé, offizielle Homepage TOGASHI, Rintarô: Hakodate urimasu. Jitsugyô no Nihonsha. http://www.hokudai.ac.jp/bureau/populi/edition07/series.html http://www.pointplus.jp/2008/01/k.html KAITO, Akihiko: Nôgyô Kenshûsei to Doitsu o arukô 2. Dôgu no Chigai ni mo Ibunka o Jikkan. Asahikawa shusshin no kenkyûsei. In: New Country 2009.8. Hokkaidô-chô ga Shouhei shita Hokuô no Gaijin Mohan Nôka – Sapporo Makomanai Shuchikujô no Môten Râsen to Sapporo Kotoni-mura Nôjishikenjô no Emîru Fengâ Tokachi-chiku Tensai Nôka no Furîdorihhi Kohho (Tokachi Shimizu) to Uiruherumu Gurabau (Obihiro) - . HOMAS News Letter Nr. 54. http://www.city.hakodate.hokkaido.jp/ http://ja.wikipedia.org/ http://www.raymon.co.jp/ http://www.ashir.net/plaza/shop/braunlingen/ Sapporo Barnabas Co., Ltd., offizielle Homepage Eff Eff, offizielle Homepage Tonden Farm, offizielle Homepage http://www.nitten.co.jp/column/whats.html 58 http://www.yomiuri.co.jp/e-japan/hokkaido/kikaku/ http://www.pref.hokkaido.jp/keizai/kz-krkyt/blink/no27/no27_01.html Hokkaidô ni okeru Jidôshasangyô Shûseki ni mukete. Nihon Seisaku Tôshi Ginkô Hokkaidô Shiten, 1997. Kitanihon Seiki Co., Ltd., offizielle Homepage Dynax Co., Ltd., offizielle Homepage Kaban no itagaki, offizielle Homepage http://mytown.asahi.com/hokkaido/news.php?k_id=01000260911300001 Alpha-Miki, offizielle Homepage http://www.sapporoteku2.net/journal/02spot/post_65.html Kenkôkutsu Benher Kutsuten, offizielle Homepage Neu GardenCourt, offizielle Homepage Danke Schön, offizielle Homepage Schönberg, offizielle Homepage Biene Maja, offizielle Homepage 59 60 Lebenslauf des Autors WATANABE Masato Unterabteilung für Erhebungen zur Entwicklung, Abteilung zur Entwicklungsüberwachung, Hokkaidô Entwicklungsbehörde, Ministerium für Land, Infrastruktur, Transport und Tourismus 11/1969 geboren in Sapporo bis zum Abschluss der Oberschule wohnhaft in Obihiro und Otofuke 03/1995 Abschluss mit M.A. in Unternehmensrecht an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Otaru Universität für Handel Angestellter in einem privaten Unternehmen 04/1998 Anstellung bei der Hokkaidô Entwicklungsbehörde 04/2004 Anstellung beim Ministerium für Land, Infrastruktur, Transport und Tourismus in Kasumigaseki, Tôkyô 03/2006 Vize-Konsul am Japanischen Generalkonsulat in Düsseldorf 05/2009 heutige Position Forschungsbeiträge / Wissenschaftliche Publikationen WATANABE, Masato: GATT 84/WTO 85-System und die Sicherheit von Lebensmitteln 1 (「GATT/WTOシステ ムと食品の安全性(上)). in: Shôgaku Tôkyû (商学討究; The economic review) 46/4. WATANABE, Masato: GATT/WTO-System und die Sicherheit von Lebensmitteln 2 (「GATT/WTO システム と食品の安全性(下)」. in: Shôgaku Tôkyû 48/1. 84 Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade). 85 Welthandelsorganisation (World Trade Organization). 61 Vorträge, etc. 10/2008 Beziehungen und Tendenzen von deutschen und japanischen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen zu Mittel- und Osteuropa (ノルトライン・ヴェストファーレン州内独企業及び日本 企業の中東欧との関係 及び動向). 08/2009 Konferenz zur Situation in Mittel- und Osteuropa, Wien. Gedanken zum Tourismus in Hokkaidô an einem deutschen Beispiel. Sapporo-Minami Rotary-Club. 03/2010 Pioniergeist in einer Zeit ohne Grenzen – Sonderedition. Abgeordneten-Union zur Deutsch-Japanischen Freundschaft des Parlaments von Sapporo. Daneben weitere Schulungsvorträge auf Einladung von Unternehmen während des Aufenthaltes in Deutschland. WATANABE Masato sieht seine heutige Lebensaufgabe darin, die Erfahrungen aus den drei Jahren und 2 Monaten Dienst in Deutschland anzuwenden, um damit die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Japan zu vertiefen und seine Vision von der wirtschaftlichen Zukunft Hokkaidôs zu verwirklichen. Im Januar 2009 veröffentlichte er das Buch Der Pioniergeist eines grenzenlosen Zeitalters - Von Pionieren, die sich den Herausforderungen einer Zeit ohne Grenzen stellen (Konkrete Beispiele für Aktivitäten von Unternehmen mit Bezug zu Hokkaidô und Deutschland) (ボーダレス時代のフロンティア精神 国境なき時代に挑戦する開拓者達(ドイツ・北海道に 縁のある企業活動の事例から)) und im April selben Jahres wurde die deutsche Fassung des Manuskripts herausgebracht. Kurz nach seiner Heimkehr im Jahr 2009 heiratete er eine Japanerin, die er in Deutschland kennengelernt hatte, und im März 2010 wurde ihre erste Tochter geboren. Im Moment lebt er in Sapporos Stadtteil Teine und ist Mitglied der Deutsch-Japanischen Gesellschaft von Hokkaidô. 62 WATANABE Masato 2010 63