Motorpferd, Dieselross und Bulldog

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Motorpferd, Dieselross und Bulldog
Trendsetter
Motorpferd, Dieselross
und Bulldog
Von Elke Unger
Lötlampen zum Anlassen von Glühkopfmotoren.
MWM Motorpferd, 1925.
Hanomag SR 45, 1936.
Hanomag R 455 S, 1959.
Hanomag WD 28, 1928.
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Geschichtlich betrachtet, ist es noch gar nicht so lange her, dass Bauern
ihre Ochsen oder Pferde vor den Pflug spannten. Noch zu Beginn des 20.
Jahrhunderts wurden Feldfrüchte meist von Hand geerntet, das Getreide
mit dem Dreschflegel gedroschen, Wiesen mit der Sense gehauen und Heu
mittels Holzkarren in die Scheune gebracht. Die Erfindung der Dampfmaschine durch den Schotten James Watt und die darauf folgende industrielle
Revolution begannen jedoch auch das Leben auf dem Land zu verändern. Es
vergingen keine dreißig Jahre, da wurden in Großbritannien schon die ersten
Dampf-Lokomobile zum Betreiben von Dreschmaschinen, Getreidemühlen
und Strohpressen eingesetzt, und die Mechanisierung schuf neue Möglichkeiten in allen Bereichen der Landwirtschaft. Der Engländer John Fowler
entwickelte ein Pflugsystem bei dem zwei am Feldrand fahrende Dampfmaschinen einen Kipp-Pflug, Krümler oder eine Egge mit Hilfe eines Stahlseils
abwechselnd über das Feld zogen. Auch in Deutschland wurden solche Lokomobile bis zum ersten Weltkrieg auf großen Feldflächen eingesetzt. Doch
auf den kleinen Bauernhöfen blieben Mensch und Tier noch lange Zeit die
billigere Arbeitskraft.
Ende des 19. Jahrhunderts folgten weitere wichtige Erfindungen, die die
Arbeit in der Landwirtschaft erleichterten. 1863 baute Nikolaus August Otto
seine erste Gaskraftmaschine und 1875 meldete Gottlieb Daimler einen verbesserten Gasmotor zum Patent an. Fünfzehn Jahre später entwickelten die
Engländer Herbert A. Stuart und Richard Hornsby den ersten Zwei-TaktGlühkopfmotor und 1892 erfand der deutschstämmige Amerikaner John
Froelich zusammen mit William Mann einen Traktor mit Verbrennungsmotor, den sie in Langford, South Dakota an eine Dreschmaschine koppelten.
Die Entdeckung des Öls in Amerika und die riesigen landwirtschaftlichen
Anbauflächen boten gute Voraussetzungen für die Verwendung von Benzintraktoren, die in jener Zeit noch tonnenschwere Maschinen waren. 1897
wurde der Dieselmotor erfunden, der wenige Jahrzehnte später in optimierter Form in fast allen Traktoren zur Anwendung kommen sollte.
Der Begriff Traktor wurde erstmals 1906 von der Firma Hart-Parr in
Madison, Wisconsin verwendet, und 1917 entwickelte Henry Ford seinen
Fordson-Ackerschlepper, dessen Vier-Zylinder-Motor mit Getriebe und
Hinterachse in einer selbsttragenden Einheit ohne Rahmen verbunden war.
Da der kleine Traktor wesentlich leichter und wendiger war als die schweren Modelle der Konkurrenz und obendrein auch mit vielen Teilen aus
dem Automobilbau in Blockbauweise preiswert auf dem Fließband gefertigt
wurde, konnte Ford bis 1928 über 750.000 Stück seiner Traktoren weltweit
verkaufen.
In Deutschland dauerte es durch die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges
bis Anfang der 1920er Jahre bis die ersten Traktoren auf den Markt kamen.
Ab 1918 entwickelte der Konstrukteur Dr. Fritz Huber in der Maschinenfabrik Lanz einen robusten, unempfindlichen Glühkopfmotor, der mit billigem Schweröl und Ölabfällen angetrieben werden konnte. Aufgrund seines
Doggen-ähnlichen Zylinderkopfes bekam er den Beinamen „Bulldog“. 1921
stellte das Heinrich-Lanz-Werk in Mannheim ihren ersten Rohölschlepper
auf der Ausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in Leipzig vor, der aber noch eher wie eine stationäre Maschine auf Eisenrädern
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aussah und für die Feldarbeit untauglich war. Recht schwer waren auch die
Traktoren des Motorenherstellers Deutz
in Köln, der sich den Lanz-Bulldog zum
Vorbild genommen hatte, und Hanomag
in Hannover war das erste Unternehmen,
das 1924 den technisch verbesserten, mit
Benzin und Petroleum betriebenen Radschlepper R26 vorstellte, der allerdings
für kleine Betriebe noch zu teuer war.
Erst das leichte „Dieselross“ aus Markt
Oberdorf im Allgäu und die technischen
Verbesserungen des sechs PS starken
Kleinschleppers mit seinem fahrunabhängigen Mähwerk und einem AnbauKramer Werbeplakat.
pflug führten Ende der 1920er Jahre dazu,
dass auch kleine landwirtschaftliche Betriebe Traktoren kaufen und so im
Wettbewerb mithalten konnten.
Das Traktormuseum in Gebhardsweiler, ein Ortsteil von UhldingenMühlhofen am Bodensee, veranschaulicht eindrucksvoll die technische
Entwicklung in der Landwirtschaft der letzten hundert Jahre und lässt die
Herzen aller Traktorfreunde höher schlagen. In den weiträumigen Hallen
eines ehemaligen Bauernhofs stehen über 200 fahrtüchtige, liebevoll restaurierte Traktoren und bei einem Rundgang können die Besucher den wohl
ältesten Versuchstraktor auf Holzrädern der Firma Bergmann in Gaggenau
aus dem Jahre 1906, ein fast zweieinhalb Tonnen schweres Motor-Pferd aus
dem Jahre 1925 und einen schnittigen Porsche Master 418 aus Friedrichshafen bestaunen. Hier stehen Lanz-Bulldog Traktoren, ausgerüstet mit Seilwinden oder Halbketten für schwere Erdböden, Deutz Traktoren aus Köln,
Hanomag-Schlepper, wie die seltene Straßenzugmaschine SR45 und der
„Bauernschlepper“ Hanomag RL20 neben Dieselrössern aus Markt Oberdorf, Schlüter-Traktoren aus Freising, Ursus-Maschinen aus Wiesbaden und
Kramer-Modellen, den so genannten „Allesschaffern“ aus einer Zeit in der
viele Zusatzgeräte für Traktoren entwickelt wurden. Und neben den vielen in
Deutschland hergestellten Traktoren, deren verkehrsrechtliche Bezeichnung
im Amtsdeutsch eigentlich „Zugmaschine“ lautet, sind auch Schlepper und
Traktoren mit Glühkopfmotoren aus der Schweiz, aus Österreich, Italien,
Frankreich, England, Schweden, Australien, Kanada und den USA zu sehen.
Im Museum stehen die Traktoren nicht einfach nur nebeneinander. Der
Besucher betrachtet sie wie in einer Scheune oder Werkstatt mit Werkzeugen
und landwirtschaftlichen Geräten. Die Ausstellungsfläche ist fast ein kleines
Dorf, hier eine alte Schmiede, wo auf dem Amboss noch Hufeisen und Radreifen bearbeitet wurden, und dort die Werkstatt eines Schuhmachers und
eines Böttchers mit mehr als 10.000 Werkzeugen. An einer Shell-Tankstelle
„riecht“ es nach Öl und Diesel, in einem Holzregal stehen Petroleumbehälter
und Lötlampen, die einst zum Vorwärmen der Glühkopfmotoren dienten,
und in einer Dieselross-Vertretung kann man einen Wagenheber „ausleihen“.
Die jüngsten Besucher können in einen alten Spielzeugladen und eine
Schule mit hölzernen Bänken und Tintenfässern schauen. Und die Ausstellung zeigt auch, wie die Mechanisierung bei der Herstellung von Butter
sowie beim Waschen und Bügeln Einzug hielt, so dass selbst Frauen gern
ihren an der Technik begeisterten Männern ins Traktormuseum folgen, wo
so mancher Großvater voller Stolz auf einen betagten Schlepper zeigt und
zu seinem Enkel sagt: „Ich kann mich noch gut an jenen Tag erinnern, als
ich mit dem Traktor das erste Mal zur Ernte aufs Feld gefahren bin.“
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Fotos: Jörg M. Unger, fotografiert im Traktormuseum Uhldingen-Mühlhofen
Kramer K 30, 1942.
Lanz Bulldog HN 3, 1940.
Lanz Bulldog HR 7, 1938.
Lanz Bulldog HR 8, 1935.
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