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Kulturlandschaftliche Spuren der Auswanderung Günter Mertins Die mittelalterliche Kirchenburg in Tartlau (Prejmer), Rumänien, gehört zum UNESCO Weltkulturerbe Die verschiedenen Auswanderungswellen aus deutschsprachigen Gebieten haben seit Ende des 17. Jahrhunderts schon in vielen europäischen und überseeischen Gebieten Volksgruppen entstehen lassen, die über Generationen ihre Kultur tradiert und gepflegt haben, was sich auch in der Kulturlandschaft niederschlug. Darunter werden in erster Linie Siedlungsstrukturen (Grundriss, Haustypen) und Flurformen verstanden, ferner Siedungs- und Ortsnamen, die auf die Gründer und/oder deren Herkunft verweisen. Wichtig sind des Weiteren die Aktivitäten deutscher Vereine, vor allem die Ausrichtung deutscher Kulturveranstaltungen und Feste (Oktoberfest!), die Auswirkungen auf die Fassadenphysiognomie sowie auf die touristische Infrastruktur (Läden, Restaurants, Hotels etc.) hat. Auswanderungsvolumen, -gründe und -phasen Schon vor dem Einsetzen der Massenauswanderung im 19. Jahrhundert gab es in Deutschland eine transozeanische Wanderung. Sie begann mit der Auswanderung von 13 Familien aus Krefeld nach Pennsylvania (USA), die dort 1683 die erste deutsche Siedlung Germantown gründeten. Insgesamt nennt der erste Zensus der USA für 1790 die Zahl von 257.775 Deutschen, wobei zwischen Auswanderern und Nachkommen früherer Auswanderer nicht unterschieden wird. Erst ab 1820 liegen Ausbzw. Einwanderungsstatistiken vor, wonach 1820-1988 insgesamt 7.026.258 Deutschsprachige in die USA auswanderten 쐃. Für Lateinamerika setzen die Statistiken z.T. erst später ein. Die Zahlen sind wesentlich niedriger: In dem angegebenen Zeitraum wanderten ca. 200.000 Deutschsprachige nach Brasilien aus �, ca. 120.000 nach Argentinien und 12.000 bis 15.000 nach Chile. Für den Zeitraum zwischen 1933 und 1945 dürfte die Gesamtzahl der deutschsprachigen Emigranten nach Lateinamerika zwischen 75.000 und 90.000 liegen, wobei der Anteil der Juden 80 bis 90% ausmachte. Wiederum waren Argentini- en (31.000-35.000), Brasilien (ca. 16.000) und Chile (ca. 12.000) die Hauptaufnahmeländer. Wirtschaftliche Gründe waren der dominante Faktor der Auswanderung, die in den – durch generationenlange Teilung der Parzellen extrem klein gegliederten – Realerbteilungsgebieten Südwestdeutschlands (Pfalz) ihren Ausgang nahm und im Laufe des 19. Jahrhunderts von dort über den Westen auf den Nordwesten und Nordosten Deutschlands übergriff. Religiöse und politische Gründe spielten zu bestimmten Zeiten eine bedeutende Rolle bei der Auswanderung, z.B. nach der 1848er Revolution und vor allem während des „Dritten Reiches“. Die deutlichen Schwankungen der Auswanderungszahlen in die USA 쐃 lassen sich einerseits mit politischen (1848er Revolution) und wirtschaftlichen Krisen in Deutschland erklären, z.B. dem Ende der gründerzeitlichen Blüte ab ca. 1875, bzw. mit wirtschaftlichen Aufschwungphasen, z.B. nach 1871 oder nach 1890. USA: Zunehmende Rückbesinnung auf die deutsche Herkunft? Das größte Einwanderungsland der Welt, die USA, ist von einer erheblichen ethnischen Vielfalt gekennzeichnet, die ein signifikantes soziales Strukturelement darstellt. Über die Volkszählungskategorie „ancestry“ (Abstammung, Herkunft der Vorfahren) wird die Deutsche und Deutschstämmige Wer zählt zu den deutschen und deutschstämmigen Auswanderern? Da die Hauptauswanderungswellen im 19. und frühen 20. Jahrhundert lagen, gehören sicherlich alle deutschsprachigen Personen aus dem Deutschen Reich in den Grenzen von 1871 bzw. später von 1919 dazu. Als Deutschsprechende (auch immer als Deutschstämmige?) muss man ferner die Emigranten aus ÖsterreichUngarn einbeziehen, nach 1919 nur noch aus Österreich, und aus den deutschsprachigen Teilen der Schweiz. Schwieriger wird es schon, die Nachfahren der aus dem deutsch-niederländischen Grenzgebiet stammenden Mennoniten, die Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts aus der Region Danzig zur Kolonisierung in die Ukraine, später dann von dort nach Kanada, Mexiko und Paraguay zogen, als Deutsche zu bezeichnen, sicherlich wohl im weiteren Sinne als deutschstämmig. Gleiches gilt für die überwiegend aus dem Moselfränkischen (Saarland, Lothringen, Luxemburg) stammenden Siebenbürger Sachsen, die in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts nach Siebenbürgen „gerufen“ wurden. aktuelle Identifikation mit einer Ethnie, d.h. dem entsprechenden Kulturraum deutlich. Es ist sicherlich überraschend, dass 1990 in weiten Teilen der USA nicht die englische, sondern – und weit stärker als im 1980er Zensus – die deutsche als die wichtigste Herkunftskultur empfunden wurde �, wo- 쐇 Auswanderung nach Argentinien, Brasilien und Chile 1820-1928 Auswanderer in Tsd. 60 50 Argentinien k.A. 쐃 Auswanderung in die Vereinigten Staaten 1820-1988 Chile 40 19.Jh. Auswanderer in Tsd. 20.Jh. 30 1600 1400 19.Jh. 1200 20.Jh. 20 10 1000 800 0 600 k.A. k.A.k.A. 18201830 k.A. k.A. 18311840 18411850 400 18511860 18611870 18711880 18811890 18911900 19011910 19111920 19211928 Die Werte von Chile 1850-1870 beinhalten nur die Auswanderung über Hamburg © Leibniz-Institut für Länderkunde 2005 200 0 Brasilien keine Angaben 1820- 1830- 1840- 1850- 1860- 1870- 1880- 1890- 1900- 1910- 1920- 1930- 1940- 1950- 1960- 1970- 19811829 1839 1849 1859 1869 1879 1889 1899 1909 1919 1929 1939 1949 1959 1969 1980 1988 © Leibniz-Institut für Länderkunde 2005 72 Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Deutschland in der Welt Deutschen gegründete Kirchen und Friedhöfe stellen in den Dörfern und ländlichen Kleinstädten die sichtbarsten Zeichen dar. Außerhalb Neuenglands dominiert die quadratische Landaufteilung (Township-Prinzip). Dort lassen die physiognomisch-baulich weitgehend uniformen Einzelhofsiedlungen keine Rückschlüsse auf ethnisch unterschiedliche Bewohner zu. bei der Bundesstaat Wisconsin mit 45,2% (!) den Spitzenwert aufweist. Das steigende Interesse an der deutschen Abstammung wird vor allem mit der seit den 1970er Jahren zunehmenden Rückbesinnung auf traditionelle, konservative Werte erklärt. Von Ausnahmen abgesehen (z.B. in Milwaukee, Cincinnati) gibt es in den Städten nur noch sehr selten ausgeprägte deutsche Viertel. Jedoch versucht eine große Zahl von Lebensmittelherstellern, -geschäften und Gastronomiebetrieben ihre deutsche Herkunft zu vermarkten. Im ländlichen Raum sind die deutschen Ortsnamen die bedeutendsten kulturlandschaftlichen Spuren der deutschen Einwanderung �. Von 쐋 Südamerika: zwischen Beharrung und Überprägung Im südchilenischen Seengebiet um Valdivia, Osorno und Puerto Montt besteht noch eine bedeutende deutsche Siedlungs- und Kulturinsel, und auch in anderen südamerikanischen Ländern ha- Mittlerer Westen/Süden der Vereinigten Staaten Deutsche Ortsnamen 90° 95° Oberer NORTH DAKOTA 85° See ben sich – z.T. touristisch überprägt – bis heute signifikante Einzelbeispiele deutschen Siedlungsstils gehalten (z.B. Colonia Tovar, 45 km südsüdwestlich von Caracas, Venezuela). Eine geplante, staatlich kontrollierte und geförderte bäuerliche Kolonisation hinterließ deutliche kulturlandschaftliche Spuren deutscher Siedlungstätigkeit in Argentinien, Südbrasilien und Paraguay �. Dazu wurden im 19. Jahrhundert zukünftige Siedler vor allem in Deutschland durch private Siedlungsgesellschaften oder auch durch entsandte bzw. freie Personen angeworben. Es gab staatliche und private Kolonisationsprojekte; bei letzteren hatte eine Gesellschaft oder eine Privatperson die entsprechende Fläche vorher erworben. Fast immer erfolgten Auswanderung und Kolonisation in landsmannschaftlich kohärenten Gruppen. Deutlich lassen sich zwei Kolonisationsformen unterscheiden. Einerseits war es in allen drei Ländern die Urwaldkolonisation, die zunächst eindeu- � tig dominierte. Die Rodung und Flächenerschließung erfolgte über geschlagene Schneisen (picadas), die dann der Anlage von waldhufenähnlichen Siedlungs- und Flurformen dienten �, die z.B. in Rio Grande do Sul noch oft deutlich zu erkennen sind. Die Urwaldkolonisation begann 1824 mit der Gründung der ersten deutschen Kolonie, São Leopoldo in Rio Grande do Sul, Brasilien. Andererseits war es die Kolonisation in den Savannenbereichen Argentiniens und Paraguays, die fast drei Jahrzehnte später mit der Gründung der deutschen Siedlung Esperanza im argentinischen Zwischenstromland begann �. Aufgrund der quadratischen Flächenaufteilung dominierte zunächst die Einzelhofsiedlung mit einem Koloniezentrum, das sich – je nach Standort – im Laufe der Zeit zu einem Dorf oder einer ländlichen Kleinstadt entwickelte. Zweizeilige Reihensiedlungen sind bei den Mennoniten-Kolonien in Paraguay um Filadelfia, Río Verde 씮 und Sommerfeld vorherrschend. Vereinigte Staaten Bevölkerung mit deutscher Herkunftsidentität 1990 nach Bundesstaaten 80° ONTARIO Friesland MINNESOTA Huronsee Rhinelander Posen Leer M i c h i g a n s e e Hamburg Bavaria 45° ADA KAN A US Bethel Nassau Hanover Burkhardt Wirtenberg Saint Paul Johannesburg Naugart Hanover SOUTH Frankfurt Altoona New Hamburg Holstein Bethel Franken DAKOTA Heidelberg Neustadt W I S C O N S I N Amberg New Ulm Luther Minden New Breslau Potsdam Heidelberg City Germania Fulda Berlin Holstein MICHIGAN Zürich Bratzberg Eltzen Newcassel Altona New Hamburg Berlin Germantown Berlin Steuben Allendorf Westphalia Dresden Madison Humboldt Lansing Bremen New Glarus Blenheim Hanover ee Hamburg Holstein Berlin Hanover es Hanover ri Schleswig IOWA German Valley Munster Elkhart Bremen Millersburg ip Westphalia NEBRASKA Schererville Brems sis s Des Moines Altona Frankfort Bru. Ober Minden Leipsic O H I O Altona Leiters Ford Schneider Steubenville I N D I A N A Reiffsburg Coburg Raub ILLINOIS Bringhurst New Bremen Hamburg Herbst Dresden 40° Lincoln Otterbein Fra. Hackleman Hanover Emden Kramer Windfall Kempton Hag. Minster Columbus Bethel 40° Springfield Bismarck Linden Ulen GermanBremen Bremen New Brunswick Eden town Ger. New Frankfort Hannover Indianapolis Hamburg Berlin Frankfort Humbold Brunswick Helmsburg Oldenburg Hamburg Bethel Millhousen Dieterich Ohio Kurtz Hayden New Melle Meppen Charleston W. W.B.S. Jefferson Holstein Wirt Topeka Sch. L. New Germantown N.F. City Hanover Dresden F. Germantown Baden K. B. Decker New WEST KANSAS Sellersburg Potsdam E. V. Bethel Minden Pyrmont VIRGINIA St.M. Freeburg Westphalia Haubstadt St. Frankfort Westphalia b Lenzburg St. Wendel Altona bu urg r d p Elbing k g Weingarten Heusler e n a o ld de s b u d r Humboldt MISSOURI nb r g Altenburg dt u rg Minden Mines Friedheim VIRGINIA KENTUCKY New Hamburg Freistatt Diehlstadt Washington Oregon Idaho Wyoming pi s no i Illi Minnesota Colorado Kansas Arizona Arkansas Missis- Alabama sippi Texas Rhine Jackson Heidelburg Sontag TEXAS LOUISIANA zo Bra s 30° Neu Ulm Schulenburg Breslau 95° deutscher Ortsname US-Bundesstaaten Grenze Hauptstadt 30 20 Rhine Montgomery ALABAMA Hawaii Hamburg Bremen 30° Maßstab 1:14 Mio. B. E. F. K. L. St. M. Bretzville Eckerty Ferdinand Kellerville Leipsic St. Meinrad N.F. Sch. St. V. W. W.B.S. Schreibweise der Ortsnamen nach DEHNE 2003 1mm Säulenhöhe =^ 2 % Häufigkeitsdiagramm Prozent 85° Abkürzungen Brunswick Frankfort Germantown Hagerstown Tallahassee Golf von Mexiko 90° Bru. Fra. Ger. Hag. 10 Maßstab ca. 1 : 100 Mio. 0 FLORIDA Baton Rouge Geismar Kraetner Allemand 45 40 GEORGIA Hamburg Brunswick Prozent Alaska Bremen Hanover MISSISSIPPI Minden Anteil der Bevölkerung mit deutscher Herkunftsidentität als Erstnennung Atlanta Alaba ma r Rive Hamburg Louisiana Florida 35° Bremen Hohenlinden Georgia Maßstab 1 : 38 Mio. SOUTH CAROLINA Altheim Bethel Red Bethel South Carolina Oklahoma New Mexico NORTH CAROLINA Ten ne ss ee i issip ss Mi Little Rock Hohenwald North Carolina Tennessee B OKLAHOMA Bethel Springs Brunswick W. Virginia Kentucky Missouri Kalifornien m H a t i n s e ric r MaFred ran o Le l Fulma i HePelzfel e r st a Elbarm D ARKANSAS 35° p Indiana Illinois New Jersey Delaware Maryland Washington D.C. Virginia Ohio Utah ri Waldenburg Arkansas Pennsylvania Iowa Massachusetts Rhode Island Connecticut Fosheim Nashville T E N N E S S E E New York Wisconsin South Dakota Nebraska Nevada Maine New Hampshire North Dakota Montana Mi s so u Mis Oklahoma City Dresden Bethel Hanover Vermont Michigan E 45° New Frankfort Schnellville Stendal Velpen Westphalia West Baden Springs deutsch als meistgenannte ethnische Herkunft >40 30 - 40 20 - 30 15 - 20 10 - 15 5 - 10 < 5 Die Farben entsprechen denen in der Karte. 5 10 15 Anzahl der Bundesstaaten © Leibniz-Institut für Länderkunde 2005 Autor: G.Mertins Kulturlandschaftliche Spuren der Auswanderung 73 쐂 Argentinien, Brasilien und Paraguay Siedlungsgebiete mit deutschen Strukturelementen 2004 60°W B P a ragua y R Londrina Santos Paraná Altos I ItaipúStausee Y Foz do Iguaçú I Cañadita N Encarnación Catarina Posadas Florianópolis E N r an á do Sul Ur ug ua y I Pa Rio Grande Santa Cruz do Sul São Leopoldo (1.dt. Kolonie 1824) N Pôrto Alegre 30° I Córdoba Joinville Pomerode Blumenau Santa E 30° Curitiba L San Sommerfeld Bernardino Resistencia São Paulo S Asunción Paulo Campinas A rm ejo A Be Río Verde Friesland São ná ra Concepción Volendam U Rumänien: Rückkehr von Deutschstämmigen – bleibende Siedlungs- und Kulturspuren G 2000 1000 P 113 120 111 118 109 116 107 114 112 105 110 103 108 101 106 99 104 97 102 95 100 93 98 91 96 89 94 87 92 85 90 83 88 81 86 79 84 77 82 75 80 73 78 71 76 69 74 67 72 65 70 63 68 61 66 59 64 57 62 55 60 53 58 51 56 49 54 47 52 45 50 43 48 41 46 39 44 37 42 35 60 59 40 33 58 57 56 38 55 31 54 53 52 36 51 29 50 49 48 47 27 34 46 45 44 43 25 32 42 41 40 39 23 30 38 37 36 35 21 28 34 33 32 26 31 19 30 29 28 27 17 24 26 25 24 15 23 22 22 21 20 20 19 13 18 17 15 18 11 13 16 11 16 9 14 9 4 6 8 10 12 7 14 7 2 5 3 5 12 1 10 Picada pequena Loma Plata A 250 500 3 000 Braças = 1 Legoa R Esperanza T ATLANTISCHER Rosario N Villa General Belgrano Buenos Aires E OZEAN URUGUAY La Plata R io Montevideo d e la P lat a 50° Deutsche Siedlungsstandorte G Colonia Tovar R Strukturelemente deutlich ausgeprägt Strukturelemente schwach ausgeprägt sonstige im Text erwähnte Siedlungsstandorte Deutsche Siedlungsgebiete Strukturelemente deutlich ausgeprägt Strukturelemente schwach ausgeprägt Mar del Plata A Brasilien Kolonie Santa Cruz 1881 A Filadelfia do 쐄 zugt wird. Dieser und das in fast allen Städten deutscher Gründung bzw. in Stadtvierteln mit einem entsprechenden deutschen Bevölkerungsanteil übliche Oktoberfest (z.B. in Blumenau in Brasilien mit ca. 800.000 Besuchern, 쑺 Foto) gelten allgemein als die „deutschen“ Markenzeichen. Dazu gehören natürlich deutsche Lebensmittel- (d.h. Delikatessen-)läden, Restaurants, Cafes, Hotels etc. �. Auch Industriebetriebe z.B. in Blumenau, Joinville und Sta. Cruz do Sul (Nahrungsmittel, Textilien) setzen in ihrer Werbung die deutsche Herkunft der Firmengründer, deren Nachfahren oder von Teilen ihrer Arbeiterschaft als Qualitätsmerkmal ein. Generell gilt, dass sich die kulturlandschaftlichen Spuren deutscher Auswanderung in den Dörfern und Kleinstädten besser erhalten haben als in Mittel- oder Großstädten. Wenn z.B. in Petropolis, nahe Rio de Janeiro, noch heute ein Drittel der ca. 350.000 Einwohner deutscher Abstammung sind, so äußerst sich das vor allem in Stadtviertelsnamen wie Bingen, Ingelheim oder Worms und in der Existenz von deutschen Kultur- sowie Kirchenvereinen, wobei durch die Überalterung der Mitglieder die Gefahr der Auflösung und damit des Erlöschens des deutschen Gemeindelebens droht. S al a Strukturelemente wie Siedlungsgrundriss, Flurformen und Gehöft- oder Hausstil sind in unterschiedlichem Maße erhalten und z.T. noch durchaus deutlich ausgeprägt. Gleiches gilt für den Gebrauch der deutschen Sprache, die oft nicht mehr beherrscht wird. Deutsche Vereine und von diesen organisierte Feste, Märkte und Kulturveranstaltungen haben aber Bestand und – wenn sie entsprechend vermarktet werden – an Bedeutung wieder zugenommen. Städte wie Blumenau, Joinville und Santa Cruz do Sul, aber auch kleinere Orte wie Villa General Belgrano � sowie das mennonitische Filadelfia haben einen hohen touristischen Stellenwert und werben mit ihrem deutschen Siedlungsbild und deutschen Festen. Das hat Auswirkungen auf die Renovierung und auch auf die Neubauten in den Siedlungskernen, wobei ein Schwarzwälder oder oberbayerischer Baustil eindeutig bevor- 20° UrubupungaStausee Campo Grande P Pa BOLIVIEN Minas Gerais Rio Grande 50° Mato Grosso do Sul 20°S Bahía Blanca Abb.6 40° Städte Petrópolis > 1000000 Einw. 500 000 - 1000000 Einw. < 500000 Einw. Buenos Aires Hauptstadt 40° Abb.5 Abb.7 100 0 Valdivia Osorno Puerto Montt 300 km 200 ic Maßstab 1 : 16000 000 ad Staatsgrenze Grenze der Bundesstaaten in Brasilien 60° a de S an ta C ru z do n tus El D Espinillo Río Santa Rosa s olia . Gom Restaurant, Café Río agn (J. M sM bos l N°5 La Av. incia El Paraiso Prov ya Los Gua zno ura Ruta au c e Río Los Reartes alip Euc ra Pa Arro yo El S Neg gá) (M.Pagua l oga El N Los a Av. es gon chin s one hing tin Mar Av. El Mirador La To m a A. Selv Rio El Aguaribay J. Strauss Solis Velez Sarfield ez) Hotel, Pension Tourismusbüro, Reiseunternehmen zur Ortslage siehe Abb.6 © Leibniz-Institut für Länderkunde 2005 N Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Deutschland in der Welt Co Av. ec Com San co Co me Av. Ojo de Agua 6 km Los Manantiales 4 incial N°5 La Tablada 2 San Vicente Pallotti 74 0 Uruguay © Leibniz-Institut für Länderkunde 2005 17 de Agosto João de Faria uí Faxinal do Los Incas Ruta Prov El Malvinas A. El Sauce 24 de Sept. a Islas aq d ov Av. San Martín a ipú Ma ca n Av. oc Av. J. A. R o Pi a Colombia egr Se Pi rra nh ei do ro ruz St. C da de Pica Serra Marbado s lle Mo mp 2 s ro N Cer 6 4 Lo A. Bolivia 8 Sta. Antonia von P. Kleudgen Betriebe von Nachkommen deutschsprachiger Einwanderer 2003 Gastronomie, Beherbergung, Tourismus ha .C Av Josefa 쐆 Villa General BelgranoProvinz Córdoba (Argentinien) Corrientes a ov a n ad Pic Faxinal da Dona Auf dem Territorium des heutigen Rumänien leben seit ca. 850 Jahren Deutsche: in Siebenbürgen, dem Banat, in der Bukowina, der Dobrudscha und um Sathmar. Die meisten dieser Gebiete waren erst durch die so genannten Pariser Vorortverträge 1919/20 Rumänien zugefallen und gehörten vorher überwiegend zu Österreich-Ungarn. Bei der Volkszählung 1930 bekannten sich noch 745.421 Rumänen zur deutschen Abstammung (4,1% der Staatsbevölkerung). Infolge des Zweiten Weltkrieges (Gefallene, Verfolgungen, Deportationen, Umsiedlungen) und der späteren Furcht, sich zum Deutschtum zu bekennen, sank diese Zahl bis 1977 auf 227.398 (1,1% der Staatsbevölkerung). Die große Rückwanderung setzte jedoch erst ab 1978 ein, als Rumänien aufgrund einer bilateralen Vereinbarung der Ausreise von 12.000-16.000 Deutschstämmigen pro Jahr in die Bundesrepublik Deutschland gegen die Zahlung eines Pauschalbetrages je Aussiedler zustimmte, der von 5000 DM im Jahr 1978 auf 7800 DM im Jahr 1989 anstieg. Der eigentliche Exodus begann aber nach dem Fall des Ceaușescu-Regimes Ende Dezember 1989, als innerhalb eines halben Jahres 111.115 0 100 200 300 m Maßstab 1:17500 Autor: G.Mertins 쐊 Rumänien Deutsche Siedlungsgebiete um 2000 R A I N E Èernovcy (Czernowitz) Tisa r U K R A I N E Si k Baia Mare B Suceava MOLDAWIEN U N G A R N PiatraNeamt t Pru Reghin (Sächsisch Regen) S i e b e n b ü r g e n Arad Bulgãroº (Bogarosch) Timiºoara (Temeschburg) M Râmnicu Vâlcea Olt Beograd (Belgrad) N I E N Buzãu Brãila Ploieºti Piteºti DrobetaTurnu Severin Mo rava ea nãr Du b U N D Dunãrea Ruse Constanþa (Konstanza) 0 25 50 75 B U L G A Pleven R I E Sc Ni hw D M O N T E N E G R O Bucureºti (Bukarest) Craiova o S E R B I E N Kragujevac Ä Meer U Galaþi (Galatz) Braºov (Kronstadt) es R Focºani arz Gãrâna (Wolfberg) Prejmer (Tartlau) Sibiu (Hermannstadt) r u d s c h a Lugoj (Lugosch) B a n a t Reºiþa (Reschitz) Deutschstämmige Rumänien verließen. Insgesamt betrug im Zeitraum 1990 bis 1999 die Aussiedlerzahl 186.340. Die ungenauen Schätzungen für die heutigen Rumänien-Deutschen schwanken zwischen 50.000 und 100.000, wobei die Älteren eindeutig überwiegen. Das führte insgesamt zu einer erheblichen Reduzierung, ja zur fast vollständigen Aufgabe deutscher Siedlungsgebiete �. Bleibende Siedlungs- und Kulturdokumente im ländlichen Raum sind zunächst die Siedlungsgrundrisse: sowohl die im Verlauf der späten deutschen Ostkolonisation entstandenen Straßen- und Angerdörfer als auch die schachbrettartigen Grundrisse vieler Siedlungen im Banat �, die im 18. Jahrhundert im Rahmen einer großen Kolonisationsaktion entstanden. In Siebenbürgen stellen die Kirchenburgen ein besonders eindrucksvolles Zeugnis dar (쑺 Foto). Sie entstanden als Wehranlagen und Zufluchtstätten während der Türkeneinfälle im späten 14., vor allem dann aber im 15. Jahrhundert. Heute bilden sie eine kulturhistorischtouristische Attraktivität der Region. In den Altstädten von Sibiu (Hermannstadt), Brașov (Kronstadt), Sighișoara (Schäßburg), Cluj (Klausenburg) und Temesvar (Temeschvar) finden sich noch zahlreiche Zeugnisse deutschen Baustils. Es bestehen noch deutsche Kirchengemeinden, Schulen und Vereine, wobei die Zahlen der Mitglieder und die der deutschen Schüler jedoch gering sind. Durch Renovierungen wird versucht, den in Anlage und Baustil typischen Charakter der ehemaligen deutschen Kolonisationszentren zu erhalten.웇 Sighiºoara (Schäßburg) M u r eº Zãbrani (Guttenbrunn) Jimbolia (Hatzfeld) Werbefoto für das brasilianische Oktoberfest in Blumenau aus einer argentinischen Zeitung Bacãu Târgu Mureº (Neumarkt) Mediaº (Mediasch) u r Cluj-Napoca (Klausenburg) Chiºinãu (Chisinau) Iaºi (Jassy) st Bistriþa (Bistritz) Ni Oradea (Großwardein) Bãlþi Botoºani ret u Satu Mare (Sathmar) Debrecen o w Nyíregyháza Dni st e in Tis za Miskolc K a U N 100 km Maßstab 1 : 3 750 000 쐎 Rumänien Typischer Siedlungsgrundriss des 18. Jhs. im Banat Ehemals mehrheitlich deutsches Siedlungsgebiet stark vermindert durch Umsiedlung 1940 geräumt Ortschaften mit charakteristischen deutschen Kirchen / Kirchenburgen mittelalterliche Kirche Kirchenburg gut erhaltene, charakteristische Kirchenburg Staatsgrenze Städte Einwohner über 1 Mio. 500 Tsd. - 1 Mio. 100 Tsd. - 500 Tsd. unter 100 Tsd. Autor: G. Mertins 0 © Leibniz-Institut für Länderkunde 2005 1 Maßstab 1 : 75 000 Kulturlandschaftliche Spuren der Auswanderung 75 2 km