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Nr. 36 | März 2016 S e i t e | 1 von 4 digital F2014 Ein besonderer Tag auf Schalke Hagen/Gelsenkirchen. Am 21. Februar erlebte Herr Blume (Name geändert), Klient im Haus Neuer Kronocken und stolzes Gelsenkirchener Urgestein einen ganz besonderen Tag in der Veltins-Arena: Er war einer von fünf Gästen, die von der Stiftung „Schalke hilft“ zu einem Heimspiel seines Vereins, dem FC Schalke 04, eingeladen worden waren. Ich hatte die Ehre, Herrn Blume zu begleiten. Im VIP-Eingangsbereich der Arena warteten die Gäste mit ihren Begleitern auf die ankommenden Spieler, die Herr Blume natürlich per Handschlag begrüßte. Dann ging es durch den Spielertunnel zur Spielerund Trainerbank, wo alle sich einmal als Trainer und Spieler fühlen und probesitzen konnten. Zurück in den Katakomben gewährte Pfarrer Barth, der Pfarrer der Kapelle „Auf Schalke“, einen Einblick in die Kapelle, einen Ort der Ruhe mitten im Fußballtrubel. Bethel.regional Mit dem Abpfiff war es aber noch nicht zu Ende: Die Gäste bekamen von den Spielern Autogramme und auch der Trainer nahm sich Zeit für einen Smalltalk. Herr Blume hat nun die Autogramme von allen Spielern, dem Trainer und von Erwin, dem Maskottchen auf seinem SchalkeTrikots. Herr Blume und der FC Schalke 04 Spieler Leroy Sané. Herr Blume erlebte einmal mehr, dass die Schalker Fans wie eine Familie zusammenstehen. Es war ein unvergesslicher Nachmittag für ihn – und natürlich auch für mich. Henning Ebbinghaus, Haus Neuer Kronocken INKLUFUSION – Wir sind gut, so wie wir sind! Probesitzen auf der Trainerbank – ein tolles Gefühl! Und dann war endlich Anpfiff zum Spiel gegen Stuttgart. Auf den exklusiven Sitzplätzen im Presseblock stimmte die Gästegruppe in die „S04Hymne“, das Steigerlied, ein. Herr Blume sang ganz bewegt und begeistert mit, war er doch früher, als die Zeiten für ihn besser waren, Dauerkartenbesitzer und regelmäßig bei den Heimspielen seiner Königsblauen dabei. Dann entdeckte Herr Blume Tina in der Trommelgruppe! Mit Tina ist Herr Blume seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden. Sie führte ihn aus der Wohnungslosigkeit und vermittelte ihn in das Haus Neuer Kronocken. Herr Blume fieberte mit seinen Königsblauen und jubelte über das 1:0 in der ersten Halbzeit. Dass die Stuttgarter dann noch den Ausgleich schossen, nahm er gelassen hin: Hauptsache, nicht verloren! Dortmund. Was anfänglich als ein reines Tonstudioprojekt von Bethel.regional in Kooperation mit der Jugendfreizeitstätte Marten in Dortmund gestartet ist, wuchs im Laufe der Zeit zu einer festen Institution. Ursprünglich wollten sich Menschen mit Behinderung, psychischer Erkrankung und Jugendliche aus sozialen Brennpunkten zusammenfinden und lediglich einen gemeinsamen Song schreiben und aufnehmen. Die kreative Teilnahme war enorm umfangreich, unterschiedliches musikalisches Material sammelte sich an, neue Freundschaften entstanden und parallel wurde der Wunsch nach „mehr“ laut, da nicht alle Ideen der Teilnehmer in nur „einem“ Song umgesetzt werden konnten. Durch die regelmäßig im Studio stattgefundenen Jamsessions, entdeckten die jungen Menschen den Spaß am Live-Spielen. Somit war der nächste Schritt klar… „INKLUFUSION“ heißt die Band, die aus diesem Projekt hervorgeht – der Name ein Wortspiel aus den beiden Wörtern „Inklusion“ und „Fusion“. Eine bunte Truppe die „barrierefrei“ zusammen musiziert und unter die sich ab und an auch Gastmusiker internationaler Herkunft mischen. Große Spielfreude und die verschiedenen Einflüsse der einzel- Nr. 36 | März 2016 S e i t e | 2 von 4 Bethel.regional digital F2014 nen Bandmitglieder, schaffen eine spannende Mischung aus HipHop, Rock und Pop. „YOU & ME“ ist der erste Song der Band und handelt von den persönlichen Eindrücken und dem Erleben der Gesellschaft als Teil einer Randgruppe. Kernaussage ist jedoch der inklusive Gedanke und dass letztendlich alle gleich sind, egal woher und mit welchem Hintergrund oder Handicap. „Man sollte sich nicht verbiegen, um akzeptiert zu werden!“, so das Statement der Band. „INKLUFUSION“ selbst ist das beste Beispiel dafür und so steht auch der Refrain des Songs „YOU & ME – Wir sind gut, so wie wir sind!“ für die Überzeugung und Einstellung der Band. Auch für 2016 sind wieder etliche Liveauftritte geplant, nachdem die Band bereits im Vorjahr auf einigen Events ihre mitreißende Live-Performance dargeboten hat. Zusätzlich arbeiten die Musiker ab Frühjahr an der Umsetzung eines professionellen Videos zu ihrer Single, sowie der öffentlichen Präsenz über diverse Social-Media Kanäle, um auf ihr (Herzens)-Projekt aufmerksam zu machen. Eine größere öffentliche Wahrnehmung könnte der Band helfen, Gönner und Sponsoren zu gewinnen, damit das Projekt weiterhin fortgeführt oder im Idealfall sogar noch ausgeweitet werden kann. Arts) der Universität Paderborn im Rahmen eines Kunstprojekts. Das Malen „an sich“ und das besondere Interesse von Frau Brune standen dabei im Vordergrund. Dabei entstand eine Kunst, losgelöst vom Ergebnis – das Malen selbst wurde zur Kunst. Dies spiegelt sich ausdrucksstark in überwiegend roten Bildern wieder. Die Künstlerin Katharina Brune ist sichtlich glücklich über den Start ihrer Vernissage. Die Kunstausstellung wurde öffentlich beworben, sodass viele Besucher am Abend die Kunstwerke bewundern konnten. Hierbei war besonders schön, dass viele Menschen aus dem Quartier mit dabei waren. Lukas Dylong, Haus Echeloh/ Arbeit und Beschäftigung Sarah Biemann (mitte) und zahlreiche Gäste waren zur Eröffnung der Ausstellung gekommen. Vernissage im Begegnungszentrum Pontanus-Carré Paderborn. Ende Januar hat im Begegnungszentrum des Pontanus-Carré eine außergewöhnliche und sehr erfolgreiche Vernissage, bei der Bilder von Katharina Brune, einer Bewohnerin des PontanusCarré, ausgestellt wurden, stattgefunden. Unterstützt und begleitet wurde die Künstlerin durch Sarah Biemann (Bachelor of Education of Begleitet wurde der Abend musikalisch von einem jungen Gitarristen, der neben der besonderen Beleuchtung der Bilder auch für eine ansprechende Begleitung sorgte. Das Kunstprojekt läuft auch in diesem Jahr weiter. Für die Künstlerin und für alle anderen war es ein ganz besonderer Abend, der im nächsten Jahr zum Bethel Jubiläum (150 Jahre) wieder stattfinden wird. Raphael Voß Bereichsleitung UW Pontanus-Carré Nr. 36 | März 2016 F2014 Wrestling in zwei Welten Baad Bakh, Laghman, Afghanistan, Juli 2015 Der 17-jährige Amar (Name geändert) sitzt in einem öffentlichen Lokal der Hauptstadt Kabul und sieht sich über einen kleinen Fernseher eine WrestlingAusstrahlung aus den USA an. Er versteht zwar wenig Englisch aber der knapp dreistündige Fußmarsch aus seinem Dorf bis in die Stadt hat sich für ihn absolut gelohnt. Viele andere Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung gibt es sonst nicht. Da es in Afghanistan wenig bis nahezu keine Arbeitsmöglichkeiten gibt und auch Schulbildung in der Umgebung nicht möglich ist, muss er sich andere Beschäftigungen suchen. Trotz der regelmäßigen Moscheebesuche ist es eine unausgesprochene Regel, nur wenn dringend notwendig das Haus zu verlassen. Auch aufgrund der Taliban, die regelmäßig durch die Dörfer fahren, ist es besonders abends zu gefährlich. Jeder im Dorf weiß, dass Jungs im Alter von 15-18 Jahren „reif genug“ für die Beteiligung an der terroristischen Taliban- oder ISIS-Gruppe sind. Amar ist 17 Jahre alt. So langsam wird es für ihn eng. Schon oft hat er gesehen, wie Menschen auf der Straße erschossen wurden. Da er und seine Familie genau wissen, dass die Taliban nun jederzeit in sein Haus eindringen könnten, um ihn mitzunehmen, müssen sie nach einem Ausweg suchen. Trotz der Perspektivlosigkeit in diesem Land und in seiner Familie ist er sich sicher, dass er nicht für die terroristische Gruppe kämpfen möchte. Verstecken oder gar Widerstand ist zwecklos und kann mit Ermordung von Eltern oder Geschwistern bestraft werden. Er weiß, dass er nur in einem anderen Land ein neues Leben führen kann. Seine Eltern stimmen zu. Er entscheidet sich dafür, sein Land und seine Familie zu verlassen. Afghanistan kann ihm keine Sicherheit und Perspektive bieten. Er macht sich überwiegend zu Fuß auf für die lange Reise über den Iran, die Türkei, Bulgarien bis nach Deutschland. Er lässt als Ältester seine vier Brüder und zwei Schwestern in seiner Heimat zurück. Die Reise, die er hauptsächlich alleine zurücklegt, dauert fast drei Monate. Teilweise schafft er es, mit einem Container in einem LKW oder sogar mit dem Auto oder Bus mitgenommen zu werden. Auf der Flucht durch die Berge erlebt er, wie Menschen verhungern und verdursten. Was ihn erwartet, weiß er nicht. Er kennt niemanden in Deutschland. Die einzige Sprache, die er beherrscht ist Paschtu. S e i t e | 3 von 4 Bethel.regional digital Gütersloh, Nordrhein-Westfalen, Deutschland, Februar 2016 Amar sitzt im Wohnzimmer der Clearingstelle Bethel und sieht sich zusammen mit neun anderen hauptsächlich afghanischen und syrischen Flüchtlingen den Film „Fluch der Karibik“ an. Mittlerweile versteht er schon so gut Deutsch, dass keine Untertitel mehr notwendig sind. Über die monatelange Deutsch-Beschulung konnte er sich wichtige Grundkenntnisse aneignen und unterhält sich sehr gerne und lebhaft mit den Mitarbeitenden und seinen Mitbewohnern. In Zusammenarbeit mit dem Jugendamt konnte ein Asylantrag und die gesundheitliche Grundversorgung sicher gestellt werden. Noch wartet er auf die Asylgenehmigung, aber rechtlich darf er sich frei in ganz Deutschland bewegen. In Kürze beginnt seine neue Beschulung an einem Berufskolleg und nächste Woche fängt er sein erstes Praktikum in einem Lebensmittelgeschäft an, in dem er erste Arbeitserfahrung sammeln kann. Man habe ihn in Afghanistan gelehrt, als Mann hart für sein Einkommen zu arbeiten. Einer Mitarbeiterin gegenüber äußerte er einmal, dass er sich schämen würde, Taschengeld von der Einrichtung anzunehmen, ohne etwas dafür getan zu haben. Amar wirkt entspannt und zumeist sorglos. Als er in die Einrichtung kam, wirkte er unsicher, schüchtern und in sich gekehrt. Heute singt, tanzt und lacht er viel und gerne. Einmal sagte er: „Ich mag Deutschland, weil man hier lachen darf und viele Witze macht. Die Menschen lachen hier. In Afghanistan kann man dafür im falschen Moment erschossen werden.“ Kontakt zu seinen Eltern besteht nicht. Gelegentlich klagt er über schwere Albträume aus den Kriegserlebnissen. In Gesprächen erzählt er erstaunlich neutral und emotionslos von seinen Erlebnissen und den Umständen in seinem Herkunftsland. Er sieht, wie andere Jugendliche mit Drogen und Alkohol versuchen, die traumatischen Erlebnisse zu verdrängen und sagt immer wieder, dass er dies niemals tun würde – auch, weil sein muslimischer Glaube ihm das verbieten würde. Lieber spielt er Fußball, Gesellschaftsspiele oder Nr. 36 | März 2016 S e i t e | 4 von 4 Bethel.regional digital F2014 schaut sich die nächste Wrestling-Ausstrahlung im deutschen Fernsehen an. Lisa Hartmann, UMF Gütersloh Nach dem Gottesdienst wurde ein historischer Rückblick auf 125 Jahre Ophra gegeben. Mit einem gemeinsamen Mittagessen im Zelt endete die Jubiläumsfeier, und alle waren sich einig: Schön war`s. Allen Beteiligten herzlichen Dank. Annette Fuhrmann, Bereichsleitung Ophra 1 125 Jahre Ophra Bielefeld. Die Einrichtung Ophra im Bielefelder Süden lud zum 125-jährigen Jubiläum ein. Die Bewohnerinnen und Bewohner, Mitarbeitende und Angehörige von Ophra feierten gemeinsam mit der Zionsgemeinde und interessierten Bürgern von Eckardtsheim einen Gottesdienst im Zelt auf der Wiese vor Haus Ophra. Leider spielte das Wetter nicht so mit, wie gehofft; es war sehr regnerisch, doch das wirkte sich in keiner Weise negativ auf die Stimmungen aller Anwesenden aus. Mehr als 200 Gäste besuchten die Jubiläumsfeier – es fand viel Begegnung auf Augenhöhe statt. Es kamen viele ehemalige Mitarbeitende – es gab rührende Wiedersehen und gemeinsame Erfahrungen wurden ausgetauscht. Der Gottesdienst stand unter dem Motto: „Gut behütet in 125 Jahren“. Die Bewohnerinnen und Bewohner, die Mitglied in der Musikgruppe sind, stellten das „Ophra Geburtstagslied“ vor. Außerdem präsentierten sie eine Hüte Modenschau und ernteten dafür viel Applaus. Die Models der Hüte-Modenschau. Musik spielte damals wie heute eine große Rolle. Viele musikalische Einlagen wurden dargeboten: Das Duo der Ehrenamtlichen von Ophra – Andreas und Claudia – spielten einige klassische Musikstücke, der Posaunenchor Eckardtsheim, der irgendwie schon zu Ophra dazugehört, begleitete alle Lieder, die gesungen wurden. Es war sehr feierlich und machte allen Beteiligten viel Spaß. Zahl des Monats 213.799.199 € an Leistungserträgen hat Bethel.regional in 2015 voraussichtlich erwirtschaftet. mitMenschPREIS Die Bewerbung um den mitMenschPreis, den der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe e.V. (BeB) zum vierten Mal ausschreibt, ist noch bis zum 31. März 2016 möglich. Gesucht werden Projekte und Initiativen in der Behindertenhilfe oder Sozialpsychiatrie, die Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf mehr selbstbestimmte Teilhabe ermöglichen. Ihr Projekt kommt für den mitMenschPREIS in Frage, wenn eine Institution sich wandelt, eine Einrichtung sich auf den Weg macht oder Menschen gemeinsam darauf hinwirken, dass eine inklusive Gesellschaft entsteht. Dies kann im Bereich Wohnen, im Bereich Arbeit oder auch in jedem anderen Lebensbereich sein, wo Menschen mit und ohne Behinderung selbstverständlich zusammenleben – eben als mitMenschen. Es sind bereits eine ganze Reihe beachtenswerter Bewerbungen eingegangen. Dennoch sollten natürlich besonders BeB-Mitglieder die Chance nutzen, sich mit innovativen inklusiven Projekten an der Ausschreibung zu beteiligen. Es winken ein Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro sowie ein Videoclip, der über die fünf besten Projekte produziert wird. Die Preisverleihung findet am 11. Oktober 2016 in Berlin statt. Weitere Informationen sowie das Bewerbungsformular finden Sie unter www.mitMenschPreis.de