Pferdespiegel Eltze Maleh 03-13

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Pferdespiegel Eltze Maleh 03-13
ps169_Eltze_Maleh
AK-PDF
n.a.
Satz
Herst.
Datum
Ziegler + Müller
C. Idalinya
12.08.2013
ps.fachspiegel
Aspekte rund um den Zahnwechsel junger Pferde –
Hinweise aus der Praxis für die Praxis
Marion Eltze, Souel Maleh
Biomechanik der Kaubewegung weitgehend erhalten und können Entwicklungsrückstände somit minimiert werden.
Gebisskontrollen und Zahnbehandlungen
schon beim jungen Pferd? Wenn ja, wann
und wie oft? Diese Frage stellt sich Pferdebesitzern und Tierärzten immer wieder.
Hartnäckig hält sich der Mythos, dass nur
alte Pferde ein behandlungsbedürftiges
Gebiss haben – zu Unrecht, wie Sie im Folgenden lesen können.
Wechsel und Durchbruch der
Incisivi, Canini und Prämolaren bei
Pferden, Kleinpferden und Ponys
01er/I1: 2,5–3 Jahre
Grundlagen des Zahnwechsels
Die rasante körperliche Entwicklung eines
Fohlens erfordert die Aufnahme einer immensen Energiemenge, die in einen für
den Magen-Darmtrakt optimal verwertbaren Zustand gebracht werden muss. Polyooder Oligodentie, Brachygnathie etc. kommen schon bei Fohlen vor, führen zu
Maldigestion und sollten durch eine fachkundige Untersuchung innerhalb des
1. Lebensjahres frühzeitig erkannt werden.
Der Zahnwechsel (Dentitio) eines Pferdes
beginnt mit ca. 2,5 Jahren und ist meistens
mit 5 Jahren abgeschlossen. Im gleichen
Zeitraum werden die Tiere an ihre Aufgaben als Reit- oder Fahrpferd herangeführt.
02er/I 2: 3,5–4 Jahre
03er/I3: 4,5–5 Jahre
04er/C: 4–6 Jahre
05er/P1: bis 1 Jahr
06er/P2: 2,5 Jahre
Bei der Betrachtung des natürlichen Ablaufs des Zahnwechsels fällt auf, dass im
1. Jahr, also zwischen 2,5 und 3,5 Jahren,
insgesamt 12 Prämolare und 8 Inzisivi gewechselt werden (▶ Abb. 1 und 3). Auch
der Durchbruch (Dentition) von Molaren
kann in diesen Zeitraum fallen.
07er/P3: 2,5–3 Jahre
08er/P4: 3,5–4 Jahre
09er/M1: 0,5–1,5 Jahre
10er/M2: 2–2,5 Jahre
11er/M3: 3,5–4 Jahre
Die Ernährung der Fohlen, Jährlinge und
Zweijährigen besteht häufig bereits aus
großen Mengen Krippenfutter. Im Gegensatz zu Raufutter erfolgt dessen Zerkleinerung in weniger nach lateral ausladenden
Kaubewegungen. So weist nicht selten
schon das Milchgebiss scharfe Backenzahnkanten und Haken auf, die ohne in
diesem Alter durchgeführte Untersuchung
oft unentdeckt bleiben.
Auch die Kopf-Halshaltung hat direkten
Einfluss auf den Aufbiss und somit auf die
Abnutzung der Zahnreihen. Unter natürlichen Bedingungen wird die Nahrung
überwiegend vom Boden aufgenommen.
Da während des Kauens häufiger der Kopf
gehoben wird, um die Umgebung besser
beobachten zu können, verändert sich die
Position der Kiefer zueinander nach anterior und posterior. Durch das Fressen aus
Raufen und Krippen wird dieses Bewegungsmuster verändert und Hakenbildungen werden begünstigt. Aufgrund der
heutigen Haltungsbedingungen nehmen
viele Tiere den überwiegenden Teil ihrer
Nahrung in unnatürlichen Fresspositionen
auf.
Durch regelmäßige Kontrolle und sachgerechte Therapie kann die physiologische
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(Die angegebenen Zeiten berücksichti-
Im Alter von 2,5–3,5 Jahren sind bis zu
gen bei verschiedenen Studien angege-
77% aller an der Nahrungsaufnahme be-
bene durchschnittliche Zeiträume!)
teiligten Zähne vom Zahnwechsel betroffen.
Einfluss der Lebensumstände
Da die meisten Pferde im Frühjahr geboren werden, fällt der Start des Zahnwechsels in jenen Herbst/Winter, in dem die
Tiere ab 1. Januar auf Leistungsprüfungen
startberechtigt sind und für die zukünftigen Deckhengste die Körung ansteht.
Auch für den Einsatz im Freizeitbereich
vorgesehene Kandidaten beginnt in diesem Winter meist das Training.
Belastung des Immunsystems Mit dem
Trainingsbeginn ist häufig erheblicher
Stress verbunden, z. B. durch den Wechsel
in einen Ausbildungsstall. Lebensumstände, Fütterung etc. verändern sich und somit auch die Keimflora, der der junge Organismus ausgesetzt ist. Zusätzlich kommt
genau zu dieser Zeit der Zahnwechsel ins
Spiel.
Kleine Verletzungen in der Maulhöhle,
verursacht durch die sich lösenden Dentes
decidui (Milchkappen oder Milchzahn-
kappen), führen zu mehr oder weniger
heftigen entzündlichen und schmerzhaften Prozessen, die das Wohlbefinden des
Tieres beeinträchtigen. Alles zusammen
eine immense Aufgabe für das Immunsystem.
Steigender Energiebedarf Durch die im
Kiefer stattfindenden Umbauprozesse und
gelockerte Milchzähne wird außerdem
die Nahrungszerkleinerung erschwert
(▶ Abb. 4). Gleichzeitig ist durch den Trainingsbeginn mit erhöhtem Energiebedarf
zu rechnen.
Reduzierte Wasseraufnahme Vorstellbar ist auch eine verminderte Wasseraufnahme, wenn sie durch im Herbst/Winter
deutlich kälteres Wasser im Zusammenhang mit entzündlichen Prozessen in der
Maulhöhle, für das Pferd unangenehm
wird. Bei Wasserversorgung durch Selbsttränken haben lockere Incisivi möglicherweise einen ähnlichen Effekt, weil hierbei
der Wasserfluss mit durch den labialen
Bereich des Pferdemauls ausgeübtem
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Abb. 1 Tiefe Infundibula sind neben Größe, Farbe und Form wesentliche
Merkmale bei der Unterscheidung zwischen Milchschneidezähnen und adulten
Schneidezähnen. © █.
Abb. 2 3,5 jähriges Pferd: der I2 im Unterkiefer wurde vor kurzem gewechselt
und der Oberkiefer I2 ist noch Milchzahn (602). Kein Grund für eine Extraktion,
da kein Lockerungsgrad und keine Entzündungszeichen (Aufklärung des Besitzers über bevorstehenden Wechsel). © █.
Abb. 3 Wünschenswerte Ansicht bei einem 3jährigen Pferd. Alle I1 wurden
gleichmäßig gewechselt. © █.
Abb. 4 3jähriges Pferd: Auf diese Art persistierende Milchzähne stören die
Futteraufnahme erheblich und müssen sofort extrahiert werden. © █.
Druck auf das Einflussventil geregelt wird
(▶ Abb. 5).
Unzureichende Nahrungszerkleinerung
mit gleichzeitig verminderter Wasseraufnahme hat mit großer Sicherheit erheblichen Einfluss auf Gesundheit, Entwicklung, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit des jugendlichen Pferdes.
Einfluss der Zäumung
Ein wesentlicher Teil der Pferdeausbildung
besteht darin, die Tiere an Halfter und Zäumungen zu gewöhnen und ihnen darüber
Signale zu geben. Unstrittig ist, dass wegen
des Wechsels aller P2 der Einsatz eines
Gebisses für ein 3jähriges Pferd sehr unangenehm sein kann. Viele Ausbilder setzen
deshalb gebisslose Zäumungen ein.
Aber auch alle anderen gelockerten Milchzähne haben mehr oder weniger starke
2
negative Auswirkungen auf ein komfortables Maulgefühl bei jeder Kiefer- und Zungenbewegung (Maultätigkeit). Dabei spielt
die Art der Zäumung nur eine untergeordnete Rolle.
Betrachtet man die Vorgänge beim Zahnwechsel genauer, so muss man feststellen,
dass sie ausschließlich im Bereich rostral
des Crista facialis stattfinden. Hier wirken
aber alle gebräuchlichen Halfter und Zäumungen mit unterschiedlich starkem
Druck ein. Ober- und Unterkiefer von Pferden sind immer lateral anisognath. Daher
überträgt sich ausgeübter Druck immer
verstärkt auf die Kronen von 07er/P3 und
08er/P4 im Oberkiefer. Diese Tatsache ist
nicht nur unangenehm für das Pferd, es
begünstigt auch die Entstehung von in
der bukkalen Gingiva verbliebenen Fragmenten der Milchzahnkappen.
Das gebisslose Arbeiten der jungen Pferde
ist während des Wechsels der P2 mit etwa
2,5 bis 3 Jahren sicherlich sinnvoll. Zum
Zeitpunkt der Wechsel von P3 und P4 ist
von der unkritischen Nutzung █gebissloser Zäumungen, Führketten oder Knotenhalftern abzuraten. Bedenkenlos grober Gebrauch dieser Werkzeuge, wie er
leider sehr häufig beobachtet werden
kann, kann großen Schaden anrichten.
Fragmente von Milchzahnkappen Fragmente von Milchzahnkappen können an
allen gewechselten Zähnen und überall in
deren angrenzenden Gingiva verbleiben.
Sie sind leider nicht ganz einfach zu entdecken und rufen, selbst wenn der Zahnwechsel schon lange vorbei ist, schmerzhafte Gingivitiden hervor, die Rittigkeitsprobleme verursachen können.
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Abb. 5 2,5jähriges Pferd: deutlich sichtbarer I1 Milchzahn rechts oben (501);
Futtereinklemmungen und entzündlichen Veränderungen rechtfertigen eine
sofortige Extraktion; Einschränkung bei der Betätigung einer Selbsttränke mit
daraus resultierend reduzierter Wasseraufnahme sind vorstellbar. © █.
Bumps Bei vielen Pferden zwischen 2
und 5 Jahren fallen besonders deutlich
sichtbare Auftreibungen des Kieferknochens auf. Bumps, Knäste oder Eruptionszysten sind gängige Bezeichnungen für
diese Erscheinung.
Durch die Umbauprozesse bei der Bildung
des adulten Zahns entsteht hier dicht unter der Knochenoberfläche ein besonders
sensibler Bereich. Der Einsatz von darüber
verlaufenden Führketten oder zu starker
Druck von Halftern oder Zäumungen aller
Art kann Traumata entstehen lassen. Erhebliche negative Auswirkungen auf die
Entwicklung des dort entstehenden adulten Zahnes sind durchaus möglich.
Begleitung des
Zahnwechsels durch den
Pferdezahnspezialisten
Die Beratung
Aus diversen Gründen lässt sich die Kollision von Zahnwechsel und Ausbildungsbeginn in den wenigsten Fällen verhindern. So hat der Therapeuten die Aufgabe,
alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um
diese Situation für die jungen Pferde und
damit der Besitzer, Reiter und Ausbilder
zu verbessern:
▶ regelmäßige und fachmännische Kontrollen der Maulhöhle
▶ Durchführung notwendiger Behandlungen
▶ Aufklärung der Besitzer, Reiter und
Ausbilder über die Vorgänge im Pferdegebiss
▶ Beratung über das Vorgehen im Rahmen der Ausbildung
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Abb. 6 3,5jähriges Pferd: fehlende Zahnanlage des █P4 unten rechts (408).
© █.
Die Anamnese sollte auch Informationen
über die Lebensumstände und den vorgesehenen Ausbildungsweg beinhalten.
In zahlreichen Gesprächen mit Menschen,
die Pferde ausbilden, haben die Autoren
erhebliche Defizite bei den Kenntnissen
zum Zahnwechsel von Pferden feststellen
müssen. Deren Beseitigung wäre ein wertvoller Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität in Ausbildung befindlicher
Pferde.
Zeitlicher Untersuchungsrahmen
Geburt Schon bei der 1. Untersuchung
nach der Geburt wird die Maulhöhle auf
das Vorhandensein der Prämolaren als
Zeichen der Reife untersucht. Auch angeborene Missbildungen wie Gaumenspalte,
Brachignathie oder Kampylognathie sollten bereits zu diesem Zeitpunkt erfasst
werden, da sie schon die ersten Saugversuche und somit den Start ins Pferdeleben
erschweren. Frühzeitig durchgeführte
Therapien führen in vielen Fällen zu einer
wesentlichen Verbesserung der Lebensqualität und Leistungsfähigkeit des betroffenen Tieres.
1. und 2. Lebensjahr Eine routinemäßig
am Ende des 1. Lebensjahres und die folgende am Ende des 2. Lebensjahres durchgeführte Untersuchung kann erste funktionelle Anomalien wie scharfe Backenzahnkanten zeigen. Diese müssen nicht in
jedem Fall behandlungswürdig sein. Die
Betrachtung des Entwicklungsstandes und
eine genaue Anamnese helfen bei der Entscheidung, ob bereits das Beschleifen des
Gebisses notwendig ist.
Sollten Entwicklungsrückstände vorliegen
oder der Vorbericht Auffälligkeiten im
Fressverhalten oder gesundheitliche Probleme aller Art aufweisen, hat durch Zahnbehandlung optimierte Nahrungszerkleinerung immer einen positiven Einfluss
auf die Entwicklung des jungen Pferdes.
Folgende Befunde sollten immer fachgerecht korrigiert werden:
▶ erheblich erhöhte Querkämme (ATR =
accentuated transversal ridges; ETR =
excessive transversal ridges),
▶ Haken
▶ die Folgen fehlender Zähne (▶ Abb. 6)
→ Veränderungen im Ablauf der Kaubewegung → unphysiologische Belastung der betroffenen Zähne und deren
Antagonisten
Ein korrekt arbeitendes Gebiss trägt zum
reibungslosen Ablauf des bald einsetzenden Zahnwechsels bei und ist somit ein
wichtiger Beitrag zur Erleichterung der
beschriebenen Situation eines Pferdes am
Beginn seiner Ausbildung.
ps.
Die Kontrolle des Zahnwechsels sollte
routinemäßig alle 6 Monate erfolgen bis
alle Zähne gewechselt, durchgebrochen
und in Okklusion sind (üblicherweise bis
zum 5./6. Lebensjahr).
Diese Begleitung erfordert mit der Physiologie des stomatognathen Systems der
Pferde gut vertraute Fachleute, da sich zu
frühes oder zu spätes Eingreifen negativ
auf die lebenslange Funktionsfähigkeit
auswirken kann (▶ Abb. 7).
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Abb. 7 5jähriges Pferd: Persistierender █I2-Milchzahn oben links (602), durch
den I2 (202) und I3 (203) weit nach distal verlagert wurden. Je früher Extraktion
des Milchzahns und Kürzung der verlagerten adulten Zähne erfolgen, umso
weiter I2 und I3 im Laufe der Zeit auf ihren physiologischen Platz schieben. © █.
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Abb. 8 Schädel eines 2-jährigen Pferdes mit Milchbackenzähnen und im
Durchbruch befindlichen M3 (111). © █.
Abb. 9 Röntgenbild eines 2-jährigen Pferdes, analog zu Bild 8. © █.
▶
Adulte Tiere Das adulte Pferdegebiss erfordert eine jährliche Untersuchung. In
Einzelfällen können die Intervalle bei ausbalancierten Gebissen verlängert werden,
wenn eine aufmerksame Beobachtung
des Tieres durch seinen Betreuer gewährleistet ist.
Vor Trainingsbeginn Der Check vor Beginn jeder Art des Trainings darf nach
Meinung der Autoren niemals ausgelassen
werden!
Zu diesem Zeitpunkt muss unter Sedierung der genaue Status der Wechselvorgänge festgestellt und eventuell verbliebene Fragmente bereits gewechselter Zähne
müssen entfernt werden. Unter Berücksichtigung der über den Status gewonnenen Erkenntnisse kann der Ausbilder des
Pferdes über den weiteren Verlauf des
Zahnwechsels und die daraus zu ziehenden Konsequenzen aufgeklärt werden,
z. B.
4
▶ Bei einem knapp 2½-jährigen Pferd hat
▶
der Backenzahnwechsel noch nicht begonnen (▶ Abb. 8 und 9); der Besitzer
möchte mit der Gewöhnung an die
Trense beginnen → Aufklärung über in
Kürze beginnenden Wechsel der P2.
Empfehlung, die Gewöhnung an das
Gebiss zu verschieben, bis der Wechsel
stattgefunden hat und das Gebiss auf
verbliebene
Milchkappenfragmente
überprüft worden ist.
Ein fast 3-jähriger Patient mit abgeschlossenem Wechsel von I1 und P3 →
Zurzeit ist nicht mit einem Zahnwechsel zu rechnen. Die nächste Serie beginnt in ca. 4–5 Monaten. Bis dahin
kann mit der Grundausbildung begonnen werden (█keine gebisslose Zäumung notwendig). Danach muss sehr
aufmerksam auf akut auftretende Rittigkeitsprobleme, Foetor ex ore, Auffälligkeiten bei der Futteraufnahme etc.
geachtet werden, da jederzeit mit lockeren Milchzähnen zu rechnen ist.
Zur Einschätzung der Situation kann
für Besitzer die Betrachtung der leicht
zugänglichen Schneidezähne hilfreich
sein. Hier sichtbare Wechselanzeichen
lassen auf den meist gleichzeitig stattfindenden Backenzahnwechsel schließen. In diesem Falle sollte das Pferd
einige Tage aus dem Training genommen und bei danach fortbestehender
Problematik die Maulhöhle zeitnah untersucht werden.
Ein knapp 4-jähriges Pferd hat vor kurzem beide P4 im Unterkiefer gewechselt (die Gingiva ist auf einer Seite noch
nicht ganz abgeheilt). Die Oberkiefer P4
haben noch nicht gewechselt. Sie sitzen
fest und es gibt keine Hinweise auf Störungen im natürlichen Ablauf. → Aufklärung über zeitnah stattfindenden
Wechsel der P4 im Oberkiefer und erneute Kontrolle in 6–8 Wochen. Wenn
das Pferd bereits in Ausbildung ist, ist
die gleiche Vorgehensweise wie im vorangegangenen Fall zu empfehlen. Für
einen Ausbildungsbeginn ist der Zeitpunkt denkbar schlecht und dieser
sollte bis auf nach der empfohlenen erneuten Kontrolle verschoben werden.
Die meisten Pferde wechseln I1, I2, I3, P2
und P4 zwischen Oktober und März.
Häufige Befunde
rund um den Zahnwechsel
Adspektion und Palpation
Schon bei der Adspektion und Palpation
des Pferdekopfes erhält man wertvolle
Hinweise auf den Verlauf des Zahnwechsels.
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Bumps (auch: Knäste, Eruptionszysten)
fallen als deutlich sichtbare Auftreibungen
bei vielen Pferden zwischen 2 und 5 Jahren auf. An dieser Stelle befindet sich das
Zahnsäckchen des ausschiebenden Zahns,
der zum Zeitpunkt des Zahnwechsels der
Kompakta des Kieferknochens unmittelbar anliegt (Vogt et al. 2011). Die Auftreibung entsteht durch komplexe Vorgänge
bei der Bildung des adulten Zahnes und
lässt durch ihr bloßes Vorhandensein
nicht zwangsläufig auf eine Störung
schließen. Häufig werden sie fälschlich als
Auswirkung traumatischer Einwirkung interpretiert.
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Abb. 10 Endoskopiebild eines adulten P2, auf
dem die distale Hälfte der Milchkappe persistiert.
© █.
Palpatorische Überprüfung auf erhöhte
Temperatur, Fistelbildung oder deren Vorzeichen der Bumps bzw. der Bereiche, an
denen sie normalerweise zu finden sind,
gehören genauso zu einem vollständigen
Untersuchungsgang, wie die der Kehlgangslymphknoten.
Auch tränende Augen können in Verbindung mit dem Zahnwechsel auftreten,
wenn der Tränennasengang durch die apikalen Zahnentwicklungsvorgänge eingeengt wird oder die Eruption des adulten
Backenzahns durch verzögerte Exfoliation
verhindert wird.
Adspektion der Maulhöhle Vor Einsatz
der Maulsperre muss das Pferd unbedingt
auf lockere Milchschneidezähne untersucht und diese müssen gegebenenfalls
entfernt werden. Sonst könnten sie beim
Aufbeißen auf die Metallplatten der Maulsperre vermeidbare Schmerzen verursachen.
Milchzahnkappen Bei Schneide- und
Backenzahnreihen ist besonders auf un-
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Abb. 11 Bukkale Milchzahnfragmente an einem
Prämolaren. © █.
Abb. 12 Etwa 3 jähriges Pferd: persistierender █I1 oben links
(601). Fehlstellung des
adulten I1 bereits deutlich sichtbar, die Extraktion des I1 muss umgehend erfolgen; ggf.
Korrektur der Okklusallinie bei einer Nachkontrolle nach ca. 3–4 Monaten. © █.
Grundsätzlich sind Bumps am Unterkiefer
eher sicht- und tastbar als am Oberkiefer,
und können besonders bei sehr „edlen“
Pferdeköpfen besorgniserregende Dimensionen erreichen. Sind sie am Oberkiefer
unübersehbar, ist dies nach der Erfahrung
der Autoren fast immer ein Zeichen von
ernstzunehmenden Komplikationen.
Unilateral deutlich stärker ausgeprägte
Bumps sind immer verdächtig und erfordern eine sehr sorgfältige Betrachtung
der zugehörigen Zähne und deren Gingiva.
Aber auch wenn ihre Rückbildung verzögert ist oder stagniert, ist das ein Alarmsignal und die Ursachen hierfür müssen
herausgefunden werden.
ps.fachspiegel
vollständig abgegangene Milchzahnkappen zu achten. Je nach Größe und Position
haben sie unterschiedliche Folgen.
Kleine Fragmente in der Gingiva verursachen unangenehme Entzündungen,
größere können zusätzlich Ursache für
verzögerte Eruption, Fehlstellungen, pathologische Diastemata (Diastasen) etc.
sein. Sie sollten deshalb schnell entfernt
werden, sind aber selbst mit geeignetem
Spiegel häufig schwierig zu entdecken.
Im Backenzahnbereich sind sie am besten
mithilfe eines Endoskops zu diagnostizieren (▶ Abb. 10 und 11). Steht diese
Möglichkeit nicht zur Verfügung, sind der
eigene Geruchssinn zum Aufspüren von
entzündlichen Exsudaten oder Eiter und
vergleichendes Betasten unterschiedlicher
Bereiche wertvolle diagnostische Hilfsmittel. Unter Milchzahnkappen oder größeren Fragmenten befinden sich meist
Futterbestandteile, die einen typisch faulig-kompostartigen Geruch verursachen.
Retenierte Milchzähne In der ambulanten Praxis zeigt sich, dass ein retenierter
Milchzahn bei den Prämolaren nicht ein-
fach zu diagnostizieren ist. Je länger der
durchschnittliche Wechselzeitraum überschritten wird, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit eines retenierten Prämolaren.
Naheliegend ist der Verdacht bei
▶ ungewöhnlich großen oder palpatorisch auffallenden Bumps
▶ ungewöhnlichem zeitlichen Ablauf der
Bumps-Entstehung und ‑Rückbildung
▶ unilateral stark verzögertem Zahnwechsel
Die Erstellung aussagekräftiger Röntgenaufnahmen in einer auf Pferdezahnbehandlungen spezialisierten Klinik ist dann
unumgänglich.
Bei den Incisivi fällt die Entscheidung zumeist leichter, da die relevanten Bereiche
gut einzusehen und zu beurteilen sind.
Gleichzeitige Sichtbarkeit von Milchzahn
und dazugehörigem Ersatzzahn erfordern
fast immer die Extraktion des Dens deciduus (▶ Abb. 12, 13 und 14). Ist die Umgebung des Milchzahnes unauffällig hinsichtlich Zubildungen oder Entzündungszeichen, hat eine abwartende Haltung sel-
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Abb. 13 a und b Knapp 4-jähriges Pferd: a Persistierender I2–Milchzahn unten rechts (802) und weit lingual durchbrechender I2 (402) bei einem 4-jährigen Pferd;
b Röntgenbild des Patienten. © █.
Abb. 14 █I1 unten
links und rechts (301
und 401) sind in der
Gingiva bereits sichtbar.
Da der Wechsel von I1
oben links und rechts
(101 und 201) schon
vor längerer Zeit stattgefunden hat, ist eine
Extraktion ratsam;
Nachkontrolle nach 3–4
Monaten. © █.
ten vergleichbar schwerwiegende Konsequenzen wie bei den Prämolaren.
Therapeutische Maßnahmen
vor Trainingsbeginn
Bei der Untersuchung vor Trainingsbeginn
sollten folgende therapeutische Maßnahmen vorgenommen werden:
▶ Zahnkanten und ‑spitzen abrunden,
▶ Protuberanzen auf den Kauflächen für
freie Beweglichkeit der Unterkiefers
nach anterior-posterior und nach lateral einschränken angemessen reduzieren und
▶ möglichst gleichmäßige Druckverteilung auf Backen- und Schneidezähne
herstellen.
pation ein Lockerungsgrad festellbar, ist
die Extraktion eine wesentliche Erleichterung bei der Nahrungsaufnahme sowie
beim Einsatz von Halfter und Zäumungen,
und in jedem Fall angezeigt.
Schwieriger ist die Entscheidung bei festsitzenden Milchzähnen, bei denen die
adulten Prämolaren noch nicht sichtbar
sind. „Sowohl vorzeitige Exfoliation (Ausfallen von Milchzähnen) als auch Retention der Milchzähne kann die Entwicklung
des Ersatzzahns und seines Parodontiums
nachteilig beeinflussen. Als Resultat können Zahndefekte und Stellungsanomalien
auftreten“ (Vogt et al. 2011). Diese Feststellung gilt selbstverständlich auch für
vorzeitige Extraktionen!
Extraktion von Milchzahnkappen
Die Extraktion von Milchzahnkappen
muss gegebenenfalls in Erwägung gezogen werden.
Sind die adulten Prämolaren bereits am
Gingivarand sichtbar oder ist bei der Pal-
6
Keinesfalls ausreichend als einzige Indikation für eine Extraktion einer fest sitzenden Milchzahnkappe ist die █prophylaktische Entfernung, um eventuell später
entstehenden Rittigkeitsproblemen vorzubeugen!
Extraktion von Wolfszähnen
Kontroverse Diskussionen bestehen zu der
Frage, ob Wolfszähne bei Pferden, die mit
Gebiss gearbeitet werden sollen, grundsätzlich entfernt werden sollen.
Durch eigene Erfahrungen sowohl als Reiter und Ausbilder von Reitern und Pferden, als auch als Tierärzte mit Arbeitsschwerpunkt Pferdezahnbehandlung und
Erfahrungsaustausch mit weltweit auf
diesem Gebiet tätigen Kollegen, sind wir
große Befürworter der Extraktion von
Wolfszähnen.
Die offensichtlich durch Wolfzähne hervorgerufenen Rittigkeitsprobleme und die
potentiell damit verbundene Gefährdung
von Reitern rechtfertigen in unseren Augen die geringen Risiken einer Extraktion.
Schlussfolgerungen
Eine konsequent durchgeführte zahnmedizinische Begleitung von Fohlen und
jungen Pferden durch einen auf diesem
Spezialgebiet versierten Fachmann ist ein
wichtiger Beitrag zur Entwicklung einer
gesunden und leistungsbereiten Pferdepopulation.
Zur Entscheidung über zu ergreifende
Therapiemaßnahmen gehören aber auch
die Betrachtung der individuellen Lebensumstände des jeweiligen Tieres, Aufklärung von Besitzern und Trainern über die
Auswirkungen der jeweiligen Entwicklungsstadien im Pferdegebiss und Beratung zu möglichen Maßnahmen, diese
schwierige Entwicklungsphase möglichst
gut zu überstehen.
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http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1350770
Marion Eltze
Tierarztpraxis Marion Eltze
Pferdedentalpraktikerprüferin nach IGFP
Burggrabenstr. 16
35415 Pohlheim
Souel Maleh
Pferdedentalpraktikerprüfer nach IGFP
Zusatzbezeichnung und WBE Pferdezahnheilkunde
Tierarztpraxis Maleh
Ober-Ramstädter Str. 47
64367 Mühltal
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