Pferdespiegel Eltze Maleh 03-13
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Pferdespiegel Eltze Maleh 03-13
ps169_Eltze_Maleh AK-PDF n.a. Satz Herst. Datum Ziegler + Müller C. Idalinya 12.08.2013 ps.fachspiegel Aspekte rund um den Zahnwechsel junger Pferde – Hinweise aus der Praxis für die Praxis Marion Eltze, Souel Maleh Biomechanik der Kaubewegung weitgehend erhalten und können Entwicklungsrückstände somit minimiert werden. Gebisskontrollen und Zahnbehandlungen schon beim jungen Pferd? Wenn ja, wann und wie oft? Diese Frage stellt sich Pferdebesitzern und Tierärzten immer wieder. Hartnäckig hält sich der Mythos, dass nur alte Pferde ein behandlungsbedürftiges Gebiss haben – zu Unrecht, wie Sie im Folgenden lesen können. Wechsel und Durchbruch der Incisivi, Canini und Prämolaren bei Pferden, Kleinpferden und Ponys 01er/I1: 2,5–3 Jahre Grundlagen des Zahnwechsels Die rasante körperliche Entwicklung eines Fohlens erfordert die Aufnahme einer immensen Energiemenge, die in einen für den Magen-Darmtrakt optimal verwertbaren Zustand gebracht werden muss. Polyooder Oligodentie, Brachygnathie etc. kommen schon bei Fohlen vor, führen zu Maldigestion und sollten durch eine fachkundige Untersuchung innerhalb des 1. Lebensjahres frühzeitig erkannt werden. Der Zahnwechsel (Dentitio) eines Pferdes beginnt mit ca. 2,5 Jahren und ist meistens mit 5 Jahren abgeschlossen. Im gleichen Zeitraum werden die Tiere an ihre Aufgaben als Reit- oder Fahrpferd herangeführt. 02er/I 2: 3,5–4 Jahre 03er/I3: 4,5–5 Jahre 04er/C: 4–6 Jahre 05er/P1: bis 1 Jahr 06er/P2: 2,5 Jahre Bei der Betrachtung des natürlichen Ablaufs des Zahnwechsels fällt auf, dass im 1. Jahr, also zwischen 2,5 und 3,5 Jahren, insgesamt 12 Prämolare und 8 Inzisivi gewechselt werden (▶ Abb. 1 und 3). Auch der Durchbruch (Dentition) von Molaren kann in diesen Zeitraum fallen. 07er/P3: 2,5–3 Jahre 08er/P4: 3,5–4 Jahre 09er/M1: 0,5–1,5 Jahre 10er/M2: 2–2,5 Jahre 11er/M3: 3,5–4 Jahre Die Ernährung der Fohlen, Jährlinge und Zweijährigen besteht häufig bereits aus großen Mengen Krippenfutter. Im Gegensatz zu Raufutter erfolgt dessen Zerkleinerung in weniger nach lateral ausladenden Kaubewegungen. So weist nicht selten schon das Milchgebiss scharfe Backenzahnkanten und Haken auf, die ohne in diesem Alter durchgeführte Untersuchung oft unentdeckt bleiben. Auch die Kopf-Halshaltung hat direkten Einfluss auf den Aufbiss und somit auf die Abnutzung der Zahnreihen. Unter natürlichen Bedingungen wird die Nahrung überwiegend vom Boden aufgenommen. Da während des Kauens häufiger der Kopf gehoben wird, um die Umgebung besser beobachten zu können, verändert sich die Position der Kiefer zueinander nach anterior und posterior. Durch das Fressen aus Raufen und Krippen wird dieses Bewegungsmuster verändert und Hakenbildungen werden begünstigt. Aufgrund der heutigen Haltungsbedingungen nehmen viele Tiere den überwiegenden Teil ihrer Nahrung in unnatürlichen Fresspositionen auf. Durch regelmäßige Kontrolle und sachgerechte Therapie kann die physiologische Enke Verlag | Pferdespiegel 2013; 3: 1–7 ps (Die angegebenen Zeiten berücksichti- Im Alter von 2,5–3,5 Jahren sind bis zu gen bei verschiedenen Studien angege- 77% aller an der Nahrungsaufnahme be- bene durchschnittliche Zeiträume!) teiligten Zähne vom Zahnwechsel betroffen. Einfluss der Lebensumstände Da die meisten Pferde im Frühjahr geboren werden, fällt der Start des Zahnwechsels in jenen Herbst/Winter, in dem die Tiere ab 1. Januar auf Leistungsprüfungen startberechtigt sind und für die zukünftigen Deckhengste die Körung ansteht. Auch für den Einsatz im Freizeitbereich vorgesehene Kandidaten beginnt in diesem Winter meist das Training. Belastung des Immunsystems Mit dem Trainingsbeginn ist häufig erheblicher Stress verbunden, z. B. durch den Wechsel in einen Ausbildungsstall. Lebensumstände, Fütterung etc. verändern sich und somit auch die Keimflora, der der junge Organismus ausgesetzt ist. Zusätzlich kommt genau zu dieser Zeit der Zahnwechsel ins Spiel. Kleine Verletzungen in der Maulhöhle, verursacht durch die sich lösenden Dentes decidui (Milchkappen oder Milchzahn- kappen), führen zu mehr oder weniger heftigen entzündlichen und schmerzhaften Prozessen, die das Wohlbefinden des Tieres beeinträchtigen. Alles zusammen eine immense Aufgabe für das Immunsystem. Steigender Energiebedarf Durch die im Kiefer stattfindenden Umbauprozesse und gelockerte Milchzähne wird außerdem die Nahrungszerkleinerung erschwert (▶ Abb. 4). Gleichzeitig ist durch den Trainingsbeginn mit erhöhtem Energiebedarf zu rechnen. Reduzierte Wasseraufnahme Vorstellbar ist auch eine verminderte Wasseraufnahme, wenn sie durch im Herbst/Winter deutlich kälteres Wasser im Zusammenhang mit entzündlichen Prozessen in der Maulhöhle, für das Pferd unangenehm wird. Bei Wasserversorgung durch Selbsttränken haben lockere Incisivi möglicherweise einen ähnlichen Effekt, weil hierbei der Wasserfluss mit durch den labialen Bereich des Pferdemauls ausgeübtem Eltze M, Maleh S. Aspekte rund um den Zahnwechsel junger Pferde – Hinweise aus der Praxis für die Praxis 1 ps169_Eltze_Maleh AK-PDF n.a. ps.fachspiegel Satz Herst. Datum Ziegler + Müller C. Idalinya 12.08.2013 Abb. 1 Tiefe Infundibula sind neben Größe, Farbe und Form wesentliche Merkmale bei der Unterscheidung zwischen Milchschneidezähnen und adulten Schneidezähnen. © █. Abb. 2 3,5 jähriges Pferd: der I2 im Unterkiefer wurde vor kurzem gewechselt und der Oberkiefer I2 ist noch Milchzahn (602). Kein Grund für eine Extraktion, da kein Lockerungsgrad und keine Entzündungszeichen (Aufklärung des Besitzers über bevorstehenden Wechsel). © █. Abb. 3 Wünschenswerte Ansicht bei einem 3jährigen Pferd. Alle I1 wurden gleichmäßig gewechselt. © █. Abb. 4 3jähriges Pferd: Auf diese Art persistierende Milchzähne stören die Futteraufnahme erheblich und müssen sofort extrahiert werden. © █. Druck auf das Einflussventil geregelt wird (▶ Abb. 5). Unzureichende Nahrungszerkleinerung mit gleichzeitig verminderter Wasseraufnahme hat mit großer Sicherheit erheblichen Einfluss auf Gesundheit, Entwicklung, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit des jugendlichen Pferdes. Einfluss der Zäumung Ein wesentlicher Teil der Pferdeausbildung besteht darin, die Tiere an Halfter und Zäumungen zu gewöhnen und ihnen darüber Signale zu geben. Unstrittig ist, dass wegen des Wechsels aller P2 der Einsatz eines Gebisses für ein 3jähriges Pferd sehr unangenehm sein kann. Viele Ausbilder setzen deshalb gebisslose Zäumungen ein. Aber auch alle anderen gelockerten Milchzähne haben mehr oder weniger starke 2 negative Auswirkungen auf ein komfortables Maulgefühl bei jeder Kiefer- und Zungenbewegung (Maultätigkeit). Dabei spielt die Art der Zäumung nur eine untergeordnete Rolle. Betrachtet man die Vorgänge beim Zahnwechsel genauer, so muss man feststellen, dass sie ausschließlich im Bereich rostral des Crista facialis stattfinden. Hier wirken aber alle gebräuchlichen Halfter und Zäumungen mit unterschiedlich starkem Druck ein. Ober- und Unterkiefer von Pferden sind immer lateral anisognath. Daher überträgt sich ausgeübter Druck immer verstärkt auf die Kronen von 07er/P3 und 08er/P4 im Oberkiefer. Diese Tatsache ist nicht nur unangenehm für das Pferd, es begünstigt auch die Entstehung von in der bukkalen Gingiva verbliebenen Fragmenten der Milchzahnkappen. Das gebisslose Arbeiten der jungen Pferde ist während des Wechsels der P2 mit etwa 2,5 bis 3 Jahren sicherlich sinnvoll. Zum Zeitpunkt der Wechsel von P3 und P4 ist von der unkritischen Nutzung █gebissloser Zäumungen, Führketten oder Knotenhalftern abzuraten. Bedenkenlos grober Gebrauch dieser Werkzeuge, wie er leider sehr häufig beobachtet werden kann, kann großen Schaden anrichten. Fragmente von Milchzahnkappen Fragmente von Milchzahnkappen können an allen gewechselten Zähnen und überall in deren angrenzenden Gingiva verbleiben. Sie sind leider nicht ganz einfach zu entdecken und rufen, selbst wenn der Zahnwechsel schon lange vorbei ist, schmerzhafte Gingivitiden hervor, die Rittigkeitsprobleme verursachen können. Eltze M, Maleh S. Aspekte rund um den Zahnwechsel junger Pferde – Hinweise aus der Praxis für die Praxis Enke Verlag | Pferdespiegel 2013; 3: 1–7 ps169_Eltze_Maleh AK-PDF n.a. Abb. 5 2,5jähriges Pferd: deutlich sichtbarer I1 Milchzahn rechts oben (501); Futtereinklemmungen und entzündlichen Veränderungen rechtfertigen eine sofortige Extraktion; Einschränkung bei der Betätigung einer Selbsttränke mit daraus resultierend reduzierter Wasseraufnahme sind vorstellbar. © █. Bumps Bei vielen Pferden zwischen 2 und 5 Jahren fallen besonders deutlich sichtbare Auftreibungen des Kieferknochens auf. Bumps, Knäste oder Eruptionszysten sind gängige Bezeichnungen für diese Erscheinung. Durch die Umbauprozesse bei der Bildung des adulten Zahns entsteht hier dicht unter der Knochenoberfläche ein besonders sensibler Bereich. Der Einsatz von darüber verlaufenden Führketten oder zu starker Druck von Halftern oder Zäumungen aller Art kann Traumata entstehen lassen. Erhebliche negative Auswirkungen auf die Entwicklung des dort entstehenden adulten Zahnes sind durchaus möglich. Begleitung des Zahnwechsels durch den Pferdezahnspezialisten Die Beratung Aus diversen Gründen lässt sich die Kollision von Zahnwechsel und Ausbildungsbeginn in den wenigsten Fällen verhindern. So hat der Therapeuten die Aufgabe, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um diese Situation für die jungen Pferde und damit der Besitzer, Reiter und Ausbilder zu verbessern: ▶ regelmäßige und fachmännische Kontrollen der Maulhöhle ▶ Durchführung notwendiger Behandlungen ▶ Aufklärung der Besitzer, Reiter und Ausbilder über die Vorgänge im Pferdegebiss ▶ Beratung über das Vorgehen im Rahmen der Ausbildung Enke Verlag | Pferdespiegel 2013; 3: 1–7 Satz Herst. Datum Ziegler + Müller C. Idalinya 12.08.2013 ps.fachspiegel Abb. 6 3,5jähriges Pferd: fehlende Zahnanlage des █P4 unten rechts (408). © █. Die Anamnese sollte auch Informationen über die Lebensumstände und den vorgesehenen Ausbildungsweg beinhalten. In zahlreichen Gesprächen mit Menschen, die Pferde ausbilden, haben die Autoren erhebliche Defizite bei den Kenntnissen zum Zahnwechsel von Pferden feststellen müssen. Deren Beseitigung wäre ein wertvoller Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität in Ausbildung befindlicher Pferde. Zeitlicher Untersuchungsrahmen Geburt Schon bei der 1. Untersuchung nach der Geburt wird die Maulhöhle auf das Vorhandensein der Prämolaren als Zeichen der Reife untersucht. Auch angeborene Missbildungen wie Gaumenspalte, Brachignathie oder Kampylognathie sollten bereits zu diesem Zeitpunkt erfasst werden, da sie schon die ersten Saugversuche und somit den Start ins Pferdeleben erschweren. Frühzeitig durchgeführte Therapien führen in vielen Fällen zu einer wesentlichen Verbesserung der Lebensqualität und Leistungsfähigkeit des betroffenen Tieres. 1. und 2. Lebensjahr Eine routinemäßig am Ende des 1. Lebensjahres und die folgende am Ende des 2. Lebensjahres durchgeführte Untersuchung kann erste funktionelle Anomalien wie scharfe Backenzahnkanten zeigen. Diese müssen nicht in jedem Fall behandlungswürdig sein. Die Betrachtung des Entwicklungsstandes und eine genaue Anamnese helfen bei der Entscheidung, ob bereits das Beschleifen des Gebisses notwendig ist. Sollten Entwicklungsrückstände vorliegen oder der Vorbericht Auffälligkeiten im Fressverhalten oder gesundheitliche Probleme aller Art aufweisen, hat durch Zahnbehandlung optimierte Nahrungszerkleinerung immer einen positiven Einfluss auf die Entwicklung des jungen Pferdes. Folgende Befunde sollten immer fachgerecht korrigiert werden: ▶ erheblich erhöhte Querkämme (ATR = accentuated transversal ridges; ETR = excessive transversal ridges), ▶ Haken ▶ die Folgen fehlender Zähne (▶ Abb. 6) → Veränderungen im Ablauf der Kaubewegung → unphysiologische Belastung der betroffenen Zähne und deren Antagonisten Ein korrekt arbeitendes Gebiss trägt zum reibungslosen Ablauf des bald einsetzenden Zahnwechsels bei und ist somit ein wichtiger Beitrag zur Erleichterung der beschriebenen Situation eines Pferdes am Beginn seiner Ausbildung. ps. Die Kontrolle des Zahnwechsels sollte routinemäßig alle 6 Monate erfolgen bis alle Zähne gewechselt, durchgebrochen und in Okklusion sind (üblicherweise bis zum 5./6. Lebensjahr). Diese Begleitung erfordert mit der Physiologie des stomatognathen Systems der Pferde gut vertraute Fachleute, da sich zu frühes oder zu spätes Eingreifen negativ auf die lebenslange Funktionsfähigkeit auswirken kann (▶ Abb. 7). Eltze M, Maleh S. Aspekte rund um den Zahnwechsel junger Pferde – Hinweise aus der Praxis für die Praxis 3 ps169_Eltze_Maleh AK-PDF n.a. Satz Herst. Datum ps.fachspiegel Abb. 7 5jähriges Pferd: Persistierender █I2-Milchzahn oben links (602), durch den I2 (202) und I3 (203) weit nach distal verlagert wurden. Je früher Extraktion des Milchzahns und Kürzung der verlagerten adulten Zähne erfolgen, umso weiter I2 und I3 im Laufe der Zeit auf ihren physiologischen Platz schieben. © █. Ziegler + Müller C. Idalinya 12.08.2013 Abb. 8 Schädel eines 2-jährigen Pferdes mit Milchbackenzähnen und im Durchbruch befindlichen M3 (111). © █. Abb. 9 Röntgenbild eines 2-jährigen Pferdes, analog zu Bild 8. © █. ▶ Adulte Tiere Das adulte Pferdegebiss erfordert eine jährliche Untersuchung. In Einzelfällen können die Intervalle bei ausbalancierten Gebissen verlängert werden, wenn eine aufmerksame Beobachtung des Tieres durch seinen Betreuer gewährleistet ist. Vor Trainingsbeginn Der Check vor Beginn jeder Art des Trainings darf nach Meinung der Autoren niemals ausgelassen werden! Zu diesem Zeitpunkt muss unter Sedierung der genaue Status der Wechselvorgänge festgestellt und eventuell verbliebene Fragmente bereits gewechselter Zähne müssen entfernt werden. Unter Berücksichtigung der über den Status gewonnenen Erkenntnisse kann der Ausbilder des Pferdes über den weiteren Verlauf des Zahnwechsels und die daraus zu ziehenden Konsequenzen aufgeklärt werden, z. B. 4 ▶ Bei einem knapp 2½-jährigen Pferd hat ▶ der Backenzahnwechsel noch nicht begonnen (▶ Abb. 8 und 9); der Besitzer möchte mit der Gewöhnung an die Trense beginnen → Aufklärung über in Kürze beginnenden Wechsel der P2. Empfehlung, die Gewöhnung an das Gebiss zu verschieben, bis der Wechsel stattgefunden hat und das Gebiss auf verbliebene Milchkappenfragmente überprüft worden ist. Ein fast 3-jähriger Patient mit abgeschlossenem Wechsel von I1 und P3 → Zurzeit ist nicht mit einem Zahnwechsel zu rechnen. Die nächste Serie beginnt in ca. 4–5 Monaten. Bis dahin kann mit der Grundausbildung begonnen werden (█keine gebisslose Zäumung notwendig). Danach muss sehr aufmerksam auf akut auftretende Rittigkeitsprobleme, Foetor ex ore, Auffälligkeiten bei der Futteraufnahme etc. geachtet werden, da jederzeit mit lockeren Milchzähnen zu rechnen ist. Zur Einschätzung der Situation kann für Besitzer die Betrachtung der leicht zugänglichen Schneidezähne hilfreich sein. Hier sichtbare Wechselanzeichen lassen auf den meist gleichzeitig stattfindenden Backenzahnwechsel schließen. In diesem Falle sollte das Pferd einige Tage aus dem Training genommen und bei danach fortbestehender Problematik die Maulhöhle zeitnah untersucht werden. Ein knapp 4-jähriges Pferd hat vor kurzem beide P4 im Unterkiefer gewechselt (die Gingiva ist auf einer Seite noch nicht ganz abgeheilt). Die Oberkiefer P4 haben noch nicht gewechselt. Sie sitzen fest und es gibt keine Hinweise auf Störungen im natürlichen Ablauf. → Aufklärung über zeitnah stattfindenden Wechsel der P4 im Oberkiefer und erneute Kontrolle in 6–8 Wochen. Wenn das Pferd bereits in Ausbildung ist, ist die gleiche Vorgehensweise wie im vorangegangenen Fall zu empfehlen. Für einen Ausbildungsbeginn ist der Zeitpunkt denkbar schlecht und dieser sollte bis auf nach der empfohlenen erneuten Kontrolle verschoben werden. Die meisten Pferde wechseln I1, I2, I3, P2 und P4 zwischen Oktober und März. Häufige Befunde rund um den Zahnwechsel Adspektion und Palpation Schon bei der Adspektion und Palpation des Pferdekopfes erhält man wertvolle Hinweise auf den Verlauf des Zahnwechsels. Eltze M, Maleh S. Aspekte rund um den Zahnwechsel junger Pferde – Hinweise aus der Praxis für die Praxis Enke Verlag | Pferdespiegel 2013; 3: 1–7 ps169_Eltze_Maleh AK-PDF n.a. Bumps (auch: Knäste, Eruptionszysten) fallen als deutlich sichtbare Auftreibungen bei vielen Pferden zwischen 2 und 5 Jahren auf. An dieser Stelle befindet sich das Zahnsäckchen des ausschiebenden Zahns, der zum Zeitpunkt des Zahnwechsels der Kompakta des Kieferknochens unmittelbar anliegt (Vogt et al. 2011). Die Auftreibung entsteht durch komplexe Vorgänge bei der Bildung des adulten Zahnes und lässt durch ihr bloßes Vorhandensein nicht zwangsläufig auf eine Störung schließen. Häufig werden sie fälschlich als Auswirkung traumatischer Einwirkung interpretiert. Satz Herst. Datum Ziegler + Müller C. Idalinya 12.08.2013 Abb. 10 Endoskopiebild eines adulten P2, auf dem die distale Hälfte der Milchkappe persistiert. © █. Palpatorische Überprüfung auf erhöhte Temperatur, Fistelbildung oder deren Vorzeichen der Bumps bzw. der Bereiche, an denen sie normalerweise zu finden sind, gehören genauso zu einem vollständigen Untersuchungsgang, wie die der Kehlgangslymphknoten. Auch tränende Augen können in Verbindung mit dem Zahnwechsel auftreten, wenn der Tränennasengang durch die apikalen Zahnentwicklungsvorgänge eingeengt wird oder die Eruption des adulten Backenzahns durch verzögerte Exfoliation verhindert wird. Adspektion der Maulhöhle Vor Einsatz der Maulsperre muss das Pferd unbedingt auf lockere Milchschneidezähne untersucht und diese müssen gegebenenfalls entfernt werden. Sonst könnten sie beim Aufbeißen auf die Metallplatten der Maulsperre vermeidbare Schmerzen verursachen. Milchzahnkappen Bei Schneide- und Backenzahnreihen ist besonders auf un- Enke Verlag | Pferdespiegel 2013; 3: 1–7 Abb. 11 Bukkale Milchzahnfragmente an einem Prämolaren. © █. Abb. 12 Etwa 3 jähriges Pferd: persistierender █I1 oben links (601). Fehlstellung des adulten I1 bereits deutlich sichtbar, die Extraktion des I1 muss umgehend erfolgen; ggf. Korrektur der Okklusallinie bei einer Nachkontrolle nach ca. 3–4 Monaten. © █. Grundsätzlich sind Bumps am Unterkiefer eher sicht- und tastbar als am Oberkiefer, und können besonders bei sehr „edlen“ Pferdeköpfen besorgniserregende Dimensionen erreichen. Sind sie am Oberkiefer unübersehbar, ist dies nach der Erfahrung der Autoren fast immer ein Zeichen von ernstzunehmenden Komplikationen. Unilateral deutlich stärker ausgeprägte Bumps sind immer verdächtig und erfordern eine sehr sorgfältige Betrachtung der zugehörigen Zähne und deren Gingiva. Aber auch wenn ihre Rückbildung verzögert ist oder stagniert, ist das ein Alarmsignal und die Ursachen hierfür müssen herausgefunden werden. ps.fachspiegel vollständig abgegangene Milchzahnkappen zu achten. Je nach Größe und Position haben sie unterschiedliche Folgen. Kleine Fragmente in der Gingiva verursachen unangenehme Entzündungen, größere können zusätzlich Ursache für verzögerte Eruption, Fehlstellungen, pathologische Diastemata (Diastasen) etc. sein. Sie sollten deshalb schnell entfernt werden, sind aber selbst mit geeignetem Spiegel häufig schwierig zu entdecken. Im Backenzahnbereich sind sie am besten mithilfe eines Endoskops zu diagnostizieren (▶ Abb. 10 und 11). Steht diese Möglichkeit nicht zur Verfügung, sind der eigene Geruchssinn zum Aufspüren von entzündlichen Exsudaten oder Eiter und vergleichendes Betasten unterschiedlicher Bereiche wertvolle diagnostische Hilfsmittel. Unter Milchzahnkappen oder größeren Fragmenten befinden sich meist Futterbestandteile, die einen typisch faulig-kompostartigen Geruch verursachen. Retenierte Milchzähne In der ambulanten Praxis zeigt sich, dass ein retenierter Milchzahn bei den Prämolaren nicht ein- fach zu diagnostizieren ist. Je länger der durchschnittliche Wechselzeitraum überschritten wird, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit eines retenierten Prämolaren. Naheliegend ist der Verdacht bei ▶ ungewöhnlich großen oder palpatorisch auffallenden Bumps ▶ ungewöhnlichem zeitlichen Ablauf der Bumps-Entstehung und ‑Rückbildung ▶ unilateral stark verzögertem Zahnwechsel Die Erstellung aussagekräftiger Röntgenaufnahmen in einer auf Pferdezahnbehandlungen spezialisierten Klinik ist dann unumgänglich. Bei den Incisivi fällt die Entscheidung zumeist leichter, da die relevanten Bereiche gut einzusehen und zu beurteilen sind. Gleichzeitige Sichtbarkeit von Milchzahn und dazugehörigem Ersatzzahn erfordern fast immer die Extraktion des Dens deciduus (▶ Abb. 12, 13 und 14). Ist die Umgebung des Milchzahnes unauffällig hinsichtlich Zubildungen oder Entzündungszeichen, hat eine abwartende Haltung sel- Eltze M, Maleh S. Aspekte rund um den Zahnwechsel junger Pferde – Hinweise aus der Praxis für die Praxis 5 ps169_Eltze_Maleh AK-PDF n.a. ps.fachspiegel Satz Herst. Datum Ziegler + Müller C. Idalinya 12.08.2013 Abb. 13 a und b Knapp 4-jähriges Pferd: a Persistierender I2–Milchzahn unten rechts (802) und weit lingual durchbrechender I2 (402) bei einem 4-jährigen Pferd; b Röntgenbild des Patienten. © █. Abb. 14 █I1 unten links und rechts (301 und 401) sind in der Gingiva bereits sichtbar. Da der Wechsel von I1 oben links und rechts (101 und 201) schon vor längerer Zeit stattgefunden hat, ist eine Extraktion ratsam; Nachkontrolle nach 3–4 Monaten. © █. ten vergleichbar schwerwiegende Konsequenzen wie bei den Prämolaren. Therapeutische Maßnahmen vor Trainingsbeginn Bei der Untersuchung vor Trainingsbeginn sollten folgende therapeutische Maßnahmen vorgenommen werden: ▶ Zahnkanten und ‑spitzen abrunden, ▶ Protuberanzen auf den Kauflächen für freie Beweglichkeit der Unterkiefers nach anterior-posterior und nach lateral einschränken angemessen reduzieren und ▶ möglichst gleichmäßige Druckverteilung auf Backen- und Schneidezähne herstellen. pation ein Lockerungsgrad festellbar, ist die Extraktion eine wesentliche Erleichterung bei der Nahrungsaufnahme sowie beim Einsatz von Halfter und Zäumungen, und in jedem Fall angezeigt. Schwieriger ist die Entscheidung bei festsitzenden Milchzähnen, bei denen die adulten Prämolaren noch nicht sichtbar sind. „Sowohl vorzeitige Exfoliation (Ausfallen von Milchzähnen) als auch Retention der Milchzähne kann die Entwicklung des Ersatzzahns und seines Parodontiums nachteilig beeinflussen. Als Resultat können Zahndefekte und Stellungsanomalien auftreten“ (Vogt et al. 2011). Diese Feststellung gilt selbstverständlich auch für vorzeitige Extraktionen! Extraktion von Milchzahnkappen Die Extraktion von Milchzahnkappen muss gegebenenfalls in Erwägung gezogen werden. Sind die adulten Prämolaren bereits am Gingivarand sichtbar oder ist bei der Pal- 6 Keinesfalls ausreichend als einzige Indikation für eine Extraktion einer fest sitzenden Milchzahnkappe ist die █prophylaktische Entfernung, um eventuell später entstehenden Rittigkeitsproblemen vorzubeugen! Extraktion von Wolfszähnen Kontroverse Diskussionen bestehen zu der Frage, ob Wolfszähne bei Pferden, die mit Gebiss gearbeitet werden sollen, grundsätzlich entfernt werden sollen. Durch eigene Erfahrungen sowohl als Reiter und Ausbilder von Reitern und Pferden, als auch als Tierärzte mit Arbeitsschwerpunkt Pferdezahnbehandlung und Erfahrungsaustausch mit weltweit auf diesem Gebiet tätigen Kollegen, sind wir große Befürworter der Extraktion von Wolfszähnen. Die offensichtlich durch Wolfzähne hervorgerufenen Rittigkeitsprobleme und die potentiell damit verbundene Gefährdung von Reitern rechtfertigen in unseren Augen die geringen Risiken einer Extraktion. Schlussfolgerungen Eine konsequent durchgeführte zahnmedizinische Begleitung von Fohlen und jungen Pferden durch einen auf diesem Spezialgebiet versierten Fachmann ist ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung einer gesunden und leistungsbereiten Pferdepopulation. Zur Entscheidung über zu ergreifende Therapiemaßnahmen gehören aber auch die Betrachtung der individuellen Lebensumstände des jeweiligen Tieres, Aufklärung von Besitzern und Trainern über die Auswirkungen der jeweiligen Entwicklungsstadien im Pferdegebiss und Beratung zu möglichen Maßnahmen, diese schwierige Entwicklungsphase möglichst gut zu überstehen. Eltze M, Maleh S. Aspekte rund um den Zahnwechsel junger Pferde – Hinweise aus der Praxis für die Praxis Enke Verlag | Pferdespiegel 2013; 3: 1–7 ps169_Eltze_Maleh AK-PDF n.a. Satz Herst. Datum Ziegler + Müller C. Idalinya 12.08.2013 ps.fachspiegel Online http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1350770 Marion Eltze Tierarztpraxis Marion Eltze Pferdedentalpraktikerprüferin nach IGFP Burggrabenstr. 16 35415 Pohlheim Souel Maleh Pferdedentalpraktikerprüfer nach IGFP Zusatzbezeichnung und WBE Pferdezahnheilkunde Tierarztpraxis Maleh Ober-Ramstädter Str. 47 64367 Mühltal Enke Verlag | Pferdespiegel 2013; 3: 1–7 Eltze M, Maleh S. Aspekte rund um den Zahnwechsel junger Pferde – Hinweise aus der Praxis für die Praxis 7