Aldi-Ferien sind nicht zweiter KlAsse

Transcrição

Aldi-Ferien sind nicht zweiter KlAsse
to u r o p e r ato r S
«Aldi-Ferien sind nicht
zweiter Klasse»
Aldi Suisse Tours macht sich auf dem Schweizer Direktreisemarkt breit. Bislang scheinen
Vögele Reisen, Denner und Co unbeeindruckt. Doch wie kann man heute mit Low-BudgetReisen Gewinn machen? Die Akteure setzen auf unterschiedliche Geschäftsmodelle.
Text Alexandra Karle
D
ie Angebote klingen wirklich verlockend: drei Nächte im Vier-SterneHotel Du Glacier in Saas-Fee
inklusive Halbpension und Wellness-Bereich in den letzten beiden
Aprilwochen für 359 Franken pro Person. Noch
günstiger wird es in Österreich: Da kostet das
vergleichbare Angebot im Fun&Spa Hotel Mayrhofen für denselben Zeitraum sogar nur 189
Franken. Aldi Suisse Tours wirbt damit, seinen
Schweizer Kunden «höchste Qualität zum besten Preis» zu bieten. Und tatsächlich: alle Offerten sind über die Homepage verfügbar.
Luxusherbergen beim Billigmarkt? Mit solchen und ähnlichen Angeboten ist Aldi Suisse
Tours auf dem Direktreisemarkt erfolgreich, seit
2007 auch in der Schweiz. Denn letztlich sind
auch Besitzer von Luxushotels froh, wenn sie in
der Nebensaison auf die Verkaufsmaschinerie
eines Discounters zurückgreifen können, und
rufen sogar von sich aus an, um Restposten anzubieten. Also eine Win-Win-Situation.
Kleinvieh macht auch Mist
Aldi geniesst in der Schweiz keinen allzu guten
Ruf. Wenn Herr und Frau Schweizer zu einem
Discounter gehen, dann doch lieber zu Denner.
Trotzdem steigt der Umsatz von Aldi Suisse
kontinuierlich. Im Geschäftsjahr 2010 sollen es
16 Prozent gewesen sein. Und Aldi Suisse Tours
wächst kontinuierlich mit. 96 000 Kunden hatte
der Veranstalter vor zwei Jahren, im vergangenen Jahr waren es schon 122 000 Schweizer, die
mit Aldi Suisse Tours in die Ferien gingen. Geschätzter Umsatz: 36,5 Millionen Schweizer
Franken. Das bedeutet zwar, dass jeder Kunde
umgerechnet nur knapp 300 Franken pro Reise
beim Direktanbieter investiert, aber Kleinvieh
macht bekanntlich auch Mist.
Eurotours mit Sitz im österreichischen
Kitzbühel wickelt das Reisegeschäft für Aldi
Deutschland, Hofer (dem Aldi-Equivalenten in
Österreich) und Aldi Suisse ab. Franz Gredler,
Vertriebsleiter Direktgeschäft, ist von dem Ge-
8 Schweizer Touristik · 4/12
schäftsmodell überzeugt: «Wir nennen uns
nicht nur ‹direkt und ehrlich› (‹Direkt und Ehrlich› ist bekanntlich das Direktreise-Angebot
von Kuoni). Wir sind wirklich direkt, bei uns
gibt es keine Zwischenhändler, also auch keine
Retail-Kommissionen. Deshalb können wir die
besten Preise auf dem Markt anbieten.» Die
Verwaltungskosten werden bewusst flach gehalten: wenig Personal und ein vorgeschaltetes externes Callcenter, damit bei diesen niedrigen
Preisen auch Gewinn übrig bleibt.
«Die anderen haben keine Chance.»
Alle Reisen werden vierzehntäglich in der «Aldi-Woche» publiziert, die allein in der Schweiz
nach Angaben von Eurotours zwei Millionen
Haushalte erreicht. Alternierend in den Wochen
dazwischen liege in den 153 Schweizer Aldi-Filialen der Flyer «Reisehits» aus, dazu komme
ein monatlicher Katalog. Verkauft wird zu 40
Prozent übers Telefon, der Rest über Direktbuchungen auf der Homepage von Aldi Suisse
Tours. Die grösste Konkurrenz auf dem Schweizer Markt ist laut Gredler Vögele Reisen, Denner und Co seien auch noch da. «Wir beobachten die Kollegen sehr genau, betrachten sie aber
als nicht wirklich gefährlich für unser Geschäft»,
so Gredler weiter.
Aldi Suisse Tours setze vor allem auf Hotels und Wellnessangebote mit Eigenanreise im
In- sowie benachbarten Ausland. Mehrwöchige
All-Inclusive-Reisen verkauften sich nicht so
gut. «Die Kunden wollen öfter und kürzer in
die Ferien, das sehen wir jeden Tag an den Buchungseingängen», so Gredler. Den grossen
Vorteil von Aldi Suisse Tours sieht er vor allem
in der Schnelligkeit. Jede Woche könne man in
den Publikationen auf Marktgegebenheiten wie
to u r o p e r ato r S
politische Entwicklungen oder Währungsschwankungen reagieren. Der Rücklauf komme
einem Monitoring gleich, so könne man Vorlieben und Strömungen schnell erkennen. Eines
liesse sich ganz klar festhalten: «Aldi-Ferien
sind keine Zweite-Klasse-Ferien», trotz niedriger Preise.
Eurotours befördere inzwischen pro Jahr
1,2 Millionen Passagiere, das ermögliche zudem
gute Einkaufsmöglichkeiten. Dazu kämen
«Restposten» von Airlines, Reedereien oder
eben Luxushotels. «Wir können die Deals sehr
schnell machen, da haben die anderen keine
Chance», ist Gredler überzeugt. Die Strategie
für die kommenden Jahre sei vor allem, sich neben den bisherigen Angeboten auf Kurzferien in
der Schweiz zu konzentrieren. Gredler ist der
Meinung, dass die Schweizer am liebsten in der
Schweiz bleiben, und da gebe es von den Mitbewerbern nicht genügend Angebote. «Diese Lücke füllen wir gerne.»
Rückbesinnung auf das Kerngeschäft
Die «geschätzten Kollegen» von Vögele Reisen,
wie Gredler sie nennt, sind nicht nur am längsten auf dem Markt, sondern Marktführer im
Direktreisebereich und auch nach Umsatzverlusten in den letzten Jahren wieder erfolgreich.
Extra ausgewiesene Zahlen gibt es zwar nicht,
aber rund ein Fünftel des Gesamtumsatzes von
TUI Suisse im vergangenen Geschäftsjahr entfällt auf den Direktverkauf im Web und am Telefon, das entspricht rund 85 Millionen Schweizer Franken. Der Branchenprimus ist daran,
sich technologisch neu auszurichten. Dabei
konzentriert sich Vögele Reisen auf sein Kerngeschäft mit Rund- und Erlebnisreisen sowie
Kreuzfahrten mit Badeferien.
Anders als Aldi Suisse Tours setzt Vögele
Reisen bei Badeferien auf sieben- bis zehntägige
Aufenthalte, bei Rundreisen und Kreuzfahrten
liegt die Reisedauer zwischen 12 und 15 Tagen.
Der hohe Anteil von Stammkunden (60 Prozent) ist ein wichtiger Treiber. Doch wegen der
modernen Technologie und Internet wandelt
sich der Direktverkauf schnell.
Aldi Suisse Tours würde man als Mitbewerber natürlich ernst nehmen, so Roland Schmid,
Mediensprecher von Tui Suisse, obwohl das Geschäftsmodell mit Vögele Reisen nicht vergleichbar sei. Er stimmt mit Eurotours Vertriebschef Gredler insofern überein, dass sowohl
die Produktion der Reisen, das Angebot selbst
Franz Gredler, Vertriebsleiter Direktgeschäft bei
Eurotours..
Christine Bucher-Tanner, Reisecenter Plus
und die Vertriebskanäle der beiden Anbieter
ziemlich unterschiedlich seien.
bei Direktreisen das Direktverkaufgeschäft von
der Pike auf gelernt. Mit dem eigenen Magazin
«Ferienpost» hat Reisecenter Plus ähnlich wie
Aldi und Denner ein wichtiges Vertriebstool an
der Hand. Die «Ferienpost» hat eine Auflage
von 1,4 bis 1,6 Millionen und wird gleichzeitig
auch im Internet aufgeschaltet. Der grösste Unterschied ist sicherlich, dass die «Ferienpost»
auch einen redaktionellen Anteil von 20 Prozent
hat und anders als die «Aldi-» oder «DennerWoche» nur dreimal pro Jahr erscheint, die
französische Ausgabe sogar nur halbjährlich.
Christine Bucher und ihr Team setzen ähnlich wie Vögele Reisen vor allem auf Kreuzfahrten und Rundreisen. Die Länge der Reisen spiele als Verkaufsargument keine Rolle, ebenso
wenig wie der Preis. Günstige Angebote ab 195
Franken seien bei den Kunden genauso gefragt
wie spezielle Reisen für mehrere tausend Franken. Der Verkauf laufe zum grössten Teil über
das hauseigene Callcenter, nur 25 Prozent buchten über das Internet. Allerdings werde es immer schwieriger, mit günstigen Reiseangeboten
Gewinne zu erzielen. Damit dies überhaupt gelänge, seien Faktoren wie eine tiefe Kostenstruktur, ein gezielter Einkauf und die richtige Ausschreibung zum richtigen Zeitpunkt beim
richtigen Publikum von grösster Bedeutung, so
Bucher. Aldi Suisse Tours sei für Reisecenter
Plus keine Konkurrenz, da dieser Direktreiseanbieter nicht im selben Segment tätig sei.
■
«Je günstiger, desto besser»
Auch Hotelplan Suisse scheint mit seinen seit
2008 bestehenden Direktmarken Denner Reisen
und Migros Ferien sehr erfolgreich zu sein. Geschäftszahlen werden zwar nicht publiziert, aber
von Branchenkennern ist zu hören, dass das
Prinzip «je günstiger, desto besser» beim
Schweizer Kunden ausserordentlich gut ankommt. Der grosse Vorteil: Die Marken Denner
und Migros sind hierzulande nicht nur sehr bekannt, sondern auch geschätzt. Auch hier dienen die Publikationen der Ketten als effektives
Verkaufstool. Mit dem Ferienkatalog im «Migros Magazin» werden die Kunden bei einer
Auflage von knapp über zwei Millionen Exemplaren schweizweit erreicht. Auch in der «Denner-Woche» werden Reiseangebote publiziert.
Dazu kommen Briefkasten-Mailings und Flyer
in den fast 700 Filialen. Mit Blick auf Aldi Suisse
Tours heisst es auch in Glattbrugg, jede Konkurrenz belebe natürlich das Geschäft.
Gezielter Einkauf, richtige Ausschreibung
Christine Bucher-Tanner, die Tochter des
Schweizer Direktreisepioniers Bruno Tanner, ist
mit ihrer Firma Reisecenter Plus seit gut zweieinhalb Jahren auf dem Markt. Sie selbst hat in
den 90er-Jahren bei Vögele Reisen und später
Schweizer Touristik · 4/12 9