Beispiel 1 - KV Thüringen
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Beispiel 1 - KV Thüringen
Anlage 1 – Praxisbeispiele für die Anwendung der Ambulanten Kodierrichtlinien Beispiel 1: Behandlungsdiagnosen bei Multimorbidität Ein achtzigjähriger normalgewichtiger Patient befindet sich in der hausärztlichen Versorgung aufgrund einer arteriellen Hypertonie und einer in Folge bestehenden chronischen Herzinsuffizienz NYHA II. Es erfolgt eine dauerhafte medikamentöse Therapie. Anamnestisch ist ein Karzinom des Kolon descendens ohne Lymphknotenbefall und Metastasen vor mehr als 13 Jahren bekannt. Nach den regelmäßigen Verlaufskontrollen bestand in den vergangenen Jahren kein Behandlungsbedarf. Des Weiteren hat der Patient im letzten Jahr wiederholt Rückenschmerzen in unterschiedlicher Ausprägung angegeben. Eine weiterführende Diagnostik wurde auf Wunsch des Patienten bisher nicht durchgeführt. In einigen Quartalen bedurfte es temporär einer medikamentösen Schmerztherapie. Der Patient stellt sich in der Sprechstunde vor und gibt einen unklaren Gewichtsverlust und einen Leistungsabfall an. Die Ergebnisse der daraufhin veranlassten weiteren Diagnostik stehen am Quartalsende noch aus. Alle Diagnosen haben in diesem Praxisbeispiel eine Behandlungsrelevanz und sind somit anzugeben. Auch wenn die Tumorerkrankung in den letzten Jahren keinen speziellen therapeutischen bzw. diagnostischen Behandlungsbedarf hatte, zählt die bösartige Neubildung in der Eigenanamnese zu den Behandlungsdiagnosen. Sowohl der Tumorpatient ist sensibilisiert als auch der/die behandelnde(n) Arzt/Ärzte, so dass hier ggf. ein intensiverer Behandlungsbedarf aufgrund der anamnestischen Tumorerkrankung berücksichtigt wird. Wiederholte Rückenschmerzen können dauerhaft behandlungsrelevant sein, auch wenn keine therapeutischen bzw. diagnostischen Maßnahmen seitens des Arztes erfolgen. Ein erhöhter Beratungsaufwand besteht z. B. auch aufgrund der möglichen Einnahme von OTC Präparaten seitens des Patienten. Behandlungsdiagnosen: I11.00 G Hypertensive Herzkrankheit mit kongestiver Herzinsuffizienz, ohne Angabe einer hypertensiven Krise I50.12 G Linksherzinsuffizienz, mit Beschwerden bei stärkerer Belastung M54.9 G Rückenschmerzen, nicht näher bezeichnet Z85.0 G Bösartige Neubildung der Verdauungsorgane in der Eigenanamnese Kommentar: Die Behandlungsdiagnose für die arterielle Hypertonie muss gemäß der speziellen Kodierrichtlinie B0900 aufgrund des kausalen Zusammenhanges mit der hypertensiven Herzinsuffizienz nicht zusätzlich kodiert werden. In dem o. g. Beispiel des anamnestisch bekannten Kolon Karzinoms wäre der ICD-Kode C18.6 G – „Bösartige Neubildung des Colon descendens“ falsch, da bisher kein Rezidiv diagnostiziert ist. Alternativ könnte der ICD-Kode C18.6 Z stehen bleiben, wobei bei dem 13 Jahre zurück liegenden Geschehen der Kode für den Tumor in der Eigenanamnese den Sachverhalt eher beschreibt. Die Angabe des Tumors mit dem Kennzeichen „Z“ ist allerdings bis zum Abschluss der Nachbetreuung unbedingt erforderlich. Beispiel 2: Akute Bronchitis mit Antibiotikatherapie Bei einem Patienten besteht seit Jahren ein bekanntes allergisches Asthma. Er stellt sich in der Praxis mit Kopf- und Gliederschmerzen, Kurzatmigkeit und einem seit zwei Tagen bestehenden Husten mit Auswurf vor. Die Klinik und der Auskultationsbefund weisen auf eine akute Bronchitis hin. Sie verordnen eine spezifische Therapie eines Breitspektrumantibiotikums und veranlassen ggf. eine Laboruntersuchung. Die Ergebnisse liegen bei Quartalsende nicht vor oder zeigen kein eindeutiges Ergebnis. In diesem Praxisbeispiel ist die Bronchitis nach dem klinischen Gesamtbild und dem Zusammenspiel aller vorliegenden Befunde und Angaben so wahrscheinlich, dass unverzüglich mit einer krankheitsspezifischen Therapie begonnen wird. Daher ist hier die Behandlungsdiagnose „akute Bronchitis“ mit dem Zusatzkennzeichen „G“ für die Diagnosensicherheit zu verschlüsseln. Das bekannte „allergische Asthma“ in der Eigenanamnese ist hier als Dauerdiagnose zu verstehen, die den ärztlichen Entscheidungsprozess mitbestimmt und ist somit ebenfalls mit dem Zusatzkennzeichen „G“ für KV Thüringen – RS 1/2011 Seite von 4 Anlage 1 – Praxisbeispiele für die Anwendung der Ambulanten Kodierrichtlinien die Diagnosensicherheit zu versehen. Behandlungsdiagnosen: J20.9 G Akute Bronchitis, nicht näher bezeichnet Z88.9 G Allergie gegenüber nicht näher bezeichneten Arzneimitteln, Drogen oder biologisch aktiven Substanzen in der Eigenanamnese Kommentar: Auch ohne gesicherten Erregernachweis ist die Diagnose als gesichert zu kodieren, da eine spezifische Behandlung erforderlich scheint und sofort eingeleitet wurde. Das allergische Asthma ist derzeit nicht symptomatisch, aber als anamnesische Information behandlungsrelevant, weshalb der Kode Z88.9 Allergie gegenüber nicht näher bezeichneten Arzneimitteln, Drogen oder biologisch aktiven Substanzen in der Eigenanamnese mit dem Zusatzkennzeichen G kodiert wird. Beispiel 3: Diabetes mellitus mit Komplikationen und Krankheiten des Kreislaufsystems Ein Patient befindet sich in regelmäßiger hausärztlicher Behandlung wegen Typ 2 Diabetes mellitus mit diabetischer Retinopathie und peripherer diabetischer Polyneuropathie sowie einer arteriellen Hypertonie und einer Hypercholesterinämie. Vor zwei Jahren hatte der Patient einen Herzinfarkt und erhielt aufgrund einer koronaren 3-Gefäßkrankheit aortokoronare Bypässe. Seit einem Jahr besteht bei dem Patienten eine chronische Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden bei stärkerer Belastung. Der Patient stellt sich im Quartal routinemäßig zur Kontrolluntersuchung vor und zur Verordnung seiner Medikation. Sie veranlassen weiterhin die augenärztliche und kardiologische Kontrolluntersuchung. Pectanginöse Beschwerden gibt der Patient keine an. Eine diabetische oder hypertensive Entgleisung besteht nicht. Sofern ein Sekundär-Kode keine Behandlungsrelevanz hat, muss er auf dem Behandlungsschein nicht angegeben werden. Dies könnte bezogen auf das oben genannte Praxisbeispiel bei der Behandlung durch den Augenarzt der Fall sein. Die Diabetische Grunderkrankung sowie die vorliegenden Komplikationen sind dem Augenarzt bekannt, eine Untersuchung und ggf. Therapie erfolgt jedoch nur in Bezug auf die diabetische Retinopathie. Dann wäre der Sekudär-Kode „G63.2 G diabetische Polyneuropathie, gesichert“ auf dem Behandlungsschein des Augenarztes nicht anzugeben. In diesem Praxisbeispiel haben aufgrund der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen alle Diagnosen eine Behandlungsrelevanz und sind somit auf dem Behandlungsschein so spezifisch wie möglich anzugeben. Behandlungsdiagnosen: E11.70† G Nicht primär insulinabhängiger Diabetes mellitus [Typ-2-Diabetes] mit multiplen Komplikationen, nicht als entgleist bezeichnet H36.0* G Retinopathia diabetica G63.2* G Diabetische Polyneuropathie I10.00 G Benigne essentielle Hypertonie ohne Angabe einer hypertensiven Krise I25.22 G Alter Myokardinfarkt, 1 Jahr und länger zurückliegend I25.13 G Atherosklerotische Herzkrankheit, Drei-Gefäß-Erkrankung I50.12 G Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden bei stärkerer Belastung, NYHA Stadium II Z95.5 G Vorhandensein eines Implantates oder Transplantates nach koronarer Gefäßplastik E78.0 G Reine Hypercholesterinämie Kommentar: Hinsichtlich des Typ-2-Diabetes mellitus mit Komplikationen kommt die Allgemeine Kodierrichtlinie A08 Mehrfachkodierung zur Anwendung. Es liegt hier eine Mehrfachkodierung nach dem Kreuz-Stern-System vor. Der Primär-Kode für die Ätiologie (zugrunde liegende Ursache) ist mit dem Kreuz-Symbol „†“ gekennzeichnet, die Sekundär-Kodes für die manifesten Komplikationen sind mit einem Stern-Symbol „*“ gekennzeichnet. Hinweis: Die in diesem Beispiel angezeigten Symbole „†“ und „*“ dienen der Erläuterung der Kodierregel. Sie sind Bestandteil der ICD-10 und müssen bei der Kodierung in der Patientenakte und bei der Übermittlung der Abrechnungsdaten nicht angegeben werden. Seite von 4 KV Thüringen – RS 1/2011 Anlage 1 – Praxisbeispiele für die Anwendung der Ambulanten Kodierrichtlinien Sofern die arterielle Hypertonie als Ursache bzw. als begleitende Ursache für die Herzinsuffizienz angenommen wird, wäre nach der speziellen Kodierrichtlinie B0900 „Hypertonie“ anstelle des im oben genannten Beispiel verwendeten ICD-Kodes I10.00 G ein ICD-Kode nach I11.- mit dem Zusatzkennzeichen „G“ anzugeben Achtung! Nach der speziellen Kodierrichtlinie B0902 wäre aufgrund der ICD-Systematik die Kodierung für den Myokardinfarkt nach einem ICD-Kode I21.- Akuter Myokardinfarkt mit Zusatzkennzeichen „Z“ auf dem Behandlungsschein nicht korrekt. Für die Angabe eines alten Infarktes ist immer ein ICD-Kode aus I25.2- zu verschlüsseln. Beispiel 4: Diabetisches Fußsyndrom und Krankheiten des Kreislaufsystems Ein Patient ist in Behandlung wegen einer arteriellen Hypertonie, eines Typ-2-Diabetes mellitus mit diabetischem Fußsyndrom und diabetischer Nephropathie. Es besteht bei dem Patienten weiterhin eine dopplersonographisch gesicherte periphere arterielle Gefäßkrankheit (pAVK) mit einer Gehstrecke von mehr als 200m und eine Koronare-2-Gefäßerkrankung mit Zustand nach Stentimplantation. Der Patient gibt seit der Implantation der Stents vor acht Monaten keine kardialen Beschwerden an. Vor einem Jahr erfolgte die Amputation der 4. und 5. Zehe des rechtens Fußes aufgrund eines infizierten Ulcus Wagner Stadium 3. Bei der Erhebung des Fußstatus zeigt sich derzeit keine Läsion (Wagner Stadium 0). Im Quartal erfolgen eine Labordiagnostik, die Verordnung der entsprechenden Medikamente und ggf. die Überweisung zu anstehenden Facharztkontrolluntersuchungen. Bei der Kontrolldiagnostik der Blutwerte zeigt sich eine Einschränkung der Nierenfunktion mit einer Kreatininclearance von 60 ml/min/1,73m2. Der HbA1c Werte liegt bei 7,7%, die übrigen untersuchten Laborparameter sind unauffällig. „Das diabetische Fußsyndrom“ (spezielle Kodierrichtlinie B0403) ist eine Untergruppe innerhalb des Diabetes mellitus mit multiplen Komplikationen. Es erfolgte in dem o. g. Praxisbeispiel eine Untersuchung, so dass die Diagnosen, die zum klinischen Bild des diabetischen Fußsyndroms gehören können, behandlungsrelevant sind. Sofern ein Sekundär-Kode keine Behandlungsrelevanz hat, muss er auf dem Behandlungsschein nicht angegeben werden. In diesem Praxisbeispiel haben aufgrund der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen alle Diagnosen eine Behandlungsrelevanz und sind somit auf dem Behandlungsschein so spezifisch wie möglich anzugeben. Behandlungsdiagnosen: E11.74† G Nicht primär insulinabhängiger Diabetes mellitus [Typ-2-Diabetes] mit multiplen Komplikationen mit diabetischem Fußsyndrom, nicht als entgleist bezeichnet N08.3* G Diabetische Nephropathie G63.2* G Diabetische Polyneuropathie I79.2* G Verlust des Fußes und des Knöchels, einseitig, Verlust der Zehe(n), einseitig und beidseitig R I70.20 G Atherosklerose der Extremitätenarterien, sonstige und nicht näher bezeichnet (Gehstrecke 200m und mehr) I10.00 G Benigne essentielle Hypertonie ohne Angabe einer hypertensiven Krise I25.12 G Atherosklerotische Herzkrankheit, Zwei-Gefäß-Erkrankung Z95.5 G Vorhandensein eines Implantates oder Transplantates nach koronarer Gefäßplastik N18.2 G Chronische Nierenkrankheit, Stadium 2 KV Thüringen – RS 1/2011 Seite von 4 Anlage 1 – Praxisbeispiele für die Anwendung der Ambulanten Kodierrichtlinien Kommentar: Hinsichtlich des Typ-2-Diabetes mellitus mit Komplikationen kommt hier die Allgemeine Kodierrichtlinie A08 „Mehrfachkodierung“ und die speziellen Kodierrichtlinien B0402 „Diabetes mellitus“ und B0403 „Das diabetische Fußsyndrom“ zur Anwendung. Es liegt hier eine Mehrfachkodierung nach dem Kreuz-SternSystem vor. Der Primär-Kode für die Ätiologie (zugrunde liegende Ursache) ist mit dem Kreuz- Symbol „†“ gekennzeichnet, die Sekundär-Kodes für die manifesten Komplikationen sind mit einem Stern-Symbol „*“ gekennzeichnet. Hinweis: Die in diesem Beispiel angezeigten Symbole „†“ und „*“ dienen der Erläuterung der Kodierregel. Sie sind Bestandteil der ICD-10 und müssen bei der Kodierung in der Patientenakte und bei der Übermittlung der Abrechnungsdaten nicht angegeben werden. Nach der speziellen Kodierrichtlinie B0907 „Atherosklerose und sonstige periphere Gefäßkrankheiten“ ist der Behandlungsaufwand für die periphere AVK direkt abhängig vom Stadium der Erkrankung. Die Kodierung nach ICD-Kode I70.2- Atherosklerose der Extremitätenarterien als zwingend fünfstellige Verschlüsselung ist in diesem Fall für Hausärzte und für Fachärzte außerhalb ihres Fachgebietes verpflichtend. Nach der allgemeinen Kodierrichtlinie A02 würde Behandlungsrelevanz im oben genannten Fall seitens des behandelnden Arztes auch vorliegen, wenn z. B. die Diagnostik und Therapie der koronaren Herzerkrankung im Quartal durch den mitbehandelnden Kardiologen erfolgen, die Diagnose jedoch Einfluss auf die therapeutischen bzw. diagnostischen Entscheidungen der übrigen Erkrankungen hat, z. B. eine Beratung bzw. Medikationsanpassung bei Diabetes mellitus aufgrund des kardialen Risikos des Patienten. Seite von 4 KV Thüringen – RS 1/2011