Artikel in der Bio Ritter 2/2006 - Boeger
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Artikel in der Bio Ritter 2/2006 - Boeger
Fast jeder Mensch hat Narben. Manche sind kaum zu sehen, andere treten deutlich hervor. Gesundheitliche Probleme können die Folge sein. Mit der neuen MN-Therapie kann jetzt Abhilfe geschaffen werden DIE MANUELLE NARBENTHERAPIE Damit Narben nicht Seele und Körper belasten 2 2006/2 die besondere therapie Narben können Spannungen in der Haut verursachen. Nicht selten auch Schmerzen. Oft wird dadurch eine Schonhaltung ausgelöst. Andere Narben sind übersensibel oder taub. Und viele hinterlassen auch emotionale Spuren. Wie Hautspannungen dauerhaft gelöst und emotionale Belastungen entkoppelt werden können, weiß Physiotherapeut David Boeger, der Begründer der Manuellen Narbentherapie S tellen Sie sich vor, Sie tragen einen Maßanzug. Nun bekommt dieser einen Riss. Um diesen Riss zu flicken, müssen Sie den Stoff an der beschädigten Stelle zusammen raffen und festnähen. Vielleicht nähen Sie aus Versehen noch das Innenfutter mit dem Obermaterial zusammen. Wie sitzt der Anzug nach dieser Ausbesserung? Sie bemerken mehrere Faltenzüge im vorher perfekt passenden Kleidungsstück. Auch spüren Sie bei bestimmten Bewegungen ein deutliches Spannen des Gewebes. Das behindert Sie bei der Ausführung Ihrer Tätigkeiten. Und nun stellen Sie sich vor: Dieser Maßanzug ist Ihre Haut. Bei der Narbenbildung können auch Hautschichten, die normalerweise nicht zusammengehören, verkleben. Dadurch ändert sich die Spannung an der Hautoberfläche. Um diese auszugleichen, versucht der Betroffene – meist unbewusst – eine Schonhaltung einzunehmen. Diese Enlastung kann jedoch die Überlastung anderer, bisher gesunder, Körperregionen zur Folge haben. Dort treten dann diffuse Schmerzen auf, ohne dass die tatsächliche Ursache erkannt wird. Die Betroffenen haben sogar das Ge- Die Haut reagiert auf eine Wunde mit einer Reihe genau aufeinander abgestimmter Schritte. Dabei wird der entstandene Spalt von innen mit Bindegewebe aufgefüllt – eine Narbe entsteht Dieser Patient hatte starke Schulterschmerzen. Es ist zu erkennen, dass die rechte Schulter höher steht als die linke. Schuld daran war eine Narbe am linken Oberschenkel fühl, dass ihre Narbe selbst keine Beschwerden macht. Nur die belastete Körperregion wird wahrgenommen. Beispiele aus meiner Praxis verdeutlichen dies: Siegfried Hinrichs* kam mit einer akuten rechten Schulterreizung in die Praxis. Ohne äußere Einflüsse hatte sich der Schmerz stetig gesteigert, so dass er nur noch im Sitzen schlafen konnte. Vor 20 Jahren hatte der Bankkaufmann eine Bypass-Operation. Dabei wurde ihm eine Vene aus dem linken Oberschenkel entnommen. Diese Art Narben sind sehr tief und können funktionell erhebliche Probleme bereiten. David Boeger, Physiotherapeut aus Romanshorn in der Schweiz, wurde schon zu Beginn seiner beruflichen Tätigkeit auf den störenden Einfluss von Narben auf die Beweglichkeit des Körpers aufmerksam. Aus dieser Erkenntnis entwickelte er die Manuelle Narbentherapie 5 2006/2 3 Die Manuelle Narbentherapie Auch bei ihm führte ich die von mir entwickelte „Manuelle Narbentherapie“ durch. Schon nach der ersten Behandlung am linken Oberschenkel löste sich die Spannung in der rechten Schulter und der Schmerz ließ deutlich nach. Nach der dritten Behandlung war die rechte Schulter schmerzfrei. Anette Simons, eine junge Mutter, klagte über heftige Schmerzen im unteren Lendenbereich. Die Anamnese ergab, dass sie sich 1990 einer Kreuzbandoperation im linken Knie unterziehen musste. Seitdem hatte sie die Beschwerden. Sie war auch nicht mehr in der Lage, sich hin zu knien. Ein Beugedefizit von 20 Grad verhinderte den Fersensitz. Arbeiten oder Spielen mit ihrem Kleinkind auf dem Fußboden waren ihr unmöglich geworden. Das Knie war zudem immer etwas angeschwollen. Nach der Manuellen Narbenbehandlung (MNT) war das Knie nach nur neun Sitzungen wieder belastbar. Die Rückenbeschwerden verschwanden vollständig, denn Anette konnte den Rücken nun wieder über die Beinarbeit entlasten. Was passiert nun eigentlich während der Manuellen Narbentherapie? Und warum entstehen eigentlich Narben? Narben und ihre Auswirkungen Werden zusammenhängende Gewebestrukturen teilweise oder vollständig durchtrennt, setzt automatisch ein natürlicher Regenerations- und Reparationsprozess der Haut ein. Dabei bildet sich neues Gewebe – der Spalt wird wieder aufgefüllt. Diese Wundheilung nehmen wir zunächst als Entzündung und letztendlich als Narbe wahr. Medizinisch betrachtet sind Narben der beste und natürlichste Verschluss für bis in das Unterhautfettgewebe reichende Hautwunden. Sie dienen als Abdeckung und Schutz für verletztes und angegriffenes Gewebe. Nach der Ausheilungsphase können Narben jedoch die normale Funktion unseres Bewegungsapparates oder unserer Organe stören. Immer dann, wenn es durch Verklebungen von Gewebeschichten zu einer Spannung in der Haut kommt, die körperliche Bewegungen einschränken. Durch die Spannung in und um eine Narbe kommt es häufig auch zu Durchblutungsstörungen. Das kann sich durch auffällige Hautverfärbungen, übermäßig heißer bzw. kalter Hautoberflächen und/oder Sensibilitätsstörungen äußern. Bei so genannten Narbenkanälen können die Vernarbungen sogar bis auf die Knochenhaut gehen. Dort sind sie besonders einschränkend und schmerzhaft. Narbenkanäle entstehen immer dann, wenn es bei einem operativen Eingriff zu einer punktuellen Verletzung oder Zerstörung von Gewebe kommt. Beispiele hierfür wären eine Gelenkspiegelung, ein „Fixateur Extern“ oder das Absaugen eines Hämatoms. Diese Narbenkanäle bilden sich um so stärker aus, je länger der Fremdkörper im Gewebe fixiert sein muss. So klagen auffallend viele Patienten, vor allem Frauen, nach Bauchspiegelungen oder Unterleibsoperationen über Probleme. Bei den Männern sind es vor allen Leistenoperationen, die Beschwerden machen. Deutliche Farbunterschiede der Narbe zum übrigen Gewebe lassen auf eine Durchblutungsstörung und damit auf eine Verklebung schließen Bei den durch Narben verursachten Beschwerden unterscheidet man zwei Gruppen: ● Direkte Beschwerden, die unmittelbar um die Narbe herum auftreten. ● Indirekte Beschwerden, die sich auf Grund der durch eine Vernarbung erwirkten Schonhaltung ergeben. Die zweite Gruppe ist schwerer zu definieren, da diese Beschwerden nicht unmittelbar der Narbe zuzuordnen sind. Wie man Verklebungen von Narben erkennen kann ● ● ● ● Eine Narbe am Knie kann ausreichen, um solche Sitzpositionen unmöglich zu machen. Nach der Manuellen Narbentherapie konnte Anette Simons wieder mit ihrem Kind auf dem Fußboden spielen ● ● ● ● ● ● ● 4 2006/2 Deutliche Farbunterschiede der Narbe zum übrigen Gewebe Meist eine Rötung oder auffallend helle Narben Furchenbildung durch Einziehung des Narbengewebes nach innen Permanente oder belastungsbedingte Schwellungen bei Erwärmung und Sonneneinwirkung Sensibilitätsstörungen Taubheitsgefühl oder Übersensibilität der Haut Wetterfühligkeit (Juckreiz der Narbe) Bewegungseinschränkung in den Gelenken Rasches Ermüden der Muskulatur Funktionsstörungen innerer Organe Zwanghafte Schonhaltung die besondere therapie die besondere therapie Wie sich Verklebungen lösen lassen Die Manuelle Narbentherapie besteht darin, Gewebeschichten, die sich durch eine Entzündung mit einander verbunden haben, wieder zu lösen. Dies geschieht durch gezieltes Gegeneinanderschieben der Hautschichten, die sich verklebt haben. Einmal gelöstes Gewebe bleibt dauerhaft gelöst – der Mensch ist aus seinen Schonhaltungen befreit. Vor der Therapie muss jedoch eindeutig geklärt werden, ob die Beschwerden überhaupt auf eine Narbe zurückzuführen sind. Oft gleicht es einer Detektivarbeit, dem Übeltäter auf die Spur zu kommen. Über die Hälfte aller zu therapierenden Narben sind mehrere Jahre alt. Da die Erinnerung an die Verletzung häufig verblasst ist, kann sich der Therapeut nur bedingt auf die Aussagen der Patienten zu etwaigen Narben verlassen. Doch es gibt eine Rei- Mit bestimmten Tests lassen sich die einschränkenden Wirkungen von Narben aufspüren. Dieser Patient zum Beispiel konnte im Liegen die Arme nicht mehr vollständig auf der Behandlungsbank ablegen. Ursache war eine Narbe im linken Sprunggelenk. Nach der Therapie hatte er damit keine Schwierigkeiten mehr he von Tests, die das Diagnostizieren von verklebungsbedingten Einschränkungen am Bewegungsapparat möglich machen. Um den hemmenden Einfluss von Verklebungen im Gewebe auf den Bewegungsapparat aufzuspüren, wird der Patient angewiesen, auf dem Rücken liegend, bestimmte Bewegungen mit Armen und Beinen auszuführen. So soll er zum Beispiel beide Arme so weit er kann über den Kopf strecken. Im Normalfall kann der Patient die Arme auf der Liege neben sei- nen Ohren ablegen. Bei einer Bewegungseinschränkung gelingt dies jedoch nicht. Ich nenne diese Bewegungen Maximalbewegungen. Mit Hilfe solcher Tests lassen sich bewegungseinschränkende Wirkungen von Narben auf betroffene und Nachbargelenke relativ schnell feststellen. Am Ende der Manuellen Narbentherapie wird das Behandlungsergebnis erneut mit diesen Bewegungs-Tests überprüft. Mit einem Tastbefund lassen sich dann veränderte Oberflä- Durch solche Fixateure entstehen so genannte Narbenkanäle. Sie sind besonders schmerzhaft und bewegungseinschränkend 5 2006/2 5 die besondere therapie Die Manuelle Narbentherapie chenspannungen im Gewebe feststellen. Um die bewegungshemmenden Einflüsse von Narben oder Verklebungen zu lokalisieren, eignet sich eine oberflächliche Verschiebung der Haut. Hierzu lässt man die Hand leicht auf der zu untersuchenden Region absinken. Dann verschiebt man die Haut, bis es zum Anspannen des Gewebes kommt. Nun testet man die Elastizität des Gewebes. Der Hautwiderstand sollte elastisch und federnd sein. Vorhandene Verklebungen vermitteln einen festen bis harten Widerstand. Es empfiehlt sich, diesen Test in verschiedenen Bewegungsrichtungen und Körperregionen zu wiederholen, um die physiologische Spannung des Gewebes zu erfahren. Neben der genannten Technik werden in der MNT noch sechs weitere Tests zur Überprüfung des Gewebswiderstands angewandt. Das Arbeiten mit dem Schmerz Wichtigster und zuverlässigster Therapiepartner in der MNT ist der Schmerz. Ihn gilt es zu verstehen, seine Botschaft zu entschlüsseln und mit ihm gemeinsam die Ursache für die Beschwerden zu finden. Schmerzen sind kein Problem, sondern ein Warnsignal. Vergleichbar einer Fehlermeldung an die Zentrale. Die Basis für den Erfolg ist also das Verstehen des Schmerzes. Ist der Schmerz an ein konkretes Ereignis, wie beispielsweise an eine äußere Gewalteinwirkung geknüpft, liegt die Ursache auf der Hand. Bei schmerzhaften Signalen, die nun aber nicht auf ein konkretes Erlebnis zurückzuführen sind, sondern sich langsam aufbauen oder in keinem Verhältnis zum äußeren Reiz zu stehen scheinen, ist die Diagnose oftmals nicht einfach. So können Schmerzen im linken Bein die Folge einer Überlastung, das heißt Schonhaltung des rechten Beines sein. In einem solchen Fall muss das betroffene rechte Bein therapiert werden und nicht das schmerzhafte linke Bein. Schmerz hat viele Sprachen. Mal ist er dumpf und diffus, dann spitz und hell. Er kann begrenzt, schneidend, scharf oder flächig ausstrahlend sein. Der Schmerz kann uns in die Beugung oder in die Streckung zwingen. Er kann heiß und pulsierend oder kalt und taub erscheinen. Die Sprache des 6 2006/2 Mit bestimmten Grifftechniken lässt sich eine veränderte Oberflächenspannung in der Haut lösen Schmerzes kann uns wertvolle Hinweise darauf geben, was im Körper ins Ungleichgewicht geraten ist. Schmerzen sind zwar ein subjektives Erlebnis, lassen sich aber durch vergleichende Bilder in eine gewisse allgemein gültige Sprache fassen. Sie sind auch von früheren Erfahrungen und unserer Erinnerung an diese Erfahrungen geprägt. Während der MNT erleben die Patienten solange einen spitzen hellen Schmerz, bis sich die Verklebungen zwischen den Hautund Gewebsschichten gelöst haben. Dieser Schmerz wird häufig als „Wohlschmerz“ be- Hier kann die manuelle Narbentherapie hilfreich sein ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Schnittwunden Verbrennungen Bandscheibenoperationen Operationen an Gelenken Kaiserschnitt Unterleibsoperationen Bypass-Operationen Venenoperationen Atroskopie-Narben Leistenbruchoperationen Verklebungen nach Schwellungen an Gelenken schrieben, was mit dem befreienden Gefühl zu erklären ist, das die Patienten mit dem Lösen der Verklebungen erfahren. Es ist ratsam, den Patienten auf diesen Schmerz vorzubereiten und ihn aufzufordern, die nachlassende Schmerzintensität zu spüren. Der brwusste Einsatz tief entspannender Atmung kann über den Parasympathikus den Spannungszustand und damit die Schmerzintensität im gesamten Körper sehr schnell senken. Da der Schmerz in der MNT ein wichtiges Behandlungsbarometer ist, ist eine Reduzierung des Schmerzempfindens durch Medikamente oder Kälte nicht ratsam. Wenn man mit dem Schmerz arbeitet, ist eine Schädigung von gesundem Gewebe in der Therapie nicht möglich. Was sonst noch zu beachten ist Mit der manuellen Narbentherapie sollte so früh wie möglich nach einer Operation oder Verletzung begonnen werden. Frühestens jedoch 20 Tage danach. Zu spät ist es aber nie. Die älteste Narbe, die gelöst werden konnte, stammt aus dem Jahr 1945. Die Erfahrung zeigt, dass zwischen sechs und zwölf Behandlungen, je nach Art der Verklebung, ausreichen, um eine Narbe dauerhaft zu lösen. Sind die Verklebungen erst einmal beseitigt, sollten die Patienten an einer Haltungsschulung teilnehmen, damit die über Jahre hinweg automatisierten Fehlhaltungen nachhaltig korrigiert werden können. Die Manuelle Narbentherapie ist bei den Krankenkassen nicht abrechnungsfähig. Sie die besondere therapie Mit Hilfe der Manuellen Narbentherapie lassen sich Gewebsschichten, die durch eine Entzündung mit einander verklebt sind, dauerhaft lösen kann jedoch als allgemeine physiotherapeutische Maßnahme verordnet werden. In manchen Fällen hinterlässt das Ereignis, das zur Narbe führte, auch seelische Wunden. Oft sind es ein Unfall oder andere Stresssituationen, die sich – wie die Narbe im Körper – im Unterbewusstsein abspeichern. Auch dadurch können körperliche Beschwerden hervorgerufen werden. In solchen Fällen sollten gleichzeitig mit der MNT die mit dem Ereignis zusammenhängenden emotionalen Blockaden aufgelöst werden. Die besten Erfahrungen in meiner Praxis sind bisher mit dem Mentaltraining NLP gemacht worden. Mit einem speziellen NLPProgramm kann das Gehirn von Stresssituationen „gereinigt“ werden. So werden unbewältigte Ereignisse nur noch als Bild, aber nicht mehr als Emotion gespeichert. Die Narbe wird jetzt nicht nur mechanisch, sondern ganzheitlich behandelt. * Namen von der Redaktion geändert Infos Um diese erfolgreiche Therapie möglichst vielen Patienten zugänglich zu machen, bildet David Boeger in dreitägigen Fortbildungs-Seminaren Physiotherapeuten aus. Informationen zur Manuellen Narbentherapie, sowie Therapeutenverzeichnisse für Deutschland und die Schweiz, können unter www.narbentherapie.com abgerufen werden Ein BIO-Gratisheft des laufenden Jahres kann angefordert werden beim: BIO Ritter Verlag, Monatshauser Str. 8, 82327 Tutzing, Tel. 08158-8021, Fax -997430, E-Mail: [email protected] 2006/2 7