Hund: Polydipsie (gesteigerte Wasseraufnahme)
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Hund: Polydipsie (gesteigerte Wasseraufnahme)
Hund: Polydipsie (gesteigerte Wasseraufnahme) Ein häufig beobachtetes Anzeichen für verschiedene Erkrankungen beim Hund ist die sogenannte Polydipsie, gesteigerte Wasseraufnahme. Die normalerweise täglich aufgenommene Wassermenge ist unter anderem abhängig von Aktivität, Fütterungsart (feucht, trocken, salzig, …) und Außentemperatur. Hunde aus südlichen Ländern trinken generell weniger als ihre nordischen Artgenossen. Als Faustregel gilt, dass ein gesunder erwachsener Hund täglich etwa 40 bis 60 ml Wasser pro kg Körpermasse aufnimmt. Um zu kontrollieren, wie viel der Hund aufnimmt, empfiehlt sich ein sogenanntes Wasserprotokoll: Man misst z.B. zwei Liter Wasser für den Napf ab, misst bei Erneuerung des Wassers, wie viel noch im Napf war, und zieht diese Menge dann jeweils von der gesamt verabreichten ab. Das klappt natürlich nur, wenn die Wasseraufnahme immer kontrolliert erfolgt; bedient sich der Hund am Gartenteich oder in jeder Pfütze, kann die aufgenommene Wassermenge oft nicht ermittelt werden. Dennoch fällt es fast jedem Tierbesitzer auf, wenn plötzlich minutenlanges Schlappgeräusch die vermehrte Trinkmenge verrät. Viele Hundebesitzer klagen über vermeintliche Inkontinenz ihres Hundes. Sehr häufig liegt hier der Symptomkomplex Polydipsie/Polyurie vor, also gesteigerte Trinkmenge und vermehrter Harnabsatz. Der Hund ist nicht inkontinent, sondern die Harnblase ist aufgrund der Erkrankung und der damit einhergehenden Polydipsie derart voll, dass das arme Tier auch mal die Kontrolle verliert. Bevor man die Diagnose „Inkontinenz“ stellt, muss eine Urinuntersuchung auf Zucker, Entzündungszellen und Harnsteine sowie Bakterien durchgeführt werden. Ursachen für Polydipsie sind mannigfaltig: Im harmlosen Fall hat der Hund zu stark gewürztes Futter oder ungewöhnlich viel Trockenfutter gefressen. Gesteigerte Wasseraufnahme kann als Anzeichen von Wurmbefall beobachtet werden. Es gibt aber auch sehr ernste Erkrankungen, die sich durch Polydipsie bemerkbar machen. Die meisten dieser Erkrankungen lassen sich über eine Harn- und Blutuntersuchung wie oben beschrieben mit hoher Wahrscheinlichkeit diagnostizieren: Harnwegsinfektionen: Hunde jeden Alters können betroffen sein, sehr oft zeigen junge Hündinnen im Alter von drei bis sechs Monaten erste Anzeichen einer Cystitis (Harnblasenentzündung). Eine Cystitis muss auf jeden Fall tierärztlich behandelt werden, da es sonst zu aufsteigenden Harnwegsinfektionen kommen kann, die Harnleiter und auch die Nieren selbst dauerhaft schädigen können. Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit): betroffen sind überwiegend Hunde in der zweiten Lebenshälfte, oft (aber nicht ausschließlich) übergewichtige Hunde. Hündinnen sind häufiger betroffen als Rüden. Man kann den Zuckergehalt im Urin des Hundes anhand von „GlukoseSticks“, wie sie auch in der Humanmedizin verwendet werden, messen. Glukose tritt im Urin des Hundes nur dann auf, wenn der Blutzucker stark erhöht ist oder wenn glukoseproduzierende Bakterien ihr Unwesen in den Harnwegen treiben. Sicherheit gibt eine Blutuntersuchung beim Tierarzt, die unbedingt auch andere Werte beinhalten sollte: Leber- und Nierenwerte, den Schilddrüsenhormonspiegel (T4 oder fT4) sowie den sogenannten „Erinnerungszucker“ Fructosamin. Stand: Mai 2012 1 Es gibt Grunderkrankungen, die einen sekundären ( einen aus einer Grunderkrankung resultierenden) Diabetes verursachen können, diese müssen zum Teil mit recht aufwändigen internistischen Tests ausfindig gemacht werden. Wenn eine solche Erkrankung zugrunde liegt, kann die Therapie des Diabetes mellitus allein nicht erfolgreich sein, etwa bei Hyperadrenokortizismus, auch Cushing-Syndrom oder Nebennierenüberfunktion. Hyperadrenokortizismus kann auch Ursache für Polydipsie sein, ohne dass ein begleitender Diabetes mellitus vorliegt. Bei unkastrierten Hündinnen sollte die Kastration bei Auftreten des Diabetes mellitus schnellstmöglich durchgeführt werden, weil die hormonelle Komponente die Einstellung auf Insulin oft erschwert oder gar unmöglich macht. Hündinnen, die gleich nach Einsetzen der Diabetes-Symptome operiert werden, können durchaus auch ohne Dauertherapie wieder ganz gesund werden. Niereninsuffizienz: Nierenerkrankungen können in jedem Alter auftreten, betreffen aber häufiger ältere Hunde. Einige Infektionserkrankungen wie beispielsweise die Leishmaniose rufen Niereninsuffizienz hervor. Auch gibt es Hunderassen, bei denen genetisch bedingt Niereninsuffizienz schon in jungen Jahren auftreten kann, etwa beim Berner Sennenhund. Gebärmuttervereiterung (Pyometra): Vor allem Hündinnen in der zweiten Lebenshälfte neigen zur Ausbildung einer Pyometra. Es handelt sich dabei um Eiteransammlung in der Gebärmutter, sie wird fälschlicherweise oft als „Gebärmutterkrebs“ bezeichnet. Das auffälligste Symptom, das jeden Halter alarmieren sollte, ist Polydipsie, die klassischerweise drei bis sechs Wochen nach der Läufigkeit auftritt. Die vorausgehende Läufigkeit ist dabei oft untypisch (verkürzt, verlängert, weniger Attraktivität für Rüden). Sehr oft verwechseln die Tierbesitzer auch den bereits bestehenden Ausfluss mit der Läufigkeitsblutung. Bei der geschlossenen Form der Pyometra besteht überhaupt kein Ausfluss; tückischerweise ist diese Form aber gefährlicher, denn die eitergefüllte Gebärmutter kann einreißen und ihren Inhalt in die Bauchhöhle ergießen, was schnell zu hochgradig lebensbedrohlicher Blutvergiftung führt. Auch eine alte Hundedame übersteht die Operation der Pyometra, sofern früh genug erkannt, in der Regel gut und ist oft im Anschluss wieder richtig fit. Die rein medikamentöse Therapie der Gebärmuttervereiterung ist zwar in seltenen Fällen möglich, bringt aber kaum dauerhaften Erfolg. Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion): Diese endokrine (die „inneren Drüsen“ betreffende) Erkrankung ist eine der häufigsten bei Hunden, wenngleich sie allzu oft auch vorschnell diagnostiziert wird. Auch junge Hunde können erkranken, einige Rassen (z.B. Labrador Retriever, Golden Retriever, Cocker Spaniel) sind überdurchschnittlich oft betroffen. Typische Symptome außer Polydipsie können sein: Müdigkeit, Bewegungsunlust, Hautveränderungen, Fellverlust, Durchfall, langsamer Herzschlag, „trauriger“ Gesichtsausdruck. Polydipsie kann bei vielen weiteren Erkrankungen auftreten, unter anderem bei Leber- und Tumorerkrankungen oder beim seltenen Diabetes insipidus. Vermehrte Wasseraufnahme sollte immer Anlass zur ausführlichen Abklärung durch den Tierarzt sein. Stand: Mai 2012 2