Die heile Welt der Diktatur? - Bundesstiftung zur Aufarbeitung der
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Die heile Welt der Diktatur? - Bundesstiftung zur Aufarbeitung der
Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR Eine Ausstellung mit Fotos von Harald Schmitt und Texten von Stefan Wolle herausgegeben von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und dem stern Das Porträtfoto von Staats- und Parteichef Erich Honecker war in der DDR überall präsent. Aufnahme im Flur eines Urlaubsquartiers der DDR-Gewerkschaften in Boltenhagen an der Ostsee, 1982. DIE MACHT »Wo ein Genosse ist, da ist die Partei« Der Anspruch auf die »führende Rolle« der SED war keineswegs eine leere Floskel. Bis in den fernsten Landkreis und die kleinste Klitsche regierte die Partei mit absoluter Macht. Ihre Herrschaft ruhte auf einer Basis von 2,3 Millionen Mitgliedern, darunter einem Kaderstamm von mehr als 100 000 haupt- und nebenamtlichen Funktionären. Schon wer die unteren Sprossen der Karriereleiter erklimmen wollte und nicht gerade über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügte, war gut beraten, in die Partei einzutreten. Doch der Preis war hoch. Die Partei mischte sich ständig in private Probleme ein: Ehekrisen, kleinere Verfehlungen, Alkoholprobleme – alles wurde in der Parteiversammlung verhandelt. Für viele Genossen aber gab es weitere Unbill. Sie wurden in Leitungsfunktionen genötigt, mussten in Wahlkommissionen mitwirken, Wahlzettel austragen, im Wohnbezirksausschuss die Beschwerden der Bürger über tropfende Wasserhähne und feuchtes Mauerwerk entgegennehmen, Funktionen in den Massenorganisationen übernehmen und Stimmungsberichte schreiben. So entstand der Typ des Multifunktionärs, der mit dem Glimmstängel im unrasierten Gesicht, mit einer Aktenmappe unter dem Arm durch die Büroräume zur nächsten Versammlung hastete, zu abendlicher Stunde in trüben Räumen die Planerfüllung diskutierte und im Falle von Schwierigkeiten von oben gerüffelt wurde. Viele von ihnen verstanden die Welt nicht mehr, als ihnen 1989 Wut und Hass entgegenschlug. Hatten sie sich nicht für das Gemeinwohl aufgerieben? Andere waren froh, als sie endlich das Parteibuch in den Pappkarton mit den alten Erinnerungsstücken schmeißen konnten. Junge Pioniere beim Pioniertreffen 1982 in Dresden. Das SED-Parteiabzeichen, im Volksmund respektlos »Bonbon« genannt, wies seinen Träger als Mitglied der Staatspartei aus. Die SED feiert 1981 den 20. Jahrestag des Mauerbaus. X. Parteitag der SED in Ost-Berlin, April 1981. Die Staats- und Parteiführung nimmt am 1. Mai 1978 in Ost-Berlin die Parade ab. V. l. n. r.: Hermann Axen, Prof. Erich Correns, Harry Tisch, Willi Stoph, Erich Honecker, Friedrich Ebert, Konrad Naumann, Kurt Hager. Personenkult auf Abruf. Übergabe des Chemiewerks in Schkopau, 1980. Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR 2 Wachwechsel vor der »Neuen Wache«, dem »Mahnmal für die Opfer des Faschismus und Militarismus« in Ost-Berlin, 1982. EHRENDIENST »Der Friede muss bewaffnet sein« »Preußen ist kein Staat mit einer Armee, sondern eine Armee mit einem Staat«, meinte im 18. Jahrhundert Graf Mirabeau, der französische Gesandte am Berliner Hof. Das Bonmot lässt sich mit einiger Berechtigung auch auf das Land der späten Nachfolger des Alten Fritz übertragen. Jeden Mittwoch um 15 Uhr sowie zu Staatsbesuchen und hohen Feiertagen trat in Berlin das »preußische National- ballett« zum Auftritt an: Mit knallendem Stechschritt, blitzenden Bajonetten und zackigen Kommandorufen zelebrierte das Wachregiment »Friedrich Engels« die Wachablösung vor der Neuen Wache Unter den Linden. »Das ist ja wie bei Adolf«, knurrten manche ältere Leute. Andere bekamen feuchte Augen angesichts dieser Art von Traditionspflege. Und die Soldaten der Westalliierten fotografierten eifrig. Vielleicht ist das Wort von den »Roten Preußen« zuviel der Ehre. Doch die Gesellschaft der DDR war durch und durch militarisiert. Die NVA, Stasi, Grenztruppen, Bereitschaftspolizei und die paramilitäri- schen Betriebskampfgruppen zählten in den 80er Jahren fast 2 Millionen Aktive und Reservisten in ihren Reihen. Das gesamte Bildungssystem von der Kinderkrippe bis zur Universität sollte die männliche Jugend zum Wehrdienst ertüchtigen. Die Mädchen wurden wenigstens für den Sanitätsdienst und den Zivilschutz ausgebildet. Die Offiziere der Nationalen Volksarmee sprachen vom »zivilen Sektor«, wenn sie die Welt außerhalb der Kasernenmauern meinten. Natürlich hatte er nur eine Aufgabe, nämlich die Verteidigungsbereitschaft zu gewährleisten. So falsch hatte der Franzose mit seiner Bemerkung wohl nicht gelegen. Militärparade vor dem Palast der Republik, 1977. Panzer für die Kleinen… »Wir schützen unser sozialistisches Vaterland« heißt das Motto, unter dem bereits Kinder für den späteren Dienst in der NVA gewonnen werden sollen, Ost-Berlin 1979. …und Panzer für die Großen. Militärparaden gehören zum Stadtbild in Ost-Berlin. Parade zum DDR-Nationalfeiertag, 1980. Appell der Staatsjugendorganisation FDJ in Ost-Berlin, 1979. Während in Westdeutschland die Friedensbewegung gegen die Hochrüstung demonstriert, trägt eine Teilnehmerin der Maiparade wenig enthusiastisch eine Losung der SED, 1982. Mit ideologischer Propaganda und der Zusicherung materieller Vorteile werden Schüler dazu angehalten, sich als Berufsoffiziere bei der NVA zu verpflichten. VII. Pioniertreffen in Dresden, 1982. Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR 3 Mauern fallen im Lande, an dessen Grenze der SED-Staat die Befestigungen nach Westen mit immer größerem Aufwand ausbaut, 1981. MAUERN Der »Antifaschistische Schutzwall« als Lebensform Die Mauer war die Grundtatsache des Lebens in der DDR. Sie war nicht nur Bauwerk, sondern ein Lebenszustand. Der DDR-Bürger lebte in dem Bewusstsein, seinen Käfig niemals verlassen zu können – wenigstens nicht bis zum Erreichen der »Reisemündigkeit« mit sechzig bzw. fünfundsechzig Jahren. Die Mauer war die eiserne Klammer, die das System zusammenhielt. Sie war nur wirksam, wenn jeder Versuch, sie zu überwinden, mit dem tödlichen Risi- ko verbunden war, von Splitterminen zerfetzt oder von den Grenzposten abgeschossen zu werden. Als der systematische Häftlingsverkauf begann, wurde der Druck im Kessel nicht geringer, sondern größer. Die Menschen stellten zunehmend Ausreiseanträge. Oft beriefen sie sich auf internationale Verträge, die auch die DDR unterschrieben hatte, nicht aber einzuhalten gedachte. Ein Ausreiseantrag war die radikalste Form der Verweigerung. Er war aber auch eine Kapitulation, das Ende aller Hoffnung auf Besserung. Deswegen schwankten die DDR-Behörden zwischen der harten und der weichen Linie. Seit 1984 wurden viele Anträge nach einiger Zeit Mit dem unmittelbaren Blick auf den Todesstreifen und in den Westen durften nur zuverlässige DDR-Bürger wohnen, 1981. Anwalt Wolfgang Vogel in seiner Kanzlei. Jede Akte steht für ein Schicksal. Der DDR-Unterhändler spielte beim Häftlingsfreikauf sowie bei zahllosen Ausreisefällen eine zentrale Rolle, 1980. 28 Jahre sollte das Brandenburger Tor nur für DDR-Grenzer zugänglich bleiben, 1981. bewilligt. Dennoch nahm die Zahl der Antragsteller nicht ab. Im Gegenteil! Die »Ausreiser« organisierten sich und machten die Kirche zum Podium ihres Anliegens. Die Oppositionsgruppen sahen das mit gespaltenen Gefühlen. Den Sprechchören »Wir wollen raus!« setzen sie nach den Leipziger Montagsgebeten 1989 den Ruf entgegen »Wir bleiben hier«. Das war eine deutliche Kampfansage an das SED-Regime. Im Sommer spitzte sich die Lage dramatisch zu. Als am 9. November 1989 die Mauer fiel, war dies das Todesurteil für den Staat, der nur noch durch die Mauer zusammengehalten worden war. Ost-Berlin, Prenzlauer Berg, Rheinsberger/Ecke Ruppiner Straße. Im Bildhintergrund die Mauer an der Bernauer Straße, 1981. Ost-Berlin, 20. Dezember 1979. Eine Familie steht kurz vor der ersehnten Ausreise in den Westen. Die Eltern hatten nach ihrer Antragstellung ihre Anstellungen als Chemiker verloren. Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße zwischen dem Ost-Berliner Stadtteil Mitte und dem West-Berliner Stadtteil Kreuzberg, 1978. Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR 4 Bauersfrauen einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft irgendwo im Harz, 1979. GEMEINSCHAFT Der Einzelne und sein Kollektiv Niemand entging in der DDR dem Kollektiv. Es war allgegenwärtig: als Klassenkollektiv, FDJ-Kollektiv, Arbeitskollektiv, Parteikollektiv und Hausgemeinschaftskollektiv. Man sprach von der erzieherischen Funktion, sogar von der Weisheit des Kollektivs. Individualismus war fast schon ein Verbrechen. Jedenfalls war dieser Vorwurf in der Beurteilung ein dicker Minuspunkt. Wer sich gegen einen solchen Eintrag in seine Kaderakte wehrte, bewies gerade dadurch seinen Individualismus und verschlimmerte die Sache noch. Andere Schlagworte der SED-Propaganda waren Schall und Rauch. Der Geist der Kollektivität aber existierte wirklich. Das lag wohl an seiner seltsamen Doppelfunktion. Das Kollektiv war auf der einen Seite Instrument der sozialen und ideologischen Kontrolle sowie Transmissionsriemen zur Durchsetzung des Willens der Partei. Aber das Kollektiv war andererseits auch eine Gemeinschaft zur Bewältigung der Alltagsprobleme. Hier war man unter Kumpeln und hielt auch gegen die Obrigkeit zusammen. Das Kollektiv verband die Arbeitssphäre mit dem Privatleben. Wenn ein Umzug zu bewältigen oder eine Wohnung zu renovieren war, half das Kollektiv und besorgte Baumaterial, Werkzeug und einen Kleintransporter aus den Beständen des Betriebs. Wer wollte angesichts der Notwendigkeit der Materialbesorgung schon von klauen reden? Gemeinsam arbeiten, gemeinsam leben und gemeinsam »besorgen« – darin bestand das Wesen des Kollektivs, ehe es nach 1989 zum Team wurde, das von nicht wenigen Ostdeutschen als kalt und unpersönlich empfunden wird. Vatertagsfeier im Harz in der Nähe von Quedlinburg, 1979. Hausbewohner in einem Neubaugebiet im Ost-Berliner Stadtteil Lichtenberg organisieren ein Kinderfest, 1980. Von der Wiege bis zur Bahre: Gemeinschaftsbetreuung und -erziehung konnte in der DDR nicht früh genug anfangen, o. J. Mitglieder der Betriebssportgemeinschaft Polar aus Mittelbach im Urlaub in Binz auf Rügen, 1981. Feucht-fröhliche Silvesterfeier in Bad Berka in Thüringen, 1979/80. Der Jahreswechsel in einer Dorfkneipe in Bad Berka, Thüringen, 1979/80. Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR 5 Ikonen der Staatspartei: Die 1919 ermordeten Sozialisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Luxemburgs Satz »Freiheit ist immer Freiheit des Andersdenkenden« stößt bei der SED auf wenig Gegenliebe, 1979. GLAUBE »Die Partei, die Partei, die hat immer recht!« Ein Klick bei YouTube und schon schmettert der Arbeitersänger Ernst Busch das Lied der Partei mit dem Refrain: »Die Partei, die Partei, die hat immer recht!…«. »Das Lied ist ja wohl der Hammer«, kommentiert ein InternetUser das Tondokument. »Ich hab mich fast bepisst vor Lachen. … Das ist doch ’ne Verarsche oder ist das ein ›echtes‹ DDR-Lied?« Das Lied ist nicht nur echt, es war seit den fünfziger Jahren die offizielle Hymne der SED. Text und Musik stammen von Louis Fürnberg. Nach seiner Rückkehr aus dem palästinensischen Exil in seine tschechoslowakische Heimat drohten 1951 die stalinistischen Schauprozesse auch ihn zu verschlingen. Das »Lied der Partei« wurde zu einem Aufschrei der von Glaubenszweifeln gequälten Seele eines überzeugten Kommunisten und offenbarte dadurch den Kern der Herrschaftspraxis. Auf dem Wahrheitsmonopol ruht die Macht der Partei. Und mit Hilfe dieser Macht setzt sie ein Unfehlbarkeitsdogma durch, das selbst die mittelalterlichen Päpste vor Neid hätte blass werden lassen. Die innere Logik dieses Zirkelschlusses ist unwiderlegbar. Die Partei ist allmächtig, weil sie immer recht hat, und sie hat immer recht, weil sie allmächtig ist. Doch die herrschende Partei erstickte mit ihrem Allmachtsanspruch gerade jene Eigenschaften, die sie gebraucht hätte, um den Sozialismus aufzubauen: Kreativität, Intelligenz, Kritikfähigkeit und Risikobereitschaft. Insofern ist der »realexistierende Sozialismus« nicht an seinen Fehlern, sondern an seiner Vollendung gescheitert. Allgegenwärtiger Personenkult. Das Porträt von Staats- und Parteichef Erich Honecker in Erfurt, 1982. Wachsoldat vor der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen. Der Widerstand der Kommunisten gegen das NS-Regime diente in der parteistaatlichen Propaganda zur Legitimation der SED-Herrschaft, 1981. Übermächtige Losungen im Straßenbild Ost-Berlins, August 1973. Losung vor einer Poliklinik in Zwickau, 1981. Vorbereitete Plakate vor Beginn einer staatlich organisierten Friedensdemo im Ost-Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, 1982. Impression vom Nationalen Jugendfestival in Ost-Berlin, 1979. Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR 6 Tanzveranstaltung für Jugendliche, Ost-Berlin 1977. LIEBE »Echte Liebe gehört zur Jugend« Walter Ulbricht proklamierte 1958 die »Zehn Gebote der sozialistischen Moral«. Dort heißt es im neunten Gebot: »Du sollst sauber und anständig leben und Deine Familie achten«. Das ist recht allgemein, doch die Folgen solcher Tugendgebote waren sehr konkret. In den fünfziger Jahren herrschte in der DDR noch eine pseudo-proletarische Kleinbürgermoral. Dagegen malte die SED-Propaganda ständig das Bild einer sittlich verkommenen und verfaulenden kapitalistischen Gesellschaft an die Wand. Es galt, die Jugend vor dem moralischen Verfall des Westens zu behüten. Tugend, Anstand, Sauberkeit und ein gesundes Eheleben waren eminent politische Kategorien. Doch die Zeiten wandelten sich auch in der DDR. »Echte Liebe gehört zur Jugend«, hatte es im September 1963 im Jugendkommuniqué der SED geheißen. In der »Jungen Welt«, der Tageszeitung der FDJ, erschien nun eine Rubrik »Unter vier Augen…«. Dort beantworteten Sexualwissenschaftler Leserfragen. So fragte eine Briefschreiberin, ob eine Liebesbeziehung am Arbeitsplatz schädliche Folgen für die Kollektivbildung haben könne. Dies verneinte der Ratgeber energisch: »Die Gebote der sozialistischen Moral und Ethik verlangen von jedem Menschen in unserer Gesellschaft, sauber und anständig zu leben. … Bedeutet das, freundschaftliche Beziehungen zwischen den Geschlechtern, zwischen Mädchen und Jungen im Betrieb seien ›unmoralisch‹? … Keinesfalls.« Das klingt nicht gerade nach sexueller Revolution. Doch vorsichtig begannen sich die individuellen Freiräume in der Gesellschaft zu vergrößern. »Sex Pistols«-Button und Blauhemd – in den 80er Jahren nicht mehr unvereinbar. Zuletzt waren die Funktionäre schon froh, wenn Jugendliche überhaupt bereit waren, das FDJ-Hemd anzuziehen, Ost-Berlin 1982. SED-Familienpolitik: Ein Trauschein erleichterte die Wohnungssuche und mit jedem Kind reduzierte sich der staatliche Ehekredit. Ost-Berlin, 1978. Ein Bauer mit seiner Frau auf einem Feld in der Nähe von Görlitz, 1979. Realsozialistischer Laufsteg: Bade- und Nachtwäschemodenschau in einem Hotel im Ostseebad Binz auf Rügen, 1982. Hochzeitsgesellschaft in Pasewalk, Juni 1982. Am Rande der Feierlichkeiten zum 25jährigen Bestehen der paramilitärischen Betriebskampfgruppen in Ost-Berlin, 1978. Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR 7 Die FDJ marschiert zum 10. Parteitag der SED auf, Ost-Berlin 1981. HOFFNUNG Hundert Jahre leben Der Parteitag der sowjetischen Kommunistischen Partei verkündet 1961 wegweisende Beschlüsse, die auch auf der Titelseite des »Neuen Deutschland« in großer Aufmachung verbreitet wurden. Innerhalb von 20 Jahren werde man den Kommunismus errichten. »Die UdSSR erreicht die höchste Produktion in Industrie und Landwirtschaft in der Welt und übertrifft damit die fortgeschrittensten kapitalistischen Länder. … Es wird das Prinzip gelten: Jedem nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.« Zuerst würde es die Grundnahrungsmittel um- sonst geben, dann würde man Miete und Strompreise und schließlich das Geld überhaupt abschaffen. Jeder könnte sich dann im Laden aus der Überfülle des Angebots soviel mitnehmen, wie er brauche. Damit gehörten auch Verbrechen, Gerichte und Gefängnisse der Vergangenheit an. Die Arbeit sei dann nur noch Lebens- und Glückserfüllung. »Der Traum, 100 Jahre zu leben, ohne zu altern, wird Wirklichkeit«. All dies sollte bereits 1980 Realität werden. Als es soweit war, hatte sich längst Schweigen über solche kühnen Prophetien gelegt. Denn die Utopie war in ihrer Wirkung immer zwiespältig. Sie war das Opium für die Anhängerschaft der Partei, aber sie konnte schnell zur gefährlichen Herausforderung für die Herrschenden werden. Als 1968 in der benachbarten Tschechoslowakei die Reformkommunisten mit der Demokratie ernst machten, schickte der Warschauer Pakt seine Panzerdivisionen. Auch in der DDR brach immer wieder der Gegensatz zwischen Ideal und Wirklichkeit auf. Nicht wenige der entschiedenen Oppositionellen hingen dem Traum vom wahren Sozialismus an. Erst als 1989 die Idee zur Praxis werden sollte, zerfiel sie zu Staub wie eine Mumie, die an die frische Luft gezerrt wird. Hoffnungen und Wünsche. Weihnachten 1981. Plakativer Optimismus vor offenkundigem Verfall, Stralsund 1981. Die SED verband mit jeder heranwachsenden Generation neue Hoffnungen. Jugendweihfeier in Hoyerswerda, 1978. Projektionsfläche Kosmos. Der erste Deutsche im All, der Kosmonaut Siegmund Jähn, wird zum Nationalhelden stilisiert, Ost-Berlin 1978. Der FDJ-Vorsitzende Egon Krenz umarmt ein Kind im Kampfanzug. Im Hintergrund DDR-Verteidigungsminister Heinz Hoffmann, Ost-Berlin 1979. Unzeitgemäße Riten: Fackelzug der FDJ im März 1979. Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR 8 Neubaugebiet in Berlin-Lichtenberg, 1977. KINDHEIT Sind so zarte Pflänzchen Im »Handbuch des Pionierleiters« von 1952 stand als Motto ein Wort Stalins: »Die Menschen muss man sorgsam und achtsam großziehen, so wie der Gärtner den von ihm gehegten Obstbaum großzieht«. Ein verräterischer Satz, denkt man die gärtnerische Metaphorik konsequent zu Ende. Ein guter Gärtner beschneidet die Zweige und stutzt die Hecken. Er jätet das Unkraut und vertilgt die Schädlinge. Allein der Gärtner weiß, was gut und schlecht ist für seine Schützlinge. Die Pflänzlein werden unge- fragt gestutzt und beschnitten. Der Soziologe Zygmunt Baumann hat für den umfassenden Herrschaftsanspruch absolutistischer Systeme den Begriff des Gärtnerstaates geprägt. Die kommunistische Utopie zielte nicht allein auf radikale Veränderung der ökonomischen und politischen Strukturen. Sie zielte auf den Neuen Menschen. Er sollte aufopferungsvoll, ehrlich, gesund und stark sein, die Heimat, die Partei und das Vaterland lieben. Die Kindheit spielt in der Metaphorik wie in der politischen Praxis der totalitären Systeme eine zentrale Rolle. Die Führer der Arbeiterklasse ließen sich gerne mit unifor- mierten Mädchen und Jungen filmen und fotografieren. Auf den bunten Plakaten sah man die Kinder glücklich lachen und hoffnungsfroh in die Zukunft schauen. So radikal der Anspruch war, so gründlich ist er gescheitert. Die Retortenbabys der kommunistischen Ideologie waren fehlerhaft programmiert und erhoben sich eines Tages gegen die eigenen Schöpfer. So schlecht kann die Schule der DDR ja wohl doch nicht gewesen sein, halten manche den späten Verächtern des DDR-Erziehungssystems entgegen, wenn es so viele kritische Köpfe hervorgebracht hat. Der Pionierorganisation »Ernst Thälmann« gehörten nach dem Mauerbau fast alle Kinder vom ersten bis zum siebten Schuljahr an. Junge Pioniere bei einer Kundgebung zum 20. Jahrestag des Mauerbaus, Ost-Berlin 1981. Strammstehen im Kindesalter. Aufnahme vom Nationalen Jugendfestival der DDR in Ost-Berlin, 1979. Staats- und Parteichef Erich Honecker auf dem Treffen der Jungen Pioniere in Dresden, 1982. Straßenszene in Wittichenau, Oberlausitz, 1979. Bis zum Alter von drei Jahren werden die meisten Kinder in der Krippe erzogen, Cottbus 1978. In der Kinderkrippe »Katja Niederkirchner« in Cottbus, 1978. Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR 9 Jugendliche vor dem Dorfclub eines kleinen Ortes bei Dresden, 1980. JUGEND Die Hausherren von morgen Der Geist der Rebellion wurde mit jeder Generation neu geboren. In den fünfziger und den frühen sechziger Jahren rückte die Volkspolizei mit Gummiknüppel und Hunden an, wenn in einem Tanzlokal Rock ’n’ Roll gespielt wurde. Mitte der sechziger Jahre begann die Hetzjagd auf »Gammler«. Sie trugen nach dem Vorbild der amerikanischen Hippies lange Haare, verwaschene Blue-Jeans und Kutten. Am Abend standen sie in Gruppen an der Straßen- ecke und hörten mit der Kofferheule Beat-Musik. Im FDJ-Organ »Junge Welt« wurden die sozialistischen Kollektive aufgefordert, diesen »negativen Elementen« mit Gewalt die Haare zu scheren und sie unter die Dusche zu stecken. Einige der Beat-Fans wurden vor Gericht gezerrt und zur Arbeitserziehung verurteilt. Doch im Kampf gegen Beat-Musik, lange Haare und kurze Röcke stand die Partei auf verlorenem Posten. Erich Honecker begann seit seinem Amtsantritt im Mai 1971, die Leine etwas länger zu lassen. Die Weltfestspiele der Jugend und Studenten im Sommer 1973 waren ein Probelauf für die neue Jugendpolitik. Nun gab es die verpönten Levi’s hin und wieder auch in der DDR zu kaufen. Die Beatles und andere westliche Pop-Musik liefen im Radio und konnten auch in der Disco gespielt werden. Doch die Toleranz dauerte nicht lange. Als Anfang der achtziger Jahre die ersten Punks, später auch Skinheads und Grufties auftauchten, fiel der Obrigkeit angesichts der wilden Gestalten nichts anderes ein als der Ruf nach der Stasi. Keine Kompromisse an den spießigen Geschmack der Obrigkeit machen diese jungen Fans der Rockband Pankow, Ost-Berlin 1982. Anfang der 80er Jahre tauchen die ersten Skateboarder in der DDR auf. Aufnahme vor dem Ost-Berliner Fernsehturm, 1982. Mit der Jugendweihe werden die 14Jährigen in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen und auf den SED-Staat eingeschworen. Jenseits aller Politik wird sie zum Tag einer rauschenden Familienfeier und großer Geschenke, Centrum Warenhaus in Ost-Berlin, 1978. Jugendkultur kennt keine Grenzen. Fast 500 DDR-Mark hat der junge KISS-Fan aus Ost-Berlin für die Poster seiner Lieblingsband bezahlt, 1981. Es ist das Musik- und Kulturprogramm, bei dem die FDJ-Führung immer größere Konzessionen an den Geschmack der DDR-Jugend macht und das bei den Festivals des Jugendverbandes für Zuspruch sorgt, Ost-Berlin 1979. Jugendweihe an der Pestalozzi-Oberschule im Filmtheater in Prenzlau, 1981. Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR 10 VIII. Kinder- und Jugendspartakiade in Ost-Berlin. Der Sieger im Gewichtheben für 13Jährige bis 40 kg, 1981. SPORT »Diplomaten im Trainingsanzug« Über das »Sportwunder DDR« ist viel gerätselt worden. Doch Bewunderer wie Verächter sind sich in einem Punkt einig. Die Erfolge des Sports waren, neben dem systematischen Doping, Ergebnis eines zentralisierten und großzügig finanzierten Programms. Ohne den Massensport wären die Erfolge des Spitzensports kaum möglich gewesen. Dort holten sich die Sportfunktionäre ihre Olympiakader. Doch der Sport in der Schule und im Verein hatte stets auch einen militärischen Aspekt. Hinzu kamen Geländeübungen mit Karte und Kompass und Schießübungen mit dem Kleinkalibergewehr. Die Jungen sollten tüchtige Soldaten werden und sich früh im Handgranatenweitwurf und Ausdauerlauf üben. Der wichtigste Grund für die Sportförderung war sicher das Streben nach internationaler Anerkennung. 1968 beschloss das Internationale Olympische Komitee (IOC), dass die DDR das nächste Mal unter ihrer Staatsbezeichnung mit eigener Fahne und Hymne antreten sollte – und das in München. Der DDR war damit ein Durchbruch gelungen. Die »Diplomaten im Trainingsanzug« erreichten jene internationale Anerkennung, von der die DDR damals noch weit entfernt war. Die Sportberichterstattung der DDR jubilierte in München, in Montreal, in Moskau. Waren die DDR-Bürger stolz auf ihre »Goldmädchen und Goldjungen« wie es die Propaganda darstellte oder ärgerten sie sich heimlich über das Jubelgeschrei nach jedem sportlichen Großereignis, wenn wieder irgendwo in der Welt die DDR-Nationalhymne erklang? Die Wahrheit lag auf schwer zu erklärende Weise wohl in der Mitte. Wenn im Westen auch sonst alles schicker und besser war, wenigstens im Sport brauchte sich die DDR nicht zu verstecken. Wenn allerdings die »BRD«Fußballmannschaft um Welt- oder Europameisterschaftsehren kämpfte, schlug auch in der DDR das Herz der Fans für »Deutschland«. Achtjährige Kunstturnerin auf der VIII. Kinder- und Jugendspartakiade, 1981. Nationales Jugendfestival in Ost-Berlin, 1979. Unter dem Motto »Wir schützen unser sozialistisches Vaterland« wurden junge Menschen zum Sport animiert. VIII. Kinder- und Jugendspartakiade im Jahnstadion in Ost-Berlin. Die Begrenzung im Hintergrund ist Teil der Berliner Mauer, 1981. Fußballfans des FC Union beim Lokalderby ihres Vereins mit dem BFC Dynamo Berlin, dem Lieblingsclub von Stasi-Chef Erich Mielke, 1982. Das Radsportidol Täve Schur bei der VIII. Kinder- und Jugendspartakiade in Ost-Berlin 1981. Beim Schießwettbewerb für Mädchen auf der VIII. Kinder- und Jugendspartakiade 1981. Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR 11 Reichsbahner vor ihrer Lokomotive in Saalfeld, 1982. ARBEIT Ruhm und Ehre Die Arbeit, insbesondere schwere körperliche Arbeit, war mit einer fast religiösen Aureole umgeben. Arbeit war Sinnerfüllung, Teilhabe an dem großen Projekt der Weltverbesserung, kurzum eine Sache des Ruhmes und der Ehre, wie es in einer aus der Stalinzeit stammenden Parole hieß. Natürlich war das zum Teil reine Propaganda. Doch wenn die Fotos der Bestarbeiter auf dem Betriebshof ausgehängt wurden, schlich sich in den Spott auch ein bisschen echter Stolz ein. Es gab in der DDR eine Menge Leute, die Kohlenträger im Ost-Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, 1980. wenig mit dem Staat am Hut hatten, aber dennoch alles für die Planerfüllung taten und sogar den Schlendrian und die Bummelei kritisierten. Denn dies war die überall sichtbare Schattenseite des betrieblichen Lebens. Aufgrund des niedrigen technologischen Niveaus der DDR-Wirtschaft sowie der Republikflucht vor dem Mauerbau herrschte ein akuter Arbeitskräftemangel. Es gab sogar eine gesetzmäßige Arbeitspflicht. Wer ohne ständige Beschäftigung war, musste mit Ärger rechnen, der bis zu einem halben Jahr Arbeitserziehung gehen konnte. Je niedriger die Qualifikation war, desto dringender wurden die Leute gebraucht. Vor den Mit viel Mühe und Geschick halten die Reichsbahner den Betrieb der DDREisenbahn halbwegs aufrecht, Meiningen 1982. Betrieben hingen Schilder mit der Aufschrift: »Wir suchen aus der nichtberufstätigen Bevölkerung«. Dann folgten durchaus lukrative Angebote. Ungelernte Hilfskräfte, Transportarbeiter oder weibliche Reinigungskräfte waren für jeden Kaderleiter wie Goldstaub. Kein Meister oder Abteilungsleiter durfte es wagen, den geschätzten Kollegen zu nahe zu treten, wenn es einige von ihnen mit dem Schichtbeginn nicht so genau genommen oder in der Nachtschicht eine Flasche Schnaps geleert hatten. Die Leitung drückte ein Auge zu und verließ sich darauf, dass die Kollegen es nicht übertreiben würden. Angehende Landschaftsgestalterinnen in einem Ost-Berliner Neubaugebiet, 1977. Jungarbeiter in Görlitz, 1981. Eine»Tafel der Besten« vor einem Ost-Berliner Betrieb, 1978. Stolz trägt die Schrankenwärterin ihre Reichsbahnuniform, Kyritz 1982. Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR 12 Unter dem Dach der Kirche formiert sich eine unabhängige Friedensbewegung, Erlöserkirche in Ost-Berlin, 1982. WIDERSTEHEN Durch den Regen gehen, ohne nass zu werden Abducken, Schnauze halten, nicht unangenehm auffallen! Wie konnte man über lange Zeit so leben? Ganz offenbar konnte man es, denn eine große Mehrheit hat es getan. »Es gibt hier einige, die wollen durch den Regen gehen, ohne nass zu werden« lautete eine der Floskeln der SEDFunktionäre. Das hörte sich nicht nur wie eine Drohung an. Es war eine Drohung. »Gesellschaftliche Inaktivität« war ein schwerwiegender Vorwurf. So wurde der Alltag zu einem täglichen Eiertanz. Im vertrauten Kreis oder in der Kneipe kotzten viele ihre Wut und ihren Hass aus, um sich am nächsten Tag ohne Widerspruch die verlogenen Parolen anzuhören. Andere zogen sich gänzlich zurück und erklärten Politik für unwichtig. Einige wurden mutig, nachdem sie einen Ausreiseantrag gestellt hatten und es keinen Weg mehr zurück gab. Nur wenige – allzu wenige – fanden den Weg in die Umwelt- und Friedensgruppen, die unter dem Schutzdach der Kirche agierten. Das erforderte bis zum Schluss nicht wenig Mut. Denn niemand wusste, was noch kommen würde. Das Alltagsverhalten der Menschen war so wider- sprüchlich wie die Situation, in die sie gestellt waren. Sehr viele Menschen verzichteten bewusst auf Karrierevorteile, einfach nur um anständig bleiben zu können. Manche versuchten, in ihrem konkreten Umfeld Verbesserungen herbeizuführen. Andere pflegten ihre literarischen und künstlerischen Interessen und hielten vornehme Distanz zum SED-Staat. Erst als die kleinen Bürgerrechtsgruppen, die Gunst der Umstände nutzend, die Verhältnisse zum Tanzen brachten, gerieten die Massen in Bewegung und zeigten, dass sie in der Lage waren, ihre »selbstverschuldete Unmündigkeit« – wie es Immanuel Kant genannt hatte – zu überwinden. »Belogen, betrogen, zum hassen erzogen« hat sich ein junger Mann auf den Arm tätowieren lassen, als er wegen eines gescheiterten Fluchtversuchs zu Gefängnishaft verurteilt worden war, 1981. Die allgegenwärtigen Politparolen erreichten zunehmend weniger Menschen, Ost-Berlin 1981. An den Tischen des Bahnhofsrestaurants in Halberstadt wird wohl – wie überall im Land – über die Widrigkeiten des SED-Staats gespottet und gemeckert worden sein, 1982. Der Hausarrest, den die SED-Justiz über Professor Robert Havemann verhängt, macht den Regimekritiker nicht mundtot, Grünheide bei Berlin 1980. Der evangelische Pfarrer Rainer Eppelmann spricht bei der Beisetzung des DDR-Regimekritikers und Kommunisten Robert Havemann, April 1982. 1. Friedensforum der Evangelischen Kreuzkirche in Dresden im Februar 1982. Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR 13 Menschenschlange vor einem HO-Feinkostgeschäft in der Leipziger Straße in Ost-Berlin, November 1977. MANGEL Jäger und Sammler Der pfiffige DDR-Bewohner hatte stets einen Dederonbeutel bei sich. Diese Taschen aus synthetischer Faser ließen sich zusammenfalten, mit einem Druckknopf auf Minimalformat zusammen pressen und in die Manteltasche stecken. Zudem waren die Beutel wasserdicht. Sie verwandelten sich beim Auslaufen der undichten Milchbeutel in ein tragbares Feuchtbiotop, das aber nach außen gut isoliert war. DDR-Bewohner waren ein Volk der Jäger und Sammler – immer auf der Pirsch nach jagdbarem Wild. So wie die Jäger der Vorzeit die Wildwechsel, so kannten sie die Lieferzeiten und die Gewohnheiten der Angehörigen des Verkaufsstellenkollektivs. Der Wochenendeinkauf glich einer Großwildjagd. Mutti teilte vor der Kaufhalle die Geschwister ein. Einer stellte sich am Fleischstand, einer am Gemüsestand, einer schon an der Kasse mit dem Einkaufswagen an. Mutter kümmerte sich in der Getränkeabteilung um das Bier für Vati. Nicht dass in der DDR Hunger geherrscht hätte. Im Gegenteil, es wurde mehr gefuttert und getrunken als der Gesundheit zuträglich war. Was fehlte, waren Qualität, Auswahl, vor allem aber Kontinuität. Plötzlich gab es im ganzen Land keine Briefumschläge mehr. Es wurde gemunkelt, dies läge an der Amnestie. Die »Knackis«, die bisher die Umschläge geklebt hätten, seien auf freiem Fuß. Ein andermal gab es kein Knäckebrot mehr. Die Partei verbreitete unter der Hand, in irgendeinem befreundeten Staat im fernen Asien herrsche große Not. Das gesamte Knäckebrot sei dorthin geliefert worden. Wer wollte da noch meckern? Miederwaren im Zeichen von Hammer, Zirkel und Ährenkranz. Schaufenster in der Lutherstadt Wittenberg, 1979. Konsum-Handelsstelle im Spreewald, 1981. Dekoration eines Lebensmittelgeschäfts aus Anlass des Besuches des Staatspräsidenten der Republik Kongo, Joachim Yhombi-Opango, in Ost-Berlin, 1977. Anspruch und Wirklichkeit. Straßenszene in Leipzig, 1978. Im vierten Jahrzehnt der DDR spitzt sich die Versorgungslage immer häufiger zu, 1980. Wer ein begehrtes Auto sein Eigen nennt, tut alles, um es am Fahren zu halten. Szene im Ost-Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, 1980. Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR 14 Szene in Ost-Berlin, März 1978. GEBORGENHEIT Die Sehnsucht nach der Diktatur Geborgenheit ist einer der Schlüsselbegriffe zum Verständnis der DDR. Die SED erklärte die Menschenrechte zum Propagandaschwindel der westlichen Medien und setzte die sozialen Rechte dagegen, die angeblich in der DDR verwirklicht waren. Sie traf damit ein Lebensgefühl, das viele Menschen tatsächlich verinnerlicht hatten. Der Westen war gewiss nicht ohne Verlockung, im Osten aber herrschte Sicherheit. Die Doppeldeutigkeit dieses Begriffs beschreibt die zwei Seiten des Lebens in der DDR. Sicherheit meinte die Staatssicherheit, konkret also die Stasi, die alle Bereiche des Lebens überwachte. Aber da war auch die Sicherheit des Arbeitsplatzes, des Krippenplatzes, der niedrigen Miete und der subventionierten Grundnahrungsmittel. Geborgenheit beschreibt sowohl den Kindergarten als auch den Zustand der Unmündigkeit, in dem die Bürger der DDR gehalten wurden. Viele Menschen haben nach 1989 den Gewinn an individueller Freiheit als Verlust der Geborgenheit erlebt. Die Auflösung des Obrigkeitsstaates war für sie ein Absturz in die Freiheit. Die Unfreiheit war das Zwangskorsett, das den Einzelnen von selbstverantwortlichen Entscheidungen befreite. Als die eiserne Klammer des Zwangssystems fiel, wurden die eingeübten Überlebensstrategien der Mangelgesellschaft gegenstandslos. Die relative Gleichheit der sozialistischen Einheitsgesellschaft wich schnell einer neuen Ungleichheit zwischen den Verlierern und Gewinnern der Wende. So träumt sich mancher gerne zurück in ein Sozialparadies, das es nie gegeben hat. Säuglingsstation in einem Krankenhaus in Hoyerswerda, 1982. Dörfliche Idylle bei Dresden, 1979. Zwei Zuschauer der »Konsum Rallye« bei Gera, die sich die Wartezeit mit Bier verkürzen, 1978. Sommerliche Kahnfahrt im Spreewald, 1981. Am Tag der Jugendweihe: Junge Frau im Jungmädchenzimmer, Prenzlau 1981. Baderitual im japanischen Restaurant »Zum Waffenschmied« in Suhl. Wer dort essen wollte, brauchte Beziehungen oder viel Geduld, 1981. Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR 15 Die Tänzerin Gret Palucca mit Schülerinnen in Dresden, 1981. KULTUR Die gebildete Nation »Sozialistisch arbeiten – sozialistisch leben« hieß die Parole. Dazu gehörte auch, dass vorbildliche Brigaden ein Theateranrecht hatten. Zum staatlich gestützten Billigpreis gingen einmal im Monat alle zusammen ins Theater. Der Kulturfunktionär der Gewerkschaft besorgte die Karten und guckte schief, wenn jemand allzu oft fehlte. Immerhin war der Punkt wichtig für den Titelkampf, wollte man »Kollektiv der sozialistischen Arbeit« werden. So war ein gewisser Druck vorhanden. Aber wenn es soweit war, gingen alle gerne mit. Die Kolleginnen machten sich fein, die Kollegen zwängten sich in den dunklen Anzug und würgten die ungewohnte Krawatte um den Hals. In der DDR ging es bürgerlich zu. Auch eine Dichterlesung brachte einen dicken Pluspunkt ein. Das Wort vom Leseland DDR ist nicht falsch. Beim Buchbasar zum 1. Mai herrschte ein Andrang, dass die Dichter fast um ihr Leben fürchten mussten. Das war vor allem eine Folge des Mangels an Büchern. Im Buchhan- del war fast alles Bückware, was sich irgendwie lesen ließ. Kündigte sich gar ein neuer Roman von Stefan Heym oder Christa Wolf an, steckten im Karteikasten des Buchladens dreimal mehr Bestellungen als die Filiale Exemplare bekam. Besonderen Reiz hatten Bücher aus der Bundesrepublik, die vom Westbesuch oder der Oma mitgebracht wurden und unter guten Freunden von Hand zu Hand gingen. Auch das ungestillte Fernweh konnten die allermeisten nur durch Lektüre stillen. Wer nie eine Chance hatte, nach Paris zu kommen, las die Romane von Balzac oder Zola. Der Schriftsteller Volker Braun in seiner Wohnung in Ost-Berlin, 1981. Störtebeker-Festspiele in Ralswiek auf Rügen. Der Seeräuber hatte als Rebell gegen die Reichen und Mächtigen einen festen Platz im Geschichtsbild der DDR, 1980. Bauarbeiter bei der Restaurierung der Semperoper in Dresden, 1980. Der Schauspieler Ulrich Thein in einer Drehpause bei der Produktion des Films »Martin Luther«, 1982. Soldaten betrachten das Bild »Leda mit dem Schwan« von Peter Paul Rubens in der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister, 1980. Der Dramatiker Heiner Müller, 1981. Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR 16 Sommeridylle am Rande Ost-Berlins, 1978. HEIMAT » … das sind nicht nur die Städte und Dörfer. « »Die Heimat hat sich schön gemacht, und Tau blitzt ihr im Haar …« sangen die Jungen Naturforscher, wenn sie durch Wald und Heide zogen. »Die Wiese blüht, die Tanne rauscht. Sie tut geheimnisvoll. Frisch das Geheimnis abgelauscht, das uns beglücken soll.« Sie sammelten seltene Käfer und erforschten das Leben der Lurche und Kriechtiere. Andere bauten in ihrer Freizeit die alte Stadtmauer wieder auf oder pflegten sorbische Volksbräuche. Das Ländchen zwischen Rügen und dem Thüringer Wald war ein bisschen klein geraten, doch es bot viel Heimat. Man hängte sich Zwiebelzöpfe in die standardisierten Neubauküchen und stellte zum Advent Schwibbögen aus dem Erzgebirge ins Fenster. Die SED nahm dies unwillig hin. Immerhin war die Flucht in die Idylle besser als die Flucht in den Westen. Zuletzt bot das Heimatgefühl sogar einen der letzten Strohhalme, an den sich die SED klammerte. Jenseits von Ideologie und Politik sollte eine Identifikation mit dem eingemauerten Land entstehen. So durfte Friedrich der Große ab 1980 wieder Unter den Linden in Berlin reiten, in Dresden wurde mit dem Wiederaufbau des Schlosses begonnen und in Mecklenburg wurde wieder das Plattdeutsche gepflegt. Die Tage des Wendeherbstes 1989 brachten schließlich die Wiederkehr der Regionen. Neben den Deutschlandfahnen tauchte das grün-weiße Banner Sachsens auf, schließlich auch der Rote Adler Brandenburgs, der mecklenburgische Ochse und die anderen Symbole der deutschen Landschaften. Denn die »Heimat, das sind nicht nur die Städte und Dörfer« wie es in einem DDR-Lied heißt, sondern auch das Recht, sie verlassen zu können und dorthin zurückzukehren, wann immer man will. Spreewaldimpression, 1981. Ein Fischer aus dem Dorf Vitt auf Rügen, 1980. Szene in einem kleinen Ort bei Dresden, 1979. Osterreiten der Sorben in Ralbitz bei Bautzen, April 1981. Der stolze Schützenkönig der Freiwilligen Feuerwehr der Spreewaldgemeinde Lehde, 1981. Ein Schäfer mit seiner Herde nahe Halberstadt, 1982. Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR 17 Gottesdienst in der Marienkirche in Stralsund, 1980. GOTT »Hier stehe ich …« Die Kirchen standen am Rande einer Gesellschaft, die sich betont atheistisch und kirchenfeindlich gab. Doch immer noch befanden sich die Gotteshäuser im Zentrum der Städte und Dörfer. Wenigstens an den Sonntagen standen die Kirchentüren weit offen und wer sie durchschritt, betrat eine fremde Welt. Während draußen der Verkehr lärmte, war es hier kühl und still. Hier gab es Zeichen und Symbole, deren Bedeutung die Schule nicht mehr lehrte. Auf den Büchertischen im Vorraum lagen sonst im Buch- handel nicht erhältliche Schriften, und in den Schaukästen hingen Hinweise auf Veranstaltungen der Gemeinde, die fremd und geheimnisvoll klangen. Die Kirchen wirkten wie Orte, die die Zeit überdauert hatten. Auch wenn die Kirche es nicht wollte, stellte sie für den Staat die größte aller möglichen Herausforderungen dar. Sie rüttelte am Wahrheitsmonopol der Partei. Die Kirche war das offene Fenster in der geschlossenen Gesellschaft. Sie war keine wirkliche Nische, aber doch ein windgeschützter Ort. Hier gab es wenigstens im kleinen Kreis einen offenen Gedankenaustausch. Die Fragen, die in der Schule oder bei der FDJ keiner zu stellen wagte, wurden hier diskutiert. Dienen die waffenklirrenden Militärparaden der NVA dem Frieden? Darf man im Namen zweifelhafter ökonomischer Notwendigkeit die Umwelt zerstören? Wohin führt der dauernde Zwang von Lüge und Heuchelei in der Schule? Wenn in der Diktatur irgendwo zwei oder drei Menschen angstfrei miteinander über Politik sprechen, sind es irgendwann Tausende, die wie weiland Martin Luther auf dem Reichstag zu Augsburg sagen: »Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir!« Und damit eine scheinbar allmächtige Staatsgewalt in die Schranken weisen. Konzert im Kloster Chorin, 1982. Bischof Albrecht Schönherr, von 1969 bis 1981 Vorsitzender des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, 1981. Gottesdienst im Rahmen des 1. Friedensforums in der Evangelischen Kreuzkirche in Dresden, 1982. Junge Mädchen im Vergnügungspark Plänterwald in Ost-Berlin, 1979. Konfirmationsfeier in Stralsund, 1981. Der Friedhof der Gemeinde Dorndorf. Im Hintergrund das Kali-Kombinat, 1981. Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR 18 Ein Intershop nahe dem S-Bahnhof Friedrichstraße in Ost-Berlin, 1978. DER WESTEN »… nichts verbindet uns mit der imperialistischen BRD« Der Westen war in der DDR nicht einfach eine Himmelsrichtung. Er war eine gewaltige Projektionsfolie für alle Ängste, Hoffnungen und Sehnsüchte. So wie die BRDFlagge waren auch die Projektionen der DDR-Bürger schwarz, rot und gold. Für die SED-Propagandisten konnte das Bild kaum schwärzer sein. Der »politische Gegner« war so allgegenwärtig wie der Teufel im mittelalterlichen Weltbild. Die Verführungskünste des Satans hießen in der DDR »ideologische Aufweichung«. Junge Leute wollten gern die flotten Westschlager hören oder träumten von modischen Klamotten aus dem Westen. Die FDJ warnte davor. So in einem Zentralratsbeschluss von 1972: »Die Gegensätze zwischen Sozialismus und Imperialismus sind unüberbrückbar. Wir grenzen uns von diesem verhassten System entschieden ab; nichts verbindet uns mit der imperialistischen BRD.« Immerhin gab es auch Klassenbrüder in der BRD, wie die Deutsche Kommunistische Partei (DKP). Die »Avantgarde des Proletariats« wollte in Westdeutschland nicht recht gedeihen und bedurfte neben den erheblichen Finanzspritzen auch der Hilfe von Westreise- kadern, die das »Opfer« einer Westreise auf sich nahmen. Der rote Westen aber blieb eine Fiktion. Für die meisten Menschen gab es allein den goldenen Westen. Man erwartete das Westpaket von der Westoma, vielleicht auch ein bisschen Westgeld, mit dem man im Intershop einkaufen konnte: Westseife, Westkaffee, Westkaugummi … Unvergesslich ist vor allem der Geruch des Intershops, dessen Komponenten die Wissenschaft bis heute nicht zu enträtseln vermochte. Der »verfaulende Kapitalismus« roch auf jeden Fall sehr angenehm und viele Menschen wünschten sich mehr von diesem Duft der großen weiten Welt. Fast in der ganzen DDR sind die Fernsehantennen nach Westen ausgerichtet. Nur im »Tal der Ahnungslosen«, dem Raum Dresden, ist der Empfang von ARD und ZDF lange nicht möglich, 1979. Der Westdeutsche Schlagerstar Roy Black verteilt Autogramme vor seinem Auftritt in Schwerin, 1978. Bahnhof Friedrichstraße in Ost-Berlin. Eine Rentnerin bringt ihren Verwandten Autoreifen aus dem Westen mit, 1980. Ein Schäfer hat sich seinen Traum von der Insel Hawaii auf seine Brust tätowieren lassen, 1979. Bundeskanzler Helmut Schmidt zu Besuch in Güstrow. Ein gespenstischer Aufmarsch von Stasi und Polizei soll Beifallsbekundungen für den westdeutschen Gast vorbeugen, 1981. Erich Honecker reicht am 13. November 1981 Helmut Schmidt bei der Verabschiedung auf dem Bahnhof Güstrow ein Bonbon. Das deutsch-deutsche Gipfeltreffen war von der Verhängung des Kriegsrechts in Polen überschattet worden. Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR 19 Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR BILD UND TEXT HARALD SCHMITT STEFAN WOLLE Die Karriere von Harald Schmitt begann mit einer Ausbildung als Fotografengehilfe in Trier. Er arbeitete als Laborant und Fotograf bei der »Trierischen Landeszeitung«. Anschließend war er drei Jahre bei der Fotografenagentur Frinke in München als Sportfotograf beschäftigt, bevor er zu der bekannten Fotoagentur von Sven Simon in Bonn wechselte. Seine Schwerpunkte dort waren Fotos zu Politik-und Wirtschaftsthemen. In dieser Zeit hatte er auch ein einjähriges Gastspiel in Paris und Nizza bei der Agentur Star Agency, wo er hauptsächlich Aufnahmen von Dreharbeiten zu Filmen und Homestories von bekannten Schauspielern machte. Seit 1977 ist er fest angestellter Fotograf des stern. Die ersten sechs Jahre arbeitete er als akkreditierter Journalist in der ehemaligen DDR, wo er unter anderem auch die ersten Friedensdemonstrationen in Dresden und Jena und die erste Oppositionswelle in Ost-Berlin miterlebte. Als sein Visum schließlich 1983 nicht mehr verlängert wurde, ging er nach West-Berlin. Seit 1987 lebt Harald Schmitt in Hamburg, wo er weiterhin für den stern arbeitet. Während seiner langjährigen Tätigkeit für den stern produzierte er Fotoreportagen in bisher mehr als 130 Ländern, von denen viele mit international anerkannten Preisen ausgezeichnet wurden. Stefan Wolle wurde 1950 in Halle/Saale geboren. Er ging in Berlin zur Schule und absolvierte eine Buchhändlerlehre. Nach der Armeezeit studierte er Geschichte an der Humboldt-Universität. 1972 wurde er wegen »intellektueller Arroganz« der Universität verwiesen und musste sich »in der Produktion bewähren«. Später konnte er sein Studium fortsetzen. In der Geschichte des Mittelalters fand er jenseits der ideologisch brisanten Zeitgeschichte ein Refugium. Seit 1976 arbeitete er in der Akademie der Wissenschaften auf dem Gebiet der altrussischen Geschichte. In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre suchte er Kontakt zur Opposition. Als die Oppositionsgruppen 1989 am Runden Tisch vertrauenswürdige Sachverständige für die Sicherung der Stasi-Akten brauchten, übernahm er zusammen mit Armin Mitter diese Aufgabe. Bereits im März 1990 veröffentlichten die beiden Historiker die Stasi-Akten-Edition »Ich liebe euch doch alle!« Der letzte Bestseller der DDR brachte es bis zur Währungsumstellung am 1. Juli 1990 auf 250 000 verkaufte Exemplare. Zunächst in der neu gegründeten Gauck-Behörde tätig, wurden Wolle und Mitter bald wegen eines kritischen Fernsehinterviews fristlos entlassen. In den folgenden Jahren schrieb Stefan Wolle mehrere Bücher. Der Titel seines Buches »Die heile Welt der Diktatur« ist fast zum geflügelten Wort geworden. Wolle ist heute Mitarbeiter des Forschungsverbundes SED-Staat der Freien Universität und Wissenschaftlicher Leiter des DDR-Museums Berlin. Auszeichnungen: World Press Photo Award 1975: 3. Preis Kategorie feststehende Ereignisse »Yasser Arafat« | 1976: 1. Preis Kategorie Portrait »Indira Ghandi« | 1988: 3. Preis News Features »Untergang der Fähre Herald Of Free Enterprise« in Zeebrügge | 1998: 2. Preis Kategorie Kunst »EA SOLA Dance Compagnie in Vietnam« | 2000: Ehrenvolle Erwähnung in der Kategorie Sport »America‘s Cup in Neuseeland« | 2002: 3. Preis Kategorie Kultur für die Serie »Die Musik der Aka Pygmäen« Die Ausstellung und ihre Herausgeber Was war die DDR? Diese Frage wird mehr denn je diskutiert. Noch 1989 schien die Antwort eindeutig: Damals gingen Hunderttausende in der DDR auf die Straße, um gegen die Diktatur der SED, für Reisefreiheit und bessere Lebensverhältnisse zu demonstrieren. Heute wird der Alltag in der DDR häufig verklärt. Gab es tatsächlich so etwas wie eine »heile Welt« inmitten der Diktatur? Oder waren SED-Herrschaft und Alltag letztlich untrennbar miteinander verbunden? Die Ausstellung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und des Magazins stern will Antworten auf diese Fragen geben und zur Diskussion einladen. Die Bilder des Hamburger Fotografen Harald Schmitt, langjähriger Korrespondent des stern in der DDR, und die Texte des in Halle/Saale geborenen Historikers Stefan Wolle laden zu einer Zeitreise in eine heute immer fremder anmutende Lebenswirklichkeit ein. Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SEDDiktatur fördert die Auseinandersetzung mit der Geschichte und den Folgen der kommunistischen Diktaturen, der deutschen und europäischen Teilung sowie deren Überwindung. Das Hamburger Magazin stern widmet diesen Themen schon immer große journalistische Aufmerksamkeit. Mit der gemeinsam erarbeiteten Ausstellung wollen die Bundesstiftung und der stern einen Beitrag zur historisch-politischen Bildungsarbeit leisten. www.stiftung-aufarbeitung.de www.stern.de � Stefan Wolle Die heile Welt der Diktatur Alltag und Herrschaft in der DDR 1971–1989 Ch. Links Verlag Stefan Wolle gemeinsam mit Mitstreitern der »Arbeitsgruppe Archiv des Bürgerkomitees« auf dem Hof des MfS in Berlin-Lichtenberg, Januar 1990. Harald Schmitt in Ost-Berlin, Mai 1979. Stefan Wolle überwindet den Gegensatz von Herrschaftsgeschichte und Alltagshistorie – und er tut dies mit Witz, Ironie und Polemik. Gestaltung und Ausführung: Gestaltung & Realisierung Die Ausstellung Die heile Welt der Diktatur? Herrschaft und Alltag in der DDR wurde herausgegeben von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur sowie dem Nachrichtenmagazin stern. Berlin und Hamburg ©2009 THOMAS KLEMM | LEIPZIG