Ob durch Hamburgs City oder die Alster entlang: Die Zukunft fährt
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Ob durch Hamburgs City oder die Alster entlang: Die Zukunft fährt
SONNABEND / SONNTAG, 20. / 21. AUGUST 2011 33 2011 Unterwegs: 12 Ausflüge an die Elbe › Stadtgespräch: Tim Mälzer › Titel-Thema: „Tour de Nord“ – 10 traumhafte Radrouten für Familien Lokal-Termin: Das „Rialto“ › Gestern & Heute: Als Papua-Neuguinea 1884 zum „Vorort Hamburgs“ wurde › Markenmacher: Golf Lounge Rad der Weisen Ob durch Hamburgs City oder die Alster entlang: Die Zukunft fährt Rad. Erklärt AXEL TIEDEMANN, für den ein Bonanza-Bike einst alles ins Rollen gebracht hat ... M an könnte jetzt mit dem Knie beginnen. Dem Knie, das mich vor ziemlich genau einem Jahr während eines Fußball-Turniers auf einem Familienfest recht übellaunig an mein Alter erinnerte: Bänder überdehnt, Kniescheibe gequetscht, Stützkorsett – das kommt davon, wenn man glaubt, 15 Jahre jünger zu sein, als man ist. „Am besten, Sie versuchen es erst mal mit geführten Bewegungen, leichtem Radfahren vielleicht“, sagte der Arzt – und wusste nicht, was er damit in Gang setzte. Oder besser: ins Rollen brachte. Man muss dazu wissen, dass meine letzte Auseinandersetzung mit dem Thema Rad in die Zeit von Bonanza-Bike, Bananensattel und DreiGang-Hebelschaltung fällt. Letztere wurde wegen des enormen Knüppels auch schon mal Porno-Schaltung genannt. Wer jemals selbst mit solchen Geräten unterwegs war, weiß, wie lange her das ist. Ich besorgte mir also ein neues Fahrrad, Lichtjahre vom BonanzaModell der Kinderzeit entfernt, und entdeckte etwas Wunderbares. Über Landstraßen, durch die Stadt, umweht von frischer Luft, kommt man ungeahnt flott voran. Bald schon nutzte ich es für den Weg zur Arbeit. Vorbei die Staus, die Parkplatzsuche, vorbei die muffeligen S-Bahnschächte, das Zusammenhocken mit Menschen, mit denen man eigentlich nicht einmal den Planeten teilen möchte. Stattdessen: Freiheit der Straße, Entdeckung der Schnelligkeit. Immer mehr grub ich mich in das Thema, lernte, dass es schon längst nicht mehr um Pedalen oder Schaltungen geht – sondern um eine Vielzahl von „Kurbelgarnituren“, „Schaltwerken“ und „Steuersätzen“. Ich weiß inzwischen um Vor- und Nachteile bestimmter Reifen, Gummimischungen, Spikes. Habe längst nicht nur ein Rad, sondern einen Renner, Tourer und die eine „kleine Stadtschlampe“, wie ein befreundeter Pedalist seinen dezent rostigen, aber unklaubaren Untersatz liebevoll nennt. Und ich bin mit dieser Wiederentdeckung des Rades nicht allein. Um mich herum hat seit den Bonanza-Zeiten längst eine Radolution stattgefunden. Immer mehr faszinierende Technik und ultraleichte Werkstoffe wie Karbon machen das Radeln immer leichter. Es gibt Trekking-, Stadt-, Liege-, Touren-, Berg-und-Tal-Räder, welche, die eigentlich nur zum Hinschauen sind, Retro-Räder und, immer besser, auch Elektroräder, die natürlich E-Bikes heißen. Noch vor einiger Zeit sahen die aus, als gäbe es sie nur auf Krankenschein. Inzwischen stehen beim RadDealer um die Ecke Cross-Varianten, die mich in Versuchung bringen könnten. Eingebauter Rückenwind kann nicht so schlecht sein. Auch in den Städten hat sich etwas getan. 2002 stellte die Bundesregierung bereits einen nationalen Radverkehrsplan auf, um den Bau von Radwegen zu fördern. In Hamburg gibt es ebenfalls seit wenigen Jahren ein städtisches Radkonzept. Bis 2015 soll sich hier der Anteil des Radverkehrs an allen zurückgelegten Wegen auf 18 Prozent ver- Heißes Pflaster: Hamburg ist nicht nur an diesem Cyclassics-Wochenende eine Hauptstadt der Velophilen FOTO: PLAINPICTURE/THOMAS CALLSEN doppeln. Schon jetzt feiert das Mietradsystem der Stadt Erfolge und beim Profi- und Amateur-Rennen Cyclassics am Sonntag beherrschen 22000 Hobby-Radler die Straßen der Stadt. Doch wie konnte das alles kommen seit den Bonanza-Tagen, als wir Kinder der 70er-Jahre noch versuchten, die Räder möglichst wie kleine Harleys aussehen zu lassen, jedoch die Torpedo-Schaltung vergaßen, sobald wir Mofa und dann Kleinkraftrad fahren durften? Um das zu verstehen, muss man nur einen Blick auf die Geschichte des Rades werfen. Als eigentlicher Erfinder gilt gemeinhin der Karlsruher Freiherr Karl Drais, er konstruierte 1817 ein einspuriges Zweirad. Eher ein Laufrad, das mittlerweile für die ganz kleinen Radler wiederentdeckt worden ist. Wie heute Dreijährige auch, erkannte Drais, dass, sobald dieses Fahrzeug erst einmal rollt, es durch die sogenannten Kreiselkräfte stabilisiert wird und das Zweirad-Prinzip sehr wenig Rollwiderstand erzeugt. Aus dem Laufrad des Freiherrn machten Zeitgenossen schnell das Wort „Draisine“. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dann von verschiedenen Konstrukteuren der Pedalantrieb entwickelt, zunächst noch über starre Technik an der Vorderachse der Räder. Auch die Hochräder dieser Zeit wurden so angetrieben, doch die hohe Sitzposition erwies sich bei Unfällen oft als fatal – mancher Pedalist zog sich üble Knochenbrüche zu, wenn sein Gerät umkippte. Um 1880 setzte sich schließlich der heute noch gebräuchliche Kettenantrieb des Hinterrades durch. Eine geniale Erfindung, weil sich so ein Wirkungsgrad der Beinkraft von deutlich über 90 Prozent erzielen lässt. Luftreifen, neue Kugellager-Konstruktionen – das Radeln wurde immer perfekter. Und das Fahrrad wurde immer mehr zum Verkehrsmittel, das sich viele leisten konnten. Wie heute in den Schwellenländern war das Rad noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts Standard-Fahrzeug der Massen, wichtig auch, weil sich Arbeitsplatz und Wohnort in den Industrieländern immer weiter auseinander entwickelten. Mit steigendem Wohlstand aber ging die Bedeutung des Rades zurück. Lieber fuhr man Moped, später dann Auto. Zwar blieben Radrennen populär, doch die Zeiten des Alltagsfahrzeugs waren gezählt. Nur wir Kinder mussten weiter radeln, um Freunde besuchen zu können. Und das taten wir – eben am liebsten mit Pseudo-Mopeds wie dem Bonanza-Rad. In den 1970er-Jahren passierte dann aber etwas Neues. Die ÖkoBewegung entdeckte das Rad – Liegeradfahrer im selbst gestrickten Pulli zeigten demonstrativ ihr überlegenes Umweltbewusstsein. Doch die frühe Umweltbewegung gab sich noch technikfeindlich. Erst in den vergangenen Jahren kam es zur Hochzeit zwischen Technologie und Ökologie. Green Technology lautet das Stichwort nicht nur bei den Entwicklern neuer Motoren, sondern auch dort, wo Muskelkraft eingesetzt wird. Das Fahrrad ist nicht mehr nur Fortbewegungsmittel der Habenichtse und spaßbefreiten Ökologen, es ist Ausdruck eines neuen Verständnisses. Autos – sie sind Relikt des Kohlezeitalters. Laut, dreckig, altbacken. Die Zukunft fährt Rad – und leiht sich vielleicht einmal einen Mietwagen. Es gibt den urbanen Guerilla-Radler genauso wie den BüroRadler, für den längst Packtaschen und Helme im Office-Look angeboten werden. Die Radlerwelt ist vielfältig geworden, zu jedem Lebensstil findet sich ein passendes Rad. Und wer dem Auto nachtrauert – der kann ja Bonanza-Rad fahren. Mit Porno-Schaltung. S. 4/5 – Zehn Fahrradtouren von 20 bis 100 km im Norden, dazu die schönsten Ruhe- und Rastplätze II › WOCHENENDE Sonnabend / Sonntag, 20. / 21. August 2011 Ab ans Wasser KARTE: GRAFIKANSTALT Ildikó von Kürthy FOTO: PICTURE-ALLIANCE Sattel-Fest: Bei den Vattenfall Cyclassics wird die Mönckebergstraße zur Start- und Zielmeile 23 und frage mich, warum mich noch niemand geweckt hat. An einem besonders perfekten Sonntag stehe ich zügig auf. 8.30 Uhr Ich gehe joggen oder schwimmen. Es soll aber auch schon vorgekommen sein, dass ich mich sofort über die Brötchen hergemacht habe, die mein Mann ( ja, ich habe einen, der morgens Brötchen holt, ätsch!) bei „Mutterland“ gekauft hat. 10 Uhr Kinderfreie Sonntagvormittage verbringe ich mit Arbeit. Das heißt: Arbeit vor mir herzuschieben und stattdessen Wäsche aufzuhängen, Topfpflanzen gut zuzusprechen oder mal im Internet nach dem Rechten zu sehen. 13 Uhr Es gibt für mich nichts Schöneres als an einem verregneten Sonntag DVDSerien zu gucken. Aktuell warte ich darauf, dass endlich die Fortsetzung von „Brothers and Sisters“ und „Modern Family“ erscheint. 15 Uhr Da aber auf das Hamburger Wetter nicht immer Verlass ist, bewege ich mich bei Sonne manchmal Richtung Elbe, um – wie alle anderen – vor der Strandperle den Selbstgezeugten beim Sandspiel zuzuschauen. Oder ich setze mich in den Innocentia-Park, diesen kleinen Idyllen-Hotspot, wo es so unglaublich hübsch ist, dass ich regelrecht froh bin über meine lauten Söhne. 20.15 Uhr Das Schönste am Sonntag sind die Abende, wenn die Kinder schlafen und die „Tatort“-Melodie erklingt – zum Klingeln des Küchenweckers, der verkündet, dass die Spaghetti fertig sind. Sodann frage ich mich, ob meine Sonntage nicht mehr Abenteuer bräuchten. Ich nicke in mich hinein, nehme Nachschlag und mir vor, was Atemberaubendes zu unternehmen – bloß, falls mich mal wieder einer fragt, was ich an einem perfekten Sonntag mache. WEIHNACHTSGALA Olivia Molina singt Weihnachtslieder aus Lateinamerika 27. Dezember 2011 20 Uhr Hauptkirche St. Nikolai Karten € 28,95 Karten gibt es in allen Hamburger Abendblatt-Ticketshops (zzgl. Bearbeitungsgebühr) Hamburger AbendblattTicket-Hotline 040/30 30 98 98 (zzgl. Versandkosten) Mo.–Fr. 8–19 Uhr, Sa. 8–13 Uhr 4 75 8 12 Ahrensburg Pinneberg 10 Stade Hamburg 2 11 4 6 73 Buxtehude 5 km 24 3 5 Mein perfekter Sonntag 6.30 Uhr Ich schrecke hoch Bad Oldesloe 1 Elmshorn Die 43-jährige Bestsellerautorin, Journalistin und Mutter von zwei Söhnen ist am liebsten zu Hause 2.30 Uhr Der perfekte Sonntag hat schon vor sechs Stunden begonnen – mit besten Freunden und gutem Essen. Entweder bei uns zu Hause (mein Mann kocht – ich bin eine Niete am Herd) oder am liebsten im „Cox“ oder in der „Brücke“. Jetzt schlafe ich gemütlich ein – mit dem Wissen, dass die Kinder bei den Patenonkeln übernachten und ich ausschlafen kann. Kaltenkirchen 7 Glückstadt 7 Geesthacht 3 9 Winsen 1 12 AUSFLÜGE Industriegeschichte im Fluss TEXT: KIRSTEN RICK Technik, die Wasser beherrscht, am Wasser liegt, Wasser nutzt: Während der „Tage der Industriekultur“ öffnen Siele, Schiffe, Werften und andere Denkmäler ihre Türen, Tore und Luken und lassen vergangene Zeiten wiederauferstehen STADTLEBEN Quadratur des Rades Die Wirtschaftsgeschichte unserer Region ist eng mit dem Wasser verbunden. Die Industrialisierung nahm auf der Elbe und ihren Nebenflüssen ihren Lauf – weil hier preiswerte Transportmöglichkeiten quasi vor der Tür lagen. Dieses Wochenende laden 80 historische Anlagen und Museen ein zur Zeitreise, zeigen vergessene Technik und Arbeitswelten. Die Industriedenkmale lassen sich gut auf Radtouren entdecken, das ganze Programm finden Sie unter www.tagederindustriekultur-hamburg.de Die 18 besten Profiteams der Welt, 22 000 ambitionierte Amateure, 800 000 Fans an den Strecken, spektakuläre Bike-Shows und eine der größten Messen Deutschlands: Bei den Vattenfall Cyclassics geht’s an diesem Wochenende in Hamburg rund E TEXT: AXEL TIEDEMANN s ist ein Tag des Rasens und Schwitzens, Spurtens und Strampelns. Ein Tag für jubelnde Sieger, erschöpfte Verlierer und Jedermänner, die sich einfach nur freuen, dabei gewesen zu sein. Aber gleichzeitig sind die Vattenfall Cyclassics auch ein Tag der Ruhe. In der Stadt sind zahlreiche Straßen gesperrt, immer wieder surren ganze Bataillone von Profi- und Amateur-Radsportlern vorbei. Zwar wird an der Strecke laut angefeuert – doch der nervenzerrende Autolärm ist weit weg. Mehr als 22000 Hobby-Sportler starten über die drei Jedermann-Distanzen von 55, 100 und 155 Kilometern, die bis nach Schenefeld und quer durch den Hafen über die Köhlbrandbrücke führen. Die Radler der 55-km-Strecke starten bereits um 7.45 Uhr an der Kennedybrücke und werden ab 9.06 Uhr an der Mönckebergstraße erwartet. Um 11.10 Uhr steigen an der Steinstraße die 160 Profis in die Pedale, bis sie ab ca. 16.29 Uhr ebenfalls in der Mönckebergstraße einfahren. Hier findet auch die Siegerehrung statt. Schon 1996, bei der Premiere des „Hamburger Radrennens für Profis und Amateure“, waren bezahlte Rad-Heroen am Start. Jan Ullrich etwa, der 1997 die legendäre Tour de France und auch die junge Veranstaltung Cyclassics gewann – für die Cyclassics ein ungeheurer Popularitätssprung. Heute werden rund 800000 Zuschauer gezählt. Für die gibt es neben Start und Ziel eine Reihe Hotspots zum Zuschauen. Etwa an der sogenannten Westschleife, die über Schenefeld und Wedel durch Blankenese führt. Die Amateure, im Schnitt mit Tempo 25 unterwegs, müssen sich hier am Kösterberg auf zwei Anstiegen quälen. Erstmals in diesem Jahr gibt es dabei wie bei den Profis auch eine spezielle Bergwertung. Die Profis, sonst im Schnitt mit ca. 41 bis 44 km/h unterwegs, quälen sich am Waseberg in Blankenese deutlich langsamer hoch – und das gleich zweimal. Gegen 15.25 Uhr und 15.41 Uhr ist dort die Bergwertung zu sehen. Highlights sind auch die Sprintwertungen wie bei der ersten Zieldurchfahrt gegen 14.52 Uhr in der Mönckebergstraße. Wer nun beim Anschauen der rasenden Radler selbst Lust auf den Sport bekommen hat – für den bietet sich am Rathausmarkt eine ganze Palette von Test- und Kaufmöglichkeiten: Dort findet neben dem Festprogramm auch Deutschlands größte Endverbrauchermesse statt. Mehr als 80 Aussteller zeigen dort alles rund ums Thema Fahrrad, Sport und Fitness. Und wen es reizt, sogar selbst mitzufahren, kann sich am Sonnabend bis 16 Uhr am Gänsemarkt noch registrieren lassen, falls die Rennen nicht ausverkauft sind. Mehr Rad geht nicht in einer Stadt ... TIPPS & TERMINE 1 HITZLER WERFT LAUENBURG Eine der letzten von einst vielen Werften an der Oberelbe, 1885 gegründet und noch immer in Betrieb. » „Schiffe, Zündhölzer und mehr – Stadtführung zur Industrie- und Schifffahrtsgeschichte in Lauenburg“, 21.8., 11 – 13 Uhr, Treffpunkt: Hitzler Werft, Eingang Museum, Bahnhofstr. 4 – 12, 21481 Lauenburg . Anmeldung: Tel. 04153 / 512 51. 2 DÜKER AN DER LOMBARDSBRÜCKE Der Düker – eine Abwasserleitung unter der Alster – wurde in die 1868 eingeweihte Lombardsbrücke integriert und verband das Geeststammsiel östlich der Alster mit dem Sielsystem im Westen. » Besichtigung mit Erläuterungen und Informationstafeln, 20.8., 10–17 Uhr, Lombardsbrücke, östliches Widerlager, Eingang Ballindamm / Glockengießerwall. 3 CAP SAN DIEGO Das „Lukenkino“ zeigt historische und aktuelle Filme über die Reisen mit dem „Weißen Schwan“, wie das größte fahrtüchtige Museumsschiff der Welt wegen der eleganten Silhouette auch genannt wird. Es gibt maritime Snacks und Besichtigungen von Maschine bis Brücke, von Bug bis Heck. » Überseebrücke, Lukenkino: Luke 4, Sa/So 12–16 Uhr, www.capsandiego.de Service » Vattenfall Cyclassics, bis So, 21.8. Ausgewählte Rennen: Sa, Jungfernstieg, 15.50 – 16.25 Uhr: Rennen & Siegerehrung der Specialclassics der Behinderten; So, Mönckebergstr., Jedermannrennen (155 km): ab 7.50–8.45 Uhr, Finale ca. 11.34 Uhr; Eliterennen (216,5 km), Start: 11.10 Uhr, Zieleinlauf/Siegerehrung: ca. 16.30 Uhr. Alle Rennen, Zeiten und Strecken: www.vattenfall-cyclassics.de DER GRÜNE PUNKT Die Familien-Fahrradtour des ADFC rund um Norderstedt führt zu einem Café mit Bauernhof und vielen kleinen Kälbern. Die 30 Kilometer schaffen auch Kinder ab 8 Jahre locker. Treffpunkt: 21.8., 11.30 Uhr, Rathaus Norderstedt. Info bei Michael Artmann, Tel. 04106/703370. 5 HAFENMUSEUM HAMBURG Wie der Stückgutumschlag mit Schiff und Eisenbahn, Schuppen und Kränen mitten im Hafen früher funktionierte, lässt sich beim Frachter „Bleichen“, dem Dampfkran „Saatsee“ sowie den Schuppen 50 und 51 hautnah erleben. » Kinderprogramm mit Papierschiffbau und Wasserbaustelle, 20. / 21.8., 14 – 17 Uhr, Kleiner Grasbrook, Australiastraße, www.hafenmuseum-hamburg.de 6 STÜCKGUTFRACHTER „BLEICHEN“ Bitte an Bord: Bevor die Containerriesen kamen, prägten Stückgutfrachter wie die „Bleichen“ das Bild des Hafens. » Hafenmuseum Hamburg, Bremerkai, Schuppen 50/51; Nagelritz singt Ringelnatz: 20.8., 20 Uhr, 12 Euro; Kino an Deck: „Return of the Tüdelband – Die Gebrüder Wolf Story“, 20.8., 22.30 Uhr, 5 Euro; „Geliebt – bespielt – vergessen“, ein Stück für Groß und Klein, 21.8., 15 Uhr, 4 bzw. 12 Euro. 7 MULCH-KRAN HARBURG Ein Zeuge des alten Industriehafens: Der 22 Meter hohe Portal-Drehkran soll als Kulturkran Theater-, Film- und Musikfans anlocken. » Lotsekai, Ausstellung „Hiev op! Requiem auf die Krane“ von Michael Batz: 20.8., 14 – 21 Uhr; Gedichte und Lieder am Kran: 20.8., 18.30 – 21 Uhr; Kinderprogramm, bei dem die Lütten Kranführer spielen dürfen, 20.8., 14 – 18 Uhr, 21.8., 11 – 17 Uhr. KULTUR ERLEBEN Brüder im Geiste 8 INDUSTRIEMUSEUM ELMSHORN An und mit der Krückau entwickelte sich die Industrialisierung Elmshorns, das vor 100 Jahren größter Getreideumschlagplatz des Deutschen Reichs war – wie, zeigt das Museum in dem ehemaligen Speicher. » Hafentour zu Fuß, 20./21.8., 14 Uhr, Catharinenstraße 1, 25335 Elmshorn, www.industriemuseum-elmshorn.de Hauptsache, die Stimmung stimmt: Im Stadtpark fürchten die Söhne Hamburgs weder Regen noch musikalische Regeln R 4 MUSEUMSHAFEN OEVELGÖNNE Ein lebendiges Museum: Beim „Open Shop“ kann man die ehemaligen Fischerei- und Frachtfahrzeuge, Dampfschlepper und Eisbrecher, die immer noch betriebsfähig und oft unterwegs sind, besichtigen. » Anleger Neumühlen, 20.8., 12–18 Uhr, ca. alle 30 Minuten Demonstrationsfahrten, www.museumshafen-oevelgoenne.de Entertainer hoch drei: Stefan Gwildis, Joja Wendt und Rolf Claussen (v. l.) spielen nicht für das Publikum, sondern mit ihm FOTO: PICTURE-ALLIANCE/JAZZARCHIV TEXT: SVEN STILLICH olf Claussen, Stefan Gwildis und Joja Wendt sind seit den 70er-Jahren zwar nicht jünger, aber auf jeden Fall bekannter geworden. Claussen kennt man von der Bühne, als Improvisations-Schauspieler bei der Gruppe „hidden shakespeare“, als Musiker, der mit Christian von Richthofen in „Autoauto!“ schrottreifen Altwagen Musik entlockt. Oder aus seinem Laden an der Grindelallee, wo er Fachbedarf für Akrobaten, Clowns und Straßenkünstler unter die Leute bringt. Gwildis ist mit seinem Projekt, den Soul einzudeutschen, gerade hier oben im Norden erfolgreich. Und Wendt? Der Entertainer und Pianist reist auch die ganze Zeit durch die Gegend: „Im Zeichen der Lyra“. Jeder der drei hat also gut zu tun, stand auch schon im Rahmen anderer Projekte mit einem der beiden anderen auf der Bühne. Die Variante des Kleeblatts hingegen ist noch neu. Erst im Januar traten sie das erste Mal gemeinsam auf. Das Konzert in der nahezu ausverkauften Laeiszhalle war nicht zuletzt deshalb ein Erfolg, weil sich die Söhne Hamburgs so beharrlich weigern, erwachsen zu werden. Schabernack und Frotzeleien gehören zwingend zum Programm und zur Freundschaft der drei – doch ist es mehr als eine einstudierte Show. Claussen, Gwildis und Wendt können von der Herumkasperei genauso wenig lassen wie von der Musik. Das machte auch aus dem Neujahrskonzert in der Laeiszhalle eine sehr entspannte Angelegenheit: Auf der Bühne standen unter anderem ein Teekistenbass und ein grob zusammengezimmerter Schellenbaum, ganz so wie bei ihren Anfängen vor 30 Jahren auf den Straßen und Plätzen der Stadt. Nostalgie ohne Wehmut, drei unterschiedliche Karrieren und Charaktere, die sich trotzdem aufs Beste verstehen, gaben sich – wie könnte es mit diesem Namen auch anders sein – lokalpatriotisch. Der „Jung mit dem Tüdelband“ dürfte also auch im Stadtpark wieder fest gebucht sein, genau wie eine Lobeshymne auf Barmbek. Die wird von der weiblichen Verstärkung vorgetragen, dem Damenlikörchor. Ob die kompaniestarke Sangestruppe an einer der Lieblingswirkungsstätten von HSV-Stadionsprecher Lotto King Karl die braunweiße Vereinsflagge hissen und ihr Fan-Liedgut auf den FC St. Pauli zum Besten gibt? Man wird sehen. Ein sklavisches Programm ist nichts für die Söhne Hamburgs. Es gibt Fixpunkte, für das Dazwischen sind Künstler und Publikum gemeinsam verantwortlich. Genauso wenig vorhersehbar ist auch das Wetter. Sollte es sich am Sonnabend wieder von seiner nassen Seite zeigen, dürfte das auf der Bühne jedoch keineswegs zu Verstimmungen führen. Schließlich bewies Gwildis schon beim Stadtparkkonzert 2010 – mit Claussen als Überraschungsgast – dass er sich von zwei durchgeregneten Anzügen weder Stimmung noch Stimme verderben lässt. 9 SPRENGSTOFFFABRIKEN GEESTHACHT Große Teile Geesthachts haben einst zu zwei riesigen Explosivstofffabriken gehört, von denen viele Relikte erhalten sind. Eine war im Besitz von Alfred Nobel, dem Stifter des Nobelpreises. » Führung zur Entstehung der „Ersten Dynamitfabrik der Welt“, 21.8., 11–13 Uhr, Treffpunkt: Restaurant Krümmler Hof, Elbuferstr. 72, 21502 Geesthacht. 10 UNTERFEUER TWIELENFLETH Der alte Leuchtturm, der von 1893 bis 1984 in Betrieb war, kann erklommen werden. Und ein ehemaliger Lotse erläutert die Verkehrsregeln auf der Elbe. » 20./21.8., 11 und 15 Uhr, Am Deich, Twielenfleth, 21723 Hollern. 11 HANSEHAFEN STADE Das 1774 erbaute Baumhaus, Sitz des Hafenmeisters, hat seinen Namen von einem Baumstamm, der einst quer im Fluss lag und nur dann geöffnet wurde, wenn alle Abgaben entrichtet waren. » Baumschließer-Fest am Baumhaus, 20./21.8., 10–18 Uhr, Wasser West/ Fischmarkt / Wasser Ost, 21682 Stade. 12 KLINKERWERK RUSCH Mehr als 100 Ziegeleien gab es einst südlich der Niederelbe, das Klinkerwerk Rusch von 1881 ist das letzte, das Steine noch in einem Ringofen brennt, der von Hand mit Kohle befeuert wird. » Besichtigungen in der laufenden Produktion, 20./21.8., 10–16 Uhr, Ritscher Außendeich 2, 21706 Drochtersen-Ritsch. Service » Söhne Hamburgs, Sa, 20.8., 19 Uhr, Stadtpark (S Alte Wöhr), Saarlandstraße / Ecke Jahnring, Karten für rund 35 Euro ab 18 Uhr an der Abendkasse, www.open-r.de Denkmäler in Aktion: der Museumshafen Oevelgönne FOTOS: ISTOCKPHOTO, PR III Sonnabend / Sonntag, 20. / 21. August 2011 › STADTGESPRÄCH Jens Meyer-Odewald trifft Tim Mälzer Sensibler Bulle Der „kochende Wirt“ lässt nicht nur in Hamburg die Herdplatten heiß glühen. Ein Gespräch über Naivität, „Nein“-Sagen und sein gestörtes Verhältnis zu Geld D FOTO: THOMAS LEIDIG er Mann hat Charme, Schnauze und Visionen. Binnen weniger Jahre hat der Elmshorner Tim Mälzer geschafft, wovon hoch dekorierte Kochgurus nur träumen: Das normal essende Volk hängt ihm an den Lippen. Da ist „einer von uns“, der kocht. Der unkonventionelle Typ mit dem lässig gegelten Haar backt sich ein Ei auf Konventionen, redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, und tischt auf, wonach ihm der Sinn steht. Diese herzerfrischende, schnodderige Art kommt an: Mälzers Fernsehauftritte garantieren Quote. Und seine vier Kochbücher wurden insgesamt mehr als zwei Millionen Mal verkauft. Derweil sich namhafte Sterneköche mit Grausen abwenden, geht der gerade einmal 40 Jahre alte „Kreativ-Koch“ seinen Weg – aus dem Bauch heraus. Am Herd kann er praktisch alles, auch Ausgefallenes und Filigranes, doch hat er den Mumm, lauthals Pluspunkte von Spaghetti „Bolo“, Currywurst, Burgern und Senfeiern zu preisen. Ob „Engel“, „Au Quai“ oder „Weißes Haus“ – Mälzers Einsatz in der Küche bescherte stets gefüllte Reservierungsbücher. In seinem aktuellen Restaurant „Bullerei“ auf der Schanze vis-àvis des Schlachthofes, ist das nicht anders. Ausgestattet mit einem großen Glas Spezi mit Eis und ein paar Zigaretten berichtet das Verkaufsgenie von seinen Plänen. Im „Hausmann’s“ im Frankfurter Flughafen will er der Snackküche neues Leben einhauchen. Parallel soll die nicht auf Gewinn fixierte Internetplattform www. goodfoodgood.com zum Erfolg geführt werden. In Schleswig-Holstein hält Mälzer Rinder und Schweine, und auf dem Dach der „Bullerei“ sind neuerdings Bienenstöcke untergebracht. Dazu passt ein Traum: „Irgendwann möchte ich in Norddeutschland einen Hof erwerben.“ Möglichst mit Bauern, die sich eines Tages aufs Altenteil zurückziehen und ihm nach und nach Landwirtschaft beibringen. Der Mann hat Visionen. Und das nicht zu knapp. MAGAZIN: Herr Mälzer, Hand aufs Herz, haben Sie schon mal Ravioli kalt aus der Dose gemampft? TIM MÄLZER: Nicht ganz kalt, aber lauwarm. Das ist eine Spezialität: Dose kurz in heißes Wasser, Sauce warm, Rest kalt. Manchmal esse ich auch Nudeln kalt vom Herd. Schmeckt gut. Wenn man Hunger hat. MAGAZIN: Wie sieht’s sonst mit kulinarischen Sünden aus? Tiefkühlpizza, Tütensuppen, Hotdogs? MÄLZER: Pizza mag ich nicht. Tütensuppen ebenso. Aber so ein schöner Hotdog bei Ikea in der Kantine ist nicht zu verachten. Oder ein guter Burger. MAGAZIN: Im HSV-Stadion servieren Sie neuerdings auch Currywurst – in der Platin-Lounge. Ist das mehr als nur ein PR-Gag? MÄLZER: Das ist eine Ehre für mich. Ich verstehe es als persönliche Auszeichnung, Teil des Vereins zu sein. MAGAZIN: Hauptsache, die Kasse klingelt? MÄLZER: Von wegen! Der Gewinn fließt komplett den Fans zu. Gemeinsam mit den Supporters überlege ich noch, ob wir damit Auswärtsreisen unterstützen oder Kindern Freikarten besorgen. MAGAZIN: In Ihrem Restaurant „Bullerei“ sollen Sie mit Ihrem HSV-Faible auf verlorenem Posten stehen ... MÄLZER: Das ist höflich formuliert. Ich bin der Einzige. Hier auf der Schanze sind natürlich alle St. Paulianer. Aber ich steh zu meiner Leidenschaft, seit ich als Sechsjähriger in der E-Jugend des SC Egenbüttel mit Manfred Kaltz Hand in Hand aufgelaufen bin. Leider war mein Spiel selbst weniger gut. Der Trainer stellte mich nur auf, weil er scharf auf meine Mutter war. MAGAZIN: Vielleicht, weil sie so gut kochen konnte. MÄLZER: Das konnte und kann sie in der Tat. Es gab früher zu Hause leckere deutsche Kost: Königsberger Klopse, Hühnerfrikassee, Schnitzel. Ich habe in der Küche immer gerne Hausaufgaben gemacht, war aber kein Pottkieker. Und beim Kochen geholfen habe ich auch nicht. MAGAZIN: War es ein Fehler, Ihrer Mutter vor ein paar Jahren das Regiment der „Oberhafenkantine“ übergeben zu haben? MÄLZER: Von der Sache her überhaupt nicht. Ich habe das ihr zuliebe gemacht. Allerdings habe ich den öffentlichen Widerhall unterschätzt. Ehrlich gesagt, würde ich das nicht noch einmal machen. MAGAZIN: Zum Grundsätzlichen: Sind Sie eher Gourmet oder Gourmand? MÄLZER: Eher Letzteres. Ich bin Purist und esse wahnsinnig gerne gut, habe aber einen recht simplen Geschmack: Currywurst, Senfeier und so. Mein Motto ist etwas vulgär, aber treffend: die Fresse voll Fressen. Man muss ein Gericht nicht vollmundig erklären und viel um den heißen Brei labern, es muss einfach schmecken. Basta. MAGAZIN: Wo Sie sind, ist immer viel Tamtam. Warum ist das so? MÄLZER: Ich bin von Grund auf naiv. Also positiv, überhaupt nicht negativ eingestellt. Zudem traue ich mich, Fehler zu machen. Das mögen die Leute offensichtlich. Ich kenne keine Gefahr oder nehme sie nicht wahr. Ich falle dreimal auf die Schnauze, aber gewinne fünfmal. Kurz gesagt: Meine Welt ist total simpel. MAGAZIN: Auf jeden Fall hat man den Eindruck, dass Sie mehr Unterhalter als Koch sind. MÄLZER: Vollkommen richtig. Ich bin mehr Wirt als Koch, also ein kochender Wirt. Dieses Tamtam, wie Sie es nennen, macht mir großen Spaß. Dabei bin ich eigentlich introvertiert. MAGAZIN: Sehr witzig. MÄLZER: Doch, im Ernst. Im Kern bin ich sehr sensibel, habe mir im Laufe der Zeit aber äußerlich ein dickes Fell zugelegt. Ich zeige nur wenig von meiner sensiblen Seite. MAGAZIN: Gut, dann mögen Sie sensibel sein, aber zurückhaltend sind Sie nicht. Waren Sie als Kind der Klassenclown? MÄLZER: Nein, aber ich war Klassen- und Schulsprecher und immer dabei, wenn Blödsinn gemacht wurde. MAGAZIN: Ihre Schwester verfügt auch über dieses Unterhalter-Gen … MÄLZER: Tatsächlich arbeitet sie als Kinder-Clown: mehr für soziale Projekte als für Kindergeburtstage. MAGAZIN: Wie erklären Sie sich den Hype um Ihre Person? Für manche sind Sie eine Art Guru. MÄLZER: Ich hinterfrage das nicht, aber ich wundere mich. Denn ich spiele keine Rolle und kein Theater. Ich bin ich. Wahrscheinlich liegt die Erklärung in der Macht des Fernsehens: Ich bin praktisch bei den Leuten im Wohnzimmer … MAGAZIN: … und auch überall sonst. Warum tanzen Sie auf so vielen Hochzeiten? MÄLZER: Für mich ist das Leben ein großer Abenteuerspielplatz mit unendlich vielen Chancen. Der Nachteil dabei: Man kann mich sehr schnell begeistern. Und ich kann schwer Nein sagen. MAGAZIN: Diesem hochtourigen Leben mussten Sie vor fünf Jahren Tribut zollen, als Ihnen plötzlich alles zu viel war und nichts mehr ging. MÄLZER: Korrekt, aber daraus habe ich Konsequenzen gezogen. Ich schaffe mir jetzt mehr Freiraum und mache nur noch, was ich machen kann – und will. Immer auf dem Sprung: Tim Mälzer im Hinterhof seiner „Bullerei“ im Schanzenviertel Ich kenne keine Gefahr oder nehme sie nicht wahr. Ich falle dreimal auf die Schnauze, aber gewinne fünfmal. Kurz gesagt: Meine Welt ist total simpel Zum Beispiel war ich im Juli und August sechs Wochen im Urlaub. Mit Freundin und Auto quer durch Europa: Holland, Belgien, Frankreich, Italien und sehr viel Deutschland. MAGAZIN: Und nun geht’s wieder in die Vollen. Verspüren Sie Sehnsucht nach Anerkennung? MÄLZER: Ja. Jeder öffentliche Mensch, der das abstreitet, lügt sich in die eigene Tasche. Ich habe mir eine gute Nische ausgesucht: Die Gastronomie ist der Ort, an dem es die schnellsten Reaktionen gibt. In ein paar Minuten ist das Essen auf dem Tisch – und es gibt Applaus. Oder die Sache geht nach hinten los … MAGAZIN: Sie selbst kokettieren mit Begriffen wie „Küchenbulle“, „ Hallodri-Koch“ oder „Proll“. Was soll das? MÄLZER: Damit helfe ich meinen Kritikern, mich in eine Schublade zu packen. MAGAZIN: Pfiffige Antwort. Allerdings wirken Sie intelligent und schlau, keineswegs bullig oder proletenhaft. MÄLZER: Ich habe zwei Seiten. Für mich gibt es nicht Schwarz oder Weiß, links oder rechts, sondern beides. Wie gesagt, bin ich extrem sensibel und kann auch sehr gutmütig sein. Aber fragen Sie mal meine Jungs in der Küche. Ich kann auch laut, krakeelig, bestimmend, Raum ergreifend und überheblich sein. Letzteres allerdings nur mir selbst gegenüber. MAGAZIN: Haben Sie Furcht vor einem geschäftlichen Einbruch? Nicht immer müssen Kochsendungen so heiß gehandelt werden wie derzeit. MÄLZER: Davor habe ich keine Angst, dann fällt mir etwas anderes ein. Immerhin ist es mir gelungen, Leben in die Küche zu bringen. Ich sehe mich nicht als Kochkünstler, sondern als einer von nebenan, der für die Leute zu Hause kocht. Das ist meine Motivation. Eine Philosophie habe ich nicht. MAGAZIN: Dafür steht ein großer Apparat hinter Ihnen. MÄLZER: Das kann man wohl sagen. In meinem Umfeld gibt es 150 Mitarbeiter, die bei mir in irgendeiner Form in Lohn und Brot stehen. Das belastet mich nicht, weil ich ein gestörtes Verhältnis zu Geld und Eigentum habe. Besitz bedeutet mir nicht viel, auch habe ich keine überwältigenden Bedürfnisse. MAGAZIN: Zurück hinter den Herd: Gehört die Frau in die Küche? Oder der Mann? Oder beide? MÄLZER: Ich bin zu aufgeklärt, um eine Mann-FrauDiskussion zu führen. Soll jeder machen, wie er will. MAGAZIN: Wie handhaben Sie es denn privat? MÄLZER: Ich hasse Bügeln, sonst mache ich alles. Am liebsten allerdings koche ich, um anderen Diensten aus dem Wege zu gehen. MAGAZIN: Kochen Sie für Ihre Freundin Nina? MÄLZER: Wenn ich zu Hause bin, jeden Tag. Und immer gerne. Ich kann aber auch Pascha, fauler Hund sein. MAGAZIN: Wann waren Sie zuletzt bei Aldi oder Penny? MÄLZER: Das ist Jahre her. Ich bin kein Freund von Discountern. Wer nicht unbedingt rechnen muss, sollte das sein lassen. Currywurst hin, Senfeier her … MAGAZIN: Deshalb kommen bei Mälzers in Harvestehude auch nur Bioprodukte in Pfanne und Topf ? MÄLZER: Keineswegs, aber so ein Bio-Label kann nicht schaden. Besonders bei allem, was mit Tieren zu tun hat: Da wird zwar auch eine Menge Schindluder getrieben, aber für die Orientierung ist das okay. MAGAZIN: Und was halten Sie von Internet-Plattformen, auf denen über tatsächliche Inhaltsstoffe von Industrieprodukten informiert wird? MÄLZER: Viel. Die Verbraucher haben mehr Einfluss und können in Dialog mit der Industrie treten. Unterm Strich profitieren davon beide Seiten. MAGAZIN: Zum Schluss darf die Frage nach Ihrem Leibgericht nicht fehlen. MÄLZER: Absolute Nummer eins sind Spaghetti Bolognese. Wenn’s schnell gehen soll, auch mit Hack. MAGAZIN: Und Ihr Lieblingsgetränk: Bier? Schampus? MÄLZER: Ich mag alles Eiskalte. Besonders gern Spezi mit einem Berg Eiswürfel. Kurz-Biografie » Tim Mälzer, geboren am 22. Januar 1971 in Elmshorn, absolvierte nach dem Abitur eine Kochlehre im Hotel InterConti. Danach arbeitete er im Londoner Hotel Ritz sowie im Szene-Lokal Neal Street. Dort lernte Mälzer seinen Kollegen und Freund Jamie Oliver kennen. Zurück in Hamburg tobte er sich im „Café Fees“, im „Tafelhaus“, im „Engel“, „Au Quai“ sowie im „Weißen Haus“ aus. Ab 2003 folgten TV-Sendungen, Kochshows und Kochbücher. Seit 2009 betreibt er nicht nur die „Bullerei“ in der Schanze, sondern ist auch Chefkoch der ARD und begeistert mit der Ernährungsdoku-Reihe „Deutschland isst … mit Tim Mälzer“ ein neues Publikum nicht nur zum Genießen, sondern auch zum gewissenhaften Umgang mit den Lebensmitteln. IV › THEMA DER WOCHE Sonnabend / Sonntag, 20. / 21. August 2011 Tour de Nord Aus dem Sattel heraus lassen sich Alster, Barockparks und Häfen auf eine ganz neue Weise erleben: 10 RADTOUREN für Familien und Naturliebhaber, Zeitreisende und Wasserratten – selbst für Freunde des Barfuß-Laufens ist eine dabei Süße Belohnung: Am Ende des Radfernwegs „Alte Salzstraße“ wartet Lübeck – und Marzipan Per Bike von Beach zu Beach: die Seenrundfahrt durch den Naturpark Lauenburg Perfekter Start: Die Gemüsetour durch die größten Anbaugebiete des Nordens beginnt in Glückstadt REDAKTION: KIRSTEN RICK Kiel KARTE: GRAFIKANSTALT; FOTOS: NADJA BIEBOW, HANS-JOACHIM HARBECK, GETTY IMAGES (3), SVEN MERSIOWSKI, PICTURE-ALLIANCE (2), UNTERELBE TOURISMUS E.V./PHOTOCOMPANY, PR Heide Oben angekommen: Die Obstroute im Alten Land bietet beschauliche Rastorte, Fachwerkhäuser und Apfelplantagen be El 6 Lübeck 5 1 4 8 7 2 Hamburg Bremerhaven 3 1 Obstroute durchs Alte Land Länge: 78 km – teilbar in zwei Schleifen von 37 km und 41 km Länge Start: z. B. Grünendeich: Lüheanleger, Bahnhöfe Stade oder Horneburg „Beiß nicht gleich in jeden Apfel …“ – denn wer das tut, kommt nicht voran. Im Alten Land, dem größten geschlossenen Obstanbaugebiet Deutschlands, locken pralle Früchte und viele Köstlichkeiten am Wegesrand. Die ausgeschilderte Obstroute führt in zwei Schleifen vorbei an Prunkpforten und Fachwerkhäusern an der Elbe und den sich idyllisch schlängelnden Flüsschen Schwinge, Lühe und Este. Man kommt in dem von niederländischen Kolonialisten eingedeichten Gebiet gut voran, denn es ist platt wie Holland. Nur Gegenwind kann Sie dann noch aufhalten – und die Verlockungen der zahlreichen Hofcafés. Die Anreise ist bequem: Mit der S-Bahn oder mit dem Schiff ab Schulau über die Elbe. An Wochenenden und Feiertagen kann man die Strecke mit dem Elbe-Radwanderbus abkürzen (www.elbe-radwanderbus.de). Tipps: » Haus der Maritimen Landschaft Unterelbe In dem Zentrum rund ums „maritime Geschehen“, das seinen Sitz in der einstigen Seefahrtschule hat, informieren Ortskundige über die Angebote der Region. Kapitän Bruns führt Gäste über die hauseigene Kapitänsbrücke. Kirchenstieg 30, 21720 Grünendeich, Do/Fr 12–16, Sa 11–17, So 11–16 Uhr, www.maritime-elbe.de » Schloss Agathenburg In einem verwunschenen Park steht das feudale Schloss aus dem 17. Jahrhundert, darin gibt es u.a. eine Dauerausstellung zur wechselvollen Historie des Hauses – und im Schlosscafé selbst gebackenen Kuchen. Hauptstraße, 21684 Agathenburg, Di–Fr 14–18, Sa/So 11–18 Uhr ( bis 31.10.), www.schlossagathenburg.de » Tag des offenen Hofes: 10. / 11.9. Viele Obstbaubetriebe laden ein zu Unterhaltungsprogramm, Ausstellungen, Konzerten und Kulinarischem rund um den Apfel. Infos siehe Website unten. » Informationen: www. tourismus-altesland.de/ tourenvorschlaege 2 Seeadler-Tour Länge: 37 km Start: Willkomm-Höft in Wedel Zur Einstimmung kann man am Willkomm-Höft in Wedel ein wenig den großen Schiffen hinterherschauen und Fernweh aufkommen lassen. Dann geht es entlang des Elbdeichs ins Naturschutzgebiet Haseldorfer Binnenelbe mit seinen weiten Sandstränden und großen Wasserflächen. Der Seeadler weist nicht nur auf den Schildern den Weg, mit etwas Glück kann man ihn auch in echt sehen. Fast 50 Paare des seltenen Greifvogels brüten inzwischen in Schleswig-Holstein. Die Radtour führt weiter an Obstplantagen vorbei, an der Pinnau und ab Heist an der Geestkante entlang bis zum Landschaftsschutzgebiet Holmer Sandberge mit den großen Binnendünen. Durch offenes Waldgebiet geht es zurück nach Wedel. Tipps: » Carl Zeiss Vogelstation Schautafeln informieren über die Vogelwelt, die man vom Beobachtungsraum überblicken kann, ohne die Bekassinen, Austernfischer und Kiebitze zu stören. NABU-Mitarbeiter helfen bei der Bestimmung, es können auch Ferngläser geliehen werden. Kleientnahmestelle Fährmannssand, Mi/Do u. Sa/So 10–16 Uhr, www.nabu-hamburg.de » Elbmarschenhaus Ein zentraler Anlaufpunkt für Naturtouristen. Hier gibt es nicht nur informative Ausstellungen, sondern auch viel Interessantes über die Region. Im Außengelände mit Spielmöglichkeiten kann man auch gut picknicken. Hauptstr. 26, 25489 Haseldorf, tägl. 10–16 Uhr, www.elbmarschenhaus.de » Obstparadies Café & Hofladen Winterros Das Café bietet köstliche selbst gebackene Kuchen und Torten, der Hofladen 15 verschiedene Apfelsorten, Beeren und Marmeladen aus eigener Herstellung, und die Kinder toben auf dem Abenteuerspielplatz oder vergnügen sich bei den Ziegen im kleinen Streichelzoo. Am 11. September wird das Apfelfest gefeiert. Winterros, 22880 Wedel, Tel. 04103/ 888 05, Café Mi–Sa 14–18, So 10–18 Uhr, www.obst-paradies-kleinwort.de » Informationen: www.holstein-tourismus. de/fahrradtouren.html 9 Auch ein Radler: der Schaufelraddampfer „Kaiser Wilhelm“ auf der Techniktour 3 Techniktour 10 8 Seenradtour Bremen durchs Herzogtum Länge: 30 km (rund um Geesthacht), 40 km (rund um Lauenburg) Start: Lauenburg, Parkplatz Lösch- & Ladeplatz; Geesthacht, Parkplatz an der Schleuse 4 Alsterlauf 5 Gemüsetörn 6 Oste-Wingst-Route Länge: 19 km Start: S-Bahn Poppenbüttel Länge: 27 km Start: Glückstadt Länge: 45 km Start: Zoo in der Wingst (großer, kostenfreier Parkplatz) Die Alster ist mehr als die beiden Seen in der Stadt: Der kleine Fluss schlängelt sich durch das enge „Tal“, unter uralten Bäumen, durch Reste von Auwäldern und feuchten Erlenbruchwäldern. Man fährt an den Vorgärten prachtvoller Villen vorbei, die hinter all dem Grün kaum auszumachen sind. Langsam verdichtet sich die Stadt, man radelt durch Kleingartenkolonien, durch Eppendorf und Winterhude, bis sich an der Krugkoppelbrücke der Blick auf die Außenalster öffnet. Der Alsterwanderweg ist mit einem gelben Dreieck ausgeschildert (z.B. an Bäumen), es gibt ein paar unbefestigte Wege und an sonnigen Wochenenden kann es sehr voll werden. Durch eines der größten Gemüseanbaugebiete in Schleswig-Holstein führt diese Tour: 35 Betriebe bewirtschaften hier eine Fläche von 450 Hektar. Die holländischen Siedler, die die Wildnis eindeichten, fanden leichten Marschboden, frischen Wind und viel Wasser – perfekte Bedingungen für die Landwirtschaft. Zur Erntezeit haben die Hofläden entlang der flachen, asphaltierten Strecke ein üppiges Angebot. Der Weg führt zum Störsperrwerk, durchs malerische Borsfleth und nach Krempe, mit nur 2400 Einwohnern die kleinste Stadt in Holstein. Zurück geht es durch die Marsch, vorbei an schönen Bauernhäusern in der Blomeschen Wildnis ins Matjes-Mekka Glückstadt. Die Wingst ist ein Paradies für Radfahrer: Die Landschaft ist abwechslungsreich, vom romantischen Fluss über Moore und den Balksee bis hin zu einem 1100 Hektar großen Waldgebiet. Am Wegesrand laden stille Zeugen der Frühgeschichte wie das Steingrab, malerische Orte wie Oberndorf und originelle Einkehrmöglichkeiten zur Pause ein. Das Melkhus in Süderbusch lohnt einen Abstecher wegen der von Landfrauen zubereiteten Leckereien aus Milchprodukten. Ausgeschildert ist die eher flache Route, die zumeist über schwach befahrene und gut geteerte Nebenstraßen führt, als Cuxland-Fahrradtour R04. Tipps: Tipps: Tipps: » Museum im Torhaus Wellingsbüttel » Galerie-Café Knudsen » Zoo in der Wingst Wie sah es früher an der Oberalster aus? Das Heimatmuseum zeigt Fotodokumentationen über „Das alte Dorf Sasel“ und „Alt-Hummelsbüttel“, dazu gibt es historische Gerätschaften und Kleidung zu sehen. Wellingsbüttler Weg 75a, Sa/So 11–13 und 15–17 Uhr, Eintritt frei Die Torten von Landfrau Erika Knudsen sind legendär. Während der Woche malt die ehemalige Gemüsebäuerin, das Café dient heute auch als Galerie. Am Neuendeich 162, 25348 Blomesche Wildnis, Tel. 04124/890449, Sa/So 14–19 Uhr Ein moderner Zoo mit großem Wolfsund Bärenwald und einem Freigehege für die Japanmakaken. Höhepunkt für die Lütten ist der Kinderbauernhof, auf dem sich Tiere streicheln lassen. Am Olymp 1, 21789 Wingst, tägl. 10–19 Uhr, www.wingstzoo.de » Op de Deel » Spielpark Wingst Perspektivwechsel: Wer zwischendurch mal aufs Wasser möchte, mietet sich bei Töns ein Ruderboot oder ein Kanu. Dann haben die Beine Pause und die Arme arbeiten. Ratsmühlendamm 2, www.bootsvermietung-toens.de Gehobene Gastronomie mit frischen Produkten aus der Region – in einer reetgedeckten alten Bauernkate mit Garten direkt hinterm Elbdeich. Am Neuendeich 127, 25348 Blomesche Wildnis, Mi–So 17.30–21.30 u. Fr–So 11.30–14.30 Uhr, Tel. 04124/8700, www.opdedeel.de Als Pferdestärken noch starke Pferde waren: In diesem Museum wird gezeigt, wie wichtig die Tiere für den Transport waren. Auf dem Resthof leben auch Kaltblüter und Ziegen. Alte Salzstr. 29, 21483 Lütau, So 10–17 Uhr (Mai–September), www.zugpferdemuseum.de » Café Leinpfad » Krempe Auf über 50000 Quadratmetern gibt es fast 60 Spiel- und Sportmöglichkeiten. Die Top-Attraktionen sind der Baumseilpfad und der Niedrigseilgarten, der Klassiker ist die Sommerrodelbahn. Schwimmbadallee 10a, 21789 Wingst, tägl. 10–18 Uhr ( bis 31.10.), www.wingst.de Das Café liegt direkt am Alsterlauf, auf dem alten Anleger „Winterhuder Fährhaus“. Hier werden neben Käse- und Apfelkuchen auch Pasta und Labskaus serviert. Leinpfad/Hudtwalckerstraße, ab 10 Uhr, www.cafe-leinpfad.de Die kleine Stadt war einstmals eine bedeutende holsteinische Festung, die König Christian III. 1553 in Auftrag gab und selbst vermessen hat. Sehenswert: das RenaissanceRathaus (1570). » Kamelienzucht Peter Fischer » Informationen: www.lauenburg.de » Informationen: www.hamburg-tourism.de » Informationen: www. » Informationen: www.cuxland.de Die Techniktour ist etwas für Entdecker, die auch einige Steigungen und unbefestigte Streckenabschnitte nicht scheuen: Es gibt viele spannende Ziele zu erforschen, historische und moderne technische Bauwerke, vom einzigen Pumpspeicherwerk Norddeutschlands über die Reste der ehemaligen Dynamitfabrik bis zum Raddampfer „Kaiser Wilhelm“. Was hat es mit dem Bau der Schleuse auf sich? Warum erfand Alfred Nobel das Dynamit in Geesthacht? Es gibt zwei Rundkurse, einen um Geesthacht, einen um Lauenburg, die miteinander kombiniert werden können, beide ausgeschildert mit dem ZahnradSymbol. Zu den Tagen der Industriekultur am Wasser (20./21.8., siehe S. II Unterwegs) laufen spezielle Aktionen. Tipps: » Geesthacht Museum! Die interaktive Ausstellung verrät Verblüffendes und Spannendes über die Stadt, die der größte Energie- und Forschungsstandort Norddeutschlands ist. Bergedorfer Str. 28, 21502 Geesthacht, Mo–Fr 10–18, Sa/So 11–17 Uhr (bis September), www.geesthacht.de » Pumpspeicherkraftwerk Einmalig im Norden: Mit Hilfe von Sonnen- und Windenergie drücken drei gewaltige Pumpen das Elbwasser hinauf ins riesige Speicherbecken. Bei Bedarf rauschen die Wassermassen 80 Meter tief über Turbinen in die Elbe zurück und erzeugen Strom. Elbuferstr. 49, 21502 Geesthacht » Zugpferde-Museum und www.geesthacht.de Als das Fahrrad laufen lernte » Bootsvermietung Töns glueckstadt-tourismus.de Die Kameliengärtnerei von Peter Fischer gilt als eine der größten und besten Europas. 900 Sorten der aparten Pflanze wachsen hier, davon über 20 aus eigener Züchtung. Höden 16, 21789 Wingst, www.kamelie.de 7 Geschichten von Schloss und Hof Länge: 34 km Start: Ahrensburg Per Fahrrad in die Vergangenheit: Diese Rundtour zwischen Ahrensburg und Bargteheide führt vorbei an prächtigen Gütern und Anwesen mit Geschichte. Sie beginnt in Ahrensburg, auf der von Linden gesäumten Großen Straße, zentrale Achse des einstigen barocken Stadtensembles. Durch das Dorf Bünningstedt gelangt man in den Duvenstedter Brook und über einen kurzen Abstecher entlang der Jersbeker Straße zum Gut Jersbek mit seinem prunkvollen Barockgarten. Am Rande des Radweges liegt auch Schloss Tremsbüttel mit seinen Türmen, heute ein Hotel. Die Tour ist als „12“ ausgeschildert, eine Karte gibt es sowohl im Tourenplaner „Radwandern in Stormarn“ wie auch als pdf-Datei zum Herunterladen und Ausdrucken auf www.kreis-stormarn.de Tipps: » Hofladen Ahnfeldt Alles fürs Picknick bekommt man in diesem Hofladen: Brot, Obst, Käse, Katenschinken und viele Säfte. Bramkampredder 3, 22949 Ammersbek (Bünningstedt-Dorf ), Di u. Do 8–12.30 u. 14–18 Uhr, Mi 8–12.30, Fr 8–18, Sa 8–14 Uhr, www.hofahnfeldt.de » Museum Schloss Ahrensburg Das leuchtend weiße RenaissanceSchloss präsentiert sich mit seiner umfangreichen Mobiliar-, Porzellanund Gemäldeeinrichtung. Lübecker Str. 1, 22926 Ahrensburg, Tel. 04102/42510, tägl. außer Mo und Fr 11–17 Uhr, www.schloss-ahrensburg.de » Barockpark Gut Jersbek Beeindruckende Alleen führen zum prunkvollen Barockpark, den Bendix von Ahlefeldt anlegte. Als er 1740 vollendet war, kamen adlige Gäste von weit her, um die Pracht zu bestaunen. Allee, 22941 Jersbek » Informationen: www.kreis-stormarn.de Länge: 48 km Start: Ratzeburg Viel Ausblick aufs Wasser bietet die Rundtour im Naturpark Lauenburgische Seen. Im Domsee liegt die malerische Ratzeburger Domhalbinsel. Vom Aussichtsturm am Mechower See kann man Wasservögel beobachten, mit Glück sogar einen Seeadler erspähen. Durch die sanft hügelige Landschaft geht es zum Ufer des Schaalsees, dann entlang des Pfuhl-, Piper- und Salemer Sees zurück nach Ratzeburg, das von gleich vier Seen umgeben ist. Die Region wurde einst durch die deutsch-deutsche Grenze geteilt, woran das Museum Grenzhus in Schlagsdorf erinnert. Im früheren Grenzgebiet sind die Wege teilweise naturbelassen, es gibt auch einige Anstiege, bei denen man feste in die Pedale treten muss – davon kann man sich danach in Ratzeburg bei Kultur und Kaffee erholen. Tipps: » Grenzhus Museum In der Ausstellung wird die Geschichte der innerdeutschen Teilung gezeigt, in der Außenanlage macht eine nachgebaute Grenzanlage der 80er-Jahre diese wieder erlebbar. Neubauernweg 1, 19217 Schlagsdorf, Mo–Fr 10–16.30, Sa/So 10–18 Uhr, www.grenzhus.de 9 Heidetour – mit allen Sinnen Länge: 19,4 km Start: Parkplatz am Barfußpark in Egestorf Ab in die Heide! Es wird die wohl beste Heideblüte mit dem üppigsten Purpurteppich seit Jahren erwartet. Die Tour startet und endet mit einer Hauptattraktion, die jedoch köcheltief in den Schlamm führt: dem Barfußpark in Egestorf. Für einen Besuch sollte man sich mindestens zwei Stunden gönnen – also besser erst nach der Radtour. Von Egestorf geht es hinein in die Dichterlandschaft, nach Undeloh. Wenn man Glück hat, begegnet man einem Schäfer mit seiner Schnuckenherde oder man sieht die Dülmener Wildpferde, die entlang des Radenbaches für die Landschaftspflege sorgen. Der Rundkurs führt über Döhle zurück nach Egestorf. Tipps: » Barfußpark Egestorf Wellness für die Füße: Man läuft über Steine, Mulch, Rinde, Gras, Wasser, Erde, Kiesel, Lehm, Moor – ein wahrhaft sinnliches Erlebnis. Keine Angst vor kalten Füßen, die werden beim Barfußlaufen schnell warm. Ahornweg 9, 21272 Egestorf, tägl. 9–18 Uhr ( bis 15.10.), www.barfusspark-egestorf.de » Heide-Erlebnis-Zentrum Undeloh Im Café gibt es hausgemachte Torten und Kuchen, im Hofladen u.a. Galloway-Fleisch aus eigener Aufzucht. Am 18.9. wird Kartoffelfest gefeiert. Seestr. 58, 23911 Salem, tägl. 7–18 Uhr, www.kaiserhof-salem.de Der Schlüssel zur Heide: In der Ausstellung wird erklärt, wie Eis und Wind, Mensch und Tier die Landschaft formten. Alte Heidebauern, Schäfer und Imker erzählen von ihrer Arbeit, die aus dichtem Wald die Heide geschaffen hat. Wilseder Str. 23, 21274 Undeloh, tägl. 10–18 Uhr ( bis 31.9.), www.heide-erlebniszentrum.de » Ernst Barlach Museum » Teestube Undeloh In dem Haus, in dem Barlach sechs Jahre seiner Kindheit verlebte, werden Bronzeplastiken, Keramiken, Holzschnitte und andere Werke des Künstlers ausgestellt. Barlachplatz 3, 23909 Ratzeburg, Di–So 11–17 Uhr, www.ernst-barlach.de Der charmante Klassiker, frisch renoviert und mit neuem Koch: Die Teestube hat eine lange Umbauphase hinter sich. Hier gibt es Heidetorten aus eigener Herstellung, kleine süße und herzhafte Leckereien sowie natürlich viele Sorten Tee. Zur Dorfeiche 15, 21274 Undeloh, Mo–Fr 10–21 Uhr, Sa/So 9-21 Uhr, www.teestube-undeloh.de » Kaisers Hofladen und Café » Informationen: www. hlms.de/de/seenradtour » Informationen: www.radtour-lueneburgerheide.de LAUFRAD VON KARL DRAIS 1817 erfand der badische Forstmeister Karl Friedrich Freiherr von Drais die erste lenkbare „Schnelllaufmaschine“ aus Holz, die Draisine. Die für damalige Zeiten bahnbrechende Innovation gilt als Vorläufer des Fahrrads. Herr Drais aber hatte nichts davon, er starb völlig mittellos. 10 Radfernweg „Alte Salzstraße“ Länge: ca. 100 km Start: Lüneburg Dem Salz verdankten die beiden Hansestädte ihren Reichtum: Um 1500 wurden pro Jahr etwa 19000 Tonnen des „weißen Goldes“ von Lüneburg, wo es gewonnen wurde, bis nach Lübeck transportiert. Einen Monat dauerte die Reise, mit dem Rad schafft man die rund 100 Kilometer lange und komplett ausgeschilderte Strecke, die größtenteils am ElbeLübeck-Kanal entlang führt, bequem in zwei bis bis vier Tagen. Vom norddeutschen Flachland geht es hinein in die sanfte Hügellandschaft der 40 Lauenburgischen Seen, abseits von belebten Straßen. Keine Sorge: Steile Anstiege gibt es auf der gesamten Strecke nicht. Städtchen wie Lauenburg, Ratzeburg und Mölln bieten viele Sehenswürdigkeiten. Besonders reizvoll für Naturliebhaber: die Nebenroute ab Witzeeze, die jedoch einige kleinere Steigungen beinhaltet. Tipps: PEDALANTRIEB Der Franzose Pierre Michaux stellte 1867 sein Fahrradmodell „Michauline“ in Paris vor – Spötter nannten das Rad auch „Knochenschüttler“. Neu war nicht nur die Konstruktion aus Stahl, sondern vor allem der Pedalantrieb, der direkt am Vorderrad angebracht war. HOCHRAD Ab 1870 kam das Hochrad in Mode. Das 1871 vorgestellte Modell „Ariel“ besaß bereits Vollgummibereifung und Drahtspeichen, das Vorderrad hatte einen Durchmesser von 125 cm. Das Fahren erforderte Geschicklichkeit, tödliche Stürze waren keine Seltenheit. NIEDERRAD Mehr Sicherheit versprach das Niederrad, das erst durch den Kettenantrieb zum Hinterrad möglich war. 1895 entwickelte man den Diamantrahmen – das Fahrrad hatte seine endgültige Form gefunden. Nach der Nähmaschine wurde es zum zweiten technischen Serienprodukt. » Schiffshebewerk Scharnebeck Eine Attraktion für Technik-Fans: der Fahrstuhl für Schiffe. Das zur Bauzeit (1974) weltgrößte DoppelsenkrechtSchiffshebewerk bietet auch großen Pötten die Möglichkeit, eine Höhe von 38 Metern zu überwinden. www.schiffshebewerk-scharnebeck.de » Kloster Lüne Das 1172 gegründete Benediktinerinnen-Kloster liegt zwischen alten Bäumen und Streuobstwiesen, in der Brunnenhalle ergießt der sogenannte Handstein, das Wahrzeichen des Klosters, seit über 600 Jahren sein Wasser in eine bronzene Schale. Es gibt ein Textilmuseum und ein Café. Am Domänenhof, 21337 Lüneburg, www.kloster-luene.de » Café Niederegger Zur Belohnung gibt es am Ende der Tour nichts Salziges, sondern Marzipantorten im Café Niederegger. Breite Str. 89, 23552 Lübeck, Tel. 0451/5301126, Mo–Fr 9–19, Sa 9–18, So 10–18 Uhr, www.niederegger.de » Informationen: www.hlms.de Unterwegs in Norddeutschland „Auf 2 Rädern zu 1000 Möglichkeiten“ lautet das Motto, unter dem die Metropolregion Hamburg im Internet 23 Radtourentipps für Familien zusammengestellt hat. Alle Strecken bieten viel Abwechslung mit schönen Stopps und haben wenig Steigung. Praktisch: Karten und GPS-Daten sind ebenso dabei wie die Adressen von Sehenswürdigkeiten, Aktionen für Kinder und Einkehrmöglichkeiten. Die Fahrradrouten und mehr Informationen unter: www.metropolregion.hamburg.de/familienradtouren Das iPhone radelt mit Das Hamburger Abendblatt bietet allen, die Hamburg und sein Umland auf dem Fahrradsattel entdecken möchten, jetzt auch digital zehn weitere interessante Routen. Die neue iPhone-App „Radtouren“ führt Radler entlang der empfohlenen Strecken aus der Kartenbox „Meine schönsten Radtouren“, zum Beispiel nach Blankenese, ins Alte Land oder in die Lüneburger Heide. In der interaktiven Kartenapplikation ist jede Route mit Informationen und Tipps zum Streckenverlauf versehen. Alle Start- und Endpunkte der Karten sind mit dem Stadt- und Regionalnetz des HVV verbunden. Darüber hinaus bietet die App einen Überblick über zurückgelegte Kilometer, Geschwindigkeit, Zeit und Kalorienverbrauch. Die i Phone-App „Radtouren“ des Hamburger Abendblatts kostet einmalig 2,99 Euro und ist im iTunes-App Store erhältlich. Mehr Informationen: www.abendblatt.de/mobile-apps/ V IV › THEMA DER WOCHE Sonnabend / Sonntag, 20. / 21. August 2011 Tour de Nord Aus dem Sattel heraus lassen sich Alster, Barockparks und Häfen auf eine ganz neue Weise erleben: 10 RADTOUREN für Familien und Naturliebhaber, Zeitreisende und Wasserratten – selbst für Freunde des Barfuß-Laufens ist eine dabei Süße Belohnung: Am Ende des Radfernwegs „Alte Salzstraße“ wartet Lübeck – und Marzipan Per Bike von Beach zu Beach: die Seenrundfahrt durch den Naturpark Lauenburg Perfekter Start: Die Gemüsetour durch die größten Anbaugebiete des Nordens beginnt in Glückstadt REDAKTION: KIRSTEN RICK Kiel KARTE: GRAFIKANSTALT; FOTOS: NADJA BIEBOW, HANS-JOACHIM HARBECK, GETTY IMAGES (3), SVEN MERSIOWSKI, PICTURE-ALLIANCE (2), UNTERELBE TOURISMUS E.V./PHOTOCOMPANY, PR Heide Oben angekommen: Die Obstroute im Alten Land bietet beschauliche Rastorte, Fachwerkhäuser und Apfelplantagen be El 6 Lübeck 5 1 4 8 7 2 Hamburg Bremerhaven 3 1 Obstroute durchs Alte Land Länge: 78 km – teilbar in zwei Schleifen von 37 km und 41 km Länge Start: z. B. Grünendeich: Lüheanleger, Bahnhöfe Stade oder Horneburg „Beiß nicht gleich in jeden Apfel …“ – denn wer das tut, kommt nicht voran. Im Alten Land, dem größten geschlossenen Obstanbaugebiet Deutschlands, locken pralle Früchte und viele Köstlichkeiten am Wegesrand. Die ausgeschilderte Obstroute führt in zwei Schleifen vorbei an Prunkpforten und Fachwerkhäusern an der Elbe und den sich idyllisch schlängelnden Flüsschen Schwinge, Lühe und Este. Man kommt in dem von niederländischen Kolonialisten eingedeichten Gebiet gut voran, denn es ist platt wie Holland. Nur Gegenwind kann Sie dann noch aufhalten – und die Verlockungen der zahlreichen Hofcafés. Die Anreise ist bequem: Mit der S-Bahn oder mit dem Schiff ab Schulau über die Elbe. An Wochenenden und Feiertagen kann man die Strecke mit dem Elbe-Radwanderbus abkürzen (www.elbe-radwanderbus.de). Tipps: » Haus der Maritimen Landschaft Unterelbe In dem Zentrum rund ums „maritime Geschehen“, das seinen Sitz in der einstigen Seefahrtschule hat, informieren Ortskundige über die Angebote der Region. Kapitän Bruns führt Gäste über die hauseigene Kapitänsbrücke. Kirchenstieg 30, 21720 Grünendeich, Do/Fr 12–16, Sa 11–17, So 11–16 Uhr, www.maritime-elbe.de » Schloss Agathenburg In einem verwunschenen Park steht das feudale Schloss aus dem 17. Jahrhundert, darin gibt es u.a. eine Dauerausstellung zur wechselvollen Historie des Hauses – und im Schlosscafé selbst gebackenen Kuchen. Hauptstraße, 21684 Agathenburg, Di–Fr 14–18, Sa/So 11–18 Uhr ( bis 31.10.), www.schlossagathenburg.de » Tag des offenen Hofes: 10. / 11.9. Viele Obstbaubetriebe laden ein zu Unterhaltungsprogramm, Ausstellungen, Konzerten und Kulinarischem rund um den Apfel. Infos siehe Website unten. » Informationen: www. tourismus-altesland.de/ tourenvorschlaege 2 Seeadler-Tour Länge: 37 km Start: Willkomm-Höft in Wedel Zur Einstimmung kann man am Willkomm-Höft in Wedel ein wenig den großen Schiffen hinterherschauen und Fernweh aufkommen lassen. Dann geht es entlang des Elbdeichs ins Naturschutzgebiet Haseldorfer Binnenelbe mit seinen weiten Sandstränden und großen Wasserflächen. Der Seeadler weist nicht nur auf den Schildern den Weg, mit etwas Glück kann man ihn auch in echt sehen. Fast 50 Paare des seltenen Greifvogels brüten inzwischen in Schleswig-Holstein. Die Radtour führt weiter an Obstplantagen vorbei, an der Pinnau und ab Heist an der Geestkante entlang bis zum Landschaftsschutzgebiet Holmer Sandberge mit den großen Binnendünen. Durch offenes Waldgebiet geht es zurück nach Wedel. Tipps: » Carl Zeiss Vogelstation Schautafeln informieren über die Vogelwelt, die man vom Beobachtungsraum überblicken kann, ohne die Bekassinen, Austernfischer und Kiebitze zu stören. NABU-Mitarbeiter helfen bei der Bestimmung, es können auch Ferngläser geliehen werden. Kleientnahmestelle Fährmannssand, Mi/Do u. Sa/So 10–16 Uhr, www.nabu-hamburg.de » Elbmarschenhaus Ein zentraler Anlaufpunkt für Naturtouristen. Hier gibt es nicht nur informative Ausstellungen, sondern auch viel Interessantes über die Region. Im Außengelände mit Spielmöglichkeiten kann man auch gut picknicken. Hauptstr. 26, 25489 Haseldorf, tägl. 10–16 Uhr, www.elbmarschenhaus.de » Obstparadies Café & Hofladen Winterros Das Café bietet köstliche selbst gebackene Kuchen und Torten, der Hofladen 15 verschiedene Apfelsorten, Beeren und Marmeladen aus eigener Herstellung, und die Kinder toben auf dem Abenteuerspielplatz oder vergnügen sich bei den Ziegen im kleinen Streichelzoo. Am 11. September wird das Apfelfest gefeiert. Winterros, 22880 Wedel, Tel. 04103/ 888 05, Café Mi–Sa 14–18, So 10–18 Uhr, www.obst-paradies-kleinwort.de » Informationen: www.holstein-tourismus. de/fahrradtouren.html 9 Auch ein Radler: der Schaufelraddampfer „Kaiser Wilhelm“ auf der Techniktour 3 Techniktour 10 8 Seenradtour Bremen durchs Herzogtum Länge: 30 km (rund um Geesthacht), 40 km (rund um Lauenburg) Start: Lauenburg, Parkplatz Lösch- & Ladeplatz; Geesthacht, Parkplatz an der Schleuse 4 Alsterlauf 5 Gemüsetörn 6 Oste-Wingst-Route Länge: 19 km Start: S-Bahn Poppenbüttel Länge: 27 km Start: Glückstadt Länge: 45 km Start: Zoo in der Wingst (großer, kostenfreier Parkplatz) Die Alster ist mehr als die beiden Seen in der Stadt: Der kleine Fluss schlängelt sich durch das enge „Tal“, unter uralten Bäumen, durch Reste von Auwäldern und feuchten Erlenbruchwäldern. Man fährt an den Vorgärten prachtvoller Villen vorbei, die hinter all dem Grün kaum auszumachen sind. Langsam verdichtet sich die Stadt, man radelt durch Kleingartenkolonien, durch Eppendorf und Winterhude, bis sich an der Krugkoppelbrücke der Blick auf die Außenalster öffnet. Der Alsterwanderweg ist mit einem gelben Dreieck ausgeschildert (z.B. an Bäumen), es gibt ein paar unbefestigte Wege und an sonnigen Wochenenden kann es sehr voll werden. Durch eines der größten Gemüseanbaugebiete in Schleswig-Holstein führt diese Tour: 35 Betriebe bewirtschaften hier eine Fläche von 450 Hektar. Die holländischen Siedler, die die Wildnis eindeichten, fanden leichten Marschboden, frischen Wind und viel Wasser – perfekte Bedingungen für die Landwirtschaft. Zur Erntezeit haben die Hofläden entlang der flachen, asphaltierten Strecke ein üppiges Angebot. Der Weg führt zum Störsperrwerk, durchs malerische Borsfleth und nach Krempe, mit nur 2400 Einwohnern die kleinste Stadt in Holstein. Zurück geht es durch die Marsch, vorbei an schönen Bauernhäusern in der Blomeschen Wildnis ins Matjes-Mekka Glückstadt. Die Wingst ist ein Paradies für Radfahrer: Die Landschaft ist abwechslungsreich, vom romantischen Fluss über Moore und den Balksee bis hin zu einem 1100 Hektar großen Waldgebiet. Am Wegesrand laden stille Zeugen der Frühgeschichte wie das Steingrab, malerische Orte wie Oberndorf und originelle Einkehrmöglichkeiten zur Pause ein. Das Melkhus in Süderbusch lohnt einen Abstecher wegen der von Landfrauen zubereiteten Leckereien aus Milchprodukten. Ausgeschildert ist die eher flache Route, die zumeist über schwach befahrene und gut geteerte Nebenstraßen führt, als Cuxland-Fahrradtour R04. Tipps: Tipps: Tipps: » Museum im Torhaus Wellingsbüttel » Galerie-Café Knudsen » Zoo in der Wingst Wie sah es früher an der Oberalster aus? Das Heimatmuseum zeigt Fotodokumentationen über „Das alte Dorf Sasel“ und „Alt-Hummelsbüttel“, dazu gibt es historische Gerätschaften und Kleidung zu sehen. Wellingsbüttler Weg 75a, Sa/So 11–13 und 15–17 Uhr, Eintritt frei Die Torten von Landfrau Erika Knudsen sind legendär. Während der Woche malt die ehemalige Gemüsebäuerin, das Café dient heute auch als Galerie. Am Neuendeich 162, 25348 Blomesche Wildnis, Tel. 04124/890449, Sa/So 14–19 Uhr Ein moderner Zoo mit großem Wolfsund Bärenwald und einem Freigehege für die Japanmakaken. Höhepunkt für die Lütten ist der Kinderbauernhof, auf dem sich Tiere streicheln lassen. Am Olymp 1, 21789 Wingst, tägl. 10–19 Uhr, www.wingstzoo.de » Op de Deel » Spielpark Wingst Perspektivwechsel: Wer zwischendurch mal aufs Wasser möchte, mietet sich bei Töns ein Ruderboot oder ein Kanu. Dann haben die Beine Pause und die Arme arbeiten. Ratsmühlendamm 2, www.bootsvermietung-toens.de Gehobene Gastronomie mit frischen Produkten aus der Region – in einer reetgedeckten alten Bauernkate mit Garten direkt hinterm Elbdeich. Am Neuendeich 127, 25348 Blomesche Wildnis, Mi–So 17.30–21.30 u. Fr–So 11.30–14.30 Uhr, Tel. 04124/8700, www.opdedeel.de Als Pferdestärken noch starke Pferde waren: In diesem Museum wird gezeigt, wie wichtig die Tiere für den Transport waren. Auf dem Resthof leben auch Kaltblüter und Ziegen. Alte Salzstr. 29, 21483 Lütau, So 10–17 Uhr (Mai–September), www.zugpferdemuseum.de » Café Leinpfad » Krempe Auf über 50000 Quadratmetern gibt es fast 60 Spiel- und Sportmöglichkeiten. Die Top-Attraktionen sind der Baumseilpfad und der Niedrigseilgarten, der Klassiker ist die Sommerrodelbahn. Schwimmbadallee 10a, 21789 Wingst, tägl. 10–18 Uhr ( bis 31.10.), www.wingst.de Das Café liegt direkt am Alsterlauf, auf dem alten Anleger „Winterhuder Fährhaus“. Hier werden neben Käse- und Apfelkuchen auch Pasta und Labskaus serviert. Leinpfad/Hudtwalckerstraße, ab 10 Uhr, www.cafe-leinpfad.de Die kleine Stadt war einstmals eine bedeutende holsteinische Festung, die König Christian III. 1553 in Auftrag gab und selbst vermessen hat. Sehenswert: das RenaissanceRathaus (1570). » Kamelienzucht Peter Fischer » Informationen: www.lauenburg.de » Informationen: www.hamburg-tourism.de » Informationen: www. » Informationen: www.cuxland.de Die Techniktour ist etwas für Entdecker, die auch einige Steigungen und unbefestigte Streckenabschnitte nicht scheuen: Es gibt viele spannende Ziele zu erforschen, historische und moderne technische Bauwerke, vom einzigen Pumpspeicherwerk Norddeutschlands über die Reste der ehemaligen Dynamitfabrik bis zum Raddampfer „Kaiser Wilhelm“. Was hat es mit dem Bau der Schleuse auf sich? Warum erfand Alfred Nobel das Dynamit in Geesthacht? Es gibt zwei Rundkurse, einen um Geesthacht, einen um Lauenburg, die miteinander kombiniert werden können, beide ausgeschildert mit dem ZahnradSymbol. Zu den Tagen der Industriekultur am Wasser (20./21.8., siehe S. II Unterwegs) laufen spezielle Aktionen. Tipps: » Geesthacht Museum! Die interaktive Ausstellung verrät Verblüffendes und Spannendes über die Stadt, die der größte Energie- und Forschungsstandort Norddeutschlands ist. Bergedorfer Str. 28, 21502 Geesthacht, Mo–Fr 10–18, Sa/So 11–17 Uhr (bis September), www.geesthacht.de » Pumpspeicherkraftwerk Einmalig im Norden: Mit Hilfe von Sonnen- und Windenergie drücken drei gewaltige Pumpen das Elbwasser hinauf ins riesige Speicherbecken. Bei Bedarf rauschen die Wassermassen 80 Meter tief über Turbinen in die Elbe zurück und erzeugen Strom. Elbuferstr. 49, 21502 Geesthacht » Zugpferde-Museum und www.geesthacht.de Als das Fahrrad laufen lernte » Bootsvermietung Töns glueckstadt-tourismus.de Die Kameliengärtnerei von Peter Fischer gilt als eine der größten und besten Europas. 900 Sorten der aparten Pflanze wachsen hier, davon über 20 aus eigener Züchtung. Höden 16, 21789 Wingst, www.kamelie.de 7 Geschichten von Schloss und Hof Länge: 34 km Start: Ahrensburg Per Fahrrad in die Vergangenheit: Diese Rundtour zwischen Ahrensburg und Bargteheide führt vorbei an prächtigen Gütern und Anwesen mit Geschichte. Sie beginnt in Ahrensburg, auf der von Linden gesäumten Großen Straße, zentrale Achse des einstigen barocken Stadtensembles. Durch das Dorf Bünningstedt gelangt man in den Duvenstedter Brook und über einen kurzen Abstecher entlang der Jersbeker Straße zum Gut Jersbek mit seinem prunkvollen Barockgarten. Am Rande des Radweges liegt auch Schloss Tremsbüttel mit seinen Türmen, heute ein Hotel. Die Tour ist als „12“ ausgeschildert, eine Karte gibt es sowohl im Tourenplaner „Radwandern in Stormarn“ wie auch als pdf-Datei zum Herunterladen und Ausdrucken auf www.kreis-stormarn.de Tipps: » Hofladen Ahnfeldt Alles fürs Picknick bekommt man in diesem Hofladen: Brot, Obst, Käse, Katenschinken und viele Säfte. Bramkampredder 3, 22949 Ammersbek (Bünningstedt-Dorf ), Di u. Do 8–12.30 u. 14–18 Uhr, Mi 8–12.30, Fr 8–18, Sa 8–14 Uhr, www.hofahnfeldt.de » Museum Schloss Ahrensburg Das leuchtend weiße RenaissanceSchloss präsentiert sich mit seiner umfangreichen Mobiliar-, Porzellanund Gemäldeeinrichtung. Lübecker Str. 1, 22926 Ahrensburg, Tel. 04102/42510, tägl. außer Mo und Fr 11–17 Uhr, www.schloss-ahrensburg.de » Barockpark Gut Jersbek Beeindruckende Alleen führen zum prunkvollen Barockpark, den Bendix von Ahlefeldt anlegte. Als er 1740 vollendet war, kamen adlige Gäste von weit her, um die Pracht zu bestaunen. Allee, 22941 Jersbek » Informationen: www.kreis-stormarn.de Länge: 48 km Start: Ratzeburg Viel Ausblick aufs Wasser bietet die Rundtour im Naturpark Lauenburgische Seen. Im Domsee liegt die malerische Ratzeburger Domhalbinsel. Vom Aussichtsturm am Mechower See kann man Wasservögel beobachten, mit Glück sogar einen Seeadler erspähen. Durch die sanft hügelige Landschaft geht es zum Ufer des Schaalsees, dann entlang des Pfuhl-, Piper- und Salemer Sees zurück nach Ratzeburg, das von gleich vier Seen umgeben ist. Die Region wurde einst durch die deutsch-deutsche Grenze geteilt, woran das Museum Grenzhus in Schlagsdorf erinnert. Im früheren Grenzgebiet sind die Wege teilweise naturbelassen, es gibt auch einige Anstiege, bei denen man feste in die Pedale treten muss – davon kann man sich danach in Ratzeburg bei Kultur und Kaffee erholen. Tipps: » Grenzhus Museum In der Ausstellung wird die Geschichte der innerdeutschen Teilung gezeigt, in der Außenanlage macht eine nachgebaute Grenzanlage der 80er-Jahre diese wieder erlebbar. Neubauernweg 1, 19217 Schlagsdorf, Mo–Fr 10–16.30, Sa/So 10–18 Uhr, www.grenzhus.de 9 Heidetour – mit allen Sinnen Länge: 19,4 km Start: Parkplatz am Barfußpark in Egestorf Ab in die Heide! Es wird die wohl beste Heideblüte mit dem üppigsten Purpurteppich seit Jahren erwartet. Die Tour startet und endet mit einer Hauptattraktion, die jedoch köcheltief in den Schlamm führt: dem Barfußpark in Egestorf. Für einen Besuch sollte man sich mindestens zwei Stunden gönnen – also besser erst nach der Radtour. Von Egestorf geht es hinein in die Dichterlandschaft, nach Undeloh. Wenn man Glück hat, begegnet man einem Schäfer mit seiner Schnuckenherde oder man sieht die Dülmener Wildpferde, die entlang des Radenbaches für die Landschaftspflege sorgen. Der Rundkurs führt über Döhle zurück nach Egestorf. Tipps: » Barfußpark Egestorf Wellness für die Füße: Man läuft über Steine, Mulch, Rinde, Gras, Wasser, Erde, Kiesel, Lehm, Moor – ein wahrhaft sinnliches Erlebnis. Keine Angst vor kalten Füßen, die werden beim Barfußlaufen schnell warm. Ahornweg 9, 21272 Egestorf, tägl. 9–18 Uhr ( bis 15.10.), www.barfusspark-egestorf.de » Heide-Erlebnis-Zentrum Undeloh Im Café gibt es hausgemachte Torten und Kuchen, im Hofladen u.a. Galloway-Fleisch aus eigener Aufzucht. Am 18.9. wird Kartoffelfest gefeiert. Seestr. 58, 23911 Salem, tägl. 7–18 Uhr, www.kaiserhof-salem.de Der Schlüssel zur Heide: In der Ausstellung wird erklärt, wie Eis und Wind, Mensch und Tier die Landschaft formten. Alte Heidebauern, Schäfer und Imker erzählen von ihrer Arbeit, die aus dichtem Wald die Heide geschaffen hat. Wilseder Str. 23, 21274 Undeloh, tägl. 10–18 Uhr ( bis 31.9.), www.heide-erlebniszentrum.de » Ernst Barlach Museum » Teestube Undeloh In dem Haus, in dem Barlach sechs Jahre seiner Kindheit verlebte, werden Bronzeplastiken, Keramiken, Holzschnitte und andere Werke des Künstlers ausgestellt. Barlachplatz 3, 23909 Ratzeburg, Di–So 11–17 Uhr, www.ernst-barlach.de Der charmante Klassiker, frisch renoviert und mit neuem Koch: Die Teestube hat eine lange Umbauphase hinter sich. Hier gibt es Heidetorten aus eigener Herstellung, kleine süße und herzhafte Leckereien sowie natürlich viele Sorten Tee. Zur Dorfeiche 15, 21274 Undeloh, Mo–Fr 10–21 Uhr, Sa/So 9-21 Uhr, www.teestube-undeloh.de » Kaisers Hofladen und Café » Informationen: www. hlms.de/de/seenradtour » Informationen: www.radtour-lueneburgerheide.de LAUFRAD VON KARL DRAIS 1817 erfand der badische Forstmeister Karl Friedrich Freiherr von Drais die erste lenkbare „Schnelllaufmaschine“ aus Holz, die Draisine. Die für damalige Zeiten bahnbrechende Innovation gilt als Vorläufer des Fahrrads. Herr Drais aber hatte nichts davon, er starb völlig mittellos. 10 Radfernweg „Alte Salzstraße“ Länge: ca. 100 km Start: Lüneburg Dem Salz verdankten die beiden Hansestädte ihren Reichtum: Um 1500 wurden pro Jahr etwa 19000 Tonnen des „weißen Goldes“ von Lüneburg, wo es gewonnen wurde, bis nach Lübeck transportiert. Einen Monat dauerte die Reise, mit dem Rad schafft man die rund 100 Kilometer lange und komplett ausgeschilderte Strecke, die größtenteils am ElbeLübeck-Kanal entlang führt, bequem in zwei bis bis vier Tagen. Vom norddeutschen Flachland geht es hinein in die sanfte Hügellandschaft der 40 Lauenburgischen Seen, abseits von belebten Straßen. Keine Sorge: Steile Anstiege gibt es auf der gesamten Strecke nicht. Städtchen wie Lauenburg, Ratzeburg und Mölln bieten viele Sehenswürdigkeiten. Besonders reizvoll für Naturliebhaber: die Nebenroute ab Witzeeze, die jedoch einige kleinere Steigungen beinhaltet. Tipps: PEDALANTRIEB Der Franzose Pierre Michaux stellte 1867 sein Fahrradmodell „Michauline“ in Paris vor – Spötter nannten das Rad auch „Knochenschüttler“. Neu war nicht nur die Konstruktion aus Stahl, sondern vor allem der Pedalantrieb, der direkt am Vorderrad angebracht war. HOCHRAD Ab 1870 kam das Hochrad in Mode. Das 1871 vorgestellte Modell „Ariel“ besaß bereits Vollgummibereifung und Drahtspeichen, das Vorderrad hatte einen Durchmesser von 125 cm. Das Fahren erforderte Geschicklichkeit, tödliche Stürze waren keine Seltenheit. NIEDERRAD Mehr Sicherheit versprach das Niederrad, das erst durch den Kettenantrieb zum Hinterrad möglich war. 1895 entwickelte man den Diamantrahmen – das Fahrrad hatte seine endgültige Form gefunden. Nach der Nähmaschine wurde es zum zweiten technischen Serienprodukt. » Schiffshebewerk Scharnebeck Eine Attraktion für Technik-Fans: der Fahrstuhl für Schiffe. Das zur Bauzeit (1974) weltgrößte DoppelsenkrechtSchiffshebewerk bietet auch großen Pötten die Möglichkeit, eine Höhe von 38 Metern zu überwinden. www.schiffshebewerk-scharnebeck.de » Kloster Lüne Das 1172 gegründete Benediktinerinnen-Kloster liegt zwischen alten Bäumen und Streuobstwiesen, in der Brunnenhalle ergießt der sogenannte Handstein, das Wahrzeichen des Klosters, seit über 600 Jahren sein Wasser in eine bronzene Schale. Es gibt ein Textilmuseum und ein Café. Am Domänenhof, 21337 Lüneburg, www.kloster-luene.de » Café Niederegger Zur Belohnung gibt es am Ende der Tour nichts Salziges, sondern Marzipantorten im Café Niederegger. Breite Str. 89, 23552 Lübeck, Tel. 0451/5301126, Mo–Fr 9–19, Sa 9–18, So 10–18 Uhr, www.niederegger.de » Informationen: www.hlms.de Unterwegs in Norddeutschland „Auf 2 Rädern zu 1000 Möglichkeiten“ lautet das Motto, unter dem die Metropolregion Hamburg im Internet 23 Radtourentipps für Familien zusammengestellt hat. Alle Strecken bieten viel Abwechslung mit schönen Stopps und haben wenig Steigung. Praktisch: Karten und GPS-Daten sind ebenso dabei wie die Adressen von Sehenswürdigkeiten, Aktionen für Kinder und Einkehrmöglichkeiten. Die Fahrradrouten und mehr Informationen unter: www.metropolregion.hamburg.de/familienradtouren Das iPhone radelt mit Das Hamburger Abendblatt bietet allen, die Hamburg und sein Umland auf dem Fahrradsattel entdecken möchten, jetzt auch digital zehn weitere interessante Routen. Die neue iPhone-App „Radtouren“ führt Radler entlang der empfohlenen Strecken aus der Kartenbox „Meine schönsten Radtouren“, zum Beispiel nach Blankenese, ins Alte Land oder in die Lüneburger Heide. In der interaktiven Kartenapplikation ist jede Route mit Informationen und Tipps zum Streckenverlauf versehen. Alle Start- und Endpunkte der Karten sind mit dem Stadt- und Regionalnetz des HVV verbunden. Darüber hinaus bietet die App einen Überblick über zurückgelegte Kilometer, Geschwindigkeit, Zeit und Kalorienverbrauch. Die i Phone-App „Radtouren“ des Hamburger Abendblatts kostet einmalig 2,99 Euro und ist im iTunes-App Store erhältlich. Mehr Informationen: www.abendblatt.de/mobile-apps/ V VI › BROT & SPIELE Sonnabend / Sonntag, 20. / 21. August 2011 Samurai-Sudoku 1 6 4 5 7 LOKAL-TERMIN Die Brücke zur Stadt 5 2 6 9 4 3 1 8 8 4 Hier isst man gerne: KüchenKultur an einem Ort, wo Kunst und Architektur erlebbar sind 6 8 2 7 3 8 4 3 1 2 4 1 7 5 8 4 9 5 8 6 3 3 8 2 9 2 1 5 3 5 8 2 9 8 5 3 5 9 6 1 9 2 2 5 6 4 7 Lösungsweg: Beim Samurai-Sudoku sind vier Eck-Sudokus so um ein ZentralSudoku angeordnet, dass jedes der vier Eck-Sudokus sich je Kurz-Biografie Tim Seidel, 38, verdient, nach Kunststudiums-Intermezzo und Ausflügen in die Werbe- und Grafikbranche, seit 2004 sein Geld als Gastronom. Das Rialto, sein erster Versuch, geriet nach anfänglicher Durststrecke zum Hotspot der Hamburger Kunst- und Kulturszene. Im Februar übernahm Seidel die Oberhafenkantine, vergangenen Donnerstag öffnete mit dem Thalia Kaffeehaus sein drittes Lokal. Seine Devise: Qualität, kein Schnickschnack. » Rialto, Michaelisbrücke 3, Tel. 36 43 42, Küche tgl. 12–23, 3 4 2 5 3 8 3 7 4 3 7 2 6 7 6 8 7 6 2 5 9 4 6 8 4 2 4 3 7 6 4 3 1 2 4 7 3 9 3 7 7 9 6 6 5 4 1 1 bis 9 aufzufüllen. Dabei darf jede Zahl in jeder Zeile und jeder Spalte sowie in jedem 3 × 3 Feld nur einmal vorkommen. Lösung: siehe unten … FOTO: GRAFIKANSTALT Irgendwo in Hamburg. Nur wo? Nachts um drei am 20. Mai 1921 wurde Wolfgang Borchert in diesem Eckhaus geboren. Bis 1937 lebte er hier, Vater und Sohn gingen ab 1928 in die gleiche Schule in der Erikastraße, der Vater als Lehrer. Der Sohn war kein besonders guter Schüler, es deutete nichts darauf hin, dass man dem Jugendstilhaus einmal seinen Namen geben würde. Die Erzählung „Das Holz für morgen“ spielt im Treppenhaus des Wohngebäudes. Heute erinnert eine Sandsteintafel an den Dichter, der nur 26 Jahre alt wurde – sie hängt draußen vor der Tür … Für scharfe Denker 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 16 12 13 14 15 39 40 41 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 32 33 27 34 42 28 29 35 36 37 31 38 43 44 45 46 48 30 49 47 50 51 52 Mittagstisch Mo – Fr 12 – 15 Uhr, www.rialto-hamburg.de Irgendwo in Hamburg: Tarpenbekstr. 82 7 5 9 4 1 6 3 8 2 8 4 6 2 5 3 1 7 9 7 9 5 4 2 6 3 1 8 1 3 2 8 5 7 9 4 6 3 2 1 8 7 9 5 4 6 8 6 4 3 1 9 5 2 7 4 3 2 7 8 1 6 9 5 4 5 1 6 9 2 8 7 3 6 1 7 9 2 5 8 3 4 3 8 7 5 4 1 2 6 9 9 8 5 3 6 4 2 1 7 6 2 9 7 8 3 4 5 1 9 4 3 1 7 5 6 8 2 1 3 9 5 7 4 6 3 8 9 2 1 5 7 6 2 3 8 1 9 4 7 8 5 2 6 3 1 9 7 4 5 8 2 1 8 9 6 4 7 3 5 4 2 6 1 9 8 5 4 2 7 6 3 5 4 7 8 9 1 3 2 6 8 6 3 5 4 2 9 1 7 2 1 9 3 6 7 4 8 5 7 5 8 9 6 4 3 2 1 6 5 8 7 4 9 8 6 1 2 5 3 3 9 1 8 2 5 4 7 6 9 1 3 8 5 2 3 9 4 6 1 7 4 6 2 1 7 3 9 5 8 2 7 4 6 3 1 7 2 5 9 4 8 2 9 3 1 5 8 4 7 6 1 2 5 4 3 9 6 8 7 5 1 8 4 7 6 3 9 2 9 8 4 6 5 7 1 3 2 4 6 7 2 3 9 1 8 5 6 7 3 2 8 1 5 4 9 3 8 5 9 1 2 7 6 4 5 4 6 7 9 2 8 1 3 E B E R N I L I A 1 2 4 6 8 7 5 3 9 8 1 7 3 4 6 2 9 5 R E N K E G A S T 9 7 6 5 4 3 8 2 1 2 3 9 5 1 8 7 6 4 Tel. 79 02 76 14, tgl. 11 – 23 Uhr » LE SU, Lange Reihe 97, P A D E R B O R N Tel. 390 90 16, Mo – Fr 12 – 15, Mo – Sa ab 18 Uhr, www.das-weisse-haus.de P R I M E N K E L » DAS WEISSE HAUS, Neumühlen 50, An alles gedacht hat Kahraman Ösüm: an sonnenverwöhnte Weine aus Südfrankreich oder der Türkei. An kardamomgewürzten Mokka. An feinen Mittagstisch (5 – 7 Euro) von Kalbsspieß bis zur vegetarischen Vorspeisenvariation in XL. An Halvar und türkischen Milchreis. Und an Wolldecken. In die gehüllt, können seine Gäste draußen vor dem Lokal vom Frühstück bis zum Feierabendbier das Leben der Langen Reihe genießen. E T A N G O S S I Christian Senkel suchte schon länger einen Nachfolger für sein heimelig-elegantes Restaurant an der Elbe. Jetzt hat Patrick Voeltz offiziell die Herrschaft über das kleine Haus übernommen, nachdem er zuvor schon das Küchen-Regiment führte. Viele kennen den Hamburger, der sich eineinhalb Jahre Auszeit gegönnt hat, noch aus dem „Golden Cut“ – und auch sein Sushi und Rinderfilet Rossini. L I V E N I S A N Le Su H E I D E T A X E Das Weiße Haus C H L O R A L E X RESTAURANT S N O B H I R T E RESTAURANT Senkrecht: 1 Ein walzenförmiges Meerestier suchen wir. 2 Büffel; ist in einer Sudanoase anzutreffen. 3 Schottischer Stoff, aber keine Droge. 4 Nikola war Amerikaner und Physiker. 5 „Den Sack schlägt man, den ... meint man.“ (Petronius). 6 Dieser lyrische Nikolaus lebte in der Biedermeierzeit. 7 Bei ihm ist das Brett vor dem Kopf aus Teakholz. 8 Bringt farbige Wäsche zum Erbleichen. 9 Er glaubt an fremde Götter, sie besteht aus Sand und Erika. 10 Sendung zur Sofortverwendung. 11 Eine Lagune nennt man so in Frankreich, doch nicht anderswo. 12 Der Fechter führt ihn aus. 13 Stadt an der Egge-Ecke. 14 Stadt in Unterfranken, die an Schweine erinnert? 15 Schwimmt in Voralpenseen; kein Urlauber. 25 Henrik Johan dramatisierte in Norwegen. 26 Steht eine Tunica davor, sieht man darin einen Bestandteil der Blutgefäße. 28 Bisweilen zählt ein Schaf zu seinen Vorläufern. 29 So feiert man den Ostermonat jüdisch. 31 Auf dieses Kindeskind Großeltern stolz sind. 32 Hier steht ein Palindrom, sie wissen schon. 33 Dieser Kurze steht für den Bund Deutscher Steuerbeamten ein. 34 Für Süddeutsche ist dies das Beißende an einem Fraß. 35 Ohne Zweifel in der Eifel. 36 Dieser Herr steht an einem Berliner Platz ganz vorn. 37 Von Kurdirektoren gebührend erkoren. 38 Der einzige Ostdeutsche inmitten von Grossisten. 40 Alias Rhea Silvia. 41 „Bist du nur ein trüber ... auf der dunklen Erde.“ (Goethe). Auflösungen: L E N A U V E N N 1 Salat: Avocados grob würfeln, Tomaten klein schneiden. Alles mit Saft der Zitronen, Olivenöl, Essig und fein geschnittener Zwiebel mischen. Mit Salz abschmecken. Im Kühlschank 2 Std. abkühlen lassen. 2 Teriyaki: Zitronengras, Knoblauch, Zucker und Ingwer mit Öl karamelisieren, Orangensaft dazugeben, auf die Hälfte reduzieren. Mit Geflügelfond und Sojasauce aufkochen; passieren; abkühlen lassen. 3 Salsa: Mangos u. Gurken klein würfeln, Chili, Honig, Weißweinessig, Koriander-Stiele dazugeben, mischen. 4 Thunfisch: Sesam mit 1 Bund fein geschnittenem Koriander vermischen, in Pfanne anrösten. Thunfischfilet im Stück mit der Mischung umhüllen, in Scheiben schneiden. Mit Teriyaki-Sauce marinieren, kurz anbraten. Mit Salat und Salsa garnieren. E S E L M E D I A 200 ml Geflügelfond 200 ml Sojasauce 2 reife Mangos 2 geschälte Gurken 2 kleine Chilischoten 4 EL Honig 2 EL Weißweinessig 400 g Sesam 2 Bund Koriander 800 g Thunfischfilet T E S L A R A S S Für 4 Personen: 2 reife Avocados 2 Tomaten (Sorte Safari) 2 große Zitronen 4 EL Olivenöl, 2 EL Essig 1 rote Zwiebel 4 Stangen Zitronengras 4 Knoblauchzehen 100 g Zucker 100 g Ingwer 500 ml Orangensaft T W E E D B D S T Thunfisch Teriyaki auf AvocadoSalat mit Mango-Gurken-Salsa Waagerecht: 1 Reitpferde sind das auch. 16 Die dadurch glänzen, werden gerne ausgenommen. 17 Kein Wunder, dass der stiehlt – bei den Eltern! 18 Herauskriegen, ohne jemanden an die frische Luft zu setzen. 19 Diesen Stadtteil finden sie in Danzig. 20 Verstellter Neid ist Kalenderzeit. 21 Spanisches Spezialgericht. 22 Bei Häusern ist er oben, bei Gefäßen unten. 23 Veraltete Marke im Kummerkasten. 24 Ein anderes Wort für Schwiegersohn – sicher kennen Sie es schon? 27 Sie passen an Sand, Sonnen und Taschen. 30 Mit Vergnügen! 32 Von Lateinern bevorzugte Abkürzung. 39 Ist der Große Chef, so schmückt der Engländer den Boss damit. 42 In Potsdam nehmen wir kurz diese Mengenangabe wahr. 43 Entnahme von Blut; tut dem Kreislauf gut. 44 Russische Halbinsel hört sich süffig an. 45 Linker Nebenfluss des Po, und ein Kanton ist’s sowieso. 46 Deep in the Heart of ... der Heimat des amerikanischen Öles. 47 Ihre göttliche Frucht wurde zum Zankapfel. 48 Reduzierter Anteil. 49 Kurze Sanierung. 50 Erschien es einst vor gieren, wurde die Bibel erklärt. 51 Dieser Strom kommt nicht aus der Steckdose, sondern aus Afrika. 52 Das ist natürlich kurz. A N O A I B S E N REZEPT VON ERIC GROSSMANN Essen und ausgehen 4 einen Block mit dem ZentralSudoku teilt! Dabei gelten für jedes der 5 Sudoku-Diagramme die klassischen Spielregeln: Alle Diagramme sind mit den Zahlen S A L P E A T T A M anchmal, wenn es der Zufall will, ändert ein neues Restaurant nicht nur den Ort, den es bespielt, sondern gleich das ganze Umfeld. Dass die Ecke um Fleetinsel, Admiralitätsstraße und Michaelisbrücke, die noch vor Jahren eher ein Nischendasein unter Hamburgs Abendadressen fristete, heute zu den bestfrequentierten in der Innenstadt zählt, ist sicher einigen Künstlern und Galeristen, Stadtplanern und Ladenbetreibern vor Ort zu verdanken. Und nicht zuletzt dem „Rialto“. Als Tim Seidel das Lokal vor sieben Jahren eröffnete, hatte es eine Reihe mehr oder minder erfolgloser Gastroversuche hinter sich. Dabei zählt der Ort per se zu den idyllischsten in der City. Im Souterrain eines alten Kontorhauses gelegen, mit großen Bleiglasfenstern, einem Dielenboden aus Schiffsbohlen und Blick auf den Herrengraben-Kanal. Fenster und Böden hat Seidel erhalten, auch wenn die Tische auf unebenem Grund mal wackeln, und um dezent-modernes Mobiliar ergänzt. Es dominieren Weiß-, Grünund Schlammtöne, an den Wänden hängt vierteljährlich wechselnde Kunst. Das Ganze wandelt atmosphärisch auf dem schmalen Grat zwischen gediegen und simpel, warm und unterkühlt, edel und urtümlich – mit selten anzutreffender Stilsicherheit. Entsprechend angesagt ist das Haus. Mittags wie abends kriegt man ohne Reservierung kaum einen Tisch, im Bar-Vorraum ist samstagabends kaum ein Durchkommen. Keine Frage, das Rialto bildet heute eine Art kulinarische Brücke zur abends ja eher leblo- sen Innenstadt. Es gibt günstige, ständig wechselnde Mittagstische sowie eine alle zwei Wochen wechselnde, sehr übersichtliche Abendkarte, die französische, italienische, asiatische Elemente behende mischt. Wir beginnen mit einer Tomaten-Tarte-Tatin (8,90 Euro), süßlich-kräftig mit einem leichten Ziegenkäse. Besonders empfehlenswert: das hauchdünn geschnittene Seeteufel-Pescaccio mit lauwarmem Pfifferlingssalat (9,50 Euro), ein intensives Erlebnis. Wer’s leichter mag: Das Artischockencreme-Süppchen (7,90 Euro) geht eigentlich immer. Für den Hauptgang bietet sich neben Klassikern wie Wiener Schnitzel oder Steak-Frites-Salade ( jeweils 16,50 Euro) diesmal besonders der Thunfisch (22,50 Euro) an, in der Sesam-Koriander-Kruste und mit herzhaftem Teriyaki kurz angebraten sowie mit Avocadosalat und Mango-Gurken-Salsa serviert. Sushi-Feeling, leichte Sommerlichkeit und herzhafte Orientalik feiern hier feine Hochzeit. Zum Nachtisch dann zum Beispiel eine Creme Brulée (6,50 Euro), plus ein Pflaumenschnaps „Luzet Vieille Prune“ nach Empfehlung des Hauses. Alles rund hier und jetzt. Die Weinkarte bietet Bekannt-Bewährtes aus Italien und Frankreich, aber auch fruchtige Rieslings oder Veltliner wie etwa den Federspiel. Die Bedienung ist freundlich und offen, aber nicht anbiedernd. Oder wie es Seidel formuliert: „Keine Arschkriecher, bitte.“ Nach einem Abend im Rialto dürfte jedem klar sein, warum dieser Ort das Viertel verändert hat. 1 2 Das „Rialto“ hat die Fleetinsel neu aufleben lassen – nach einem Besuch dort weiß man, warum TEXT: JOCHEN FÖRSTER • FOTOS: THOMAS LEIDIG 7 5 5 8 3 9 1 9 IMPRESSUM Chefredaktion: Lars Haider (V.i.S.d.P.) Redaktion: Anika Riegert (verantwortlich) Art Direction: Julia Wagner Mitarbeiter dieser Ausgabe: Albrecht Barke, Jule Bleyer, Simone Buchholz, Jochen Förster, Matthias Gretzschel, Oliver vom Hofe, Thorsten Hoins, Thomas Leidig, Karin Lübbe, Julia Marten, Peter Maus, Jens Meyer-Odewald, Norman Raap, Kirsten Rick, Sven Stillich, Axel Tiedemann, Josephine Warfelmann Konzeption & Realisation: mar10 media GmbH Geschäftsführer: Nikolas Marten Anzeigen (verantwortlich): Dirk Seidel, Tel. 040/34 72 25 56 Verlag & Druck: Axel Springer AG, Axel-Springer-Platz 1, 20350 Hamburg Ausgezeichnet mit fünf „European Newspaper Awards 2010“ VII Sonnabend / Sonntag, 20. / 21. August 2011 › GESTERN & HEUTE Moin, moin! Mitarbeiter der Hamburger Handelsfirma Hernsheim & Co. auf Matupit, ca. 1890. Mit Hut in der Hand: Geschäftsführer Max Thiel FOTO: ARCHIV MUSEUM FÜR VÖLKERKUNDE HAMBURG Geisterglaube: Ein Mann des TolaiVolkes tanzt mit Tumbuan-Maske, dahinter der Vulkan Tavurvur (o.) Werbefläche: Coca-Cola bewarb den Ort, wo einst am 3.11.1884 die deutsche Reichsflagge wehte (l.) Geschichtsstunde: Francis Keta (l.) führt Hamburger Besucher zu Stätten hanseatischen Wirkens (u.) FOTOS: ANTJE KELM, MATTHIAS GRETZSCHEL (2) 127 JAHRE KOLONIALGESCHICHTE Papua Hansestadt E s ist der 3. November 1884: Schon von fern beobachten Angehörige des Tolai-Stammes auf der Insel Matupit die großen Schiffe, die die Blanche-Bay entlangdampfen. Es ist nicht das erste Mal, dass Menschen mit weißer Hautfarbe hier auftauchen, aber diesmal scheint sich etwas Besonderes anzubahnen. Langsam laufen die Korvette Elisabeth und das Kanonenboot Hyäne in den Naturhafen zwischen Matupit und dem Vulkan Tavurvur ein, der dunkle Rauchschwaden in den sonst makellos blauen Südseehimmel bläst. Boote werden zu Wasser gelassen und zum Strand hinübergerudert. Deutsche Soldaten in weißer Marineuniform hantieren mit allerlei Gerät und rammen dann eine Stange in den von schwarzer Vulkanasche bedeckten Boden. Dann stellen sie sich in mehreren Reihen auf, Kapitän Hugo Langemak nimmt die Parade ab und gibt schließlich das Signal, auf das alle gewartet haben. Zwei Matrosen marschieren zu dem Mast, befestigen eine Fahne und ziehen sie auf. Zum ersten Mal weht die schwarzweißrote Fahne des deutschen Kaiserreichs in der Südsee. Die nur wenige Quadratkilometer große Insel Matupit liegt im Bismarckarchipel im Nordosten der Insel Neubritannien, die heute zur Republik PapuaNeuguinea gehört. Während der deutschen Kolonialzeit hieß Neubritannien Neupommern, die benachbarte Insel Neuirland Neumecklenburg und die dazwischen gelegene Inselgruppe Duke of York trug den Namen Neulauenburg. Das alles ist lange her: Zu Beginn des Ersten Weltkriegs rückten australische Truppen vor, noch im September 1914 kapitulierten die Deutschen und holten ihre Flagge wieder ein. Der 10. Juli 2011: Mit zwei Pickups fahren 16 Angehörige einer Studienreisegruppe des Hamburger Museums für Völkerkunde durch eine Mondlandschaft, die inzwischen eine Landbrücke von Rabaul zur heutigen Halbinsel Matupit bildet. Sie suchen hier nach Spuren der deutschen und hamburgischen Geschichte. Antje Kelm, Leiterin der Gruppe und früher Südsee-Kuratorin des Museums für Völkerkunde, meint schmunzelnd: „Vor 100 Jahren war Matupit fast so eine Art Vorort von Hamburg, allerdings mit 13000 Kilometern Entfernung etwas abgelegen.“ A m Abend zuvor hat die Ethnologin, die seit zehn Jahren in Neubritannien forscht, historische Fotografien gezeigt und von Hamburger Kaufleuten erzählt, die die kleine Insel zu ihrer Niederlassung gemacht hatten. Der erste war Johan Cesar Godeffroy, der schon 1877 seine Segelschiffe hierher schickte und ihnen von seinem Kontor am Alten Wandrahm schriftlich Handelsaufträge erteilte. Nachdem das Deutsche Kaiserreich sein Schutzgebiet proklamiert hatte, siedelte sich auch Hernsheim & Co. auf Matupit an. Man errichtete Häuser und Lagerschuppen, Faktoreien und Kontore. Hernsheim handelte mit Plantagenprodukten, vor allem mit Kopra, dem Fruchtfleisch der Kokosnuss, aus dem Kokosöl gewonnen wird. Geschäftsführer war der Hamburger Kaufmann Max Thiel, der auf Matupit ein luxuriöses Haus besaß, in dem er Empfänge gab und rauschende Feste feierte. Nur mühsam kommen die Allradfahrzeuge auf dem von Vulkanasche bedeckten Terrain voran. Die Orientierung fällt schwer, schließlich steigt ein junger Einheimischer auf die Ladefläche zu den Reisenden und weist dem Fahrer den Weg. Endlich tauchen erste Hütten auf, eine Kirche der Adventisten, ein katholisches und ein methodistisches Gotteshaus, eine Schule – alles primitive Gebäude mit Blätter- oder Wellblechdach. Dazwischen überall schwarze Vulkanasche, die erst nach und nach wieder durch Vegetation bedeckt wird. Menschen winken, Kinder rennen den Autos hinterher. Mehrere Tausend Tolai leben hier auf engem Raum, dabei kann man hier eigentlich nicht leben: Der Tavurvur, der heute wieder mächtig raucht, liegt nur ein paar Hundert Meter entfernt. Am 19. September 1994 brach er in einer gewaltigen Eruption aus. In letzter Minute flohen die Men- F rancis Keta zeigt den Hamburgern natürlich auch die Stelle, wo einst das Haus von Max Thiel gestanden hat. Thiel war Geschäftsmann, Abenteurer und Playboy, aber auch Sammler ethnologischer Artefakte. In der Eingangshalle des Völkerkundemuseums an der Rothenbaumchaussee kann schen, dann schleuderte der Vulkan gewaltige Menman seinen Namen heute noch lesen, eingemeißelt gen Lava und Asche auf die Insel und die benachbarte in die Galerie der Stifter und Spender. Sein Haus auf Stadt. Rabaul, das während der deutschen KolonialMatupit war einer der exklusivsten Plätze der gesamzeit Simpsonhafen hieß und über weite Alleen und ten deutschen Kolonie. Zu seinen Empfängen kamen prächtige Gärten verfügte, wurde zum großen Teil die wichtigsten deutschen Kolonialbeamten und zerstört. Und Matupit versank in Asche. Trotzdem Kaufleute, keiner ließ sie sich entgehen. Albert Hahl, kehrten die Menschen zurück, bauten ihre Hütten der in Deutschland verheiratete Gouverneur, der in auf und konnten nach einigen Jahren sogar wieder wilder Ehe mit einer Einheimischen lebte, ebensoweBananen, Ananas und Süßkartoffeln ernten. Dann nig wie die skandalumwitterte Emma Forsayth-Coe, kam es am 7. Oktober 2006 zur zweiten Katastrophe: besser bekannt als Queen Emma. Die bildschöne Bis zu 18 Kilometer hoch spuckte der Tavurvur seine Tochter einer Samoanerin und eines Amerikaners Lava- und Aschewolke in den Himmel, wieder musswar in dritter Ehe mit dem Deutschen Paul Kolbe verten alle fliehen. Und obwohl der Wind günstig stand heiratet. Die größte Plantagenbesitzerin der Südsee und die Schwaden aufs Meer trieb, versank Matupit brachte das Kunststück fertig, ihren gesamten Besitz erneut unter einer schwarzen Schicht. Die Regierung noch kurz vor dem Ersten Weltkrieg für den damals in Port Moresby, der Hauptstadt von Papua-Neuguiunglaublichen Betrag von einer nea, wollte die Menschen umsieMillion US-Dollar an die Hamburdeln, aber fast alle sind inzwischen gische Südsee-Aktiengesellschaft wieder zurückgekehrt. zu verkaufen. Nur wenig später Als die beiden Jeeps vor der musste die Firma den Neuerwerb katholischen Kirche halten, empschon wieder als Verlust abschreifängt sie dort Francis Keta, ein ben. Aber auch Queen Emma hat wichtiger Mann in der Geselldas Geschäft nicht viel Glück geschaft des Tolai-Stammes und bracht, sie starb 1913 in Monte ein alter Freund und Berater von Carlo, angeblich an einer ÜberAntje Kelm. Seit Jahren bereits dosis Champagner. weiht er sie in die geheimnisvolle Dann führt Francis Keta uns Kultur der Tolai ein, die die Ham„Auf Matupit wird heute zu dem Ort, wo 1884 das Hamburger Forscher schon vor mehr noch ,danke schön‘ und burger Abenteuer begann: einer als 100 Jahren fasziniert hat. Er führt die Hamburger Reise,auf Wiedersehen‘ gesagt“ kleinen Anhöhe mit einem vermoderten Holzstumpf. „Hier hagruppe in sein „Wohnzimmer“, ein Antje Kelm, 73, Senior Curator am ben Ihre Vorfahren 1884 die deutmit Wellblech bedecktes WindMuseum für Völkerkunde Hamburg sche Flagge gehisst“, sagt Keta haus, wo er vom Leben mit dem ohne den Hauch eines Zweifels. Vulkan erzählt. Er spricht nicht Sollte dieser verwitterte Holznur Pidgin, sondern auch sehr gut pfahl tatsächlich der Rest des alten deutschen FahEnglisch, und er kennt die Traditionen und Mythen nenmastes sein? Gleich daneben ragen zwei verder Tolai, die politischen Probleme und die Geschichrostete Eisenstangen empor, an denen vor einigen te seines Landes. Seine Frau ist Bibliothekarin in Jahren noch eine von Coca-Cola gesponserte MetallRabaul gewesen, bis die Bibliothek 2006 in der tafel angebracht war. Über der werbewirksamen Vulkanasche versank. Trotzdem strahlt Francis Keta Abbildung einer Colaflasche konnte man den SchriftZuversicht aus und erzählt, dass man jetzt – fünf zug „First German Flagpole“ lesen. Jahre nach dem letzten Vulkanausbruch – schon Bei dem letzten verheerenden Vulkanausbruch langsam wieder Früchte anbauen und ernten kann. von 2006 ging auch dieses Schild zu Bruch, doch die Sonst bleibt den Menschen hier nur die traditionelle Mitglieder der Studienreisegruppe beratschlagen Erwerbsquelle der Matupi: Seit Jahrhunderten fahschon, ob es sich nicht erneuern ließe. Mit einem Text ren die Männer mit ihren Auslegerbooten hinüber in Pidgin, Englisch und Deutsch, in dem nicht nur zum Vulkan, um dort Eier zu suchen und auszuüber die kaiserliche Flaggenhissung im Jahr 1884 graben, die Großfußhühner in der heißen Asche abberichtet würde, sondern auch über die Firma legen, um sie von ihr ausbrüten zu lassen. Hernsheim, den Lebemann Max Thiel und die schöne Francis Keta lädt die Gruppe zu einem Rundgang Queen Emma – und darüber, dass Matupit damals ein und führt sie hinunter zum Naturhafen, wo sich fast so etwas war wie ein Hamburger Vorort, allerfrüher das Gelände von Hernsheim & Co. befand – dings ein etwas abgelegener. doch der Strand liegt so unberührt da, als habe es SERVICE » Papua-Neuguinea in Hamburg Im neu gestalteten Maskensaal des Museums für Völkerkunde sind zahlreiche Objekte der verschiedenen Ethnien aus Papua-Neuguinea zu sehen. Sie stammen größtenteils von der Hamburger Südsee-Expedition, die ab 1908 das damalige DeutschNeuguinea bereiste und erforschte. Museum für Völkerkunde Hamburg, Rothenbaumchaussee 64, Tel. 428 87 90, Di – So 10 – 18, Do bis 21 Uhr, Mo geschlossen, Eintritt: 7, ermäßigt 3 Euro, bis 17 Jahre frei, www.voelkerkundemuseum.com » Hamburger in Papua-Neuguinea Für den Roman „Der letzte Tanz im Paradies“ hat „Stern“-Reporter Jürgen Petschull an den originalen Schauplätzen auf Papua-Neuguinea recherchiert. Darin lässt er auch reale Personen auftreten wie Queen Emma, und besonders reizvoll ist seine Schilderung der Atmosphäre der Kolonie Deutsch-Neuguinea, die vor allem von Hamburger Handelshäusern dominiert wurde. Der letzte Tanz im Paradies, Jürgen Petschull, Osburg, 548 Seiten, 22,90 Euro, www.osburg-verlag.de » Deutsch-Neuguinea im Internet Eine umfassende Chronologie der deutschen Kolonialzeit mit historischen Karten, Fotos und Postkarten sowie Buchtipps zum Thema bietet: www.deutsche-schutzgebiete.de FOTO: PRIVAT Im Jahr 1884 wird auf Matupit die Flagge des Deutschen Reiches gehisst – und die Südsee-Insel zum „Vorort von Hamburg“. MATTHIAS GRETZSCHEL sucht nach Spuren hier niemals einen hanseatischen Handelsbetrieb mit allem, was dazu gehört, gegeben. Versteckt hinter Palmen steht ein Männerhaus, dort treffen sich auch heute noch die Mitglieder des Tumbuan-Bundes. Dort liegen die Masken der Tumbuane, der berühmten Tolai-Geister, die über ihrem Blätterkleid spitz zulaufende Köpfe mit rätselhaft wirkenden Gesichtern haben. Zu besonderen Anlässen tanzen die Tumbuane, dann kommen sie mit Auslegerbooten übers Meer, wiegen sich zu archaischer Musik und nehmen anschließend das Land rituell in Besitz. (LQOLHIHUXQJHQ IU XQVHUH NRPPHQGH $XNWLRQ DE VRIRUW HUEHWHQ 7HO RGHU LQIR#DXNWLRQVKDXV FLW\QRUGGH VIII › STIL & LEBEN Sonnabend / Sonntag, 20. / 21. August 2011 MARKENMACHER FOTOS: ISTOCKPHOTO, PRIVAT Willkommen im Club Los Angeles Die „Golf Lounge“ in Rothenburgsort ist kein elitärer Verein, sondern ein Mix aus Sport- und Beach-Club, wo man mit Schwung jung bleibt THORSTEN HOINS, 46, lebt als Unternehmer und Berater mit Ehefrau Anabella Martinez und drei Kindern in South Pasadena A Ich hatte als Teenager in Hamburg ein Poster vom kalifornischen Strand im Zimmer. Als dann ein Familienfreund nach einem Austauschjahr mit einem Texanerakzent und Cowboyhut zurückkam, fasste ich den Entschluss, mich auch als Austauschschüler zu bewerben. Nach einem Jahr in Montana und Kalifornien wollte ich in den USA studieren, und so ist es passiert ... TEXT: JULE BLEYER • FOTOS: JÖRN KIPPING uf dem kurzen Fußweg von der Bushaltestelle entwickelt sich die Gruppe seriöser Anzugträger zu einer Horde kleiner Jungs – spätestens als einer kurz stehen bleibt, um einen Abschlag zu mimen. Mit seinem Regenschirm. Mal eben nach dem Büro vorbeikommen, ein Feierabendbier trinken und dabei ein paar Bälle weghauen – dieses Prinzip scheint gute Laune zu machen. Und lässt erahnen, warum die Hamburger Golf Lounge mittlerweile ein Erfolgsmodell mit 30000 registrierten Kunden und 1000 festen Mitgliedern ist. „Du musst Golf in die Stadt bringen“, sagt Geschäftsführer Peter Merck. „Das war meine Grundidee.“ Mit dieser Vision standen Merck und sein Kollege Marc Spangenberger vor sechs Jahren auf einem brach liegenden Gelände am Billwerder Neuen Deich in Rothenburgsort. Heute ist hier die größte Driving Range Deutschlands, ein dreistöckiger, nach vorne hin offener – sagen wir es ruhig – Kasten, aus dem heraus pro Tag rund 120 Kunden kleine weiße Bälle auf eine mit Netzen eingezäunte Wiese schlagen. In Japan und in den USA hatte Merck dieses Prinzip entdeckt – in den Großstädten, wo kaum Platz ist für weitläufige Golfplätze. Bei der Golf Lounge in Hamburg geht es vor allem um den Menschen, sie soll ein Treffpunkt sein für Golfer – und solche, die es werden wollen, die sich ohne großes Brimborium und das Gebaren eines klassischen Clubs für den Sport beigeistern lassen möchten. Die noch eben einen Latte Macchiato auf der Terrasse trinken, bevor sie sich auf die Matte stellen. Und so hat es fast ein bisschen Bowlingbahn-Charakter, mit einer Gruppe bei Bier und kleinen Snacks am Abschlag zu sitzen. Firmenveranstaltungen, Weihnachtsfeiern, Junggesellenabschiede – dafür ist sich der Abschlagsplatz am Deich nicht zu schade. Und weil das Konzept so anders ist als das der klassischen Clubs, spricht Merck auch nicht von Konkurrenz. Im Gegenteil, die Golf Lounge unterhält mit vielen Plätzen eine Kooperation. „Wir sehen uns als Brücke zum Golf“, erklärt Merck. Wer den Sport erleben Schlagfertig: Auf drei Etagen kann man beim „Pay per Ball“ (50 bzw. 100 Bälle für 8 Euro) den Schwung, auf dem „Pitch & Putt Platz“ das Einlochen üben – und zwischendurch beim Drink entspannen Schlagkräftig: Golf-LoungeGeschäftsführer Peter Merck, 44, will den grünen Sport allen zugänglich machen und genießen möchte, gehe auch weiterhin über den Platz. Die Golf Lounge soll anlocken, neugierig machen und im besten Fall alle Spieler zusammenbringen. Eigentlich ist Peter Merck Pferdesportler. 20 Jahre ist er geritten, bis ihn die Golfleidenschaft gepackt hat. Er wurde Projektmanager im Deutschen Golfverband und fand heraus, dass in dem Sport noch viel Potenzial steckt. Einen Teil hat der 44-Jährige schon herausgeholt, die Golf Lounge wächst und wächst, hat mittlerweile 25 Mitarbeiter und acht Trainer. Aber Merck will mehr. „Eigentlich ist es ja ein klassisches Franchise-Konzept“, sagt er mit leuchtenden Augen. „Doch bevor ich das auf den Markt gebe, will ich aus meiner Perle einen Diamanten machen.“ Soll heißen: Der Geschäftsführer will erst noch eine Reihe von Ideen umsetzen. Eine hat er vor kurzem realisiert: Ein Neun-Loch Pitch & Putt Platz, also eine Art Minigolfplatz, auf dem der Golfer zwischen Hindernissen das sogenannte kurze Spiel üben kann. Und weil das Ganze zwischen Sand und Palmen liegt, ein bisschen also wie ein Beach-Club aussieht, hat Merck die Anlage „Pirates Golf“ getauft. Klar, dass Merck daraus eine Attraktion für die ganze Familie machen will. Demnächst soll ein Flügel im Sand stehen und abends Klaviermusik erklingen. Auch „Movie Nights“ kann der Mann aus Groß Flottbek sich vorstellen, dazu will er eine Leinwand vor die Driving Range spannen – natürlich gäbe es während der Vorführung Abschlagverbot. Um Menschen zu Golffans zu machen, ist Merck jedes Mittel recht. „In Hamburg gibt es rund 30000 Golfer“, sagt Merck. „Wir haben hier aber ein Potenzial für 100000.“ Bis letztes Jahr lief das Geschäft noch zäh, erst seit 2010 schreibt Merck operativ schwarze Zahlen. Doch klein denken war einmal. Schließlich ist es fast jeden Tag zwischen 17 und 22 Uhr „rappelvoll“ auf dem Gelände, im unteren Teil kann man jetzt auch reservieren. Und sich in Schwung bringen, nach dem Prinzip „Pay per Ball“: 50 Bälle kosten acht Euro, vormittags gibt es zum gleichen Preis sogar 100 Bälle. Und das Beste daran: Egal, wohin man sie auch schlägt, man muss sie nicht selbst wieder einsammeln. Kontakt » Golf Lounge GmbH, Billwerder Neuer Deich 40, 20539 Hamburg, Tel. 81 97 87 90, Mo-Fr 9 – 22, Sa / So u. feiertags bis 20 Uhr, www.golflounge.de MEIN STYLE-TRIO SIMONES STADTGEFLÜSTER Alte Schule Pedal-Punks Schauspieler Jacob Weigert, 30, aus „Anna und die Liebe“ ist ein echter Jeans-Typ, fährt auf dem Hollandrad und sammelt Kinoposter Auf welches Kleidungsstück können Sie nicht verzichten? Die 501 ist legendär. Ob etwas sandig und abgerockt oder noch fabrikneu mit einem Jackett – Bluejeans geht immer und lebt mit. Das gibt mir ein romantisches OutlawGefühl: Man weiß nie, wo man landet, aber die Jeans ist dabei. Klassisch: Filmplakat „Once Upon A Time In The West“, z. B. KulturBuch, Grindelallee 83, um 11 Euro Kultig: Hollandrad Excelsior „Nostalgie Luxus“, z. B. Christian Fiebig, Weidenallee 20, um 380 Euro Die Wochenvorschau MONTAG KINDER: Beim „Boysday“ des Knabenchors St. Nikolai können Jungen ab 4 Jahren vorsingen und man kann bei Chor-Proben zuhören. Anmeldung Tel. 640 08 22. Hauptkirche St. Nikolai, 16.30 Uhr. COMEDY: „Alles nur Show!“ mit Jörg Knör ist ein parodistischer Ausflug in die groteske Welt von Bushido, Berlusconi und Bohlen. Fliegende Bauten, 20 Uhr. DIENSTAG KONZERT: 30 Seconds To Mars rocken mit ihrem dritten Album „This Is War“ die Trabrennbahn Bahrenfeld, 18 Uhr. LITERATUR: Wiglaf Droste ist Stargast, Gerhard Henschel und Richard Christian Kahler sind die Gastgeber beim „Toten Salon Vol. 104“, einem bunten Abend im Literaturhaus, 20 Uhr. ILLUSTRATION: JOSEPHINE WARFELMANN Welche Rolle spielen Film und Fernsehen für Sie privat? Ich schätze Meisterwerke des Kinos wie „Once Upon A Time In The West“, verkannte Regisseure und exzentrische Schauspieler. Und man könnte meinen, die Herren von KulturBuch kennen sie alle. Wer Filme mag und seltene Postkarten und Poster sucht, ist hier goldrichtig. Als mehrmaliger Firmengründer ist das „Gesetz der unternehmerischen Niederlage“ mein liebstes Merkmal der kalifornischen Kultur. Wenn man in Deutschland eine Firma gründet und erfolglos bleibt, wird es viel schwieriger. In den USA ist das kein Stigma – und in Kalifornien wird der wiederholte Neuanfang jedes Mal umso mehr gefeiert. Ich glaube fest, dass dies der Grund für Hollywoods und Silicon Valleys weltweiten Erfolg ist. Wir fühlen uns in South Pasadena sehr wohl. Ich bin dabei, meine Beraterkanzlei zu vergrößern und die ersten Lebensjahre meines neugeborenen Kindes zu genießen. Trotzdem fliege ich im Durchschnitt alle zwei Jahre nach Hause. Die USA mögen meine Wahlheimat sein, aber Hamburg wird immer meine wahre Heimat bleiben. In diesem Jahr fliegen wir mit Kind und Kegel nach Deutschland. Meine Eltern haben uns für zwei Wochen in die Lüneburger Heide eingeladen. L Legendär: Levis 501 im klassischen Schnitt, z. B. Levi’s Store Hamburg, Jungfernstieg 26 – 28, um 90 Euro FOTOS: THOMAS LEIDIG, PR Ist Fortbewegung für Sie auch eine Frage des Stils? Das Hollandrad ist ein extrem entspanntes und kultiges Fahrvergnügen. Schon mit 12 Jahren stand ich mit meinem gesamten Ersparten und meinem kaputten Mountainbike vor Herrn Fiebig in seinem blauen Kittel, er solle eine neue Gangschaltung einbauen, quengelte ich. Er stellte mir eine Flasche Öl hin und sagte trocken: „1,80 büdde“. Danach erklärte er mir genau, wie ich die Schaltung retten könne, und ich war Stammkunde. ange bevor man sie sieht, hört man dieses Schwirren. ZsssZsssZsss. Als würde das Ohr prüfend auf den Eisenbahnschienen liegen, während ein Stahlross heranschnauft. Und dann, potzblitz, surrt und rattert es kurz und heftig – da, die glitzernden Speichen! – und schon sind sie vorbeigerauscht. Eine wilde Bande in schwarzen High-Tech-Sweatshirts. Im Frühjahr rotten sich in Hamburg alle zusammen, die richtig geil radfahren können. Und ich meine jetzt nicht irgendwelche Sportvereine. Ich meine die scharfen Jungs. Die Fahrradkuriere. Die Punks. Die über Treppen fahren. Einmal im Jahr veranstalten sie ihr Rennen über Kopfsteinpflaster und durch den Regen. St. Paulopoly ist das härteste Rennen Hamburgs. Wenn St. Paulopoly ist, stehe ich an der Straße und bin ehrfürchtig. Bewundere diese Jungs und Mädchen in ihrem düsteren Rattenlook, wie sie die Augen in den Wind halten und um den Sieg fahren, um den Preis. Einen über dem offenen Feuer geschmiedeten Rahmen wahrscheinlich. Das hat so was herrlich Unzivilisiertes. Brutal, lebendig, sexy. Sollten Sie irgendwann im nächsten Frühjahr irgendwo in der Stadt dieses Schwirren hören, bleiben Sie stehen und genießen Sie. Es geht auch ganz schnell. Früher war ich selbst oft wild und gefährlich unterwegs. Mit einem alten Heute lebe ich schon fast 25 Jahre in Los Angeles, aber unser Haus könnte so auch in Niendorf stehen. Was anders ist, ist die multikulturelle Umgebung, die Erfahrung, der Freundeskreis. Meine Frau ist, genau wie ich, gerade volljährig auf eigene Faust eingewandert. Sie stammt aus Guatemala. Die meisten meiner Nachbarn sind asiatische Immigranten, und auf Christophers Mittelschule hat man Status, wenn man aus möglichst vielen verschiedenen Kulturen stammt. Vor ein paar Monaten ist mein bester Freund von der Universität (UCLA) verstorben. Er sagte immer: „Kinder mit einem gemischtrassigen Hintergrund sind die Hoffnung unserer Welt.“ Ich kann dem nur beipflichten und es vielleicht noch auf Religion erweitern. Peugeot-Renner. Einer hellblauen Bestie. Verdammt, bin ich um die Kurven gerauscht. Manchmal sogar gegen Laternenmasten, das dann aber vorzugsweise nachts, nach einem ausgiebigen Barbesuch. Ich schwöre, es gab Zeiten, da zitterten die Hindernisse auf den Straßen nur so vor mir. Mein Rennrad teilt inzwischen das Schicksal vieler liebster Fahrräder in Hamburg: Es wurde gezockt. Und ich bin jetzt auf einem sehr praktischen und sehr langweiligen roten Damenrad mit lila Kindersitz unterwegs. Entspricht meinem Leben ja auch viel mehr. Aber hin und wieder lege ich den Milchkaffee und das Croissant beiseite, streife mir einen schwarzen Kapuzenpulli über und mache mich auf die Jagd nach ein paar Straßenlaternen. MADE IN HAMBURG Alster und Quellental, Urzeit und Neuzeit: Die Karten-Box „Meine schönste Fahrradtour“ vom Hamburger Abendblatt lotst Radler auf zehn Routen sattelfest durch den Norden. Kolumne » Hier schreiben im wöchentlichen Wechsel Maike Schiller – zur Zeit in Babypause und vertreten von der Hamburger Autorin Simone Buchholz – und Joachim Mischke. Meine schönste Fahrradtour, 12,95 Euro, www.abend blatt.de/shop 22. – 28. AUGUST MITTWOCH KREUZFAHRT: Das Hamburger Trio Hafennacht e. V. spielt Chansons mit Tief- und Seegang, Lieder vom Wasser und Meer. Frau Hedi, St. Pauli Landungsbrücken 10, 19 Uhr. TANZ: Absolventen der HipHop Academy führen die TanztheaterProduktion „Schöner Wohnen“ auf – mit schnellen Reimen, Beatbox, Graffiti und Breakdance. Fliegende Bauten, 20 Uhr. DONNERSTAG KUNST: In „Der andere Blick: Wasser“ schildert Nikolaus Gelpke, Chefredakteur von „Mare“, seine Sicht auf die Ausstellung „William Turner. Maler der Elemente.“ Bucerius Kunst Forum, 19 Uhr. THEATER: Der Klassiker „Die Physiker“ von Friedrich Dürrenmatt feiert Premiere im Ernst Deutsch Theater, 19.30 Uhr. FREITAG KABARET: Mit der „EröffnungsGala“ und drei Stunden Satire satt stimmt Alma Hoppes Lustspielhaus auf den Beginn der neuen Spielzeit ein. 20 Uhr. KONZERT: „Wir sind Helden“, die widerspenstigen Popstars aus Berlin, haben sich den Hamburger Songschreiber Pohlmann als Gast für ihr Konzert im Stadtpark eingeladen. 19.15 Uhr. SONNABEND WASSERSPORT: Die flyeralarm Ruder-Bundesliga startet auf der Binnenalster ihren 4. Renntag um 10 Uhr. Auf der Außenalster segelt man in vier Fahrten um den EddyBeyn-Gedächtnispreis, ab 14 Uhr. ZUHÖREN: „… und die Dämonen lachten“ ist der Titel der zweiten Märchennacht im Museum für Völkerkunde, 20 – 0 Uhr. SONNTAG KONZERT: „Heimreise“ ist das Motto der Unheilig-Tour. Danach geht „der Graf“ ins Studio, um ein neues Album aufzunehmen. Trabrennbahn Bahrenfeld, 17.30 Uhr. THEATER: „En Sommernachtsdroom“ ist die erste Premiere im neuen (Bieber-)Haus des Ohnesorg Theaters. Bei dieser Version des Klassikers ist selbst Shakespeare platt! 20 Uhr.