Arbeitslosigkeit
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Arbeitslosigkeit 1. Kapitel: Ursachen der Arbeitslosigkeit Tinas Onkel ist arbeitslos. Das macht sie nachdenklich Waren schon immer so viele Menschen arbeitslos? Wieso gibt es Arbeitslosigkeit? Und muss sie selbst Angst haben nach der Schule keine Arbeit zu finden? Die Angst vor Arbeitslosigkeit gehört zu den größten Sorgen der Deutschen. Dies belegen zahlreiche Umfragen der letzten Jahre. Und in der Tat: Die Arbeitslosigkeit ist eines der bedrückendsten Probleme unserer Zeit. Wer auf dem Arbeitsmarkt nicht gebraucht wird, ist von Erwerbs-, beziehungsweise Arbeitslosigkeit betroffen. Wenn die Nachfrage der Unternehmen an Arbeitkräften wesentlich geringer ist als die Zahl der Menschen, die Arbeit oder einen Lohnerwerb suchen, sprechen wir von Massenarbeitslosigkeit. Gibt es für alle Arbeitsuchenden einen Arbeitsplatz sprechen wir hingegen von der Vollbeschäftigung. Beispiel Deutschland: Während in der sozialistischen Planwirtschaft der DDR Vollbeschäftigung staatlich verordnetes und umgesetztes Ziel war, herrschte Mitte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts auch im Westen Deutschlands Vollbeschäftigung und die Löhne stiegen. Hunderttausende Gastarbeiter wurden im Ausland angeworben um die Lücke der offenen Stellen schließen zu können. Infolge der so genannten Ölkrise 1973 stieg der Benzinpreis und mit ihm auch die Zahl der Arbeitslosen. Die deutsche Wirtschaft hatte mit einer so genannten Rezession, also einem Rückgang der Konjunktur zu kämpfen. Entlassungen führten zur Massenarbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenquote wuchs auf zunächst über vier Prozent. Selbst mit einem Wachstum der Wirtschaft von 1983 bis 1990 erholte sich der Arbeitsmarkt nicht mehr grundlegend. Seit 1994 kletterte die Arbeitslosenquote auf über 10 Prozent. Doch diese Entwicklung ist kein deutsches Problem. Auch wenn die Situation am Arbeitsmarkt beispielsweise in der Schweiz oder Österreich vergleichsweise entspannt ist: Massenarbeitslosigkeit ist das quälende Problem der meisten Marktwirtschaften in Europa und der Welt. Kommentartext „Arbeitslosigkeit“ © www.didactmedia.eu, 2007 1 Welche Ursachen gibt es für Arbeitslosigkeit? Der technische Fortschritt hat einen Teil der Arbeitsplätze vernichtet. Durch Rationalisierungen traten Automaten und Anlagen an die Stelle von arbeitenden Menschen. Gründe für Arbeitslosigkeit können ebenso sein, dass traditionelle Standorte verloren gehen. Im Zuge der Globalisierung ging die Wettbewerbsfähigkeit ganzer Branchen am Weltmarkt verloren. Man spricht in diesen Fällen von struktureller Arbeitslosigkeit. Weitere Ursachen sind beispielsweise die: • Konjunkturelle Arbeitslosigkeit • Die so genannte friktionelle Arbeitslosigkeit • und die saisonale Arbeitslosigkeit Von konjunktureller Arbeitslosigkeit spricht man, wenn die Wirtschaftskonjunktur sinkt, also weniger Waren verkauft und weniger Aufträge vergeben werden. Die konjunkturelle Arbeitslosigkeit erzeugt oft einen Teufelskreis: Kommt es in Folge der wirtschaftlichen Krise zu vielen Entlassungen … … haben die Menschen weniger Geld im Portemonnaie und die Kaufkraft sinkt weiter. Die konjunkturelle Krise verstärkt sich. Die friktionelle Arbeitslosigkeit bezeichnet eine Übergangszeit zwischen dem Wechsel von einem zum anderen Arbeitsplatz. Die saisonale Arbeitslosigkeit findet man häufig im in der Landwirtschaft oder im Baugewerbe, wo es beispielsweise je nach Ernte- oder Jahreszeiten zu weniger Beschäftigung kommt. Kommentartext „Arbeitslosigkeit“ © www.didactmedia.eu, 2007 2 2. Kapitel: Arbeitslosenversicherung Die Firma in der Tinas Onkel schon 23 Jahre gearbeitet hatte wurde an einen Konzern verkauft. Vor einem Jahr wurde seine Abteilung dichtgemacht. Er ist arbeitslos. Nun ist er froh, dass er Geldleistungen aus der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung erhält. Erstmals wird mit dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 16. Juli 1927 … … das Risiko der Arbeitslosigkeit nach dem Solidarprinzip von Leistung und Gegenleistung abgesichert. Wer Arbeit hat, ist durch Beitragszahlung im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung gegen Arbeitslosigkeit versichert. Dieses Prinzip gilt bis Heute. Wer Arbeitslosengeld bezieht ist also kein Schmarotzer, sondern ein Beitragszahler der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung mit einem befristeten Anspruch auf Leistung in Form des so genannten Arbeitslosengeld I. Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung werden zu gleichen Anteilen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufgebracht. Vor der Zeit dieser gesetzlichen Sozialversicherung verarmten die Menschen, die ihren Unterhalt nicht mehr durch Arbeit bestreiten konnten. Seit Inkrafttreten der so genannten Hartz - Gesetze am 1. Januar 2005 wurden die Arbeitslosenhilfe und die staatliche Sozialhilfe von einer neuen Sozialleistung abgelöst: Der Grundsicherung für Arbeitsuchende, dem so genannten Arbeitslosengeld II – auch als Hartz IV bekannt. Diese Leistungen werden aus Steuern finanziert und nur unter Auflagen gewährt. Die gesetzliche Grundlage bildet das Sozialgesetzbuch II – oft kurz SGB II genannt. Kommentartext „Arbeitslosigkeit“ © www.didactmedia.eu, 2007 3 3. Kapitel: Arbeitslosengeld II Da er innerhalb eines Jahres keine neue Stelle gefunden hat, ist er nun Hartz IV – Empfänger. Tina weiß nicht genau, was das bedeutet. Sie sieht nur, dass es ihrem Onkel nicht gut geht und, dass er nun noch weniger Geld zum Leben hat. Der landläufig als Hartz IV-Empfänger bezeichnete Arbeitssuchende muss seinen Lebensunterhalt … … zunächst aus seinen eigenen Ersparnissen finanzieren, bevor er Anspruch auf Arbeitslosengeld II hat. Einkommen und Vermögen werden dem Arbeitslosengeld II ganz oder teilweise in Abzug gebracht. Wer also beispielsweise in Form eines Aktienfonds etwas angespart hat oder durch Zeitungsaustragen etwas nebenher verdient, hat keinen vollen Anspruch auf das Arbeitslosengeld II. Er muss dies in einem Antrag bei der Agentur für Arbeit angeben. Generell gilt: Erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung besteht ein Anspruch auf Leistungen. Zuständig für Vermittlung von Arbeit und Auszahlung von Leistungen ist die Bundesagentur für Arbeit mit Sitz in Nürnberg. Sie gliedert sich in 10 Regionaldirektionen und 178 Agenturen für Arbeit mit 660 Geschäftsstellen. Der Bezieher von Arbeitslosengeld II hat einige Pflichten zu erfüllen. Die Bundesagentur führt dazu aus: • … „Wenn Sie Leistungen erhalten wollen, gehört es zu Ihren Pflichten, dass Sie und alle erwerbsfähigen Mitglieder Ihrer Bedarfsgemeinschaft alle Möglichkeiten nutzen, Ihre Hilfsbedürftigkeit zu verringern bzw. zu beenden und dass Sie aktiv an allen angebotenen Maßnahmen mitwirken. • Sie sind auf Aufforderung verpflichtet, sich persönlich zu melden oder zu einer ärztlichen oder psychologischen Untersuchung zu erscheinen. • Außerdem müssen Sie an jedem Werktag für Ihren Anspruchpartner unter der von Ihnen angegebenen Anschrift erreichbar sein und den zuständigen Träger täglich aufsuchen können. • Als Empfänger von Leistungen sind Sie verpflichtet, jede Arbeit anzunehmen, zu der Sie geistig, seelisch und körperlich in der Lage sind.“ … Kommentartext „Arbeitslosigkeit“ © www.didactmedia.eu, 2007 4 Dazu zählen auch so genannte 1-Euro-Jobs. Kommunen setzen diese Arbeitssuchenden häufig in der Stadtreinigung oder der Pflege von Grünanlagen ein. Gemeinnützige Organisationen beispielsweise bieten Stellen in der Pflege. Der Hartz IV – Empfänger kann von der Agentur für Arbeit dazu aufgefordert werden einen 1-Euro-Job mit einem Stundenlohn von ein bis maximal 2 Euro anzutreten. Diesen Stundenlohn erhält er zusätzlich zum Arbeitslosengeld II. Verweigert er diesen Job, verliert er Ansprüche auf sein Arbeitslosengeld. Es wird gekürzt oder ganz gestrichen. Im Jahr 2006 betrug das Arbeitslosengeld II für einen Alleinstehenden 345 Euro zum Lebensunterhalt. Hinzu kommt noch die Übernahme der Kosten für eine angemessene Unterkunft und Heizung. In diesem Sinne gelten 45 bis 50 Quadratmeter für einen Alleinstehenden als angemessen. Die Hartz IV-Gesetzgebung ist unter sozialen Gesichtspunkten heftig umstritten. Ebenso wird der Nutzen von 1-Euro-Jobs seit deren Einführung immer wieder in Frage gestellt. Beispielsweise können 1-Euro-Jobs reguläre Arbeitsplätze auf dem so genannten Ersten Arbeitsmarkt vernichten. Kommentartext „Arbeitslosigkeit“ © www.didactmedia.eu, 2007 5 4. Kapitel: Arbeitslosigkeit und die Folgen Tinas Onkel ist seit seiner Arbeitslosigkeit wie ausgewechselt. An ihren lustigen Onkel, der oft mit den Kindern unterwegs war, kann sie sich kaum mehr erinnern. Er fühlt sich auf Abstellgleis abgeschoben und nichts mehr wert. Er hat Schulungen gemacht und sich oft vorgestellt. Deswegen gehen ihm Anfeindungen er wolle nicht arbeiten und nur abkassieren ganz schön auf die Nerven. … und schlägt aufs Gemüt, wie man so sagt: Arbeitslosigkeit ist für den Einzelnen oder die ganze Familie oft eine Katastrophe. Wissenschaftlich spricht man in diesem Zusammenhang von den psychosozialen Folgen für das Individuum. Der Arbeitslose kann sich verändern. Er fühlt sich sprichwörtlich aufs Abstellgleis geschoben oder Unnütz und das Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein sinkt. Er kann dünnhäutiger, gereizt oder aggressiv reagieren. Der Arbeitslose kann sich aber auch vergraben oder depressiv sein. Aufgrund der psychischen Belastungen und Folgen kann es sogar zu ernsthaften Erkrankungen kommen oder die Suchtgefahr steigt an. Die sozialen Folgen für den Arbeitslosen beginnen mit einer veränderten gesellschaftlichen Stellung und sind in der Regel mit erheblichen finanziellen Einbusen verbunden. Oft können Ratengeschäfte oder Kreditrückzahlungen nicht mehr eingehalten werden. Überschuldung und private Insolvenz droht. Verlust des Autos, des Wohneigentums oder ein Umzug in eine günstigere Wohnung sind oft die Folge. In aller Regel müssen sich Erwerbslose finanziell stark einschränken. Sparsam sein ist angesagt und an Urlaub ist kaum zu denken. Ein Missbrauch, wie er vom Boulevardjournalismus oft gezeichnet wird, wonach sich Hartz IV-Empfänger gerne mit der Luftmatratze um ihre Karibikinsel treiben lassen, schürt nur auflagenstark Neid und Vorurteile. Schwarze Schafe gibt es in allen Teilen unserer Gesellschaft. Missbrauch oder Betrug kommt bei Arm und Reich und aus Not oder Habgier vor. Im Bereich der Arbeitslosigkeit spricht man von so genannten Scheinarbeitslosen dann, wenn der Einzelne dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen kann oder will und trotzdem Leistungen bezieht. Kommentartext „Arbeitslosigkeit“ © www.didactmedia.eu, 2007 6 Die zur Arbeit Unwilligen sind jedoch in der Minderheit. Dies ist auch bei den Langzeitarbeitslosen so, also den Leistungsbeziehern, die über ein Jahr und länger nicht vermittelt werden können. Arbeitslosigkeit belastet vor allem die Betroffenen. Aber auch die Gesellschaft und den Staat. Der letztere und seine Bürgerinnern und Bürger müssen für die sozialen Sicherungssysteme bezahlen … … und die Arbeitslosen können mit ihrem geringen Auskommen kaum etwas zur Konjunktur beitragen. Das heißt, Arbeitslosigkeit kostet sehr viel Geld, hemmt die wirtschaftliche Konjunktur und beschert geringere Steuereinnahmen. Für alle Seiten ist es daher wichtig, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Kommentartext „Arbeitslosigkeit“ © www.didactmedia.eu, 2007 7 5. Kapitel: Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit Tinas Onkel will sich nicht hängen lassen. Er informiert sich regelmäßig über Angebote von Fortbildung und Arbeitsbeschaffung bei der Agentur für Arbeit. Neulich hat sogar ein Radiosender ein Portrait über seine Geschichte als Arbeitsloser ausgestrahlt. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit haben sich fast alle politischen Parteien und Institutionen … … oder gesellschaftlichen Gruppen auf ihre Fahnen geschrieben. Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit kann man in drei Gruppen einteilen: • Politische oder staatliche Maßnahmen • Kollektive Maßnahmen • Und individuelle Maßnahmen Politische Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit werden durch die Arbeitsmarktpolitik gestaltet. Sie sollen das Angebot und die Nachfrage an Arbeitsplätzen beeinflussen. Dies können Programme zur Arbeitsvermittlung, beruflichen Weiterbildung oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sein. Die Politik kann aber auch versuchen Einfluss auf die Konjunktur zu nehmen in dem sie beispielsweise Steuern senkt. Auch gezielt erhöhte Staatsausgaben zur Förderung der Konjunktur werden als eine Maßnahme gegen Arbeitslosigkeit beschrieben. Kollektive Maßnahmen ergeben sich beispielsweise aus Tarifverträgen zwischen den Tarifparteien – also Arbeitgebern und Gewerkschaften. In den 80er Jahren streikten die Gewerkschaften für Arbeitszeitverkürzungen mit dem Ziel, die vorhandene Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen und so neue Arbeitsplätze zu schaffen. Individuell sind Maßnahmen von Einzelnen, die beispielsweise ihre Qualifikation steigern. Weiterbildung sichert den Arbeitsplatz und macht die eigene Arbeitskraft am Arbeitsmarkt attraktiv. Lebenslang zu Lernen wird von vielen Unternehmen erwartet. Auch ein Wohnortwechsel wegen einer Arbeitsstelle ist eine individuelle Maßnahme gegen Arbeitslosigkeit. Ein Patentrezept gegen Arbeitslosigkeit gibt es nicht. Qualifikation, Weiterbildung, fachliche und soziale Kompetenz sind jedoch wichtige Voraussetzungen für eine sichere Stellung am Arbeitsmarkt. Kommentartext „Arbeitslosigkeit“ © www.didactmedia.eu, 2007 8 6. Zusammenfassung Arbeitslosigkeit können wir in folgende Formen gliedern • Strukturelle Arbeitslosigkeit beispielsweise durch globalen Wettbewerb. • Konjunkturelle Arbeitslosigkeit bei gesunkener Nachfrage am Markt. • Die so genannte friktionelle Arbeitslosigkeit, beispielsweise durch Arbeitsplatzwechsel • Saisonale Arbeitslosigkeit wie in der Bau- oder Landwirtschaft. Bezieher von Arbeitslosengeld I sind • Beitragszahler • In die gesetzlichen Arbeitslosenversicherung • über die Sozialabgaben ihrer Lohn oder Gehaltsabrechnung. Unter Hartz IV versteht man • Das so genannte Arbeitslosengeld II • Mit einer Grundsicherung von 345 Euro monatlich. Zu den psychosozialen Folgen von Arbeitslosigkeit können zählen: • Sinkendes Selbstwertgefühl • Psychische Probleme bis hin zu psychosomatischen Erkrankungen. • Suchtgefahr • Veränderte gesellschaftliche Stellung • Weniger Geld zur Verfügung • Unter Umständen Überschuldung und private Insolvenz Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit kannst du in drei Gruppen einteilen: • Politische oder staatliche Maßnahmen • Kollektive Maßnahmen • Und individuelle Maßnahmen Kommentartext „Arbeitslosigkeit“ © www.didactmedia.eu, 2007 9