Der dicke Bauch des antiken Helden
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Der dicke Bauch des antiken Helden
12 der Standard FORSCHUNG SPEZIAL Dienstag, 13. April 2004 Der dicke Bauch des antiken Helden Wenn Brad Pitt demnächst in einem antiken Filmepos kämpft, sollte man sich nicht fragen, ob Krieger einst wirklich so fesch waren: Das US-Kino behübscht bekanntlich die Geschichte. Die genaue Rekonstruktion besorgen Wiener Forscher mit Analysen von Gladiatorenknochen. Gladiatoren waren wohl beleibt, sagen Forscher. Im Film ist Foto: Reuters das natürlich nicht so passend. Fabian Kanz untersucht an Knochen und Schädeln, wie MenFoto: Fischer schen einst gelebt haben. Petra Rathmanner Ob Russel Crowe als Gladiator im gleichnamigen Film oder Brad Pitt als Achilles in Troja (Filmstart 14. Mai): Hollywoodstars wirken, wenn sie antike Helden spielen, wie drahtige Kerle nach jahrelangem Training im Fitnessstudio. Jüngste Forschungen haben aber gezeigt, dass sich Gladiatoren vor großen Kämpfen einen Bauch angegessen haben – die Fettschicht diente als Schutz vor Verletzungen der inneren Organe. Vielleicht wäre auch das Team von Troja gut beraten gewesen, vor Drehbeginn eine Studienreise nach Ephesos zu unternehmen, um das harte Los der antiken Haudegen einigermaßen geschichtstreu auf die Leinwand zu bringen. Denn in der einstigen Metropole an der türkischen Westküste, in der Archäologen seit über hundert Jahren arbeiten, läuft derzeit eine Sonderausstellung über die Geschichte der römischen Gladiatoren. Die Schau zeigt die streng regulierte Lebensweise der todesmutigen Kämpfer, der Experimentalarchäologe Marcus Junkelmann führt zudem in die diversen Kampftechniken Brad Pitt zeigt demnächst im Kino wieder einmal, wie HollyFoto: Warner wood sich die Antike vorstellt. der Helden der Arena ein: Die Gladiatur war nämlich kein wildes, blutrünstiges Gemetzel wie in Ridley Scotts Verfilmung, sondern ein sehr konservativ betriebener, nach genauen Regeln funktionieren- der Kampfsport, deren Einhaltung von Schiedsrichtern überwacht wurde. Die Ausstellung wurde ermöglicht durch die Zusammenarbeit zwischen dem Österreichischen Archäologi- schen Institut und dem Wiener Institut für Histologie: Mithilfe modernster anthropologisch-medizinischer Analysemethoden haben die Anthropologen Karl Großschmidt und Fabian Kanz die Verletzungen an den Skeletten der Gladiatoren dokumentiert. „Jede regelmäßige körperliche Tätigkeit und jede grobe Verletzung hinterlässt Spuren auf den Knochen, etwa in Form von Auswüchsen, Deformationen oder Narben“, sagt Großschmidt. Aufwändige Verfahren sind nötig, um die Geheimnisse eines Skelettes zu entschlüsseln: Zuerst werden die Knochenscheiben in Kunstharz eingebettet, anschließend mit Spezialschleifmaschinen hauchdünn geschliffen, röntgenisiert und mit einem eigens dafür eingerichteten Mikroskop digitalisiert. Einmal im Computer gespeichert, beginnt die Fein- WISSEN Der Standard und ECAustria präsentieren das [Technologiegespräch] Knochenarbeit Anytime, anywhere, any device – Mobile Lebenswelten statt Beruf und Privat Es diskutieren: Verena Seibert-Giller: Geschäftsführung Center of Usability Research & Engineering (CURE) Georg Niklfeld: Projektleitung Multimodal Human Interfaces Forschungszentrum Telekommunikation Wien (ftw) Werner Kurschl: Software Engineering & Mobile Computing FH Hagenberg V. Seibert-Giller Georg Niklfeld Werner Kurschl Andreas Kern Andreas Kern: Head of M & E Commerce Services ONE Walter Weihs: Vorstand Software AG Österreich Moderation: Michael Freund: DER STANDARD Wann: Mittwoch, 14. April 2004, 19.30 Uhr Wo: Hotel Landgraf Hauptstraße 12 A-4040 Linz derStandard.at/dieEchtzeit|ung Michael Freund Ausstellung „Gladiatoria Carnuntina – Welt der Arena.“ Experimentalarchäologen stellen Gladiatorenkämpfe nach: Am 15. Mai, 26. Juni, 24. Juli und 21. August, jeweils um 14 und 16 Uhr. Infos: J (02163) 33 77 22. Q Nachlesen: Der Katalog zur Ausstellung im Ephesos Museum Selçuk: „Gladiatoren in Ephesos – Tod am Nachmittag“, ist im Poibus Verlag erschienen, 105 Seiten, Wien 2002. Umrisse aufgezeichnet Das jüngste Vorhaben, an dem Kanz und Großschmidt gerade tüfteln, ist der so genannte „telemetrische Profilkamm“. Mit den feinen, beweglichen Stahlstiften dieses Messgeräts können die exakten Umrisse von Fundstücken ermittelt werden. Die „telemetrische“ Innovation: Die Umrisse werden von einer Videokamera aufgezeichnet und digital gespeichert. Auf diese Weise werden Knochen zu Datensätzen – und Ausgrabungsstätten zu Datenbanken. Setzt sich diese technische Neuerung durch, könnten Funde ohne viel Aufwand dokumentiert und archiviert werden, per Mausklick wären zuverlässige Informationen über Alter, Geschlecht und Größe der Knochen abrufbar. Hollywood schert sich indes nicht um Forschungsergebnisse von zwei Wissenschaftern aus Wien. Es wird wohl noch geraume Zeit dauern, bis Stars mit Fettbäuchen und simulierten Knochendeformationen gegeneinander im Circus Maximus antreten werden. TERMINE NAMEN Q Herausforderungen: Infos und Services werden mehr denn je über verschiedenste Kanäle wie Websites, PDAs oder Mobiltelefone zur Verfügung gestellt. Vor welchen Herausforderungen steht die Industrie bei der Gestaltung solcher Multi-Channel-Systeme? Diese Frage steht im Zentrum der von Usecon organisierten Tagung „User Experience.“ 26. April, Technisches Museum, 1140 Wien, Mariahilfer Str. 212, 13–17 Musikalisch mit DNA-Analyse der Standard Webtipp: www.usecon.com Walter Weihs EINTRITT FREI mit Anmeldung unter [email protected] Q Ausgraben: Mal eigenhändig ein Skelett ausgraben und dann die Knochen identifizieren? Im Rahmen der Science Week bieten die Anthropologen Karl Großschmidt und Fabian Kanz eine Einführung in ihr Metier. Von 12. bis 15. Mai, 10 bis 12 und 13 bis 17 Uhr, im Haupthof des Museumsquartiers. Infos: J (0820) 600 600. Q Kämpfen: Im Archäologiepark Carnuntum läuft noch bis 14. November die analyse mit der Morphometriesoftware. „Damit können wir Aussagen über die Lebensweise, die erlittenen Krankheiten und Verletzungen treffen“, sagt Fabian Kanz. Mithilfe zerriebener Knochenpartikel konnten auch Rückschlüsse auf die Ernährung der antiken Superhelden gewonnen werden: So dürften die Gladiatoren in Ephesos vorwiegend Vegetarier gewesen sein. Auch Stress- und Hungerphasen sind in der Knochensubstanz messbar, bei weiblichen Skeletten können Schwangerschaften und Stillphasen feststellt werden. Q Analysen: Das Forschungszentrum Telekommunikation analysiert Möglichkeiten, die Leistungsfähigkeit von Internetdiensten zu garantieren. Zum Thema gibt es einen Workshop . 28. April, 1220 Wien, Donaucitystr. 1, Infos: J (01) 505 28 30-0 der Standard Webtipp: www.ftw.at Obwohl Wien als die Wiege der Gerichtsmedizin gilt, kommt der neue Präsident der österreichischen Gesellschaft für Gerichtliche Medizin aus Tirol: Walter Rabl (45) von der Medizinischen Universität Innsbruck will in seiner dreijährigen Amtszeit versuchen, die Arbeit der gerichtsmedizinischen Institute in Österreich zu harmonisieren. Auf fachlicher Ebene sollen zum Beispiel die Berechnungen für den Atemalkohol oder den Blutalkohol vereinheitlicht werden. Auch bei den Kosten für gerichtsmedizinische Gutachten sind für ihn Harmonisierungen dringend notwendig. Rabl sieht in Innsbruck zwei Schwerpunkte der Forschung: Neuentwicklungen in der DNA-Analyse und toxikologische Untersuchungen – und er bedauert, dass Gerichtsmediziner heute gezwungen sind, sich auf eines der beiden Gebiete zu spezialisieren. Der neue Präsident fordert, dass allen heimischen Instituten neue bildgebende Verfahren zur Verfügung gestellt werden. „Vielleicht könnte man sich in weiter Ferne damit sogar die Obduktion ersparen.“ Rabl studierte an der Universität Innsbruck Medizin. Der Hobbymusiker, der fünf Instrumente beherrscht, finanzierte sich das Studium mit Tanzmusik. Danach arbeitete er zunächst als Gastarzt und dann als Assistent am Institut für Gerichtliche Medizin. 1991/92 verbrachte er ein Auslandsjahr am Kantonsspital von St. Gallen in der Schweiz. 1989 schloss Rabl die Facharztausbildung ab, 1992 folgte die Berufung zum allgemein beeideten Sachverständigen. (red) der Standard Webtipp: www.gerichtsmedizin.at www.univie.ac.at/gerichtsmedizin