Document 1152713
Transcrição
Document 1152713
Themenabende am Lindenberge Ein Projekt der Integrierten Gesamtschule Hannover-Linden zur besseren Integration, Partizipation und Einflussnahme von Eltern mit Migrationshintergrund in der Institution Schule IGS-Linden / HAfiS - November 2007 Warum das Projekt „Themenabende am Lindenberge“? Eine Kooperation zwischen den Erziehungsinstanzen Familie und Schule ist für die zielgerichtete Erziehung eines Kindes und für die optimale Förderung seiner Fähigkeiten und Interessen unabdingbar. Eine wichtige Grundvoraussetzung für einen echten, gleichberechtigten Austausch zwischen Schule und erziehungsberechtigten MigrantInnen ist, dass man in gegenseitiger Achtung und Akzeptanz miteinander ins Gespräch kommen möchte. Mit diesem Projekt wurde versucht, einerseits die Eltern für eine bessere Kooperation mit der Schule zu gewinnen und sie zu motivieren, sich und ihre Interessen aktiv in das Schulleben und die vorherrschenden Strukturen einzubringen. Andererseits öffnet sich die Schule bewusst den Belangen, Denk- und Lebensweisen der Menschen mit anderen kulturellen Hintergründen und setzt sich offen damit auseinander. So IGS-Linden soll ein /interkultureller HAfiS - November 2007Austausch erreicht werden, durch den beide Seiten in Bewegung geraten. Wir gehen davon aus, dass Menschen, die sich kulturell aufgehoben und in ihrer sprachlichen Kompetenz sicher fühlen, eher bereit sind sich zu äußern, mitzuwirken und auch Verantwortung zu übernehmen. IGS-Linden / HAfiS - November 2007 Was beinhaltete das Projekt? Im vierwöchentlichen Rhythmus fanden seit November 2006 in der Integrierten Gesamtschule Hannover-Linden ELTERN (THEMEN) ABENDE in insgesamt fünf kulturell homogenen Gruppen von Eltern der Schule statt Zielgruppen waren : TürkInnen, KurdInnen, IranerInnen / AfghanInnen, PolInnen und RussInnen. Dies sind die an der IGS-Linden am stärksten vertretenen kulturellen Gruppen von SchülerInnen mit Migrationshintergrund Jede Elterngruppe wurde von einem Team von MigrantInnen mit einem bikulturellen Hintergrund in der jeweiligen Herkunftssprache betreut Pro Gruppe waren jeweils 12 Elternabende vorgesehen Projektbeteiligte waren: ► Integrierte Gesamtschule Hannover - Linden ► HAfiS - Hannoversche Agentur für interkulturelle Kompetenz in Erziehung, Bildung und Sozialem IGS-Linden / HAfiS - November 2007 Das Projekt wurde gefördert durch: TUI-Stiftung Robert-Bosch-Stiftung Bezirksrat Linden-Limmer Förderverein der Integrierten Gesamtschule Hannover-Linden Stiftung Leben und Umwelt Fachbereich Migration und agenda 21 der Landeshauptstadt Hannover IGS-Linden / HAfiS - November 2007 Das Team der ExpertInnen Die TeamerInnen übernahmen als ExpertInnengruppe die Durchführung der Elternabende. Sie bildeten eine Brücke zwischen unterschiedlichen Werten, Erziehungszielen- und Verhalten, die anhand der dort zu behandelnden Themen und Fragestellungen u. U. sichtbar wurden Zuvor hatten sie an einem 20 Stunden umfassenden Vorbereitungskurs teilgenommen, der von der ‘Hannoverschen Agentur für interkulturelle Kompetenz ‘ HAfiS durchgeführt wurde IGS-Linden / HAfiS - November 2007 Einblicke in den Workshop in dem es u.a. um Teambildung, Gesprächsführung und Kommunikation sowie um Stolpersteine und Türöffner im Umgang mit den Eltern ging IGS-Linden / HAfiS - November 2007 Theoretischer Input und praktische Übungen standen im Wechsel Die Gestaltung der Abende Die Räume Jeder Elterngruppe war ein spezieller Raum zugeordnet, z.B. die Cafeteria, die Sitzecke in der Mensa, ein Freizeitbereich. Diese Räume strahlten eine anheimelnde Atmosphäre aus und wurden durch Accessoires wie Tischdecken, Blumen auf den Tischen, Kerzen etc. darüber hinaus gemütlich gestaltet. Die Bewirtung An jedem Elternabend wurden kostenlos Getränke und Kleinigkeiten zu Essen gereicht. Das Angebot richtete sich jeweils nach den Wünschen der Elterngruppen. Beispielsweise wurde in der Gruppe der türkischen und persischen Eltern obligatorisch Tee aus dem Samowar gereicht. Es gab Gebäck ( hin und wieder brachten auch teilnehmende Eltern Selbstgebackenes mit), Landesspezialitäten, Obst und saisonale Kleinigkeiten. IGS-Linden / HAfiS - November 2007 Behandelte Themen … Jeweils am vorangegangenen Elternabend wurde gemeinsam mit den Eltern ein Thema festgelegt, das behandelt werden sollte. Entsprechend hatten sich die TeamerInnen vorbereitet, referierten selbst oder luden eine/n ReferentIn ein. Themenbeispiele, zu denen u.a. gearbeitet wurde: Das niedersächsische Schulsystem (Referat mit powerpoint) Integrierte Gesamtschule, Strukturen, päd. Konzept, Schulabschlüsse Vortrag eines Schulleitungsmitglieds mit sich anschließendem Gespräch Gewaltprävention in der Schule, medialer Vortrag Vortrag und Diskussion mit Frau Kurun, Bedienstete der Polizeidirektion Hannover als Mittlerin zwischen MigrantInnen und der Polizei Pädagogische Probleme, Erziehungsfragen, Konflikte mit den LehrerInnen Möglichkeiten von Förderunterricht und Nachhilfe Muttersprachlicher Unterricht Vorbereitung von kulturellen Festivitäten für die SchülerInnen Abschluss vor der Sommerpause Gemeinsames Grillfest auf dem Schulhof der IGS-Linden alle Gruppen grillen zusammen lecker war‘s!! …und ein nettes Miteinander… ... und wieder ein Fest – diesmal zum Abschluss des Projektes IGS-Linden / HAfiS - November 2007 Anklang fand(en)... die Elternabende bei ca. 10 bis 20 % der eingeladenen Eltern die Gestaltung und der Ablauf der Elternabende, die als wertschätzend empfunden wurden der Ansatz muttersprachlich zu kommunizieren, da man lockerer und selbstbewusster konkrete Fragen stellen konnte und detaillierte Antworten erhielt das Projekt bei SchülerInnen, deren Eltern sich an den Elternabenden beteiligten, weil sie sich über das neue Interesse Ihrer Eltern an ihrer Schule freuten IGS-Linden / HAfiS - November 2007 Keinen Anklang fand(en)... die Elternabende bei den Eltern aus der ehemaligen Sowjetunion ein Fortbildungsangebot an LehrerInnen der IGS im Bereich „Interkulturelle Kompetenz“ die Häufigkeit der Treffen, nämlich alle vier Wochen IGS-Linden / HAfiS - November 2007 Überraschungen In 45,1 % der Familien an der IGS-Linden gibt es einen Migrationshintergrund mindestens eines Familienmitgliedes. Die MigrantInnen stammen aus insgesamt 49 Ländern und repräsentieren alle großen Religionen In der türkischen Elterngruppe erschienen beim ersten Treffen fast ausschließlich Frauen, danach überwiegend Männer und in Folge gemischte Gruppen Bei einigen Eltern löste die schriftliche Einladung in der Herkunftssprache Verwunderung und sogar Ablehnung aus Ein kurdischer Vater löst Erstaunen aus, weil er entgegen der politischen Großwetterlage, mancher Empfindlichkeit und bestehender Vorurteile sowohl den Elternabend für türkische Eltern, als auch den für kurdische Eltern besuchte Bei vielen Eltern tauchten erhebliche Informationsdefizite über die Schulform IGS und die Organisation der Schule auf Die Eltern(themen)abende haben Folgen: Es gibt vermehrt Anfragen in der Schule bezüglich Übersetzungen von Texten, z.B. ins Türkische und bezüglich der Teilnahme von ÜbersetzerInnen an Elterngesprächen Einige TeamerInnen wurden in Konflikten und auch in Beratungen als MittlerInnen eingesetzt Aufgrund der häufigen Nachfrage der Eltern, gibt es inzwischen ein Förderprojekt für SchülerInnen mit Migrationshintergrund. Dort wird SchülerInnen der neunten und zehnten Klassen der IGS-Linden gezielte Nachhilfe erteilt Ein iranischer Vater stellt in Aussicht, künftig im Schulvorstand mitwirken zu wollen Einige Eltern (Frauen mit kleinen Kindern) äußerten das Bedürfnis, sich nachmittags in der Schule treffen zu können. Es gibt Überlegungen, regelmäßige „Müttertreffen“ einzurichten und.... IGS-Linden / HAfiS - November 2007 weitere Folgen der Eltern(themen)abende..... Die Eltern suchen nach Möglichkeiten, ihre Kompetenzen und die kulturellen Besonderheiten ihrer Herkunftsländer in die Schule zu tragen... erstes Beispiel: Eltern informieren Eltern am „Tag der Offenen Tür“ IGS-Linden / HAfiS - November 2007 Der Infostand der türkischen Eltern Eltern, die erwägen ihr Kind in der 5. Klasse der IGS anzumelden, erhalten Auskunft von denjenigen, die bereits Erfahrungen mit dieser Schule haben -- auf türkisch ! Ein bisher nicht vorhandener Service, der auch in diesem Jahr weiter angeboten wird !! Irritationen bevor eine Veränderung beginnt, steht vielfach eine Irritation, weil das Übliche infrage gestellt wird Ist das türkisch ? Wieso steht das hier auf türkisch ? Was soll das denn heißen ? IGS-Linden / HAfiS - November IGS-Linden / HAfiS - November 2007 2007 zweites Beispiel: das NORUZ / NEWROZ – Fest am Antirassismustag in der IGS von iranischen und kurdischen Eltern gestaltet Der “haft-ßinn-Tisch“ Die iranischen Eltern klären interessierte SchülerInnen und LehrerInnen über Traditionen im Iran, anlässlich des persischen Neujahrfestes am 21.März, auf. IGS-Linden / HAfiS - November 2007 Irritationen Was soll denn das ? Sylvester ist doch längst vorbei ! weitere Folgen der Eltern(themen)abende... • In der Schulöffentlichkeit wurden die Elternabende positiv aufgenommen und die neuen Kontakte und Möglichkeiten wurden vielfältig genutzt • Aus den Elternabenden ergaben sich neue Impulse und Aktivitäten in der interkulturellen Arbeit der Schule Das Motto am Antirassismustag in der IGS: Gemeinsam unterschiedlich sein Irritationen Eine Stimme aus dem LehrerInnenkollegium nach der persönlichen Vorstellung der TeamerInnen in einer Stufenkonferenz zu Beginn des Projektes: „ Ich war verblüfft und ganz angerührt, als ich die bunte Mischung der TeamerInnen mit ihrer geballten Kompetenz vor der Konferenz agieren sah. Da verschieben sich Bilder…“ IGS-Linden / HAfiS - November 2007 Stimmen zum Projekt..... „Diese Art von Elternabenden kommen uns entgegen. Die deutsche Schule ist so ganz anders als die Schulen in der Türkei und in anderen Ländern, aus denen wir Einwanderer stammen. Viele Migranten begegnen Behörden und auch Schulen mit großem Mistrauen. Sie bringen ihre Erfahrungen aus den Heimatländern mit. Viele meiner Landsleute sind verunsichert und wundern sich darüber, wie hier in den Schulen gearbeitet wird und auch über die Inhalte, die an ihre Kinder herangetragen werden. Sie sind nicht geübt darin, eine aktive Rolle in der Schule zu übernehmen. Durch diese Elternabende kann Vertrauen geschaffen werden – man kommt auf uns zu. Vertrauen ist die Basis für eine gute Zusammenarbeit.“ „Das Projekt allein bietet noch keine Lösungen an, -- es ist ein erster Schritt, -- eine Umkehrbewegung, die die entstandene Distanz zu verringern sucht. Der kulturelle Aspekt in der Erziehungs- und Bildungsarbeit wurde Jahrzehnte lang sträflich vernachlässigt und seine Bedeutung wurde unterschätzt.“ ein türkischer Vater eine Sozialpädagogin ... und weiter geht‘s Die Eltern(themen)abende werden in drei Gruppen auch in Zukunft fortgeführt, nämlich in der türkischen, der kurdischen und der persischen / afghanischen Gruppe. Die nebenstehenden Eltern werden diese Elternabende mit Unterstützung des sozialpädagogischen Bereiches der Schule fortführen. Es ist ausdrücklich erwünscht, dass sich in anderen kulturellen Gruppen weitere Eltern zusammen finden, die Eltern(themen)abende durchführen wollen. Es wird als ausreichend empfunden, sich dreibis viermal jährlich zu Eltern(themen)abenden zu treffen. Bei Bedarf ließen sich kurzfristig weitere Treffen organisieren. IGS-Linden / HAfiS - November 2007 Denkanstöße Hilfreiches zum Weiterarbeiten Frage eines iranischen Vaters: „Warum gibt sich der Lehrer bei meiner Tochter mit einem Befriedigend zufrieden und lobt sie dafür, statt sie anzuhalten mehr Ehrgeiz zu entwickeln, um ein Gut zu erreichen ?“ Inwieweit gibt es bewusste und/oder unbewusste Diskriminierungen von SchülerInnen mit Migrationshintergrund durch die LehrerInnen ? Oft auch gut gemeinte ( falsche ) Rücksichtnahme… IGS-Linden / HAfiS - November 2007 Denkanstöße Hilfreiches zum Weiterarbeiten In allen Elterngruppen wurden erhebliche Informationsdefizite bezüglich der Konzeption der Integrierten Gesamtschule deutlich. Um eine bewusste und zielgerichtete Anmeldung der GrundschülerInnen an spezielle weiterführende Schulen zu erreichen, müssten die Informationen an die Eltern u.U. umfangreicher und auch mehrsprachig gestaltet werden. IGS-Linden / HAfiS - November 2007 Hilfreiches zum Weiterarbeiten auch an anderen Schulen Im Januar 2008 ist eine CD-Rom erschienen, die das Projekt kleinschrittig unter Berücksichtigung aller Erfahrungen, der Stolpersteine und auch der Türöffner, die sich während dieser Arbeit herauskristallisiert haben, dokumentiert und aufbereitet. Klicken Sie sich durch unser Projekt und unsere Erfahrungen ! Überall dort, wo Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund eine Schule besuchen, lässt sich dieser Ansatz der aktivierenden Elternarbeit durchführen. Wir bieten Ihnen gerne unsere Hilfe und Unterstützung an, wenn sie die Eltern(themen)abende so oder ähnlich in Ihrer Schule implementieren möchten. Grundsätzlich, vor allem aber in größeren Systemen, in denen sich mehrere kulturell homogene Elterngruppen bilden könnten, empfehlen wir eine gemeinsame Einführung und Schulung aller leitenden Eltern, bzw. externen TeamerInnen sowie gemeinsame Treffen zur Reflexion der Elternabende.