Pfäfflis «Löwen - Löwen Bangerten

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Pfäfflis «Löwen - Löwen Bangerten
Pfäfflis «Löwen»
Ihr Vater pflanzt die Kartoffeln an, aus denen sie wunderbare Pommes frites macht:
Die 38-jährige Julia Pfäffli kocht, was die Natur gerade hergibt. Ein Erholungstag im Berner Seeland.
Von David Schnapp und Fabian Häfeli (Bild)
«Wir kochen nicht in den Kühlschrank»: «Löwen»-Chefin Pfäffli, 38.
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Weltwoche Nr. 30/31.14
In der Käserei Dieterswil frage ich, ob der
­«Löwen» in Bangerten ein Begriff sei? Aber ja,
sagt Frau Baumgartner, die mir eben haus­
gemachten Emmentaler und Quark verkauft
hat. «Man isst sehr gut dort», sagt sie. Ich bin
auf dem Weg aufs Land. Die Sonnenblumenfelder strahlen gelb, die Geranienkästen vor
den typischen Berner Bauernhäusern mit den
heruntergezogenen Dächern leuchten rot.
Das Korn steht schon hoch, grosse Heuballen
liegen wie gigantische, weiss verhüllte
­Mühlesteine auf den schon gemähten Feldern. Die Schweiz wirkt erstaunlich auf­
geräumt hier, zwischen Bern und Biel, wo
man zwar in wenigen Mi­
nuten auf einer
­Autobahn ist, aber der Blick in die Ferne doch
bloss auf Felder, Wälder, Hügel, ein paar
­Gehöfte und Kühe trifft.
Mein Ziel ist 3256 Bangerten, ein Kaff im
Berner Seeland, 586 Meter über Meer, 160 Einwohner, 2,2 Quadratkilometer gross. Eine der
kleinsten Gemeinden im Kanton, aber einen
Besuch wert, nicht nur der beruhigenden
Landschaft wegen, die sofortige Erholung für
Auge und Seele verspricht. Ich will den «Löwen» besuchen, einen Landgasthof in einem
fast zweihundertjährigen Bauernhaus. Es ist
die Wirkungsstätte von Julia Pfäffli, 38. Vor etwas mehr als zwei Jahren hat sie den «Löwen»
von ihrem Vater übernommen und hat mit
­einem bestechend einfachen Konzept Erfolg:
«Unser Fleisch hat ganz in der Nähe gewohnt,
unsere Beilagen haben wir wachsen gesehen»,
heisst es auf ihrer Website.
«Grundrespekt vor allen Dingen»
Julia Pfäffli hat einen abwechslungsreichen
Weg hinter sich: Bei Oskar «Chrüter-Oski»
Marti in der «Moospinte» wurde sie ausge­
bildet, später arbeitete sie unter anderem im
Fünfsternehotel «Suvretta House» in St. Moritz, auf einem Schiff oder im 19-Punkte-Restaurant «Fischerzunft» in Schaffhausen. Ihr
Chef dort, André Jaeger, sagt über seine ehemalige commis, man habe sofort gemerkt, dass
Julia Pfäffli eine solide Lebensauffassung mitgebracht habe, die in der Kinderstube vermittelt werde: «Dass sie mit Tieren und in der Natur aufgewachsen ist, hat dafür gesorgt, dass
Julia einen Grundrespekt vor allen Dingen
entwickelt hat», sagt Jaeger. Er lobt ihre Einstellung zur Arbeit und ihr sonniges Wesen:
«Julia ist resolut, weiss, was sie will, und kann
sich damit behaupten. Das ist ein Segen für die
Esskultur in unserem Land.»
Pfäfflis Lehrmeister Oskar Marti beginnt bei
der Frage nach seiner ehemaligen Lehrtochter
einen schwärmerischen Vortrag über die Qualitäten der jungen Köchin und die Bedeutung
ihres Tuns: «Julia hat letztlich die Philosophie, die ich ihr versucht habe, näherzubringen, in ihrer Beiz realisiert. Sie hat eine Dramaturgie gemacht aus dem, was ihr Leben ist. Das
Wirten beginnt beim Bauern, bei der LandWeltwoche Nr. 30/31.14
wirtschaft, dann kommen die Ernte, die Ver­
arbeitung und erst dann das eigentliche Kochen.» Für Marti ist ein Restaurant wie der
«Löwen» viel mehr als ein Ort, wo man isst.
«Das ist Geborgenheit und Heimat. Früher
sind die Leute, die nicht zum Pfarrer wollten,
zur Wirtin gegangen, die ihnen geholfen hat.»
Jeanine aus Leipzig
Wer den «Löwen» betritt, ruft ein kräftiges
«Grüessech!» in die Runde. In der schlichten,
mit Holz ausgekleideten Gaststube fühlt man
sich gleich wohl. Jeanine, die Aushilfe im
­Service, bedient zusammen mit Julias Mutter
Ruth die Gäste, kommt aus Leipzig, trägt auffällige Tattoos und wirkt mit ihrer offenen
Freundlichkeit sehr selbstverständlich hier.
Oskar Marti drückt es so aus: «Der Gast spürt
die Schwingung und fühlt sich wohl. Es ist
dann wie zu Hause, wenn die Mutter die
dampfende Schüssel auf den Tisch stellt.» Ich
bekomme einen frischen, nicht zu süssen
hausgemachten Eistee, dann einen liebevoll
zubereiteten gemischten Salat. Während ich
den esse, kommt ein Körbchen mit zwei Scheiben hellem Brot auf den Tisch – Ruth Pfäffli
hat es eben frisch gebacken. Das Brot ist noch
lauwarm, hat eine knusprige Aussenhaut und
riecht zart nach Hefe.
«Früher sind die Leute, die
nicht zum Pfarrer wollten,
zur Wirtin gegangen.»
Die Monatsrösti (Juli) dann ist aus rohen,
neuen Kartoffeln gemacht, zubereitet mit
­
Rapsöl aus eigener Kaltpressung, etwas Zwiebeln, Salz und Pfeffer sowie umrandet von
­dicken schwarzen Kirschen, die Hans Pfäffli
von alten Hochstammbäumen pflückt und die
süss und fest sind. Julias Vater ist ausserdem
Experte für Kartoffeln, die Grundlage der besten Rösti, die mir seit langem begegnet ist,
und der Pommes frites, die es danach zum mit
Kräuterbutter überbackenen Rindsentrecôte
gibt (siehe Kasten).
Mit lautem Hallo stürmt Julia Pfäfflis Tochter Jaël in die Gaststube, das Mädchen im roten
Hello-Kitty-Pulli kommt von der Schule und
wird an der Küchentür von ihrer Mutter mit
einem Kuss empfangen. Auch Jaëls Urgrossmutter sitzt schon hier, sie isst das Menü:
Rüeblisuppe, Salat und Spaghetti bolognese.
Währenddessen hat sich Vater Hans eine gelbe
Schürze umgebunden und hilft seiner Tochter, die rund 30 Gäste zu bekochen. 35 Jahre
lang hat er, der von sich sagt, er sei «Bauer mit
Kochkenntnissen», mit seiner Frau den «Löwen» geführt. Nun ist er froh, dass seine Tochter übernommen hat. Nach dem Service gibt es
von der allerdings Kritik; beim Hauptgang hat
er vergessen, die Dekoration aus Kräutern und
Blüten anzubringen.
Nach dem Essen sitze ich mit Julia Pfäffli auf
der Terrasse des «Löwen». Die junge Frau
wirkt lebensfroh, spricht mit heller, klarer
Stimme und lacht ein ansteckendes Lachen
wie ein Dreiklang. Gleichzeitig merkt man ihr
die Last der Aufgabe an: So eine Dorfbeiz gibt
viel Arbeit, mit dem Kochen allein ist es nicht
getan. Dazu kommen die Organisation, die
Kreation, das Schreiben der Karte, das Ausarbeiten von Menüvorschlägen für Gesellschaften. Pfäffli ist zudem alleinerziehende Mutter,
die immerhin keinen Kinderhort braucht –
den ersetzen Familie und Dorf. «Wir haben
schon früh gelernt, dass Arbeiten etwas ist, was
zum Leben gehört. Es ist nichts, was man ab­
getrennt vom Rest irgendwo tut, sondern es ist
selbstverständlich», sagt Julia Pfäffli über die
Haltung ihrer Aufgabe gegenüber.
Je nach Stimmung
Ihre Speisekarte wechselt wöchentlich oder
täglich, abhängig von der Stimmung der Köchin und den Produkten von Feld, Wald und
Wiese. Martin Jenni, kundiger Beizenkenner
und Autor des schönen Buches «Cervelat und
Tafelspitz», schreibt über Pfäfflis «Löwen»:
«Sie pflegt eine subtile bürgerliche Küche.»
«Wir kochen hier frisch auf den Teller und
nicht in den Kühlschrank», sagt Julia Pfäffli
selbst. Es gibt grüne Spargeln, solange sie auf
dem Feld am Waldrand frisch geerntet werden
können. Und wenn es keine mehr hat und die
Kirschen reif sind, gibt es die schwarzen Steinfrüchte zur Rösti.
Sie fühle sich zu Hause hier und sei nicht
­gemacht für das längerfristige Leben in einer
Stadt, sagt Julia Pfäffli. Und: «Ich bin ein naturbezogener Mensch. Wenn ich Pause habe,
laufe ich durch den Wald, um den Kopf freizukriegen. Manchmal wäre etwas mehr Leben
um mich herum zwar schön, aber jetzt habe
ich ja das Restaurant, wo ich jeden Tag neue
Leute treffe.» Tatsächlich ist es im «Löwen»,
als würde man in einer Familienstube sitzen.
Die Gastgeber haben für jeden ein freundliches Wort: «Mir ist wichtig, dass eine gute
Stimmung im Lokal herrscht, dann kommen
die Gäste auch gern zurück. Das schafft man
mit der eigenen positiven Einstimmung. Gästekontakt ist höllewichtig auf dem Land», sagt
Julia Päffli.
Während ich die Idylle wieder verlassen
muss und im dichten Verkehr auf der A 1 in
Richtung Zürich rolle, kommt mir ein Satz in
den Sinn, den mir der Chrüter-Oski gesagt hat:
«Das Tor zur Seele ist der Magen.» Wenn man
den «Löwen» in Bangerten besucht hat, gibt
man ihm, ohne zu zögern, recht.
Wirtschaft Zum Löwen: 3256 Bangerten
Telefon 031 869 02 30
April bis Oktober montags und dienstags geschlossen.
November bis März sonntags und montags geschlossen.
www.loewen-bangerten.ch
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