Spielbestimmender Marktführer in der Spiele

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Spielbestimmender Marktführer in der Spiele
Special: Freizeit & Gastronomie
Spielbestimmender Marktführer
in der Spiele-Szene
Duisburger Spielwaren-Fachgeschäft Roskothen blickt auf eine 125-jährige Firmengeschichte zurück
Das Geschäft ist eine Augenweide für Groß und Klein: Knuffige Stofftiere und kunstvoll
gearbeitete Puppen blicken dem Kunden aus niedlichen Kulleraugen entgegen,
bunte Bälle in den verschiedensten Größen schmücken die Regale,
dekorative Modell-Eisenbahnen drehen im Ladeninneren unentwegt ihre Runden.
Willkommen in der fantastischen Welt
des Spiels heißt es seit über zwölf Jahrzehnten im traditionsreichen Spielwaren-Fachgeschäft Roskothen. Am Duisburger Sonnenwall, wo das Geschäft seit 1884 seine
Heimat hat, drückten sich bereits unzählige Kinder an den farbenfroh gestalteten
Fensterfronten ihre Nasen platt, um anschließend dem Weihnachtsmann und anderen mit Geschenken beladenen Boten
ihre liebsten Spielsachen präzise auf
den Wunschzettel schreiben zu
können.
Spielbestimmender regionaler
Marktführer im Segment der
klassischen Spielwaren zu sein, ist
das erklärte Ziel des seit Anbeginn inhabergeführten Familienunternehmens mit Stammhaus in
Duisburg, das in diesem Jahr auf
seine 125-jährige Firmengeschichte zurückblicken kann. Heute
leitet Boris Roskothen gemeinsam
mit seiner Frau Nane die Geschäfte in
der mittlerweile fünften UnternehmerGeneration. Sein Urur-Großvater Heinrich
hatte im Jahr 1879 in Hattingen mit dem
Verkauf von Korbwaren und Korbmöbeln
begonnen. Nur drei Jahre später folgte
nach einem strategischen Standortwechsel
in die Rhein-Ruhr-Metropole Duisburg
eine Ausweitung des Sortiments in Richtung Kinderwagen und Spielwaren.
Seitdem hat sich in der Welt des Spielzeugs viel verändert. Im High-Tech-Zeitalter haben längst virtuelle Computerspiele
Einzug in den kindlichen Kosmos gehalten
– ein Segment, auf das im Hause Roskothen bewusst verzichtet wird. Denn neben
der kaufmännischen Komponente spielen
Das Spieleparadies Roskothen erstreckt sich auf einer Fläche von 400 Quadratmetern.
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für den 38-jährigen Familienvater, der im
Vorfeld seiner Unternehmer-Laufbahn die
Fächer Physik und Geographie auf Lehramt studierte, auch pädagogische Aspekte
bei der Auswahl seiner Artikel eine entscheidende Rolle. „Wir haben nicht alles
im Angebot, aber was wir haben, finden
wir gut“, umreißt der Unternehmer sein
berufliches Credo. „Wir müssen nicht
zwangsläufig auf jeder Trend-Welle im
Spielzeugmarkt mitreiten“, ergänzt Roskothen. Kurzfristige – rein umsatzorientierte
– Verkaufsschlager in der Spiele-Szene wie
die gegenwärtig bei Kindern und Jugendlichen beliebten „Pokemon“-Sammelkarten
nimmt der Geschäftsführer erst gar nicht
ins Programm auf, weil sie seinen ideellen
Ansprüchen nicht genügen: „Einen Haufen Schrott für viel Geld zu verkaufen,
kommt für mich nicht in Frage“, beschreibt Roskothen zielgenau seine Firmenphilosophie.
In der bewusst gewählten Nische eines
Fachgeschäftes mit ausgesuchten hochwertigen Spielwaren suchen die Inhaber
Schutz vor dem übermächtigen Angebot
von bombastischen Spiele-Discountern
wie „TOYS R US“ und der gewaltigen
Spieleflut in den großen Warenhäusern.
Die üblichen Standards der Branche sind
Special: Freizeit & Gastronomie
Eine Postkarte von 1913 zeigt die Fensterfront des Duisburger Traditionsgeschäftes
kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges.
für das Traditionshaus, das sich auf anspruchsvolle Kunden und deren individuelle Bedürfnisse eingerichtet hat, längst
kein Maßstab mehr.
Im Spieleparadies am Sonnenwall, das
insgesamt acht Mitarbeiter – darunter einen Auszubildenden – beschäftigt, steckt
das Ehepaar Roskothen viel Aufwand in die
kleinen Dinge. „Wir verzichten lieber
gänzlich auf bestimmte Segmente und gehen dafür bei anderen in die Tiefe“, erläutert der Firmenchef. Besonders umsatz-
Liebhaberstück der aktuellen Ausstellung
antiker Spielwaren im Kultur- und Stadthistorischen Museum der Stadt Duisburg.
Eine Duisburger Sammlerin ist heute im Besitz eines antiken Rollenpferdes (um 1910), das einst dem
bekannten Schriftsteller Erich Kästner gehörte.
starke Produkte sind Klassiker wie Käthe
Kruse-Puppen,
Modell-Eisenbahnen,
Holzspielsachen und das gute alte Puzzle.
Zur Stammkundschaft zählen neben der
spielfreudigen Familie auch erfahrene Modellbauer und Sammler, die die Kinderhosen längst abgestreift haben. Im Kaminzimmer können Liebhaber die weltweit
größte Dauerausstellung von Käthe KrusePuppen bewundern. In einer Ecke des 400
Quadratmeter großen Ladenlokals, das
sich seit einem aufwändigen Neubau im
Augenweide für Groß und Klein: Das Ladenlokal am Duisburger Sonnenwall gleicht einem
prall gefüllten bunten Spielekoffer.
Fotos: André Brück
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Jahr 1997 auf zwei lichtdurchflutete Geschosse verteilt, die durch eine Freitreppe
großzügig miteinander verbunden sind,
können Spiele-Fans Artikel vor dem Kauf
intensiv testen.
Trotz all dieser Anstrengungen tut sich
das renommierte Spielwaren-Fachgeschäft
in Zeiten der gegenwärtigen KonsumFlaute schwer. „Unsere Traum-Marge von
1,5 Millionen Euro Umsatz haben wir im
vergangenen Jahr deutlich unterschritten“,
bilanziert Boris Roskothen. „Wenn auch
die Umsätze des laufenden Jahres gegenüber dem Vorjahr zugelegt haben, so liegen diese aber dennoch leicht unter dem
Jahr 2002. Insgesamt ist die Lage in unserer Branche kritisch“, schätzt der
Geschäftsführer die aktuelle Situation
nüchtern ein. „Wir fragen uns, ob der Einzelhandel bundesweit die Talsohle endlich
erreicht hat“, merkt Roskothen sorgenvoll
an. Denn die Vorweihnachtszeit, in der die
Spielwaren-Branche traditionell die Hälfte
ihres Jahresumsatzes einspielt, ist noch
lang hin.
Erschwerend hinzu kommen nach Einschätzung des Einzelhandelsexperten, der
sich lebhaft im Beirat der Initiative „CityMarketing“ engagiert, hausgemachte Probleme in der Rhein-Ruhr-Metropole, die
den zentrumsnahen Einzelhandel nicht
richtig in Schwung kommen lassen. „Die
Diskussion um Multi Casa schwebt wie ein
großes, kaum greifbares Gespenst über der
Stadt“, skizziert Roskothen die skeptische
Stimmung unter den Duisburger Einzelhändlern. Die allgegenwärtige Unsicherheit darüber, ob das Objekt überhaupt realisiert werde und die damit verbundene
Rücknahme bereits erfolgter Zusagen in-
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Alte Brettspiele wie „Mensch ärgere
Dich nicht“ (um 1960) sind noch bis
zum 31. Mai in Duisburg zu sehen.
Im Zuge der Industrialisierung lösten Eisenbahnen
den Pferdewagen als Spielzeug ab. Alle Abbildungen
aus: „Spielzeug Geschichte(n)“, Mercator-Verlag.
teressierter Kaufleute habe eine Atmosphäre der Unsicherheit geschaffen, die dem
Standort Duisburg im Allgemeinen und
der Glaubwürdigkeit des Projektes im Besonderen schade. Selbst wenn Multi Casa
kommen sollte, kann sich Roskothen eine
eigene Präsenz im Prestige-Objekt nur
schwerlich vorstellen, weil die Ladenmiete
nicht finanzierbar wäre. „Bezeichnend ist,
dass sich im Oberhausener Centro kein reiner Spielwarenhändler angesiedelt hat“, betont Roskothen.
Umso wichtiger ist dem Duisburger Traditionshaus die Ansiedlung individueller,
qualitativ hochwertiger Geschäfte in der
Innenstadt, die von möglichen Impulsgebern wie „Forum“ oder „urbanum“ profitieren können. „Wir brauchen wieder
starke Zugpferde im innerstädtischen Einzelhandel, die Kunden auch außerhalb der
Stadtgrenzen nach Duisburg locken“, proklamiert Roskothen. Bei diesem Prozess sei
auch eine strategische Begleitung durch die
Politik gefordert. „Bislang fehlt unserer
Stadt eine enge Anbindung zwischen
Highlights wie dem Innenhafen oder dem
Landschaftspark Duisburg Nord“, beklagt
Roskothen. Noch kommt ein Großteil seiner Kunden von auswärts, hauptsächlich
vom Niederrhein, aber auch aus Köln und
Neuss. Doch das Niveau des Warenangebotes in Duisburg muss auch in anderen
Branchen deutlich steigen. Sonst haben
Spezialisten wie Roskothen, die mit ihrem
individuellen Warenangebot vom stupiden
Standard abweichen und mit ihrem Alleinstellungsmerkmal einen klaren Pluspunkt
für das Flair der Stadt darstellen, im Spiel
um die Gunst des Kunden schlechte Karten.
mavo ■
Das Kultur- und Stadthistorische
Museum Duisburg zeigt noch bis zum
31. Mai anlässlich des 125-jährigen Firmenjubiläums des Spielwaren-Fachgeschäftes Roskothen eine sehenswerte
Ausstellung mit einer Auswahl von
aufbewahrten und wiedergefundenen
Lieblingsspielsachen aus Duisburger Familien. Ein im Duisburger MercatorVerlag erschienener 96-seitiger Begleitband zur Ausstellung (12,80 Euro) arbeitet die Historie des Traditionsunternehmens auf und erinnert mit vielen
farbenprächtigen Fotos an lokale Ereignisse, die sich im Spielzeug widerspiegeln.
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