Weimann: Algorithmus zur Verordnung von Trinklösungen

Transcrição

Weimann: Algorithmus zur Verordnung von Trinklösungen
Algorithmus zur Verordnung
von Trinklösungen
Algorithmus zum supportiven Einsatz von Trinknahrung in der ambulanten
Versorgung von erwachsenen Patienten
Entwicklung: angekoppelt an DGEM S3-Leitlinienaktualisierung nach AWMF
-
November 2011: Gründung Kompetenznetzwerk, Konsensusgespräch in Machern
-
Dezember 2011 – Januar 2012: Erarbeitung eines Vorschlags für einen
Algorithmus anhand der aus der Studienlage resultierenden Evidenz und der
verfügbaren ESPEN- und ASPEN Leitlinien
-
März 2012: Vorstellung beim G-BA, 1.Delphirunde bei den AG-Mitgliedern der
DGEM-Leitlinien-Aktualisierung
-
April 2012: 2. Delphirunde, Austausch mit Kompetenznetzwerk
-
Juni 2012: Vorstellung und Diskussion bei der Dreiländertagung „Ernährung 2012“
in Nürnberg als Poster, Abstimmung in der Leitlinien-Konsensuskonferenz am
16.6.12 – Annahme mit 98% vorbehaltlich kleiner Änderungen
-
Juli 2012: 3. Delphirunde - Verabschiedung
Abklärung der Ursachen
Ernährungszustand: mind. Messung von Größe,
Gewicht; Berechnung: BMI
ja
Bedarfsdeckende orale Ernährung
mit ggf. supportivem Einsatz von
Trinknahrung möglich?
1
5
Supportiver Einsatz von Trinknahrung in der
ambulanten Versorgung von erwachsenen Patienten
nein
4
8
Diagnostik und Therapie
Keine künstl. Ernährung
2
9
ja
Grunderkrankung, Therapieziele
3
nein
Orale Ernährung möglich und gewünscht?
Ggf. Einbeziehung der Pflege nach dem DNQPStandard „Ernährungsmanagement“;
ggf. Einbeziehung von Angehörigen
nein
Dysphagie?
Mukositis?
6
Palliative Situation?
Fortgeschrittene Demenz?
Infauste Prognose?
nein
7
Patientenwille
Ggf. Ethische Fallbesprechung
ja
Ergänzende / bedarfsja deckende Sondenernährung oder
parenterale Ernährung
nein
ja
10
11
ja
Gewichtsverlust < 5% in 6 Mo. oder
Nahrungszufuhr 50-75% d. Bedarfs in
der vergangenen Woche
12
Verlaufskontrolle
nach 4 Wochen
Gewicht ↑
ja
nein
13
Therapieziel erreicht
Verlaufskontrolle und
Wiedervorstellung
bei Gewichtsverlust
14
Risiko gering
ja
nein
Gewicht ↔
nein
ja
16
Gewichtsverlust 5-10% in 6 Mo. oder
Nahrungszufuhr 25-50% d. Bedarfs in
der vergangenen Woche
ja
17
- Ernährungsberatung
- bei Patienten >70 Jahre:
supportiver Einsatz von
Trinknahrung
15
Gewicht ↓
18
19
Verlaufskontrolle
nach 4 Wochen
Gewicht ↑
nein
Risiko mäßig
20
ja
nein
Gewicht ↔
nein
21
22
ja
23
Gewichtsverlust >10% in 6 Mo. oder
Nahrungszufuhr ≤25% d. Bedarfs in der
vergangenen Woche oder
Serum-Albumin < 30 g/l
Risiko hoch
- Ernährungsberatung
- supportiver Einsatz von
Trinknahrung
(600-800 kcal/d)
Gewicht ↓
24
25
Verlaufskontrolle
nach 2 Wochen
Gewicht ↑
ja
26
Supportiver Einsatz von
Trinknahrung
(600-800 kcal/d)
nein
28
27
ja
nein
32
ja
Verlaufskontrolle
nach 6 Wochen
Gewicht ↔
Stationäre Einweisung?
ja
Stationäre Ernährungstherapie
33
31
Ergänzende / bedarfsdeckende
Sondenernährung;
ggf. parenterale Ernährung
nein
ja
30
Gewicht ↓
nein
29
Gewicht ↑
ja
A. Weimann, T. Schütz, 19.07.12
0
V.a. Krankheits-assoziierte Mangelernährung:
- unzureichende Nahrungsaufnahme
- unerwünschter Gewichtsverlust
A. Weimann, T. Schütz, 19.07.12
Erläuterungen
0:
Im Sinne einer „krankheitsbedingten interventionsbedürftigen Ernährungssituation“: fehlende oder eingeschränkte Fähigkeit zur
ausreichenden oder normalen Nahrungsaufnahme UND/ ODER wenn andere Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation
nicht ausreichen verbunden mit dem Risiko oder einer bestehenden krankheitsbedingten Mangelernährung Ein unerwünschter
1
Gewichtsverlust muss abgeklärt werden
BMI = Körpergewicht [kg]/ Körpergröße² [m²]; sowohl Gewicht als auch Größe sollten unter Standardbedingungen gemessen werden.
Bei Patienten mit Aszites oder Ödemen: quantitative Erfassung der Nahrungszufuhr mittels Tellerdiagramm
Mögliche Screening-Instrumente: Malnutrition Universal Screening Tool (MUST), Nutritional Risk Screening (NRS), Subjective Global
Assessment (SGA), Mini Nutritional Assessment (MNA) Kurzversion oder Vollversion, Ernährungsmedizinisches Risiko (ESPEN);
→ siehe DGEM Leitlinien-Update Grundlagenkapitel
2:
Es ist abzuklären, ob durch eine Ernährungstherapie eine Verbesserung der Lebensqualität und/oder der Erkrankungsprognose zu
erwarten ist und ob der Patient eine Ernährungstherapie wünscht.
DNQP: Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege
3:
Dysphagie-Screening; → siehe DGEM Leitlinien-Update Kapitel Neurologie
4:
Mukositistherapie; je nach Ergebnis der Dysphagie—Diagnostik Konsistenzmodifikation oder ggf. andere therapeutische Maßnahmen
13:
Definition Therapieerfolg: Energie- und Nährstoffzufuhr zufriedenstellend, Gewichtstabilisierung, verbesserte Lebensqualität
9, 32:
bedarfsdeckend = Summe der zugeführten Energie aus allen Nahrungsquellen (oral, enteral, parenteral) zur Deckung des
Gesamtenergieumsatzes (Grundumsatz und Physical Activity Level); siehe hierzu weiterführenden Algorithmus enterale / parenterale
Ernährung, z.B. vom National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE)
10, 16
falls großer abdomineller Tumoreingriff (Gastrektomie, Ösophagusresektion, Pankreatoduodenektomie) immunmodulierende
Trinknahrung für 5-7 Tage prästationär
22:
falls großer abdomineller Tumoreingriff und orale Ernährung nur eingeschränkt möglich, ggf. enterale / parenterale Ernährung für 10-14 d
möglichst prästationär
Albumin < 30 g/l, wenn keine Nieren- oder Leberinsuffizienz vorliegt
12, 19, 25, 29: Gewicht ↑ entspricht Gewichtsanstieg > 2 kg;
bei Patienten mit Aszites oder Ödemen: Nahrungszufuhr: normal / etwas geringer als normal oder Tellerdiagramm 50-75% des Bedarfs
14, 20, 27:
Gewicht ↔ entspricht Gewicht ± 2 kg; bei Patienten mit Aszites oder Ödemen: Nahrungszufuhr die Hälfte einer normalen Portion oder
Tellerdiagramm 25-50% des Bedarfs
15, 21, 30:
Gewicht ↓entspricht Gewichtsabnahme > 2 kg; bei Patienten mit Aszites oder Ödemen: Nahrungszufuhr: ein Viertel oder weniger einer
normalen Portion; oder Tellerdiagramm ≤ 25% des Bedarfs
17, 23:
Inhalte der Ernährungsberatung: Energie- und/oder Proteinanreicherung von Mahlzeiten / Snacks
Die Ernährungsberatung sollte möglichst durch eine Ernährungsfachkraft erfolgen (Diätassistent/in, bei gleichwertiger Qualifikation für die
Diättherapie auch Oecotrophologe/in oder Ernährungswissenschaftler/in unter Beachtung der formalen Bestimmungen zur Durchführung
von delegierten ärztlichen Leistungen.
23, 26:
Die Kalorienzufuhr über Trinknahrung kann im Einzelfall höher sein.
31:
ggf. stationäre Einweisung diskutieren
Literatur
A. Weimann, T. Schütz, 19.07.12
Direkter Bezug
2
„Expertenstandard Ernährungsmanagement zur Sicherstellung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege“. Deutsches Netzwerk für
Qualitätsentwicklung in der Pflege (Hrsg.), 2010. (http://www.dnqp.de)
4
Leischker AH et al. Leitlinie Enterale Ernährung bei Patienten mit Schlaganfall. Aktuel Ernahrungsmed 2007; 32: 330-346
6
Fortgeschrittene Demenz: Demenz im Stadium 7:
Reisberg B et al. The Global Deterioration Scale for assessment of primary degenrative dementia. Am J Psychiatry 1982; 139: 1136-9.
Reisberg B. Functional Assessment Staging (FAST). Psychopharmacology Bulletin 1988; 24: 653-659.
Mitchell SL et al. Prediction of 6-Month Survival in Nursing Home Residents With Advanced Dementia Using ADEPT vs Hospice Guidelines. JAMA
2010; 304: 1929-1935.
7
Dörries A. Klinische Ethikberatung – Künstliche Ernährung und ethische Fallbesprechungen. In: Weimann A, Körner U, Thiele F (Hrsg.). Künstliche
Ernährung und Ethik. Pabst Science Publishers 2009, S. 136-146.
Weimann A et al. Ethische Fallbesprechungen. In: Weimann A, Körner U, Thiele F (Hrsg.). Künstliche Ernährung und Ethik. Pabst Science Publishers
2009, S. 187-204
9, 31 National Institute for Health and Clinical Excellence. Clinical Guideline 32. Nutrition support in adults: oral nutrition support, enteral tube feeding and
parenteral nutrition. 2006 (http://www.nice.org.uk/nicemedia/live/10978/29979/29979.pdf; Zugriff 17.02.12)
10, 16Kondrup J et al. ESPEN guidelines for nutrition screening 2002. Clin Nutr. 2003; 22: 415-21.
Sorensen J et al. EuroOOPS: an international, multicentre study to implement nutritional risk screening and evaluate clinical outcome. Clin Nutr. 2008;
27: 340-9.
Schwegler I et al. Nutritional risk is a clinical predictor of postoperative mortality and morbidity in surgery for colorectal cancer. Br J Surg. 2010; 97: 92-7.
22
Lochs et al. Introductory to the ESPEN guidelines on enteral nutrition: terminology, definitions and general topics. Clin Nutr. 2006; 25: 180-6.
Hennessey DB et al. Preoperative hypoalbuminemia is an independent risk factor for the development of surgical site infection following gastrointestinal
surgery. A multi-institutional study. Ann Surg 2010; 252: 325-329
DGEM Leitlinien Update (in Arbeit)
Kapitel: Grundlagen, Ethik, Geriatrie, Neurologie, Chirurgie
Allgemein
Baldwin C et al. Dietary advice for illness-related malnutrition in adults. Cochrane Database Syst Rev. 2007 Jan 24;(1):CD002008.
Baldwin C et al. Oral nutritional interventions in malnourished patients with cancer: A systematic review and meta-analysis. JNCI 2012; 104: 2
Hiesmayr M et al. M. Decreased food intake is a risk factor for mortality in hospitalised patients: The NutritionDay survey 2006. Clin Nutr 2009; 28: 481-483.
Kuppinger D, et. Nutritional screeening for risk prediction in patients scheduled for abdominal operations. Br J Surg 2012 ; 99 : 728-737
Löser C. et al. Malnutrition in hospital: the clinical and economic implications. Dtsch Arztebl Int. 2010;107: 911-7.
Milne AC, et al. Protein and energy supplementation in elderly people at risk from malnutrition. Cochrane Database Syst Rev. 2009; 2: CD003288.
Norman K et al. Cost-effectiveness of a 3-month intervention with oral nutritional supplements in disease-related malnutrition: a randomised controlled pilot
study. Eur J Clin Nutr. 2011; 65: 735-42.
Payne C et al. Interventions for fatigue and weight loss in adults with advanced progressive illness. Cochrane Database Syst Rev. 2012; 1: CD008427.
White JV, Guenter P, Jensen G, Malone A, Schofield M; the Academy Malnutrition Work Group; the A.S.P.E.N. Malnutrition Task Force; and the A.S.P.E.N.
Board of DirectorsConsensus Statement: Academy of Nutrition and Dietetics and American Society for Parenteral and Enteral Nutrition: Characteristics
Recommended for the Identification and Documentation of Adult Malnutrition (Undernutrition). JPEN 2012; 36: 275-283.
Algorithmus zum supportiven Einsatz von Trinknahrung in der
ambulanten Versorgung von erwachsenen Patienten
Weimann et al, Aktuel Ernährungsmed 2012; 37: 282 - 286