Newsletter 44-05
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Newsletter 44-05
Mandanten Newsletter Taylor Wessing Ausgabe 44/05 (November 2005) Ausgabe 44 November 2005 Newsletter Employment 44/05 Streitpunkt Arbeitszeugnisse Taylor Wessing Practice Department Employment E-Mail der Redaktion: [email protected] eNewsletter 02 Streitpunkt Arbeitszeugnisse 1. Zeugnissprache – ein Geheimcode? Gesetzliche Grundlage für Arbeitszeugnisse ist § 109 GewO. Diese Norm räumt dem Arbeitnehmer bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis ein. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken. Diese schlichten Regelungen eröffnen einen ganz erheblichen Wertungsspielraum. Auch wenn die Grundsätze der Einheitlichkeit, Vollständigkeit und Wahrheit des Zeugnisses sowie der Grundsatz der wohlwollenden Beurteilung durchweg als allgemeine Grundsätze des Zeugnisrechts anerkannt werden, hat sich über Jahre hinweg eine ganz eigene, für viele kaum nachvollziehbare Zeugnissprache entwickelt. Beispielsweise soll mit der wohlklingenden Formulierung „eine im Großen und Ganzen zufrieden stellende Erledigung der Arbeit“ eine mangelhafte Leistung zum Ausdruck gebracht werden. Auch die Reihenfolge einer Aufzählung spielt eine Rolle, z. B. bedeutet bei der Beurteilung des Verhaltens die Nennung von Kollegen vor dem Vorgesetzten, dass es Unstimmigkeiten zwischen dem Arbeitnehmer und seinen Vorgesetzten gab. Selbst die Auslassung einzelner Worte ist von Bedeutung: Wird etwa der Vorgesetzte im Zusammenhang mit der Verhaltensbeurteilung gar nicht genannt, deutet dies auf gravierende Differenzen hin. Teilweise wird – nicht ganz zu Unrecht – E-Mail der Redaktion: [email protected] von einem Zeugnis-Geheimcode gesprochen. Arbeitnehmer kaufen sich manchmal sogar Handbücher, um ihr eigenes Zeugnis richtig zu interpretieren. Aber auch für viele Personalverantwortliche ist die Zeugnisformulierung eine Schwierigkeit. Um diesen Entwicklungen entgegen zu wirken, bestimmt § 109 Abs. 2 GewO ausdrücklich, dass das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein muss und keine Merkmale oder Formulierungen enthalten darf, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Trotz dieser klarstellenden gesetzlichen Vorschrift sind sowohl die Erteilung des Zeugnisses als solche als auch dessen Inhalt und äußere Gestaltung immer wieder Streitpunkt im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen. 2. Äußere Gestaltung des Zeugnisses, insbesondere die Unterschrift In den vergangenen Monaten hatte sich die Rechtsprechung mehrfach mit der äußeren Gestaltung eines Arbeitszeugnisses zu beschäftigen. Gegenstand der Verfahren war insbesondere die Frage, wer ein Zeugnis unterzeichnen muss und in welcher Weise es zu unterschreiben ist bzw. nicht unterzeichnet sein darf. Arbeitgeber selbst, seinem gesetzlichen Vertretungsorgan oder im öffentlichen Dienst vom Dienststellenleiter oder seinem Vertreter unterzeichnet, ist das Zeugnis zumindest zusätzlich von einem ranghöheren Vorgesetzten zu unterschreiben. Diese Stellung muss sich aus dem Zeugnis ablesen lassen. Hiervon kann nach Ansicht des BAG auch nicht durch eine behördeninterne Regelung der Zeichnungsbefugnis abgewichen werden. Vor dem Hintergrund, dass ein Zeugnis vor allem der Information künftiger Arbeitgeber über den Arbeitnehmer dient, dem die Suche nach einer neuen Beschäftigung erleichtert werden soll, erscheinen diese Anforderungen sachgerecht. Hingegen hat das BAG einen Anspruch auf Aufnahme einer Schlussformel nach dem Vorbild „Wir bedauern sein Ausscheiden, danken für die geleisteten Dienste und wünschen ihm für seinen weiteren Lebensweg alles Gute!“ verneint (20. Februar 2001, Az. 9 AZR 44/00). Auch wenn Schlussformeln in Zeugnissen vielfach verwendet werden, gehören sie nicht zum gesetzlich bestimmten Mindestinhalt eines Zeugnisses. Ihr Fehlen hat nach der Rechtsprechung des BAG keine geheime Bedeutung. b) Form der Unterzeichnung a) Unterschriftsberechtigung So hat das BAG am 4. Oktober 2005 (Az. 9 AZR 507/04) entschieden, dass ein Zeugnis von einer Person unterschrieben werden muss, die aus der Sicht eines Dritten geeignet ist, die Verantwortung für die Beurteilung des Arbeitnehmers zu übernehmen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der fachlichen Beurteilung. Wird das Zeugnis nicht vom Mit der Frage, welche äußere Form die Unterschrift haben muss, hatte sich jüngst das LAG Nürnberg zu befassen. Gegenstand des Verfahrens war Folgender: Eine Arbeitnehmerin hatte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Zeugnis erhalten, das ihrer Ansicht nach unzulässige Formulierungen enthielt. Daher klagte sie erfolgreich auf inhaltliche Abänderung des Zeugnisses. Dar- eNewsletter 03 aufhin stellte der Arbeitgeber ihr ein neues Zeugnis aus, das inhaltlich den Vorgaben des Arbeitsgerichts entsprach, das aber mit einer Unterschrift versehen war, die nach ihrem Erscheinungsbild von einem Kind stammte. Die Arbeitnehmerin akzeptierte diese Unterschrift nicht und klagte erneut auf Ausstellung eines neuen Zeugnisses mit der üblicherweise verwendeten Unterschrift des Arbeitgebers. Sie hatte auch mit dieser Klage vor dem Arbeitsgericht. Erfolg. Anschließend erstellte der Arbeitgeber ein drittes Zeugnis. Dieses war - abweichend von seiner sonst üblichen Unterschrift - mit einer 14,5 cm breiten und 10 cm hohen Unterschrift versehen, die ausschließlich aus Auf- und Abwärtslinien bestand. Die Arbeitnehmerin klagte auch gegen dieses dritte Zeugnis und hatte auch hiermit Erfolg. Das LAG Nürnberg verurteilte den Arbeitgeber zur Ausstellung eines neuen Zeugnisses unter Verwendung einer ernsthaft wirkenden Unterschrift. Es führte aus, dass die Anforderungen an eine Unterschrift sich nach dem konkreten Zweck der Vorschrift richten, die eine Unterschrift verlangt, hier also nach § 109 GewO. Mit dem schriftlichen Zeugnis solle dem Arbeitnehmer die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz erleichtert werden. Diesen Zweck könne ein Zeugnis aber nur erfüllen, wenn beim Leser keine Zweifel über die Ernsthaftigkeit des Zeugnistextes aufkommen können. Sei ein Zeugnis mit einer völlig überdimensionierten und unleserlichen Unterschrift versehen, könne dies beim Leser den Verdacht hervorrufen, dass sich der Unterzeichner vom Zeugnisinhalt distanzieren will, etwa weil er zur Verwendung bestimmter Formulierungen verurteilt worden ist. Die E-Mail der Redaktion: [email protected] bloße Möglichkeit einer solchen versteckten Warnung an andere Arbeitgeber lasse ein Zeugnis unzulässig werden. 4. Rechtsfolgen Entspricht das erteilte Zeugnis nach Form und Inhalt nicht den tatsächlichen und rechtlichen Anforderungen, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Berichtigung des Zeugnisses (BAG 21. Juni 2005, Az. 9 AZR 352/04). Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, dem Arbeitnehmer ein neues Zeugnis auszustellen. Bei der Erstellung dieses Zeugnisses ist er grundsätzlich an den bisherigen, vom Arbeitnehmer nicht beanstandeten Zeugnistext gebunden. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass dem Arbeitgeber nachträglich Umstände bekannt werden, die die Leistung oder das Verhalten des Arbeitnehmers in einem anderen Licht erscheinen lassen. 5. Fazit Arbeitszeugnisse haben sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer erhebliche Bedeutung, da sie Aufschluss über das bisherige Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers geben und für Arbeitgeber häufig die wichtigste Informationsquelle über einen Stellenbewerber sind. Um Arbeitszeugnisse wird es daher auch in Zukunft immer wieder Auseinandersetzungen geben. Die hier dargestellten aktuellen Entscheidungen der Rechtsprechung zeigen Leitlinien zur äußeren Gestaltung auf, die sowohl den Interessen des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers gerecht werden. Dr. Viola Lindemann Rechtsanwältin Taylor Wessing Düsseldorf eNewsletter 04 Leserservice Sie brauchen detailliertere Informationen? Sie hätten gerne ein persönliches Gespräch zu Themen dieser Ausgabe? E-mail der Redaktion: [email protected] Wir freuen uns, wenn Sie mit uns Kontakt aufnehmen. Impressum: Taylor Wessing Rechtsanwälte, Jägerstraße 51, 10117 Berlin Tel. 0049 (0)30 88 56 36-0 Fax 0049 (0)30 88 56 36-100 DIESER NEWSLETTER ENTHÄLT NUR EINE AUSWAHL VON RELEVANTEN THEMEN ZUM UNTERNEHMENSRECHT UND ERSETZT NICHT DIE BERATUNG IM EINZELFALL. FÜR DIE VOLLSTÄNDIGKEIT UND RICHTIGKEIT DER IN DIESEM NEWSLETTER ENTHALTENEN INFORMATIONEN WIRD KEINE HAFTUNG ÜBERNOMMEN. 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