Das neue Stadion von Nizza, die „Allianz Riviera“, ist in vielerlei
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Das neue Stadion von Nizza, die „Allianz Riviera“, ist in vielerlei
— F O K U S : G R O S S B A U P R OJ E K T E IN DEX 9 F U SS BA LL STA D I O N 16 18 I N T E RV I EW Das neue Stadion von Nizza, die „Allianz Riviera“, ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Das darin verbaute Holz brachte ein Plus in Sachen Nachhaltigkeit und ein Minus an Gewicht, was im Gesamtkonzept der Erdbebensicherheit zugutekam. Die abgerundete Silhouette fügt sich zudem perfekt in die hügelige Landschaft des Var-Tals ein. E N E RG I E KO N ZE PT 20 21 ST EC K B R I E F FA ZI T 8 6 | 2014 1 P R OJ E K T Fußballstadion Nizza Energetische Spitzenklasse text: Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag | fotos: Milène Servelle F U S S B A L L S TA D I O N S eit September 2013 hat die französische Stadt Nizza eine Attraktion mehr: das neue Multifunktionsstadion „Allianz Riviera“. Die Arena ist für 35.000 Zuschauer ausgelegt. Sie ist das erste Objekt des Raum- und Stadterschließungsprojekts „Éco-Vallée Plaine du Var“. Das Plusenergie-Stadion gilt als Vorzeigeobjekt in Sachen Nachhaltigkeit. Umweltbelange standen von Anfang an im Mittelpunkt der Planung. FOTO: ALLIANZ RIVIERA/VIGOUROUX FRANCIS Zwischen Entwurf und baubarer Konstruktion liegt ein Jahr Arbeit Nach einem eingeladenen Wettbewerb unter drei Generalunternehmen, die jeweils mit einem Architektur- und einem Ingenieurbüro im Team angetreten sind, beauftragte die Stadt Nizza 2009 das Siegerteam Vinci Concessions zusammen mit dem Pariser Architekturbüro Wilmotte & Associés und dem Ingenieurbüro „Iosis et Egis Bâtiment“ mit dem Bau. Hierfür erhielten sie als Entwurfs- und Planungsvorgabe ein Pflichtenheft zu Nachhaltigkeitsaspekten. Das Stadion musste außerdem innerhalb von zwei Jahren fertiggestellt sein. Die Idee einer organisch geschwungenen Konstruktion, die einerseits das Spielfeld luftig umschließt, andererseits die Hügelketten beidseits vom Var-Tal in seiner Form aufnimmt – die Dachfläche sollte korrespondierende Wölbungen erhalten –, war bald geboren. www.lignardo.de 6 | 2014 9 F O K U S : G R O S S B A U P R OJ E K T E Geländeplan 3D-Modell Ausschnitt ABBILDUNGEN, ZEICHNUNG: WILMOTTE & ASSOCIÉS — 10 6 | 2014 1 P R OJ E K T Fußballstadion Nizza Schnitt Westtribüne Photovoltaik-Paneele auf Trapezblech Flächenstreifen 1: Transparente ETFE-Folie PVC-Membran Transparente ETFE-Folie Dachrinne Dachrinne Flächenstreifen 2: Transparente ETFE-Folie Explosionszeichnung der baulichen Ebenen 1 Pressebereich Treppe E1/A11 Bereich mit bevorzugten Plätzen Flächenstreifen 3: Transparente ETFE-Folie 2 Loge mit 12 Plätzen Ehrenloge Betriebsraum 3 Zugangsterrasse Vorplatz Lounge Zugang für Super-VIPs Rauchabzug Lounge Verteilerhalle Akkreditierungsstelle Lounge Umlaufender Erschließungsgang Ausschank/Imbiss Gemischte Zone Wartebereich für Blitzinterviews Gleise Gleise 4 5 Aufbau Im Sockelbau aus Stahlbeton kommen eine Tiefgarage und Umkleiden unter. Darüber ist eine dreirangige Tribüne ausgebildet mit dahinter liegenden Aufenthaltsräumen und den Erschließungszonen aus Treppen und Zugangsbereichen – ebenfalls aus Stahlbeton. 60 gewölbte Halbrahmen mit Innenbögen aus gekreuzten BS-Holz-Balken und Bogenrücken aus Stahlrundrohren, die über Stahlrohr-Pyramiden zu einem räumlichen Fachwerk zusammengespannt sind, bilden die Fassade und die Überdachung rundum. 1 2 3 4 5 www.lignardo.de 11 | | | | | Membran Bogenrücken aus Stahl Innenbogen aus Holz Tribüne Sockelbau 6 | 2014 12 F O K U S : G R O S S B A U P R OJ E K T E 1 P R OJ E K T Fußballstadion Nizza »Das im Stadion verbaute Holz brachte ein Plus für die Nachhaltigkeit und ein dickes Minus an Gewicht.« Schnitt Tribüne PVC-Membran ETFE-Membran ETFE-Membran PhotovoltaikPaneele Bogenrücken und „Pyramiden“ aus Stahl Innenbogen aus BS-Holz ↑ An einem Verbindungsknoten schließen immer Balken desselben Typs an. 1 Doch es dauerte noch fast ein Jahr, bis sie in eine baufähige Konstruktion übersetzt war. Dank 3D-CAD-Programmen ließ sich die umschließende Konstruktion, bei der die Architekten von Anfang an an eine netzartige Hülle dachten, relativ einfach generieren. Doch die eigentliche Arbeit begann erst danach: In den verschiedenen Schritten der Entwurfsplanung waren die konstruktiven Überlegungen mit den geometrischen Anforderungen nach und nach so in Einklang zu bringen, dass nach mathematischen Grundsätzen eine Reihe gleicher Bauelemente in einer geordneten Gesamtstruktur entwickelt werden konnte. Die enge Zusammenarbeit der Architekten, der Tragwerksplaner und des Bauunternehmens sowie der ständige Austausch untereinander führten Schritt für Schritt zur baubaren Lösung. Im Oktober 2010 präsentierte Nizzas Bürgermeister Christian Estrosi der Öffentlichkeit erstmals die Pläne für das ZEICHNUNG: WILMOTTE & ASSOCIÉS 2 1 Oberes Auflager 2 Unteres Auflager mit horizontaler Anbindung sowie V-Stützen ins Sockelgeschoss verankert 6 | 2014 13 14 6 | 2014 Stadion. Finanziert von einer öffentlich-privaten Partnerschaft (Private-Public-Partnership (PPP)-Modell)), kostete die Allianz Riviera die private Investorengruppe Nice Éco Stadium (NES), deren Anteilsinhaber die Vinci Concessions (50 %), die ,Caisse des Dépôts‘ und die ,South Europe Infrastructure Equity Finance‘ sind, sowie Errichter und Betreiber 243,5 Mio. Euro. 69 Mio. Euro stammen von Zuschüssen für die Kommunen. Bei dem im Sommer 2011 begonnenen und im Sommer 2013 fertiggestellten Bauvorhaben waren vier Regionaltöchter von Vinci Construction France und das Holzbauunternehmen Fargeot Lamellé Collé aus Vérosvres am Werk, zudem Regionaltöchter von Vinci Energies France. Holz für mehr Leichtigkeit und Nachhaltigkeit Der Vorschlag aus dem Planungsteam, für das Tragwerk auch Holz zu verwenden, erschien den Architekten nicht gleich als die beste Wahl, überzeugte sie schließlich aber doch. Denn der nachwachsende Baustoff bot drei entscheidende Vorteile: seine Nachhaltigkeit, Stichwort 1 P R OJ E K T ZEICHNUNG: WILMOTTE & ASSOCIÉS Fußballstadion Nizza „Reduzierung des CO2-Fußabdrucks“, die hohe Druckfestigkeit im Verhältnis zum Eigengewicht und die Verringerung des Eigengewichts des Gesamttragwerks, was sich positiv auf die zu berücksichtigende Erdbebensicherheit des Bauwerks auswirkt – denn Nizza liegt in einer Erdbebenzone. Die Planer entwickelten ein Konzept aus Sockelbau, Tribüne und einer netzartigen Dachkonstruktion aus zwei Ebenen – einem Holzgitter und einem räumlichen Stahlfachwerk –, überspannt mit einer Membran. Im Sockelbau aus Stahlbeton, der auch die Vorplätze mit ausbildet, kommen eine Tiefgarage und Umkleiden unter. Darüber hinaus integriert er ein Einkaufszentrum und ein Sportmuseum. Damit wollte man das Areal auch außerhalb von Veranstaltungen im Stadion zum Anziehungspunkt machen und für die alltägliche Nutzung attraktiv gestalten. In den Sockelbau ist die dreirangige Tribüne – ebenfalls aus Stahlbeton – eingebettet und das Ganze mit dem auskragenden Holz-Stahl-„Gewölbe“ überdacht. Als Abdeckung fungiert eine Membran. Im senkrechten Bereich kam eine transparente ETFE-Folie (Ethylen-Tetrafluorethylen) zum Einsatz, die den Charakter des Dachtragwerks durchscheinen lässt, aber auch den Einfall von (Sonnen-)Licht erlaubt. Im waagerecht auskragenden Dachbereich dagegen wählten die Planer eine weiße PVC-Folie als Außenhaut. Grundriss Ebene 4 - www.lignardo.de 6 | 2014 15 — F O K U S : G R O S S B A U P R OJ E K T E I N T E RV I E W »Das Projekt ist das Ergebnis eines interaktiven Planungsprozesses!« 1 Wie fand Ihr Büro Willmotte & Associés, das zusammen mit dem Generalunternehmen Vinci zum Wettbewerb für das neue Eco-Stadion in Nizza eingeladen wurde, zu der Idee, das Stadiondach in Holz und Stahl auszuführen? Die Ausschreibung des Wettbewerbs forderte Nachhaltigkeit und einen geringen CO2-Fußabdruck, also einen niedrigen Primärenergieverbrauch beim Bauen und Nutzen des Multifunktionsstadions. Bei der Überlegung, womit wir diese Kriterien erfüllen könnten, kamen wir ziemlich schnell auf die Idee, mit Holz zu bauen. Im zweiten Schritt stellte sich uns dann die Frage, wie man die großen Spannweiten und Auskragungen der Dachkonstruktion mit Holz bewältigen könnte. Das brachte uns schließlich auf die Zweischaligkeit, also eine innere netzartige Schale aus Holz mit einem darüber gespannten Stahltragwerk zu kombinieren. 16 6 | 2014 2 Hat Ihr Büro vor der Realisierung der ‚Allianz Riviera‘ schon andere Holzbauten geplant? Ja, aber nur im Einfamilienhaus-Bereich. Erfahrungen mit Großprojekten dieser Art in Holzbauweise hatten wir keine. Das war Neuland für uns. 3 Wie sind Sie an das Projekt herangegangen? Wie haben Sie sich das nötige Know-how beschafft? Wir haben uns die notwendigen Kenntnisse selber erarbeitet und uns in die Materie vertieft. Dabei haben wir natürlich auch verschiedene Holzbau-Unternehmen auf eine Zusammenarbeit angesprochen. Am Ende kristallisierte sich das französische Holzbau-Unternehmen Fargeot als die richtige Wahl heraus. Das hatte auch mit der Art des Projekts zu tun: Das Stadion wurde im Rahmen eines Private-Public-Partnership(PPP)Modells gebaut. Das heißt, es gibt einen Betreiber, ein Generalunternehmen und einen, der das Stadion über 30 Jahre nutzt, bevor es dann an die Stadt Nizza als Eigentümer übergeht. Daher waren in den Wettbewerbsunterlagen auch die Baukosten festgelegt. Da Fargeot ein Tochterunternehmen des Generalunternehmens Vinci ist, war klar, dass der Generalunternehmer Interesse daran hatte, seine Tochter ins Team zu holen – auch um Kostensicherheit zu gewährleisten. Vinci konnte außerdem den französischen Holzbau-Papst, Professor Dominique Calvi vom Ingenieurbüro Calvi Etudes Structures, der auch beim Centre Pompidou in Metz mitgewirkt hat, als Berater gewinnen. In dieser Konstellation, mit der wir beim Wettbewerb angetreten sind, hatten wir einen der erfahrensten Köpfe der Holzbauszene im Boot. Damit waren wir perfekt aufgestellt. Architekt Ralf Levedag ist Projektleiter beim Büro Wilmotte & Associés SA in Paris. Er war verantwortlich für Entwurf und Bauausführung des neuen Stadions in Nizza, der Allianz Riviera. Seit 2007 gehört er zum Team von Jean-Michel Wilmotte. FOTO: SUSANNE JACOB-FREITAG Der Entwurf für das Eco-Stadion „Allianz Arena“ in Nizza vom Pariser Architekturbüro Willmotte & Associés geht zurück auf die grundsätzliche Frage: „Wie kann man nachhaltige Materialien in einem Großbauwerk, wie es die Multifunktionsarena ist, einsetzen? Bei den Überlegungen kam dann als einziger nachwachsende Baustoff schnell Holz ins Spiel. 1 P R OJ E K T Fußballstadion Nizza der Parametrisierung trotz der komplexen Geometrie eine maximale Standardisierung der Bauteile für eine wirtschaftliche Fertigung zu erreichen. Hier lag ein großes Kosteneinsparpotenzial. sung, die es erlaubte, die Anzahl der Knotenpunkte zu minimieren, was uns mit den sich durchkreuzenden Holzquerschnitten gelungen ist. Damit konnten wir die Anschlussknoten halbieren und erheblich Kosten sparen. Erwähnenswert finde ich aber auch den positiven Nebeneffekt bei der Verwendung von Holz: Das Dachtragwerk wurde besonders leicht. Durch die Konstruktionsweise verhält es sich gegenüber Erdbebenlasten außerdem relativ gutmütig und kann Horizontalkräfte „abfedern“. Ansonsten konnten wir natürlich nachweisen, dass der CO2-Fußabdruck im Vergleich mit einer konventionellen Bauweise sehr niedrig ausfällt: Wir haben etwa 3.000 Tonnen CO2 eingespart. 6 8 4 War es Ihnen in diesem Team möglich, die Gestaltung der Dachkonstruktion für die Einreichung des Entwurfs beim Wettbewerb so zu konkretisieren, dass die Baukosten kalkuliert werden konnten? Ja, absolut. Wir konnten auf Basis des Vorentwurfs bereits Massen ermitteln und eine vorläufige Kostenschätzung erstellen, die uns eine Zusage der Einhaltung der Baukosten ermöglichte. Als dann klar war, dass wir den Wettbewerb gewonnen haben, machten wir uns als Team an die detaillierte Ausarbeitung der Konstruktion. 5 Wie muss man sich das vorstellen? Aufgrund der Komplexität der Geometrie des Projekts galt es zunächst, in intelligente neue Programme zu investieren und in Leute, die sie bedienen können. Denn der gesamte Stadionbau mit Dachtragwerk musste als parametrisierbares 3D-CADModell konstruiert werden, um sowohl alle maßgeblichen Rahmenparameter zu berücksichtigen als auch eine harmonische Form zu finden. Gleichzeitig war es wichtig, die Modell-Dateien problemlos reihum an die Projektbeteiligten zur Bearbeitung weitergeben zu können, das heißt vom Architekten zum Tragwerksplaner, zum HolzbauUnternehmen und zurück usw. Für diesen iterativen Prozess zur Optimierung des Tragwerks in statischer und ästhetischer Hinsicht benötigten alle dasselbe Programm. Übergeordnetes Ziel war außerdem, mit Hilfe www.lignardo.de Wie haben Sie persönlich diesen iterativen Planungsprozess, an dem alle bis zum letztmöglichen Zeitpunkt gefeilt haben, wahrgenommen? Das war eine spannende Zeit. Wir waren von Anfang an neugierig auf das Projekt. Gerade die Herausforderung, eine noch nie dagewesene Lösung zu entwickeln, hat uns gereizt. Wir wollten die Möglichkeiten, die uns Holz oder auch Holz in Kombination mit Stahl bei einem Projekt dieser Größenordnung bietet, ausloten. Da hatten wir Ehrgeiz und Enthusiasmus. 7 Welche besonderen Problemstellungen fallen Ihnen spontan ein, wenn Sie an das Dachtragwerk denken? Gute Detail-Lösungen für die Verbindung des äußeren Stahltragwerks mit dem inneren Holzgitternetz in Kombination mit der komplexen Geometrie zu finden, war beispielsweise eine knifflige Aufgabe. Oder auch die Ausführung der Knotenpunkte des Gitternetzes: Hier suchten wir nach einer Lö- Welche Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllt das Eco-Stadion noch? Die Wettbewerbsausschreibung forderte ein Plusenergie-Stadion. Die Aufgabe lautete: Das Stadion muss mehr regenerative Energien erzeugen, als bei 25 Fußballspielen verbraucht wird. Um das zu erreichen, nutzten wir Geothermie und PhotovoltaikElemente zur Energiegewinnung. Darüber hinaus haben wir ein System zur natürlichen Belüftung entwickelt, das besonders wenig Energie verbraucht. Ansonsten ist das „Eco-Stadion“ HQE-zertifiziert (Haute Qualité Environnementale), was der DGNBZertifizierung entsprechen dürfte. 9 Welche neuen Erfahrungen nehmen Sie aus diesem Projekt mit? Das Zusammenspiel zwischen uns als Architekten, den Ingenieuren und Fachplanern gestaltete sich außerordentlich gut und war letztendlich der Schlüssel zum Erfolg. - 6 | 2014 17 — F O K U S : G R O S S B A U P R OJ E K T E ENERGIE KONZEPT Die Allianz Riviera ist eines der ersten Plusenergie-Stadien. Mit seiner innovativen Holzkonstruktion und der konsequenten Nutzung erneuerbarer Energien für den Betrieb avancierte die Mehrzweckarena zu einem Vorzeigeprojekt der Region. MULTIFUNKTIONSSTADION: EIN PLUS IN SACHEN NACHHALTIGKEIT Die auf dem Dach installierten 4.032 Photovoltaik-Module (8.500 m²) produzieren 1.500 MWh pro Jahr. Das entspricht einem Jahresverbrauch von 616 Haushalten. Damit kann der Strombedarf des Stadions weitgehend gedeckt werden. Die Dachhaut des Stadions besteht aus ETFE-Folien (Ethylen-Tetrafluorethylen); diese haben eine Dicke von 0,25 mm und sind zu 90 Prozent lichtdurchlässig. Da sie wesentlich leichter sind als Glas, wurden durch ihre Verwendung die Lasten für die Dachkonstruktion erheblich geringer und damit auch der Materialeinsatz für das Tragwerk. Die Folien sind sehr widerstandsfähig und selbstreinigend, sodass wenig Wartungsbedarf besteht, was sie auch im Unterhalt wirtschaftlich und umweltfreundlich macht. Der Energiebedarf für die Herstellung von ETFE-Folien liegt bei etwa 10 Prozent dessen, was bei der Herstellung von Glas benötigt wird. ETFE ist zu 100 Prozent recycelbar. Auf dem Dach wird auch Regenwasser gesammelt, das vier Rückhaltebecken im Bereich der Parkplätze speichern und für die Bewässerung des Rasens sowie für die Toiletten genutzt wird. Zusätzlich haben die Planer ein neues, natürliches Lüftungssystem entwickelt, das den Wind der „Plaine du Var“ (VarEbene) nutzt. Dieser wird durch die zu den Vorplätzen hin angehobene Außenhaut in die Betonstruktur des Stadions geleitet, dort „gespeichert“ und mit Hilfe von ‚poteaux soufflants‘ (Lüftungssäulen) verteilt. Diese speziell für das Stadion entwickelte Technik reduziert den Energieverbrauch zur Klimatisierung der Räume wesentlich. Prinzip der natürlichen Belüftung über Lüftungssäulen Zusätzliche Luftauslässe über Lüftungssäulen Wind aus der Var-Ebene (Luft-)Öffnung auf Höhe des Vorplatzes Belüftungssystem rund um das Stadion Umkehrprinzip zur Nutzung der Warmluft aus dem „Treibhaus-Effekt“ der ETFE/PVC-Dachhaut 18 6 | 2014 Belüftung über perforierte Stützen 1 P R OJ E K T Fußballstadion Nizza Belüftungskonzept Erhöhung der Sogwirkung der Lüftungssäulen durch angestaute Wärme aus Sonneneinstrahlung Das 54.000 m²-Projekt beinhaltet Flächen für Kommerz und Entertainment, ein etwa 3.000 m² großes Sport museum, Restaurants und Parkplätze sowie das Stadion für Fußball, Rugby und Leichtathletik. Mit Hilfe der Geothermie wird das Wasser des Flusses Var zur Heizung und Kühlung der Räume genutzt, die dafür benötigten Energiekosten ließen sich damit auf ein Minimum reduzieren. Die benötigte Heizenergie liegt bei 20,37 kWh/m² pro Jahr. Die Materialkombination Holz/Stahl für das Dachtragwerk ermöglichte es, im Vergleich zu einer konventionellen Bauweise 3.000 Tonnen CO₂ und 14 GigaWh Primärenergie zu sparen. ABBILDUNGEN: WILMOTTE & ASSOCIÉS; FOTO: ALLIANZ RIVIERA/MILÈNE SERVELLE Technik und Material erfüllen die Anforderungen der Haute Qualité Environnementale (HQE) Performance Standards, was etwa der DGNB-Zertifizierung in Deutschland entspricht. Belüftung über Lüftungssäulen durch natürliche Ventilation Belüftung der Räume durch Luftumleitung Natürlicher Luftzufluss, abgekühlt durch Betonkernaktivierung (Nutzung der Gebäudemasse zur Kühlung der Luft) ENERGIEKENNWERTE Verlegte PhotovoltaikModule 8.500 m² Photovoltaik-Module 4.032 Stück Heizenergiebedarf p.a. 20,37 kWh/m² → Photovoltaik, PVC- und ETFEFolien bieten gezielt Strom erzeugung, Schatten und Durchblick. www.lignardo.de 6 | 2014 19 F O K U S : G R O S S B A U P R OJ E K T E Das Multifunktionsstadion in Nizza präsentiert sich als transparentes Bauwerk. ← Das Dachtragwerk nimmt die Wellenbewegung der Tribüne auf. ST EC KBRIE F Multifunktionsstadion Allianz Riviera in Nizza, Frankreich 4.000 3.300 243,5 M³ B RET TS PER RHO L Z TO N N EN STA HL I N DE R DAC H KO N ST RU KTI O N M I O. E U RO BAU KOSTE N BAUWEIS E : Ingenieur-Holz-/Stahlbau EN T W I C K LER : ADIM Côte-d’Azur, F-06202 Nizza, www.adim.fr H O L ZBAU : Fargeot Lamellé Collé, F-71220 Vérosvres, www.arbonis.com BAUZE IT : Juli 2011 bis September 2013 BAUH E RR/AUFT RAG G EBER : Stadt Nizza, F-06364 Nizza, www.nice.fr AUFTR AG NE HM E R: Nice Eco Stadium (Tochtergesellschaft von VINCI) FINANZ IE RUNG : Private-Public-Partnership-Modell (PPP) 20 6 | 2014 G EN ER A LU N TE RN E H M E R: VINCI Concessions Rhône Alpes, www.vinci.com ARC H I T EK T U R : Wilmotte & Associés, F-75012 Paris, www.wilmotte.fr T R AG W ER KSP L AN U N G : ISOSIS et EGIS Bâtiment, F-78286 Guyancourt Cedex, www.egis.fr STAH L BAU : SMB Construction Metallique, F-22440 Ploufragan, www.smb-cm.fr MO N TAG E : G.M.G. General Montaggi Genovesi S.r.l., I-16128 Genua, www.generalmontaggigenovesi.it FOTOS: ALLIANZ RIVIERA/MILÈNE SERVELLE — 1 P R OJ E K T Fußballstadion Nizza FA Z I T D ass es überhaupt möglich ist, eine derart komplexe Geometrie dieser Größenordnung mit so vielen Bauteilen und Anschlussknoten zu errichten, kann als Meisterleistung bezeichnet werden. Sie ist das Ergebnis optimaler Zusammenarbeit zwischen allen Planungsbeteiligten, in Kombination mit modernsten Software-Programmen und dem Ingenieursverstand, der sie sowohl richtig einzusetzen weiß als auch die jeweiligen Ergebnisse des iterativen Annäherungsprozesses zu deuten versteht. Das Ziel, ein leichtes und weiches Tragwerk zu schaffen, haben die Planer dank Holz und den Tausenden von Gelenkverbindungen erreicht. - www.lignardo.de ↑ Optisch entstand eine Gitterstruktur aus Holz mit aufgeständerter Membran. 6 | 2014 21