Tagung Ingenieurgeologie 2011 Berlin - Beer GIS

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Tagung Ingenieurgeologie 2011 Berlin - Beer GIS
18. Tagung für Ingenieurgeologie und Forum „Junge Ingenieurgeologen“
Berlin 2011
Einbindung geologischer Basisdaten in das kommunale GIS der Stadt
Straubing und deren zeitabhängige Betrachtung
Integration of geological base data into the municipal GIS of the town of Straubing (Germany)
and time-related modelling
Silvia Beer, Gerhard Lehrberger, Kurosch Thuro 1
Zusammenfassung
Für die Stadt Straubing in Niederbayern wurde am Lehrstuhl für Ingenieurgeologie der TU München eine GIS-Anwendung entwickelt,
die die Untergrundverhältnisse der Stadt darstellt. Um die Geodaten sinnvoll in ein kommunales GIS einbinden zu können, wurde ein
Datenmodell, auf dem eine Geodatenbank mit komplexer Unterordnerstruktur basiert, erstellt. Dabei war die Darstellung der quartären
Donauablagerungen, die mehrere, unterschiedlich alte Terrassenkomplexe bilden, der zentrale Aspekt. Die Morphologie des Stadtgebietes
wird durch die Terrassenkanten wesentlich geprägt. Um eine bessere Datengrundlage zu schaffen, wurde eine geologisch-morphologische
Kartierung des Gebiets durchgeführt; dabei wurden auch anthropogene Überprägungen, wie der Abbau von Kies und Lösslehm, der zur
Ziegelherstellung genutzt wurde, erfasst. Darüber hinaus wurden Daten aus Ämtern, Archiven, Firmen und von Privatpersonen in die
Anwendung integriert. Durch die Einbindung der Daten in das städtische Geoinformationssystem wurden Fragen zur Darstellung
zeitabhängiger Prozesse in einem kommunalen GIS aufgeworfen, die derzeit Thema der Forschung sind.
Schlüsselworte: Kommunales GIS, Stadtgeologie, Straubing, anthropogene Überprägung
Abstract
The Chair for Engineering Geology of the Technische Universität München developed a GIS application for the town of Straubing, Bavaria. The application describes the geological settings of the town. Based on a data-model a geodatabase with a complex folder structure
was created to guarantee a reasonable data integration. The most important part was the embedding of the geological data. The sediments
and erosive forces of the Danube, which form several terraces, have an uppermost impact on the town’s morphology. To enhance the
existing data in the topic, a geological-morphological mapping was accomplished. In this context also anthropogenic interventions, for
example gravel or loam pits of the brick industry, were mapped. Additional data from administrative offices, archives, companies and
private person were used for the project. Since the integration of the GIS-based datasets into the municipal GIS of Straubing questions
about the presentation of time-related processes in a municipal GIS are posed.
Key words: Municipal GIS, urban geology, Straubing, anthropogenic overprint
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Einleitung
griffe in die Naturlandschaft durch Abbauflächen, die vorher im heutigen Stadtgebiet als wesentlich geringer eingestuft wurden, aufgezeigt.
Seit einigen Jahren steigt gerade im kommunalen Bereich
die Bedeutung von geographischen Informationssystemen.
Bei einer Vielzahl von Fragestellungen, die von sozialen
Themen bis zu bautechnischen Fragen der Untergrundbeschaffenheit reichen, stellen GI-Systeme wertvolle Entscheidungshilfen dar. Im Zuge einer GIS-Offensive der
Stadt Straubing wurde im Rahmen der hier vorgestellten
Arbeit (Beer 2009) eine Geodatenbank entwickelt, deren
Inhalte den Straubinger Untergrund beschreiben, Dieses
Projekt, speziell für den kommunalen Nutzungsbereich,
kann bislang als einzigartig in Bayern bezeichnet werden,
da neben einer kartographischen Darstellung geologischer
Gegebenheiten auch anthropogene Überprägungen (Abbaugruben von Kies und Lehm oder die Folgen der Bombenabwürfe des Zweiten Weltkriegs) mitintegriert wurden.
Durch diese Arbeit wurden die enormen Ausmaße der Ein1
Auch der Themenkomplex der Eigenlogik (Berking & Löw
2008) von Städten ist in diesem Zusammenhang nicht zu
vernachlässigen, der wesentlich mit geogenen Einflussfaktoren – wie der Morphologie oder dem Vorhandensein
von Rohstoffen – in Zusammenhang steht. So konnte gezeigt werden, dass ein Großteil des städtischen Flächenverbrauchs im Zuge des Siedlungsbaus nach 1945 durch
ehemalige Abbauflächen gedeckt wurde.
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Projektgebiet
Die Stadt Straubing liegt im Donautal zwischen Regensburg
und Passau etwa 40 km südöstlich von Regensburg. Tekto-
Dipl.-Geol. Silvia Beer, Technische Universität München, Lehrstuhl für Ingenieurgeologie, [email protected]
Dr. Gerhard Lehrberger, Technische Universität München, Lehrstuhl für Ingenieurgeologie, [email protected]
Prof. Dr. Kurosch Thuro, Technische Universität München, Lehrstuhl für Ingenieurgeologie, [email protected]
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nisch gesehen ist dieses Gebiet von einer Senkungsstruktur,
der Regensburg-Straubinger Senke, geprägt, die bei der
selektiven Hebung des Vorderen Bayerischen Waldes entlang der Donaurandstörung entstand. Die Beckenstruktur ist
mit mesozoischen und känozoischen Sedimenten gefüllt.
Die Morphologie der Stadt wird vor allem von den Ablagerungen der Donau und deren erosiver Wirkung bestimmt. Daher spielten bei der Entwicklung der GISAnwendung für den zentralen Teil des Stadtgebiets mit
einer Fläche von 23 km2 vor allem die quartären Einheiten
eine zentrale Rolle. Diese gliedern sich in pleistozäne und
holozäne Kieskörper, wobei die kaltzeitlichen Sedimente
durch ihre Terrassentreppung deutliche Stufen in der Landschaft bilden. Auf diesen Terrassentreppen siedelten sich
bereits in der Steinzeit Menschen an. Sie fanden dort
fruchtbare Böden auf den bis zu 8 m mächtige Lagen aus
Löss bzw. Lösslehm. Lösslehm wurde in Straubing schon
seit der Römerzeit zur Herstellung von Ziegeln verwendet.
Vor allem seit der Industrialisierung ist die Morphologie der
Stadt daher auch von menschlichen Einflüssen bestimmt, da
sich gerade im Süden der Stadt mehrere Ziegeleibetriebe
mit ihren Gruben befanden, die noch heute durch Geländekanten abzugrenzen sind. Daneben treten noch eine Reihe
weiterer künstlicher Überprägungen auf, die relevant für die
Untergrundbeschaffenheit sind, so etwa alte Deponieflächen
und verfüllte Bombenkrater als Altlastenverdachtsflächen.
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Aus Archiven und Museen wurden historische Karten sowie
archäologische Daten der Region zusammengetragen. Letztere waren von besonderer Bedeutung, da viele archäologische Funde in alten Lehmabbauen gemacht wurden und so
ehemalige Abbaubereiche lokalisiert werden konnten. Mit
Hilfe von Postkarten und alten Plänen aus Privatsammlungen konnte die ehemalige morphologische Situation, ebenso
wie die Standorte von Ziegeleien rekonstruiert werden.
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Integrierte Daten
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Ergebnisse und Diskussion
Da bisher keine ausreichend detaillierte geologische Karte
des Stadtgebiets veröffentlicht wurde, erfolgte im Zuge
einer dreimonatigen Kartierung im zentralen Siedlungsgebiet Straubings eine Erfassung der geologischen und vor
allem geomorphologischen Situation im Maßstab 1:5.000.
Dabei ist zu beachten, dass die Morphologie durch zahlreiche anthropogene Einflüsse, wie etwa durch Verkehrswege (z. B. Unterführungen und Eisenbahndämme), Hochwasserschutzbauten oder Abbaugruben vor allem der
Ziegelindustrie und Auffüllungsmaßnahmen überprägt wurde. Die Ergebnisse aus dieser Kartierung wurden in der
GIS-Anwendung umgesetzt (Abb. 1). Ergänzt wurden die
geologischen Aussagen durch die Einbettung von Bohrungen und Grundwassermessstellen.
Zusätzlich wurden die akquirierten Daten der Fragestellung
entsprechend ausgewertet. So wurden aus den historischen
Karten ehemalige Donauläufe rekonstruiert und mit Hilfe
von Flurnamen auf geologische Eigenschaften des Untergrunds geschlossen.
Aus Luftbildern von 1945 konnten Risikoflächen für Bombenblindgänger im Untergrund sowie sämtliche Auffüllungsflächen abgegrenzt werden. Neuere Luftbilder lieferten Informationen zum Abbaufortschritt in den Ziegellehmgruben. Desweiteren konnte die Siedlungsentwicklung
in aufgelassenen Grubenarealen verfolgt werden. Dies zeigt,
dass die Siedlungstätigkeit keinesfalls als willkürlich zu
bezeichnen ist, sondern einem logischen Ansatz folgt, an
dem die Geologie einen wesentlichen Anteil hat (Berking &
Löw 2008).
Geobasisdaten
Die Dienststellen der Stadt Straubing stellten umfangreiche
Daten zur Verfügung. So beispielsweise die Digitale Flurkarte, die als Basis für eine genaue geomorphologische Kartierung unerlässlich ist. Des Weiteren wurden Höhenliniendaten und Luftbilder von Befliegungen der Alliierten aus
dem Zweiten Weltkrieg abgegeben. Darüber hinaus stellte
das Stadtplanungsamt den digitalen Flächennutzungsplan
zur Verfügung.
Im Rahmen der Förderung von Abschlussarbeiten durch das
Bayerische Landesamt für Vermessung und Geoinformation
konnte das Digitale Geländemodell für das Projektgebiet
genutzt werden. Allerdings lag zu diesem Zeitpunkt nur ein
Modell mit einer Auflösung von 10 m vor.
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Umsetzung in GIS
Die Prozessierung der Daten und die Generierung der Geodatenbank erfolgte in ArcGIS Desktop der Firma ESRI.
Verwendung fand dabei ArcInfo 9.2. Zur Datenverwaltung
wurde ArcCatalog, zu kartographischen Arbeiten ArcMap
und zu dreidimensionalen Darstellungszwecken ArcScene
verwendet.
Die Geodatenbank basiert auf einer „Personal Geodatabase“. Diese wurde mit verschiedenen „Feature Datasets“, die als Stammtabellen bezeichnet werden können,
versehen. In diesem Fall wurden die „Datasets“ „Abbauspuren“, „Amtliche Daten“, „Geologie“ und „künstliche
Überprägungen“ erzeugt. Darin befinden sich die jeweiligen
Objektklassen („Feature Classes“), die als Punkt-, Linienoder Polygon-Objektklasse noch mit speziellen Eigenschaften (Subtypen) ausgestattet sind. Diese lassen eine
weitere Untergliederung innerhalb dieser Klassen zu. Es
wurden insgesamt 35 Objektklassen für diese Anwendung
erzeugt.
Der Datenbestand, der in die Anwendung eingebunden
wurde, gliedert sich generell in Geobasisdaten und Fachdaten.
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Fachdaten
Zentrum der Anwendung ist die Darstellung der ingenieurgeologischen Gegebenheiten des Straubinger Untergrunds.
Bislang existiert eine Manuskriptkarte des geologischen
Dienstes des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU) im
Maßstab 1:50.000 (Schellmann et al. unveröff.). Diese wurde als Übersichtskarte in die GIS-Anwendung integriert.
Zusätzlich wurde vom LfU die Rohstoffkarte für das Gebiet
um Straubing und Bohrdaten aus der Region zur Verfügung
gestellt.
Ebenso fanden auch Daten von Grundwassermessstellen
und Brunnen der Rhein-Main-Donau AG und der Stadt
Straubing Verwendung.
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Abb. 1: Auschnitt aus der geologischen Karte mit Terrassen durch die Erosion kleiner Bäche (A), geologischen Grenzen
(B), anthropogener Terrassentreppung (D) und Terrassenoberkanten der Donau (C), sowie Terrassen der Donau: älterer
(a), mittlerer (b) und jüngerer (c) Hochterrassen und Niederterrasse 1 (d) bzw. 2 (e), außerdem Holozäner Terrasse 4 (f)
und 7 (g). Darüber hinaus sind ein pleistozäner Niederterrassenkanal (h), ein holozäner Paläomäander (i) und die
Talfüllung des Allachbaches und des Ziehbrückenbaches (j) abgebildet
Fig. 1: Geological map of Straubing - detail from the geological map in GIS with terraces formed by brook erosion (A),
geological borders (B), terrace upper edges of the Danube (C) and anthropogenic terrace steps (D) and gravel plains of the
Danube: Pleistocene: older (a), middle (b) and younger (c) high terrace, lower terrace 1 (d) and 3 (e). Holocene: terrace 4
(f) and terrace 7 (g). Pleistocene lower terrace channel (h), Holocene paleo-meander (i) and valley filling of the Allach
Ziehbrücken brooks (j)
Bereits die steinzeitlichen Siedler nutzten das Areal oberhalb der Donauaue auf dem heutigen Stadtgebiet
Straubings, weil dort einerseits der Schutz vor Hochwasser
gewährleistet war, andererseits genügend Frischwasser aus
mehreren Bächen, sowie fruchtbares Ackerland und Rohstoffe zur Erzeugung von Töpferwaren zur Verfügung standen.
Auch für die Entwicklung der Siedlung bis zur häutigen
Stadt wurde dieses Areal bevorzugt. Ab der zweiten Hälfte
des 19. Jh. war der Reichtum an Bodenschätzen, in diesem
Fall Lösslehm, als Standortfaktor von Bedeutung für die
Entwicklung zahlreicher Ziegeleibetriebe. Nach der Ausbeutung der Rohstoffe wurden die Flächen, bedingt durch
das kontinuierliche Bevölkerungswachstum in Straubing
nach 1945 einer sekundären Nutzung zugeführt. Die Flächen wurden oft teilverfüllt und als Baugebiete ausgeschrieben. In die GIS-Anwendung sollen nun auch zeitabhängige, geologische und anthropogene Prozesse einfließen,
wie dies an anderer Stelle für kulturelles Erbe erfolgt ist
(Hosse 2005).
Derzeit werden die Daten der Grundwasserpegeländerungen
im Jahresgang und die damit verbundenen Änderungen der
Grundwasseroberfläche auf ihre zeitabhängige Darstellbarkeit in GIS ausgewertet.
Mit der Einbindung geologischer Daten in das kommunale
GIS der Stadt Straubing ist ein leistungsfähiges Instrument
entstanden, das die Belange der Stadtplanung, des Tiefbaus,
der Denkmalpflege und anderer städtischer Aufgabenbereiche berücksichtigt. Zukünftig stellen sich die Aufgaben, die
vorhandene Anwendung noch effizienter zu gestalten und
eine umfassende Datenintegration auf Basis eines wissenschaftlich fundierten Datenmodels unter Berücksichtigung
zeitabhängiger Prozesse zu realisieren.
Literatur
Beer, S. (2009): Ermittlung von geologischen Basisdaten
und deren Einbindung in das kommunale GIS der Stadt
Straubing. – Unveröff. Dipl. Arb., Lehrstuhl für Ingenieurgeologie, TU München, 108 S., München.
Berking, H. & Löw, M. (2008): Die Eigenlogik der Städte.
Neue Wege für die Stadtforschung. – 334 (Campus).
Schellmann, G., Irmler, R. & Sauer, D. (unveröff.): Geologische Karte von Bayern 1:50.000. Blatt Nr. L7141
Straubing. – Unveröff. geol. Manuskriptkarte (Bayer. L.Amt f. Umwelt).
Hosse, K. (2005): Objektorientierte Modellierung und Implementierung eines temporalen Geoinformationssystems
für kulturelles Erbe. – Diss., Fak. f. Bauingenieur- und Vermessungswesen, Technische Universität München, 154 S.,
München.
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