Latniak/IAT, 18
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Latniak/IAT, 18
1 Anka Pawlik, Renate Teucher, Bernd Lederer Wie kann die Kompetenzentwicklung in der beruflichen Bildung zur Gestaltung von betrieblichen Veränderungsprozessen gefördert werden? Ein Konzeptansatz zur Reflexion von Erfahrungen in Veränderungsprozessen Zielsetzung Die Kompetenzentwicklung in der globalen Wissensgesellschaft ist nicht nur eine der aktuellen Herausforderungen beruflicher Aus- und Weiterbildung. Hierzu bedarf es einer neuen Lernkultur. Das Forschungsvorhaben "Kompetenzentwicklung in Veränderungsprozessen Auswertung und multimediale Umsetzung von Ergebnissen aus Modellversuchen und Forschungsprojekten" im Forschungskorridor 4 des BIBB geht von der Grundannahme aus, das Kompetenzentwicklung im großen Maße informell und selbst organisiert im beruflichen und sozialen Umfeld stattfindet, das es jedoch wenig Wissen darüber gibt, wie diese Lernprozesse ablaufen, und wie innovative Lernkonzepte gestaltet werden sollten, die eine effiziente Kompetenzentwicklung ermöglichen. Daraus ergab sich eine Reihe noch nicht hinreichend geklärter Fragen, aus denen der Untersuchungsauftrag für das Forschungsvorhaben formuliert wurde: Kompetenzentwicklung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung bedarf spezifischer lernförderlicher Umfeldbedingungen sowie unterstützender didaktisch-methodischer Instrumentarien. Aus diesem Untersuchungsauftrag wurden folgende Forschungsfragen abgeleitet: • Inwieweit wird die Rolle der Kompetenz in betrieblichen Entwicklungsprozessen wahrgenommen und in welchem Verhältnis steht sie zu den originären Interessen und Zielen in der Organisation? • Wie beeinflussen soziale und betriebliche Umfeldbedingungen die Kompetenzentwicklung? Und welche Aufschlüsse geben darüber persönliche Erfahrungsberichte von Veränderungen? 2 • Was sind Lernsituationen und methodische Ansätze, die Kompetenzentwicklung ausgerichtet an betrieblichen Arbeits- und Entwicklungsprozessen fördern? Welche Ansatzpunkte liefern hier persönliche Erfahrungsberichte von Veränderungsprozessen? Die aufgeworfenen Fragen waren nicht allein mit empirischen Momentaufnahmen ausreichend zu beantworten, sondern bedürfen längerfristiger prozessbegleitender Untersuchungen. Mit der Analyse von visualisierten persönlichen Erfahrungsberichten betrieblicher Veränderungsprozesse wird hier ein neuer methodischer Ansatz zur Gestaltung und Erforschung von Lernprozessen aufgegriffen. Erwartet wurde aus der Untersuchung die Erschließung eines multimedialen didaktisch-methodischen Ansatzes zur Kompetenzentwicklung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Zur Förderung der Kompetenzentwicklung in Veränderungsprozessen wurden die Ergebnisse der Untersuchung für eine multimedial aufbereitete Dokumentation (CDROM) aufbereitet und entwickelt. Ansatz Forschungsgegenstand Als Untersuchungsgegenstand im Forschungsvorhaben "Kompetenzentwicklung in Veränderungsprozessen" standen Langzeitdokumentationen betrieblicher Reorganisationsprozesse zur Verfügung. Das Fallmaterial unterschiedlichster Betriebe besteht aus individuellen Erfahrungsberichten, die den Reorganisationsprozess reflektieren, sowie Realszenen, die Situationen und Abläufe des Veränderungsprozesses abbilden. Das Fallmaterial ist vorwiegend in der begleitenden Dokumentation von Forschungsprojekten der Organisations- und Personalentwicklung im Rahmen von Forschungsprogrammen des BMBF wie "Qualitätsmanagement", "Produktion 2000" und "Arbeit und Technik" des BMBF entstanden. Die Medienwerkstatt Berlin e.V. hat ausgewählte Projekte mit dem Auftrag, neue Wege im Ergebnistransfer zu erschließen, mit der Kamera begleitet, zum Teil über Wochen, Monate oder sogar Jahre. Zusätzlich wurde ein Fallbeispiel aus einem laufenden Modellversuch der beruflichen Weiterbildung als Momentaufnahme (Interviews an zwei Tagen) aufgenommen. 3 Methodische Anlage Die eingesetzten Methoden in den Fallstudien waren offene Interviews und teilnehmende Beobachtungen. Die Grundmethodik wurde auf die Erfassung komplexer Organisations- und Arbeitsprozesse, die nicht allein rational, sondern auch intuitiv, emotional und informell ablaufen, ausgerichtet. Sie weist folgende Spezifik auf: • audiovisuelle Aufnahmen der Interviews, von Realprozessen und -situationen; • Begleitung von Reorganisationsprozessen über einen längeren Zeitraum; • Befragung von unterschiedlichen Akteuren der Reorganisation, Initiatoren, Beteiligten und Betroffenen, zu verschiedenen Zeitpunkten des Reorganisationsprozesses; • die relative Offenheit der Interviews, ausgerichtet an einem Interviewleitfaden mit einer Fragehierarchie, die an der Beschreibung von Situationen und Abläufen ansetzt und bis zur Reflexion der Ergebnisse und Erfahrungen ging. Das Ergebnis der Interviews waren persönliche Erfahrungsberichte, die eine individuelle Wahrnehmung der Veränderungsprozesse widerspiegeln. Erwartet wurden aus der Auswertung des Fallmaterials Erkenntnisse über Einfluss von Kompetenzen auf betriebliche Veränderungsprozesse und die Entwicklung von Kompetenzen in offenen betrieblichen Entwicklungs- und Arbeitsprozessen, die im großem Maße informell ablaufen und selten bewusst wahrgenommen werden. Diese Erkenntnisse sollten in ein multimediales Lernkonzept eingehen. Die Visualisierung individueller Erfahrungsberichte betrieblicher Reorganisationsprozesse wie sie in dem Vorhaben entwickelte wurde, sollte die Fallstudien als qualitative Methodik der Analyse und Auswertung von modernen Arbeits- und Organisationsstrukturen erweitern und damit der Forschung und der Entwicklung eines multimedialen Lernkonzepts dienen. 4 Ansatz und Vorgehen Im Forschungsvorhaben wurde bewusst ein interdisziplinärer Ansatz verfolgt, der Kompetenzen der Berufsbildungsforschung der sozial- und betriebwirtschaftlichen Forschung mit Kompetenzen der Medienpädagogik und -didaktik zusammenführte. Aus dem interdisziplinären Vorgehen wurde die Berücksichtigung organisations- und arbeitswissenschaftlicher, betrieblicher und berufsbildungsbezogener Aspekte in der Analyse erwartet. Aus dem vorhandenen Fallmaterial wurden acht Fallbeispiele ausgewählt. Kriterien für die Auswahl waren Qualität und Umfang des Materials. Gleichzeitig sollten die Fallbeispiele repräsentativ sein für Betriebe unterschiedlicher Branchen, Größe, Alter etc. Zusätzlich wurde ein Modellversuch der beruflichen Bildung als Momentaufnahme aufgenommen1, in dem vertiefter der Einfluss der Biografie und des sozialen Umfeldes auf die Kompetenzentwicklung berücksichtigt wurde. Das Fallmaterial wurde ausgewertet und nach vier zentralen Fragestellungen der nalyse strukturiert: • Was waren Anstöße der Reorganisation, welche Interessen und Ziele standen hinter dem Reorganisationsprozess? • Wie ist der Prozess verlaufen, was waren wesentliche Phasen und Maßnahmen? • Welche neuen Anforderungen stellte die Reorganisation an Fach- und Führungskräfte? Was wurde getan, dass sie diesen Anforderungen gerecht wurden? • Was waren Ergebnisse der Reorganisation? Wurden die Ziele erreicht? Was hat den Prozess befördert bzw. behindert? In der Folge wurde untersucht, welche Erkenntnisse die Fallstudien über Kompetenz und Kompetenzentwicklung in Veränderungsprozesse liefern und inwieweit die virtuellen Erfahrungsberichte einen methodischen Ansatz zur Kompetenzerschließung und -entwicklung bieten. Im Ergebnis der Analyse wurden Arbeits- und Diskussions- 1 Fallbeispiel 04 Daxenberger 5 thesen formuliert und zu den virtuellen Erfahrungsberichten ein methodischer Reflexionsansatz entwickelt, der im Teil "Reflexion" der CD-ROM vorgestellt wird. Gleichzeitig wurden erste Experteninterviews zu aktuellen Ergebnissen und Forschungsfragen der Kompetenzforschung geführt. Die Interviews hatten vor allem zwei Funktionen: zum einen bildeten sie den theoretischen Hintergrund für die Untersuchungen im Vorhaben, zum zweiten ging es darum, einen neuen Zugang zum Expertenwissen im Bereich der Kompetenzforschung zu erschließen und dieses für das Lernkonzept zu nutzen. Ingesamt folgte das forschungsmethodische Vorgehen im Vorhaben einer qualitativen Ausrichtung, die in der Berufsbildungsforschung bisher wenig profiliert ist. Die relative Offenheit der Methodik, die audiovisuelle Dokumentation, die interdisziplinäre Fallanalyse und die multimediale Ergebnispräsentation stellen eine Erweiterung qualitativ ausgerichteter Forschungsmethodiken dar. Darin werden u.a. neue Möglichkeiten einer interdisziplinären Forschungsarbeit, der Evaluation und des Ergebnistransfers gesehen. Diskussions- und Arbeitshypothesen Im Forschungsvorhaben haben wir uns bewusst für einen offenen Forschungsansatz entschieden. Folgende Arbeits- und Diskussionsthesen wurden formuliert: • Unterschiedliche Kompetenzkomponenten und -strukturen initiieren und beeinflussen den Reorganisationsprozess wie Wahrnehmungsfähigkeit, Entwicklung und Kommunikation von Visionen und Leitbildern. Sie sind augenscheinlich bei Personen in Führungspositionen und mit akademischen Bildungsabschlüssen stärker ausgebildet, obwohl Beispiele wie Mettler Toledo oder Daxenberger zeigen, dass auch Fachkräfte mit beruflichen Abschlüssen über diese Kompetenzpotentiale verfügen. 6 • Die Entwicklung differenzierter Bewältigungsstrategien in betrieblichen Veränderungsprozessen, die von hohem Engagement bis zur Verweigerung reichen, lassen auf starke Wechselbeziehungen zwischen Kompetenz, offenen Entwicklungsund Arbeitssituationen und Kompetenzentwicklung schließen. Diese Annahme weist darauf hin, bisherige Ansätze lernförderlicher Arbeit neu zu hinterfragen. • In dem Maße, wie Regulierungen und Regeln in offenen Entwicklungs-, Arbeitsund Lernsituationen versagen, scheint ein Organisationsansatz zu greifen, der Eigenverantwortung und Selbstorganisation zwischen "harten" und "weichen" Polen zulässt und fördert. Bewusst formuliert wird dieser Ansatz einzig bei Mettler Tolledo. Beispiele dafür finden sich jedoch wenn es um die Polarisierung von Tradition und Innovation bei Daxenberger und Faller oder um die ergebnisorientierte Teamarbeit bei EKO geht. • Die Reflexion von Erfahrungen in der Verbindung mit kommunikativen Rückkopplungsprozessen ist eine Kompetenz-/Umfeldbedingung für eine erfolgreiche Gestaltung von offenen Entwicklungs-, Arbeits- und Lernsituationen. Erfahrungsberichte sind ein methodischer Ansatz, der diesen Prozess offensichtlich unterstützt. Reflexionskonzept Die auf der CD-ROM präsentierten 9 Fallbeispiele aus der ökonomischen Praxis beinhalten eine Vielzahl unternehmerischer Erfahrungen, die in und mit Veränderungsprozessen gemacht wurden. Sie beziehen sich auf die Ursachen, Verlaufsformen und Ergebnisse dieser Veränderungsprozesse und umfassen auch die hierbei als notwendig erkannten Kompetenzen und deren Erwerb. Dem Nutzer der CDROM wird hier die Gelegenheit geboten, eigene Erfahrungen und Eindrücke, die beim Lesen, Sehen und Hören des Fallmaterials gewonnen wurden, kritisch zu reflektieren. Hierzu werden "Instrumente" in Form strukturierter Frageleitfäden angeboten, die dabei helfen sollen, insgesamt drei Reflexionsebenen zu "erklimmen". 7 Im einzelnen sind dies: • Die Ebene der Fallreflexion. Hier wird jedes einzelne Fallbeispiel für sich genommen auf strukturierte Weise rekapituliert. • Die Ebene der Vergleichsreflexion. Hier werden die einzelnen Fallbeispiele nach verschiedenen Aspekten in Relation zueinander bewertet. • Die Ebene der Transferreflexion. Hier besteht die Gelegenheit, die Situation in Ihrer eigenen Organisation zu durchdenken, insbesondere mit Blick auf den Transfer gewonnener Erkenntnisse in zukünftige Veränderungsprozesse. Ziel aller Reflexionsangebote ist letztlich das Einüben einer nach Ebenen differenzierten Reflexionsfähigkeit, mit der weitergehende Selbstlernprozesse initiiert werden sollen. Reflexion wird hier als Kategorie der Erfahrung verstanden, wobei der menschliche Verstand den jeweiligen Erfahrungsstoff ordnet, strukturiert, bewertet und immer wieder anpasst, eben reflektiert. Reflexivität ist dabei aber nicht nur als eine veritable personale Kompetenz zu verstehen, sondern vielmehr auch als Grundlage jedweder Bildung zu betrachten. Reflexion ist nämlich nachgerade konstitutiv für Bildung. Bildung steht in diesem Sinne für die reflektierte Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit und Umwelt, m.a.W. für reflexiven Selbst- und Weltbezug. Bildung ist, so verstanden, dann immer auch der Persönlichkeitsformung bzw. Identitätsbildung verpflichtet. Erst ein kritisches Überdenken einschlägiger Erfahrungen und Zusammenhänge und die selbsttätige Formulierung entsprechender Konsequenzen eröffnet letztlich Prozesse substanzieller Bildung. Die CD-ROM „Kompetenzentwicklung in der beruflichen Bildung“ Die CD-ROM mit ihrer multimedialen Ergebnispräsentation kann einerseits als Möglichkeit genutzt werden, Ergebnisse des Forschungsvorhabens in einer breiten Fachöffentlichkeit zu kommunizieren. Andererseits stellt die CD-ROM einen neuen mediendidaktischen Ansatz zur Kompetenzentwicklung in der beruflichen Bildung vor: Virtuelle Erfahrungsräume als Mög- 8 lichkeit der Kompetenzentwicklung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. In der virtuellen Fallarbeit soll Reflexionsfähigkeit2, als eine entscheidende Kompetenz zur Gestaltung und Bewältigung von Veränderungen, entwickelt werden. Die CD-ROM „Kompetenzentwicklung in der beruflichen Bildung“ verknüpft in ihrem mediendidaktischen Design vier Inhaltsbereiche: neben einer „Einführung“ die „Theorie“ zur Vermittlung des theoretischen Hintergrundwissens, die „Fallbeispiele“ als Gegenstand des Lernprozesses und die „Reflexion“ mit der Methodik zur reflexiven Fallarbeit und zum Transfer der Lernprozesse. Abb. 1: Startseite der CD-ROM Neun Fallbeispiele betrieblicher Veränderungsprozesse bieten den virtuellen Erfahrungsraum. Die Erfahrungsberichte von Akteuren, Beteiligten und Betroffenen bieten 2 Der Reflexionsbegriff ist an der aktuellen Siehe dazu auf der CD-ROM unter „Reflexion / Konzept“. bildungstheoretischen Diskussion ausgerichtet. 9 ausreichend Stoff, sich mit der Frage auseinander zusetzen, wie Menschen Veränderungen gestalten bzw. bewältigen. Die alphabetische Reihenfolge der Fälle ist bewusst gewählt, da nicht die Wertung der betrieblichen Veränderungsprozesse, sondern die Analyse der individuellen Kompetenzen und ihre Rolle im Veränderungsprozess im Vordergrund stehen. Alle Fälle sind gleich strukturiert. In der Falleinführung werden das Unternehmen und die Personen, die ihre Erfahrungsberichte der betrieblichen Veränderung einbringen, vorgestellt. Im Fallmaterial kann auf die Erfahrungsberichte zugriffen werden. Sie sind Ausschnitte aus Interviews, die zum Teil über einen längeren Zeitraum geführt wurden. Die Wiedergabe der individuellen Erfahrungen im Video verleiht ihnen eine hohe Authentizität. In der Fallreflexion kann jedes einzelne Fallbeispiel auf strukturierte Weise mit einem Leitfaden rekapituliert werden. Die Strukturierung des Fallmaterials in die vier Bereiche „Anstöße, Prozess, Anforderungen und Ergebnisse“ steht für unterschiedliche Reflexionsebenen. Die Erfahrungsberichte in Anstöße und Prozess spiegeln die individuelle Wahrnehmung des Veränderungsprozesses bezogen auf Ursachen, Ziele und Verlauf wieder. In den Berichten über neue Anforderungen werden die Auswirkungen der Veränderungen auf die eigene Person stärker reflektiert, findet Reflexion auf einer nächst höheren Ebene statt. In den Ergebnissen finden sich reflektierte Erfahrungen der Veränderung wieder, eine nächste Reflexionsebene, die eine bereits reflexive individuelle Auseinandersetzung mit Veränderungsprozessen erfordert. 10 Abb. 1: Fallbeispiele In der Arbeit mit dem Fallmaterial sollen die Nutzer die Reflexion als Kompetenz zur Gestaltung und Bewältigung von Veränderungsprozessen erkennen und gleichzeitig die eigene Reflexionsfähigkeit entwickeln. Für diesen Lernprozess bietet die CDROM unter „Reflexion“ den bildungstheoretischen und konzeptionellen Ansatz sowie das methodische Instrumentarium zur Fallreflexion, Vergleichsreflexion und Transferreflexion. 11 Abb. 3: Reflexion In der Fallreflexion sollen fallbezogen Ursachen, Verlauf und Ergebnisse der Veränderungsprozesse rekapituliert, hemmende und fördernde Faktoren von Veränderungen erkannt und die Rolle der Kompetenz in diesen Prozessen analysiert werden. In der Vergleichsreflexion sind die Fallbeispiele vergleichend zu analysieren und qualitativ zu bewerten. Diese Reflexion auf der Metaebene soll dazu beitragen, die Ursachen von Erscheinungen in ihrer Wechselwirkung besser zu erkennen und generelle Einflussfaktoren von Veränderungen zu identifizieren. Auf der dritten und höchsten Reflexionsebene der Transferreflexion ist die veränderungsgeprägte Situation im eigenen Unternehmen zu überdenken. In der Reflexion der Fallbeispiele sollen gewonnene Erkenntnisse und Erfahrungen auf Veränderungsprozesse im eigenen Unternehmen übertragen werden. Frageleitfäden unterstützen die Reflexion auf allen drei Ebenen. Als eine weitere Hilfe für die analytische Reflexion wurde das mediendidaktische Konzept des „Moderators“ entwickelt und exemplarisch im Fall 04 „Daxenberger“ umgesetzt. Der „Mode- 12 rator“ ist ein Experte, der im Interview das Fallbeispiel bewertet. Im Vergleich mit den eigenen Ergebnissen der Reflexion ist der „Moderator“ auch eine neue Form der Erfolgskontrolle im eLearning. Mit dem Theorieteil auf der CD-ROM wird davon ausgegangen, dass der didaktische Wert von Fallarbeit nur gegeben ist, wenn theoretisches Hintergrundwissen vorhanden ist. Gleichzeitig zeigt dieser Teil der CD-ROM einen neuen Weg, sich mittels IuKTechnologien theoretisches Wissen in der beruflichen Bildung zu erschließen. Experten stellen im Interview ihre Erkenntnisse zum Kompetenzbegriff, zur Kompetenzentwicklung und zur Kompetenzmessung i.S. einer Kompetenzbewertung vor. Aus mediendidaktischer Sicht unterstützt sowohl der persönliche Bezug zu den Experten als auch die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Ansätzen die Aneignung theoretischen Wissens. Gerade in interdisziplinären Forschungsbereichen wie der Kompetenzforschung kann das ein interessanter Ansatz sein, sich theoretisches Wissen zu erschliessen. Abb. 4: Experten zur Kompetenz 13 Mit der CD-ROM als Beitrag zur Ergebnispräsentation von Lernprozessen und mit einem kompetenzförderlichen Lerntransferkonzept hat das Forschungsvorhaben „Kompetenzentwicklung in Veränderungsprozessen - Auswertung und multimediale Umsetzung von Ergebnissen aus Modellversuchen und Forschungsprojekten“ Neuland beschritten. Die vorliegende CD-Rom „Kompetenzentwicklung in der beruflichen Bildung“ bietet Gelegenheit, diesen methodisch-didaktischen Ansatz zur Kompetenzentwicklung in der beruflichen Bildung in einer breiten Fachöffentlichkeit zu diskutieren und mit diesem Ansatz bei einer Erprobung und Evaluierung Erfahrungen zu sammeln, um diese bei einer Weiterentwicklung des Ansatzes und der Konzept-CDRom zu nutzen3. Angesprochen sind Experten aus der Bildungsforschung und praxis. Fragestellungen: • Welchen Stellenwert hat für Sie die Reflexionsfähigkeit als Kompetenz zur Gestaltung und Bewältigung von Veränderungsprozessen? • Wie bewerten Sie den methodisch-didaktischen Ansatz zur Entwicklung der Reflexionsfähigkeit in der beruflichen Bildung? • Wie bewerten Sie die mediendidaktische Umsetzung? • Wo sehen Sie Entwicklungsbedarf in der mediendidaktischen Umsetzung als eLearning-Angebot für die berufliche Bildung, welche Veränderungen und Ergänzungen schlagen Sie vor? • Welche Bedingungen und Möglichkeiten sehen Sie für den Einsatz eines eLearning-Angebotes zur Kompetenzentwicklung, insbesondere zur Förderung der Reflexionsfähigkeit in der beruflichen Aus- und Weiterbildung? 3 vgl. BIBB-Forschungsvorhaben Nr. 3.0.541 „Erprobung und Evaluation der CD-Rom ‚Kompetenzentwicklung in der Beruflichen Bildung - Reflexion von Erfahrungen in Veränderungsprozessen‘“ 14 Im Rahmen der regen Diskussion im Workshop wurde die gruppenbezogene Reflexion von Erfahrungen in Veränderungsprozessen als besonders wertvoll angesehen. Quellen Arbeitsgemeinschaft Qualifikations-Entwicklungs-Management (Hrsg.), Kompetenzentwicklung 2000: Lernen im Wandel - Wandel durch Lernen, Münster usw. 2000 Arbeitsgemeinschaft usw.: Arbeiten und Lernen. Lernkultur Kompetenzentwicklung und Innovative Arbeitsgestaltung. Quem-report Heft 67, Berlin 2001 Arnold, R. (Hrsg.), Lebendiges Lernen, Baltmannsweiler 1996 BIBB (Hrsg.): Forschungskorridor 4 "Berufliche Kompetenzentwicklung in der Wissensgesellschaft - Gestaltung beruflicher Aus- und Weiterbildung im Wandel", Bonn 2003 Bolder, A.,/Hendrich: Fremde Bildungswelten. Alternative Strategien lebenslangen Lernens, Opladen 2000 Borutta, A./Münchhausen, G./Wittwer, W.: Individuelle Kompetenz als Stabilisierungsfaktor bei Veränderungsprozessen - Neue Lernkonzepte in KMU's. In: BIBB (Hrsg.): Das BIBB als Werkstatt: Lebensbegleitendes Lernen. Die Bedeutung des beruflichen Erfahrungslernens für die Kompetenzentwicklung, (mit CD Rom zum 4. Fachkongress), Bonn 2002 15 Bruch, H.: Wissens- und kompetenzorientiertes Management in virtuellen Strukturen: Konzepte - Spannungsfelder - neue Wege. In: Sattelberger, Th.: Wisenskapitalisten oder Söldner? Personalarbeit in Unternehmensnetzwerken des 21. Jahrhunderts. Wiesbaden 1999, S. 97-148 Franke, G.: Komplexität und Kompetenz: Ausgewählte Fragen der Kompetenzforschung. Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.), Bonn 2001 Erpenbeck, J./Heyse, V.: Die Kompetenzbiographie. Strategien der Kompetenzentwicklung durch selbstorganisiertes Lernen und multimediale Kommunikation, Münster usw. 1999 Greif, S./Kurtz, H.-J. (Hrsg.): Handbuch Selbstorganisiertes Lernen, Göttingen usw. 1996 Habermas, J.: Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz. In: Habermas, J.,Luhmann, N.: Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie, Frankfurt/M. 1971 Marchl, G.: Gruppenarbeit im lernenden Unternehmen: Hintergrundwissen und Konzepte zur Gestaltung von bedarfsgerechten Personalentwicklungsmaßnahmen. In: BIBB (Hrsg.), Bielefeld 2001 Pawlik, A., Münchhausen, G., Wittwer, W.: Veränderungen besser meistern! Kompetenzentwicklung zur Bewältigung von Veränderungsprozessen - Modellversuche erproben neue Lernkonzepte in KMU. In: BWP, Heft 1/2003, S. 14-18 Pawlik, A./Münchhausen, G.: AK 3.2 „Wie können Lernkonzepte Veränderungsprozesse in kleinen und mittleren Unternehmen unterstützen?“ In: BIBB (Hrsg.): Berufs- 16 bildung für eine globale Gesellschaft. Perspektiben im 21. Jahrhundert. 4. BIBBFachkongress 2002. Ergebnisse und Ausblicke. Begleitbroschüre zur CD-Rom, Bonn 2003 Pawlik, A./Münchhausen, G./Paulsen, B.: Ergebnise des AK 3.2 „Wie können Lernkonzepte Veränderungsprozesse in kleinen und mittleren Unternehmen unterstützen“ In: BIBB (Hrsg.): CD-Rom mit Ergebnissen des 4. BIBB-Fachkongresses, Bonn 2003 Siebert, H.: Nachhaltigkeit des Lernens und neue Lernkulturen. In: Grundlagen der Weiterbildung, 2/2002, S. 114-117 Sonntag, K.: Lernen im Unternehmen. Effiziente Organisation durch Lernkultur, München (Innovatives Personalmanagement, Bd. 7) 1996 Schüßler, I.: Deutungslernen. Erwachsenenbildung im Modus der Deutung - Eine explorative Studie zum Deutungslernen in der Erwachsenenbildung, Hohengehren, 2000 Wittwer, W.: Als Wanderarbeiter im Cyberspace. Berufliche Bildung auf der Suche nach einer neuen Identität. In: Wittwer, W. (Hrsg.): Von der Meisterschaft zur Bildungswanderschaft. Berufliche Bildung auf dem Weg in das Jahr 2000. Bielefeld 1996, S. 11 - 39 Wittwer, W.: Biografieorientierte Weiterbildung für Veränderungsprozesse. In: BIBB (Hrsg.): Berufsbildung für eine globale Gesellschaft. Perspektiven im 21. Jahrhundert. 4. BIBB-Fachkongress 2002, AK 3.2, Bonn 2003 (CD-Rom) 17 Anhang: Reflexionsleitfäden (Folien) 1. Fallreflexion 1. Die Ausgangssituation: Gründe für Veränderungsprozesse und entsprechende Zielsetzungen a) Von welchen konkreten Veränderungsprozessen ist das Unternehmen betroffen? b) Was waren die konkreten internen und externen Auslöser der Veränderungsprozesse? c) d) Welche Folgen und Auswirkungen hatten diese Veränderungsprozesse - auf der individuellen Ebene - auf der Ebene von Arbeitsgruppen und Abteilungen - auf der Ebene des Gesamtunternehmens Welche Folgerungen wurden daraus gezogen, welche Veränderungsbedarfe ergaben sich daraus, wie lauteten die entsprechenden konkreten Zielsetzungen? 2. a) Verlauf der Veränderungsprozesse Welche Phasen des Vp konnten unterschieden werden? 18 b) Was waren positive und negative Einflussfaktoren? Neue Kompetenzen a) Welcher Kompetenzbedarf wurde in den Veränderungsprozessen attestiert? b) Welche Kompetenzen waren bereits vorhanden, welche mussten erst entwickelt werden? c) Wie wurden die neuen Kompetenzen erworben? 2. Vergleichsreflexion Möglichkeiten und Grenzen einer vergleichenden Reflexion - Inwiefern sind die einzelnen Fälle überhaupt vergleichbar? - Wo gibt es grundsätzliche Unterschiede zwischen den einzelnen Unternehmen, in welcher Hinsicht sind die Fallbeispiele prinzipiell nicht vergleichbar? Gemeinsamkeiten und Parallelen a) Welche Veränderungsprozesse wurden in allen/den meisten Fallbeispielen diagnostiziert? b) Gibt es interne und externe Auslöser dieser Veränderungsprozesse, die in allen/den meisten Fallbeispielen auftraten? 19 c) Welche vergleichbaren Folgen und Auswirkungen hatten diese Veränderungsprozesse auf - der individuellen Ebene - auf der Ebene von Arbeitsgruppen und Abteilungen - auf der Ebene des Gesamtunternehmens? d) Gibt es Veränderungsbedarfe und entsprechende Zielsetzungen, die in allen/den meisten Fallbeispielen formuliert wurden? e) Welche positiven und negativen Einflussfaktoren traten im Verlauf aller/der meisten Fällen auf? Welche individuellen und organisationalen Widerstände waren hierbei in der Regel zu beobachten? f) Welche Kompetenzen wurden in allen/den meisten Fällen als erforderlich erachtet? Wie wurden diese zumeist vermittelt bzw. angeeignet? Relationale Bewertung - Welches Unternehmen hat Ihrer Einschätzung zufolge die Veränderungsprozesse am besten bewältigt und warum? - In welchem Unternehmen traten hingegen die größten Probleme auf und warum? - Was hätte Ihrer Meinung nach besser gemacht werden können bzw. müssen? Bezugnahme zur eigenen Situation - Welches Fallbeispiel/welche Fallbeispiele betrachten Sie als am ehesten vergleichbar mit Ihrer eigenen gegenwärtigen oder auch möglichen zukünftigen Situation? - Welche Beispiele für gelungene Bewältigungsprozesse waren für Sie persönlich am hilfreichsten und weshalb? 20 3. Transferreflexion (Leitfaden zur Reflexion der Veränderungsprozesse in Ihrem Unternehmen) Die Ausgangssituation: Gründe für Veränderungsprozesse und entsprechende Zielsetzungen a) Von welchen konkreten Veränderungsprozessen war/ist Ihr Unternehmen betrof fen? b) Was waren/sind die konkreten internen und externen Auslöser der Veränderungsprozesse? c) Welche Folgen und Auswirkungen hatten/haben diese Veränderungsprozesse - für den einzelnen? - für Arbeitsgruppen und Abteilungen? - für das Gesamtunternehmen? - für die Unternehmensumwelt?4 d) Welche Folgerungen ziehen Sie daraus, 4 Hier sollen Sie sich die Frage stellen, inwiefern die Veränderungsprozesse durch gesellschaftliche Einflussfaktoren verursacht wurden bzw. werden. Es geht also um die Reflexion der ökonomischen, sozialen, politischen oder auch soziokulturellen Ursachen der zu bewältigenden Veränderungsprozesse. 21 welche Veränderungsbedarfe ergaben/ergeben sich daraus, wie lauteten/lauten die entsprechenden konkreten Zielsetzungen? Verlauf der Veränderungsprozesse a) Welche Phasen des Veränderungsprozesses haben Sie wahrgenommen/nehmen Sie wahr? b) Was waren/sind positive und negative Einflussfaktoren - für den einzelnen? - für Arbeitsgruppen und Abteilungen? - für das Gesamtunternehmen? - für die Unternehmensumwelt?5 Neue Kompetenzen a) Welcher Kompetenzbedarf wurde/wird in den Veränderungsprozesse attestiert? b) Welche Kompetenzen waren/sind bereits vorhanden? c) Welche Kompetenzen mussten erst entwickelt werden? d) Wie wurden/werden die neuen Kompetenzen erworben? 5 Es geht hierbei um die Frage, welche Auswirkungen die Veränderungsprozesse und die Maßnahmen zu ihrer Bewältigung für die umfassende gesellschaftliche Ebene, in die Ihre Organisation eingebettet ist und mit der sie durch zahlreiche Rückkopplungsbeziehungen wechselwirkt, zeitig(t)en. 22 - Wer steuert(e) den Prozess? - Welche konkreten Maßnahmen wurden/werden ergriffen? - Welche Widerstände traten/treten auf? e) Welche Kompetenzen bieten Ihnen bzw. den Mitarbeitern auch in der Freizeit hohen Nutzen?6 Ergebnis und Transfer der Erfahrungen a) Sind sie zufrieden mit den Ergebnissen des Vp und der entsprechenden Maßnahmen? Wie definieren Sie das Verhältnis von IST zu SOLL? b) Was wurde im Zuge der Veränderungsprozesse konkret gelernt? c) Was würden Sie heute von Beginn an anders machen? d) Wie geht es in Ihrem Unternehmen weiter, was sind die nächsten Ziele? e) Welche der gemachten Erfahrungen können für zukünftige Herausforderungen genutzt werden? Stellenwert der Reflexionsebene: - Stärkung des interaktiven Charakters der CD-Rom 23 - Reflexion ist als personale Kompetenz zu betrachten, die für die Gestaltung und Bewältigung von Veränderungsprozessen unverzichtbar ist Reflexion schlägt die Brücke von der Kompetenz- zur Bildungsthematik, lässt sich Bildung doch als „reflexiver Selbst- und Weltbezug“ fassen. (Kompetenzen sind nicht mit Bildung gleichzusetzen, wenngleich starke inhaltliche Übereinstimmungen zu konstatieren sind.) Anschlussvorhaben: Empirische Auswertung der Reflexionsergebnisse mit dem Ziel eines Trainingskonzepts zur Förderung der Reflexionsfähigkeit. 6 Hier stellt sich Ihnen die Frage, inwiefern die entwickelten Kompetenzen auch für andere, ausserorganisationale Anwendungen von Nutzen sind. Es geht somit um eine mögliche Transferierbarkeit der in beruflichen Zusammenhängen erworbenen und angewandten Kompetenzen in private Lebensbereiche und umgekehrt. Gerade vor dem Hintergrund der im gegenwärtigen Strukturwandel gründenden Notwendigkeit eines lebenslangen Lernens gewinnt der Aspekt der Generalisierbarkeit individueller Kompetenzen seine herausragende Bedeutung.