Neue Strategien zur Behandlung thermisch
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Neue Strategien zur Behandlung thermisch
314 Originalarbeit Neue Strategien zur Behandlung thermisch geschädigter Hände unter Berücksichtigung des Epithelersatzes Suprathel® New Strategies for the Treatment of Thermally Injured Hands with Regard to the Epithelial Substitute Suprathel® Autoren C. Uhlig, M. Rapp, K.-K. Dittel Institut Klinik für Unfallchirurgie – Zentrum für Schwerbrandverletzte, Marienhospital, Stuttgart Schlüsselwörter " Behandlung von Handl verbrennungen " moderne Hautersatzl verfahren " Epithelersatz Suprathel® l " Einsparung von Transl plantaten " neue Strategie l Zusammenfassung Abstract ! ! Bei der Behandlung thermisch geschädigter Hände hat sich in den letzten 20 Jahren ein Wandel zur frühen Nekrektomie und Spalthauttransplantation ergeben. Gegenüber einer konservativen Behandlung mit antimikrobiellen Salben hat sich dadurch der Outcome hinsichtlich Funktion und Kosmetik verbessert. Inzwischen bestehen aber durch neue Hautersatzmaterialien Möglichkeiten, unnötige Transplantationen vor allem bei Verbrennungen mit unklarer Tiefe zu vermeiden. Der neue Epithelersatz Suprathel® zeichnet sich durch eine erhebliche Schmerzminderung nach Applikation auf 2-gradigen Verbrennungen aus. Damit kann eine raschere Mobilisierung der Patienten erreicht werden. Zahlreiche Handverbrennungen konnten mit Suprathel® ausbehandelt werden, ohne dass wesentliche Narben oder Funktionseinschränkungen verblieben. In unserem Zentrum wurden zwischen Januar 2004 und Juli 2006 76 Patienten mit Handverbrennungen stationär behandelt. Nur bei 28 (25,7 %) aller betroffenen 109 Hände musste primär eine Transplantation mit Spalthaut durchgeführt werden. 78 Hände (71,6%) wurden zunächst nur mit Suprathel® behandelt. Bei 3 Händen wurden andere Therapieverfahren gewählt. Acht der ursprünglich mit Suprathel® behandelten Hände (10,3%) erforderten eine gezielte Nachtransplantation, 70 (89,7 %) heilten allein unter Suprathel® aus. Es konnten zahlreiche Spalthauttransplantationen der Hände vermieden werden. Aufgrund der guten Erfahrungen mit Suprathel® wurde das Therapiekonzept zur Behandlung thermisch geschädigter Hände neu abgestimmt. The treatment of thermally injured hands has changed in the last 20 years. An early necrectomy and grafting with split-skin grafts is recommended by most burn specialists. The outcome in regard to cosmetic and functional results could be improved by early grafting. Meanwhile unnecessary grafts in burns with indeterminate depth can be avoided by new skin replacements. The new epithelial substitute Suprathel® is marked by a considerable reduction of pain if it is applied on second degree burns. Therefore the mobilisation of the burned patient can be accelerated. Many hand burns were treated by Suprathel® in our burn centre without severe scarring and without loss of function. We treated 76 inpatients with thermally injured hands in our burn centre from January 2004 to July 2006. Only 28 (25.7 %) of all 109 afflicted hands required a primary skin grafting. Suprathel® was applied primarily in 78 hands (71.6 %). 3 hands were treated otherwise. 8 of the hands which were primarily treated by Suprathel® (10.3 %) required a well-aimed grafting after one or two weeks, 70 (89.7 %) had a complete epithelisation without grafting. Many skin grafts could be avoided. We modified our strategy for the treatment of burned hands by our excellent experiences with Suprathel®. Key words " treatment of burned hands l " modern skin substitutes l " epidermal substitute l Suprathel® " less grafts l " new strategy l eingereicht 20. 1. 2007 akzeptiert 18. 3. 2007 Bibliografie DOI 10.1055/s-2007-965234 Handchir Mikrochir Plast Chir 2007; 39: 314 – 319 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart • New York • ISSN 0722-1819 Korrespondenzadresse Dr. med. Christian Uhlig Klinik für Unfallchirurgie – Zentrum für Schwerbrandverletzte Marienhospital Böheimstraße 37 70199 Stuttgart [email protected] Uhlig C et al. Neue Strategien zur … Handchir Mikrochir Plast Chir 2007; 39: 314 – 319 Originalarbeit Einleitung ! Hände gehören bei thermischen Verletzungen zu den am häufigsten betroffenen Körperteilen, da sie meist unbekleidet sind und auch reflexartig als Abwehrreaktion gegen eine Hitzequelle eingesetzt werden. Trotz des mit 2 % Körperoberfläche relativ kleinen Areals einer Hand kommt der Therapie der Handverbrennungen eine herausragende Bedeutung zu. Mehr als andere Körperregionen schränken die Hände im Falle einer Verbrennung die Handlungsfähigkeit des Betroffenen nachhaltig ein. Der Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit hängt nach einer Handverbrennung von der Belastbarkeit der Haut ab [3]. Dies gilt insbesondere für handwerkliche Berufe [20]. Aber auch der kosmetische Aspekt verbrannter Hände darf nicht unterschätzt werden [1, 6]. Sichtbare Narben an den Händen sind für alle Tätigkeiten mit Publikumsverkehr ein erhebliches Hindernis. In den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurden thermisch tief dermal geschädigte Hände überwiegend abwartend mit antimikrobiellen Salben behandelt, bis sich eine klare Notwendigkeit zur Transplantation ergab [22]. Dies führte aber zu einer verzögerten Rekonvaleszenz mit lang anhaltenden Bewegungsstörungen der Finger. So setzte sich in der Folgezeit allmählich die Überzeugung durch, dass eine frühe und eher großzügige Transplantation der Hände zu einer schnelleren Schmerzfreiheit und damit zu einer raschen Mobilisierbarkeit der Hände führt [2, 4, 9,11, 23]. Die Anzahl der Folgeeingriffe konnte reduziert werden [19]. Dieses Vorgehen berücksichtigt auch, dass die Festlegung der tatsächlichen Verbrennungstiefe an der Hand nach wie vor trotz aller moderner Verfahren Schwierigkeiten bereiten kann [7]. Im Verlauf der letzten 10 Jahre wurden zahlreiche Hautersatzmaterialien entwickelt, die es ermöglichen sollen, eine Spalthauttransplantation zu verschieben oder zu vermeiden [12,13,18]. Ein anderer Ansatz sind die mit nanokristallinem Silber imprägnierten Handschuhe, welche eine konservative Behandlung brandverletzter Hände bei voller Mobilisierbarkeit erlauben sollen [10]. Dabei ist selbstverständlich zu unterscheiden, ob es sich um oberflächlich, tief oder ganz dermale Verbrennungen handelt. Bei sicher 3-gradigen Verbrennungen der Hände gilt nach wie vor eine frühe Spalthauttransplantation als „Golden Standard“ [14]. Menschliche Spenderhaut und Hautersatzverfahren wie Integra werden in der frühen Phase einer Handverbrennung eher zurückhaltend eingesetzt, auch wenn in jüngerer Zeit über ermutigende Ergebnisse nach Anwendung von Integra und späterer Spalthauttransplantation bei 3-gradigen Verbrennungen berichtet wird [5]. Bei 3-gradigen Handverbrennungen mit Läsionen der Strecksehnen ist in jedem Fall mit einer dauerhaften funktionellen Beeinträchtigung zu rechnen [16]. Patienten und Methode ! Im Jahr 1999 wurde in der Region Stuttgart – Tübingen ein Kompetenzzentrum mit dem Teilprojekt: „Hautersatz bei Verbrennungen“ gegründet. An diesem Projekt waren das Textilforschungsinstitut in Denkendorf und die Klinik für Unfallchirurgie des Marienhospitals Stuttgart beteiligt. Als Ergebnis dieses Projektes wurde im Jahr 2004 der synthetische und resorbierbare Epithelersatz Suprathel® in den Markt eingeführt. Bei Suprathel® handelt es sich um eine plastisch verformbare Membran aus Polylactid, Trimethylencarbonat und e-Caprolacton. Vor der Lizenzierung des Produktes war eine 2-teilige bizentrische Studie Abb. 1 59 Jahre alter Patient. Ein Tag nach Lichtbogenverletzung und oberflächlichem Débridement. Deutlich sichtbar sind die weißlichen Bezirke auf den Streckseiten der Finger und auf dem Handrücken sowie die begleitende Schrumpfung der Haut in diesem Bereich. Dies deutet auf eine zumindest 2b-gradige Verbrennung hin. Abb. 2 Gleicher Patient 6 Tage nach dem Unfall und 5 Tage nach Applikation von Suprathel® und Fettgaze. Das Material ist vollständig adhärent. durchgeführt worden, mit der belegt werden konnte, dass Suprathel® eine signifikante Reduktion von Schmerzen sowohl auf Spalthautentnahmestellen als auch auf 2a-Verbrennungen bewirkt [8, 21]. Suprathel® hat hervorragende Handlingeigenschaften, es haftet durch seine Adhäsivkräfte sofort auf der Wunde und verbleibt zusammen mit einer Lage Fettgaze bis zur endgül" Abb. 2). Voraussetzung für die tigen Reepithelisierung in situ (l ® Wirksamkeit von Suprathel ist allerdings, dass im Wundgrund noch regenerationsfähige Strukturen vorhanden sind. Kleinere 3-gradig verbrannte Areale innerhalb eines größeren Bezirkes mit 2-gradigen Läsionen können aber auch unter Suprathel® zur Ausheilung gebracht werden. In einer In-vitro-Studie konnte inzwischen belegt werden, dass Suprathel® ein ausgezeichneter Nährboden für Fibroblasten- und Keratinozytenkulturen ist [15]. Suprathel® wurde im Zentrum für Schwerbrandverletzte am Marienhospital Stuttgart seit 2004 als Standardverfahren bei der Behandlung Brandverletzter eingeführt. Im Rahmen der großflächigen Anwendung auf 2-gradigen Verbrühungen und Verbrennungen konnten Patienten mit bis zu 95% betroffener Körperoberfläche mit Suprathel® zur Ausheilung gebracht werden. Prinzipiell ist bei einer primären Versorgung tief 2-gradiger Uhlig C et al. Neue Strategien zur … Handchir Mikrochir Plast Chir 2007; 39: 314 – 319 315 316 Originalarbeit Abb. 3 Gleicher Patient 3 Wochen nach dem Unfall. Nur noch Teile des Suprathel® sind adhärent. Die übrigen Areale auf den Fingern und auf dem Handrücken sind überwiegend reepithelisiert. Areale mit Suprathel® die Möglichkeit einer Nachtransplantation schlecht heilender Areale im Rahmen einer „Secondlook“-Maßnahme vorgesehen. Zwischen Januar 2004 und Juli 2006 wurden im Marienhospital Stuttgart 178 Brandverletzte stationär behandelt. 76 dieser Patienten (42,7 %) wiesen Handverbrennungen unterschiedlicher Tiefe auf, wobei lediglich 12 Patienten (15,8 %) ausschließlich Handverbrennungen erlitten hatten. 33 Brandverletzte waren an beiden Händen betroffen, sodass insgesamt 109 verbrannte Hände in dem o. g. Zeitraum behandelt wurden. Alle Patienten mit sicher 3-gradigen flächenhaften Verbrennungen an den Händen wurden primär mit autogener Spalthaut transplantiert. Alle 2a- bis 2b-gradigen Verbrennungen der Hände wurden dagegen primär lediglich débridiert und mit Suprathel® versorgt. Die Art des Débridements richtete sich nach der Tiefe der Verbrennung. Bei sicher 2a-gradigen Verbrennungen wurden die Blasen nur stumpf abgetragen. Lagen Verbrennungen vor, bei denen durch stumpfe mechanische Bearbeitung der Oberfläche zum Beispiel mit einer Bürste keine kapillaren Blutungen zu erzielen waren, so wurde eine tangentiale Nekrektomie mit einem Fingerdermatom durchgeführt. Im Rahmen einer retrospektiven Studie wurden u. a. folgende Parameter überprüft: " Wie viele Hände waren primär transplantationspflichtig? " Wie viele Hände waren zunächst ausschließlich mit Suprathel® versorgt worden? " Wie viele Hände mussten nach einer Versorgung mit Suprathel® noch mit Eigenhaut nachtransplantiert werden? Ergebnisse ! Bei den 76 Patienten, die in dem o. g. Zeitraum wegen Verbrennungen der Hände stationär behandelt wurden, handelt es sich um 58 Männer und 18 Frauen, was einer Verteilung von 76,3 % zu 23,7 % entspricht. Bei 33 Patienten (43,4 %) waren beide Hände betroffen, bei 24 (31,6 %) ausschließlich die rechte Hand und bei 19 (25,0 %) ausschließlich die linke Hand. Die durchschnittlich verbrannte Körperoberfläche aller 76 Patienten betrug 14,6 % (minimal 1% bei ausschließlicher Verbren- Abb. 4 a und b Gleicher Patient 8 Monate nach dem Unfall. Es ist ohne Spalthauttransplantation zu einer stabilen und narbenarmen Epithelisierung bei freier Funktion gekommen. nung einer Hand – maximal 95% bei einer ausgedehnten Verbrühung des ganzen Körpers). Der durchschnittliche stationäre Aufenthalt betrug 25,0 Tage. Pro Patient waren durchschnittlich 2,2 Eingriffe unter Operationsbedingungen notwendig (von 0 bis 17 Einriffe). Davon wurden durchschnittlich 1,5 Eingriffe an den Händen durchgeführt (von 0 bis 11 Eingriffe). Bei 57 Patienten (75 %) wurde zumindest an einer Hand zu Beginn der Behandlung ausschließlich der alloplastische Epithelersatz Suprathel® appliziert. Dies betraf 78 (71,6%) von 109 behandelten Händen. Bei 20 Patienten (26,3 %) musste primär zumindest an einer Hand (insgesamt 28 Hände = 25,7%) eine Spalthauttransplantation vorgenommen werden. Bei 3 Patienten wurde eine Hand primär wegen der größeren Tiefe der Verbrennung transplantiert, die andere Hand primär mit Suprathel® behandelt. 2 Patienten wiesen so geringgradige Verbrennungen der Hände auf, dass lediglich eine Therapie mit Fettgaze beziehungsweise Panthenolsalbe notwendig war. Bei den 57 primär mit Suprathel® behandelten Patienten musste 6 × an einer Hand und 1 × an beiden Händen mit Spalthaut eine Nachtransplantation in einem umschriebenen Areal vorgenommen werden. Dies entspricht 8 von ursprünglich 78 mit Suprathel® behandelten Händen (10,3 %) beziehungsweise 7 von 57 Patienten (12,3%). Dementsprechend benötigten 50 Patienten (87,7 %) beziehungsweise 70 Hände (89,7 %) nach der primären Anwendung von Suprathel® keine weiteren Eingriffe mehr, um Uhlig C et al. Neue Strategien zur … Handchir Mikrochir Plast Chir 2007; 39: 314 – 319 Originalarbeit eine vollständige Epithelisierung zu erreichen. Nach einer entsprechenden krankengymnastischen Übungsphase traten bei keiner dieser Hände bleibende Funktionsstörungen auf. Insbesondere mussten im Gegensatz zu 5 transplantierten Händen keine Schwimmhautfaltenkorrekturen vorgenommen werden " Abb. 1 bis 4). (l Die 54 ursprünglich nur mit Suprathel® behandelten Patienten (Gruppe A) wurden durchschnittlich 18,1 Tage (2 – 67 Tage) stationär behandelt, die 20 Patienten mit transplantationspflichtigen Verbrennungen (Gruppe B) an den Händen 48,6 Tage (8 – 114 Tage). Allerdings wies die Gruppe B mit durchschnittlich 22,1% eine deutlich größere primäre Verbrennungsfläche auf als die Gruppe A (12,2 %). Die Gruppe A benötigte im Durchschnitt 1,1 (0 – 2) Eingriffe an den Händen unter Operationsbedingungen, die Gruppe B 2,7 (1 – 11) Eingriffe. Diskussion ! Bevor Suprathel® in unserem Zentrum als Epithelersatz bei Verbrennungen und Verbrühungen regelmäßig eingesetzt wurde, war die Indikation zur Transplantation thermisch geschädigter Hände großzügig gestellt worden. Zum einen war der Verbrauch an Spalthauttransplantaten bei Handverbrennungen im Verhältnis zu anderen Flächen eher gering; zum anderen war das funktionelle Ergebnis nach konservativer Behandlung mit antimikrobiellen Salben oft unbefriedigend. Die Dauer des stationären Aufenthaltes und der Rehabilitation konnte durch die großzügige und frühzeitige Transplantation der Hände verkürzt werden, was andere Autoren bestätigen [4,11,18]. Durch Suprathel® steht aber seit 2004 eine ganz neuartige Therapieform zur Verfügung, die eine schmerzarme und ungestörte Regeneration vorhandener Strukturen bei thermischen Schädigungen erlaubt. Die Schmerzreduktion ist nachgewiesen [8, 21], eine frühzeitige Mobilisation der Hände ist somit unter Suprathel®-Behandlung ebenfalls möglich. Die positiven Erfahrungen, welche im Rahmen der Zulassungsstudie mit Suprathel® hinsichtlich Heilungsverlauf und Handhabung gewonnen werden konnten, wurden in unserem Zentrum ab 2004 auch auf Verbrennungen der Hände übertragen. Dies führte dazu, dass im Rahmen der stationären Behandlung nur noch 25,7 % aller thermisch geschädigten Hände primär mit Spalthaut transplantiert wurden. Bis auf 3 Hände, die lediglich eine unspezifische Wundbehandlung mit Panthenolsalbe benötigten, wurden alle übrigen Hände (71,6%) einer primären Suprathel®-Behandlung zugeführt. Davon heilten immer" Abb. 1 bis 4). Bei den hin 89,7 % ohne weitere Maßnahmen aus (l übrigen 8 Händen, welche trotz Suprathel®-Behandlung mit Spalthaut nachtransplantiert werden mussten, handelt es sich aber nicht um Therapieversager. Vielmehr zeigte sich, dass bei Handverbrennungen unterschiedlicher Tiefe mit 3-gradigen Anteilen ein kosmetisch günstigeres und funktionell zumindest gleichwertiges Ergebnis erreicht werden kann, wenn zunächst die Regenerationsfähigkeit vorhandener Strukturen durch Suprathel®-Applikation ausgenützt wird und eine begrenzte Nach" Abb. 5 bis 7). Auf transplantation nach 8 – 10 Tagen erfolgt (l diese Weise können störende Narben in den Randbezirken von Transplantaten (so genanntes „Overgrafting“) und großflächige Pigmentstörungen ebenso vermieden werden wie manche Schwimmhautfalten, welche nach Transplantationen der Übergänge vom Handrücken zum Finger häufig zu beobachten sind [23]. Durch eine gezielte Nachtransplantation verlängert sich der durchschnittliche stationäre Aufenthalt nur unwesentlich Abb. 5 a und b 53 Jahre alter Patient nach Lichtbogenverbrennung beider Hände. Unfalltag, vor Débridement. von 18,1 Tagen in der Gruppe mit ausschließlicher Suprathel®Behandlung auf 21,1 Tage in der Gruppe mit Nachtransplantation. Aufgrund unserer guten Erfahrungen mit Suprathel® haben wir ein abgestuftes Konzept zur Behandlung thermisch geschädigter Hände entwickelt, welches uns erlaubt, Verbrennungen der Hände mit teilweise undefinierbarer Tiefe eher abwartend zu behandeln. Berichte aus neuerer Zeit [24] stimmen mit unseren Erfahrungen überein, dass bei zurückhaltender Verwendung von Spalthauttransplantaten im Bereich der Hände keine schlechteren Ergebnisse erzielt werden. Ausschließlich 2a-Verbrennungen oder Verbrühungen werden nach einem oberflächlichen Débridement eventuell in Kurznarkose mit Suprathel® versorgt und für 3 Tage in einem Faustverband ruhiggestellt. Die Dislokation des Epithelersatzes durch mechanische Alteration muss in den ersten Tagen vor allem über den Grundgelenken der Finger vermieden werden. Danach ist eine Verbandtechnik mit Einzelfingereinschluss möglich. Die volle Mobilisierung der Finger wird je nach Lokalisation der Verbrennungen nach 2 bis 5 Tagen begonnen, also zumindest nicht später als nach Spalthauttransplantationen. Die Epithelisierung ist meist innerhalb von 10 Tagen nach spontaner Ablösung des Suprathel® abgeschlossen. Narben entstehen nicht. Mit bleibenden Funktionseinschränkungen ist nicht zu rechnen. Thermische Schädigungen der Hände mit 2 b-Anteilen werden unter operativen Bedingungen teilweise scharf nekrektomiert und dann ebenfalls mit Suprathel® versorgt. Haftet das Supra- Uhlig C et al. Neue Strategien zur … Handchir Mikrochir Plast Chir 2007; 39: 314 – 319 317 318 Originalarbeit Abb. 6 a und b Gleicher Patient nach 14 Tagen. Auf beiden Händen wurde zunächst nach einem Débridement Suprathel® angewandt. Die linke Hand ist zwischenzeitlich komplett epithelisiert, die rechte Hand musste gezielt im Bereich des Handrückens und der Finger mit Spalthaut transplantiert werden. Abb. 7 a und b Gleicher Patient nach einem Jahr. An beiden Händen konnte ein narbenarmes Ergebnis bei freier Funktion erzielt werden. Die verzögerte Transplantation der rechten Hand nach vorheriger Suprathel®Anwendung hat zumindest zu keinem schlechteren Ergebnis geführt als nach einer primären Transplantation. thel® auf allen Arealen, kann 3 Wochen und länger bis zu einer vollständigen Epithelisierung abgewartet werden. In den Randbezirken wird sich allerdings schon vorher eine Abheilung durch Lösung des Suprathel® bemerkbar machen. Diskrete Narben sind möglich. So lang Suprathel® auf der Unterlage haftet, ist im Gegensatz zu anderen Materialien [12] nicht mit klinisch relevanten Infektionen zu rechnen. Löst sich Suprathel® in einem umschriebenen kleineren Bezirk des Handrückens ab, bevor eine Epithelisierung stattgefunden hat, so liegt hier meist eine 3-gradige Verbrennung vor. Ist der Bezirk nicht größer als 2 × 2 cm, kann unter antimikrobieller Behandlung zum Beispiel mit Lavasept-Gel eine Spontanheilung vom Rand her abgewartet werden, sofern in der Umgebung unter Suprathel® eine vollständige Epithelisierung eintritt. Mit umschriebener Narbenbildung ist hier zu rechnen, allerdings ist der kosmetische Aspekt selten schlechter als bei einem Transplantat. Bei den mit Suprathel® ausbehandelten Händen ist auch in Fällen mit umschriebenen tieferen Arealen nicht von einer bleibenden Funktionsfähigkeit auszugehen. Handelt es sich um einen größeren Bezirk, in dem das Suprathel® nicht haftet, so wird nach einer vorübergehenden antiinfektiösen Behandlung mit Lavasept-Gel gezielt nach ca. 10 Tagen ein Spalthauttransplantat aufgelegt. Der kosmetische Aspekt ist dann sehr vorteilhaft, weil die Übergänge zu den spontan heilenden Arealen nicht durch Overgrafting gestört werden. Sichere 3-gradige Verbrennungen der Hände werden nach einer antimikrobiellen Vorbehandlung mit Lavasept-Gel innerhalb von 3 – 5 Tagen débridiert und mit nicht gemeshten Spalthauttransplantaten versorgt. Dabei werden die Übergänge vor allem zur Hohlhand ebenfalls mit Suprathel® bedeckt. Dies hat den Vorteil, dass die häufig nur oberflächlich dermal verbrannte Hohlhand in den folgenden Tagen sehr schmerzarm ist. Außerdem können auch in diesem Bereich mit Suprathel® störende Overgrafting-Effekte vermieden werden. Sehr tiefe Verbrennungen der Hände mit freiliegenden beziehungsweise zerstörten Strecksehnen können unter Umständen zahlreiche Operationen (bis zu 11 Eingriffe an einem unserer Patienten) in Form von Nachtransplantationen und Frühkorrekturen der Fingerstellung erfordern. Gelegentlich müssen frühzeitig Fingergelenke mit Kirschner-Drähten temporär arthrodesiert werden [7,17], um Kontrakturen zu vermeiden. Bleibende Funktionsbehinderungen können in diesen Fällen nicht vermieden werden. Schlussfolgerung ! Thermische Schädigungen der Hände können erhebliche funktionelle und ästhetische Folgen nach sich ziehen. Bisher galt eine frühe Spalthauttransplantation der Hände als die erfolg- Uhlig C et al. Neue Strategien zur … Handchir Mikrochir Plast Chir 2007; 39: 314 – 319 Originalarbeit reichste Therapie, um eine rasche funktionelle Wiederherstellung bei überwiegend tief 2-gradigen Verbrennungen zu erreichen. Mit dem artefiziellen Epithelersatz Suprathel® steht eine Alternative zur Verfügung, die regenerationsfähigen Strukturen der Haut zu nutzen, ohne die Mobilisierung der Hände zu verhindern. Die Anzahl der tatsächlich notwendigen Transplantate kann durch Suprathel® erheblich vermindert werden. Overgrafting und Transplantat-bedingte Schwimmhautfalten können vermieden werden. Mit der Wiedererlangung der vollen Funktionsfähigkeit ist zu rechnen. Die Grenzen der Methode liegen dort, wo flächenhafte 3-gradige Verbrennungen an den Händen nach wie vor zu einer frühen Spalthauttransplantation zwingen. Ein zweizeitiges Vorgehen mit primärer Suprathel®-Applikation und sekundärer gezielter Spalthauttransplantation führt zur Einsparung von Spenderflächen und zu kosmetisch günstigeren Ergebnissen ohne Nachteil für die Funktionsfähigkeit der betroffenen Hand. Unsere Erfahrungen mit dem neuartigen Epithelersatz sind positiv und haben zu einem Verfahrenswechsel in der Behandlung brandverletzter Hände in unserem Zentrum geführt. Suprathel® wird inzwischen in zahlreichen Kliniken verwendet. Vergleichsstudien mit etablierten Materialien und Verfahren auch durch andere Untersucher sind aber erforderlich. Christian Uhlig Geb. am 30. 1. 1954 in Leipzig. Abitur 1973 in Stuttgart. Studium der Humanmedizin an der Universität Tübingen zwischen 1973 und 1980. Approbation zum Arzt 1980. Promotion zum Dr. med. an der Universität Tübingen 1981 mit dem Thema: „Zur paläopathologischen Differentialdiagnose von Tumoren an Skeletteilen“. Wehrpflicht als Stabsarzt (Truppenarzt und Fliegerarzt) in Deutschland, Sardinien und Kanada 1980 bis 1981. Assistenzarzttätigkeit in der Klinik für Unfallchirurgie am Katharinenhospital Stuttgart zwischen 1981 und 1982. Assistenzarzttätigkeit in der Klinik für Chirurgie am Marienhospital Stuttgart zwischen 1982 und 1988. Facharzt für Chirurgie seit 1988. Oberarzt an der Klinik für Chirurgie seit 1988. Verantwortlich für das Zentrum für Schwerbrandverletzte am Marienhospital seit 1988. Oberarzt in der neu gegründeten Klinik für Unfallchirurgie am Marienhospital Stuttgart seit 1990. Facharzt für Unfallchirurgie seit 1991. Mitglied in der American Burn Association seit 1993. Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin seit 1995. Tätigkeit für das Deutsche Zentrum für Biomaterialien und Organersatz Stuttgart – Tübingen seit 1998. Literatur 1 Borman H, Kostakoglu N: Hand burns in young patients – loss of selfsufficiency and economic productivity. Ann Plast Surg 1998; 40: 268 – 276 2 Brcic A: Primary tangential excision for hand burns. Hand Clin 1990; 6: 211 – 219 3 Cartotto R: The burned hand: Optimizing long-term outcomes with a standardized approach to acute and subacute care. Clin Plast Surg 2005; 32: 515 – 527 4 Corlett RJ: The treatment of deep burns of the hand. Aust NZ J Surg 1979; 49: 567 – 572 5 Dantzer E, Queruel P, Salinier L, Palmier B, Quinot JF: Dermal regeneration template for deep hand burns: Clinical utility for both early grafting and reconstructive surgery. 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