GESCHICHTE - Haus der Wirtschaft
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GESCHICHTE - Haus der Wirtschaft
HAUS DER WIRTSCHAFT Baden-Württemberg GESCHICHTE Von der Königlichen Centralstelle für Gewerbe und Handel zum Haus der Wirtschaft Baden-Württemberg Die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse drängen die D I E AU S G A N G S L A G E Z U A N FA N G D E S 19. JAHRHUNDERTS Menschen geradezu danach, die sich abzeichnenden Chancen der Industrialisierung zu ergreifen. Doch viele Hemm- Die Wirtschaft in Südwestdeutschland, vor allem in Württem- nisse stehen dem noch entgegen, nicht zuletzt Skepsis und berg, wird zu Anfang des 19. Jahrhunderts noch ganz vom Unverständnis. Agrarsektor bestimmt. Natürliche Rohstoffe besitzt das Land 1848 so gut wie keine. Über 90% der Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft, mit Am 24. Februar 1848, dem Tag, an dem in Paris die Revolu- hohem Arbeitsaufwand aber niedriger Produktivität. Der tion ausbricht, berät in Württemberg die 1830 gegründete bäuerliche Kleinbesitz zwingt zum Nebenerwerb - meist im Gesellschaft für die Beförderung der Gewerbe über Maßnah- textilen Hausgewerbe oder einem anderen Handwerk. Die men zur Linderung der Not und ersucht die Regierung um veraltete Dreifelderwirtschaft vermag die Lebensbedürfnisse Gründung einer eigenen Behörde, welche die einzelnen Ge- kaum noch zu befriedigen, Missernten bringen große Hun- werbe mit Rat und Tat unterstützen möge. gersnöte und Massenarmut. Die rasch wachsende Bevölke- Bereits am 8. Juni ruft König Wilhelm I die Königliche Cen- rung findet nicht genügend Arbeitsplätze, so dass Zehntau- tralstelle für Gewerbe und Handel ins Leben. Zu ihrem Vor- sende ihre Rettung nur in der Auswanderung, vor allem nach stand wird Oberregierungsrat Johann von Sautter berufen, Nordamerika sehen. Allein zwischen 1845 und 1854 emigrie- die Stelle eines Technischen Rates erhält der junge Ferdin- ren 10% der badischen und württembergischen Einwohner. and von Steinbeis (1807-1893). Damit beginnt die staatliche 3 Gewerbeförderung für Württemberg. für bestimmte geförderte Handwerks- und Industriezweige Die Aufgabe der neu gegründeten Institution erscheint am wichtig sind - mit dem Grundgedanken, Württemberg eine 11. August im Regierungsblatt. Eine der Hauptaufgaben be- blühende Veredelungsindustrie und ein solides Handwerk steht in der „Erwerbung von vorzüglichen Mustern, Werk- zu sichern. zeugen und Verfahrensarten und entsprechende Verwendung Die Centralstelle gibt eine eigene Zeitschrift, das Gewerbe- derselben für den vaterländischen Gewerbestand“. blatt, heraus, um „neue Entdeckungen und Erfahrungen so- 1850 wie sonst gemeinnützige Mitteilungen dem Gewerbe – und Zu diesem Zweck genehmigt Wilhelm I die Errichtung ei- Handelsstande zur Kenntnis zu bringen“. Die Zeitschrift nes Musterlagers und legt so den Grundstein für das spätere erscheint einmal wöchentlich und behandelt die verschie- Landesgewerbemuseum. Gesammelt wird, was der Gewerbe- densten Gebiete der Volkswirtschaft, Technik, Sozialpoli- bildung, dem technischen Fortschritt und dem Absatz dien- tik, Gewerbepflege und Statistik sowie des Kunstgewerbes. lich scheint und die Geschmacksbildung fördert: Maschinen, Außerdem unterrichtet es über Neuerscheinungen auf dem Werkzeuge, neue Erfindungen, Metallwaren, Webmuster, Büchermarkt, über Änderungen in den württembergischen Schätze von Weltausstellungen, Papiere, Porzellan, Gipsmo- Firmenregistern, über den Arbeitsmarkt, Veranstaltungen delle. Nach Steinbeis sollen als Kriterien gelten: „Schönheit und Ausstellungen sowie über Patenterteilungen und Ge- oder Reinheit der Form, Solidität der Ausführung und Wohl- brauchsmustereintragungen zugunsten württembergischer feilheit.“ Angekauft und ausgestellt werden Erzeugnisse, die Erfinder. Das Blatt besteht bis 1921. 4 1851 Steinbeis besucht als Regierungskommissar die Weltausstellung in London. Dort werden erstmals württembergische Erzeugnisse in einer zusammenhängenden Ausstellung einem internationalen Publikum gezeigt. Sie erringen zahlreiche Auszeichnungen. Auf weiteren Reisen durch England und Belgien studiert Steinbeis die wirtschaftlichen Verhältnisse in diesen Ländern, vor allem die Maßnahmen zur Förderung der Industrie. In den folgenden Jahren gelingt es durch Einführung und kostenloses Verleihen von Maschinen in Betrieben, durch Zuschüsse und durch Vermittlung ausländischer Vorarbeiter, der württembergischen Industrie wesentliche Impulse zu geben und Arbeitsplätze für Tausende zu schaffen. 1855 Auf der Weltausstellung in Paris bekommt die württembergische Industrie wieder viel Anerkennung für die gezeigten Leistungen. Auch in Württemberg selbst werden die Erfolge 1873 der Gewerbeförderung im Laufe der nächsten Jahre immer Inzwischen ist der Sammelbestand des Musterlagers auf deutlicher und König Karl ernennt Steinbeis zum Präsiden- 17.000 Produkte angewachsen. Die Räumlichkeiten in der ten der Centralstelle. ehemaligen Legionskaserne (Ecke Königs- und Tübingerstra- 1856 ße) sind viel zu klein, ein Neubau ist dringend erforderlich. Steinbeis organisiert anlässlich des Cannstatter Volksfestes die erste Landesausstellung moderner gewerblicher Produk- 1890-1896 te. Er richtet bei der Centralstelle eine Patentschriftensamm- Den Wettbewerb und den ersten Preis in Höhe von 7000 lung ein und fördert die Gründung der ersten Handwerker- Mark gewinnen die Architekten Skjold Neckelmann und bank und Börse in Stuttgart. August Hartel aus Leipzig, die sich gegen 27 Mitbewerber durchsetzen. 1867 Die unregelmäßige Form des Grundstücks und die Höhen- Auf der Pariser Weltausstellung 1867 ist Württemberg be- unterschiede der umlaufenden Straßen machen die gestellte reits als Industrieland anerkannt und erzielt erneut zahlrei- Aufgabe ganz besonders schwierig. Sie wird in fast genialer che Auszeichnungen. Auch bei den internationalen Ausstel- Weise gelöst: durch die an drei Gebäudeecken eingesetz- lungen in Brüssel (1868), Amsterdam (1869), Moskau (1872), ten Kuppeltürmen werden symmetrische und rechtwinkli- Wien (1873) und München (1874) ist Württemberg mit sei- ge Räume erzielt und die Höhenunterschiede im Gelände nen Produkten vertreten. ausgeglichen. Mit Hilfe von fünf Innenhöfen erreicht man 6 eine ausreichende Beleuchtung des Gebäudes. Den pracht- im Stil der italienischen Renaissance erzielen durch Quader- voll ausgestatteten Zentralraum bildet die König-Karl Halle, mauerwerk, Kranzgesimse, vorgesetzte Pilaster und teilweise die der Historienmaler Ferdinand Keller aus Karlsruhe mit freistehende Säulen, durch Portraitmedaillons und ornamen- großen Wandgemälden ausschmückt. Das Mittelbild zeigt talen Schmuck ein prägendes Erscheinungsbild. Glasfenster, König Karl mit einem Plan der ihm gewidmeten Halle in Terrazzoböden, Granitsäulen und reiche Ausmalungen von der Hand. Erhellt wird die Halle durch ein farbenprächtiges Decken und Wänden zeugen von großem handwerklichen Oberlicht. Können und unterstreichen den Repräsentationsgedanken. Im wesentlichen ist das Gebäude in Eisenbeton gebaut und Das Königreich Württemberg leistet sich mit diesem monu- außen ganz mit Keupersandstein verblendet. Die Fassaden mentalen Museumsbau, in dem gleichzeitig die Königliche 9 Centralstelle für Gewerbe und Handel mit all ihren Anstalten und eine öffentliche Bibliothek untergebracht sind, ein Gebäude, das bald weit über die Grenzen Württembergs bekannt wird und als herausragendes Zeugnis für den Historismus bezeichnet werden kann. Die Kosten für den prächtigen Bau betragen 3,7 Millionen Goldmark, die das Königreich Württemberg dank der Reparationskosten Frankreichs aus dem Krieg 1870/71 bestreiten kann. 10 Am 6. Juni 1896 wird das Gebäude mit einer Ausstellung die gesamte Bibliothek zerstört, 88.500 Sachbücher aus den für Elektrotechnik und Kunstgewerbe eröffnet. Die Einwei- Bereichen Wirtschaft und Technik verbrennen. Die wertvol- hung findet „..in Anwesenheit Ihrer Königlichen Majestäten, len Kunstbände und viele kostbare Sammlungsobjekte hatte der erhabenen Mitglieder des königlichen Hauses und einer man schon zu Kriegsbeginn in Sicherheit gebracht, die üb- zahlreichen Gesellschaft geladener Gäste statt..“ rigen Bestände dann gegen Ende des Krieges. Sie bleiben Die neue Bezeichnung Landesgewerbemuseum für das Mus- erhalten und werden 1968 mit Auflösung des Landesgewer- terlager wird von der Öffentlichkeit sehr bald auf das ge- bemuseums an das Württembergische Landesmuseum und samte Gebäude übertragen und hat sich teilweise bis zum andere Institutionen abgegeben. heutigen Tag erhalten. Glücklicherweise übersteht das Haus nicht nur die Bombar- 1921 dierungen, sondern auch die Abbruch-Euphorie der ersten Der Amtssitz der Königlichen Centralstelle für Gewerbe Nachkriegsjahre. Es wird allerdings nicht renoviert, sondern und Handel erhält den Namen Landesgewerbeamt. nur notdürftig wiederhergestellt und umgebaut, denn das Gebäude soll in Zeiten knappen Raumangebots als Sitz des DIE NACHKRIEGSJAHRE Wirtschaftsministeriums und der Chemischen Landesunter- Während des Zweiten Weltkrieges wird das Haus schwer suchungsanstalt dienen. Für die benötigten Büroräume wer- beschädigt. Im April und im September 1944 werden gro- den die großen Museumssäle unterteilt, Decken und Wände ße Teile der Sammlungen, die König-Karl-Halle und fast eingezogen. Selbst der historische Haupteingang wird ge- 11 12 schlossen und der Zugang auf die Rückseite des Gebäudes um entsteht jedoch nicht mehr, vielmehr zeitlich befristete verlegt. Die museale Epoche ist zu Ende, sie weicht einer Ausstellungen, Kongresse und Vorträge zum Thema Design pragmatischen Zeit mit ganz anderen Nutzungsanforderun- und seiner wirtschaftlichen Bedeutung für den internatio- gen. Nacheinander werden die großzügigen Ausstellungssäle nalen Wettbewerb. zu kleineren Seminar- und Büroräumen umgebaut. Sanierungsarbeiten in den 60er und Anfang der 80er Jahre Doch trotz beengter Verhältnisse finden bald wieder große retten das Gebäude zwar vor einem langsamen Verfall, es Ausstellungen statt. Wie Wohnen, 1949, Schönheit der Tech- fehlt aber die Gesamtkonzeption, welche die Zukunft des nik, 1953 Baudenkmals endgültig regelt. 1952 Nach dem Zusammenschluss der drei südwestdeutschen 1985 Länder zum neuen Bundesland Baden-Württemberg ent- Die Landesregierung unter Ministerpräsident Lothar Späth steht 1952 das Landesgewerbeamt Baden- Württemberg als beschließt, den Prunkbau aus dem 19. Jahrhundert mit rund eine dem Wirtschaftsministerium unmittelbar unterstellte 41 Millionen Euro zu einem Haus der Wirtschaft auszubau- Landesoberbehörde, die für das ganze Land zuständig ist. en. Damit wird eines der imposantesten Stuttgarter Bauwer- Hauptsitz ist Stuttgart mit einer Außenstelle in Karlsruhe. ke aus seinem Dornröschenschlaf erweckt. Überregionale Mit dem LGA-Zentrum Form, 1969 in Design Center Stutt- Wirtschaftsförderung aus einem Guss und aus einer Hand, gart umbenannt, setzt das Landesgewerbeamt die Tradition so lautet das neue Konzept. Das denkmalgeschützte Gebäu- des Musterlagers in gewisser Weise fort. Ein Gewerbemuse- de kann jetzt in angemessenem Umfang saniert werden. 13 1986 – 1990 lichkeiten mit moderner Funktion. Als Schaufenster für die In vierjähriger Bauzeit entsteht ein in der Bundesrepublik Wirtschaft und als Forum für innovative Firmen und auslän- einmaliges, modernes Dienstleistungszentrum für die mittel- dische Wirtschaftspartner bietet das Haus der Wirtschaft ständische Wirtschaft, das unter einem Dach vier Partner- Baden-Württemberg Möglichkeiten für Ausstellungen, Kon- institutionen zusammenfasst: das traditionsreiche Landesge- gresse und Tagungen. werbeamt, die Steinbeis-Stiftung für Wirtschaftsförderung Die gesamte Nutzfläche beträgt 15.000 Quadratmeter. mit dem Regierungsbeauftragten für Technologietransfer, die 3 1. 1 2 . 2 0 0 4 Gesellschaft für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit (GWZ) und das Steinbeis-Europa-Zentrum (SEZ). Im Zuge der Verwaltungsreform wird das Landesgewerbeamt Die Landesentwicklungsgesellschaft Baden-Württemberg als Baden-Württemberg aufgelöst. Seine Zuständigkeiten wer- Bau- und Finanzträger und das Stuttgarter Architektenteam den an das Wirtschaftsministerium und andere Institutionen Fahr, Henning und Röper lassen hinter der historischen Fas- abgegeben. sade etwas ganz Neues entstehen. Die sinnvolle Verbindung von Tradition und Moderne ergibt repräsentative Räum- 15 Impressum Verteilerhinweis: Herausgeber Diese Informationsschrift wird von der Wirtschaftsministerium Landesregierung Baden-Württemberg Baden-Württemberg im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Referat 16/ Haus der Wirtschaft Verpflichtung zur Unterrichtung der Willi-Bleicher-Str. 19 Öffentlichkeit herausgegeben. Sie darf W-Punkt, einer Ser vice-Einrichtung bei Fragen 70174 Stuttgart weder von Parteien noch von deren zur Wirtschaftsförderung www.wm.baden-wuerttemberg.de Kandidaten oder Helfern während eines DAS GEBÄUDE WIRD ZUM HAUS DER WIRTSCHAFT BADEN-WÜRTTEMBERG UND BEHERBERGT HEUTE: • das Wirtschaftsministerium mit seiner Abteilung Mittelstandspolitik und dem • die Steinbeis-Stiftung für Wirtschaftsförderung mit dem Regierungsbeauftragten für Technologie- Wahlkampfes zum Zwecke der WahlwerRedaktion bung ver wendet werden. Missbräuchlich Karin Grau, Linda Katz, sind insbesondere die Verteilung auf Wirtschaftsministerium Wahlveranstaltungen, an Informations- transfer • die Gesellschaft Baden-Württemberg International • das Regierungspräsidium Stuttgart mit dem Infozentrum Technik und Patente und dem Design Center Stuttgart ständen der Parteien sowie das Einlegen, Grafik Aufdrucken oder Aufkleben parteipoli- Wolfgang Frank, tischer Informationen oder Werbemittel. Wirtschaftsministerium Untersagt ist auch die Weitergabe an Dritte zur Ver wendung bei der Wahlwer- Druck bung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer Henkel GmbH Druckerei bevorstehenden Wahl darf die vorliegende Druckschrift nicht so ver wendet werden, Bezug über dass dies als Parteinahme des Herausge- Haus der Wirtschaft bers zugunsten einzelner politischer Grup- Baden-Württemberg pen verstanden werden könnte. Diese Öffentlichkeitsarbeit Karin Grau Beschränkungen gelten unabhängig vom Willi-Bleicher-Str.19 Vertriebsweg, also unabhängig davon, Auch mit dem neuen Zuschnitt bleibt das traditionsreiche 70174 Stuttgart auf welchem Weg und in welcher Anzahl Tel. 0711/123-2733 diese Informationsschrift dem Empfänger Gebäude ein überregionales Kongress- und Ausstellungszen- E-Mail [email protected] zugegangen ist. Erlaubt ist es jedoch den trum und eine attraktive Plattform für den Dialog zwischen Die Broschüre steht im Unterrichtung ihrer Mitglieder zu ver- Informationsservice unter wenden. in- und ausländischen Wirtschaftspartnern, Politik, Wissen- www.wm.baden-wuerttemberg.de schaft und Kultur. Redaktionsschluss: Mai 2008 • und das Steinbeis-Europa-Zentrum Parteien, diese Informationsschrift zur zum Download zur Verfügung.