Küchenhandel, 1/2014 - BBE Handelsberatung
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Küchenhandel, 1/2014 - BBE Handelsberatung
■ ■■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ Internet imm-Kongress: „Herausforderungen und Chancen der Online-Welt“ Multi-Channel wanted: Der Countdown läuft Sind Sie Internet- und Social-Media-fit? Ehrlich? Wie „Kundendaten-getrieben“ ist Ihr Unternehmen? Die „eine“ Nachricht dieses Kongresses auf der imm „Möbelhandel 2014: Herausforderungen und Chancen der Online-Welt“ war: Der stationäre Handel wird überleben. Wenn er sich auf die Hinterbeine setzt und auch online gänzlich neu denkt. Die „andere“: Es wird ein erstarkendes Parallel-Universum des Verkaufs geben, das alles einschließt. Schuhe ebenso wie Küche. „Multi-Channel“ heißt die Herausforderung der kommenden Jahre. Die muss der Offline-Handel wuppen, die Onliner sind schon dabei. Der „Küchenhandel“ dokumentiert auf den folgenden Seiten Kongress-Resümees und ausgewählte Statements. Außerdem ergänzende Studien und Analysen. Lesen Sie bitte aufmerksam in Ihrem zukünftigen Handels-Szenario. Von Marina Huthmacher S ie haben es in den Nachrichten gehört oder gelesen: Loewe wird in letzter Minute via Übernahme durch eine Investorengruppe gerettet. Es ist der vorletzte der einstmals 13 deutschen Fernsehhersteller. Die Analyse für den schleichenden Niedergang und die folgende Insolvenz ist denkbar einfach: Technologische Innovationen, die der Kunde kennt und wünscht, verschlafen oder missachtet. Bei Loewe war es Smart-TV. Die Parameter für den Küchenhandel heißen Web-Präsenz, Google (adwords) und Facebook. Prinzipiell ist es einigermaßen unerheblich, ob der Bundesverband des deutschen Versandhandels den Anteil der in 2013 via Internet erworbenen Möbel auf 1,23 Milliar- 26 ■ ■ Küchenhandel 1/2014 den Euro beziffert, dass das EHI auf Werte von 1,7 Mrd. kommt, der BVDM noch andere Zahlen präsentiert. Und dass das Institut für Handelsforschung mit einem Wert von 2,8 Mrd. korrigiert. Allen gemeinsam ist die Unisono-Aussage: Der Zug im E-Commerce wird in den nächsten Jahren rasant an Fahrt aufnehmen. „Der Möbelhandel wird nur noch online wachsen“, hat Timo Seewald, Senior Industry Manager von Google, in Köln gesagt. Weil Kunden anders denken, handeln – anderes erwarten. Was nicht bedeutet, dass der offline-Handel tot ist. Im Gegenteil: Das „Abgreifen“ der onlineKontakte, die Überführung in offline-Kontakte wird vornehmste Aufgabe. Das erfordert allerdings viel Arbeit, Peter Schönhofen, Geschäftsführer und Inhaber von KARE entsprechende Affinität – und eine effiziente Software. Und das Ganze muss zur Chefsache werden. Wir machen Sie jetzt in drei Schritten ein wenig schaudern – und erklären Ihnen anschließend, wie Sie das Frösteln wieder loswerden. Erstens: „Kennen Sie die Schlachtfelder für den Kampf um Ihren Kunden?“ hat Timo Seewald von Google in der Domstadt ins Auditorium gefragt. Es war keine Antwort, fast nur eine Randbemerkung: „Google verzeichnet 5000 clicks pro Minute zum Thema Möbel.“ Lächerlich einfach ist es für das Portal, nicht nur zu dokumentieren, wer da was sucht, sondern auch wie, also ob via Laptop, Tablet oder Smartphone, und wie ausdauernd er das tut. Welche Zeit er auf welcher Seite verbringt. „Das Internet“ weiß relativ schnell, dass sich Familie Müller aus Castrop-Rauxel für eine weiße Küche in der Gegend von 8000 Euro interessiert. Wenn Sie da als Küchenstudio Schulze nicht irgendwo auf den diversen Monitoren oder Displays auftauchen, werden Sie Familie Müller vermutlich niemals kennenlernen. Weil die Müllers Sie eben, ganz wörtlich, nicht auf dem Schirm haben. Oliver Schmitz, International Manager Online & Multichannel Retailer bei der GfK in Nürnberg, ergänzt: „Wir registrieren eindeutig rückläufige Shopping-Trends. Die Leute suchen ihren Mehrwert bevorzugt im Internet. Selbst beim Küchenkauf nutzen immer mehr potentielle Kunden das Internet. Zunächst sicher als Info-Quelle. Aber in Zukunft?“ Die Internet-Pure-Player brennen sich in die Köpfe der Konsumenten – weil sie permanent präsent sind. Laut Google-Studie schaut der durchschnittliche Nutzer täglich 150 mal (!) auf sein Smartphone. Die digitale/mobile Visitenkarte ist wichtiger als das Schaufenster. Zweitens: „Was wissen Sie wirklich über die Strategien der Online-Pure-Player?“ Die Erfolgreichen sind gnadenlos dem Produkt gegenüber. Weil sie konsequent kaufmännisch denken. (Zur Betonung: Wir reden hier wirklich über die Besagten.) Marc Appelhoff, Gründer und Geschäftsführer von FashionForHome: „Was nicht läuft, fliegt innerhalb von zwei Wochen raus. Produkte mit Rekla- ■ ■■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ oder Retourenquote werden sofort eliminiert. Nur so können wir unseren Kunden garantieren, dass sie einwandfreie Qualität zu besten Preisen erhalten.“ Die Berliner fertigen vertikal und liefern ihre Möbel direkt ohne Lagerhaltung zum Kunden. Michael Börnicke, CEO der Kiveda Holding in Berlin: „Wir verkaufen, was der Kunde möchte. Online sind das standardisierte Blöcke, die wir innerhalb von zwei Wochen liefern können. Wir vermeiden in diesem Bereich Komplexität – und damit Reklamationen. Es gibt keine Rabatte und keine versteckten Kosten. Unser Angebot ist eine faire Offerte im Dschungel der Rabattschlachten da draußen.” (Lesen Sie bitte auch den Extra-Artikel zu Kiveda auf Seite 32). Internet „Die sofortige Verfügbarkeit ist durch e-commerce in den Köpfen implementiert. Das kriegen Sie nie mehr wieder raus. Sie müssen mit atemberaubendem Erlebnis-Shopping dagegen halten und Zusatznutzen bieten, wenn Sie die angedachten Fristen nicht einhalten können.“ Drittens: Was geben Ihre Kundendaten her? Kennen Sie Ihre Zielgruppe? Wie sprechen Sie sie an? Vermutlich der düsterste Faktor in diesem Check?! Amazon erstellt aufgrund bisheriger Bestellungen des jeweiligen Kunden Vorschläge für zukünftige Käufe. Offeriert einen Wunschzettel. Home24 macht das auch. Douglas und bonprix, eBay sowieso. Wenn Sie da mit halten wollen, ist Kundendatenpflege vornehmste Pflicht. Keine Azubi-Angelegenheit, sondern Chefsache. So, Ende des Gruselns! Betrachten Sie es als stationärer Händler durchaus als Omen, dass die Online-Player inzwischen stationäre Ankerpunkte suchen. Das gilt für FashionForHome ebenso wie für Kiveda. „Die OnlineBrand erfahrbar machen“, hat Marc Appelhoff angeführt. FashionForHome unterhält inzwischen fünf eigene Showrooms, zwei weitere sind geplant. Kiveda will sich ebenfalls weiter offline verankern. Aber: Die Richtung ist eine andere. Da landen Onliner dann irgendwie auch im Gemäuer. Die Herausforderung für die „Bricks“, die in die „Clicks“ wollen und am besten noch zurück, ist ungleich größer. Sie erfordert eine andere Sicht der Dinge, des Marketings und schlussendlich des Agierens. Sascha Stiehler ist Geschäftsführer der Agentur Medienpark und hat in einem Interview mit der „möbel kultur“ überaus Kluges zum Thema gesagt: „Es gibt eine analoge „Die Onliner schaffen es mit profilierten Angeboten, Wunschzetteln und vergleichbaren Offerten Kunden zu binden. Der stationäre Handel muss sich da anstrengen, um Konsumenten im Kanalwechsel nicht zu verlieren.“ Oliver Schmitz, International Manager Online & Multichannel Retailer bei der GfK in Nürnberg Küchenhandel 1/2014 ■ ■ 27 ■ ■■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ Internet „Es ist nicht unbedingt von Vorteil, wenn in der gesamten Möbelbranche noch die ‚Walkman-Generation‘ das Sagen hat, während die ‚iPod-Generation‘ längst die Zielgruppe ist.“ Sebastian Deppe, Geschäftsleitungsmitglied der BBE Handelsberatung in München und eine digitale Welt. Die analoge Welt ist die traditionelle Welt der Werbung über Radio und Prospekte. Wenn die Kunden analog aktiviert werden, suchen sie in der digitalen Welt, also im Internet, weitere Informationen. Liegt nun zwischen analoger und digitaler Welt ein Kommunikationsbruch vor, dann verlieren die Händler ihre Kunden sofort und die analogen Werbeinvestitionen sind verloren. Ist der digitale Auftritt gut und besucht der Kunde nach der Recherche im Internet wirklich den Laden, fängt die eigentliche Arbeit jedoch erst an: Dann muss der Händler seine Kunden auf der Verkaufsfläche abholen – mit Emotionen, dem richtigen Preis und optimalem Service. Im Grunde genommen also mit den Kernkompetenzen des stationären Handels. Findet der Kunde diese Leistungen nicht vor, zieht er sich wieder in die digitale Welt zurück und sieht sich dort nach dem besten Angebot um.” Und an diesem Punkt konkurriert dann das kleine Küchenstudio ebenso wie der bisweilen mit minderbemittelten Verkäufern ausgestattete Großflächenanbieter mit den gleichen Gegnern: den Angeboten aus dem Netz. ROPO ist ein Schlüsselwort für die nächsten Jahre. Nein, eigentlich für jetzt augenblicklich. Research online, purchase offline. In seltsamer Einmütigkeit kommen alle Forschungs-, Studien- und Panelerhebungs-Institute zu dem Ergebnis, dass 77 Prozent aller Einkäufe für langlebige Gebrauchsgüter in Deutschland über eine Internet-Recherche vorbereitet werden. Wer da nicht präsent ist, findet nicht statt. Es kommt also darauf an, „den Konsumenten im Kanalwechsel nicht zu verlieren“, wie es Oliver Schmitz in Köln formuliert hat. Dazu brauchen Sie eine supergut aufgestellte EDV, die Kundendaten penibel erfasst. Und dazu brauchen Sie außerdem Kreativität, die den Kunden immer wieder da packt, da wo er empfänglich ist. Peter Schönhofen ist der Chef von KARE – und der hat mit Küchen ungefähr soviel am Hut wie Eisbären mit Höhensonne. Gleichwohl hat er in der Domstadt die durchaus übertragbare MultichannelStrategie eines weltweit erfolgreichen Unternehmens, im Kleinen wie im Großen, anschaulich erklärt. Nein, 28 ■ ■ Küchenhandel 1/2014 winken Sie jetzt nicht ab – weil die ja so schräg sind. Nehmen Sie die Essentials mit. „Die sofortige Verfügbarkeit von Waren ist durch E-Commerce in den Köpfen aller Verbraucher implementiert. Das kriegen Sie nie mehr wieder raus. Wenn Sie stationär dagegen halten wollen, dann müssen Sie Erlebnis vorhalten. Ja, dieses abgeschmackte Wort erfährt ein gehaltvolles Revival. Sie müssen vor Ort einen Mehrwert bieten. Einen so großen, der Ihren Internet-Auftritt noch überbietet.“ Der aber muss ebenfalls schon grandios sein, weil sonst die Resonanz eher spärlich ist. „75 Prozent der Verbraucher wollen Multi-Channel-Angebote für Möbel”, überschreibt eBay die Ergebnisse seiner Forschungsstudie „Zukunft des Handels“. „Für viele Verbraucher ist es bereits selbstverständlich geworden, dass sie dank neuer Technologien überall, jederzeit und über verschiedene Kanäle einkaufen können. Dies gilt auch für schwere oder unhandliche Produkte wie Möbel und Einrichtungsgegenstände. Drei Viertel (75 Prozent) der Verbraucher finden es wichtig oder sehr wichtig, dass Händler Produkte aus dem Bereich sowohl stationär in einem Ladengeschäft als auch über das Internet anbieten. Weit über die Hälfte der Verbraucher (56 Prozent) hat sich schon mindestens einmal darüber geärgert, dass Produkte nicht im Internet verfügbar waren.“ Zitat Ende. Und jetzt machen Sie nicht den Fehler, diese Ergebnisse als Allgemeinplatz der Möbelbranche abzutun, um den Sie sich als Küchenhändler nicht zu scheren haben. Dr. Stephan Zoll, Vice President von eBay Germany: „Multi-ChannelAngebote werden zunehmend zum Wettbewerbsvorteil für alle Händler. Diejenigen, die sich darauf einstellen und verschiedene Verkaufskanäle miteinander kombinieren, werden auch in der Zukunft weiterhin wettbewerbsfähig sein.“ Die Statistik kennt inzwischen die „Online Heavy Buyers“, das sind die, die mehr als 50 Prozent ihres verfügbaren Einkommens online ausgeben. Die Quote liegt in Deutschland laut GfK aktuell bei 15 Prozent. Tendenz steigend. Auch wegen der nachwachsenden „Digital Nati- „‚You-Commerce‘ wird das Geschäftsmodell der Zukunft sein. Kenne deinen Kunden und erfülle ihm jeden Wunsch. eBay ist auf dem besten Weg dahin, weitere Anbieter werden folgen.“ Sascha Tapken, geschäftsführender Redakteur, möbel kultur, Hamburg „Der Kunde erwartet ein nahtloses Einkaufserlebnis zwischen stationärem und Online-Handel.“ Möbel online geht, Küche online geht auch. Bedingt. Einer der meist zitierten Sätze auf diesem imm-Kongress war: „Wenn sich Schuhe online vermarkten lassen, dann lässt sich alles online verkaufen.“ Die Logik ist nicht ganz stimmig. Die Barrieren für das gewöhnlich beratungsintensive, aus vielen Einzelteilen zusammengesetzte Produkt Küche sind hoch. Da mag die fortschreitende Entwicklung von Konfiguratoren, von Augmented Reality-Apps einiges nivellieren, letztendlich aber eine verbleibende Hemmschwelle nicht gänzlich abzubauen. Aber: Noch mal drei Punkte, die dringend dazu ermahnen, neu zu denken. Erstens: Die Modulküche ist wieder da. Perfekt konfektioniert für die Generation der erfolgreichen, häufig den Wohnsitz wechselnden Karriere-Youngster. Und onlinetauglich. Dassbach hat auf der imm „kyuub“ vorgestellt. Eine qualitativ supergut verarbeitete Puzzle-Küche, alles Klaus Cholewa, E-Commerce-Manager Ikea, zum jüngsten Umswitchen der Schweden in Bezug auf die bis dato sträfliche Vernachlässigung des Online-Shops Internet Allen erfolgreichen Online- beziehungsweise MultiChannel-Kandidaten ist eines gemeinsam: Sie sind samt und sonders „datengetrieben“. Meint: Sie verfügen über nahezu perfekte Kundendatenbanken. Sie kennen ihre Klientel, wissen um Herkunft und Profil, Vorlieben und Wünsche. Und sie reagieren zielgenau darauf. Mit E-MailOfferten und speziellen Angeboten. Ein punktgenaues Marketing, das die Streuverlust-trächtigen Flatterprospekte der Altvorderen in das Reich der Steinzeit verweist. ■ ■■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ves“. Wo, wenn nicht im Netz, wollen Sie Ihre zukünftigen Kunden abholen? andere als billig. Keinesfalls zu verwechseln mit den armseligen Werbeblöcken aus dünnster Spanplatte, die die Titelseiten der Rotstift-Prospekte zieren. (Lesen Sie bitte den gesonderten Bericht auf Seite 31). Kiveda wird ab Ende Februar vehement „Elements“ bewerben. Ebenfalls eine Modulküche. Sagen Sie jetzt nicht: „Na und, Randerscheinungen des Marktes.“ Die Käufer der Puzzle-Küchen sind auf Jahre weg vom Markt. Sie schmälern Ihre und überhaupt die Zielgruppe. Zweitens: Wenn das Beispiel „Küchenfab“ Schule macht, dann dürfen Sie sich erneut warm anziehen. Gründer Markus Wech hatte Mitte 2013 verkündet: „Wir müssen unsere Kunden da abholen, wo sie sich bewegen. Das tun sie nun mal bevorzugt im Internet. Für spezielle Problemlösungen und individuelle Wünsche – und die hat jeder – muss es uns gelingen, sie in den stationären Handel zu i tering kostenfre eintritt und ca – und cherworkshops inklusive besu podiumevents hochkarätigen das fachmessedoppel für die küchen- und wohnbranche am 29. und 30. april 2014 im moc münchen – täglich von 9.00 bis 19.00 uhr neu: designtrends zeigt designinnovationen der küchenund möbelbranche neu: schreinertrends gibt wertvolle impulse für tischler und schreiner neu: zukunftstrends präsentiert spannende ideen und produkte aus der zukunft neu: küchenmanufakturen – hochkarätige küchenmarken in exklusivem ambiente wir sehen uns. www.kuechentrends.net www.wohntrends.net Küchenhandel 1/2014 ■ ■ 29 ■ ■■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ Internet bekommen.“ Im November 2012 hatte Markus Wech ein kleines Studio in Kornwestheim. Via „Crowdfunding“ ist er für die Branche bis dato einmalige Wege gegangen, seinen stationären Auftritt weiter zu multiplizieren. Platt formuliert: Die Internetgemeinde wurde aufgerufen, mit kleinen Spenden weitere Standorte zu finanzieren. Inzwischen ist Hamburg (im Valvo-Park) am (stationären) Netz. Fortsetzung folgt. Wie schlecht muss es eigentlich um die Handelslandschaft bestellt sein, wenn potentielle Kunden sich lieber selbst in der Finanzierung ihres Anbieters (!) engagieren, als auf das mit so viel Aufwand betriebene vorhandene Angebot zurückzugreifen? Stoische Analytiker würden vermutlich kommentieren: „Da funktionieren Kommunikation und Bedarfsanalyse nicht.“ „Unsere Zielsetzung ist klar und eindeutig: Wer an Küche online kaufen denkt, soll an Kiveda denken.“ Michael Börnicke, CEO Kiveda Holding, Berlin Einschub: Sebastian Deppe, Geschäftsleitungsmitglied der BBE Handelsberatung in München und Moderator des imm-Kongresses, hat in Köln von einem Experiment erzählt. Da wurde Ende des Jahres eine Praktikantin des Unternehmens damit beauftragt, mit einer ausgedruckten, online geplanten Küche von Kiveda in den stationären Handel zu marschieren, um sich weiter beraten zu lassen. Die Ergebnisse waren, moderat formuliert, katastrophal. Unfreundliche Verkäufer, Ignoranz bis an die Grenze der Beleidigung. „Wo haben Sie das denn her?“ „Kiveda? Was für eine Marke ist das denn?” „Für diesen Preis ist das unmöglich. Angebote haben wir derzeit nicht. Vielleicht kommen Sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder.“ Und so fort. Die Studie ist nicht repräsentativ. Was überhaupt nichts macht. Die BBE-Praktikantin muss nur ihre Erfahrungen bei acht deutschen Küchenhändlern bei facebook posten – und keiner ihrer Kontakte wird freiwillig und ohne Not jemals wieder bevorzugt stationär nach einer Küche suchen. Drittens: „Time is Money“ stammt aus den Frühzeiten des Kapitalismus. „Time is Comfort“ könnte die Devise aktuell lauten. Die Onliner punkten mit schier unglaublich kurzen Lieferzeiten. Die Potentaten haben sich die dahinter stehende Industrie entsprechend erzogen. FashionForHome liefert just in time, Kiveda braucht maximal zwei Wo30 ■ ■ Küchenhandel 1/2014 chen, home24 ebenfalls. Diese Terminierungen haben Kunden im Hinterkopf, wenn sie in den stationären Handel kommen. Küche & Co hat da gerade eine Kampagne mit der 10-Tage-Verfügbarkeit gestartet. Ein nach bisherigen Erkenntnissen schlagendes Verkaufsargument. Nicht weiter verwunderlich: eine Klientel, die alles fix über Smartphone und Tablet erledigt, von der Buchung der Urlaubsreise bis zur Bestellung der DVD, die am Abend vielleicht geschaut werden möchte. Amazon denkt, und das ist wirklich kein Scherz, über den Einsatz von „LieferDrohnen“ nach, die jede Bestellung noch am gleichen Tag zustellen können. Kurzum: Der Verbraucher 2014 ist auf das Fixgeschäft gebrieft. Es bedarf somit schon eines reichhaltigen Überzeugungsvokabulars eines versierten Verkäufers, dem Kunden vor Ort zu erklären, dass diese besondere Konfiguration von Küche exquisit nach individuellen Vorstellungen gefertigt wird – und deshalb auch erst in zwölf Wochen verfügbar ist. Abschließend noch eine Anekdote, die die schier unglaubliche Dynamik des Online-Handels deutlich macht. Gerade mal fünf Jahre ist es her, dass sich die Autorin in Frankfurt mit Möblern unterschiedlichster Couleur am Rande eines Kongresses über den sich gerade etablierenden Online-Kanal unterhalten hat. Abwinken war die einmütige Antwort. „Niemand kauft ein Sofa, auf dem er nicht vorher probegesessen hat.“ Im Brustton der Überzeugung vorgetragen. Robert Kabs, Vorstandsvorsitzender von moebel.de, hat in Köln nicht nur ausführlich erklärt, dass eine perfekte bundesweite Logistik unabdingbare Voraussetzung für erfolgreiches E-Commerce ist, sondern auch eine Statistik an die Wand gebeamt. Es war die ganz frische Analyse des Jahres 2013: Mit 28 Prozent Umsatzanteil schlagen die „Big-Sofas“ jede andere Produktgruppe des Online-Portfolios. Von wegen Probesitzen. „Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.” Robert Kabs hat dieses Zitat von Henry Ford zum Abschluss seines Vortrags gewählt. Es ist aktueller denn je. Das Fließband des ollen Ford ist der Onlinestream in WWW und Social Media. Nutzen Sie ihn. ■ „Wer seine Logistik nicht perfekt im Griff hat, über ausgezeichnete Warenkenntnisse verfügt und entsprechendes Marketing auf den Weg zu bringen weiß, hat im Online-Business kaum Chancen.“ Robert Kabs, Vorstandsvorsitzender von moebel.de Gero Bauknecht wird es in absehbarer Zeit fünf bis sechs Flagship-Stores in Deutschland geben. ■ „Wir wollen Küche zu einem Möbelstück machen, das sich den Lebensentwürfen der mobilen Generation perfekt anzupassen vermag. Deshalb ist ‚kyuub‘ perfekt auf den Online-Handel zugeschnitten.“ Internet Küche online bedeutet nie wieder automatisch billiger Block. Dassbach Küchen, Direktvermarkter aus Berlin und ein Unternehmen der Bauknecht Stiftung, hat in Köln eine konsequent für den Online-Vertrieb entwickelte Produktlinie im hochwertigen Bereich vorgestellt. „kyuub” ist eine sauber gefertigte, mit ansprechendem Design versehene Modulküche. Komfortabel und einigermaßen teuer. Der „Küchenhandel“ hat in Köln mit Dr. Gero Bauknecht und seinem Team gesprochen. ■ ■■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ Dassbach Küchen: Module für die Mobilen Dr. Gero Bauknecht, Präsident der Bauknecht Capital AG und Kurator der Bauknecht Das mit dem „einigermaßen teuer“ müssen wir sofort nicht revidieren, sondern erklären. „kyuub” hat material- und verarbeitungsmäßig durchaus fast „high-end“-Qualitäten. Die drei Module für „Kitchen“, „Dining“ und „Office“ tragen nicht nur das Siegel deutscher Wertarbeit (gefertigt wird in dem Dassbach-Werk in Dahlewitz-Rangsdorf bei Berlin), sondern verfügen in der Designhandschrift durchaus über italienische Qualitäten. Solche, die sich offenbaren, wenn Sie einen MolteniKleiderschrank aufmachen. Da ist das Innenleben fast atemberaubender als die äußere Fassade. „kyuub“ hat in der weiß-schwarzen Variante, wie sie in Köln präsentiert wurde, schwarze Innenauszüge, akzentuiert mit Chromleisten, Leichtlaufauszüge, stoßgedämpfte Scharniere. „‚kyuub‘ ist konsequent anspruchsvoll, konsequent flexibel und trotzdem konsequent einfach“, sagt Dr. Gero Bauknecht. „Es ist eine Offerte für die erfolgreiche, mobile Generation der 30- bis 50jährigen, die häufig den Wohnsitz wechseln. Und sich nicht jedesmal neu um eine Küche kümmern möchten. Wir machen Küche zu einem Möbelstück, das sich in den jeweiligen Wohnraum integrieren lässt.“ Zielgruppe ist erklärtermaßen nicht die vierköpfige Familie, auch nicht die Gemeinde der Schnäppchenjäger. In der Einführungsphase wird „kyuub“ über den eigenen webshop und parallel im Dassbach-Store in BerlinCharlottenburg feilgeboten. Nach Auskunft von Dr. Stiftungsgruppe, zu der das Berliner Traditionsunternehmen Dassbach Küchen gehört „Wir werden uns nicht mit Rabatten und irgendwelchen Sonderkonditionen herumschlagen. Wir haben ein sauberes Produkt, das seinen Preis wert ist.“ Milan Licina, geschäftsführender Gesellschafter von Dassbach Küchen zur Präsentation von ‚kyuub‘ in Köln „Wir verkaufen diese Modul-Küche jetzt mit dem starken Sockel und dem großen Erfahrungsschatz aus unserem Direktvertrieb. Wir wissen ziemlich genau, welche Stolpersteine wir zu beachten haben.“ René Szielenski, bei Dassbach-Küchen verantwortlich für Marketing und Expansion Küchenhandel 1/2014 ■ ■ 31 ■ ■■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ Internet Kiveda: Auf dem Weg zur Küchen-Online-Marke Sie haben im November 2013 eher mehr, auf keinen Fall weniger als 350 Küchen ausgeliefert. Nach jüngsten Studien kennt jeder fünfte Deutsche unter 30 Jahren Kiveda. Das Berliner Start-Up schickt sich an, die Platte der krausen Rabattangebote ebenso blank zu putzen wie die der Mittelpreis-Offerten mit Lieferzeiten bis in die nächste Jahreszeit. Nein, es nützt überhaupt nichts, wenn Sie darauf verweisen, dass Kiveda potente Geldgeber im Rücken hat. Stimmt. Dass die Beteiligung von SevenVentures, einer reinrassigen Tochter von ProSiebenSat 1, diese unglaublich kostspielige, permanente Fernsehpräsenz erst möglich macht. Stimmt auch. Ja und? Da spielt jemand jetzt mit – im Poker um den Kunden. Er hat gute Karten auf der Hand und lernt schnell. Kiveda ist gerade mal ein Jahr nach seiner Gründung als Onliner-Player inzwischen auch Direktvermarkter. Ein Heer von aktuell 30 Außendienstlern kümmert sich um die komplizierteren Planungsfälle. Michael Börnicke hat in Köln erklärt: „Wir werden unseren Außendienststamm in 2014 auf 45 Mitarbeiter aufstocken.“ Parallel wird jedoch das pure Online-Angebot um diverse Offerten erweitert. Der Konfigurator wird optimiert, mit „Elements“ der Bereich der Modulküche abgegriffen. Der Service erfährt nachhaltige Optimie- 32 ■ ■ Küchenhandel 1/2014 rungen. Michael Börnicke ist überzeugt davon, dass „in zehn Jahren bis zu zwanzig Prozent aller Küchen online gekauft werden.“ Noch erfordert allerdings auch die optimalste Online-Präsenz irgendwie ein Pendant in der wirklichen Welt. Und sei es nur, um die rein psychologische Komponente zu bedienen, dass man sich die Dinge notfalls in natura anschauen „kann“. Vermutlich ist der „Küchenhandel“ zumindest mit schuld an dem jüngsten Gedanken der Berliner: Das ganz entspannte Gespräch mit Michael Börnicke und Julian Strosek in der Mittagspause landete irgendwann bei den schon vorhandenen, riesigen Flächen, die der deutsche Möbelhandel bereits vorhält. Bei den durchaus bestehenden Schwierigkeiten, diese Areale zu bestücken. Der CEO hat sich eine Notiz gemacht – und in seinem anschließenden Vortrag dem Auditorium kundgetan: „Wenn jemand uns stationär als Partner haben möchte, gerne. Denkbar wäre es dann durchaus, dass im Abspann des Fernsehspots so etwas läuft wie: ‚Das gibt’s nur bei...’.” ■ „Wir haben mit Nobilia im Herbst einen sehr potenten Industriepartner gewonnen. Die haben uns mit ihren Abwicklungsvorgaben schwer gedrückt. Aber wir haben da auch eine Menge gelernt. Unser Nobilia-Anteil wächst beständig.“ Julian Strosek, Gründungsmitglied und Geschäftsführer von Kiveda