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Frank Magdans Game Generations Inhaltsverzeichnis • Vorwort • Intro 1 Die Entwicklung der Computer- und Videospiele seit Tennis For Two, Space War und Pong • 2. Behind the screens: Entwickler und Pioniere über Karriere, Games und Szene 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14 2.15 2.16 2.17 2.18 2.19 2.20 2.21 2.22 2.23 2.24 2.25 2.26 2.27 2.28 2.29 Al Alcorn (Erbauer des Pong-Automaten) Ralph Baer (Erfinder der ersten Videospielheimkonsole) Hal Barwood und Noah Falstein (Indiana Jones, M ata Hari) Bob Bates (Eric The Unready, Timequest, Unreal Ii, Sacred 2) Ed Boon (Mortal Kombat) Bill Budge (Pinball Construction Set) David Cage (The Nomad Soul, Fahrenheit) Michael Capps (America’s Army, Unreal, Gears Of War) David Cox (New Track & Field) David Crane (Pitfall!) Don L. Daglow (Utopia, Tron) Sam Didier (Diablo, Starcraft, World Of Warcraft) Thomas Friedmann (Die Siedler, Cultures) Richard Garriott (Ultima, Tabula R asa) Ron Gilbert (M aniac M ansion, Monkey Island) Rod Humble (Everquest, Die Sims) Koji Igarashi und Michiru Yamane (C astlevania) Keiji Inafune (Megaman, Lost Planet) Steve Ince (Beneath A Steal Sky, Baphomets Fluch, So Blonde) Jane Jensen (Gabriel Knight, Gray M atter) Garry Kitchen (Keystone K apers) Robert Krakoff (Chef und Gründer des Hardware-Herstellers Razer) Al Lowe (Leisure Suit L arry) Hiroshi Matsuyama (//.Hack, Naruto) Peter Molyneux (Populous, Black & White, Fable) Mike Montgomery (Speedball) Brian Moriarty (Trinity, Loom, The Dig) Tohru Murayama und Iizawa Hitoshi (Virtua Fighter) Ray Muzyka (Baldur’s Gate, Knights Of The Old Republic) Inhaltsverzeichnis 6 2.30 2.31 2.32 2.33 2.34 2.35 2.36 2.37 2.38 2.39 2.40 2.41 Björn Pankratz (Gothic) Jade Raymond (The Sims Online, A ssassin’s Creed) Wilfried Reiter (Anno) John Romero (Commander Keen, Doom, Quake) Richard M. Spitalny und Peter Liepa (Boulder Dash, Spy Vs. Spy) Warren Spector (Deus E x) Jeff Strain (Diablo, Guild Wars) Brian Sullivan (Age Of Empires, Titan Quest) Tommy Talarico (Komponist und Sound-Designer) Bill Tiller (The Curse Of Monkey Island) Ryozo Tsujimoto (Monster Hunter) Don Woods (Adventure) • 3. Star-Porträts 3.1 Konamis Wunderkinds: Hideo Kojima 3.1 Der Oberguru und sein Universum: Shigeru Miyamoto 3.2 Der größte Simulant des Lebens: Will Wright • 4. Sexbomb: Cyber-Ikone Lara Croft im Interview 4.1 Die vielen Gesichter einer Action-Heldin – Lara Croft von 1996 bis 2007 • 5. Zwischen Gestern und Heute: Nostalgiker und Dissidenten fangen den Geist der Pionierzeit ein 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10 5.11 5.12 Das Auffangbecken der Klassiker und der Anfang der Kanon-Bildung: Retro-Games Welches Game hat bei dir Klick gemacht? Fachleute nennen ihr Lieblingsspiel Zurück zu den Wurzeln: Boulder Dash: Rocks Bastelnde Nostalgiker und Highscore-Jäger: Retrogames e.V. Museumsreif: Andreas Lange und das Computerspiele Museum Nachholbedarf: René Meyer und seine Telespiele-Ausstellung Retro sells: Chris Birchs Modelabel Joystick Junkies Kultboy: Boris Schneider-Johne über seine Übersetzungen Independent-Entwickler greifen auf bekannte Muster zurück Pong revisited: Stephen D. Taylor Die eigene Leidenschaft zählt: Jonathan Mak Mit 2D lässt sich das beste Gameplay verwirklichen: Petri Purho • 6. Vernetzte Schnitzeljagd: area/code und die Big Games • 7. Teaching Games Inhalt 7.1 Vom Edutainment-Boom zum Logikspiel für alle Generationen 7.2 Addys bester Freund: Bernd Grannemann über den Siegeszug der CD-ROM und den Niedergang eines Genres 7.3 Mister Myst: Für Lern-Adventure-Pionier Axel Ruske ist Bildung ein Motor, der nie verstummt • Literaturverzeichnis • Danksagung 7 Jump in «Mama, darf ich rüber zu Jürgen?» «Was – schon wieder?!» «Meine Hausaufgaben sind auch schon fertig» «Ehrlich?» «Ehrlich.» «Na gut, aber nicht so lange.» Es klopft. «Ach, du bist es. Na dann können wir ja gleich wieder loslegen.» Sie setzen sich. Vier Stunden später: Es klopft. «Hallo Jürgen. Sag Frank Bescheid, dass das Abendessen schon auf dem Tisch steht.» So etwa dürften sie gewesen sein, die ersten Tage, in denen ich mit meinem Nachbarn und Klassenkameraden die Welt der Telespiele entdeckt habe – der Telespiele! Pong haben wir öfters gespielt, denn Vergleichbares hatten wir noch nie gesehen. Umso größer also der Enthusiasmus auf der Couch. Auch mit Pac-M an und Atlantis hatten wir allerhand Spaß. Ganz besonders bin ich aber einem Jump’n’Run-Game namens Keystone K apers verfallen. Selbstverständlich konnte ich damals noch nicht ahnen, dass ich irgendwann einmal mit dem Macher, Garry Kitchen, Kontakt per E-Mail haben würde, ja sogar mit ihm an einem heißen Tag im Juni telefonieren würde, um mit ihm für dieses Buch darüber zu reden, wie er damals auf die Idee zu diesem rasanten Hüpfspiel kam. Aber es wird sicherlich nicht nur mir so gehen, denn ohnehin konnte niemand vorhersehen, was einmal aus diesen simplen Spielideen wie Pong oder Space Invaders werden würde. Heute aber, anno 2008, stellt der Markt der Computer- und Videospiele den dicksten Ast der Unterhaltungsindustrie dar. Wer heute über Games spricht, der meint damit ein Potpourri aus Konvention und Innovation – ein Mal nichts anderes als die bloße Blaupause eines vergessenen Klassikers oder aktuellen Hits, ein anderes Mal ungeahnt große Kunst mit Tiefgang. Doch das Buch, auch wenn es die Historie beleuchtet, hat nicht zur Aufgabe, alle 312654789 Titel – oder wie viele es auch tatsächlich geben mag – aufzuzählen, sondern stellt lediglich die wichtigsten, einfluss- Jump in reichsten und ausgefallenen Games in Kürze vor und zeigt Verbindungen auf. Aktuelle Entwicklungen wie das Aufkommen der Casual Games und der TeroSzene spielen dabei genauso eine Rolle. Vor allem aber lernt jeder viele der kreativen Köpfe kennen, die uns so viele schöne wie unterhaltsame Stunden vor den Bildschirmen beschert haben. Auch wenn leider nicht alle bedeutenden Leute für ein Interview bereitstanden, so hoffe ich doch sehr, dass die zahlreichen Gespräche einen tieferen Einblick in die Szene, in die Game Generations gewähren. Aktuelle Entwicklungen wie das Aufkommen der Casual Games spielen dabei genauso eine Rolle wie ein Blick auf die Retro- und die Independent-Szene. Vor allem aber lernt jeder Interessierte eine Vielzahl kreativer Köpfe kennen, die uns allen so viele schöne wie unterhaltsame Stunden vor den Bildschirmen beschert haben. Auch wenn leider nicht alle bedeutenden Leute für ein Interview bereitstanden, so hoffe ich doch sehr, dass die zahlreichen Gespräche und Infos einen tieferen Einblick in die Szene gewähren. Darüber hinaus auf den Edutainment-Markt einzugehen, erscheint mir aus zwei Gründen sinnvoll: Zum einen, weil sich dort etliche Minispiele finden, die an Klassiker angelehnt sind; zum anderen, weil die Medien bislang übersehen haben, was da überhaupt passiert (ist). Im Kern will ich zeigen, welche Personen hinter den Bits und Bytes stehen. Wie sind sie in die Branche gekommen? Wer hat ihnen das Programmieren beigebracht? Was hat sie beeinflusst? Womit hatten sie im Laufe ihre Karriere Schwierigkeiten? Welche Ansichten vertreten sie heute? Und was ist ihnen in Erinnerung geblieben? Da die Gesprächspartner unterschiedlichen Alters sind, habe ich das Ganze unter dem Titel Game Generations zusammengefasst. Also: Es geht um Pioniere, um erfolgreiche Macher, um Freaks und Geeks, um eine Kulturbewegung, die hierzulande mit dem VCS und dem C64 ihren Lauf nahm. Ich sag nur «Syntax Error». Na dann mal viel Spaß beim Schmökern. Anregungen, Lob und Kritik – aber bitte bloß keinen Unfug! – kann mir jeder gern per E-Mail zukommen lassen: [email protected] 9 Gaunern hinterher rennen und Raumschiffe abschießen – mehr musste es damals gar nicht sein. 10 Ausblick Ausblick «Du solltest schleunigst deine Ideen ins Game integrieren, sonst platzt dir noch der Schädel.» Und was spielt die nächste und übernächste Generation? Das ist eine Frage, die sich nur schwer beantworten lässt. Ein Blick auf die aktuelle Entwicklung zeigt jedoch, dass es zunächst einmal immer mehr von den Nutzern generierte Inhalte (user generated content) geben wird. Games wie Lego Universe, Little Big Planet und Spore gehören zu den ersten Titeln, und es werden ganz sicher nicht die letzten ihrer Art sein. Hier hat Web 2.0 deutliche Spuren hinterlassen: Vernetzung und Selbstdarstellung finden Einzug in die Welt der Computer- und Videospiele. Genauso vorstellbar ist, dass wir eines Tages wach werden und feststellen, dass wir gar nicht geträumt haben, sondern soeben durch die Zeit gereist sind – ohne Controller, einfach nur mit der Kraft unserer Gedanken, die über eine unsichtbare Schnittstelle in einen winzigen Supercomputer eingespeist worden sind. «Denkbar» ist ja alles… 1. Die Historie der Computer- und Videospiele Wenn es darum geht, die Geburtsstunde der Computer- und Videospiele auszumachen, streiten sich die Geister: Während einige Experten den Physiker William Higinbotham als Urvater der elektronischen Unterhaltung nennen, ist es für die anderen die Forschungsgruppe um Alan Kotok und Steve Russell. Auch der deutsche Ralph H. Baer wird in diesem Zusammenhang aufgeführt. Tatsächlich aber muss das Ganze als ein Prozess betrachten werden, der in Korrelation zu den technischen Gegebenheiten seiner Zeit stand – und immer stehen wird. Denn ein Blick auf die Historie zeigt, dass es die Hardware ist, die definiert, was in puncto Zeitvertreib möglich ist. In der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts verfolgte William Higinbotham die Absicht, das Fernsehen in ein Medium zu verwandeln, mit dem man sich die Zeit anders vertreiben sollte als nur mit dem Anschauen von Programmsendungen. Während seiner Arbeit am Brookhaven National Laboratory entwickelte Higinbotham das erste elektronische Spiel: Im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung (1958) präsentierte der Forscher sein Ergebnis namens Tennis For Two auf einem Oszillographen mit einem Durchmesser von rund 12,7 Zentimetern. In der Mitte des modifizierten Bildschirms war eine vertikale Linie zu sehen, die das Netz symbolisierte. Mit Hilfe von zwei Reglern, quasi den Joystick-Vorläufern, konnten die Besucher nun den Ball steuern, der als ein Punkt dargestellt wurde. Da der Erfinder sich lieber ernsteren Themen widmete, unternahm er nichts, um sein kleines Projekt auszubauen. Seine Idee gar zu vermarkten, stand ihm überhaupt nicht im Sinn. Doch die simple Umsetzung des Tennis-Prinzips sollte nicht umsonst gewesen sein. 1972 sorgt der Elektrotechniker Nolan Bushnell dafür, dass pong zum Erfolg in den Spielhallen wird – optisch erinnerte es zwar sofort an Higinbothams frühes Expe- Sinnloser Zeitvertreib In den Augen Ralph H. Baers hatten weder Tennis For Two noch Spacewar tatsächlich etwas mit der Art von TV-gebundener Unterhaltung zu tun, wie er es tat. Für Baer waren die Demonstrationen lediglich zum Spaß da. Vgl. Ralph H. Baer: Videogames: In The Beginning. Springfield, NJ 2005, S. 15–17 Not macht erfinderisch Wie die Zeit vergeht! Vor 40 Jahren wurde das erste Patent für ein Videospiel angemeldet. Es war Ralph Baers Brown Box. Rückblickend erzählt er: «[I]ch bin ausgebildeter Fernsehtechniker und Ingenieur, der sich bestens mit TV-Receivern, TV-Transmittern und so weiter auskannte. Letztlich habe ich lediglich dieses Wissen um die TV-Technologie mit einer kreativen Idee kombiniert. «Dass ich die Idee hatte, war auch [einer] Zeit geschuldet, […] in der es nur zwei Fernsehkanäle gab. Welche Vergeudung dachte ich damals, denn die Programme waren einfach schrecklich.» Vgl. Ralph H. Baer im Interview mit Harald Hesse: «Ein wirklich magischer Moment». In: GamesMarkt, 23. August 2007, S. 28/29 pong 12 1. Die Historie der Computer- und Videospiele riment, tatsächlich aber hatte sich Bushnell die Idee für pong bei Ralph Baer abgeschaut. Baer arbeitete als Fernsehtechniker bei der Firma Sanders und hatte bereits 1968 das erste Patent für ein Videospielgerät angemeldet. Besonders berühmt wurde er deswegen aber nicht. Zehn Jahre bevor pong ein Hit wurde, zerbrachen sich noch andere Menschen ihre Köpfe: Eine Wissenschaftler-Gruppe um Alan Kotok und Steve Russell am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelte in den Jahren 1961 und 1962 spacewar, ein Spiel, in dem sich zwei Raumschiffe solange gegeneinander beschossen, bis eines von ihnen explodierte. Entsprechend der damaligen Technik konnte die Zerstörung lediglich in Form eines sich in Punkte auflösenden Haufens dargestellt werden. Als Hardware-Basis diente der seit 1959 verfügbare PDP-1. spacewar faszinierte Bushnell während seines Studiums so sehr, dass er das Ballerspiel nach seinen Textwüsten Vorstellungen veränderte. Er taufte es coMpUTer space. Bevor es Grafiken gab, ging es «literarisch» Durchsetzen konnte es sich allerdings nicht. Das Prozu: Den Grundstein für Text-Adventures legte jekt schien zu gewagt. So versuchte es Bushnell mit William Crowther. Sein C OLOSSAL C AVE A DVEN pong. Wie gesagt, der Zuspruch ließ nicht lange auf TURE (1972), das später lediglich als A DVENTURE sich warten. Denn da jeder das simple Spielprinzip bekannt war, entführte den Spieler in eine («Avoid missing ball for Highscore») auf Anhieb verHöhlenwelt, in der Schätze gesucht werden stand, gab es plötzlich keine Berührungsängste mehr mussten. Crowther hatte dabei seine eigenen mit dem Spielautomaten. Folglich wurde das Gerät Erlebnisse einfließen lassen. 1976 erweiterte vielerorts in Bars und Kneipen in ganz Amerika aufDon Woods den Inhalt des Games. Derartige gestellt. Bushnell war somit der erste Konstrukteur, Text-Adventures gab es noch über zehn Jahre der aus seinem Know-how Kapital schlug. Das Geld später. C OLOSSAL C AVE A DVENTURE hat zudem das investierte er in die Gründung einer Firma. Erst wollRollenspiel-Genre geprägt. te er sie Syzygy nennen, doch der Name war schon im Handelsregister eingetragen. Also taufte er das Unternehmen Atari. Damit legte er den Grundstein für einen neuen Industriezweig. Game & Watch: In Asien fand man ebenfalls rasch Gefallen an dem neuen Medium. In jener donKey Kong Jr. Zeit, also zu Beginn der siebziger Jahre, begann die japanische Firma Nintendo damit, sich marktstrategisch neu zu positionieren. 1977 stieg das Unternehmen in das Geschäft der Unterhaltungselektronik ein, und zwar indem mit der Produktion der so genannten «Game & Watch»-Telespiele begonnen wurde, die dann 1980 auf den Markt kamen. Dabei orientierten sich die Asiaten zunächst an den Entwicklungen im Nolan Bushnell über S PACEWAR : «Ich weiß noch, dass wir es 1969 an der Uni auf einen Mainframerechner heruntergeladen haben und damals wirklich die ganze Nacht durch gespielt haben. Wir fingen abends um acht an, und hörten erst morgens um acht wieder auf. Und der einzige Grund, warum wir überhaupt wieder aufhörten, war, dass morgens die Informatiker an die Rechner mussten. Wir Studenten hatten nur dann Zugang zu den Computern, wenn sonst niemand dran wollte.» (Nolan Bushnell im Interview mit Tilman Baumgärtel, «Stellen Sie sich vor, man könnte bei DOOM Mannschaften bilden!» http://www.heise.de/tp/r4/artikel/2/2525/1.html (10. November 1998).) Westen. Schließlich leisteten dort viele technisch versierte Schöpfer ihren Beitrag. Selbst die Apple-Gründer Steve Jobs und Steven Wozniak mischten damals bei Atari mit. Kurz vor der Konstituierung ihrer eigenen Firma präsentierten sie Breakout. Das Reaktionsspiel, bei dem mit einem Ball die einzelnen Steine einer Mauer zerstört werden mussten, gilt heute neben Pong und anderen Titeln wie A steroids, Centipede und Space Invaders als Klassiker der Arcade-Ära. 1979 begab sich Nintendo auf dieses Terrain. Im Jahr darauf betrat Donkey Kong die Bühne der Spielhallenwelt Amerikas. Ein kleiner Zimmermann namens Jumpman (der spätere Mario) rannte über ein Baustellengerüst und musste sich vor diversen Hindernissen in Acht nehmen, um am Ende seine Freundin aus den Klauen eines Gorillas zu befreien. Entgegen den Erwartungen wurde das Jump‘n‘Run-Game binnen weniger Tage zu einer Attraktion: Nintendo of America verkaufte in weniger als zwei Jahren 60.000 Donkey KongAutomaten. Kein Wunder also, dass das Game direkt für Ataris VCS, das Video Computer System 2600, umgesetzt wurde, das der Industrie den Weg in die Wohnzimmer bahnte. Zur gleichen Zeit sorgte Namco mit Pac-M an für Furore. In einer spannenden, wenn auch sehr schlichten Verfolgungsjagd ging es um einen essenden, gelben Punkt, der auf keinen Fall in Berührung mit einem der vier verschiedenfarbigen Geistern kommen durfte. Sonst musste von wieder von vorne begonnen werden. 1982 erreichte die erste Videospielwelle mit einem Jahresumsatz von rund 3 Milliarden Dollar in den USA ihren Höhepunkt. Selbstverständlich lag es da nahe, die Spiele auch auf den anderen Plattformen verfügbar zu machen. Das forcierte einerseits den Erfolg der Heimcomputer und andererseits das Aufkommen der Spielkonsolen. Dabei teilte sich das Lager: In Amerika bewegte man sich langsam aber sicher in Richtung PC, in Japan schwor man hingegen weiterhin auf die TV-gebundenen Modulsysteme. Commodores C64 und Amiga waren im Westen angesagt, im Osten antwortete Sega mit dem Mega Drive und Nintendo entwickelte das Family Computer System (Famicom, hierzulande als NES bekannt) sowie den Game Boy. Gewiss waren dies nicht die einzigen Errungenschaften jener Tage, doch sie sind es, die wegweisend waren. Nintendo etablierte nämlich erstmals Figuren auf dem Markt. Und diese trifft man selbst heute noch in der Branche an. 13 Die Apple-Gründer Steve Jobs (r.) und Steven Wozniak (Copyright: Apple) Mensch, haben wir das oft gespielt! Pac-M an (Namco) 14 1. Die Historie der Computer- und Videospiele Die Geburtsstunde des Pointand-Click-Games: M aniac M ansion Endlich Grafik: Sieben Jahre vor M aniac M ansion: Mystery House So etwa den Klempner Mario, der seit 1983 im Mittelpunkt etlicher Titel steht. Damit führte Nintendo das fort, was Namco mit Pac-Man begonnen hatte – quasi so etwas wie einen Starkult ähnlich der Filmwelt aufzubauen. Dem C64 gelang das nicht, aber die ausgefeilte Technik ließ es indes zu, komplexer angelegte Spiele zu programmieren. Schließlich mussten nicht ständig Geldmünzen eingeworfen werden, um weiterzuspielen. Zu Hause konnte man sich längst stundenlang mit dem Computer beschäftigen. In der Folge entwickelte beispielsweise LucasFilm lustige, geistreiche Adventures wie M aniac M ansion (1987) und Zak McKracken and the Alien Mindhunters (1988). Erfunden wurde diese der Literatur sehr nahe Gattung allerdings von Ken und Roberta Williams. An der Schwelle zu den achtziger Jahren gründeten sie die Firma On-Line Systems, die 1982 zu Sierra On-Line umbenannt wurde. Infolge eines Auftrags von IBM begann das Ehepaar 1983 gemeinsam mit einem kleinen Programmierer-Team, das erste Adventure mit einer Landschaftsgrafik zu entwerfen. Ein Jahr später war King’s Quest fertig, und ein großer Schritt getan. Denn vier Jahre zuvor war es noch eine Kunst gewesen, Text und Bild in Mystery House, dem ersten Game für den Apple II, miteinander zu kombinieren. Außerdem wurde die Schwarzweiß-Grafik nun von 16 Farben abgelöst. • Die Maus als Steuerungsinstrument An M aniac M ansion lässt sich wiederum adäquat aufzeigen, wie abhängig Games immer von der Hardware sind. Das Spiel löste die vorher entstandenen TextAdventures ab, indem es erstmals möglich werden ließ, die Befehle, die die Die Maus als Steuerungsinstrument 15 Spielfigur ausüben sollte, per Mausklick auszuwählen. Sie mussten also nicht mehr wie zuvor extra über die Tastatur eingeben werden. Dazu musste jedoch erst einmal die Maus als Steuerungsinstrument erfunden worden sein. Das Besondere allerdings war, dass der Rezipient selbst zum Protagonisten der Geschichte wurde, entschied er doch nun anhand gesammelter Hinweise, welcher Schritt der nächst sinnvolle war. Außerdem ließen sich jetzt die verschiedensten Gegenstände miteinander kombinieren. Die Objekte, die sich im Besitz der Spielfigur befanden, wurden zudem in einem sichtbaren Inventar verwaltet. 1991 folgte THe secreT oF MonKey island, 1993 erschienen day oF THe TenTacle und saM & M ax HiT THe road. Alle drei Produkte bewiesen, dass sich nun längere Geschichten erzählen ließen, die sowohl mit witzigen Dialogen als auch etlichen Rätselaufgaben für stundenlange Unterhaltung vor dem Das TeTris-MoBildschirm sorgten. Die Grafik hatte stets etwas von Comics. LucasArts wurde dul ging mit dem Gameboy so zum Inbegriff des Genres und verdrängte Sierra. Zwar kamen in den neun- eine Symbioziger Jahren nicht nur Fortsetzungen von MonKey island, sondern auch diverse se ein. Abkömmlinge wie bapHoMeTs FlUcH auf den Markt, das Genre der inzwischen als Point-and-Click-Adventures bezeichneten Titel spielte aber immer seltener eine Rolle. Es wurde zu einem Nischenphänomen. Der Grund liegt auf der Hand: Nicht anders als es in der Literatur und im Film der Fall ist, hatten sich parallel zu diesem Prozess diverse andere Spielkategorien herauskristallisiert. Schon die 16-Bit-Ära der späten achtziger und frühen neunziger Jahre überzeugte mit einer großen Vielfalt: TeTris und leMMings forderten Reaktion und Geschicklichkeit der Spieler, in deFender oF THe crown Alexej Pajitnow über den Siegesnahm man auf strategischer Basis das eigene Land zug von TETRIS unter seine Fittiche, in Segas Autorennen oUT rUn «Ein kommerzieller Megaerfolg wurde erst wurden Autos entlang von Küstenpromenaden gedie TETRIS-Version für den Nintendo Gameboy. steuert, und bei Sportsimulationen wie sUMMer gaMes Und in was für einer Größenordnung, das oder winTer gaMes ging es auf virtuelle Medaillenjagd. wurde mir erst im Juni 1989 klar, als ich von Doch mit dem Aufkommen der 32-Bit-Prozessoren Henk Rogers, dem Inhaber der TETRIS-Lizenz und der Einführung der CD-ROM bekam die Branche für Konsolen, nach Japan eingeladen wurde. den stärksten Wind in die Segel geblasen. Denn von [... Im] Lager [von Nintendo] stapelten sich nun an sollten sie dreidimensional aussehen, die die Kartons mit TETRIS-Spielen bis unter die Spiele. Obendrein wurden sie mit Sound-Effekten Decke […] – es waren Unmengen.» und Musik aufgepeppt. In dieser Phase entstanden Alexej Pajitnow im Interview mit Michail die ersten Echtzeit-Strategiespiele. Hier sind coMMand Hengstenberg, Ich bereue nichts». In: GEE, & conqUer und Heroes oF MigHT & M agic zu nennen, März-Ausgabe 2007, S. 66–68. die trotz ihrer unterschiedlichen Szenarien – Kriegsschlachtfeld und Fantasywelt – viele Parallelen in puncto Gameplay (Spielbarkeit) hatten. Beide erschienen 1995 und prägen das Genre bis heute. Etliche andere Reihen hatten sich unterdessen bereits 2.28 Tohru Murayama und Iizawa Hitoshi: Die Kämpfer 141 • 2.28 Tohru Murayama und Iizawa Hitoshi: Die Kämpfer Nur in Deutschland werden Titel wie Dead or Alive, Soul C alibur und Tekken als Beat’em-UpGames bezeichnet. In Japan und dem Rest der Welt werden sie einfach Kampfspiele genannt. Einer der im Land der aufgehenden Sonne populären Vertreter dieses Genres ist Segas Virtua Fighter-Serie. Tohru Murayama, der leitende Game-Designer, und sein Kollege, der Programmierer Iizawa Hitoshi, über das, was die Reihe so besonders macht und warum es gut war, dass sich Sega von der HardwareProduktion verabschiedete. Wie kommt man in Japan zu Sega? Tohru Murayama: Ich habe zwei Jahre in einem Gameshop gearbeitet und war schon immer ein großer Fan von Sega-Games. Eines Tages erzählte mir ein Freund, dass es eine offene Stelle bei Sega gab. Da wusste ich aber gar nicht, dass er selbst bei Sega angestellt war. Iizawa Hitoshi: Als ich an der Universität war, dachte ich noch, einmal in meinem Beruf tätig zu werden, also als System-Ingenieur. Da ich meine Zeit jedoch auch viel mit Games verbrachte, konnte ich mir genauso gut einen Job in der Videogame-Industrie vorstellen. So kam es auch. Zunächst habe ich für einen Zulieferer Segas gearbeitet, als Sega diese Firma dann wenig später übernommen hat, war ich plötzlich dort angestellt. Welche Games habt ihr besonders oft gespielt, bevor ihr zu Sega kamt? Murayama: Oh, was für eine schwierige Frage, das waren etliche! (denkt lang nach) Tower of the Dragon von Namco, Phantasy Zone von Sega, vor allem aber etliche Arcade-Games wie Space Warrior und Out Run. Hitoshi: Einen Favoriten könnte ich nicht nennen, angefangen habe ich mit dem NES, weiter ging es mit der PlayStation. Der Grund, weshalb ich Frage, ist, dass viele japanische Entwickler Zelda nennen, wenn man sie nach ihren Lieblingsgames fragt. Daraufhin nicken beide. Aber seither ist ja viel passiert, die Industrie ist enorm gewachsen und Publisher gehen immer weniger Risiken ein. Wie schätzt ihr das ein? Murayama: Die Entwicklung, dass es Games mit immer besseren Grafiken gibt, lässt sich nicht stoppen. Schließlich sprechen hoch auflösende Bilder die Spieler viel mehr an, als das noch vor zehn Jahren der Fall war. Dieser Trend ist unaufhörlich, und darauf müssen sich alle einstellen. Andererseits hat der Erfolg der Wii und des DS in Japan zu einer Veränderung geführt. Casual Games Tohru Murayama und Iizawa Hitoshi 142 2. Behind the screens: Entwickler und Pioniere sind mehr und mehr gefragt. Daher müssen wir uns in Zukunft diverse Gedanken darüber machen, wie ein Game angelegt werden soll. Hitoshi: Bisher hat alle die Grafik interessiert. Jeder hatte Durst nach immer schöneren Bildern. Das war in gewisser Weise einfach, liegt das doch in gewisser Weise in der Natur des Programmierens. Jetzt jedoch verlangen die Leute verschiedene Dinge. Die Industrie ist somit an einem neuen Wendepunkt angelangt. Denn das, was man als Casual Games bezeichnet, «Everybody is Kung Fu Fighting»: 1993 kam der stellt letztlich doch nur einen kleinen Teil der Spieler erste VIRTUA FIGHTER-Automat auf den Markt. Als zufrieden. Schöpfer gilt Yu Suzuki. Ein Jahr später brachte Es bedarf also neuer Konzepte, um die bisherige TradiSega das Game auf die hauseigene Saturn-Kontion aufzubrechen? Next-Gen hat also auch gar nichts sole. Im Jahr darauf kam die Antwort von Namco: mit der Grafik zu tun, wie viele es verkaufen, sondern TEKKEN stand in den Spielhallen. Im selben Jahr mit neuen Erfahrungen, die der Spieler macht. erschien eine Umsetzung für Sonys PlayStation. Murayama: In gewisser Weise, doch signifikante VerSeither kämpfen die beiden Unternehmen um die besserungen in der grafischen Darstellung würde ich Genre-Krone, müssen sich zugleich jedoch noch nicht davon absondern. Das ist zumindest ein Aspekt mit der DEAD OR ALIVE-Reihe (Bild aus DEAD OR ALIVE 3) eines Next-Gen-Games. messen, die bis heute mit phänomenalen WurfatHitoshi: Es ist sehr einfach, von einem Next-Gen-Game tacken und kühnen Artistikeinlagen imponiert. in Verbindung mit einer neuen Konsolengeneration zu sprechen. Kein Zweifel. Aber das ist nur ein Aspekt, denn damit haben wir selbstverständlich noch lange nicht das erreicht, Die virTUa FigHwas wir tatsächlich unter einer neuen Erfahrung verstehen. Ter-Reihe steht Im Bereich der Kampfspiele gilt die vIrtua fIghter-Reihe als eine derjenigen, die für Kämpfe, bei denen beide sich am besten verkauft. Worin liegt das Geheimnis im Vergleich zur KonkurSeiten gleich renz? stark sind (SzeMurayama: Dass sich die Reihe so gut verkauft, liegt vor allem daran, dass das ne aus virTUal Gameplay sehr gut ausbalanciert ist. Es gibt keinen Charakter, der einen VorFigHTer für PS3.) teil gegenüber einem anderen hat. Zwischen allen Akteuren herrscht eine Ausgeglichenheit. So kann vielleicht auch ein ungeübter Spieler einen geübten besiegen. Wir haben uns immer darauf konzentriert, dies beizubehalten. Nur so kann es auch gelingen, lange gefragt zu sein. Zudem konnten wir die Popularität aufrechterhalten, indem wir mit jeder 2.28 Tohru Murayama und Iizawa Hitoshi:Die Kämpfer 143 neuen Version das Tempo erhöht haben. Wir haben kontinuierlich an den Fortsetzungen gefeilt. Fehlten beim allerersten Teil, in dem es schnelle, 3Danimierte Polygon-Charaktere zu sehen gab, noch die Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Anno Texturen, so folgten diese beim zweiten und gaben 2001 gab Sega bekannt, dass das japanische dem Ganzen ein weitaus schöneres Aussehen. Später Unternehmen keine Hardware mehr produziekamen verschiedene Ebenen dazu, beim vierten war ren wolle. Stattdessen wolle man sich in den es dann erstmals in einem Arcade-Titel möglich, seinächsten Jahren darauf konzentrieren, für nen Charakter individuell zu erstellen, und bei virTUa sämtliche erhältlichen Plattformen Software FigHTer 5 kam der Kommunikationsaspekt hinzu. zu entwickeln. Weshalb diese Neuorientierung Kommen wir mal zu einem Punkt, der sich auf die auf viele wie ein Schlag ins Gesicht war? Nach Hardware bezieht. Sega hat sich ja völlig von diesem einer Antwort muss man nicht lange suchen. Markt verabschiedet. War es eine gute Entscheidung, In dieser Zeit galt Segas Dreamcast nämlich die Dreamcast-Produktion einzustellen? als eine Konsole, die aufgrund der Technik, die Murayama: Das ist Sache des Managements, das kann in dem Gerät schlummerte, die Konkurrenten ich nicht kommentieren. Ich kann aber sagen, dass Nintendo und Sony übertraf. Das bewiesen unich selbst heute noch manchmal Dreamcast-Games ter anderem Titel wie CRAZY TAXI, PHANTASY STAR spiele und dass mir die Entscheidung vorkam, als ONLINE und VIRTUA TENNIS. Doch offensichtlich war wäre sie unumgänglich gewesen. das nicht genug. Außerdem war Sega schon Hitoshi: Ich habe bei Sega angefangen, als die Drezuvor in Schwierigkeiten geraten. Die Saturnamcast gerade auf den Markt kam. Insofern macht Konsole konnte nicht mit Sonys PlayStation mich das Thema schon traurig. Dennoch war es meiauf Augenhöhe bleiben, was bereits am Image ner Meinung nach eine richtige Entscheidung, denn Segas kratzte. die Dreamcast-Produktion hat sehr viel Kosten verursacht. Was ich aber mit Sicherheit sagen kann, ist, dass es unsere Arbeitsplätze gerettet hat. Es sind zwar einige Entwickler daraufhin gegangen, aber aus eigenen Beweggründen. Sie wurden nicht gefeuert. Murayama: Wäre es nicht zu dieser Entscheidung gekommen, wer weiß, ob es Sega dann überhaupt noch geben würde.