Die bakterielle Endokarditis im Kindes- und
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Die bakterielle Endokarditis im Kindes- und
SONDERDRUCK 2 Die bakterielle Endokarditis im Kindesund Jugendalter Prof. Dr. med. Hans-Heiner Kramer Direktor der Klinik für Kinderkardiologie, Klinikum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Herausgegeben von der Deutschen Herzstiftung Stand: Oktober 2002 Die bakterielle Endokarditis im Kindes- und Jugendalter Prof. Dr. med. Hans-Heiner Kramer, Direktor der Klinik für Kinderkardiologie, Klinikum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Wie entsteht eine bakterielle Endokarditis? Unter einer bakteriellen Endokarditis ist eine Entzündung im Bereich der Herzklappen sowie der Innenhaut des Herzens oder der herznahen großen Arterien zu verstehen. Bei angeborenen Herzfehlern bestehen in vielen Fällen im Bereich des Defekts turbulente Blutströmungen, die Verletzungen der Klappenoberfläche oder der Herz- und Gefäßinnenhaut hervorrufen. Auf diesen Bezirken entEntstehungsmechanismus einer bakteriellen Endokarditis Schwachstelle Turbulenz Verletzung der Klappenoberfläche Welche Kinder können an einer bakteriellen Endokarditis erkranken? thrombotische Auflagerung Bakterien endokarditische Vegetation modif. n. Nager Abb. 1: Entstehungsmechanismus einer bakteriellen Endokarditis 2 wickeln sich Auflagerungen, an die sich bestimmte Bakterien, die eine besonders gute Anlagerungsfähigkeit an die Baustoffe von Herz- und Gefäßwand besitzen, anheften können (Abb. 1). Dringen solche Bakterien in hoher Keimzahl in die Blutbahn ein, entsteht dort eine sogenannte endokarditische Vegetation, d. h. ein von Bakterien und Entzündungszellen durchsetztes Blutgerinnsel (Thrombus), das einem Abszess in der Blutbahn gleichkommt. Bei den Bakterien handelt es sich in fast der Hälfte der Fälle um die als Mitbewohner des Mund- und Rachenraums vorkommenden, vergrünend wachsenden (d. h. (ahämolysierenden) Streptokokken. Dagegen verursachen die ß-hämolysierenden Streptokokken, d. h. die häufigsten Erreger der Mandel- oder Rachenentzündung, nur extrem selten eine Endokarditis. Die zweithäufigsten Erreger der Endokarditis sind auf der Haut vorkommende Erreger, sogenannte Staphylokokken, die knapp ein Drittel der Fälle verursachen. Im Kindesalter kommen bakterielle Endokarditiden fast ausschließlich bei angeborenem Herzfehler vor, herzgesunde Kinder erkranken nur sehr selten. Patienten mit Aortenklappenverengung beziehungsweise Aortenisthmusverengung sowie zyanotische Kinder, bei denen zur Verbesserung der Lungendurchblutung ein sogenannter Shunt angelegt wurde, sind besonders häufig betrof- fen. Erkrankungen nach Behandlung des Herzfehlers durch Operation oder Katheter sind dagegen – abgesehen von der Aortenklappenstenose – seltener. Welche Symptome weisen auf eine bakterielle Endokarditis hin? Die klinischen Symptome der Erkrankung sind bei vielen Erregern, speziell den vergrünend wachsenden Streptokokken, in der Anfangsphase oft sehr unspezifisch: z. B. Leistungsabfall und Appetitlosigkeit. Ausnahmslos besteht Fieber, das allerdings außer bei der durch Staphylokokken verursachten Endokarditis vielfach nicht sehr hoch ist oder nur vorübergehend auftritt. Es besteht die Gefahr, dass die Symptome fehlgedeutet werden und zunächst ein „banaler“ Infekt angenommen wird. Verordnungen von Antibiotika bei banalen Infekten, die ja in der Regel durch Viren ausgelöst werden, sollten vermieden werden, da dies im Falle einer Endokarditis zu einer Verschleierung des Krankheitsbildes und Verzögerung der Diagnosestellung beiträgt. Der Kinderarzt fahndet bei Kindern mit angeborenem Herzfehler vielmehr stets äußerst sorgfältig nach der Ursache des Fiebers. Die exakte Vorgehensweise ist im letzten Abschnitt dargestellt. Bei der klinischen Untersuchung zum Zeitpunkt der Krankenhauseinweisung, die nach eigenen Erfahrungen oft erst nach mehreren Wochen erfolgt, hört der Arzt in knapp 40% der Fälle ein neues Herzgeräusch als Hinweis auf eine Klappenundichtigkeit, die Folge der Klappenzerstörung durch die Bakterien ist. Eine Milzvergrößerung ist bei circa 2/3 der Kinder als Ausdruck einer bereits länger bestehenden Infektion festzustellen. Durch Embolien bedingte neurologische Symptome, zum Beispiel eine plötzliche Lähmung oder ein Krampfanfall, führen in jedem siebten Fall zur Krankenhauseinweisung. Woher kann die bakterielle Endokarditis ihren Ausgang nehmen? Nur in ca. 40% der Fälle lässt sich der Ort, von dem die Infektion ausgeht, finden. Meistens handelt es sich um den Mund- und Rachenraum, in dem sich speziell bei Patienten mit zyanotischen Herzfehlern oft Entzündungsprozesse der Zähne und des Zahnfleischs feststellen lassen. Schlechte Zahnhygiene ist als ein wichtiger Risikofaktor anzusehen. Vor dem vierten Lebensjahr ist eine Endokarditis selten, weil in dieser Altersstufe entzündliche Prozesse der Zähne und des Zahnfleischs geringere Bedeutung haben. Eine wichtige Eintrittsstelle für Staphylokokken ist die Haut – hier spielen Verletzungen und infizierte Akne eine Rolle. Der Harntrakt dient dagegen im Kindesalter nur in einzelnen Fällen als Pforte für die Endokarditis-Erreger. Welche Untersuchungen sind für die Diagnose wichtig? Die Laborbefunde sind Ausdruck des schweren, zum Teil lang anhaltenden Entzündungsprozesses. Die Zahl der weißen Blutkörperchen ist vermehrt. Die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) ist bei dem größten Teil der Patienten beschleunigt. Aussagekräftiger ist aber die Bestimmung eines speziellen auf eine bakterielle Entzündung hinweisenden Eiweißstoffs, des sogenannten C-reaktiven Proteins (CRP). Liegt kein erhöhter CRP-Wert vor, ist eine Endokarditis mit großer Sicherheit auszuschließen. Lässt sich bei erhöhtem CRP ein Infektionsherd nicht sicher lokalisieren, dann muss an eine Endokarditis gedacht werden. Mehr als die Hälfte der Kinder weist bei Klinikeinweisung als Ausdruck des langdauernden, schweren Entzündungsprozesses eine Blutarmut auf. Die Blutkultur ermöglicht den Erregernachweis in 90-95% der Fälle. Dieser ist sowohl für die Sicherung der Diagnose als auch für die gezielte Antibiotika3 Therapie von größter Bedeutung. Die antibiotische Behandlung sollte, wenn irgend möglich, nicht ohne erfolgten Erregernachweis begonnen werden. Die Echokardiographie ist bei positivem Befund, d. h. Erkennung endokarditischer Vegetationen speziell im Bereich der Herzklappen, ein wesentlicher Pfeiler der Diagnose „Endokarditis“. Nach unserer Erfahrung lassen sich in 50 – 60% der Fälle eine Vegetation, d. h. ein von Bakterien durchsetztes Blutgerinnsel, nachweisen. Schwierig kann gelegentlich die Abgrenzung kleinerer Vegetationen von angeborenen Veränderungen einer missgebildeten Herzklappe und auch der Nachweis einer Vegetation bei Lokalisation im Bereich der herznahen Arterien sein. Die endokarditischen Vegetationen entwickeln sich typischerweise an den durch turbulente Blutströmungen geschädigten Stellen stromabwärts des Defekts; zum Beispiel sind bei Kammerscheidewanddefekt die Vegetationen an der rechten Herzkammerwand, oft am dort befindlichen Segel der Trikuspidalklappe lokalisiert. Patienten mit kleinem Defekt tragen ein höheres Risiko als solche mit größerem Defekt, was auf die höhere Geschwindigkeit des Blutstroms durch den VSD zurückzuführen ist. Bei zyanotischen Herzfehlern, bei denen ein sogenannter Shunt zur Verbesserung der Lungendurchblutung geschaffen worden ist, bilden sich die Vegetationen meistens an dessen lungenseitigem Ende. Vegetationen im Bereich des Körperkreislaufs, zum Beispiel an der Aortenklappe, sind wegen der Gefahr cerebraler Embolien durch Ablösung der Vegetation gefährlicher als Vegetationen im Lungenkreislauf. Welche Komplikationen und Folgeschäden kann eine bakterielle Endokarditis hervorrufen? Bei etwa der Hälfte der Patienten mit bakterieller Endokarditis kommt es zu Komplika4 tionen und Folgeschäden: In 25% handelt es sich um die gerade erwähnten Embolien von Anteilen der Vegetationen in den Körper- und Lungenkreislauf. Im Körperkreislauf handelt es sich um Embolien in das Gehirn oder andere Körperregionen, zum Beispiel in die Arme und Beine. Die Lungenembolien haben zwar meist keine schweren Auswirkungen auf das Herzkreislaufsystem, können allerdings die Diagnose der bakteriellen Endokarditis erschweren, da verständlicherweise zunächst an eine Lungenentzündung gedacht wird. Eine Klappenzerstörung mit der Folge einer Undichtigkeit der Klappe entwickelt sich bei mehr als einem Drittel der Patienten. Meistens handelt es sich um die Aorten- oder Mitralklappe bzw. beide Klappen. In schweren Fällen muss umgehend ein Klappenersatz erfolgen. Aber auch nach erfolgreich medikamentös behandelter Endokarditis ist manchmal noch ein Kunstklappenersatz angezeigt. Die ernste Prognose der bakteriellen Endokarditis wird durch die hohe Todesrate belegt, welche bei Streptokokken-Endokarditis bei ca. 10%, bei anderen Erregern (Staphylokokken etc.) bei circa 30% liegt. Wie wird eine bakterielle Endokarditis behandelt? Die antibiotische Behandlung der bakteriellen Endokarditis muss gezielt gegen den nachgewiesenen Erreger gerichtet sein. Ziel ist die schnellstmögliche Abtötung der Bakterien. Hierfür ist der Einsatz geeigneter Antibiotika in höchster und damit sicher keimabtötender Dosis erforderlich. Außerdem müssen die verwendeten Antibiotika die Fähigkeit besitzen, hervorragend bis in die Tiefe der Vegetation – denn auch hier befinden sich lebensfähige Bakterien – eindringen zu können. Hieraus ergibt sich, dass der Erreger vor Behandlungsbeginn unbedingt nachgewiesen werden muss. Die Behandlung ohne Erregernachweis ist mit einer höheren Todesrate verbunden. Die Therapie ist nur auf intravenösem Wege möglich, eine Tabletteneinnahme ist unzureichend. Ihre Dauer beträgt bei Streptokokken-Endokarditis vier Wochen, bei Staphylokokken-Endokarditis im Regelfall sechs Wochen. Einige Tage nach Abschluss der Therapie werden erneut Blutkulturen abgenommen und die laborchemischen Entzündungszeichen überprüft, um zu beweisen, dass keine Erreger mehr im Körper sind. Was kann zur Vorbeugung einer bakteriellen Endokarditis getan werden? Angesichts der ernsten Prognose der bakteriellen Endokarditis sind alle Maßnahmen zur Senkung der Häufigkeit ihres Auftretens zu ergreifen. Dabei sind drei Aspekte von Bedeutung: 1. Korrigierende Operationen können dank der großen Fortschritte auf herzchirurgischem und intensivmedizinischem Sektor heute be- reits im Säuglings- und Kleinkindesalter durchgeführt werden. Dabei ist in der Regel eine primäre Korrektur des Herzfehlers möglich, das heißt auf Hilfsoperationen, wie zum Beispiel Shunt-Anlage bei cyanotischem Herzfehler, kann weitgehend verzichtet werden. Nach korrigierenden Operationen ist das Endokarditisrisiko zwar nicht beseitigt, aber in der Mehrzahl der Fälle als verringert anzusehen. 2. Größte Bedeutung hat bei allen gefährdeten Kindern eine gute Mund- und Zahnhygiene, da der Mund-Rachenraum als eine Haupteintrittspforte der Endokarditis-Erreger anzusehen ist. Regelmäßige zahnärztliche Kontrollen sind zu empfehlen. 3. Der dritte Punkt betrifft den Sektor, für den der Begriff „Endokarditis-Prophylaxe“ im eigentlichen Sinne verwendet wird bzw. verwendet werden sollte. Verschiedene medizinische und zahnmedizinische Eingriffe bergen ein beträchtliches Risiko der Auslösung einer Bakterienausschwemmung in die 5 Blutbahn. Diese ist für einen herzgesunden Patienten in der Regel belanglos, für das herzkranke Kind jedoch gefährlich, da es, wie eingangs erläutert, zu einer bakteriellen Besiedelung der infolge des Herzfehlers vorhandenen Verletzungen der Klappenoberfläche sowie Herz- und Gefäßinnenhaut kommen kann. Um dies zu verhindern, muss zum Zeitpunkt des Auftretens der Bakterienausschwemmung eine ausreichende Konzentration eines geeigneten Antibiotikums vorliegen, weswegen kurz vor dem Eingriff ein für das zu erwartende Erregerspektrum geeignetes Antibiotikum verabreicht werden muss. Hierin besteht der Sinn der Durchführung der Endokarditis-Prophylaxe. Bei welchen Herzfehlern besteht ein Endokarditis-Risiko? Bei der Beurteilung des Endokarditis-Risikos macht der Arzt sich klar, ob bei dem vorliegenden Herzfehler stark turbulente Blutströmungen vorliegen, durch die Verletzungen der Klappenoberfläche sowie der Herz- und Gefäßinnenhaut hervorgerufen werden oder nicht. So verursacht, wie schon erwähnt, ein Kammerscheidewanddefekt mit hohem Druckunterschied zwischen linker und rechter Herzkammer einen scharfen Jet-Fluss. Bei einem Vorhofscheidewanddefekt liegen dagegen vergleichsweise geringe Strömungsbeschleunigungen im Herzen vor. Daher besteht bei diesem Herzfehler (und beim sogenannten Mitralprolaps ohne Klappeninsuffizienz) keine Endokarditisgefährdung. Außerdem bestehen nach Verschluss eines Ductus Botalli sowie nach operativem komplettem Verschluss eines Kammerscheidewanddefekts keine turbulente Blutströmung mehr. Wenn nach dieser Operation der Flicken eingewachsen ist, braucht nach einem halben Jahr kein EndokarditisRisiko mehr befürchtet zu werden. Bei allen anderen Herzfehlern besteht die Notwendigkeit der Endokarditis vorzubeugen, und zwar auch nach der Herzoperation, da 6 hier in unterschiedlichem Maße Blutstromturbulenzen fortbestehen und das Endokarditis-Risiko daher nicht als beseitigt angesehen werden kann – auch wenn es in vielen Fällen verringert ist. Bei einer kleinen Anzahl von Kindern besteht nach der Operation allerdings ein besonders hohes EndokarditisRisiko, und zwar nach künstlichem Herzklappenersatz, Conduit-Implantation und Shunt-Operation. Hoch ist das Risiko auch nach früherer bakterieller Endokarditis. Wie wird die Endokarditis-Prophylaxe durchgeführt? Die Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie hat einen Ausweis mit Empfehlungen zur Endokarditis-Prophylaxe herausgegeben, die speziell einer einfachen Durchführung in der täglichen Praxis Rechnung tragen. Sein „Scheckkartenformat“ macht ihn handlich und erleichtert seine ständige Verfügbarkeit. Der Arzt bescheinigt durch die Ausstellung die Notwendigkeit einer EndokarditisProphylaxe. Der Regelfall ist die sogenannte „StandardEndokarditis-Prophylaxe“: Dabei wird einmal das Antibiotikum 30-60 Minuten vor dem geplanten Eingriff eingenommen. Hierdurch soll für die Dauer der Bakterienausschwemmung ein ausreichender Schutz gewährleistet werden. Eine zweite Dosis nach dem Eintritt ist nicht erforderlich, da die Dauer der Bakterienausschwemmung zum Beispiel nach zahnärztlichen Eingriffen, sehr kurz ist. Lassen die Umstände bei der Durchführung des Eingriffs eine längere Dauer der Bakterienausschwemmung befürchten, sollte nach sechs bis acht Stunden eine zweite Dosis verabreicht werden. Eine Fortführung der Medikation, zum Beispiel über 48 Stunden, wie früher empfohlen, ist nicht angezeigt und unnötig. Falsch wäre es, bereits mehrere Tage vor dem Eingriff mit einer Antibiotikagabe zu beginnen. Erfolgt der vorgesehene Eingriff in Narkose, wird das jeweilige Antibiotikum in gleicher Dosierung mit Beginn des Eingriffs intravenös verabreicht. In Ausnahmefällen kann das Antibiotikum auch eingenommen werden. Die Wahl des Antibiotikums richtet sich nach dem für den Ort des vorgesehenen Eingriffes typischen Erregerspektrum. Penicillin (und auch Amoxicillin) erfassen gut die im Mundund Rachenraum und Bronchialtrakt vorkommenden Erreger, für Eingriffe in Harnwegsund Magen-Darmbereich ist die Gabe eines auch gegen Enterokokken wirksamen AminoPenicillins (Ampicillin, Amoxicillin) notwendig. Ist die Eröffnung eines oberflächlichen Hautabszesses beabsichtigt, bei der es zu einer – für ein gesundes Kind harmlosen – kurzen Bakterienausschwemmung kommen kann, ist bei gefährdeten herzkranken Kindern prophylaktisch Flucloxacillin zu verabreichen. Im Ausweis wird bewusst die weit gefasste Formulierung „instrumentelle diagnostische und therapeutische Eingriffe“ verwendet und auf eine Auflistung einzelner Maßnahmen verzichtet. Der behandelnde Arzt/Zahnarzt muss sich die Frage stellen, ob die Gefahr der Auslösung einer Bakterienausschwemmung bei dem von ihm beabsichtigten Eingriff besteht. Wenn ja, muss die Antibiotika-Prophylaxe erfolgen. Eine Endokarditis-Prophylaxe bei fieberhaften Infekten gibt es nicht! Im Gegensatz zur oft geübten Praxis sollte bei Kindern mit Herzfehlern keine großzügige Verwendung von Antibiotika bei fieberhaften viralen Infekten erfolgen. Die Gefahr liegt darin, dass sich hinter einem vermeintlichen „banalen“ Infekt eine Endokarditis verbergen kann, da speziell bei Endokarditis mit vergrünend wachsenden Streptokokken zu Beginn ein relativ unspezifisches Beschwerdebild mit Leistungsabfall, Appetitlosigkeit und Fieber besteht. Die Annahme, durch Antibiotikagabe bei jedem Infekt einer Endo- karditis vorbeugen zu können, ist falsch. Das Gegenteil ist der Fall: Eine in dieser Absicht vorgenommene Antibiotika-Verordnung würde im Fall einer tatsächlich einmal vorliegenden Endokarditis zu einer Verschleierung des Krankheitsbildes und Verzögerung der Diagnosestellung führen, da nur eine „Anbehandlung“ erfolgen würde, aber niemals eine Abtötung der Keime in der endokarditischen Vegetation, die als Abszess im Herzen oder in den Gefäßen aufzufassen ist. Auch angesichts des Erregerspektrums ist es unsinnig, Kinder mit angeborenen Herzfehlern bei primär viralen Infektionen wegen der Gefahr einer bakteriellen „Superinfektion“ im Zweifelsfall antibiotisch zu behandeln. Bakterielle Infektionen des Rachens und Respirationstrakts werden am häufigsten durch (ß-hämolysierende) Streptokokken hervorgerufen, die wegen vergleichsweise geringer Anheftungseigenschaften am Herzgewebe nur sehr selten eine Endokarditis verursachen. Das praktische Vorgehen bei Infekten von Kindern mit angeborenem Herzfehler muss folgendermaßen aussehen. Die Ursache des Fiebers muss durch äußerst sorgfältige klinische Untersuchung geklärt werden. Kann trotz gründlicher Untersuchung der häufigsten bei Kindern als Fieberquelle in Betracht kommenden Organsysteme (also HNO-Bereich, Lunge, ableitende Harnwege) der Infektionsherd nicht eindeutig lokalisiert werden, muss eine Bestimmung der Zahl der weißen Blutkörperchen, ihrer Differenzierung und der Höhe des C-reaktiven Proteins (CRP) veranlasst werden. Liegen keine erhöhten Werte des quantitativ bestimmten C-reaktiven Proteins vor, ist eine bakterielle Endokarditis mit großer Sicherheit auszuschließen; kann bei erhöhtem CRP ein Infektionsherd nicht sicher lokalisiert werden, sollte eine bakterielle Endokarditis in Erwägung gezogen und ein Kinderkardiologe konsultiert werden. Es muss dann nämlich eine bakterielle Endokarditis durch Ultraschalluntersuchung und gegebenenfalls Blutkulturen unbedingt ausgeschlossen werden. 7 Die bakterielle Endokarditis im Kindes- und Jugendalter Prof. Dr. med. Hans-Heiner Kramer Sonderdruck der Deutschen Herzstiftung Herausgeber: Deutsche Herzstiftung e.V. Vogtstraße 50 · 60322 Frankfurt am Main Telefon (0 69) 95 51 28 - 0 Fax (0 69) 95 51 28 - 313 www.herzstiftung.de [email protected] Druck: PrintArt GmbH, Dannstadt Bildnachweis: Celestino Piatti (Logo) Karin Hill (S. 5)