Dossier Uranwaffen Zeit
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Dossier Uranwaffen Zeit
Dossier Uranwaffen Dossier Uranwaffen 1 Zeit-Fragen 2007 Zeit-Fragen 2007 Nr.7, 21. Februar 2007, Seite 7 Kriegsverbrechen und die Notwendigkeit, gegen die Lieferungen von weiteren Lenkwaffen an Israel Einspruch zu erheben zf. Neben den unermüdlichen Bemühungen der Gremien des IKRK und der Ländergesellschaften des Roten Kreuzes, das Leiden in den Kriegsgebieten zu lindern, sind auch einzelne Persönlichkeiten und Netzwerke unermüdlich daran, das Monster Krieg einzugrenzen. Der letzte Satz an Streumunition liegt im Süden des Libanon in Massen im Gelände: nicht grösser als ein Militärtaschenmesser, staubbedeckt und grau in grau mit Sand, Erde, Steinen, Blättern und totem Gras. Markierungsteams suchen Meter um Meter ab und markieren sie mit rotem Spray. So ähnlich, aber alles in Nano-Ausgabe – so klein, dass man es von Auge nicht sieht – muss man sich die Überreste von Uranmunition vorstellen. In mühseliger Kleinarbeit wird versucht, die Art und das Ausmass solcher Überbleibsel zu klären. Es wird ein mühseliger Weg der Forschung werden. Die Hersteller- und Angriffsländer, allen voran die USA und Israel, wissen aber sehr genau, was sie verwendet haben und könnten von heute auf morgen den Sachverhalt aufdecken. Eine dieser Persönlichkeiten, die dieser Frage im Team mit Fachleuten beharrlich nachgeht, ist der Brite Dai Williams. Er hatte seine Regierung während des Libanon-Krieges in einer fundierten Stellungnahme aufgefordert, gegen dieses exzessive Vorgehen Israels aktiv zu werden. Da er bereits im Juli den Konflikt als Zwischenstufe zu einem möglichen Angriff auf den Iran weiterdenkt, rufen wir seine Überlegungen in Erinnerung. An den Premierminister Tony Blair 10 Downing Street London SW1A2AA 23. Juli 2006 Sehr geehrter Herr Premierminister Ich bin tief bestürzt angesichts der Untätigkeit der britischen Regierung: – Sie versäumt, die fortgesetzte Aggression israelischer Streitkräfte und Siedler gegen das palästinensische Volk – sowohl in Gaza wie auch in den besetzten Gebieten der West Bank – anzufechten. – Sie versäumt, die überaus exzessiven Vergeltungsmassnahmen Israels und die Zerstörung von Gemeinden und der Infrastruktur in Libanon ausdrücklich zu verurteilen. – Sie versäumt, zu einem sofortigen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hizbollah aufzurufen. Lang währende Provozierung der Angriffe seitens der Hizbollah Wie lang, Herr Premierminister, haben Sie von palästinensischen Flüchtlingen Dossier Uranwaffen 2 Zeit-Fragen 2007 und ihren Angehörigen in der Hizbollah erwartet, dabei zuzusehen, wie die Gemeinden in Gaza und in der West Bank geschunden, zerdrückt, verkrüppelt und verhaftet werden, Jahr für Jahr, ohne Intervention durch die Weltgemeinschaft, ohne dass sie schliesslich selbst zur Tat schreiten, wie wirksam diese Aktionen auch immer sein mögen? Können Sie in Erwägung ziehen, dass ihre Angriffe auf Israel aus ihrer Sicht nicht weniger moralische Rechtfertigung geniessen, wie Sie für sich eine solche Rechtfertigung für Ihre Unterstützung der militärischen Aktionen seitens der Präsidenten Clinton und Bush beansprucht haben? Israels unterschiedslos wirkende Waffen – hüten Sie sich vor der Unterstützung von Kriegsverbrechen Kennen Sie die Waffensysteme, die von den israelischen Streitkräften in Gaza und in Libanon eingesetzt werden? Ich ersuche Sie, Ihre besondere Aufmerksamkeit auf die Art der Verletzungen bei den Opfern auf allen Seiten (und im Irak und in Afghanistan) zu richten. Während der letzten Jahre haben die israelischen Streitkräfte Streubomben eingesetzt, bei denen die eingesetzten Anti-Personen-Submunitionen mit Stahlnadelgeschossen bestückt sind oder aus Brandbomben bestehen. Ich empfehle, dass Sie sowohl medizinische wie auch militärische Beurteilungen der täglichen Operationen der israelischen Streitkräfte und der Hizbollah anfordern – und sie miteinander vergleichen. Israel ist immer schnell, die Details der zivilen Opfer zu berichten. Bitte fragen Sie nach persönlichen Berichten über die Opfer, die von medizinischem Personal der NGOs stammen, die in Gaza und in Libanon tätig sind. Schauen Sie sich zum Beispiel die extremen Verbrennungen von Opfern in der Nähe der von den israelischen Streitkräften angegriffenen Bomben- und Raketenziele an, die vom libanesischen Roten Kreuz aus Beirut und Sidon in dieser Woche bezeugt wurden. Bilder finden Sie im Archiv der Zeitung «As-Safir», www.assafir.com. [Internet-Fundstelle der Bilder: www.uruknet.info/?p=24885] «Hier untersucht ein Sanitäter verbrannte Körper von libanesischen Zivilisten, die attackiert wurden, als sie eine angegriffene Brücke im Norden der Stadt Sidon, im Süden Libanons, passierten.» (reuters, 19. Juli 2006) Ich schlage vor, dass Sie wissenschaftliche Untersuchungen im Hinblick auf die Waffensysteme anfordern, die diese Verletzungen verursacht haben. Anschliessend sollten Sie die Ergebnisse in Beziehung setzen zu den Artikeln 35 und 55 des 1. Zusatzprotokolls der Genfer Konvention. Ich gehe davon aus, dass Ihre Untersuchungen ergeben werden, dass diese Verletzungen von Gefechtsköpfen stammen, die bei sehr hohen Temperaturen (5000 ºC) Verbrennungen hervorrufen. Weiträumiger Einsatz von vermuteten Uran-Gefechtsköpfen durch die israelischen Streitkräfte In meinem Brief und meinem Bericht, den ich Ihnen am 13. Oktober 2002 zusandte, warnte ich Sie vor der neuen Generation bekannter und vermuteter Uranwaffen, die vor allem von der amerikanischen Waffenindustrie hergestellt werden. Dieser Brief und der Bericht sind auf meiner Internet-Website unter www.eoslifework.co.uk/pdfs/u25.pdf zu finden. Die detaillierte Konstruktion dieser neuen Generation von Lenkwaffen gegen harte Ziele (bunkerbrechende Gefechtsköpfe – «bunker busters») unterliegt der Geheimhaltung. Aber US-Patenteinträge dokumentieren, dass sie 200 bis 500 kg Ballast aus Metall mit hoher Dichte – Wolfram oder abgereichertes (oder Dossier Uranwaffen 3 Zeit-Fragen 2007 nicht abgereichertes) Uran oder beides – enthalten. Lesen Sie dazu zum Beispiel in meinem oben genannten Bericht die Wiedergabe des US-Patents 6 389 977 der Firma Lockheed Martin über die Abwandlung der Bombe vom Typ BLU 116 zu der Variante BLU 109/B als einer 2000 Pfund schweren, lasergesteuerten Bombe. Dort heisst es unter Punkt 5, dass «der penetrierende Körper aus abgereichertem Uran besteht». Uran-Gefechtsköpfe brennen bei 5000 ºC (zum Vergleich: Napalm brennt bei 1300 ºC). Sie haben eventuell einige dieser gegen harte Ziele gerichteten Waffen – mit vermuteten Uran-Gefechtsköpfen –, wie zum Beispiel die von Raytheon und Lockheed Martin produzierten GBU 24 lenkbaren Bomben, bei Ihrem letzten Besuch in Farnborough am 21. Juli gesehen. Israelische Kampfbomber vom Typ F 15 und F 16 sind in der Lage, zwei bis vier dieser Waffen pro Einsatz abzuwerfen. Nach Angaben der israelischen Streitkräfte gab es bereits bis jetzt mehr als 3000 Bombeneinsätze. Abhängig von den Vorräten (geschätzt 500 BLU-109-Gefechtsköpfe) ist es möglich, dass die israelischen Streitkräfte bereits bis zu 250 Tonnen an Uranmunition im Süden Libanons während der letzten sieben Tage eingesetzt haben. Experten für die Messung von Radioaktivität des britischen Militärs oder der Institution Atomic Weapons Establishments (AWE) könnten bereits systematische Uranstaub- und Radioaktivitätsmessungen in Libanon und den in Windrichtung gelegenen Regionen durchführen. Spezialisten der Unep in Jordanien sollten das gleiche tun. Angehörige des Verteidigungsministeriums können verifizieren, wie viele der 24 vermuteten Lenkwaffensysteme tatsächlich UranGefechtsköpfe benutzen. Sie sollten sie daran erinnern, dass Janes Defence auf ihrer Website bereits seit 2001 die Existenz dieser Waffensysteme bestätigt: «Es ist wahr, dass einige Lenkwaffen abgereichteres Uran benutzen, um den Penetrationseffekt zu steigern.» Sehen Sie dazu meinen ersten Bericht, Seite 15, unter www.eoslifework.co.uk/pdfs/DU012v12.pdf. AWE Aldermarston überwacht kontinuierlich den in der Luft befindlichen Uranstaub. Die Messgeräte werden wahrscheinlich in den nächsten zwei bis drei Wochen, abhängig von den globalen Windströmungen, einen Anstieg des in der Luft befindlichen Urans messen, so wie sie es während der «Shock & Awe»-Kampagne gegen den Irak 2003 bereits taten (dazu Dr. Busbys Analyse, die im Februar 2006 veröffentlicht wurde). Die aktuellen Resultate sollten, sobald sie verfügbar sind, veröffentlicht werden (alle zwei Wochen), und entsprechende Uranmessungen sollten in ganz Grossbritannien durchgeführt werden. Die dringende Notwendigkeit, gegen die Lieferungen von weiteren Lenkwaffen an Israel Einspruch zu erheben Am 22. September 2004 berichtete der «Daily Telegraph» aus London, «Israel bestätigte gestern, dass es 500 ‹bunker buster›-Bomben kaufen werde, die gegen Irans Nuklearanlagen eingesetzt werden können, nachdem Teheran seine ballistischen Raketen als Warnung gegen einen Angriff vorgeführt hat. Die BLU-109-Bomben, die mehr als zwei Meter dicken verstärkten Beton durchdringen können, gehören zu den ‹Smart›-Waffen, die an Israel im Rahmen des amerikanischen Militärhilfeprogramms verkauft werden.» (Quelle: www.worldpress.org/Mideast/2270.cfm) Gestern berichtete die «New York Times», dass die USA «überstürzt Präzisionslenkwaffen nach Israel liefern», inklusive die grösseren 5000 Pfund schweren EGBU-28-Bunker-Buster, die vermutlich mehr als 1500 kg an Dossier Uranwaffen 4 Zeit-Fragen 2007 Uranballast enthalten – eine Ausweitung des amerikanischen Militärhilfeprogramms. Es ist wahrscheinlich, dass Israel gegenwärtig die meisten der 500 Gefechtsköpfe aus der Bestellung von 2004 eingesetzt hat. Wenn sie weitere Lieferungen erhalten, könnten sie ausreichend für ähnliche Angriffe gegen Syrien und den Iran sein. Es ist essentiell, dass gegen weitere Lieferungen dieser vermuteten Uranmunitionen an Israel mit sofortiger Wirkung Einspruch erhoben wird. Die Gefahr der weiteren Eskalation zur Rechtfertigung von israelischen oder amerikanischen Angriffen gegen den Iran Es ist unglücklich, dass der Libanon-Konflikt sich gerade jetzt auszuweiten beginnt, wo die Parlamente Grossbritanniens und anderer Länder sich in die Sommerpause verabschieden. Die Situation im gesamten Nahen Osten ist so instabil, dass der Konflikt weiter eskalieren und sich sehr schnell auf andere Regionen ausweiten kann. Mein Bericht «Fear and violence in stressed populations» untersuchte einen solchen schnellen Übersprung zu Gewalt in Bevölkerungen, die unter starker Anspannung stehen (dazu: www.eoslifework.co.uk/gturmap.htm). Der gegenwärtige, extrem einseitige Konflikt zwischen Israel und Libanon wird wahrscheinlich bereits jetzt erneut Hunderttausende von muslimischen Bürgern überall auf der Welt empören. Die Mehrzahl der Muslime, die ich in den vergangenen 25 Jahren kennengelernt habe, ist verständig und friedliebend. Aber diese jüngste Eskalation kann weitere terroristische Angriffe ausserhalb des Nahen Ostens provozieren – am wahrscheinlichsten in Grossbritannien und/oder den USA. Und natürlich wird die Angst in den israelischen Gemeinden, die unter dem Beschuss der viel kleineren, aber dennoch tödlichen Katjuscha- und Fajr-Raketen der Hizbollah stehen, wahrscheinlich weiter zunehmende aggressive Militäraktionen durch die israelische Regierung hervorrufen. Sofortige Entscheidungen der britischen Regierung und des Parlaments 1. Das Parlament muss den Einsatz von Lenkwaffen und Raketen durch Israel und den vermuteten Einsatz vieler grosser Uran-Gefechtsköpfe erörtern. Es muss einen sofortigen Bann des weiteren Gebrauchs dieser Waffen durch Israel geben. Und es muss ein Veto in Richtung der USA oder jeglichen Landes inklusive Grossbritanniens gegen die Lieferung weiterer Lenkwaffen an Israel geben. 2. Ich bitte Sie inständig, die Sommerpause des britischen Parlaments für wenigstens zwei Wochen hinauszuschieben. Alle Parteien müssen einbezogen werden, um die verfügbaren Ressourcen der britischen poli tischen und diplomatischen Quellen für friedensschaffende Initiativen einzusetzen – mit den Gemeinden in Israel, Palästina und Libanon und innerhalb Grossbritanniens. 3. Wenn Sie nicht willens oder in der Lage sind, eine Vermittlungsrolle in diesen Konflikten einzunehmen, dann empfehle ich Ihnen, den Abzug aller britischen Streitkräfte von allen Operationen im Nahen Osten und in Südasien, insbesondere im Irak und in Afghanistan, vorzubereiten. Wenn der gegenwärtige Konflikt weiter eskaliert, gehe ich davon aus, dass die israelischen und/oder amerikanischen Streitkräfte bald einen Anlass dafür finden werden, Nukleareinrichtungen im Iran zu bombardieren – wahrscheinlich innerhalb von zwei Monaten, vor der nächsten Parlamentsperiode. Gleichgültig, ob die israelischen oder amerikanischen Streitkräfte konventionelle (mit Dossier Uranwaffen 5 Zeit-Fragen 2007 Uranmantel bestückte) Bunker-Busters oder kleine Nuklearsprengköpfe einsetzen, dann werden die brennenden Uranlagerbestände im Iran (zum Beispiel in Natanz) zu einer radioaktiven Verseuchung in der ganzen Region innerhalb von zwei bis drei Tagen und weltweit innerhalb von drei bis vier Wochen führen. Sollten britische Truppen noch in der Region (im Irak und in Afghanistan) sein, wenn die Nuklearanlagen im Iran angegriffen werden, dann sind schwerwiegende kurz- und langfristige Schädigungen durch die Radioaktivität für sie und ihre Nachkommen zu erwarten. Das nebenstehende Bild zeigt eine Computersimulation der NOAA über die anzunehmende Verbreitung der radioaktiven Verseuchung innerhalb von 48 Stunden nach einem Angriff auf Natanz, basierend auf Wetterbedingungen, wie sie zum Beispiel im April 2005 bestanden. Wahrscheinlich Ihre letzte Möglichkeit, eine weiträumige radioaktive Verseuchung im Nahen Osten und in Asien zu verhindern Ich habe während der letzten drei Jahre versucht, meine Enttäuschung über Ihre Unterstützung der US-Politik im Irak und Ihre offensichtliche Aphatie in bezug auf Palästina zurückzuhalten. Aber ich kann nicht länger schweigen. Dennoch nehme ich an, dass Ihnen wahrscheinlich mein früheres Schreiben an Sie nicht vorgelegt worden ist und dass Sie möglicherweise noch immer nicht Kenntnis haben von der Entwicklung und des vermuteten weitreichenden Einsatzes von Uranwaffen durch die amerikanischen Streitkräfte auf dem Balkan, in Afghanistan und im Irak. Die Beschäftigung der britischen Medien mit diesen Gefahren ist seit 2000 sehr zurückgegangen, als die Nato erstmalig mit mysteriösen Todesfällen von spanischen und italienischen Soldaten nach ihrem Einsatz in der Nähe amerikanischer Bombenziele auf dem Balkan konfrontiert worden ist. Eine Ausnahme war der Bericht der Sunday Times über die Uranverseuchung in Grossbritannien während März/April 2003 (19. Februar 2006, verfügbar unter www.timesonline.co.uk/article/0,,2087-2047373,00.html). Jetzt wo die israelischen Streitkräfte die gleichen Lenkwaffen in Libanon einsetzen, sieht die Öffentlichkeit zum ersten Mal deren schreckliche Auswirkungen für die Zivilbevölkerung. In Afghanistan und im Irak gab es kaum Aufmerksamkeit für die zivilen Opfer der neuen Generation amerikanischer Lenkwaffen. Trotz der anstehenden Sommerpause bleibt Ihnen noch eine letzte Chance, die israelische und die amerikanische Regierung zu warnen, dass weitere Aggression und weiterer Einsatz von mit Uran-Gefechtsköpfen bestückten Lenkwaffen nicht länger durch die britische Regierung toleriert werden. Diese Systeme erhöhen das Niveau der globalen Radioaktivität durch eigene Kontamination. Die Lage wird sich um ein Vielfaches verschlimmern, wenn sie gegen nukleare Anlagen eingesetzt werden. Deshalb ist es aus strategischer und ökologischer Sicht essentiell, dass Sie sich gegen jegliche militärische Schläge gegen die iranischen Nukleareinrichtungen wenden. Wenn Sie eine persönliche Unterrichtung über die vermuteten Uranwaffensysteme, deren Einsatz und deren Effekte in den vergangenen und gegenwärtigen Konflikten wünschen, würde ich eine solche Gelegenheit, diese Aspekte mit Ihnen zu erörtern, sehr begrüssen. In Sorge um die Zivilisten und die Soldaten in allen Konfliktregionen, Ihr Dai Williams, www.eoslifework.co.uk/Comindx.htm Dossier Uranwaffen 6 Zeit-Fragen 2007 Nr.7, 21. Februar 2007, Seite 8 bis 10 Untersuchung der im Libanon-Krieg 2006 eingesetzten Waffen Ein Zwischenbericht von Dai Williams, unabhängiger Forscher, Eos, Grossbritannien zf. Der Bericht von Dai Williams vom Oktober 2006 ist für Leser aller Fakultäten verstehbar und kann jedem zur Lektüre nur empfohlen werden. Der Leser wird in seinem ganzen Denken und Fühlen auf den Boden der Realität in der heutigen Welt geholt und verdrängt die Bilder, die Fragen und Probleme nach dieser Lektüre nicht mehr. Wir drucken daraus das Kapitel 18 (zuhanden des Menschenrechtsrates der Uno) ab. Vorläufige Schlussfolgerungen zuhanden von Untersuchungsinspektoren des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen Die Untersuchungskommission verfügt über ein Unterstützungsteam, dem ein Militärexperte angehört. Die Mitglieder dieses Teams sind möglicherweise bereits voll aufgeklärt über das Spektrum an Waffen, das von den israelischen Streitkräften eingesetzt worden ist, inklusive jener Waffen, die von den USA oder anderen Staaten geliefert worden sind. Sie haben möglicherweise ebenfalls Kenntnis von den geheimgehaltenen Metallen, die in den 25 Typen von Lenkwaffen benutzt worden sind, die ich im Verdacht habe, dass sie mit Uransprengköpfen ausgestattet werden können. Wenn das der Fall ist, ist es ihnen eventuell nicht erlaubt, diese Informationen zu veröffentlichen. Dennoch können die in diesem Bericht dargebotenen Informationen zusammen mit laufenden Ermittlungen anderer Organisationen der Untersuchungskommission des Menschenrechtsrates die Gelegenheit verschaffen, verschiedene neue Sprengkopftechnologien in die öffentliche Diskussion für internationale Inspektionen einzuführen. Verschiedene Einzelpersonen oder Gruppen, unter ihnen die IAEA und Personen aus der Schweiz, den Niederlanden, den USA, Deutschland und Italien, haben nach Beweisen für Radioaktivität oder Uranwaffen in Libanon gesucht. Wie genau ihr Wissen über bekannte und vermutete illegale Waffen ist, kann wichtig dafür sein, ob sie Beweise für giftige, radioaktive oder andere illegale Waffen finden. Insofern die getroffenen Ziele geräumt werden, wird es schnell immer schwieriger, materielle Beweise zu finden. Der Einsatz thermobarischer Waffen durch die israelischen Streitkräfte erscheint durch Augenzeugenberichte bestätigt. Die Untersuchung des Menschenrechtsrates wird möglicherweise ähnliche Aussagen sammeln. Dennoch sind weitere detaillierte Untersuchungen von Opfern über das Ausmass einer Verseuchung und fortwährend über den Gesundheitsstatus der Bewohner in den Zielgebieten erforderlich. Thermobarische Waffen sind möglicherweise bereits Waffen mit nicht-diskriminierendem Effekt, unabhängig von der Frage, aus welchen Materialien sie bestehen. Aber wenn sie Uran Dossier Uranwaffen 7 Zeit-Fragen 2007 verwenden – entweder in den Sprengkopfummantelungen oder in reaktiven Metallsprengstoffen –, sind sie unzweifelhaft «schmutzige Bomben» mit irreversiblen Konsequenzen für die Gesundheit und die Umwelt. Diese Waffen sind wahrscheinlich ein bedeutender Teil der Untersuchung des UNMenschenrechtsrates. Nach meinem Verständnis ist der Einsatz von Brandbomben durch Bestimmungen der CCW-Konvention begrenzt [CCW-Konvention = Convention on prohibitions or restrictions on the use of certain conventional weapons which may be deemed to be excessively injurious or to have indiscriminate effects, Kurzname: Convention on Certain Conventional Weapons; über die Ächtung der Brandbomben: «Protocol III on prohibitions or restrictions on the use of incendiary weapons»; Information: disarmament.un.org/index.html]. Ob Uran oder andere reaktive Metalle in den neuen amerikanischen und israelischen Waffensystemen eingesetzt worden sind, erfordert umfassende Aufkl‰rung. Schlüssige Beweise über den vermuteten Einsatz von Uranwaffen im Rahmen der Untersuchung des UN-Menschenrechtsrates mögen den Einsatz von speziellen Luftmessgeräten im Süden Libanons erforderlich machen, mit denen grosse Luftmengen untersucht werden können. Die Unep und die IAEA haben Zugang zu derartigen Geräten und zu Spezialisten, die in der Lage sind, solche Messungen vorzunehmen – vorbehaltlich der Ressourcen und des Konsenses der Vereinten Nationen. Diese Messungen müssen wenigstens 12 Monate dauern, um durch die Jahreszeiten bedingte Fluktuationen einer möglichen Uranstaubkontamination feststellen zu können. Wissenschafter in verschiedenen Ländern verfolgen diese Untersuchungen mit Interesse. Untersuchungen über die Radioaktivität in der Luft werden regelmässig in vielen Ländern durchgeführt. Die IAEA sollte weltweite Daten für die letzten acht Jahre haben. Diese sollten von den Vereinten Nationen angefordert und veröffentlicht werden. Andere Aspekte für die weitere Untersuchung Mein erstes Interesse gilt den Gesundheits- und Sicherheitskonsequenzen, die aus dem Einsatz von vermuteten Uranwaffen für die Zivilbevölkerung und die Angehörigen des Militärs entstehen. Die Entwicklung dieser Waffen wurde für über 15 bis 20 Jahre geheimgehalten, ist jedoch heute dokumentiert. Der Kampfeinsatz dieser Uranwaffen ist noch nicht bewiesen, er wird jedoch durch Daten britischer Luftmessungen seit 1998 sehr deutlich angezeigt. Es bestehen mögliche Gesundheitsgefährdungen für das Personal der Uno und anderer Organisationen, die die Waffenziele untersuchen – sowohl von nicht explodierter Munition als auch durch die mögliche toxische und radioaktive Verseuchung. Höhere Risiken haben jene Menschen, die während des Konflikts in den Kampfregionen waren, dort immer noch leben oder arbeiten, und Bauarbeiter, die mit Aufräumen und Transport des Schutts von den möglicherweise verseuchten Zielen beschäftigt sind. Ihr Gesundheitszustand sollte regelmässig kontrolliert werden. Die Unep und der UN-Menschenrechtsrat werden sich darüber im klaren sein, dass hinter vielen der vermuteten Waffensysteme grosse kommerzielle Investitionen der USA, von Israel und bis zu 20 weiteren Ländern stehen. Sie werden möglicherweise einem Druck ausgesetzt sein, der die Überwachung des Gesundheitszustandes und der Umwelt zu minimieren oder die Publikation entgegenstehender Ergebnisse zu zensieren versucht. Wenn in Libanon eine Verseuchung festgestellt wird, so kann eine Gegenpropaganda-Operation erwartet werden, die die Gesundheitsgefährdungen durch Uranwaffen Dossier Uranwaffen 8 Zeit-Fragen 2007 herunterspielt – wie dies durch die Nato 2001 geschah, um die Aufmerksamkeit von den mysteriösen Todesfällen bei den auf dem Balkan eingesetzten Truppen abzuziehen. Offene und regelmässige Berichterstattung der Untersuchungsergebnisse ist eine von mehreren Strategien, um es der Unep und dem UNMenschenrechtsrat zu ermöglichen, angemessen objektive Studien und Begutachtungen für Libanon durchzuführen. Ich hoffe, dass den Teams sowohl der Unep als auch der Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates gründliche Untersuchungen erlaubt werden. Ich bin all jenen dankbar, die mich bei meinen Untersuchungen unterstützt haben, inklusive mit Photos, die die neuen, unkonventionellen Waffen illustrieren, die von den israelischen Streitkräften eingesetzt wurden. Viele dieser unkonventionellen Waffen wurden durch die USA geliefert und sind dieselben wie jene, die im Irak eingesetzt worden sind. So könnten die Untersuchungen der Vereinten Nationen Ergebnisse enthalten, die für weitere Studien in anderen gegenwärtigen Krisengebieten Anlass geben. Dieser Zwischenbericht hat sich vor allem auf die Beschreibung von Zielen konzentriert, um die Identifizierung der eingesetzten Waffen zu ermöglichen. Mein erster Bericht vom 30. August 2006 enthielt zusätzlich eine Reihe von Vorschlägen im Hinblick auf Gesundheits- und Sicherheitsaspekte und für den Schutz der Menschen und der Organisationen, die mit den Untersuchungen befasst sind. Er ist über das Internet verfügbar unter: www.eoslifework.co.uk/pdfs/u26leb806.pdf • Quelle: www.eoslifework.co.uk/pdfs/u26leb19oct.pdf vom 18. Oktober 2006, Auszüge Nr.7, 21. Februar 2007, Seite 9, 10 Die Grenzen des Völkerrechtes einfordern Tagung des Forums «Humanitäre Schweiz» AB. Das Forum «Humanitäre Schweiz» unter der Leitung von Prof. Dr. Franz Blankart und Prof. Dr. Albert A. Stahel ermöglicht es in halbjährlichen Tagungen, schwierige zur Beurteilung anstehende Themen in einem Kreis von interessierten Persönlichkeiten sachkundig dazulegen und offen zu diskutieren. Die Bereiche betreffen sowohl die Bevölkerung der Schweiz als auch die Entwicklungshilfe, das Rote Kreuz, die völkerrechtliche Beurteilung wie auch das Wirken der verschiedenen Gremien der Uno und die Stimme der Schweiz darin. An Aufgaben fehlt es in der heutigen Welt wahrlich nicht. Die rollende Planung des Kriegskartells sorgt weltweit laufend für Nachschub an Problemen. Die diesjährige Wintertagung des Forums Humanitäre Schweiz war dem Thema «Diskriminierende Munitionen: Ächtung oder Zulassung» gewidmet. Zur Debatte standen Streubomben, DU-Munition und Kleinkaliberwaffen. Die drei Bereiche sollten unter dem Gesichtspunkt des Völkerrechts und der humanitären Konventionen beurteilt werden. Dass die Genfer Konventionen zur Grundlage gehören, ist heute allgemein bekannt; weniger bewusst ist den meisten Bürgern, dass auch die Haager Landkriegsordnung (Anhang zum II. Haager Abkommen von 1899 und zum VI. Haager Abkommen von 1907) und Dossier Uranwaffen 9 Zeit-Fragen 2007 (innerhalb oder separat) das Abkommens über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen (CCW) von 1980 bzw. das Protokoll II zu diesem Übereinkommen von 1996 gehört (vgl. Kasten). Israels Abwurf von Cluster-Bomben in Libanon ist «präzedenzlos» Der Völkerrechtler Prof. Dr. Daniel Thürer führte aus langjähriger Erfahrung und mit wohltuender Reife in die heutigen Aufgaben ein. Er legte insbesondere auch die ethisch-politischen Überlegungen des IKRK dar. Anschliessend referierte Paul Vermeulen als Präsident von Handicap International über die Geschichte der Cluster-Munition (siehe Artikel dazu S. 4 und 5). Er machte ein Update über diese Bombenarten bis und mit dem Libanon-Krieg. Was Israel dort in den letzten Tagen an Cluster-Bomben abgeworfen hatte, bezeichnete Prof. Thürer als «präzedenzlos». Den finsteren Anfang aber – Probelauf und Testphase – nahmen die Streubomben bereits in Laos und Kambodscha in der zehnjährigen Verlängerungsphase des Vietnam-Krieges. Ein Zurückdenken an jenen geschichtlichen Zeitpunkt ist heute auch deshalb fällig, weil es für alle Beteiligten klar war, dass der Vietnamkrieg abgebrochen werden musste – genau wie heute im Irak. Dennoch haben die USA ihn um 10 Jahre verlängert und auf Laos und Kambodscha ausgeweitet und so Millionen von weiteren Toten und Verletzten verursacht. Soll dieses «Rezept» auch jetzt mit einer Ausweitung des Krieges auf den Iran angewandt werden? Paul Vermeulens Rückgriff bis auf die Anfänge der Cluster-Bomben machten schlagartig bewusst, welche Flut an Kriegsgeschehen seither über den Globus schwappt und dass ein für jede Friedensbemühung gefährlicher Gewöhnungsprozess das Ganze unterlegt. Man spricht nicht vom nächsten Weltkrieg, aber er wird geführt, und das amerikanische Kriegskartell scheint auch jetzt noch nicht willig zu sein, ihn zu beenden. Mit Schrecken entnahm man einem Video von Handicap International, was für einen Einsatz es brauchte, um im Süden des Libanon nur einen Streifen von 10 bis 20 Metern links und rechts der wichtigsten Strassen nach nicht explodierter Submunition abzusuchen. Sie liegt – manche so klein wie ein Militärtaschenmesser – staubbedeckt zwischen Steinen, in sandiger Erde, unter Blättern oder Gras versteckt. Sie wird auf Jahre hinaus Tiere und Menschen, Kinder und Erwachsene in Fetzen reissen, sobald einer darauf tritt. Israel hat im Sommerkrieg 2006 2,6 bis 4 Millionen Stück solcher Submunition – jedes eine Mine für sich – über dem Libanon heruntergelassen. Zu den 34 Herstellerländern gehören Deutschland, Grossbritannien, Russ land, China, Indien, Pakistan, und vor allem die USA. Bis zu 40% der Submunition liegen nach einem Einsatz als UXO (unexploded ordnance) in der Landschaft: eine finstere Hinterlassenschaft. Dass Cluster-Munition als flächendeckende Munition wahllos die Zivilbevölkerung trifft, liegt auf der Hand und ist vom Kriegskartell wohl auch so gewollt. Zur Kriegsstrategie von Bush-Amerika gehört ja, die überlebende Bevölkerung in den betroffenen Ländern auf Jahrzehnte hinaus durch Pflege und Fürsorge für Invalide und Kranke zu erschöpfen und politisch darniederzuhalten. Dass Cluster-Munition unter den Paragraphen des Humanitären Völkerrechts verboten gehört, ist selbstverständlich. Labor Spiez – Instrument der Nato? Kam man schon bei diesem Referat selbst als sich relativ robust wähnender Zeitgenosse gewissermassen «auf die Welt», so noch viel mehr – aber auf ganz Dossier Uranwaffen 10 Zeit-Fragen 2007 andere Art – beim folgenden Referat von Dr. Emmanuel Egger vom Labor Spiez. Er wickelt das Thema «Gefährdung der Zivilbevölkerung durch DUMunition: Propaganda oder Wirklichkeit» ab und erklärte gleich eingangs, dass er sich auf die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung beschränke. Er wolle, so legte er mit einem süffisant-mokanten Unterton dar, den Warnungen begegnen, die in letzter Zeit in den Medien bezüglich Uranmunition aufgetaucht seien. Dann legte er ein «08/15»-Referat hin, wie es aus Natoliierten Think-Tanks sattsam bekannt ist: Alles kein Problem, gemessene Werte entsprächen den Grenzwerten des natürlichen Urans, niemand werde krank davon – man gewann den Eindruck, wer gestorben ist, war selber schuld –, und auch eine «Dirty Bomb» mit atomaren Anteilen in einer unserer Städte ist nur eine Sache von drei bis vier Wochen Aufräumen. Die Bürger sollen solche Fragen dem Labor Spiez überlassen, und der Krieg kann mit Pauken und Trompeten weitergehen. Diese «Kurzfassung» ist ein Zurückspiegeln des Vorgehens des Referenten. Haager Landkriegsordnung Artikel 22 Die Kriegführenden haben kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes. Artikel 23 Abgesehen von den durch Sonderverträge aufgestellten Verboten, ist namentlich untersagt: […] e) der Gebrauch von Waffen, Geschossen oder Stoffen, die geeignet sind, unnötig Leiden zu verursachen, […] Kleinkalibermunition: «Unnötiges Leiden verhindern» Bevor zur Diskussion übergegangen werden konnte, war noch das Thema «Internationale Konventionen und die Problematik von Kleinkaliberwaffen» an der Reihe. Die Munition, die früher in Kleinkaliberwaffen verwendet wurde, hatte eine relativ lange Einschusslinie und entfaltete erst nach ungefähr 20 cm ihre «aufpilzende» und damit schwere Zerreissverletzungen verursachende Wirkung. Heutige Untersuchungen zeigen, dass 21% den Kopfbereich betreffen, 13% den Brust-, 10% den Bauchbereich und sage und schreibe zusammen 56% Hände, Arme und Beine. Dieser letztere Teil der Verletzungen kommt zumeist noch rechtzeitig in die Hände von Ärzten und Chirurgen, und gerade hier ist ein vitaler Unterschied, ob nur ein Durchschussloch zu heilen ist oder wegen einer grausamen Zerreisswunde ein Arm oder Bein amputiert werden muss. Neue Prüfverfahren ermöglichen, im Labor die Länge des Durchschusses und den Beginn der «Aufpilzung» genau auszumessen. Als ob der Kriegsauswirkungen nicht genug wäre, musste die Waffen-Industrie in den letzten Jahren Kleinkalibermunition mit verkürzter Einschusslinie (nur 2–3 cm) entwickeln. Dr. sc. Forens Beat Kneubuehl plädierte dafür, dass diese Munition in einem Zulassungsverfahren auf ihre Wirkung (und nicht ihre Form, die den geltenden Verboten entspricht) geprüft und unter dem Aspekt, unnötiges Leiden zu vermeiden, bei verkürzter Einschusslinie verboten wird. Sein Referat war so einleuchtend und unbestritten wie dasjenige von Paul Vermeulen. Arbeitet das Labor Spiez unseriös? Anders das Referat von Spiez. Als erster Diskussionsteilnehmer meldete sich ein gestandener Vertreter aus einer unabhängigen linken Antikriegsgruppe. Er Dossier Uranwaffen 11 Zeit-Fragen 2007 habe sich eingelesen, was Ärzte der US-Armee an ihren Veteranen des ersten Golf-Krieges festgestellt haben und weiterhin feststellen, auch an Zurückkehrenden aus dem zweiten Golf-Krieg. Der Sprecher kannte offenbar die Literatur von Doug Rokke. Was Dr. Egger darlegte, könne ganz einfach nicht stimmen. Dann meldete sich ein Sachverständiger zu Wort, der sich mit dem jüngsten Bericht von Unep, dem Uno-Entwicklungsdepartement, über den möglichen Einsatz von Uranwaffen in Libanon beschäftigt hatte. Er hatte dabei festgestellt, dass Unep sich unter anderem auf einen «Bericht» aus dem Labor Spiez abstützte, dessen Inhalt hinsichtlich Analysenart und Analysenumfang für einen Nachweis von Uran nicht zum Ziel führen kann. Der Sachverständige meinte, er hätte sich nie getraut, so etwas zu machen wie das Labor Spiez: Eine Bodenprobe holen, diese zermalen und homogenisieren und erst dann Mess proben zu nehmen, ohne vorher mit dem Mikroskop hineingeschaut zu haben, um eine allfällige Inhomogenität zu eruieren. Wenn dann noch behauptet werde, U238 liege im Gleichgewicht mit den Zerfallsprodukten, und man nur U234 untersucht, die anderen Zerfallselemente aber weglässt, empfehle er der Schweiz dringend, diesen «Bericht» des Labors Spiez bei der Uno zurückzuziehen. Spezialisiertes Labor der britischen Uranindustrie «widerspricht» Labor Spiez Schliesslich meldete sich auch der unabhängige Uranwaffenexperte Dai Williams aus England zu Wort, der ursprünglich als Referent für den Teil zur DU-Munition vorgesehen war. Die «kleine Programmänderung» kam offensichtlich aus dem VBS-Hintergrund. Dai Williams schloss sich der Kritik am Vorgehen des Labors Spiez an: Er war selber in Libanon – einmal unabhängig und einmal gemeinsam mit einem Team des Unep, dem auch ein Mitarbeiter des Labors Spiez angehörte. Gemeinsam hätten sie einem Bombenkrater Proben entnommen. Während die Messungen des Labors Spiez keine Anzeichen nicht-natürlichen Urans in den Proben ergaben, wies die Analyse durch das Harwell Laboratory – das hochspezialisierte Labor der britischen Uranindustrie, bei dem auch die britische Armee ihre Analysen machen lässt – eindeutig und in mehreren Untersuchungen das Vorhandensein von Uran nichtnatürlichen Ursprungs nach, und zwar nicht nur Depleted Uranium sondern auch Enriched – angereichertes – Uranium. Dai Williams liess offen, wie diese Diskrepanz zu erklären sei. Er verwies allerdings auf den interessanten Umstand, dass das Labor Spiez Proben aus dem Kosovo untersucht hatte, die 10 Stellen entnommen worden waren, die alle zuvor von der Nato dekontaminiert worden waren. Dieser Umstand wirft nicht nur Fragen in bezug auf die Grundlagen des Referates von Dr. Egger auf, sondern auch bezüglich der Schlussfolgerungen des Unep-Berichtes. Die befremdlichen «Darlegungen» von Dr. Egger veranlassten dazu, den «Film» der Auseinandersetzung um die Folgen radioaktiver Strahlung kurz innerlich zurückzudrehen. Im Vorfeld der Gedenkkongresse zu 20 Jahren seit Tschernobyl war diese ganze Beschwichtigungsladung bereits überall aufgetaucht. Es lebten ja weiter Menschen dort in der Region, so wurde gesagt, und sie ässen fleissig Äpfel und Weisskohl. Wenn dort und inzwischen auch in Bosnien und Serbien eine steigende Krebs- und Leukämierate festzustellen ist, dann würden sie krank vor lauter neurotischer Angst vor Strahlung. Dass dieser Dreh nicht aus der russischen Küche kam, war schon zu diesem Zeitpunkt für jeden klar, der die Geschichte der Psychologie als Wissenschaft kennt. Dossier Uranwaffen 12 Zeit-Fragen 2007 Nato-Kampagne soll Wahrheit vertuschen Einige Zeit davor, in der zweiten Jahreshälfte 2000 bis Januar 2001, hatte in den Nato-Ländern, vor allem Italien, Spanien und einigen anderen eine lebhafte Debatte über die mysteriösen Krankheiten stattgefunden, an denen ihre aus dem Kosovo-Krieg zurückkehrenden Soldaten erkrankten und relativ rasch starben. Der Vater eines der verstorbenen Soldaten in Deutschland wollte seinen Sohn exhumieren und gerichtsmedizinisch untersuchen lassen: Das wurde ihm verboten. Die Debatte in der Öffentlichkeit setzte dann auffallend aus. Unter dem Druck der Öffentlichkeit begann die Nato im Januar 2001 eine professionelle PR-Kampagne, die von dem damaligen Nato-Generalsekretär Lord Robertson angeführt wurde. Am 10. Januar 2001 präsentierte er an einer Pressekonferenz amerikanische Wissenschaftler im Offiziersrang, die 20 Jahre zuvor an der Einführung von Uranmunition beteiligt gewesen waren und nun über deren Ungefährlichkeit zu berichten wussten. Binnen Tagen wurde generalstabsmässig ein «full scale action-plan» angeschoben, der neben der steten Wiederholung dieser «Wahrheiten» für die breite Öffentlichkeit auch die Vereinnahmung von zuvor kritischen Nichtregierungsorganisationen, die «Koordination» der weiteren wissenschaftlichen Forschung und die Einrichtung einer neuerlichen Untersuchungskommission umfasste. Schon im Februar 2001 konnte der ehemalige britische General Hughes Beach, der Anfang der 80erJahre die Uranmunition für die britische Panzerflotte eingeführt hatte, in demselben süffisant-mokanten Ton wie Dr. Egger schreiben: «… der Rest ist eine typische bürokratische Antwort. Wenn man im Zweifel ist, richte man eine neue Kommission ein. Aber sie könnte dazu dienen, das gegenwärtige Gemurmel in der Öffentlichkeit zu zerstreuen und die Forderungen an Deutschland, Italien, Griechenland und Norwegen abzulenken, die sich auf den Verzicht des Einsatzes von Uranmunition richten.» Seither herrscht feige Ruhe im Mainstream-Europa. Labor Spiez offenbar inklusive. Unser ABC-Labor hatte bis anhin das Vertrauen der Welt. Es war eine Hoffnung für kriegsgeplagte Drittweltländer: dass die neutrale und den humanitären Konventionen verpflichtete Schweiz die Belange der Menschen – ihr Leben – schützen und vorausschauend und verantwortungsbewusst auf die Kriegsmächte Einfluss nehmen würde. Diese Hoffnung stirbt zurzeit – ausser der Kurs wird korrigiert. Dazu braucht es den politischen Willen, genauso wie bei der Bereinigung der CIA-Gefängnisflüge – mehr ist nicht nötig. Das Handeln ergibt sich daraus. Den vom Labor Spiez bei der Unep eingereichten Bericht zu den Schäden von Uranmunition in Libanon zurückzuziehen ist ein einfacher Schritt. Mit unseren Steuergeldern sachliche Mitarbeiter in Spiez anzusiedeln oder wieder einzusetzen, ebenfalls. Als Schweizer Bürger möchte man die Empfehlung beifügen, dass das VBS nie mehr einen solchen Referenten zum Thema «Gefahren für die Zivilbevölkerung durch Uranwaffen» auf Vortrags-Tournee schickt. Ob es Inkompetenz oder Sog aus der Nato ist, oder ob das VBS und das Labor Spiez allmählich die Rolle einer pro-amerikanischen fünften Kolonne in der Schweiz spielen, muss durch zuständige Kommissionen des Parlamentes untersucht werden. • Unnötiges Leiden verhindern! Revidiertes Protokoll II zum Übereinkommen über konventionelle Waffen von 1980 (CCW, Convention on Certain Conventional Weapons) Art. 3 Allgemeine Beschränkungen des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und Dossier Uranwaffen 13 Zeit-Fragen 2007 anderen Vorrichtungen 1. Dieser Artikel findet Anwendung auf a) Minen, b) Sprengfallen und c) andere Vorrichtungen. 2. Jede Hohe Vertragspartei oder jede an einem Konflikt beteiligte Partei ist in Übereinstimmung mit diesem Protokoll für alle von ihr verwendeten Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen verantwortlich und verpflichtet sich, diese entsprechend den Ausführungen in Artikel 10 zu räumen, zu beseitigen, zu zerstören oder zu unterhalten. 3. Es ist unter allen Umständen verboten, Minen, Sprengfallen oder andere Vorrichtungen einzusetzen, die dazu bestimmt oder geeignet sind, überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden zu verursachen. […] 8. Der unterschiedslose Einsatz der Waffen, auf die dieser Artikel Anwendung findet, ist verboten. Als unterschiedsloser Einsatz gilt jede Anbringung derartiger Waffen, a) die nicht an einem militärischen Ziel erfolgt oder nicht gegen ein solches Ziel gerichtet ist. Im Zweifelsfall wird vermutet, dass ein in der Regel für zivile Zwecke bestimmtes Objekt, wie beispielsweise eine Kultstätte, ein Haus, eine sonstige Wohnstätte oder eine Schule, nicht dazu verwendet wird, wirksam zu militärischen Handlungen beizutragen, b) bei der Verlegemethoden oder -mittel verwendet werden, die nicht gegen ein bestimmtes militärisches Ziel gerichtet werden können, oder c) bei der damit zu rechnen ist, dass sie auch Verluste unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder mehrere derartige Folgen zusammen verursacht, die in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen. Nr.7, 21. Februar 2007, Seite 10 Wie der Uranstaub den Körper schädigt Die promovierte Biologin und Krebsexpertin Rosalie Bertell erläutert in ihrem Aufsatz ausführlich, wie die Nanopartikel aus Uran im Stoffwechselgeschehen der Körperzellen und auf die Erbinformation der DNA in den Zellen Einfluss nehmen. Sie macht deutlich, dass auf der Ebene des biologischen Zellgeschehens immer eine Vielfalt von Faktoren in Wechselwirkung zueinander stehen. Nur die Berücksichtigung dieser Komplexität bringt die volle schädigende Wirkung des Uranstaubs als radioaktives Schwermetall zusammen mit anderen Faktoren zum Vorschein. Die eindimensionalen mathematischen Schadensberechnungen der Strahlungskommissionen im Dienste des militärisch-industriellen Komplexes können – und wollen – die Schädigungen durch den Uranstaub nicht zur Kenntnis nehmen. Zusammenfassend stellt sie fest: Die Probleme «sind viel zu komplex, als dass sie mittels einer reduktionistischen Methode, die den toxischen Effekt einer einzelnen Komponente herausfiltert – selbst wenn es sich um DU handelt –, beurteilt werden könnten. Eine Erhöhung der freien Radikale, Schwermetallvergiftungen, Dossier Uranwaffen 14 Zeit-Fragen 2007 die Komplexität und Sensitivität gestörter Zellreaktionen, geschädigte Organellen, dysfunktionale Enzyme und Hormone und das Eindringen von Mykoplasmen – alles Vorgänge, die gleichzeitig innerhalb lebenswichtiger Organe stattfinden – verursachen enorme Probleme für das Leben und Überleben. Die von Physikern verwendete mathematische Methodik eignet sich nicht für unlösliche Nanopartikel wie das keramische DU, das zusammen mit dieser toxischen Suppe innerlich eingelagert ist. Die mathematische Standardberechnung des strahlungsbedingten Krebstodrisikos ist auf Grund der zahlreichen anderen karzinogenen Mechanismen, der Fehlfunktionen bei der Zellreparatur und komplexen biochemischen Reaktionen, die nicht in die Berechnungen einbezogen sind, voraussichtlich irreführend. Bei den Veteranen, deren Krankheiten durch innerliche radioaktive Verseuchung und durch die verschiedenen Fehlfunktionen der Zellen verursacht wurden, und die trotzdem versuchen, ein normales Leben zu führen und ihre Familien zu ernähren, ist die strahlenphysikalische Vorhersage über das durch Niedrigstrahlung verursachte Krebs todrisiko wahrscheinlich sowohl falsch als auch irrelevant. Die Behörden werden aber diese unzutreffenden Modellrechnungen sehr ernst nehmen, wenn es um die Vergabe von Schadenersatz geht. Die Kriegsveteranen und auch das medizinische Personal, das ihnen hilft, müssen verstehen, was in diesem Krieg geschah und was getan werden kann, um die Situation der Veteranen zu verbessern. Sie brauchen medizinische, finanzielle und politische Hilfe.» • Quelle: International Journal of Health Services, Volume 36, Number 3, Pages 503-520, 2006 © 2006, Baywood Publishing Co., Inc., Seite 516 (Übersetzung Zeit-Fragen) Grauenvolle Folgen für das werdende Kind «Lösliches Uranoxid und alle Nanopartikel können in die Plazenta eindringen, und sie sind besonders giftig für den sich schnell entwickelnden Embryo oder Fötus. In niedrigen Dosen schädigen sie das fötale Gehirn und bewirken so Verhaltensprobleme wie Aggressivität und Hyperaktivität oder geistige Behinderung. Weitere teratogene Effekte sind angeborene Missbildungen und Krankheiten. Die noch nicht vollständig entwickelten Immun- und Hormonsysteme des Fötus sind stärker gefährdet als die eines ausgewachsenen Menschen. Eine offizielle epidemiologische Studie* beschäftigte sich mit der Gesundheit der Kinder von Golf-Kriegs-Veteranen. Es war eine Studie über Veteranen im allgemeinen und beschränkte sich nicht auf diejenigen, die am Golf-KriegsSyndrom litten oder von denen man wusste, dass sie DU ausgesetzt gewesen waren. Diese von Han Kang vom US-Department of Veterans’ Affairs durchgeführte Studie über Geburtsfehler bei Kindern von Kriegsveteranen in den Vereinigten Staaten konzentrierte sich auf die erste Schwangerschaft nach der Heimkehr aus dem Golf-Krieg. Knapp unter 21 000 Veteranen aus allen vier Abteilungen der Streitkräfte, teils noch im Aktivdienst, teils pensioniert, wurden in der Studie berücksichtigt (das sind etwa 70% der Personen, die Fragebögen erhalten haben). Bei männlichen Golf-Kriegs-Veteranen fand man eine um das Doppelte und bei weibliche Veteranen eine um das Dreifache erhöhte Wahrscheinlichkeit, Kinder mit Geburtsschäden zu bekommen, als bei Dossier Uranwaffen 15 Zeit-Fragen 2007 Veteranen, die nicht im ersten Golf-Krieg gedient hatten. Zu den Geburtsdefekten gehörten zusammengewachsene Finger und Zehen, Herzgeräusche, Anomalien der Chromosomen und Gehirntumore. Die Forscher schlossen Fälle von Entwicklungsstörungen, vorgeburtlichen Komplikationen und Kinderkrankheiten aus der Studie aus.» • Quelle: Bertell, Rosalie, a.a.O., Seite 514 *Epidemiologie ist das Studium der Verbreitung und der Ursachen von gesundheitsbezogenen Zuständen und Ereignissen in Populationen. Uranmunition – der effiziente Killer Einladung zur Informationsveranstaltung Munition aus abgereichertem Uran wurde und wird auch heute in Kriegsgebieten eingesetzt, was aber geleugnet und verschleiert wird. Gravierende Gesundheitsschäden werden nicht nur bei Soldaten, sondern auch bei der Zivilbevölkerung festgestellt und die Umwelt wird mit Uran verseucht. Diese Informationsveranstaltung will Sensibilisierungsarbeit leisten und durch die Einbeziehung des EU-Parlaments und des nationalen Parlaments die Ächtung dieser Waffen vorantreiben. Tagungsort Datum Bozen, Schloss Maretsch Freitag, 30. März 2007, 17 – 19.30 Uhr Programm 17.00 Uhr Begrüssung 17.10 Uhr Film «Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra» Frieder Wagner, Filmemacher, Köln 18.10 Uhr Vortrag: «Urano, il nemico invisibile» Stefania Divertito (Journalistin und Buchautorin, Neapel/Rom) 18.40 Uhr Vortrag: «Uran-Kolonialismus» Claus Biegert (Journalist, GfbV, München) anschliessend Diskussion Veranstalter Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Organisation für eine solidarische Welt (OEW), unterstützt von Sepp Kusstatscher, MEP (Fraktion der Grünen im EU-Parlament) Informationen: Tel. +43 471 312 280 Nr.8, 27. Februar 2007, Seite 1, 2, 3 Iran muss sich darauf vorbereiten, einen nuklearen Angriff abzuwehren von General Leonid Ivashov, Russland Dossier Uranwaffen 16 Zeit-Fragen 2007 In dem gesamten Informationsfluss, der vom Nahen Osten kommt, sind immer häufiger Berichte, die darauf hinweisen, dass die USA innerhalb der nächsten Monate Nuklear schläge gegen Iran ausführen werden. Zum Beispiel schrieb gemäss gutinformierten, aber nicht mit Namen genannten Kreisen, die kuwaitische «Arab Times», dass die USA planen, noch vor Ende April 2007 auf iranisches Territorium eine Raketen- und Bombenattacke auszuführen. Der Angriff wird vom Meer her erfolgen und vom Patriot-Raketenabwehrsystem unterstützt werden, damit eine Bodenoffensive vermieden werden kann und die Wirksamkeit eines Gegenangriffs «irgendeines Staates des Persischen Golfes» vermindert wird. «Irgendein Staat» bezieht sich meistens auf den Iran. Die Quelle, welche die Information der kuwaitischen Zeitung lieferte, glaubt, dass die US-Streitkräfte im Irak und in anderen Ländern der Region durch die grenznahen PatriotRaketen gegen alle möglichen iranischen Raketenangriffe verteidigt werden können. Somit haben die Vorbereitungen für eine neue US-Aggression die Abschlussphase erreicht. Die Exekutionen von Hussein und seinen engsten Verbündeten waren ein Teil dieser Vorbereitungen. Sie dienten den Bestrebungen der US-Strategen als «Tarnoperation», um die Situation sowohl um Iran herum als auch im ganzen Nahen Osten absichtlich eskalieren zu lassen. Analysiert man die Folgen dieser Tat, sieht man zunächst, dass die USA befohlen haben, den früheren irakischen Führer und seine Verbündeten zu hängen. Dies zeigt, dass die USA einen unumkehrbaren Plan der Teilung des Irak in drei kriegführende Pseudostaaten – einen schiitischen, einen sunnitischen und einen kurdischen – beschlossen haben. Washington kalkuliert, dass die Situation eines kontrollierten Chaos dabei helfen wird, die Versorgung mit Erdöl aus dem Persischen Golf und andere strategisch wichtige Transportrouten für das Öl zu beherrschen. Schaffung einer Zone mit endlos blutigem Konflikt und Destabilisierung der Region Der wichtigste Aspekt in dieser Sache ist, dass im Herzen des Nahen Ostens eine Zone mit einem endlosen blutigen Konflikt geschaffen wird und dass die Nachbarländer des Irak – Iran, Syrien, Türkei (Kurdistan) – zwangsläufig mit hineingezogen werden. Dies wird die Aufgabe der völligen Destabilisierung der Region lösen; eine Aufgabe von allergrösster Wichtigkeit für die USA und besonders für Israel. Der Krieg im Irak war nur ein Element einer ganzen Abfolge von Schritten in dem Prozess der Destabilisierung der Region. Es war nur eine Phase im Prozess, dem Ziel näherzukommen, mit Iran und anderen Ländern, die die USA zu Schurkenstaaten erklärt haben oder erklären werden, fertigzuwerden. Dennoch ist es nicht einfach für die USA, jetzt in eine weitere militärische Kampagne verwickelt zu werden, während der Irak und Afghanistan nicht «befriedet» sind. (Den USA fehlen die nötigen Ressourcen für eine solche Operation.) Ausserdem verstärken sich auf der ganzen Welt die Proteste gegen die Politik der Washing toner Neocons. Auf Grund des bisher Gesagten werden die USA Atomwaffen gegen den Iran einsetzen. Dies wird nach dem US-Angriff auf Japan 1945 der zweite Fall einer Anwendung von Atomwaffen in einem militärischen Konflikt sein. Seit Oktober 2006 haben das israelische Militär und politische Kreise offen über Dossier Uranwaffen 17 Zeit-Fragen 2007 die Möglichkeit eines atomaren Schlages und Raketenangriffes gegen Iran gesprochen, und die Idee wurde von G. Bush sofort unterstützt. Zurzeit wird diese Idee als «Notwendigkeit» eines atomaren Schlages verkauft. Der Öffentlichkeit wird beigebracht zu glauben, dass solch eine «Möglichkeit» nichts Absurdes ist und dass doch solch ein Atomschlag durchaus machbar sei. Es gebe keinen anderen Weg, Iran zu «stoppen». Wie werden die anderen Atommächte reagieren? Im Falle von Russland wird es im besten Fall darauf hinauslaufen, dass es sich darauf beschränkt, die Atomschläge zu verurteilen, und im schlimmsten Fall – wie im Falle der Aggression gegen Jugoslawien – wird die Antwort so etwas sein wie «obwohl die USA einen Fehler gemacht haben, hat das Opfer diesen Angriff selbst provoziert». Europa wird im Prinzip genauso reagieren. Möglicherweise wird die Negativreaktion von China und verschiedenen anderen Staaten auf die atomare Aggression stärker sein. In jedem Fall wird es keinen atomaren Vergeltungsschlag auf die US-Streitkräfte geben (da sind sich die USA absolut sicher). Die Uno hat in diesem Zusammenhang keinerlei Bedeutung. Nachdem der UnoSicherheitsrat versagt hatte, die Aggression gegen Jugoslawien zu verurteilen, war er praktisch mitverantwortlich dafür. Diese Institution ist nur in der Lage, Resolutionen zu verabschieden, welche die russische und auch die französische Diplomatie als ein Verbot des Einsatzes von Gewalt verstehen, die amerikanischen und britischen Diplomaten dies aber im genau entgegengesetzten Sinn interpretieren, nämlich als Billigung ihrer Aggression. Was Israel betrifft, ist sicher, dass es von iranischen Raketenangriffen betroffen sein wird. Möglicherweise wird der Widerstand der Hizbollah und der Palästinenser stärker werden. Sich als Opfer verhaltend werden die Israeli provozieren, um ihre Aggression zu rechtfertigen, und einige ertragbare Schäden erleiden. Danach werden die empörten USA Iran endgültig destabilisieren und so hinstellen, als sei dies noch eine noble Vergeltungsmission. Die Welt muss dringend die Einhaltung des Völkerrechts einfordern, sonst nimmt der Wahnsinn seinen weiteren Lauf Einige Leute tendieren dazu, zu glauben, dass Bedenken auf Grund weltweiter Proteste die USA stoppen können. Ich glaube dies nicht. Die Wichtigkeit dieses Faktors sollte nicht überschätzt werden. In der Vergangenheit habe ich in stundenlangen Gesprächen versucht, Milosevic davon zu überzeugen, dass die Nato dabei sei, einen Angriff auf Jugoslawien vorzubereiten. Für eine lange Zeit konnte er dies nicht glauben. Er blieb dabei, mir zu erklären: «Lies doch nur die UN- Charta. Welche Gründe werden sie haben, dies zu tun?» Aber sie taten es. Sie ignorierten das Internationale Recht schändlichst und taten es. Was haben wir heute? Ja, es war ein Schock. Man war empört. Aber das Ergebnis war genau das, was die Aggressoren haben wollten – Milosevic ist tot, Jugoslawien ist aufgeteilt, und Serbien ist eine Kolonie – Nato- Offiziere haben im Verteidigungsministerium des Landes ihr Hauptquartier eingerichtet. Gleiches passierte mit dem Irak. Es gab einen Schock, und man war empört. Aber was die USA heute beschäftigt, ist nicht die Frage, wie gross der Schock ist, sondern wie gross die Einkünfte ihres militärisch-industriellen Komplexes sind. Die Information, dass ein zweiter US- Flugzeugträger im Persischen Golf bis Ende Januar ankommen wird, erlaubt es, die mögliche Entwicklung der Dossier Uranwaffen 18 Zeit-Fragen 2007 Kriegssituation zu analysieren. Beim Angriff auf Iran werden die USA atomare Waffen vor allem aus der Luft einsetzen. Cruise Missiles (mit denen sowohl Flugzeugträger als auch Schiffe und U-Boote bestückt sind) und möglicherweise ballistische Raketen werden eingesetzt werden. Vielleicht werden den atomaren Schlägen Luftangriffe, die von den Flugzeugträgern aus geflogen werden, und andere Angriffe folgen. Das US-Kommando versucht, eine Bodenoperation auszuschliessen: Iran hat eine starke Armee, und die US-Streitkräfte würden wahrscheinlich massive Verluste erleiden. Dies ist für Bush, der sich sowieso schon in einer schwierigen Situation befindet, nicht akzeptabel. Es sind auch keine Bodentruppen nötig, um die Infrastruktur Irans zu zerstören, die Entwicklung des Landes zurückzudrehen, eine Panik zu erzeugen und ein politisches, ökonomisches und militärisches Chaos zu erzeugen. Dies kann in der Weise erreicht werden, indem zuerst nukleare und anschliessend konventionelle Mittel der Kriegsführung eingesetzt werden. Dies ist der Zweck der Verlegung des Flugzeugträgerverbands in die Nähe der iranischen Küste. Welche Mittel der Selbstverteidigung hat Iran? Sie sind beachtlich, aber verglichen mit den US-Streitkräften sind sie viel schwächer. Iran hat 29 russische Tor-Systeme, die ganz bestimmt eine wichtige Verstärkung der iranischen Luftabwehr sind. Jedoch zurzeit hat Iran keinen gesicherten Schutz vor Luftangriffen. Die Taktik der USA wird die gleiche sein wie üblich: Als erstes werden die Luftabwehr und die Radaranlagen ausgeschaltet. Danach werden, ohne ein Risiko einzugehen, die Flugzeuge in der Luft und auf dem Boden, die Kontrollinstallationen und die Infrastruktur angegriffen. Von jetzt [24.1.07] ab werden wir in den nächsten Wochen sehen, dass die Informationskriegsmaschinerie mit ihrer Arbeit beginnen wird. Es wird eine wachsende anti iranische militaristische Hysterie, neue Informationslecks, Desinformation usw. geben. Zur gleichen Zeit wird alles, was bisher ausgeführt wurde, für die prowestliche Opposition und für einen Teil von Mahmoud Ahmadinejads Elite ein Signal sein, sich für die kommenden Entwicklungen bereitzumachen. Die USA hoffen, dass ein Angriff auf Iran unvermeidlich im Land zum Chaos führen wird und dass es möglich sein wird, einige iranische Generäle zu bestechen, um so im Land ein fünfte Kolonne zu schaffen. Natürlich ist Iran ganz anders als der Irak. Aber, falls der Aggressor zwischen den zwei Gruppierungen des iranischen Militärs – den islamischen Revolutionsgarden und der Armee – mit Erfolg einen Konflikt erzeugt, wird sich das Land in einer kritischen Situation wiederfinden, insbesondere, wenn es die USA am Anfang ihres Feldzugs schaffen sollten, die iranische Führerschaft auszuschalten und einen atomaren Angriff oder einen massiven Schlag konventioneller Art gegen das zentrale Kommando des Landes auszuführen. Ein neuer 9/11-Vorwand im Sinne des damaligen «Reichstagsbrandes»? Heute ist die Wahrscheinlichkeit eines US-Angriffs gegen Iran extrem hoch. Es bleibt indessen unklar, ob der US-Kongress den Krieg genehmigen wird. Es bedarf vielleicht einer Provokation, um dieses Hindernis aus dem Weg zu räumen (zum Beispiel einen Angriff auf Israel oder Ziele in den USA, einschliesslich der Militärbasen). Das Ausmass dieser Provokation könnte mit dem des Angriffs vom 11.9. in New York vergleichbar sein. Dann wird der Kongress dem Präsidenten sicherlich zustimmen und ja sagen. • Dossier Uranwaffen 19 Zeit-Fragen 2007 Quelle: www.globalresearch.ca, Strategic Cultural Foundation (Russland), vom 24.1.2007. (Übersetzung aus dem Englischen: Zeit-Fragen) General Leonid Ivashov ist Vize-Präsident der Akademie für geopolitische Angelegenheiten. Er war Chef der Abteilung für Allgemeine Angelegenheiten im Verteidigungsministerium der Sowjetunion, Sekretär des Rates der Verteidigungsminister der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), Chef des Departements für militärische Zusammenarbeit beim Verteidigungsministerium der Russischen Föderation und Generalstabschef der russischen Armeen. Nr.9, 5. März 2007, Seite 8, 9 Nachdenken über den Jugoslawien-Krieg und seine Folgen Der Nato-Einsatz von Uranwaffen und die Desinformationskampagne zur Vertuschung ihrer Folgen ws. Dezember 2000 war die Bevölkerung in allen Ländern Europas beunruhigt: In jedem Land, das nach dem Kosovo-Krieg 1999 für die von der Uno einberufene Kfor-Truppe eigene Soldaten gestellt hatte, drangen alarmierende Berichte an die Öffentlichkeit: Viele der eingesetzten Soldaten kehrten nach ihrem Einsatz schwer erkrankt in ihre Heimatländer zurück. Im Vergleich zu ihrer Altersgruppe starben zigfach mehr Soldaten an einer besonders aggressiven Form von Leukämie, litten an seltenen Atemwegserkrankungen oder klagten über Krankheitssymptome, die bald als «Balkan-Syndrom» deklariert wurden. Die deutliche Parallele zum «Golfkriegs-Syndrom» amerikanischer Kriegsveteranen und zum Leiden und Sterben der irakischen Zivilbevölkerung wurde überdeutlich. Immer mehr unabhängige Forscher – insbesondere Ärzte und Epidemiologen – erkannten bereits in den 90er Jahren den Zusammenhang der Probleme durch eine radioaktiv-chemische Vergiftung der Menschen infolge der Aufnahme von Uranstaub über die Atemluft oder die Nahrung. Wer Zugang zur Fachliteratur hatte, wusste zu diesem Zeitpunkt bereits über diese verheerenden Kriegsfolgen der heutigen «modernen» Kriege Bescheid. Doch wie konnte es kommen, dass dieses Thema in den letzten Jahren so vollständig aus den Medien herausgehalten wurde und dass das Wissen über die tödliche Wirkung der Uranwaffen erst jetzt wieder allmählich in der breiten Öffentlichkeit Fuss zu fassen beginnt, wie in der CNN-Special Investigation-Sendung vom 5./6. Februar 2007? Der Kenntnisstand zu den Wirkungen der Uranwaffen Durch die medizinische Praxis und durch zahlreiche wissenschaftliche Studien ist mittlerweile ein grosses Wissen zur Entstehung und zu den Wirkungen des Uranstaubs im menschlichen Körper verfügbar.* Der Kenntnisstand ist knapp zusammengefasst folgender: Die Nato-Kampfverbände haben in den von ihnen geführten Kriegen aus Uran bestehende Waffen (Panzergeschosse und bunkerbrechende Bomben) eingesetzt. Uran hat durch seine aussergewöhnliche Dichte – es ist fast doppelt so schwer wie Blei – eine extreme Durchschlagskraft, wenn es mit hoher Dossier Uranwaffen 20 Zeit-Fragen 2007 Geschwindigkeit als Geschoss auf ein Ziel trifft. Bei dem Aufschlag und Durchdringen eines harten Zieles verbrennen die Urangeschosse explosionsartig zu Uranstaub, bis zu 70% der Masse (bei bunkerbrechenden Bomben noch mehr). Dieser Uranstaub besteht zum grössten Teil aus Partikeln, die kleiner als 2 Mikron (Millionstelmeter) sind und beim Einatmen die BlutLuftschranke der Lunge überwinden und in den Körper eindringen können. Etwa die Hälfte dieser Uranpartikel ist löslich, das heisst, sie werden über das Blut und die Niere nach Tagen zu einem grossen Teil ausgeschwemmt. Ein Teil der Krankheitsbilder ist durch diesen körpereigenen Transportweg des Urans bedingt: Nierenschmerzen, Stoffwechselerkrankungen, Nierenerkrankungen. Die andere Hälfte der vom Körper aufgenommenen Uranpartikel liegt in einer keramischen Uranoxid-Form vor, die nicht oder nur über Jahre hinweg langsam ausgeschwemmt werden kann. Diese Partikel können sich nach Eindringen in den Körper über das Blut und über das lymphatische System im gesamten Organismus ausbreiten und sich an irgend einer Stelle festsetzen. Durch die dann vor Ort einsetzende Schädigung des umliegenden Gewebes durch die chemische (Schwermetall) und radioaktive (Alphastrahlen, durch die Zerfallsprodukte von Uran auch Beta- und Gammastrahlen) Giftigkeit entstehen je nach Wirkungspunkt die unterschiedlichsten Erkrankungen: Stoffwechselerkrankungen, Immunschwächekrankheiten, Blutungen, Krebserkrankungen, besonders auffallend Leukämie und Lymphome. Auf die Verteilung des Uranstaubs im Körper weisen insbesondere die gleichzeitig an verschiedenen Organen auftauchenden Erkrankungen hin. Eine sonst sehr seltene Häufung von mehreren gleichzeitig und unabhängig im Körper entstehenden Krebsherden weist auf diesen Verlauf hin, genauso wie die in bestimmten geographischen Regionen bzw. Familien gehäuft auftretenden Krebserkrankungen, die vorher in der Region bzw. bei den betroffenen Familien nicht existierten. Die radioaktive Schädigung wirkt insbesondere auf das werdende Kind im Mutterleib ein. Die radioaktive Strahlung schädigt das Erbgut einzelner Körperzellen, so dass im Zuge der weiteren Zellteilungen und Organentwicklungen im Fötus extremste Missbildungen entstehen. Neben monströsen Deformationen (ausserhalb des Körpers liegende Organe, ausserhalb des Schädels liegendes Gehirn, fehlender Kopf, Fischhaut und -augen und viele andere Anomalien) kommen gehäuft Kinder ohne Augen und mit missgebildeten Gliedmassen zur Welt. Das sind die Tatsachen. Tatsachen, die 1991 durch den deutschen Arzt Professor Dr. med. Siegwart-Horst Günther für die irakische Zivilbevölkerung erstmalig beschrieben wurden; Tatsachen, die 1992 durch den amerikanischen Strahlenmediziner und ehemaligen US-Militärarzt Prof. Dr. med. Asaf Durakovic für amerikanische Golf-Kriegs-Veteranen nachgewiesen wurden und auf die Forscher wie die Epidemiologin Rosalie Bertell immer wieder mit Dringlichkeit verwiesen; Tatsachen, die der Friedensbewegung in Europa ab Ende der 90er Jahre und dann auch einer breiteren europäischen Öffentlichkeit im Dezember 2000 und Anfang Januar 2001 durch viele Medienberichte bewusst wurden. Im Januar 2001 waren die europäischen Zeitungen gefüllt mit Berichten über die Situation. Gerade angesichts dieser Tatsachen und auch des Kenntnisstandes der europäischen Friedensbewegungen drängt sich als Frage unabweislich auf: Warum sind wir Menschen angesichts dieser Lage nicht seit spätestens Januar 2001 bis in jede Faser unseres Herzens und unseres Fühlens alarmiert? Warum lassen uns die Bilder der erkrankten Kinder und Neugeborenen nicht aufschrecken, nachdenken und handeln? Dossier Uranwaffen 21 Zeit-Fragen 2007 Der «full scale action-plan» der Nato Die Bevölkerung wurde von der US-geführten Nato seit spätestens Mitte der 90er Jahre in den USA und seit spätestens Frühjahr 2001 in Europa abgelenkt und in die Irre geführt. Diese Desinformationskampagne ist – neben dem Einsatz der Uranwaffen selbst – ein weiteres Verbrechen, das die US-Regierung und die Nato-Führung seit 2001 begangen haben. Mira Beham und Jörg Becker beschreiben in ihrer Studie Operation Balkan: Werbung für Krieg und Tod, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2006, ISBN 3-8329-1900-7, wie solche politischen Manipulationsaufträge aussehen. Der Januar 2001, genauer der 10. Januar 2001, an dem die Nato unter Moderation des damaligen Generalsekretärs Lord Robertson eine Pressekonferenz und ein Briefing für ausgewählte Journalisten mit Wissenschaftern im Dienste des Militärs veranstaltete, ist ein wichtiges Datum, das den Scheidepunkt markiert. Bis zu diesem Datum wurden täglich alarmierende Berichte über das Problem der Uranwaffen in den «Leitmedien» vieler europäischen Länder veröffentlicht, und Politiker und Parteien – interessanterweise immer aus den jeweiligen Oppostionslagern – meldeten sich zu Wort. Ihre Überlegungen wurden über die Leitmedien zu Beiträgen einer öffentlichen Debatte. Nach dem 10. Januar 2001 verstummte die Diskussion. Der Spiegel beendete erst am 22. Januar 2001 – noch mit einem sehr lesenswerten Artikel – die Behandlung des Themas. Andere hatten schon vorher «abgestellt», ab Februar wurden in diesen Medien – wie auf Kommando – keine weiteren Berichte mehr zu dem Thema veröffentlicht. Statt dessen wurden – um es allen klarzumachen – einige speziell vorbereitete, das Thema «abschliessende» Veranstaltungen durchgeführt, an denen Wissenschafter, im Sold abhängiger Institutionen stehend, zur Entwarnung bliesen und anwesende Militärs und Politiker den Beschluss «Ende der Debatte» umsetzten. Seitdem herrschte in der politischen öffentlichen Debatte und in den Massenmedien Grabesstille. Hie und da gab es ein aufflackerndes Aufbegehren von menschlich berührten und engagierten Bürgern und Politikern, so geschehen zum Beispiel auch in der Schweiz und in Deutschland. Doch wurde dieses Aufbegehren aus unklarem Hintergrund immer wieder zum Erliegen gebracht. Da sich die grossen Medien nicht mehr der Sache annahmen oder annehmen durften, blieb der für eine demokratische Gesellschaft vorgesehene Prozess des Aufmerksammachens und Aufmerksamwerdens aus. Dass die vorgebrachten «Befunde» schon bei oberflächlicherem Hinsehen in gesteuerten Laboren und Organisationen fabriziert wurden, während aufrechte Wissenschafter durch Repressalien gebrochen werden sollten, wurde vom Durchschnittsbürger schon nicht mehr zur Kenntnis genommen. Seitdem ist eine lange Zeit vergangen, in der in den betroffenen Kriegsregionen das Sterben auf den Krebsstationen oder schlicht in den Wohnungen der Menschen unvermindert seinen Fortgang nimmt. Seitdem wird in weiteren Kriegen in Afghanistan und im Irak weiteres Sterben gewollt und gemacht. Menschen, die sich nicht abbringen liessen Nicht wenige Persönlichkeiten blieben über die Jahre bei der Sache. Im Mitgefühl für die Zivilbevölkerung und für die verheizten Soldaten arbeiteten sie unermüdlich weiter und trugen Fakt um Fakt zusammen. Wichtige Beispiele und Vorbilder seien genannt. Im Herbst 2003 wurde von Marion Küpker und anderen in Hamburg die «World Dossier Uranwaffen 22 Zeit-Fragen 2007 Uranium Weapons Conference», die «Welturanwaffenkonferenz» (www.uranwaffenkonferenz.de), durchgeführt. Diese Konferenz trug über drei Tage hinweg Erfahrungen und Wissen von Betroffenen und Forschern aus der ganzen Welt zusammen. Die Menschheit kann den Organisatoren und Teilnehmern ohne Übertreibung ewig dankbar sein für diese Konferenz – denn ewig werden wir mit den Auswirkungen der Uranwaffen zu leben haben. Jeder einzelne Kongressbeitrag – über das Internet zu bestellen oder online herunterzuladen – ist ein Dokument für sich. Dai Williams ist seit 1999 als unabhängiger Forscher daran, Licht in das furchterregende Waffenarsenal der kriegführenden Mächte zu bringen. Als mitfühlender Mensch und politisch handelnder Bürger hat er zusammen mit anderen akribisch genaue Untersuchungen vorgenommen, Berichte und Stellungnahmen verfasst, die es wert sind, sehr genau von den politisch verantwortlichen Gremien und Institutionen zur Kenntnis genommen zu werden. (zum Beispiel zum jüngsten Libanon-Krieg: www.eoslifework.co.uk/pdfs/u26leb19oct.pdf) In Amerika haben sich Golf-Kriegs-Veteranen zusammengetan und sich entschlossen, es nicht hinzunehmen, von der Veterans Administration zum Sterben in isolierte Krankenhäuser abgeschoben zu werden. Ähnliche Organisationen gibt es in Grossbritannien und auch in Frankreich. (Informationen zum Beispiel unter: www.traprockpeace.org/depleted_uranium.html und www.poisondust.org) Felicity Arbuthnot beschreibt in ihrem Artikel aus der Februar-Ausgabe 2007 des The Ecologist unter dem Titel «They’ve sent Helbig after me. A dark tale of how the powers-that-be try to discredit those who oppose their world view» wie Wissenschafter von einer kleinen Pentagon-Arbeitsgruppe eingeschüchtert und bedroht wurden. Irakische Wissenschafter haben sich trotz der Bedingungen des Embargos an die mühevolle Arbeit der Sammlung und Auswertung geologischer und epidemiologischer Messdaten gemacht. Einen sorgfältigen Überblick über eigene Arbeiten und diejenigen ihrer Kollegen bietet Frau Professor Souad N. Al-Azzawi in ihrer Veröffentlichung «Depleted Uranium Radioactive Contamination in Iraq: An Overview» (www.globalresearch.ca/index.php? context=viewArticle&code=AL-20060831&articleId=3116). Frau Prof. Al-Azzawi wurde für ihre Arbeit mit dem von Claus Biegert und Franz Moll initiierten Nuclear Free Future Resistance Award geehrt. (www.nuclear-free.com/deutsch/ souad.htm) Verschiedene Filmemacher, vom Leid der Menschen berührt, haben sich mit grossem persönlichen Engagement eingearbeitet und Werke geschaffen, die es uns Bürgern erlauben, uns mit ernster Entschlossenheit dem Thema der mit radioaktiven Waffen geführten Kriege und der geschundenen Zivilbevölkerung wieder zuzuwenden. Der deutsche Filmemacher Frieder Wagner hat seinen 2004 erstellten Dokumentarfilm «Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra» zu einer Kinoversion ausgearbeitet, die gegenwärtig unter dem Namen «Deadly Dust» auf verschiedenen Kinofestivals vorgestellt wird und bald in den Kinos gezeigt werden kann. Der japanische Fotojournalist und Filmemacher Naomi Toyoda war mehrfach und auch während des zweiten Golf-Krieges im Irak. Auch sein Film «Unknown Terror of DU – Iraqi Children now» erschüttert zutiefst und fordert unser Handeln. (Kontaktadresse für die Bestellung des Films: [email protected]) Dossier Uranwaffen 23 Zeit-Fragen 2007 Die Zeit ist gekommen Die Zeit ist gekommen, den Folgen ins Auge zu schauen. Die Berichte über die Kranken, Sterbenden und bereits Verstorbenen lassen sich nicht mehr unterdrücken. CNN hat das Thema in einer Morgensendung an zwei aufeinanderfolgenden Tagen wieder aufgegriffen (5. und 6. Februar, CNN American Morning’s Special Investigation, Do U.S. troops know about the dangers of depleted uranium? von Greg Hunter). Michel Chossudovsky hat in ebendiesem denkwürdigen Januar 2001 den nachstehenden Überblick «Low Intensity Nuclear War» verfasst: ein Alptraum, der einen nicht mehr loslässt. Er dokumentiert den Kenntnisstand über die Auswirkungen des Einsatzes von Uranwaffen, und er beschreibt andererseits, wie der militärisch-industrielle Komplex schon vor 2001 jede wissenschaftliche Untersuchung zu diesem Problem abwürgen wollte und wie die Uno-Organisationen UNEP und WHO unter ihrem Druck nicht arbeiten konnten. Er zeigt auch auf, wie innerhalb dieser Organisationen willfährige Funktionäre und Wissenschafter mit der Durchführung der manipulierten Untersuchungen beauftragt wurden, während andere «geschasst» wurden, damit amtliche Ergebnisse in entsprechender Färbung hinausgehen konnten. Chossudovsky hat seinen Bericht vom Januar 2001 im November 2006 auf seiner Homepage www.globalresearch.ca wieder zugänglich gemacht. Im Lichte der seitherigen Entwicklung in den Kriegsgebieten liest er sich nochmals ganz anders. Unsere Generation muss sich der Aufgabe stellen und die humanitäre Zukunftsaufgabe in Angriff nehmen. • *Neben den im Artikel von Michel Chossudovsky genannten Quellen kann für einen Einstieg in die Fachliteratur dienen: Asaf Durakovic, Undiagnosed Illnesses and Radioactive Warfare, Croatian Medical Journal, 44(5, 2003):520-532, www.cmj.hr/2003/44/5/14515407.pdf, und Rosalie Bertell, Occupational Hazards of War. Depleted Uranium: All the Questions About DU and Gulf War Syndrome Are not yet Answered, International Journal of Health Services, Vol. 36 (2006), Nr. 3, Pages 503-520, www.iicph.org/docs/occupational-hazards-of-war-du.pdf Nr.9, 5. März 2007, Seite 9, 10 Low Intensity Nuclear War Die Auswirkungen von abgereichertem Uran auf die Zivilbevölkerung des Balkans Michel Chossudovsky, geschrieben 15. Januar 2001, erneut veröffentlicht am 5. November 2006 Die UN-Umweltorganisation (United Nations Environment Program, UNEPa) und die Weltgesundheitsorganisation (WHOb) verbreiten die Illusion, dass (entgegen allen wissenschaftlichen Erkenntnissen) mit dem Gesundheitsrisiko von abgereichertem Uran (Depleted Uranium, DU) leicht umzugehen sei, indem die «betroffenen Zielgebiete» der A-10-Flugzeuge der US-Air Force [welche panzerbrechende DU-Munition verschiessen, die Red.] abgesperrt und «gesäubert» würden. Übergangen wird dabei die Tatsache, dass der radioaktive Staub sich bereits weit über den Bereich der 72 «identifizierten Dossier Uranwaffen 24 Zeit-Fragen 2007 Zielstellen» in Kosovo hinaus verbreitet hat. Die meisten Dörfer und Städte, einschliesslich Pristina, Prizren und Pec, liegen innerhalb eines Radius von 20 km um die Einschlagorte, was bedeutet, dass die gesamte Provinz kontaminiert ist und nicht nur sogenannte «Friedenstruppen», sondern auch die gesamte Zivilbevölkerung gefährdet ist. Der Leukämietod von acht italienischen Soldaten, die in Bosnien und in Kosovo stationiert waren, führte zu Tumulten im italienischen Parlament, nachdem der Zeitung «La Republicca» geheime militärische Dokumente zugespielt worden waren. Das portugiesische Verteidigungsministerium beteiligte sich an der Vertuschung der Todesursache eines portugiesischen «Friedenssoldaten», Coporal Hugo Paulino. Als Todesursache wurde eine Herpes infektion angegeben und der Familie die Genehmigung zur Exhumierung und Untersuchung der Todesursache verweigert.1 Der portugiesische Verteidigungsminister Julio Castro Caldas sah sich im November auf Grund des steigenden politischen Drucks genötigt, dem NatoHauptquartier mitzuteilen, dass er seine Truppenteile aus Kosovo zurückziehe: «Sie sind nicht da, um Uran-Futter zu werden», sagte er.2 Durch das Bekanntwerden von immer mehr Krebserkrankungen unter den «Friedenstruppen» auf dem Balkan begann die Nato-Vertuschungsstrategie zu scheitern. Verschiedene europäische Regierungen sahen sich gezwungen, die Öffentlichkeit über «mögliche Gesundheitsrisiken» durch die von der USamerikanischen Luftwaffe in den 78 Tagen Nato-Krieg gegen Jugoslawien verwendete DU-Munition zu informieren. Die westliche Presse verweist jetzt auf eine offensichtliche «Spaltung» innerhalb der Militärallianz. In Wahrheit gab es zwischen Washington und seinen europäischen Partnern keine Unstimmigkeiten oder gar Streitigkeiten, bis der Skandal ans Licht kam. Italien, Portugal, Frankreich und Belgien waren sich vollständig darüber im Klaren, dass DU-Munition benutzt wurde. Den europäischen Regierungen waren die Gesundheitsrisiken bekannt, einschliesslich jeder Menge diesbezüglicher wissenschaftlicher Untersuchungen. An der Planung der A-10- PanzerabwehrEinsätze mit DU-Munition von den Luftwaffenbasen Aviano und Gioia del Colle war Italien direkt beteiligt, beide Stützpunkte standen unter direkter Kontrolle des italienischen Verteidigungsministerium. Washingtons europäische Nato-Partner Grossbritannien, Frankreich, Türkei und Griechenland haben selber DU-Munition in ihren Arsenalen, Kanada ist einer der Hauptlieferanten für abgereichertes Uran. Die Nato-Staaten tragen die Verantwortung für die Verwendung von Waffen, die durch die Genfer und Haager Konvention sowie das Nürnberger Abkommen über Kriegsverbrechen von 1945 geächtet sind, uneingeschränkt mit.3 Mit der schweigenden Billigung seiner Nato-Partner vertuschte Washington seit dem Irak-Krieg die gesundheitlichen Folgen der Verwendung von DU-Munition («Golf-Kriegs-Syndrom»). Während die Nato bis vor kurzem die Verwendung von DU-Munition im Jugoslawien-Krieg dementierte, wird nun zwar zugegeben, DU-Munition verwendet zu haben, aber nun sollen die Geschosse nur eine «vernachlässigbare Radioaktivität aufweisen […], und alle Rückstände, die eine mögliche Gefährdung darstellen, lösen sich kurz nach dem Einschlag auf».4 Obwohl jeder Zusammenhang zwischen Todesfällen und abgereichertem Uran bestritten wird, gibt das Pentagon zu, dass «die Hauptgefährdung durch abgereichertes Uran besteht, wenn es eingeatmet wird».5 Ein eindeutig zweideutiges Statement. Und wer atmet den radioaktiven Staub ein, wenn er sich über das Land verteilt hat? Dossier Uranwaffen 25 Zeit-Fragen 2007 Die nebulösen Stellungnahmen europäischer Regierungen verbreiten die beunruhigende Illusion, dass ausschliesslich Militär- und ausländisches Zivilpersonal durch das Einatmen von radioaktiven Partikeln gefährdet sein könnte, als ob sonst niemand auf dem Balkan betroffen wäre. Die Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung werden nicht erwähnt. Ein neuer Konsens der Mainstream-Medien übt sich, ohne weiteres Hinterfragen, ob denn nur «Friedensschützer» atmen, in sanfter Mittäterschaft. Was ist aber mit allen anderen?6 Etwa 2 Millionen Zivilisten (Männer, Frauen, Kinder) wurden allein in Kosovo seit Beginn der Bombardierung im März 1999 dem radioaktiven Fallout ausgesetzt. Über 20 Millionen Menschen im Balkan sind möglicherweise gefährdet. «Das Risiko in Kosovo und auf dem ganzen Balkan wird erhöht durch die Ungewiss heit, wo und in welcher Form DU eingebracht worden ist und wie es sich mit dem Wind und dem Oberflächenwasser weiter verteilt. Feldarbeiten, Spazierengehen, einfach nur dort sein, Dinge berühren, atmen, Wasser trinken – alles ist gefährlich. Britische Experten sagen voraus, dass auf dem Balkan Tausende von Menschen an den Auswirkungen von DU erkranken werden. Die radioaktiven und giftigen DU-Oxide zerfallen nicht. Sie sind permanent.»7 Zu beachten ist, dass die schwer bewaffneten «Friedenstruppen» zusammen mit Uno-Personal und Zivilpersonal der «humanitären» Organisationen erst im Juni 1999 Kosovo betreten haben. Die Ausbreitung des radioaktiven Staubs begann aber schon am «Tag Eins» des 78tägigen Bombardements Jugoslawiens. Mit Ausnahme der Nato-Spezialeinheiten, die die KosovoBefreiungsarmee KLA am Boden unterstützten, war kein Nato-Personal auf dem Schlachtfeld. Mit anderen Worten: Während der «heissen» Phase des Luftkrieges wurden keine Nato-Truppen radioaktivem Material ausgesetzt. Daher ist die jugoslawische Zivilbevölkerung in einem viel stärkeren Masse gefährdet, weil sie schon während des Bombardements dem radioaktiven Fallout ausgesetzt war, nicht nur nach dem Krieg. Bisher wird in offiziellen Stellungnahmen jedoch davon ausgegangen, dass nur Kfor-Truppen und ausländisches Personal «möglicherweise gefährdet» sein könnten, was impliziert, dass die lokale Zivilbevölkerung unwichtig ist. Nur die eigenen Soldaten und ausländisches Personal wurden bisher auf mögliche radioaktive Kontaminierung getestet. Krebserkrankungen von Kindern Erste Anzeichen einer Verstrahlung von Kindern – unter anderem Herpes im Mundbereich, Ausschlag im Rücken- und Beinbereich – wurden in Kosovo beobachtet.8 Im Norden Kosovos, der am wenigsten von DU-Geschossen betroffen war, werden bereits 160 Personen mit Krebserkrankungen behandelt. Seit den Nato-Luftangriffen ist dort die Leukämierate um 200% angestiegen, Kinder kamen mit Missbildungen auf die Welt.9 Diese Informationen bezüglich ziviler Opfer, deren Veröffentlichung von der United Nations Mission in Kosovo (Unmik) sorgfältig vermieden wurde, widerlegen die zentrale «Annahme» der Nato, dass der radioaktive Staub sich nicht über die eigentlichen Zielgebiete, die zum grössten Teil im südwestlichen oder südlichen Teil des Landes an der mazedonischen und albanischen Grenze liegen, verbreiten würde. Diese Befunde decken sich mit denen aus dem Irak, wo die Verwendung von DU-Munition zu einem «Anstieg von Krebs und Leukämie bei Kindern, Lymphdrüsenkrebs und Geschwüren, Missbildungen an Föten und Neugeborenen, körperlichen Missbildungen und genetischen Abweichungen» Dossier Uranwaffen 26 Zeit-Fragen 2007 geführt hat.10 Untersuchungen an irakischen Kindern bestätigen, dass «Leukämieerkrankungen bei Kindern in den Gebieten [des Irak], wo DUMunition benutzt wurde, um 600% angestiegen [sind]. Todgeburten, Geburten oder Abgänge von Föten mit monströsen Abnormitäten und verschiedene Krebsarten bei Kindern sind seit [dem Golf-Krieg von] 1991 gefunden worden.»11 Vertuschung UNEP und WHO haben sich stillschweigend die Ansichten von Nato und Pentagon zu den gesundheitlichen Risiken von abgereichertem Uran zu eigen gemacht. Für die erste von der UNEP geleiteten Untersuchung über DUStrahlenbelastungen verweigerte die Nato die Herausgabe von Kartenmaterial, in dem die «betroffenen Gebiete» (wo DU-Munition eingeschlagen ist) eingezeichnet waren. Mit der Ausrede, es gäbe nur ungenügendes Material für zuverlässige Untersuchungen der Auswirkung von DU-Munition, produzierte die UNEP eine wenig überzeugende und unverbindliche Theoriestudie, die dem 1999er Balkans Task Force-Report (BTF) über die Auswirkungen des Krieges auf die Umwelt beigefügt wurde.12 Die Studie verwies auf die «mögliche Verwendung von DU», womit unterstellt wurde, es sei nicht geklärt, ob überhaupt DUMunition verwendet worden sei. Dieses Ausweichen der UNEP – mit dem Verweis auf ungenügendes Datenmaterial – trug dazu bei, die bei Beginn der Bombardierung entstandene öffentliche Besorgnis zu zerstreuen. Oder allgemeiner ausgedrückt: Der UNEP/ UNCHS-Balkans Task Force-Report spielte die Ernsthaftigkeit der von der Nato verursachten Umweltkatastrophe herunter, obwohl überreichlich dokumentiert ist, dass diese Katastrophe das Resultat sorgfältiger militärischer Planung war.13 Für eine Studie von UNEP und WHO über die gesundheitlichen Auswirkungen von abgereichertem Uran wären gar keine Nato-Karten mit eingetragenen Zielgebieten notwendig gewesen. Eine solche Untersuchung, die notwendigerweise eine Zusammenarbeit von medizinischem Fachpersonal (Pädiatrie und Krebsforschung) mit Spezialisten für Strahlenkrankheiten erfordert hätte, wurde nie durchgeführt. In Wahrheit verbreitete die UNEP «wissenschaftliche» Behauptungen, um sich der Aufgabe einer tatsächlichen Untersuchung zu entziehen. Nach Angaben der UNEP «sind die Effekte von DU weitgehend an die Orte gebunden, an denen DU eingesetzt wurde, und die betroffenen Gebiete sind wahrscheinlich klein.»14 Diese These (ohne wissenschaftliche Beweise) wird auch von der UNEPSchwesterorganisation WHO geteilt: «Sie müssten schon sehr nahe an einem zerstörten Panzer sein und das innerhalb von Sekunden nachdem er getroffen wurde […] Es ist sehr unwahrscheinlich, dass diese Soldaten Strahlung ausgesetzt waren.»15 Diese Stellungnahmen von UN-Körperschaften (die von Nato und dem Pentagon zur Rechtfertigung des Einsatzes von DU-Waffen zitiert werden) sind Teile und Bausteine der Tarnung. Sie befördern die Illusion, dass die Gesundheitsgefahren für Soldaten und Zivilbevölkerung durch Absperren und «Säubern» der «Zielgebiete» leicht zu beherrschen sind. In diesem Zusammenhang warnte die WHO, dass Kinder, die in diesen Gebieten spielen, durch abgereichertes Urans gefährdet sein könnten, «weil Kinder […] dazu tendieren, Dreck in die Hand zu nehmen oder ihre Spielzeuge Dossier Uranwaffen 27 Zeit-Fragen 2007 in den Mund zu stecken».16 Die WHO verschwieg jedoch, dass der radioaktive Staub bereits über die Zielgebiete hinaus verbreitet worden war, was bedeutet, dass alle Kinder in ganz Kosovo gefährdet sind. Diese stillschweigende Komplizenschaft von UN-Unterorganisationen ist ein weiteres Zeichen für den Verfall des UN-Systems, das sich unter der Hand an der Vertuschung von Nato-Kriegsverbrechen beteiligt. Seit dem Golf-Krieg ist die WHO ein Instrument zur Verhinderung von aussagekräftigen Untersuchungen über die gesundheitlichen Auswirkungen von abgereichertem Uran auf irakische Kinder, mit der Begründung «es fehle das Datenmaterial, um eine eingehendere Untersuchung durchzuführen».17 UNEP und Nato ziehen am selben Strang Während die öffentliche Empörung und die Beweise für Krebserkrankungen von Balkan-Militärpersonal zunahmen, führte die UNEP im November 2000 eine zweite Untersuchung durch, die laut Presseerklärung auch Vor-Ort-Messungen von Beta- und Gammastrahlung in sogenannten «betroffenen Gebieten» Kosovos einschloss. Entgegen ihrer früheren Ablehnung einer Zusammenarbeit ziehen Nato und UNEP gegenwärtig an einem Strang. Die Zusammensetzung dieser Mission wurde in Abstimmung mit der Nato festgelegt, der Vertreter von Greenpeace (der an der Studie von 1999 beteiligt war), wurde ausgeschlossen. Nato-Karten waren problemlos verfügbar und die Untersuchung konzentrierte sich sehr eingeschränkt auf die Entnahme von Wasser- und Bodenproben an 11 von etwa 72 ausgewählten Standorten in Kosovo. Die Betrachtung von weiterreichenden Gesundheitsaspekten war nicht Bestandteil dieser Untersuchung. Die zwei von der WHO im Jahre 1999 (als Teil der Theoriestudie) entsandten Medizinforscher wurden durch Experten des US Army Center for Health Promotion and Preventive Medicinec und des AC Laboratoriums Spiez (ACLSd), einer Fachstelle der Gruppe Rüstung im Eidgenössischen Department für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport. Das Schweizer ACLS hatte aktiv an den Chemiewaffen-Inspektionen im Irak mitgearbeitet. Unter dem Deckmantel der Schweizer Neutralität betätigte sich das ACLS als informelles Sprachrohr der Nato. Finanziert von der Schweizer Regierung als deren Beitrag für die Nato Initiative Partnership for Peace war das ACLS also gleichzeitig bei der Nato unter Vertrag. Obgleich die November-Mission immer noch unter der Schirmherrschaft der UNEP stattfand, übernahm die Schweizer Regierung die Finanzierung für den grössten Teil der Felduntersuchungen durch die ACLS und spielte damit eine zentrale Rolle. Diese Mission, die sich aus mit dem militärischen Establishment verbundenen Vertretern zusammensetzte, arbeitete mit der Grundannahme (ausführlich dargelegt auf der ACLS-Webseite), dass radioaktiver DU-Staub sich nicht (unter gar keinen Umständen) über den Ort der Freisetzung hinaus verbreitet. Die Ergebnisse der Untersuchung, die im März 2001 veröffentlicht werden sollen, stehen schon von vorneherein fest. Sie konzentrieren sich auf die Strahlenbelastung in der unmittelbaren Nähe der Zielpunkte. Dem «back to office report» vom Januar 2001 zufolge heisst es: «[Bereits] zu diesem Zeitpunkt kann das Team feststellen, dass das Strahlungsniveau bei einigen DU-Fundorten an vereinzelten Punkten geringfügig höher als normal ist. Es wäre daher ein unnötiges Risiko für die Bevölkerung, mit Resten von DUMunition oder den Stellen, wo sie gefunden wurden, in direkten Kontakt zu kommen.»18 Dossier Uranwaffen 28 Zeit-Fragen 2007 Zweierlei Mass Wenn sich die Radioaktivität auf so «vereinzelte Punkte» beschränkt, warum wurden dann die Kfor-Truppen von ihren Regierungen angewiesen, «keine lokalen Produkte zu essen […] das Trinkwasser einfliegen zu lassen […] und dass die Kleidung beim Verlassen des Landes zerstört und die Fahrzeuge dekontaminiert werden müssen».19 Dem Direktor des National Gulf War Resource Center, Paul Sullivan, zufolge kann das abgereicherte Uran in Jugoslawien sich schädlich auf «landwirtschaftlich genutzte Gebiete auswirken, wo Vieh grast und Ackerfrüchte wachsen, wodurch das Schreckgespenst einer möglichen Verseuchung der Nahrungskette hervorgerufen werden kann». (Im November 2000 erhoben Golf-Kriegs-Veteranen, die unter den Auswirkungen von DU leiden, eine Gemeinschaftsklage gegen die US-Regierung.) Grossflächige Verseuchung Laut Nato-Quellen wurden etwa 112 Ziele in Jugoslawien (von denen 72 in Kosovo liegen) im Krieg mit DU-Panzerabwehrgeschossen angegriffen. Zwischen 30 000 und 50 000 Schuss DU-Munition wurden abgefeuert. Eine mehr als hinreichende Anzahl von wissenschaftlichen Ergebnissen belegen, dass radioaktive DU-Aerosole sich vom «Punkt der Freisetzung» aus über eine grosse Fläche ausbreiten, was bedeutet, dass grosse Teile der Provinz Kosovo verseucht sind. «Radioaktive Derivate können sich für Monate in der Luft halten […]. Ein einziger Partikel in der Lunge reicht aus […], ein einzelner Partikel kann bis zu den Lymphknoten wandern, wo die Radioaktivität die Abwehrkräfte gegen Lymphomase und Leukämie herabsetzen kann.»20 Laut den Aussagen der weltweit anerkannten Radiologin Dr. Rosalie Bertell «fängt abgereichertes Uran (DU) bei der Verwendung als Geschoss Feuer und setzt ein tödliches radioaktives Uran-Aerosol frei, das mit nichts Bekanntem vergleichbar ist. Es kann alle im Panzer umbringen. Dieses keramische Aerolsol ist leichter als Uranstaub. Es kann sich in der Luft mehrere zehn Kilometer über den Ort der Freisetzung hinaus ausbreiten oder sich mit Staub vermischen und durch Wind oder menschliche Bewegungen wieder aufgewirbelt werden. Die Partikel sind sehr klein und können von jedem eingeatmet werden: von Babys, schwangeren Frauen, älteren Menschen und Kranken. Die radioaktiven Keramikteilchen können jahrelang in der Lunge bleiben, das Gewebe mit energiereichen Alphastrahlen in einem Umkreis von 30 Mikron verstrahlen, was Emphyseme und/oder Fibrose hervorrufen kann. Die Keramik kann auch verschluckt werden und Schädigungen des Verdauungstrakts und der inneren Organe hervorrufen. Mit der Zeit durchdringt es das Lungengewebe und gerät in den Blutkreislauf […]. Es kann Krebs auslösen oder Krebs fördern, der von anderen karzinogenen Substanzen verursacht wurde.»21 Obwohl sich die Zielgebiete in Kosovo auf die südwestliche Grenze konzentrieren, sind sie über die gesamte Provinz verteilt. Die meisten Städte und Dörfer, einschliesslich Pristina, Prizren und Pec, liegen innerhalb eines Radius von weniger als 20 km um die 72 DU-Zielgebiete, was bestätigt, dass die gesamte Provinz verseucht ist. Kriegsverbrechen der Nato Die Bombardierung Jugoslawiens lässt sich am treffendsten als «Atomkrieg niedriger Intensität» unter Benutzung von giftigen und radioaktiven Geschossen und Waffen beschreiben. Es ist mehr als hinreichend Dossier Uranwaffen 29 Zeit-Fragen 2007 dokumentiert, dass der radioaktive Fallout vermutlich Millionen Menschen auf dem gesamten Balkan gesundheitlichen Risiken aussetzt. Im März 1999 hatte die Nato die Luftangriffe mit dem Verweis auf übergreifende humanitäre Prinzipien und Ideale gestartet. Die Nato kam angeblich zur «Rettung» der Kosovoalbaner auf Grund der Behauptung, diese würden von serbischen Truppen massakriert. Die forensischen Untersuchungen von FBI und Europol bestätigen, dass diese Massaker nicht stattgefunden haben. In grausamer Ironie sind nun die kosovoalbanischen Zivilisten unter den Haupt-Opfergruppen von DU-Strahlung. Um die Vertuschung insgesamt aufrechtzuerhalten, ist die Nato jetzt bereit, einen Bruchteil der Wahrheit zu enthüllen. Das Militärbündnis – in Zusammenarbeit mit den Regierungen der Nato-Staaten – will um jeden Preis die «Friedenstruppen» im Zentrum der Aufmerksamkeit halten und die lokale Zivilbevölkerung ausserhalb des Bildes lassen, denn wenn die ganze Wahrheit ans Licht käme, könnten in der Öffentlichkeit Fragen aufgeworfen werden in der Art: «Wieso sind die Kosovoalbaner, die wir doch angeblich retten wollten, nun die Opfer des Krieges?» Die UN hat sowohl in Kosovo als auch in Bosnien sorgfältig vermieden, Krebserkrankungen in der Zivilbevölkerung zu dokumentieren. Der eingeengte Blick auf die «Friedenstruppen» ist Teil der Vertuschungsstrategie, da er die Öffentlichkeit von dem grösseren Thema der zivilen Opfer ablenkt. Die Hauptopfer der DU-Waffen sind Kinder, wodurch ihr Einsatz zu einem «Kriegsverbrechen gegen Kinder» wird. Der Einsatz von abgereichertem Uran ist jedoch nur eines von mehreren Kriegsverbrechen der Nato im Irak und auf dem Balkan. Nach offiziellen Berichten leiden etwa 1800 Angehörige von Friedenstruppen aus den Balkanstaaten (Bosnien, Kroatien und Kosovo) unter gesundheitlichen Problemen infolge von DU-Strahlung. 22 Wenn derselbe Risikofaktor (prozentual zur Bevölkerung) zugrundegelegt wird, muss davon ausgegangen werden, dass die Zahl der Zivilisten im ehemaligen Jugoslawien, die an DUFolgeerkrankungen leiden werden, in die Zehntausende gehen wird. Der britische Wissenschafter Roger Coghill geht diesbezüglich davon aus, dass «es in der gesamten Balkan-Region 10 150 zusätzliche Todesfälle durch Krebs infolge des Einsatzes von DU geben wird. Das schliesst die lokale Bevölkerung, Kfor-Personal, Hilfsorganisationen und alle anderen ein.»23 Darüber hinaus werden sich nach einem während des Krieges in Athen veröffentlichten Bericht die Auswirkungen des abgereicherten Urans sehr wahrscheinlich über den Balkan, Albanien und Mazedonien hinaus ausbreiten. Auch Griechenland, Italien, Österreich und Ungarn sehen sich einer möglichen Bedrohung der menschlichen Gesundheit durch den Einsatz von radioaktivem abgereichertem Uran im 1999er Krieg gegenüber. Obwohl keine umfassenden Daten über Todesfälle unter Zivilisten erhoben worden sind, beweisen bereits Teilerhebungen, dass seit dem Bosnien-Krieg schon eine grosse Zahl von Zivilisten an den Folgen des DU-Einsatzes gestorben ist: «DU-Strahlung und der offensichtliche Einsatz von Entlaubungsmitteln durch die US/Nato-Truppen gegen das serbisches Land und die Bevölkerung (in Bosnien) haben zahlreiche Geburtsfehler bei Babys hervorgerufen, die nach dem US/Nato-Bombardement und der Besetzung geboren wurden; das Ausmass des Problems hat serbische Mediziner sprachlos gemacht und Panik in der Bevölkerung ausgelöst.»24 Ein aktueller Bericht verweist auf Hunderte von Todesfällen unter der Dossier Uranwaffen 30 Zeit-Fragen 2007 Zivilbevölkerung in einem einzigen Dorf: «Das Dorf ist leer, der Friedhof voll. Bald wird es keinen Platz mehr für die Toten geben. Unter den Flüchtlingsfamilien, die von Hadzici (in den Aussenbezirken von Sarajewo) nach Bratunac gekommen sind, gibt es kaum einen Haushalt, in dem nicht Trauer getragen wird […]. Auf ihnen sind frische Kränze, deren Blumen noch nicht verwelkt sind. Auf den Kreuzen sind die Todesjahre 1998, 1999 und 2000 zu lesen, und die zwanzigjährige Frau am Ende der Reihe ist erst vor ein paar Tagen gestorben […]. Niemand hat sich je vorgestellt, dass der zivile Teil des Friedhofes in nur ein oder zwei Jahren überfüllt sein würde […]. Es passiert oft, dass Leute aus Hadzici sterben. Oder sie reisen nach Belgrad zu einem Arzt, und wenn sie zurückkommen, erzählen uns die Verwandten, dass sie an Krebs sterben. Die Chefärztin Slavica Jovanovic […] hat eine Untersuchung durchgeführt und bewiesen, dass 1998 die Sterblichkeitsrate die Geburtenrate weit übertroffen hat. Sie erklärte uns, dass das keine Frage des Schicksals sei, sondern etwas sehr viel Ernsteres […] Zoran Stankovic, ein renommierter Pathologe von der Medizinischen Militärakademie VMA ist sicher, dass mehr als 200 seiner Patienten aus diesem Gebiet an Krebs gestorben sind, der sehr wahrscheinlich eine Folge des Abwurfs von abgereichertem Uran in Bomben ist, die die Nato dort vor fünf Jahren abgeworfen hat. Aber irgend jemand hat die Öffentlichkeit schnell zum Schweigen gebracht, und alles wurde vertuscht. Sehen Sie, unser Friedhof ist voll mit frischen Gräbern, während die Leute von Vinca (einem Kernforschungsinstitut) uns sagen, Uran sei nicht gefährlich. Was für einen Beweis brauchen Sie noch, wenn die Leute sterben? […] Die Flüchtlinge aus Hadzici waren sehr viele, als sie in Bratunac ankamen. Es waren fast 5000. Allein in den Sammelstellen wurden 1000 gezählt. Jetzt sagt Zelenovic, dass nur noch 600 von ihnen übrig sind. Und sie hatten nichts anderes, wo sie hätten hingehen können […]. Jeden dritten Tag stirbt irgend jemand an Krebs, es gibt keinen Platz mehr auf den Friedhöfen.» 25 Fotos von irakischen Kindern, die durch DU-Munition geschädigt wurden, finden sich im Internet. (Bitte beachten Sie: Die Fotos sind sehr erschütternd, aber zur selben Zeit geben sie Aufschluss über die US-Kriegsverbrechen in Irak, auf dem Balkan und in Afghanistan, wo Uranmuniton eingesetzt wurde.) Einige der Fotografien sind von dem bekannten Wissenschafter und Experten für DU-Strahlung Dr. Siegwart-Horst Günther. • Michel Chossudovsky ist Professor für Ökonomie an der Universität Ottawa und Autor des Buches «The Globalization of Poverty», Common Courage Press, 2001. 1 The Independent, London, 4.01.2001 2 s. Felicity Arbuthnot, It Turns out that Depleted Uranium ist Bad for Nato Troopsf, Emperors Clothes vom 26.10.2000; vgl. auch das dortige Interview 3 Es ist von insgesamt 17 Ländern bekannt, dass sie DU-Munition in ihren Arsenalen haben, darunter Russland, Israel, Saudi-Arabien und Südkorea. Vgl. Zajik, Vladimir: Review of Radioactivity, Military Use and Health Effekts of Depleted Uranium, 1999 unter vzajic.tripod.com. Siehe auch John Catalinotto/Sara Flounders, Is the Israeli Military Using Depleted Uranium Weapons against the Palestinians? International Action Centerg, New York 2000 4 Agence France Presse, 4.01.2001 5 United Press International, 5.01.2001 6 vgl. F. Arbuthnot, a.a.O. 7 Piotr Bein, More on Depleted Uranium, Emperors Clothes, Oktober 2000, ebd.f Dossier Uranwaffen 31 Zeit-Fragen 2007 8 Nach Dr. Siegwart-Horst Günther, Urangeschosse: Schwergeschädigte Soldaten, missgebildete Neugeborene, sterbende Kinderh. Freibung 2000; vgl. auch International Action Center, Metal of Dishonor. How the Pentagon Radiates Soldiers and Civilians with DU-Weapons, New York 2000 9 Beta Nachrichten-Agentur, Belgrad, 10.01.2001, in einer BBC-Zusammenfassung von Nachrichten der Welt vom 12.01.2001 10 Vgl. Rick McDowell, Ökonomische Sanktionen im Irak, Zeitschrift Z, November 1997 11 Carlo Pona, The Criminal Use of Depleted Uranium. Internationales Tribunal wegen US/Nato-Kriegsverbrechen in Jugoslawien, International Action Center, New York, 10.06.2000. Metal of Dishonor, a.a.O. 12 Vgl. den Schlussreporti von UNEP/UNCHS: The Kosovo Conflict – Consequences for the Environment & Human Settlements; siehe auch die «Theoriestudie»j über The Potential Effects on Human Health and the Environment of the Possible Use of Depleted Uranium (DU); ausserdem: UN considers New Data on Depleted Uranium in Kosovo, UNEP, Genf, 20.9.2000 13 siehe Michel Chossudovsky, Nato Willingful Triggered an Environmental Disaster, unter www.emperors-clothes.com 14 «Theoriestudie»j über The Potential Effects on Human Health and the Environment of the Possible Use of Depleted Uranium (DU) 15 Nach Aussagen eines Toxikologen der International Agency for Research on Cancer, einer Abteilung der WHO, Associated Press, 5.01.2001 16 Nach den Aussagen eines WHO-Spezialisten, zitiert im Boston Globe vom 10.01.2002 17 Boston Globe vom 27.06.2000, Erklärung von Mark Parkin, Experte der International Agency for Research on Cancer 18 s. UNEP-Presseerklärung, a.a.O.; s.a. UNEP, Advisory Note on Current Works on DU by UNEP, 11.01.2001 19 s. Felicity Arbuthnot, It Turns out that Depleted Uranium ist Bad for Nato Troopsf, Emperors Clothes vom 26.10.2000 20 Nach dem britischen Radiologen Rodger William Coghill, zitiert nach Associated Press vom 5.01.2000 21 Rosalie Bertell, E-Mail an den Verfasser vom Mai 1999 22 Belgisch-Französische Radio-und Fernsehstation (RTBF), 9.1.2001 23 Calgary Herald vom 4.01.2001 24 Tika Jankovitch, Chemische und atomare Kriegsführung in Bosnien: Augenzeugen der Hölle (21). Kommentar von Jared Israel vom 9.01.2001 25 Dubravka Vujanovic, Jeden dritten Tag stirbt jemand an Krebs; es gibt keinen Platz mehr auf den Friedhöfen. Neldeni Telegraf, Belgrad, vom 10.01.2001; s.a. Robert Fisk, I see 300 Graves that could bear the Headstone: «Died of Depleted Uranium», The Independent, London, vom 13.01.2001 Internetverweise: a www.unep.ch/ b www.who.org/ c chppm-www.apgea.army.mil d www.labor-spiez.ch e www.xs4al.nl/~stgvisie/VISIE/extremedeformities.html f emperors-clothes.com/articles/arbuth/port.htm g www.iacenter.org h www.ahriman.com/buecher/guenther.htm i postconflict.unep.ch/publications/finalreport.pdf j postconflict.unep.ch/publications/du_final_report.pdf [sic!] Quelle: Michel Chossudovsky, «Low Intensity Nuclear War», erste Veröffentlichung 15. Januar 2001, erstmalig auf deutsch von Telepolis Dossier Uranwaffen 32 Zeit-Fragen 2007 unter www.heise.de/bin/tp/issue/r4/dl-artikel2.cgi, 31. Januar 2001; erneut veröffentlicht von Michel Chossudovsky, 5. November 2006 unter www.globalresearch.ca/index.php? context=viewArticle&code=CHO20061105&articleId=3716] CNN-Special Investigation zu Uranmunition Amerikanische Golfkriegsveteranen fordern Wahrheit und Gerechtigkeit An zwei aufeinanderfolgenden Tagen nahm sich CNN des Themas der Uranmunition und deren Auswirkungen an. Obwohl die Schädlichkeit der Uranmunition bekannt war, wurden selbst die eigenen Soldaten nicht über die Gefahren informiert. Hundertausende der seit 1991 eingesetzten Soldaten klagen über Beschwerden, die als «GolfkriegsSyndrom» beschrieben werden. Das Pentagon hat jedoch bis heute jede Gefährdung verneint und jede Verantwortung abgelehnt. «[Moderator Greg Hunter] Die Veteranen sagen, dasss sie niemals vor der Uranmunition gewarnt wurden. Nun verklagen sie die Armee, weil sie vorsätzlich die Soldaten dem Uranstaub ausgesetzt hat und weil sie versagt, die Soldaten angemessen zu behandeln. [Ein Irakkriegsveteran]: Sie haben uns keine Information über Uranmunition mitgegeben. [Hunter]: Gar keine? Gar keine. Macht sie das wütend? Absolut. Warum? Weil wir jetzt krank sind. Wir wissen nicht warum. Die Armee weiss nicht warum, und sie nennen uns einfach Lügner.» Die Soldaten klagen nun gegen die Armee, und ein Richter hat der Klage auf Fehlverhalten der Armee stattgegeben. Ein weiterer Moderator zieht die Parallele zu dem in Vietnam eingesetzten Gift Agent Orange, bei dem betroffene Soldaten erst nach Jahrzehnten ihre Klagen gegen das Militär durchsetzen konnten. Quelle: 5. und 6. Februar 2007, CNN «American Morning’s Special Investigation: Do U.S. troops know about the dangers of depleted uranium?» transcripts.cn.com/TRANSCRIPTS/0702/05/ltm.02.html Nr.11, 19. März 2007, Seite 7,8 Protokoll der CNN-Fernsehsendung «Good Morning, America» Dossier Uranwaffen 33 Zeit-Fragen 2007 «Das Einatmen von abgereichertem Uran hat ihn krank gemacht» Moderator CNN: Es geht um eine äusserst wirksame und ebenso umstrittene Waffe aus dem US-Militärarsenal. Sie besteht aus «abgereichertem Uran» (Depleted Uranium) kurz DU. Wegen der erlittenen Gesundheitsschäden durch dieses DU gehen nun einige Veteranen gerichtlich gegen die Armeeverantwortlichen vor. Greg Hunter wird heute morgen bei uns sein. Er macht eine spezielle «American Morning»-Untersuchung. Guten Morgen, Greg. Greg Hunter, CNN-Korrespondent: Guten Morgen. Abgereichertes Uran, das ist genau das Gebiet, über dessen mögliches Gesundheitsrisiko amerikanische Soldaten Bescheid wissen wollen oder eventuell auch nicht. DU-Munition ist die wirksamste Waffe der Amerikaner gegen Panzer. Abgereichertes Uran oder DU verbrennt im Moment des Aufpralls und geht durch eine Panzerung wie ein heisses Messer durch Butter. Gleichzeitig entsteht eine Wolke von radioaktivem Staub. Während seines fünfmonatigen Irak-Einsatzes im Jahre 2003 räumte der Spezialist Gerard Matthews in solchen Fahrzeugen auf, die von DU-Geschossen getroffen worden waren. Er sagt, dass ihn das Einatmen von abgereichertem Uran krank gemacht hat. Gerard Matthew, irakischer Kriegsveteran: Ich kam mit chronischer Migräne, Schwellungen im Gesicht und Sehstörungen zurück. Matthews sagt auch, dass die Geburtsschäden seiner 21⁄2jährigen Tochter eine direkte Folge seiner DU-Belastungen seien. Er und sieben weitere Veteranen gehen nun wegen dieser DU-Schädigungen gerichtlich gegen die Armee vor. Die Untersuchungen der Armee ergaben jedoch, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen DU und den Krankheiten bzw. Geburtsschäden gibt. Col. Mark Melanson, Walter Reed Army Medical Center: Die Radioaktivität von abgereichertem Uran ist örtlich begrenzt auf die Geschosseinschlagsstelle und stellt keine direkten signifikanten Gefahren für die Gesundheit dar. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Medizinische Institut (Institute of Medicine) sind mit dieser Aussage einverstanden. Sie fanden keinen direkten Beweis für einen Zusammenhang zwischen DU und Geburtsschäden oder Krebs bei Menschen. Aber eine vom Pentagon bezahlte Studie vom Armed Forces Radio Biology Institute zeigte, dass die kombinierte Wirkung von DU als Schwermetall und seine gleichzeitige Radioaktivität die DNA schädigen und genetische Schäden und Tumore in tierischen und menschlichen Stammzellen bewirken kann. Selbst die Militärführung warnte in einem 1995 für das US-Militär produzierten Instruktionsvideo vor den möglichen Gefahren, die beim Einatmen von DU-kontaminiertem Staub auftreten können. Sprecher Instruktionsvideo: Es kann eine Schwermetallvergiftung auftreten, die Schäden in den inneren Organen und dem Gewebe hervorrufen kann. Das gleiche Video spricht von radioaktiven Teilchen, die sich in der Lunge festsetzen und über mögliche Wasser- und Bodenkontaminationen. Der führende Armee-Experte für die Schulung dieses Gefahrenbewusstseins bezüglich DU (Hazard Awareness Training) räumt ein, dass diese Schädigungen alle möglich sind. Aber die US-Truppen, die in den Irak gehen, haben dieses Dossier Uranwaffen 34 Zeit-Fragen 2007 Video nie gesehen. Melanson: Es waren viele Irrtümer und widersprüchliche Aussagen in diesem Schulungsvideo, so dass es nie fertiggestellt und bei der Truppe verteilt worden ist. Hunter: Statt dessen beschreibt das offizielle Armeeausbildungsvideo, das seit dem Jahr 2000 gebraucht wird, die Kontaminierung mit DU auf folgende Art: Sprecher Instruktionsvideo: Diese Emissionen sind deutlich unterhalb des USSicherheitsstandards und stellen keine Gefahr für Soldaten dar, die mit oder in der Nähe von DU-Munition arbeiten. Das neue Video sagt den Soldaten, sie sollen Handschuhe und Masken tragen, vor allem innerhalb von DU-zerstörten Fahrzeugen oder im Umkreis von 50 Metern von Bränden, die DU-Staub enthalten könnten. Das Problem ist, dass einige Soldaten wie Gerard Matthew sagen, dass sie es [dieses Video] nie gesehen haben. Dr. Asaf Durakovic studierte für das US-Militär die Auswirkungen von DU auf die Veteranen des ersten Golf-Krieges. Die Ergebnisse haben ihn alarmiert. Heute forscht er privat [in seinem eigenen Institut] weiter und untersuchte auch Veteranen des jetzigen Golf-Krieges. Unter anderem auch Gerard Matthews, von dem Durakovic sagt, dass er einen gefährlich hohen DU-Spiegel in seinem Körper hat. Dr. Asaf Durakovic, Uranium Medical Research Center: Das Einatmen von Uranstaub ist schädlich. Sogar in kleinen Mengen? Durakovic: Sogar in der Menge von einem Atom. Durakovic sagt, dass diese kleinen Atome für den Rest eines Soldatenlebens radioaktiv strahlen. Kann dies einem Soldaten auf Dauer schaden? Dr. Michael Kirkpatrick, Health Affairs des US-Verteidigungsministeriums: Es würde zur Menge der totalen Dosis im Körper dazukommen, obwohl diese Partikel sehr, sehr klein sind. Matthews Frau wünscht, ihr Mann hätte mehr über die möglichen Gefahren von DU gewusst. Frau Matthew: Er wurde nicht darüber informiert, dass es das Zeug dort gibt. Er hat meine Tochter dem ausgesetzt, aber das ist nicht sein Fehler. Er wollte ja nur unserem Land helfen. Beamte des Verteidigungsministeriums sagen, dass das US-Militär während des ersten Golf-Krieges 320 Tonnen abgereichertes Uran eingesetzt habe, aber sie waren nicht in der Lage, uns zu sagen, wieviel DU sie während des letzten Golf-Krieges verwendet haben, trotz unserer wiederholten Eingaben um entsprechende Informationen. Veröffentlichte Berichte vermuten, dass das Militär zwischen 1100 und 2200 Tonnen eingesetzt habe. Das macht eine bis zu 6mal grössere Menge während der Operation «Iraqi Freedom» als im ersten Golf-Krieg. S. O’Brien: Also testen sie alle diese Soldaten, um zu sehen, ob sie Radioaktivität aufgenommen haben? Dossier Uranwaffen 35 Zeit-Fragen 2007 Die Regierung macht das, das Pentagon macht es, aber es gibt einige Bundesstaaten, die eigene Gesetze verabschiedet haben, um ihre National Guard-Truppen zu testen, weil sie sagen, dass der Test der Regierung nicht empfindlich genug ist. Samarra, Irak, Frühling 2003, im Irak, der Ort einer erbitterten Offensive der Koalitionstruppen. Soldaten im Einsatz, beim Essen und Schlafen in Gebieten, die durch abgereichertes Uran betroffen worden waren. Für einige Soldaten markierte dieser Einsatz den Anfang einer anderen Art von Kampf: Fünf Veteranen der Nationalgarde sagen aus, dass sie auf Grund ihres Einsatzes dort vor Ort krank geworden sind. Raymond Ramos, Irak-Kriegs-Veteran: Ich kam zu einem Punkt, an dem ich manchmal nicht mehr stehen konnte. Die Kopfschmerzen waren unerträglich, und ich bekam immer wieder Schwindelattacken. Andere berichten über ähnliche Leiden: schmerzvolles Urinieren, Kopfschmerzen und Gelenkschmerzen. Sie sagen, dass Militärärzte ihre Symptome auf posttraumatischen Stress schieben. Diesen Soldaten zeigten wir das Video, das die Armee 1995 gemacht hatte, das aber nie verteilt worden war. Es warnte vor möglichen DU-Gefahren. Der Armeeexperte für DU-Schulung räumt ein, dass gewisse Informationen aus diesem Video stimmen. Zum Beispiel kann das Einatmen von radioaktiven Partikeln schädlich sein. Sprecher Instruktionsvideo: Alpha-Strahlung ist sehr kurz, ist aber die gefährlichste, wenn sie in den Körper gelangt. [Schnitt. Greg Hunter im Interview mit einem Offizier] Würden Sie sagen, das Video ist korrekt, gibt aber zuviel Informationen? Amerikanischer Offizier: Es vermittelt den Soldaten keine wirklich nützlichen Informationen. Die betroffenen Veteranen sagen, dass sie nie vor DU gewarnt worden sind. Sie gehen nun gerichtlich gegen die Armee vor, weil diese sie wissentlich DUStaub ausgesetzt hätte und weil sie nie richtig medizinisch behandeln wurden. Anthony Yonnone, Irak-Krieg-Veteran: Sie versahen uns mit keiner dieser Informationen. Mit gar keiner? Yonnone: Mit keiner. Macht Sie das zornig? Yonnone: Absolut. Warum? Yonnone: Weil wir jetzt krank sind. Wir wissen nicht warum. Die Armee weiss auch nicht warum, und sie bezeichnen uns einfach als Lügner. Die Klage der Veteranen gegen die Regierung könnte durch ein Gesetz zurückgewiesen werden, das das Militär vor Prozessen durch Soldaten schützt. Aber ein Richter liess die Klage der Soldaten wegen falscher ärztlicher Behandlung zu. Dr. Asaf Durakovic, Uranium Medical Research Center: Ich persönlich nenne es Dossier Uranwaffen 36 Zeit-Fragen 2007 «nicht so abgereichertes Uran». In den 90er Jahren untersuchte Dr. Asaf Durakovic für das US-Militär die DUAuswirkungen auf die Gesundheit der Soldaten. Als privater Forscher sagt Durakovic heute, dass seine Tests abnorm hohe DU-Werte im Urin dieser Soldaten zeigten und dass diese Werte eine ernstzunehmende Gefahr für die Gesundheit seien. Durakovic: Bei den Menschen der Region, bei denen durch Tests abgereichertes Uran nachgewiesen wurde, findet man genetische Schäden in den Chromosomen. Der oberste Gesundheitsexperte des Militärs sagt, dass das Testen von Tausenden von Veteranen aus beiden Golf-Kriegen nur wenige positive Befunde mit abgereichertem Uran gezeigt hätten. Dr. Michael Kirkpatrick, zuständig für Gesundheitsangelegenheiten des USVerteidigungsministeriums: Wir fanden es nicht bei den 74 Personen, die äusserst stark exponiert waren, und das, so denke ich, ist wirklich der goldene Standard. Wenn sie Menschen nehmen, die dem stark ausgesetzt waren, es aufgenommen (internalisiert) haben – haben einige das abgereicherte Uran immer noch in ihrem Körper, scheiden sehr hohe Mengen mit ihrem Urin aus – und ihre Gesundheit scheint bis zu diesem Punkt normal zu sein. Einige Wissenschafter und Politiker behaupten, dass die Untersuchungen der Armee nicht genug differenziert seien. Der Vertreter des Staates Connecticut, Pat Dillon, half mit, ein Gesetz durchzubringen, das seinem Staat die eigene Untersuchung ihrer Nationalgardisten erlaubt. Pat Dillon, Vertreter des Staates Connecticut: Es ist ein Schwermetall. Es wird in den Knochen eingelagert. Deshalb finde ich, dass der Test, den sie anwenden, nicht empfindlich genug ist, um herauszufinden, ob jemand kontaminiert ist oder nicht. Die Armee sagt gegenüber CNN, ihre Politik sei es, jeden Soldaten bezüglich abgereichertem Uran und dem Schutz davor auszubilden. Und die Armee hat ein aktualisiertes Instruktionsvideo, das im Jahre 2000 gemacht worden war Wir haben gefragt, warum diese Soldaten aussagten, dass sie nicht nur das Video nicht gesehen haben, sondern dass sie auch nichts über DU wussten, als sie in den Irak gehen mussten. Col. Melanson: Ich kann Ihnen keine Sta tistik darüber geben, wer oder wer nicht trainiert wurde. Ich kann mit Ihnen nur über das Training reden, das zur Verfügung gestellt wurde, und was die Richtlinie ist. Dr. Durakovic sagt, eines sei sicher: Ein Grossteil des Iraks ist kontaminiert, speziell im Süden, wo die schweren Panzerschlachten stattgefunden haben. Er wählt den Begriff, ich zitiere: «eine radioaktiv verschmutzte Gosse». Die Armee verneint das natürlich. Moderator CNN, O’Brien: Wenn Sie zurückdenken und sich einen anderen giftigen Verursacher, in diesem Fall Agent Orange in Vietnam vornehmen, so hatten die Veteranen dort ähnliche Klagen. Sie waren krank, weil die mit diesem Agent Orange in Kontakt gekommen waren. Haben sie schliesslich vom Militär Schadenersatz erhalten, und ist es wahrscheinlich, dass das hier Dossier Uranwaffen 37 Zeit-Fragen 2007 passieren wird? Bei einigen war dies der Fall, aber es dauerte Jahrzehnte. Und ich will Folgendes sagen: Agent Orange ist zahm im Vergleich zum radioaktiven Staub, den du in deine Lunge einatmest, der für immer im Körper bleibt und der eine Halbwertszeit von 4,5 Milliarden Jahre hat. Dieses Zeug bleibt für immer. So ist es – es ist die wirklich unbequemste Wahrheit. Moderator CNN, O’Brien: Halte uns auf dem laufenden Greg Hunter, vielen Dank. Gleich wird Sanjay Gupta bei uns sein, und er wird ein bisschen mehr über die medizinischen Folgen des Kontaktes mit abgereichertem Uranstaub erklären. – Alina Cho. Alina Cho: Soeben haben wir Greg Hunters Untersuchung über abgereichertes Uran und dessen mögliche Gefahren für die US-Truppen im Irak gehört. Der medizinische Chefkorrespondent Dr. Sanjay Gupta ist uns aus Atlanta zugeschaltet und gibt uns mehr Informationen über die medizinische Seite dieses Rätsels. Sanjay, guten Morgen. Das Wichtigste zuerst: Was sind die Symptome einer DU-Vergiftung? Dr. Sanjay Gupta, CNN-Korrespondent: Es gibt eine Art Kurzzeitsymptome und eine Art Langzeitsymptome und, wie Sie wissen, ist dies eine schwierige Angelegenheit. Unter vielen Forschern ist die Beurteilung darüber noch unklar, was unter welchen Umständen und zu welcher Zeit was bewirkt. Aber wenn man auf gewisse frühe Anzeichen schaut, dann sieht man Dinge wie Übelkeit und Erbrechen, so reagiert ein Teil der GIs auf abgereichertes Uran. Ebenso sind Nierenprobleme möglich und Hautverletzungen. Es gibt auch einige Berichte, dass es möglicherweise Reizbarkeit und Verhaltensänderungen hervorrufen kann, aber das ist noch nicht wirklich bewiesen. Die Langzeitsymptome können ein bisschen komplizierter sein. Sie könnten Dinge entwickeln wie Schäden am Immunsystem. So könnten tatsächlich ihre weissen Blutzellen abnehmen – jene Zellen, die ein Infektion bekämpfen. Möglicherweise auch Lungenkrebs, obwohl auch hier die Studien wiederum kontrovers sind. Und ebenso möglich sind Missbildungen bei Neugeborenen von Personen, die abgereichertem Uran ausgesetzt gewesen sind. Alina, ich sollte sagen – Greg hat es ebenfalls ausgeführt – das abgereicherte Uran und seine mögliche Verbindung zum Golf-Kriegs-Syndrom ist eines der umstrittensten Dinge, die in der Medizin existieren. Viele Menschen sind gewissermassen darauf fokussiert. Möglicherweise sind bis jetzt noch nicht genug Studien vorhanden. Gut. Was kann man über die Behandlung sagen? Gibt es irgendeine Behandlung dafür? Nun, nicht wirklich. Ich meine, zuerst einmal ist es sehr schwierig zu wissen, ob jemand dem tatsächlich ausgesetzt gewesen ist. Man kann es im Blut feststellen. Man kann tatsächlich Blutproben nehmen, die zeigen, ob man höhere Blutspiegelwerte eines bestimmten Isotopes im Zusammenhang mit abgereichertem Uran hat, aber in den meisten Fällen muss man die Dinge gewissermassen ihren Lauf nehmen lassen. Es kann Zellen schädigen, und wenn sich diese Zellen zum Beispiel in Dossier Uranwaffen 38 Zeit-Fragen 2007 Tumorzellen verändern, dann muss man einleuchtenderweise den Krebs behandeln oder den Tumor entfernen, aber es ist schwer, die Symptome einer allgemeinen Vergiftung mit abgereichertem Uran zu behandeln. Hm, also. Dr. Sanjay Gupta, live für uns in Atlanta. Sanjay, vielen Dank. Ich danke ebenfalls. Quelle: CNN am 5. und 6. 2. 2006 transcripts.cnn.com/TRANSCRIPTS/0702/05/ltm.02.html transcripts.cnn.com/TRANSCRIPTS/0702/06/ltm.02.html (Übersetzung Zeit-Fragen) Nr.11, 19. März 2007, Seite 8 Die Schweiz sollte ihre Bemühungen für ein völkerrechtliches Verbot der Uranwaffen wieder aufnehmen ws. In Belgien wurde am 7. März 2007 durch ein Votum der Verteidigungskommission ein Gesetzesvorschlag angenommen, der bei seiner Annahme durch das Parlament zu einer weitgehenden Ächtung von Uranmunition führen würde. Die belgische Politik hat damit ein weiteres Mal ein deutliches Zeichen gesetzt, dass Belgien sich nicht an der Fortführung und Fortentwicklung von Waffen beteiligen will, deren Einsatz unweigerlich die Zivilbevölkerung grossflächig und über unabsehbare Zeit in Mitleidenschaft zieht. Schon bei der Ächtung der Clustermunition, die an der internationalen OsloKonferenz Ende Februar diesen Jahres einen grossen Schritt vorangekommen ist, hatte Belgien eine Vorreiterrolle eingenommen, als es bereits im Februar 2006 Produktion, Lagerung, Einsatz und Handel von Clusterbomben verbot. Auch die Schweiz könnte sich nun als neutraler Staat mit ihrer langen humanitären Tradition wieder voll in diese friedensfördernden Bestrebungen einbringen. Bereits im Januar 2001, als die schädlichen Wirkungen der Uranmunition auch hierzulande breit diskutiert wurden, hatte Bundespräsident Leuenberger eine schweizerische Initiative zur Ächtung der Uranwaffen angekündigt. Am 18. Januar stellte er in Genf in Aussicht, dass eine Schweizer Delegation im Rahmen der Uno-Konvention über bestimmte konventionelle Waffen, die unnötige und inhumane Wirkungen haben (die sogenannte Certain Conventional Weapons Convention), einen entsprechenden Antrag stellen werde. Bundespräsident Leuenberger verlieh dabei dem Vorsichtsprinzip besonderes Gewicht, als er trotz der in der Debatte vorgebrachten Behauptungen über mangelnde wissenschaftliche Nachweise zur Schädlichkeit der Uranmunition deren Verbot voranbringen wollte. «Solange die Möglichkeit negativer Auswirkungen bestehe, dränge sich ein entsprechender Schritt aus ethischen Gründen auf.» («Neue Zürcher Zeitung», 19.1.2001) Damals nahm der Bundesrat im Juni 2001 von diesem Vorhaben wieder Abstand, eben mit dem Verweis auf die mangelnden Nachweise über die Dossier Uranwaffen 39 Zeit-Fragen 2007 Schädlichkeit. Mittlerweile sind die politischen Hintergründe des Jahres 2001 – insbesondere der Druck seitens der Nato und der USA – ein gutes Stück aufgehellt, die ein wenig vermuten lassen, wie es wirklich zu diesem Rückzug kam. Heute sind zudem die wissenschaftlichen Beweise über die Schädigungen durch Uranmunition und die Berichte aus den betroffenen Regionen immer weiter zusammengetragen und geben ein erschütterndes Zeugnis. Auch gibt es bereits sorgfältig ausgearbeitete völkerrechtliche Vertragsentwürfe, die auf eine eigene Konvention für ein Verbot der Uranwaffen abzielen. Mit dem entsprechenden politischen Willen könnte die Schweiz mit ihren erprobten politischen und diplomatischen Mitteln das Anliegen der International Coalition to Ban Uranium Weapons (ICBUW) unterstützen. Es wäre ein Segen für die Menschheit. Belgien verbietet Uranwaffen und -panzerungen Sie waren die ersten mit Landminen – sie waren die ersten mit Streubomben und jetzt wird Belgien das erste Land der Welt sein, das Uranwaffen verbietet! Die Internationale Koalition zur Ächtung von Uranwaffen (ICBUW) lobt die intensive Arbeit und das Engagement der «Belgian Coalition ‹Stop Uranium Weapons!›» 10. März – Willem Van den Panhuysen Am 7. März stimmte die nationale Verteidigungskommission des belgischen Parlaments einstimmig dafür, den Einsatz von Munition und Panzerplatten aus abgereichertem Uran auf belgischem Territorium zu verbieten. In Anerkennung des Prinzips der Vorsorge vereinbarten die Delegierten, dass die Herstellung, der Einsatz, die Lagerung, der Verkauf, die Anschaffung, die Lieferung und der Transit dieser konventionellen Waffensysteme verboten werden sollte. […] Bald wird der Kommissionsbeschluss im ganzen Parlament und im Senat diskutiert werden. Dies wird nur eine Frage der Formalität sein. Es ist offensichtlich, das Belgien das erste Land der Welt ist, das Munition und Waffen verbietet, die abgereichertes Uran oder irgendein anderes industriell hergestelltes Uran enthalten. Da behauptet wurde, die Regierung brauche Zeit, ein derartiges Verbot ausserhalb Belgiens zu unterstützen, und da die holländisch sprechende liberal-demokratische Partei wissen wollte, ob andere Länder bereit wären, dem belgischen Beispiel zu folgen, wurde jetzt im gebilligten Wortlaut vereinbart, dass das Gesetz zwei Jahre nach der Veröffentlichung im belgischen Gesetzbuch in Kraft treten wird. Die belgische Koalition «Stop Uranium Weapons!» ist eine Zusammenarbeit der folgenden NGOs: Association Médicale pour la Prévention de la Guerre Nucléaire – Groupe Liégeois pour l’Economie Distributive – CSOTAN – Pax Christi Leuven – Bond Beter Leefmilieu – Vakbondsmensen In Verzet Tegen Oorlog – OxfamSolidariteit – Artsen voor Vrede – Netwerk-Vlaanderen – Mouvement Chrétien pour la Paix – International Action for Liberation – Stop United States of Aggression – Jeugdbond voor Natuur en Milieu – Links Ecologisch Forum – Forum voor Vredesactie – Dossier Uranwaffen 40 Zeit-Fragen 2007 ACV-Brussel – Friends of the Earth Vlaanderen en Brussel – Greenpeace – Vlaams Overleg Duurzame Ontwikkeling – Pax Christi Vlaanderen – Coördination Nationale d’Action pour la Paix et la Démocratie – Vrede – SOS Irak – Verbond VOS – Mouvement Ouvrir Chrétien Liège-Huy-Waremme Belgian Coalition: «Stop Uranium Weapons!» Presseverbindung: Willem Van den Panhuysen [email protected] gsm: +32-473 71 75 18 Tel.: +32-9 256 01 45 Belgian Coalition: «Stop Uranium Weapons!» www.motherearth.org/du International Coalition to ban Uranium Weapons (ICBUW) www.bandepleteduranium.org Quelle: www.bandepleteduranium.org/en/a118.html Ärzte und Wissenschafter fordern Verbot von Uranwaffen In Berlin schloss am 19.6.2004 eine Stellungnahme von Sachverständigen, Ärzten und Wissenschaftern, über die Folgen des Einsatzes von Uranmunition mit folgendem Fazit: «Es ist aus ärztlicher Sicht zu kritisieren, dass wissenschaftliche Untersuchungsmethoden zu DU nicht in den regierungsamtlichen Forschungen angewandt werden. So entsteht der Eindruck, dass die von der USamerikanischen und der britischen Regierung durchgeführten Studien nicht der Aufklärung, sondern der Verschleierung der Ursachen dienen. Auch die Verweigerung des Sicherheitsrates auf Druck der US-Regierung, im Jahre 2001 systematische und breit angelegte Studien der WHO zur Ursachenaufklärung der Kinderkrebserkrankungen, insbesondere Leukämien im Irak durchführen zu lassen, erhärtet den schweren und nicht von der Hand zu weisenden Verdacht, dass hier Ursachenverschleierung statt Ursachenaufklärung betrieben wird. Trotz aller noch existierenden offenen Fragen hat die neuere und insbesondere unabhängige Forschung hinreichend Beweise erbracht, dass Menschen, die DU in ihren Körper aufgenommen haben, seien es Soldaten oder Zivilbevölkerung, aber vor allem Kinder und Jugendliche, einer schweren Gefährdung ihrer Gesundheit und ihres Lebens ausgesetzt sind. Das alleine reicht aus, um von den Regierungen der Welt, also in der UN und im UN-Sicherheitsrat, ein Verbot des Einsatzes von DU-Waffen zu fordern. Keine Macht dieser Welt hat das Recht, auf ihren selbstgewählten Kriegsschauplätzen die Menschen noch lange nach Beendigung der Kriegshandlungen zu vergiften und zu töten.» Quelle: Sachverständigenstellungnahme, Irak-Tribunal, Berlin 19.6.2004, Dr. med. Angelika Claussen, Vorsitzende der IPPNW Deutschland, iraktribunal.de/hearing190604/claussen.htm Dossier Uranwaffen 41 Zeit-Fragen 2007 Die erschreckenden Konsequenzen von Uranwaffen In Militärkreisen spricht man seit Jahren von Depleted Uranium, kurz DU genannt. Darunter versteht man bei uns «abgereichertes Uran». Gemeint sind durch den Krieg hinterlassene abgereicherte UranMunitionsreste, die eine «ewig» dauernde radioaktive Verseuchung verursachen. Im Irak, in Afghanistan und auf dem Balkan wurde und wird weiter tonnenweise dieses «DU» eingesetzt. Die erschreckenden Konsequenzen: massiver Anstieg der Karzinomrate, Häufung von Doppel- und Dreifachkarzinomen bei ein und demselben Patienten, gehäufte Karzinomfälle innerhalb derselben Familie, Auftreten von schrecklichen, teils grotesken und vorher kaum gesehenen Missbildungen. Abgereichertes Uran wird in der amerikanischen Waffenindustrie verwendet, um die Projektile effizienter zu machen; sie durchschlagen herkömmliche Panzerwände wie Butter. Es ist ein Abfallprodukt, das bei der Herstellung der Brennstäbe entsteht, die in Kernkraftwerken verwendet werden, und ist ein sogenannter Alpha-Strahler. Beim Abfeuern solcher Projektile entstehen feinste keramische radioaktive Partikel von Mikrometergrösse. Diese gelangen über die oberen und unteren Atemwege sowie die Haut in den Kreislauf und strahlen. Das radioaktive Uran liess sich bei Untersuchungen von Soldaten, die im ersten Golf-Krieg eingesetzt wurden, im Urin nachweisen; insbesondere bei solchen Veteranen, die am sogenannten «Golf-Kriegs-Syndrom» litten oder noch immer leiden; ebenso konnte DU in diversen Bodenproben im Irak nachgewiesen werden. In die Nähe solcher Bodenproben gebrachte Geigerzähler schlagen in den nicht mehr messbaren Bereich aus. Messungen zeigten das Hundert- bis Tausendfache der normalen Umweltstrahlung. Diese verseuchten Böden sind aber nicht markiert oder ausgesondert; die radioaktive Strahlung sieht, hört und riecht man nicht. Heute werden hier wieder Häuser gebaut, Strassen gezogen, landwirtschaftliche Produkte angebaut […] • Quelle: Vertraulicher Schweizer Brief, Nr. 1135 vom 7.3.2007 Nr.11, 19. März 2007, Seite 9, 10 Informationen zu Uranwaffen ICBUW – Internationale Koalition für ein Verbot von Uranwaffen www.icbuw.org Was ist abgereichertes Uran und wie wird es in Waffen verwendet? Dossier Uranwaffen 42 Zeit-Fragen 2007 Abgereichertes Uran (depleted uranium, DU) ist Atommüll. Uran tritt naturgemäss in Form von drei verschiedenen Isotopen auf, U 234, U 235 und U 238. Isotope sind Atome desselben Elements, die dieselbe Anzahl an Protonen haben, aber sich in der Anzahl Neutronen unterscheiden. Das bedeutet, sie reagieren chemisch gesehen gleich, aber unterschiedliche Isotope setzen unterschiedliche Mengen und Arten von Strahlung frei. Die radioaktiven Eigenschaften von DU, das hauptsächlich aus Uran 238 besteht, unterscheiden sich von denen des Uran 235. Anders als Uran 238 ist Uran 235 spaltbar. Das heisst, es ist so instabil, dass man durch Beschuss von Uran 235 mit Neutronen eine sich selbst erhaltende Serie von atomaren Reaktionen erzeugen kann, die enorme Mengen an Energie freisetzen. Das ist die Grundlage der Atombomben und der Nutzung der Atomkraft. Vor seiner Verwendung muss U 235 aber angereichert werden, da es nur einen kleinen Anteil des natürlich vorkommenden Urans – um die 0,7% – ausmacht. U 238 macht mehr als 99% des natürlichen Urans aus und ist weniger radioaktiv. Nachdem dem natürlichen Uran der grösste Teil des U 235 entzogen wurde, nennt man es «abgereichertes Uran», das heisst Uran, welches an dem Isotop U 235 abgereichert ist. Jedes Kilogramm an angereichertem Uran, das in einem Atomreaktor eingesetzt werden kann, hinterlässt 11 Kilogramm DU. Abgereichertes Uran selbst ist ein chemisch giftiges und radioaktives Material, welches auf Grund seiner hohen Dichte in panzerbrechender Munition eingesetzt wird. Es ist 1,7mal dichter als Blei, was den Urangeschossen eine erhöhte Reichweite und Durchschlagskraft gibt. Sie gehören zu einer Kategorie von Waffen mit dem Namen Wuchtgeschosse (kinetic energy penetrators). Den Teil der Waffe, der aus Uran besteht, nennt man den Penetrator: Das ist ein langer Pfeil, der in den gröss ten Ausführungen mehr als vier Kilogramm wiegt. Es ist also weder nur eine Spitze noch nur eine Aussenhülle. Das Geschoss ist gewöhnlich eine Legierung aus Uran und einer kleinen Menge eines anderen Metalls wie Titan oder Molybdän. Diese verleihen ihm zusätzliche Festigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen Korrosion. Zwei US-Unternehmen stellen grosskalibrige Panzergeschosse aus abgereichertem Uran her: Alliant Techsystems (120 mm-Granaten) und die früheren Primex Technologies, jetzt General Dynamics Ordnance and Tactical Systems (105 mm- und 120 mm-Granaten). Drei weitere Unternehmen – in Frankreich, der ehemaligen Sowjetunion und Pakistan – stellen ebenfalls grosskalibrige Panzergeschosse her. Alliant Techsystems, der gröss te Hersteller von Munition in den USA, produziert auch kleinkalibrige Geschosse (25 mm, 30 mm) für Geschütze in amerikanischen Flugzeugen und Kampffahrzeugen. Die Firma BAE Systems mit Sitz in Grossbritannien fertigte bis 2003 120 mm-Panzergranaten für die britischen Streitkräfte an. Sie stellten die Produktion aus «Umweltgründen» ein.1 Es besteht der Verdacht, dass die israelische Militärindustrie Uran-Panzergranaten für die israelische Armee produziert haben könnte, aber es ist unklar, ob diese im Kampf eingesetzt wurden. Neben der Verwendung für panzerbrechende Geschosse wird abgereichertes Uran auch als Panzerung in amerikanischen M1A1- und M1A2-Kampfpanzern eingesetzt und in geringen Mengen auch in einigen Arten von Landminen (M86 PDM und ADAM); beide Arten enthalten 0,101 Gramm abgereichertes Uran. 432 ADAM-Antipersonenlandminen wurden auf den kuwaitischen Schlachtfeldern während des Golf-Krieges 1991 eingesetzt. Sowohl die M86PDM als auch die ADAM-Minen sind in US-amerikanischen Lagern vorhanden. Dossier Uranwaffen 43 Zeit-Fragen 2007 Wo wurde Uranmunition eingesetzt und wer setzt sie ein? Angesichts von Befürchtungen um die Gesundheit der Bevölkerung haben Regierungen anfangs oft den Einsatz von Uranmunition abgestritten. Es ist heute klar, dass Uranmunition von den USA und Grossbritannien in grossem Umfang im Golf-Krieg 1991 eingesetzt wurde, dann in Bosnien, Serbien und Kosovo, und erneut durch die Amerikaner und die Briten im Irak-Krieg 2003. Es besteht der Verdacht, dass die USA Uranmunition 2001 auch in Afghanistan eingesetzt haben, obgleich sowohl die Regierungen der USA als auch Grossbritanniens den Einsatz von Uranmunition dort bestritten haben. Transportdokumente, die durchgesickert sind, legen allerdings nahe, dass die US-Streitkräfte in Afghanistan Uranwaffen hatten, aber es ist unklar, ob diese zum Einsatz kamen.2 Es sind mindestens 18 Länder, von denen angenommen wird, dass sie in ihren Arsenalen Waffensysteme mit Uran haben. Dazu zählen: Grossbritannien, die USA, Frankreich, Russland, Griechenland, Türkei, Israel, Saudi-Arabien, Bahrain, Ägypten, Kuwait, Pakistan, Thailand, China, Indien und Taiwan. Vielen von ihnen wurde die Uranmunition von den USA verkauft, während man von anderen (dazu zählen Frankreich, Russ land, Pakistan und Indien) annimmt, dass sie sie unabhängig entwickelt haben. Warum ist es ein Problem? Zu dem Uranoxidstaub, der entsteht, wenn die Uranmunition verbrennt, existiert nichts Vergleichbares in der Natur oder in der Geschichte. Dieser toxische und radioaktive Staub besteht aus zwei Oxiden: Das eine ist unlöslich, das andere schwerlöslich. Die Streuung der Partikelgrössen beinhaltet Partikel im Submikronbereich, die leicht eingeatmet und in den Lungen zurückbehalten werden. Über die Lungen werden die Uranverbindungen aufgenommen und in den Lymphknoten, den Knochen, dem Gehirn und den Hoden abgelagert. Feste Ziele, die von Urangeschossen getroffen wurden, sind von diesem Staub umgeben und Untersuchungen legen nahe, dass er viele Kilometer weitergetragen kann, wenn er wieder aufgewirbelt wird, was in einem trockenen Klima wahrscheinlich ist. Der Staub kann dann gleichermassen von Zivilpersonen und Militär eingeatmet oder über die Nahrung aufgenommen werden. Man geht davon aus, dass die Uranmunition die Ursache für einen massiven Anstieg der Anzahl an Neuerkrankungen mit Karzinomen – wie Brustkrebs oder Lymphomen – in Gebieten des Irak nach 1991 und 2003 ist. Die Uranbelastung wurde auch in Verbindung gebracht mit einem Anstieg an Geburtsfehlern in Gegenden, die an die grössten Schlachtfelder des Golf-Kriegs angrenzen. Bei Aufschlägen auf weichem Untergrund – typisch für Luftangriffe, bei denen die meisten Geschosse ihre Ziele verfehlen – bleiben die Geschosse teilweise intakt. Auf dem Balkan wurden mehr als 31 000 30 mm- Geschosse abgefeuert; die UNEP berichtete, dass diese rostenden Geschosse voraussichtlich das Grundwasser und die Trinkwasservorräte kontaminieren werden und beseitigt werden sollten.3 Während wir einigermassen eine Vorstellung davon haben, wieviel Uranmunition auf dem Balkan (14 Tonnen) und im Golf-Krieg 1991 (etwa 320 Tonnen) eingesetzt wurde, verfügen wir über wenige Daten, was das Ausmass ihres Einsatzes in der Folge der Invasion des Iraks in 2003 betrifft. Klar ist, dass weitaus mehr in städtischen Gebieten eingesetzt wurde, als Resultat einer vermehrt asymmetrischen Kriegsführung und einer zunehmend ungehemmten Dossier Uranwaffen 44 Zeit-Fragen 2007 Einstellung in bezug auf den Einsatz von Uranwaffen. Die USA haben die Herausgabe von Daten über die Einsatzorte ihrer Uranwaffen an die UNEP durchweg verweigert, und die instabile Lage nach dem offiziellen Kriegsende hat eine Beurteilung des wahren Ausmasses der Kontamination nahezu unmöglich gemacht. Die gesundheitlichen Auswirkungen von Uran: 1. Die Radioaktivität Die wichtigste Strahlengefährdung durch Uran 238 ist seine Alpha-Strahlung. Wenn strahlende Partikel eingeatmet oder mit der Nahrung aufgenommen werden, ist die Alpha-Strahlung die schädlichste Form ionisierender Strahlung, die es überhaupt gibt. Da Uran 238 aber in Thorium und Protactinium zerfällt, und bei deren Zerfall sowohl Beta- als auch Gamma-Strahlung freigesetzt werden, wird die Strahlenbelastung durch diese weiter erhöht. Darum müssen die Uranpartikel als eine dynamische Mischung radioaktiver Isotope betrachtet werden. Innerhalb des menschlichen Körpers ist die Alpha-Strahlung unglaublich zerstörerisch. Man schätzt, dass die Chromosomenschäden durch AlphaStrahlen 100mal grösser sind, als diejenigen, welche von der entsprechenden Menge anderer Strahlungsarten verursacht werden. Die schweren, stark geladenen Partikel können Löcher in die DNA reissen und einen Strom freier Radikaler nach sich ziehen, die die fein aufeinander abgestimmten zellulären Prozesse massiv stören oder unterbrechen. An einem einzigen Tag setzt ein Mikrogramm (ein Millionstel eines Gramms!) abgereichertes Uran nahezu 1000 Alpha-Partikel frei. Jedes Partikel hat eine Energie von mehr als 4 Millionen Elektronenvolt. Diese wirken direkt auf das Organ oder Gewebe, in dem sich das Uranteilchen eingelagert hat. Es braucht nur 6 bis 10 Elektronenvolt, um einen DNA-Strang in einer Zelle zu zerbrechen, und der Wirkungsbereich einer Strahlungsquelle hat einen Radius von 7 bis 20 Zellen.4 Neue Erkenntnisse über Wirkungen von internen Strahlungsquellen verdeutlichen die Gesundheitsrisiken, wenn ein Organismus innerer AlphaStrahlung ausgesetzt wird.5 Dazu gehört der «Bystander»-Effekt, das heisst, dass auch Zellen, die an diejenigen angrenzen, die von den Alpha-Partikeln getroffen wurden, Zeichen von Strahlenschäden aufweisen. Auch wird eine erhöhte Instabilität des Erbguts sichtbar, insofern die Zellnachkommen von strahlengeschädigten Zellen – nicht nur bei hohen Strahlendosen, sondern bei jedem Dosisniveau – ihrerseits grössere Mutationsraten aufweisen: ein Vorbote für späteres Krebswachstum. Ionisierende Strahlung ist beim Menschen ein krebsauslösender Faktor unabhängig von der Höhe der Dosis. Es gibt keine Schwellenwertdosis, und jedes einzelne Alpha-Teilchen kann einen irreparablen genetischen Schaden hervorrufen. Die gesundheitlichen Auswirkungen von Uran: 2. Die chemische Giftigkeit Im Jahre 1940 begann die Erforschung der chemischen Toxizität von Uran. Seither hat sich herausgestellt, dass – ebenso wie bei vielen anderen Schwermetallen, z. B. Blei, Chrom, Nickel und Quecksilber – gerade auch durch den Kontakt mit Uran Gesundheitsschäden hervorgerufen werden können. Während viele Studien zunächst nur die Möglichkeit von Nierenschäden untersucht haben, haben seit 1991 – ausgelöst durch die Sorgen wegen der Uranmunition – Dutzende von Beiträgen andere weit beunruhigendere Gesundheitsschäden aufgezeigt, die durch die Toxizität der Uranmunition verursacht werden können. Wiederholte Studien an Zellen und Tieren haben Dossier Uranwaffen 45 Zeit-Fragen 2007 den Nachweis erbracht, dass Uran ein Nierengift, ein Nervengift und ein Immungift ist sowie Mutationen, Krebs und Missbildungen beim werdenden Kind hervorrufen kann. Wenn man den Uranstaub, der aus der explosionsartigen Verbrennung der Munition entsteht, mit dem Uran vergleicht, wie es in der Natur vorkommt, dann ist der Uranstaub eine konzentrierte Form von Uran, die sehr viel leichter vom Organismus aufgenommen wird als natürlich vorkommendes Uran. Bei jüngsten Studien mit Hamstern konnte gezeigt werden, dass sich Uran an die DNA-Stränge bindet, wo es durch die Erzeugung freier Radikale oxidative Schäden verursacht,6 und bei Studien mit Ratten konnte gezeigt werden, dass es die weissen Blutkörperchen irreparabel schädigt und die Gen expression (Proteinsynthese) verändert.7 Solche und weitere Befunde legen nahe, dass das nach dem Einsatz von Uranwaffen zurückbleibende Uran nicht nur hochgiftig ist, sondern dass darüber hinaus seine Giftigkeit und seine Radioaktivität zusammenwirken und synergetische Effekte8 erzeugen können, das heisst, dass sich die Wirkungen gegenseitig verstärken und auf diese Weise die Schäden in den Zellstrukturen und bei den Zellmechanismen vergrössern können – was schliesslich in Tumoren oder einer ganzen Reihe anderer, den ganzen Körper betreffende Krankheitssymptome zum Ausdruck kommt. Die Internationale Kommission für Strahlenschutz (ICRP) Die ICRP ist ein undemokratisches, sich selbst erhaltendes Gremium, das an Regierungen und supranationale Institutionen Empfehlungen zum Strahlenschutz herausgibt. Sie entscheidet politisch zwischen der Höhe der vom Körper aufgenommenen Strahlung und dem, was für die Gesellschaft von Nutzen ist; ein Job, den – so sollte man meinen – sie besser den Politikern überlassen würde. Während die Mitglieder dieser Organisation zwar auf dem Gebiet der Strahlenphysik kompetent erscheinen, wurde jedoch Kritik laut, dass sie auf dem Gebiet der Strahlenbiologie bedeutend weniger gut sind. Die ICRP verwendet Daten der Atomexplosionen von Hiroshima und Nagasaki, um Strahlendosen und Strahlenexpositionen abzuschätzen. Die japanischen Bombenopfer waren einer plötzlichen Explosion mit von aussen einwirkender Gamma- und Beta-Strahlung ausgesetzt. Wie aufgezeigt wurde, führt eine langanhaltende Kontamination der Umwelt durch DU, respektive Uranwaffen zu einer chronischen körperinneren Strahlenbelastung durch Alpha-Strahlen, und dieser Sachverhalt macht die auf den ganzen Körper und ganze Organe bezogenen Strahlendosisraten der ICRP ziemlich irrelevant. Darüber hinaus sind diese Dosisschätzungen auf den «durchschnittlichen Menschen» bezogen und lassen die Tatsache ausser acht, dass kleine Kinder und schwangere Frauen einem viel grösseren Risiko durch ionisierende Stahlung ausgesetzt sind. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2001 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation einen Bericht, in dem behauptet wurde, dass die Belastung durch die Uranmunition ausser unter ganz besonderen Umständen keinerlei Anlass zur Sorge um die öffentliche Gesundheit böte.9 In der Folge wurde bekannt, dass wichtige Papiere des USVerteidigungsministeriums über die genetische Toxizität der Uranmunition aus dem Bericht herausgenommen worden waren. Dr. Keith Baverstock, der in der Strahlenschutzabteilung der WHO arbeitete, glaubt, dass Druck von höchster Ebene ausgeübt wurde, um diese Forschungsergebnisse zu übergehen.10 Es ist offensichtlich, dass die WHO nur so stark ist, wie die Mitgliedstaaten, die sie Dossier Uranwaffen 46 Zeit-Fragen 2007 finanzieren, es ihr erlauben. Die Quelle weiterer Verwirrung ist ihre Beziehung zu den Schwester organisationen wie zur Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), deren Ziel es ist, den Einsatz atomarer Energie zu fördern. Der Bericht der WHO verwendete dieselben ICRP-Modelle, die nachweislich nicht in der Lage sind, die Effekte interner radioaktiver Strahlungsquellen richtig darzustellen. Das Radiobiologische Institut der US-Streitkräfte (AFFRI) Zwischen 2000 und 2003 stand Dr. Alexandra Miller an der Spitze der von der US-Regierung finanzierten Forschung zur chemischen Toxizität und Radioaktivität von Uran. Nachdem sie mehrere von Fachkollegen überprüfte Berichte herausgegeben hatte, in denen sie besorgniserregende Beziehungen zwischen Uran und gesundheitlichen Problemen festgestellt hatte, wurde die Finanzierung ihrer Forschung gestoppt. Sie und ihre Kollegen hatten zum ersten Mal nachgewiesen, dass in den Körper aufgenommene Uranoxide «eine beträchtliche Erhöhung von DNA-Veränderungen bei Zellen im Bereich der Harnwege zur Folge haben können», dass sie menschliche Zellen in Zellen umwandeln können, die bei Mäusen mit unterdrückter Immunreaktion Krebstumore hervorrufen können, und dass abgereichertes Uran in der Lage ist, DNA-Schäden zu verursachen, obwohl keine bedeutenden radioaktiven Zerfallsprozesse stattfinden, das heisst allein schon durch seine chemische Giftigkeit. Dass ihre Forschung unterdrückt wurde, ist typisch für die Geheimhaltung, die in der Debatte um die Uranwaffen vorherrscht. Zum rechtlichen Status der Uranwaffen Obwohl bisher kein spezielles Abkommen in Kraft ist, das die Verwendung von Uranwaffen ausdrücklich verbietet, ist es klar, dass der Einsatz von Uranwaffen den grundlegenden Regelungen und Prinzipien zuwiderläuft, die im verfassten und gewohnheitsrechtlichen Humanitären Völkerrecht niedergelegt sind. Diese beziehen sich auf: den allgemeinen Grundsatz, die Zivilbevölkerung vor den Folgen von Feindseligkeiten zu schützen; den Grundsatz, dass die Kriegsparteien kein unbeschränktes Recht haben, ihre Methoden und Mittel der Kriegsführung frei zu wählen; das Prinzip, dass die Anwendung von Waffen, Geschossen sowie Kriegsmaterial und Arten der Kriegsführung in bewaffneten Konflikten, die dazu geeignet sind, vermeidbare Verletzungen oder unnötiges Leiden zu verursachen, verboten ist; das gemäss Artikel 23, Paragraph 1 der Haager Landkriegsordnung und den Bestimmungen des Genfer Giftgasprotokolls bestehende Verbot, Giftwaffen anzuwenden; das Verbot, der natürlichen Umwelt ausgedehnte Schäden zuzufügen sowie sinnlose Zerstörung zu verursachen, gemäss den Haager Konventionen und dem ersten Zusatzprotokoll der Genfer Konventionen; das Prinzip der «humanitären Verhältnismässigkeit», das in der St. Petersburger Erklärung enthalten ist. Zusätzlich basieren das Humanitäre Recht und das Umweltrecht auf den Grundprinzipien der Vorsicht und der Verhältnismässigkeit, denen die Staaten allermindestens folgen sollten. Zwei Beschlüsse der Subkommission der UNMenschenrechtskommission (1996/16 und 1997/36) setzen fest, dass die Verwendung von Uranmunition nicht mit dem bestehenden Völkerrecht und den Menschenrechten vereinbar ist.11 Weltweit wächst die Unterstützung für ein Abkommen zur Ächtung von Uranwaffen. Im Jahr 2006 hat das Europäische Parlament seine drei früheren Aufrufe für ein Moratorium dadurch bekräftigt, dass es zur Einführung eines Dossier Uranwaffen 47 Zeit-Fragen 2007 totalen Verbots aufrief, in dem Uranwaffen zusammen mit weissem Phosphor als inhuman eingestuft wurden.12 In der Zwischenzeit arbeiten einzelne Staaten wie Belgien an ihrem eigenen nationalen Recht, um Uranwaffen zu verbieten.13 In den Vereinigten Staaten hat die zunehmende Sorge um die gesundheitlichen Folgen von Uranmunition einzelne Bundesstaaten dazu veranlasst, Testverfahren für heimkehrende Soldaten einzuführen.14 ICBUW – Die Internationale Koalition für ein Verbot von Uranwaffen Mit über 80 Mitgliedorganisationen weltweit bietet die ICBUW die bisher beste Möglichkeit, um ein globales Anwendungsverbot von allen Arten von Uranwaffen zu erreichen. Obwohl die Verwendung von Waffen, die Uran enthalten, bereits gemäss dem Humanitären Völkerrecht, den Menschenrechten und den Umweltschutzabkommen verboten sind, hat sich, wie man bei den chemischen und biologischen Waffen und bei den Landminen gesehen hat, ein explizites Abkommen als die beste Lösung erwiesen, um ihre Illegalität zu bekräftigen. Ein solches Abkommen würde nicht nur die Verwendung von Uranwaffen ächten, sondern auch das Verbot ihrer Herstellung, die Vernichtung der Lagerbestände, die Dekontaminierung der Schlachtfelder sowie Bestimmungen für die Entschädigung der Opfer einschliessen. Die ICBUW hat einen Vertragsentwurf für eine solche Konvention vorbereitet.15 Unser Konventionsentwurf enthält ein generelles und umfassendes Verbot von Entwicklung, Herstellung, Transport, Lagerung, Besitz, Übertragung und Einsatz von Uranmunition, Uranpanzerungen und jeglicher weiteren militärischen Nutzung von Uran. Die Konvention formuliert auch Verpflichtungen, die die Abschaffung von Uranwaffen und den Abbau der Einrichtungen zur Uranwaffenherstellung betreffen. Zusätzlich werden die Staaten verpflichtet, eine rasche Dekontaminierung von radioaktiven Schlachtfeldern und Testgeländen sicherzustellen, unter besonderer Berücksichtigung des Schutzes und der Unterstützung für die Zivilbevölkerung, die in diesen Gebieten lebt. Schliess lich verpflichtet die Konvention die Staaten, die Opfer zu entschädigen. Mit der Verbreitung eines Konventionsentwurfs für eine Ächtung von Uranwaffen folgt die ICBUW dem erfolgreichen Beispiel der internationalen Kampagne zur Ächtung von Landminen. Die Mitgliedsorganisationen der ICBUW betreiben Lobbyarbeit auf nationaler Ebene, während die ICBUW selbst mit den überstaatlichen Institutionen wie dem Europäischen Parlament und den Vereinten Nationen zusammenarbeitet. Unsere Arbeit wird von Euromil, der Europäischen Organisation der Militärverbände, unterstützt.16 Wo Aggressorstaaten es ablehnen, die Auswirkungen von Uranmunition auf die Zivilbevölkerung zu untersuchen, und sie die Verantwortung auf die schwachen und anderweitig belasteten Nachkriegsregierungen abschieben, unterstützt die ICBUW unabhängige Forschungsvorhaben über die Auswirkungen der Uranmunition. Zwei solche Projekte sind die Basra- Epidemiologiestudie und das Projekt zur Untersuchung von Milchzähnen irakischer Kinder.17 Das erste Projekt versucht zum ersten Mal, das Ausmass der Krebsepidemie in der Region Basra im Südirak unter sorgfältiger Durchsicht der Meldungen zu Krebsfällen vor und nach 1991 klar zu bestimmen. Zu lang haben die Regierungen der USA und Grossbritanniens versucht, die Berichte über ansteigende Krebsraten als «Propaganda der Baath-Partei» abzutun. Zur gleichen Zeit zielt das irakische Milchzahn-Projekt darauf ab, Milchzähne von Kindern auf Uran-Isotope hin zu Dossier Uranwaffen 48 Zeit-Fragen 2007 analysieren, um so das geographische und zeitliche Ausmass der Uranverschmutzung im Irak zu bestimmen. Sie können für beide Projekte spenden, Informationen dazu finden Sie im Internet unter: www.icbuw.org. Es besteht ein wachsender Konsens unter zivilen Vereinigungen, Wissenschaftern und verschiedenen Militärorganisationen, dass die Gesundheitsrisiken durch Uranmunition schwerwiegend unterschätzt wurden. Die etablierten wissenschaftlichen Institutionen haben nur langsam auf den reichen Fundus neuer Forschungen über Uranmunition reagiert, und die politisch Verantwortlichen haben sich damit begnügt, die Forderungen von Wissenschaftern und engagierten Bürgern zu ignorieren. Absichtliche Vernebelung seitens der Minen-, Nuklear- und Waffenindustrie hat darüber hinaus die Bestrebungen erschwert, das Problem zu erkennen und ein Verbot zu erreichen. Ein Prozess für ein eigenständiges Abkommen neben der Konvention über gewisse konventionelle Waffen (CCW-Konvention) ist der beste Weg, um den weiteren Einsatz und die weitere Verbreitung dieser unterschiedslos wirkenden Waffen zu verhindern. Wie in den Genfer Konventionen verankert, sind die Methoden und Mittel der Kriegsführung nicht unbeschränkt. Wir dürfen nicht zulassen, dass ein kurzfristiger militärischer Vorteil, wie er durch Uran waffen behauptet wird, unsere Verantwortung für das langfristige Wohl der Menschen und unseren Planeten ausser Kraft setzt. Ideen für Aktionen • Schreiben Sie Ihrem Abgeordneten oder Verteidigungsminister über Ihre Besorgnis. • Nehmen Sie Kontakt mit der ICBUW auf, um weitere Informationen zu erhalten. • Organisieren Sie eine Veranstaltung, um Spenden für die Unterstützung der ICBUW zu sammeln. • Unterstützen Sie die unabhängige Forschung zu den Auswirkungen der Uranmunition, Internet: www.icbuw.org • Unterzeichnen Sie im Internet die Petition für eine internationale Ächtung der Uranmunition: www.icbuw.org • Werden Sie Mitglied der ICBUW. Verweise 1. BAE CSR statement: www.baesystems.om/corporateresponsibility/2003/stakeholders/index1.htm 2. Leaked US Army transport letter: www.bandepleteduranium.org/en/a/113.html 3. United Nations Environment Programme Recommends Precautionary Action Regarding Depleted Uranium In Kosovo UNEP press release, March 2001. tinyurl.com/26pfck 4. Bertell, Dr R: Depleted Uranium: All the Questions About DU and Gulf War Syndrome Are Not Yet Answered. International Journal of Health Services, Volume 36, Number 3 / 2006. 5. Committee Examining Radiation Risks of International Emitters (CERRIE), Final Report, www.cerrie.org, sponsored by the UK Dept. of Health and DEFRA. 6. Uranyl acetate induces hprt mutations and uranium-DNA adducts in Chinese hamster ovaries. Stearns et al. Mutagenis 2005; 20: 417-423 7. Short-term effects of depleted uranium on immune status in rat intestine. Dublineau I et al, Journal of Toxicology and Environmental Health. 2006 Sep; 69(17): 1613-28 8. Presentation of European Parliament by Dr Keith Baverstock, formerly of the WHO, Full text: www.bandepleteduranium.org/en/a/24.html 9. WHO Guidance on Exposure to Depleted Uranium For Medical Officers and Dossier Uranwaffen 49 Zeit-Fragen 2007 Programme Administrators. tinyurl.com/aegbx 10. Interview, BBC Radio 4 Today Program, Nov 2006. tinyurl.com/2do8yw 11. UNHCHR resolutions: 1996: tinyurl.com/yqn5qv, 1997:http://tinyurl.com/ypjn75 12. European Parliament Makes Fourth Call for DU Ban: www.bandepleteduranium.org/en/a/89.html 13. Report on the Hearing in the Belgian Parliament organised by the Commission on Defense of the Chamber of Representatives 20 November 2006. www.bandepleteduranium.org/en/a/88.html 14. US Bill Requiring DU Health Studies Passed by House of Representatives June 2006, www.bandepleteduranium.org/en/a/51.html 15. Draft Convention on the prohibition of development, production, stockpiling, transfer and use of uranium weapons and on their destruction. www.bandepleteduranium.org/en/a/2.html 16. EUROMIL – The European Military Union Call For Global DU Ban, www.bandepleteduranium.org/en/a/110.html 17. Basra Epidemiological Study and Iraqi Children’s Tooth Project, www.bandepleteduranium.org/en/i/42.html Kontakt: ICBUW (internationales Büro), Bridge 5 Mill, 22a Beswick Street, Ancoats, Manchester, United Kingdom, M4 7HR Tel: +44 (0)161 273 8293/8283 Fax: +44 (0) 161 273 8293 E-Mail: [email protected] Web: www.bandepleteduranium.org Hergestellt und verteilt durch die ICBUW, Illustrationen von James Mayall, www.drjimble.co.uk Übersetzung Zeit-Fragen. Internationale Petition für ein Verbot von Uranwaffen Uranwaffen, oft auch als «Depleted Uranium» (DU)-Waffen bezeichnet, werden aus radioaktiven Abfallmaterialien hergestellt, die während des Kernbrennstoff-Kreislaufes und bei der Herstellung von Nuklearwaffen anfallen. Sie verursachen eine weitreichende und lang anhaltende radioaktive Verseuchung der Umwelt. Diese Waffensysteme sind auf Grund ihrer radioaktiven und chemischen Eigenschaften giftig. Viele Menschen – unschuldige Zivilisten, besonders Kinder, Kriegsveteranen und Industriearbeiter – haben Krankheiten und Gesundheitsprobleme, die auf die Belastung durch abgereichertes Uran (DU) zurückgeführt werden können. Aus Gebieten, wie zum Beispiel aus dem Süden des Irak, wo die USA und Grossbritannien Uranmunition eingesetzt haben, kommen Berichte über Zunahmen von Krebserkrankungen, Leukämie und Geburtsschäden. Mindestens 18 Länder besitzen diese Waffen, deren Einsatz mit dem bestehenden Humanitärem Völkerrecht nicht vereinbar ist. Wir müssen unsere Regierungen und die Vereinten Nationen wissen lassen, dass diese Waffen keinen Platz in einer humanen und sozialen Welt haben. Wir rufen Sie auf, diese Forderungen zu unterstützen: 1. Einen sofortigen Stopp des Einsatzes von Uranwaffen Dossier Uranwaffen 50 Zeit-Fragen 2007 2. Offenlegung aller Orte, an denen Uranwaffen eingesetzt wurden, und sofortige Beseitigung der Überreste und der kontaminierten Materialien aus diesen Gebieten unter strikter Kontrolle 3. Gesundheitserhebungen bei den Opfern von Uranwaffen und Umweltuntersuchungen in den betroffenen Gebieten 4. Medizinische Behandlung und Entschädigung der Opfer von Uranwaffen 5. Eine Beendigung von Entwicklung, Produktion, Lagerung, Tests und Handel mit Uranwaffen 6. Eine Konvention für ein totales Verbot von Uranwaffen Sie können die Petition im Internet online unterzeichnen unter: www.bandepleteduranium.org, «Sign the petition» oder sie einsenden an: ICBUW, Bridge 5 Mill, 22a Beswick Street, Ancoats, Manchester, United Kingdom, M4 7HR Name Stadt/Land Unterschrift Datum Den Entwurf für eine Konvention* finden Sie in englischer Sprache auf der ICBUW-Website: www.bandepleteduranium.org/en/i/13.html *Zeit-Fragen wird den Entwurf zu einer Konvention für ein totales Verbot von Uranwaffen demnächst in deutscher Sprache zugänglich machen. Dossier Uranwaffen 51 Zeit-Fragen 2007 Nr.15, 17. April 2007, Seite 1,2 Iran – Die Gefahr eines Atomkriegs von Leonid Iwaschow* zf. Der Aufruf des ehemaligen Vize-General stabschefs der russischen Armeen ist ein eindringlicher Appell an die Vernunft – ein Appell an den Willen, uns und unseren Kindern und den Völkern dieser Erde eine lebenswerte Welt erhalten zu wollen. Die darin dargelegten geopolitischen Analysen sind nicht überraschend, sie sind in den Hauptstädten der Welt bekannt. Aber wo bleibt die Stimme Europas, wo bleiben die Stimmen der sogenannten europäischen Intellektuellen? Der politisch Verantwortlichen? Warum geben sie den Menschen und ihrem Wunsch nach Frieden keine Stimme? Es ist beschämend und alarmierend zugleich, dass heute nicht Dichter und Denker, Staatsmänner oder -frauen, sondern Generäle diese Aufgabe übernehmen müssen. Die Analyse der derzeitigen Situation im Konflikt mit Iran zeigt, dass die Welt mit der Möglichkeit des Ausbruchs eines neuen Kriegs […] konfrontiert ist. Die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Alliierten haben mit der psychologischen Vorbereitung der Weltöffentlichkeit auf die Möglichkeit des Einsatzes taktischer nuklearer Waffen zur Lösung des «Problems Iran» begonnen. Die Propagandamaschine der Vereinigten Staaten von Amerika leistet Schwerarbeit, um den Eindruck zu erwecken, dass ein «chirurgisch präziser» Gebrauch der Nuklearwaffe mit nur begrenzten Folgen möglich sei. Seit den Atombombenangriffen der Vereinigten Staaten von Amerika gegen Hiroshima und Nagasaki ist allerdings bekannt, dass das nicht stimmt. Nach dem ersten Atomschlag wird es völlig unmöglich sein, den Einsatz von Massenvernichtungswaffen jeglicher Art zu verhindern. Wenn die massenhafte Vernichtung ihrer Nationen auf dem Spiel steht, werden die am Konflikt beteiligten Parteien ohne Einschränkung alles einsetzen, was ihnen zur Verfügung steht. Deshalb werden nicht nur die nuklearen Arsenale verschiedener Länder einschliesslich derer, die offiziell keine haben, ins Spiel kommen. Ohne Zweifel werden chemische und biologische Waffen (und generell giftige Substanzen jeder Art) benutzt werden, die unter minimalen industriellen und wirtschaftlichen Voraussetzungen produziert werden können. Man kann davon ausgehen, dass zurzeit Frieden und Menschheit in grosser Gefahr schweben. Bedenken Sie den militärisch-technischen Aspekt der Situation. Die von den Vereinigten Staaten von Amerika dargelegten operativen Ziele – die Zerstörung von rund 1500 Zielen auf iranischem Territorium – können von den schon bereitstehenden Kräften nicht bewältigt werden. Das Ziel kann nur erreicht werden, wenn taktische Atomwaffen zum Einsatz kommen. Drei Atombomben Israels gegen Iran Eine Überprüfung des militärisch-politischen Aspekts der Angelegenheit bringt noch mehr bedeutsame Tatsachen ans Licht. Die Pläne für den Angriff auf Iran sehen keine Bodenoffensive vor. Schläge gegen ausgewählte militärische und industrielle Einrichtungen können dem iranischen Verteidigungs potential und Dossier Uranwaffen 52 Zeit-Fragen 2007 der Wirtschaft schweren Schaden zufügen. Die Zahl der Todesopfer wird wahrscheinlich beträchtlich sein, aber vom militärischen Standpunkt betrachtet nicht katastrophal. Gleichzeitig ist es unmöglich, ein Land von der Grösse Irans ohne Bodenoperation unter Kontrolle zu bekommen. Die geplante Offensive wird nicht nur die Konsolidierung der Kräfte in Iran zur Folge haben, sondern auch in anderen islamischen Ländern und in der Öffentlichkeit auf der ganzen Welt. Die Unterstützung für das von der Aggression der Vereinigten Staaten von Amerika und Israels getroffene Land wird rapid ansteigen. Sicher ist sich Washington dessen bewusst, dass das Ergebnis nicht die Stärkung, sondern die Schwächung der Positionen der Vereinigten Staaten von Amerika in der Welt sein wird. Infolgedessen muss das Ziel des Angriffs der Vereinigten Staaten von Amerika gegen Iran in einem anderen Licht gesehen werden. Der nukleare Angriff muss die Wirksamkeit nuklearer Erpressung in der Weltpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika verstärken und die Weltordnung von Grund auf wandeln. Weitere Beweise für die Radikalisierung der Absichten der Vereinigten Staaten von Amerika und ihrer Alliierten liegen vor. Die Anfang 2007 durchgesickerten Meldungen über israelische Pläne für den Einsatz von drei Atomwaffen gegen den Iran waren sehr gefährlich für ein Land in einer feindlichen Umgebung, sind aber offensichtlich mit Absicht verbreitet worden. Sie bedeuteten, dass die Entscheidung über den Charakter der Aktivitäten Israels bereits gefällt worden war und dass es nur mehr darum ging, die öffentliche Meinung entsprechend zu beeinflussen. Der Vorwand für den Überfall auf Iran erscheint keineswegs seriös. Vom technischen wie vom politischen Standpunkt aus beurteilt ist es unmöglich, dass dieses Land in nächster Zukunft Nuklearwaffen entwickelt. Man muss sich in Erinnerung rufen, dass Behauptungen, dass der Irak Massenvernichtungswaffen besitze, von den Vereinigten Staaten von Amerika als Vorwand für den Krieg gegen dieses Land benutzt worden sind. In der Folge wurde der Irak verwüstet, und die Todesrate bei den Zivilisten stieg in die Hunderttausende, aber kein Beweis für diese Behauptungen wurde je entdeckt. Die wirklich wichtige Frage ist nicht, ob Iran Atomwaffen herstellen kann. Die einzige Funktion eines kleinen Bestandes von nuklearen Waffen, die nicht durch verschiedene Formen von Unterstützungssystemen getragen werden, ist die Abschreckung. Die Drohung eines Vergeltungsschlages kann jeden Aggressor stoppen. Um andere Länder anzugreifen oder gar einen Atomkrieg gegen eine Koalition grösserer Mächte zu gewinnen, bräuchte man ein Potential, das Iran weder hat noch in absehbarer Zukunft haben wird. Die Behauptungen, Iran könne zum nuklearen Aggressor werden, sind absurd. Jeder, der auch nur die leiseste Ahnung von militärischen Angelegenheiten hat, muss das verstehen. Krieg, um Dollarzusammenbruch abzuwenden Was ist der wirkliche Grund für die Vereinigten Staaten von Amerika, diesen militäri-schen Konflikt zu entfesseln? Handlungen mit Auswirkungen in globalem Ausmass können nur auf die Lösung eines globalen Problems abzielen. Dieses Problem ist keineswegs ein Geheimnis – es handelt sich um die Möglichkeit eines Zusammenbruchs des globalen Finanzsystems auf der Grundlage des US-Dollars. Zurzeit übersteigt die Geldmenge der US-Währung den totalen Wert der US-Vermögenswerte um mehr als das Zehnfache. Alles in den Vereinigten Staaten von Amerika – Industrie, Ge-bäude, Hightechanlagen usw. – ist weltweit um über das Dossier Uranwaffen 53 Zeit-Fragen 2007 Zehnfache hypothekarisch belastet. Eine Schuldenlast in diesem Ausmass wird niemals zurückbezahlt – sie kann nur nachgelassen werden. Die Dollarbeträge auf den Konten von Einzelpersonen, Organisationen und Staatsfinanzen sind eine virtuelle Realität. Diese Guthaben sind nicht abgedeckt durch Produkte, Werte oder irgend etwas, das real existiert. Die Abschreibung dieser Verschuldung der Vereinigten Staaten von Amerika an den Rest der Welt würde die Mehrheit ihrer Bevölkerung in betrogene Anleger verwandeln. Das wäre das Ende der wohletablierten Herrschaft des Goldenen Kalbs. Die Bedeutung der kommenden Ereignisse ist wahrlich episch. Aus diesem Grund ignoriert der Aggressor die weltweit katastrophalen Folgen seiner Offensive. Die bankrotten «globalen Banker» brauchen einen Gewaltakt globalen Ausmasses, um aus dieser Situation herauszukommen. Die Lösung ist bereits in den Plänen zu finden. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben dem Rest der Welt nichts anzubieten, um den sinkenden Dollar zu retten, als militärische Operationen wie die im ehemaligen Jugoslawien, Afghanistan und im Irak. Aber diese lokalen Konflikte erzielen nur kurzfristige Wirkung. Etwas viel Grösseres wird gebraucht, und der Bedarf ist dringend. Der Augenblick kommt näher, in dem die Finanzkrise der Welt klar machen wird, dass alle Vermögenswerte der Vereinigten Staaten von Amerika, alle industriellen, technologischen und anderen Potentiale diesem Land nicht rechtmässig gehören. Dann muss das alles beschlagnahmt werden, um die Opfer zu entschädigen, und die Besitzrechte von allem, was auf der ganzen Welt für Dollars gekauft worden ist – alles aus dem Eigentum verschiedener Nationen entnommen –, müssen revidiert werden. Wohnraum für israelische Bürger in Russland? Was könnte den Gewaltakt im erforderlichen Ausmass verursachen? Alles scheint darauf hinzudeuten, dass Israel geopfert werden wird. Seine Beteiligung an einem Krieg mit Iran – insbesondere an einem Atomkrieg – muss unweigerlich eine globale Katastrophe auslösen. Beide Staaten – Israel und Iran – stehen auf der Grundlage der jeweiligen offiziellen Religion. Ein militärischer Konflikt zwischen Israel und Iran wird sich sofort zu einem religiösen entwickeln, einen Konflikt zwischen Judentum und Islam. Die Anwesenheit zahlreicher jüdischer und islamischer Bevölkerungsgruppen in den entwickelten Ländern würde unweigerlich zu einem weltweiten Blutbad führen. Alle aktiven Kräfte in den meisten Ländern würden sich gegenseitig bekämpfen, für Neutralität bliebe kaum noch Raum. Nach zunehmend massiven Beschaffungen von Wohnraum für israelische Bürger besonders in Russland und der Ukraine haben bereits viele Menschen bestimmte Vorstellungen von dem, was kommen wird. Es ist jedenfalls schwer, sich einen sicheren Platz vorzustellen, an dem man sich vor dem kommenden Verhängnis verstecken könnte. Prognosen über territoriale Verteilung der Kämpfe, Ausmass und Effizienz der verwendeten Waffen, tieferliegenden Charakter der dem Konflikt zugrundeliegenden Wurzeln und Härte der religiös motivierten Kämpfe lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass dieser Konflikt in jeder Beziehung ein schlimmerer Alptraum sein wird als der Zweite Weltkrieg. Bis jetzt geben die Reaktionen der bedeutenderen politischen Führer auf diese Entwicklungen keinerlei Anlass zu Optimismus. Die inkonsequenten UnoResolutionen betreffend Iran, die Versuche, den Aggressor, der seine Absichten nicht länger verheimlicht, zu besänftigen, erinnern an das Münchner Abkommen am Vorabend des Zweiten Weltkriegs. Die rege Reisediplomatie, die sich um alle möglichen internationalen Probleme dreht – ausgenommen das Dossier Uranwaffen 54 Zeit-Fragen 2007 oben beschriebene Hauptproblem –, weist ebenfalls auf den Ernst der Lage hin. Es ist eine übliche Gepflogenheit vor dem Ausbruch eines Krieges, sich um Allianzen mit nicht beteiligten Ländern zu kümmern oder sich deren neutraler Haltung zu versichern. Diese Politik versucht, die Erstschläge zu vermeiden oder abzumildern, die am unverhofftesten kommen und die grösste Zerstörungen zur Folge haben. USA und Israel isolieren Ist es möglich, das Blutbad zu vermeiden? Das einzige wirksame Argument, das die Aggressoren stoppen könnte, ist die Dro-hung mit ihrer totalen weltweiten Isolation für ihre Entfesselung eines Atomkriegs. Die Durchführung des oben geschilderten Szenarios kann unmöglich gemacht werden durch das völlige Fehlen von Verbündeten des Tandems Vereinigte Staaten von Amerika – Israel in Verbindung mit deutlichen öffentlichen Protesten in den Ländern. Aus diesem Grund wäre in diesen Tagen eine eindeutige und kompromisslose Haltung von führenden Politikern, Regierungen, öffentlichen Vertretern, religiösen Führern, Wissenschaftern und Künstlern in Hinblick auf den vorbereiteten nuklearen Angriff ein Dienst an der Menschheit von unschätzbarem Wert. Die koordinierten öffentlichen Aktivitäten müssen entsprechend dem Stand der Kriegsvorbereitungen unverzüglich organisiert werden. Die aggressiven Kräfte sind bereits aufmarschiert und stehen in voller Kampfbereitschaft in ihren Startpositionen. Das Militär der Vereinigten Staaten von Amerika macht kein Geheimnis daraus, dass es sich um eine Angelegenheit von Wochen oder gar Tagen handeln kann. Es gibt indirekte Hinweise, dass die Vereinigten Staaten von Amerika bereits im April 2007 einen nuklearen Angriff gegen Iran entfesseln werden. Nach der ersten atomaren Explosion wird die Menschheit sich in einer gänzlich neuen Welt finden, in einer absolut inhumanen. Alle Chancen, das zu verhindern, müssen vollständig genützt werden! • Originalartikel unter: en.fondsk.ru/article.php Übersetzung: Nick Mader, 4.4.2007 *General Leonid Ivashov ist Vize-Präsident der Akademie für geopolitische Probleme. Er war Chef der Abteilung für Allgemeine Angelegenheiten im Verteidigungsministerium der Sowjet union, Sekretär des Rates der Verteidigungsminister der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), Chef des Departements für militärische Zusammenarbeit beim Verteidigungsministerium der Russischen Föderation und Vize-General stabschef der russischen Armeen. Nr. 17, 30. April 2007, Seite 5,6 Serbien – 8 Jahre nach dem Krieg der Nato von Barbara Hug Eindrücke zu sammeln in einem kleinen Land auf dem Balkan, das einige Jahre nach dem kalten Krieg schamlos von denen vernichtet wurde, die den Osten stets als Feind darstellten und ihm aggressive Angriffspläne unterstellten – das war das Bestreben unserer Reise. Wir sprachen mit Menschen in Belgrad, in Nis und auf dem Land. Wie war das eigentlich mit dem Krieg? Wie geht es heute? Dossier Uranwaffen 55 Zeit-Fragen 2007 Warum der Krieg damals? Warum die Tonnen abgereicherten Urans? Warum die Kassettenbomben (Cluster-Bomben)? Noch heute stehen die zerbombten Hochhäuser als Ruinen im Zentrum von Belgrad, zum Beispiel das Verteidigungsministerium, eine Ruine, gegenüber dem Aussenministerium, das wieder instand gesetzt wurde. Noch stehen die zerbombten Wohnhäuser in Nis inmitten der Stadt. Noch immer findet man die nicht explodierten Kassettenbomben auf einem Schulhausdach. Noch heute stirbt der Bauer an den Bomben in seinem Feld. Die Krankenhäuser sind voll von Menschen, die einige Jahre nach dem Krieg an Krebs erkrankt sind. Die Statistik zeigt einen steilen Anstieg an, wie die Epidemiologin Natascha Lukic vom onkologischen Zentrum in Nis erklärt (vgl. Artikel auf Seite 8). In Kosovo sei die Krebsrate noch höher. Darüber werde geschwiegen. Ob die Nahrungskette von der Uranmunition tangiert sei? Natürlich wurde diese Frage akut. Drei Versuche, ein Gremium zu schaffen, das diese untersuchen sollte, scheiterten. In wessen Interesse muss ten diese Gremien scheitern? Nato-Waffenexperimente Die Nato bombardierte zielgenau – Infrastruktur, Fernsehstationen, Fabriken, Elektrizitätswerke, Brücken, die Eisenbahn und die Flüchtlingskolonnen. Aufgeführt sind die exakten Daten der Bombardierung und ihre Ziele im «Yugoslav Daily Survey» vom 8. Juni 1999. Zudem habe ein eigentlicher Ökozid stattgefunden, so bei Vojin Joksimovich nachzulesen. (Nato Commits Ecocide in Serbia, Vortrag am Serbian Unity Congress, Sept. 1999, Cleveland/Ohio) Die Umwelt in Serbien ist kontaminiert, darüber sind sich alle unsere Gesprächspartner im klaren. Einig ist man sich auch, dass die Amerikaner hier Experimente mit neuen Waffen durchführten. So findet sich zum Beispiel keine schlüssige Erklärung für die Wahl eines zentralen Bombardierungsziels mit Uranmunition: im Süden, an der Wasserscheide von zwei Flüssen – warum dieses Ziel? Keine militärische Einrichtung, keine Stadt, keine Fabrik, nichts, was auf den ersten Blick von militärisch-strategischem Interesse gewesen sein könnte. Schätzungen zufolge wurden 15 Tonnen abgereichertes Uran in der Umgebung von Urosevac abgeworfen. Von hier aus fliessen die Flüsse ins Schwarze Meer und in die Ägäis. Wollte man diese Meere mit Uran verseuchen? Oder mit Plutonium? Niemand kann das Rätsel auflösen. Die Antwort kann nur von den Nato-«Partnern» gegeben werden. Tatsache ist, dass in Kosovo die jungen Männer sterben. In den Todesanzeigen wird jeweils die Wendung «nach kurzer schwerer Erkrankung» verwendet. Das heisst «an Krebs» gestorben. Zerstörung der Lebensgrundlagen Das nukleare Forschungszentrum Vinca hat einige Örtlichkeiten – rund um einige Bombenkrater – dekontaminiert, an denen die Verseuchung durch abgereichertes Uran sehr stark war. Die Erde wurde abgetragen und in Fässern nach Vinca gebracht, wo sie nun auf weitere Entsorgung wartet. Bis 2001 weidete das Vieh auf dem Gelände. Erst 2001 wurde ein Zaun gebaut. Aber die landwirtschaftlich genutzten Flächen von Serbien, die Wiesen für die Ziegen, Schafe und Kühe – deren Verseuchung ist nicht zu beseitigen. Das Umweltministerium scheint nicht gerne darüber zu informieren. Es gebe keine genauen Daten, jedenfalls keine offiziellen. «So findet sich zum Beispiel keine schlüssige Erklärung für die Wahl eines zentralen Bombardierungsziels mit Uranmunition: im Süden, an der Dossier Uranwaffen 56 Zeit-Fragen 2007 Wasserscheide von zwei Flüssen – warum dieses Ziel? Keine militärische Einrichtung, keine Stadt, keine Fabrik, nichts, was auf den ersten Blick von militärisch-strategischem Interesse gewesen sein könnte. Schätzungen zufolge wurden 15 Tonnen abgereichertes Uran in der Umgebung von Urosevac abgeworfen. Von hier aus fliessen die Flüsse ins Schwarze Meer und in die Ägäis. Wollte man diese Meere mit Uran verseuchen? Oder mit Plutonium?» Verständlich, wenn man bedenkt, dass das arme Serbien Einkünfte von der Ausfuhr seiner landwirtschaftlichen Produkte hat. Aus Bujanovac werden Kühe mit körperlichen Anomalien gemeldet, es scheint jedoch keine Zunahme an missgebildeten Kindern in Südserbien zu geben. Die medizinischen Zentren verfügen zwar über die handfesten Missbildungs-, Krebs- und andere Gesundheitsdaten. Diesen Daten und ihrer Aussagekraft Gewicht zu verleihen, dazu müsste die Initiative von der Regierung kommen. Erhöhung der Krebsraten – schon nach dem Bosnien-Krieg Damals waren die Menschen wegen der Luftangriffe auf Hadzici, einem Vorort von Sarajevo, nach Bratunac, in Ostbosnien geflüchtet. Die Ärzte fanden bei diesen Flüchtlingen einen enormen Anstieg der Krebsrate, nicht aber unter den Einwohnern in Bratunac. Die Ärztin Dr. Slavica Jovanovic, Direktorin des Krankenhauses in Bratunac, meinte vor einigen Jahren, dass die Krebserkrankungen der Flüchtlinge drei Jahre nach dem Bosnien-Krieg in einem Kausalzusammenhang zur Bombardierung zu betrachten seien. Dr. Stojan Radic aus Nis, Direktor der Onko logischen Klinik, findet eine erhöhte Unfruchtbarkeitsrate bei Frauen nach dem Krieg gegen Serbien. Ob das eine «normale» Folge des Tschernobyl-Fallouts sei, könne er nicht eindeutig beurteilen, auch der Uranstaub könne eine Ursache sein. Radomir Kovacevic, Direktor des Radiologischen Instituts in Belgrad, habe sich über die Gefährlichkeit der Inhalierung von Uranstaub geäussert. Der UNEPBericht aus dem Jahr 2000 habe sogar Plutonium gefunden. Ein Pathologe, Dr. Zoran Stankovic, habe als erster auf die krebsauslösende Wirkung der Uranmunition aufmerksam gemacht. Er war Arzt am Medizinischen Zentrum des Militärs in Belgrad. Bis vor kurzem war er Verteidigungsminister. Manche Ärzte sprachen offen, sie haben einen guten Ruf, sie haben die Daten. Beeinflussung der NGOs Die Nato versuche, so unsere Gesprächspartner, ein gezieltes weiches Lobbying unter den Nichtregierungsorganisationen in Serbien zu dem Zweck zu betreiben, dass sich keine Umwelt-NGO mit der Problematik des abgereicherten Urans befasse. Die Einflussnahme geschieht über verschiedene Kanäle. Einer davon ist das Geld. Nur für «richtige» Projekte erhalten die NGOs Geld, meist aus dem Ausland, von Frankreich, Schweden, Deutschland oder England. Ein Projekt mit Wasser oder Vogelschutz würde sehr gut passen, ist die Meinung, und so «bestellt» eine westliche Regierung und bezahlt an die serbischen NGOs. Eine andere Kanalisierung im politischen Sinn ist die Vereinnahmung kleiner NGOs durch grössere, zum Beispiel durch das Regional Environmental Center for Central and Eastern Europe, mit Sitz in Szentendre, Ungarn. Woher fliesst das Geld für diesen Dachverband, der die kleinen NGOs an sich zu binden versucht? Eine kleine NGO in Serbien hat kaum eine Möglichkeit, ohne Beitritt zu diesem «Dach» Unterstützung zu erhalten. Ethnische Spannungen – künstlich erzeugt Es sei ein Märchen, eine Lüge, so unser serbischer Freund, dass die Dossier Uranwaffen 57 Zeit-Fragen 2007 Flüchtlingsströme aus Kosovo durch die Serben ausgelöst worden seien. Die Flüchtlingsströme seien durch die Bombardierungen der Amerikaner ausgelöst worden. Unter Tito habe es kein Problem der verschiedenen Ethnien und keine Spannungen zwischen den Ethnien gegeben. Es sei künstlich geschaffen worden. Wirtschaftlich sei es recht gut gegangen bis Anfang der 90er Jahre. Die letzten 15 Jahre seien wirtschaftlich eine Katastrophe. Die Menschen sind ärmlich gekleidet, die Preise vergleichsweise hoch, die Arbeitslosigkeit enorm, die soziale Sicherheit gleich null. Um Milosevic abzusetzen, hätte es keinen Krieg gebraucht, so sind sich unsere Gesprächspartner einig. Milosevic sei ein Mann der CIA gewesen. Er habe die Korruption und die Kriminalisierung der Polizei zugelassen. Heute herrsche eine korrupte Oberschicht in Serbien. Warum der Krieg gegen Jugoslawien? Das sei nur der erste Schritt auf dem Weg zu den enormen Naturreichtümern Russlands – so die Meinung. Abgereichertes Uran und andere Bomben … Ein Treffen an der Fakultät für Arbeitssicherheit in Nis gibt uns Gelegenheit, mit Prof. Nedeljkovic ins Gespräch zu kommen (vgl. Artikel auf Seite 6). Zusammen mit dem Media Center in Nis war im Oktober letzten Jahres – von der NGO Ekolend – eine Tagung zu DU (Depleted Uranium) veranstaltet worden. Dr. Radic und Prof. Nedeljkovic hatten über die Schäden der Gesundheit als Folge der Uranmunition informiert. Nicht nur DU, auch andere Bomben seien in der Nähe der bulgarischen Grenze gefallen, die die Nacht zum Tag gemacht hätten – auch hier wieder müssen die Nato-«Partner» Auskunft geben, wird uns berichtet. Ob die Amerikaner denn keine Sorge hätten, dass ihre Soldaten in Camp Bondsteel, die im schwer kontaminierten Gebiet im Süden Serbiens untergebracht seien, krank würden? Es seien in der Mehrzahl amerikanische Soldaten mit Latino-Herkunft, und die gesamte Nahrung würde vom Ausland hereingeschafft … Im Jahre 1999 habe in Serbien noch niemand über die Probleme mit DU geredet. Schliesslich wurde es durch erkrankte italienische, deutsche und portugiesische Soldaten ans Tageslicht gebracht. In Serbien selbst sprach Zoran Stankovic von der Militärakademie als erster darüber. Er hatte die Leichen von Soldaten aus dem Bosnien-Krieg untersucht. 1996 sei Sarajevo bombardiert worden. Stankovic habe ein medizinisches Follow-up (also eine Nachuntersuchung) der Soldaten gefordert. Für Soldaten wurde dies durchgeführt, jedoch nichts davon veröffentlicht. Die kluge Einschätzung der Kriegsgründe unserer serbischen Gesprächspartner beeindrucken. Der Krieg kam zu ihnen – sie waren gezwungen, die Vorgänge zu verstehen. Man wolle den Krieg in Europa führen, so die Ansicht unserer Gesprächspartner. Der Krieg gegen Iran sei davon zu unterscheiden – Europa als Wirtschaftsmacht könne sich wirtschaftlich im Laufe von 20 Jahren wieder rekonstruieren – Iran, der Irak oder Afghanistan könnten sich auch 20 Jahre nach dem Krieg noch nicht erholen. Diese wirtschaftliche Seite der Motive der Kriegstreiber stellt jedes Gefasel von «ethnischen Spannungen» als auslösende Ursache in den Schatten. Die wahren Kriegsgründe sind den Menschen wohlbekannt. Wirtschaftlich ausbluten, vernichten, dann wieder Geschäfte machen. Der US-amerikanische Sender Fox News wurde damals überall in Jugoslawien ausgestrahlt. Die Stadt Nis hat heute mehr als 10 private Fernsehsender, konnte aber keine nationale Frequenz bekommen, alle nationalen Frequenzen seien in Belgrad. Dossier Uranwaffen 58 Zeit-Fragen 2007 Kassettenbomben auf dem Dach einer Schule Wenige Tage vor unserem Besuch war auf dem Dach einer Schule eine nicht explodierte Kassettenbombe gefunden worden. Spezialisten aus Belgrad brachten sie zur Explosion. Niemand war zu Schaden gekommen. Die besondere Bewandtnis dieser Munition ist, dass sie erst explodiert, wenn ein Mensch damit in Berührung kommt. Kassetten oder Clusterbomben töten, auch Jahre nach dem Krieg. Internationale Bemühungen laufen, ihre Verwendung zu verbieten. Die Fragen bleiben: Wer hilft der serbischen Bevölkerung? Wer gibt finanzielle Hilfe für die überfüllten Krankenhäuser? Wie kann die Landwirtschaft gedeihen, von der viele Familien abhängig sind? Gibt es irgendeine Technologie, den DUStaub zu vermeiden? Wir sind von unserer Reise sehr bedrückt zurückgekehrt. Das menschliche Gewissen verbietet ein Wegschauen. • Wie PR-Firmen den Westen in den Krieg gegen Serbien logen Die PR-Firmen, die in den Balkan-Kriegen tätig waren, sind, wie gezeigt, ganz überwiegend mächtige, gesellschaftlich (zumindest in der US-Gesellschaft) anerkannte und vertrauenswürdige Kommunikationsspezialisten. Sie gelten als glaubwürdige Quellen und Akteure, insbesondere wenn man ihr personelles Profil berücksichtigt. Sie erfüllen alle Voraussetzungen eines »unabhängigen Botschafters« («independent messenger»), wie er für die Public diplomacy gefordert wird (Peterson 2002). Somit haben wir in den Balkan-Kriegen die Konstellation, dass Kriegsregierungen ihre Propaganda durch den Filter von PR-Agenturen und deren zahlreiche Kommunikationskanäle in glaubwürdige Botschaften verwandeln konnten. Daraus resultiert eine starke Homogenisierung der öffentlichen Meinung in den USA (und in den westlichen Gesellschaften überhaupt): die US-Regierung, amnesty international, Human Rights Watch, Freedom House, das United States Institute of Peace, die Soros Foundation, liberale Intellektuelle und weite Kreise der Konservativen, die Vereinten Nationen, Journalisten, aber auch die Regierung in Zagreb, die Regierung in Sarajevo, die Führung der Kosovo-Albaner, die UÇK – sie alle haben, mit geringfügigen Nuancen, eine praktisch identische Lesart der Balkan-Kriege. In einer etwas überspitzten Kurzfassung sieht diese so aus: Die Serben verfielen in einen nationalistischen Wahn und wollten ein Grossserbien errichten, Slobodan Milosevic, ein unverbesserlicher Kommunist, schwang sich zu ihrem Führer auf und griff mit der Jugoslawischen Volksarmee die nichtserbischen Republiken und Völker an und liess sie dabei Massenvergewaltigungen, ethnische Säuberungen und Völkermord begehen; die anderen exjugoslawischen Nationen – Slowenen, Kroaten, Bosnier, Albaner, Mazedonier – waren friedliebende, demokratische Völker (die Montenegriner hatten ein geteiltes Image – solange sie mit Belgrad solidarisch waren, galten sie als ebenso aggressiv, als sie mit Belgrad brachen, verwandelten sie sich in ein friedliebendes Volk). Das ist das Bild der Balkan-Kriege, das die PR-Agenturen 1:1 verbreitet haben. Und es ist deckungsgleich mit der Propaganda der exjugoslawischen, nichtserbischen Kriegsparteien. Quelle: Becker, Jörg, Beham, Mira: Operation Balkan: Werbung für Krieg und Dossier Uranwaffen 59 Zeit-Fragen 2007 Tod, ISBN 3-8329-1900-7, S. 35 US-Propaganda sprach von 500 000 Toten in Kosovo – eine blanke Lüge Untermauert wurde diese «ausser Rand und Band geratene Kriegsrhetorik» (Baier 1999) mit laufend lancierten, jedoch unbewiesenen und im Augenblick ihrer Meldung auch unbeweisbaren Horror- und Greuelgeschichten, die ein ungeahntes Ausmass serbischer Verbrechen suggerierten. Der USamerikanische Verteidigungsminister Cohen trat am 16. Mai vor die Presse und sprach von «bis zu 100 000 Toten», einer Zahl, die vom Sprecher des State Department, James Rubin, bereits am 19. April in Umlauf gebracht worden war, wobei das US-amerikanische Aussenministerium nicht ausschloss, dass sogar bis zu 500 000 vermisste Kosovo-Albaner getötet worden sein könnten (vgl. Halimi/Vidal 2000). Die Vereinten Nationen bezifferten die Toten erst auf 44 000, dann auf 22 000, um sich schliesslich nach Beendigung des Kosovo-Krieges auf die Zahl von 11 000 festzulegen (vgl. Odraz 1999).* Rudolf Scharping legte am 8. April 1999 den «Hufeisenplan» vor, über den er in seinem Kriegstagebuch notierte: «Endlich haben wir den Beweis dafür, dass schon im Dezember 1998 eine systematische Säuberung und die Vertreibung der Kosovo-Albaner geplant worden waren» (Scharping 1999, 107). Später entlarvte u.a. der deutsche Brigadegeneral Heinz Loquai Scharpings Hufeisenplan als eine Fälschung (vgl. Loquai 2000). Quelle: Becker, Jörg, Beham, Mira: Operation Balkan: Werbung für Krieg und Tod, ISBN 3-8329-1900-7, S. 35 *Sechs Jahre nach Ende des Krieges der Nato gegen Jugoslawien hat das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag insgesamt 4392 Tote exhumiert, grossenteils ohne die nationale Zugehörigheit oder die Todesursachen zu spezifizieren, davon sind 2099 (58%) identifiziert; das jugoslawische Komitee zur Dokumentation von Verbrechen gegen die Menschlichkeit hat für den Zeitraum von Januar 1998 bis November 2001 die Zahl von 1835 Toten (davon 297 albanische Zivilisten) und 1441 Vermissten festgehalten; das Komitee des Internationalen Roten Kreuzes hat in der dritten Ausgabe seines Buches der Vermissten (2004) die Namen von 3272 Personen dokumentiert, die spurlos verschwunden sind, davon etwa 300 Serben; nach Informationen des Serbischen Roten Kreuzes wurden im Zeitraum von Juni 1999 bis Ende 2003 1192 Serben und 593 Angehörige anderer Nationalitäten in Kosovo getötet; die serbische NGO der Angehörigen vermisster Personen in Kosovo suchte im Jahre 2005 immer noch nach 1128 spurlos verschwundenen Angehörigen. Nr. 17, 30. April 2007, Seite 7, 8 Dossier Uranwaffen 60 Zeit-Fragen 2007 Rasante Verbreitung bösartiger Tumore von Dr. Natasa Lukic, Fachärztin der Epidemiologie, Krankenhauskrebsregister, Onkologische Klinik KC Nis Bösartige Tumore stellen die wichtigste Ursache der Krankheiten dar, die zur Invalidität und frühzeitigem Sterben in unserer Umgebung führen, gestützt auch von der Angabe, dass in Serbien jedes Jahr 32 000 Personen von Krebs befallen werden und 19 000 davon gestorben sind. Auf Grund der Daten aus dem Krebsregister sind im Jahre 2002 in Zentralserbien 23 898 Personen an bösartigen Tumoren erkrankt, davon 12 449 Männer und 11 449 Frauen. Die Männer erkrankten meistens an Lungen- oder Bronchienkrebs (23,9%), Darmkrebs (Kolon und Rektum) (12,8%), Prostatakrebs (7,9%), Blasenkrebs (7,7%) und Magenkrebs (5,7%). Bei den Frauen war der bösartige Tumor meistens als Brustkrebs (25,4%), Gebärmuttermundkrebs (9,5%), Darmkrebs (Kolon und Rektum) (9,2%), Lungen- und Bronchienkrebs (7,8%) und Gebärmutterkrebs (5,1%) lokalisiert. Der Krebs stellt die zweitwichtigste Ursache für die Sterblichkeit in unserer Umgebung – nach Herz- und Herzgefässkrankheiten – dar. Die Zunahme der Sterblichkeit beider Geschlechter in unserer Umgebung im Zeitraum von 1990 bis 2002 ist um etwa 28% gestiegen. In Zentralserbien sind im Jahre 2002 13 067 Personen an Krebs, das heisst 7496 Männer und 5571 Frauen, gestorben. Die Männer starben meistens wegen Lungen- und Bronchienkrebs (29,2%), Darmkrebs (Kolon und Rektum) (11,7%), Magenkrebs (7,7%) und Prostatakrebs (6,8%). Auf Grund der gleichen Quellen waren die Frauen bei uns meistens die Opfer von Krebs lokalisiert an der Brust (17,6%), Lungen- und Bronchien (11,2%), Darm und Enddarm (Kolon und Rektum) (10,8%) und Gebärmuttermund (6,6%). In 5 Jahren 23 Millionen bösartige Tumore entdeckt Auf der ganzen Welt erkranken jedes Jahr über 10 Millionen Personen an Krebs. Man schätzt, dass zurzeit auf der ganzen Welt in den letzten 5 Jahren bei etwa 23 Millionen Personen bösartige Tumore entdeckt worden sind, die die Heilung beendet haben oder bei denen die Heilung noch im Gange ist. Die grösste Zuwachsrate wird in Industrie-ländern registriert. Laut Schätzungen der Internationalen Gemeinschaft im Kampf gegen den Krebs in Europa werden sich als Folge der Häufigkeit der Risikofaktoren und des Altwerdens der Bevölkerung in den nächsten 2 Jahrzehnten (bis 2025) in den osteuropäischen Ländern die Neuerkrankungen verdoppeln. Ein Drittel aller bösartigen Tumore kann man vorbeugen. Die Prävention richtet sich auf die Reduktion der Risikofaktoren und auf die frühzeitige Erkennung der Krankheit. Mehr als 40% der Todesfälle sind mit dem Rauchen, schlechter Ernährung und Infektionen in Verbindung zu bringen. Die bösartigen Krankheiten sind nur geringfügig (etwa 10%) das Resultat der Wirkung genetischer Faktoren. Man nimmt an, dass die meisten Krankheitsfälle unter dem Einfluss unseres Verhaltens und der Umwelt zustande kommen. Der zeitgemässe Lebensstil erfordert die Änderung der Lebensgewohnheiten, der Ernährungsart und der körperlichen Aktivität. Man ist auch immer mehr dem Dossier Uranwaffen 61 Zeit-Fragen 2007 schädlichen Einfluss der Umwelt ausgesetzt, was auch einen grösseren Einfluss auf das Risiko von bösartigen Tumoren darstellt. Die beste Art, die bösartigen Tumore zu bekämpfen, ist die primäre Prävention – Krankheitsvorbeugung durch die Beseitigung der schädlichen Einflüsse oder durch Einführen des positiven Verhaltens. Die Wissenschafter schätzen, dass man durch Prävention zwei Drittel der Erkrankungen vermeiden kann. Jedoch ist die Prävention der Krebserkrankungen nicht immer möglich: Noch immer sind nicht alle Ursachen bekannt, oder wir sind nicht in der Lage, die Ursachen zu vermeiden. Deswegen hat auch die sogenannte sekundäre Prävention grosse Bedeutung, das heisst, die Früherkennung der Krankheit. Wenn die Krankheit auftritt, dann hängt der Heilungserfolg von der Verbreitung der Krankheit im Augenblick der Diagnosefeststellung ab. Wenn wir die Bedeutung und die Wichtigkeit der Prävention der bösartigen Erkrankungen ins Auge fassen, haben die meisten hochentwickelten Länder am Ende des 20. Jahrhunderts massive Präventionsprogramme begonnen. Die bedeutendsten davon sind Kampf gegen das Rauchen, Änderung der Lebensgewohnheiten (Nahrung, körperliche Aktivität), regelmässige Untersuchungen (Screening-Programme). Diese Aktivitäten haben die Zunahme der Erkrankungen gestoppt, und in manchen Fällen kommt es zu einer Verringerung der Erkrankungen und der Todesfälle. Die Frauen in Serbien haben heute das grösste Krebsrisiko Auf Grund der bestehenden Beweise für die Effektivität und Rentabilität der zur Verfügung stehenden Methoden für die Früherkennung werden heute allgemein anerkannt und von internationalen Institutionen vorgeschlagen: Programme für Screening des Gebärmuttermundkrebses, Brustkrebses und Dickdarmkrebses. Wenn es sich um andere Lokalisationen der bösartigen Krebse handelt (z. B. Prostata), unterstützen die Beweise noch nicht die Durchführung von Screening in der allgemeinen Population. In unserem Land ist von der Onkologie-Fachkommission der Republik neben dem Screening des Gebärmuttermundkrebses im Jahre 2007 auch Screening von Dickdarmkrebs geplant. Es wurde auch die Entscheidung für Screening des Brustkrebses getroffen, aber weil es sehr umfangreiche und mit grossen Mitteln verbundene Arbeiten erfordert, ist die Einführung nicht terminiert. Wir hoffen aber, dass in absehbarer Zeit auch in Serbien mit diesem Screening begonnen wird. Mit dem Standardwert der Erkrankungen (Inzidenz) von 27,2 von 10 000 sind die Frauen in Serbien heute mit dem höchsten Risiko in Europa an Gebämuttermundkrebs zu erkranken, konfrontiert, das vergleichsweise dreimal so hoch ist wie in der EU. Wenn es sich um Sterben handelt, ist eine grössere Mortalität als in Serbien nur in Rumänien registriert. Die französische Regierung hat im Rahmen der Hilfe dem Gesundheitssystem in Serbien im Jahre 2004 das Büro der SZO in Belgrad kontaktiert, mit der Forderung zur Implementation des Screening-Programms des Gebärmuttermundkrebses in Zentral serbien. Die Phasen der Programmentwicklung, der Identifikation und der Formulierung dauerten bis April 2004. Dann begann die Implementation des Programms. Die Mittel der französischen Regierung wurden bereitgestellt, und der offizielle Beginn des Programms war Anfang 2005. Die Ziele des obengenannten Projekts waren die Verringerung der Sterblichkeit wegen des Gebärmuttermundkrebses im Landkreis Branicevo (wo die höchste Rate existiert), durch die Screeningmodellierung und durch Verbesserung der Dossier Uranwaffen 62 Zeit-Fragen 2007 Qualität der Dienste der Gynäkologen im primären Gesundheitsschutz, auch bis zum nationalen Niveau. Anstieg der Krebsrate um 53% in der Klinik von Nis Ein Jahr nach der Realisation betrug die durchschnittliche Rate der gynäkologischen Untersuchungen 44,2%. In der Strategiekreation, die von der Einzelperson in Richtung Gemeinschaft läuft und von Krankheit in Richtung Genesung, wurde ein effektives System der Einladungen für Frauen untersuchungen, die Mitteilung der PAP-Tests und der Organisation der weiteren diagnostischen Prozeduren und Therapien hergestellt. Als Beitrag für das Einführen des Screening-Programms dienen auch die Daten des Krankenhauskrebsregisters der Onkologischen Klinik in Nis, wonach in den letzten Jahren (1996–2005) die Anzahl der von irgendeiner Art der bösartigen Krebskrankheiten erkrankten Personen um 53% gewachsen ist. Die grösste Zunahme wurde bei den urologischen Tumoren verzeichnet (178%), Digestivtumoren (96%), gynäkologischen Tumoren (51%), Brustkrebs (23%). • Serbien, Januar 2007 «Drei Millionen Kinder wurden direkt gefährdet durch die wahllosen Bombardierungen der Nato-Aggressoren. Seit Anfang der Aggression wurden viele Kinder getötet und verwundet. Fast 250 000 Flüchtlingskinder aus den früheren Jugoslawischen Republiken Kroatien und Bosnien-Herzegowina, die einen sicheren Hafen in der Bundesrepublik Jugoslawien gefunden haben, wurden noch einmal den Schrecken des Krieges ausgesetzt. Seit Anfang der Aggression sind Kinder nicht in der Lage die Schule zu besuchen, und es wird geschätzt, dass im Herbst fast 100 000 Kinder die Schule nicht werden anfangen können, weil viele Vorschulinstitutionen und Grundschulen durch Nato-Bomben zerstört wurden.» Quelle: Yugoslav Daily Survey, No. 2402, Special Issue, 8. Juni 1999 Nr. 17, 30. April 2007, Seite 10 Nuklearmaterial für israelische Atomwaffen Israel will auf dem Gebiet der Atomkraftwerke weiter ausbauen. Eine Sprecherin der israelischen Atomkommission bestätigt den beabsichtigten Bau eines Kernkraftwerkes. «Angesichts des Energiebedarfs in Israel ist es nur natürlich, dass wir Interesse zeigen», bestätigte die Sprecherin Nili Lischiz. «Im Moment sind wir allerdings erst in der Planungsphase.» Westliche Fachleute sind allerdings der Meinung, dass die Planungsphase schon lange abgeschlossen ist. Israel betreibt nämlich schon seit vielen Jahren zwei Atomreaktoren «zu Forschungszwecken». Dabei gilt es als sicher, dass zumindest in der grösseren der beiden Anlagen Nuklearmaterial für israelische Atomwaffen hergestellt wurde und weiter hergestellt wird. Ein Drittel der israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland sind nach Schätzungen der israelischen Friedensorganisation Shalom Ahshav (Frieden jetzt) auf Privatland von Palästinensern gebaut worden. Der Anteil liege bei Dossier Uranwaffen 63 Zeit-Fragen 2007 32,5 Prozent, hiess es in einem veröffentlichten Bericht der Organisation, der auf neuen Daten der israelischen Verwaltung basiert. Diese Zahlen stehen aber im Widerspruch zu den Angaben der israelischen Regierung, wonach die Siedlungen ausschliesslich auf nicht privatem Land bzw. auf Grundparzellen ohne ausgewiesene Eigentümer errichtet worden seien. Derzeit leben rund 2,4 Millionen Palästinenser und 268 000 israelische Siedler im Westjordanland, das Israel seit 1967 besetzt hält. Nach früheren Angaben von Shalom Ahshav ist die Zahl der Siedlungen 2006 gleichgeblieben, ihre Bevölkerungszahl hat sich indessen aber um fünf Prozent erhöht. Nach Bestimmungen der Vierten Genfer Konvention ist die Übersiedlung der eigenen Bevölkerung auf besetztes Territorium grundsätzlich nicht zulässig. Israel umgeht diese Bestimmung mit der Begründung, dass es sich nicht um «besetztes», sondern um «umstrittenes» Land handelt. Diese Rechtsauffassung wird allerdings von der internationalen Staatengemeinschaft und auch von den USA nicht geteilt – was aber keinerlei Konsequenz für Israel hat. • Quelle: interinfo, Folge 341, April 2007 Nr. 19, 14. Mai 2007, Seite 4 bis 9, „Streifen“ untere Seitenhälfte Gegen den Uranmissbrauch Information zur Arbeit des World Depleted Uranium Centres (WODUC) e. V. von Prof. Dr. Albrecht Schott, Vorsitzender des WODUC e.V. Das Böse Ein Mensch – was noch ganz ungefährlich Erklärt die Quanten (schwer erklärlich!). Ein zweiter, der das All durchspäht, Erforscht die Relativität. Ein dritter nimmt, noch harmlos, an, Geheimnis stecke im Uran. Ein vierter ist nicht fernzuhalten Von dem Gedanken, kernzuspalten. Ein fünfter – reine Wissenschaft – Entfesselt der Atome Kraft. Ein sechster, auch noch bonafidlich, Will die verwerten, doch nur friedlich. Unschuldig wirken sie zusammen: Wen dürften, einzeln wir verdammen? Ist‘s nicht der siebte erst und achte, Der Bomben dachte und dann machte? Ist‘s nicht der Böseste der Bösen, Der‘s dann gewagt, sie auszulösen? Den Teufel wird man nie erwischen: Er steckt von Anfang an dazwischen. Dossier Uranwaffen 64 Zeit-Fragen 2007 Eugen Roth, Schriftsteller (1895–1976) Übersicht Zehntausende Kriegsveteranen und unzählige Menschen in den Kriegsgebieten des Irak, Afghanistans, Bosniens und in Kosovo wurden infolge der Kriegshandlungen radioaktiv verseucht! Obwohl keine «klassischen» Atomwaffen eingesetzt wurden, kam es zu einer radioaktiven Verseuchung von Soldaten und Bevölkerung: Moderne panzerund bunkerbrechende Waffen werden aus abgereichertem Uran hergestellt; englisch Depleted Uranium (DU). Der Grund hierfür ist das hohe spezifische Gewicht von Uran, das DU-Projektilen eine extrem hohe Durchschlagskraft verleiht, verglichen mit Projektilen aus anderen Materialien. Daher ist DUMunition bei den Militärs sehr beliebt. Auch die Atomindustrie profitiert davon, denn abgereichertes Uran fällt in grossen Mengen als Abfall an, wenn Kernbrennstoffe für Kraftwerke oder waffenfähiges Uran hergestellt werden. Allerdings: Wird abgereichertes Uran z.B. in Form von Stäuben von Menschen aufgenommen, entfaltet es seine hochgradig zerstörerische Wirkung: • Uran ist wasserlöslich, • ist chemisch sehr giftig • und radioaktiv. Radioaktivität und chemische Giftigkeit schädigen Zellen und Erbmaterial! Während der Kriegshandlungen im Irak, in Afghanistan, Bosnien und in Kosovo wurden Tausende von Tonnen DU-Munition verschossen und das darin enthaltene Uran dabei freigesetzt. Mensch, Tier und Pflanze werden immer noch und auf unabsehbare Zeit verseucht: • DU-Munition setzt bei Treffern feinste giftige, radioaktive Stäube frei, die sich auch nach den Kampfhandlungen weiterverteilen. • Auch wenn DU-Munition «nur herumliegt», zersetzt sie sich langsam und entlässt die giftige Fracht in die Böden und ins Grundwasser (Wasserlöslichkeit). Die dramatischen Folgen sowohl für die Kriegsveteranen als auch die Zivilbevölkerung in den Kriegsgebieten: • Strahlenschäden, die zu einer Vielzahl von schweren Erkrankungen führen. • Zunehmende Missbildungen bei Neugeborenen und Erbgutschäden, die sich auf die nachfolgenden Generationen übertragen. Aber nicht nur die Kriegsveteranen und Bewohner der Kriegsgebiete sind betroffen, vielmehr muss inzwischen von einer globalen Verseuchung gesprochen werden: Nachweisbar verteilen sich die radioaktiven und giftigen DU-Stäube in der Erdatmosphäre und erreichen daher auch uns fernab der Kriegsgebiete. Darüber hinaus existieren in vielen Ländern der Erde (u. a. auch in Deutschland) eine Reihe militärischer Gelände, welche durch die Verwendung von DU-Munition radioaktiv verseucht wurden. Um die weitere Verseuchung unseres Planeten abzuwenden, setzt sich das World Depleted Uranium Centre (WODUC) e. V. unter der Leitung von Prof. Dr. Albrecht Schott gegen den weiteren zivilen und militärischen Gebrauch von abgereichertem Uran ein. Das WODUC ist eine wissenschaftliche und regierungsunabhängige Organisation. Wir sind auf Spenden von Menschen und Organisationen angewiesen, die uns die Weiterarbeit in diesem Sinne ermöglichen wollen! Forderungen durch Regierung und Industrie, welche die Unabhängigkeit einschränken, sind jedoch Dossier Uranwaffen 65 Zeit-Fragen 2007 grundsätzlich ausgeschlossen. Wissensgrundlagen zu Uran und abgereichertem Uran (DU) Uran ist ein Schwermetall. Mit seiner relativen Atommasse von vorwiegend 238 ist es das schwerste chemische Element, das natürlich vorkommt. Natururan ist eine Mischung verschiedener Isotope1: 99,3% Uran 238, 0,7% Uran 235 und 0,006% Uran 234. Als Bombenstoff oder als Brennstoff im Kernkraftwerk ist nur das Isotop Uran 235 zu gebrauchen. Um ein Kraftwerk zu betreiben oder eine Atombombe zu zünden, muss das Uran 235 allerdings in höheren Konzentrationen vorliegen als natürlich gegeben. Die Konzentration von Uran 235 nennt man Anreicherung. Bei der Anreicherung entsteht Abfall in Form von abgereichertem Uran (Depleted Uranium; DU), das dann nahezu ausschliesslich aus Uran 238 besteht. Aus 8 Kilogramm Natururan wird entsprechend 1 Kilogramm Kernkraftwerksbrennstoff gewonnen, wobei gleichzeitig 7 Kilogramm abgereichertes Uran (DU) als Abfall entstehen. Zum Bau einer Atombombe benötigt man hochangereichertes Uran; hier fallen für 1 Kilogramm Bombenstoff etwa 100 Kilogramm DU an, etwa 3 Millionen Tonnen weltweit. Abgereichertes Uran (DU) hat 6 wichtige Eigenschaften: Eigenschaft 1: DU ist extrem schwer; die Dichte betragt 19,2 g/cm3, wodurch DU 1,7-mal schwerer als Blei ist. Deshalb ist es als Geschossmaterial für panzerbrechende Waffen hervorragend geeignet. Daneben gibt es etwa 700 zivile Anwendungen, u. a. als Ausgleichsgewicht in Flugzeugen. Eigenschaft 2: DU ist wasserlöslich. Daher werden auch herumliegende Munitionsreste aus DU durch Wasser angegriffen, wodurch abgereichertes Uran aufgelöst in das Erdreich und das Grundwasser eindringt und damit letztlich in die Nahrungskette gelangt. Mit 3900 Schuss pro Minute werden beispielsweise grosse Mengen von DU durch das A-10-Kampfflugzeug «Warzenschwein» in der Umwelt verteilt. 99% der Geschosse verfehlen das Ziel und gehen in die Erde. Ein UNEP-Bericht stellt fest, dass in Bosnien die DU-Geschosse inzwischen 25% ihres Gewichts verloren haben. Diese 25% sind unterwegs zu unseren Tellern (ökologischer Kreislauf). UNEP fordert die Kontrolle des Trinkwassers! Eigenschaft 3: DU ist pyrophor. Beim Eindringen eines DU-Projektils in eine Panzerung entstehen enorm hohe Drucke und Temperaturen. Dadurch entzündet sich das Uran und verbrennt bei 3000 °C. Dabei entstehen zum einen extrem kleine Uranoxid-Staubpartikel mit einem Durchmesser von 0,001 bis 0,1 µm (das sind 0,001 bis 0,1 Millionstel Meter), zum anderen entsteht durch die hohen Temperaturen zusätzlich ein ganzer Cocktail hochgiftiger und krebserregender Substanzen, die sich bei der Verbrennung des «Innenlebens» eines getroffenen Panzerfahrzeugs bilden. Dieser Chemiecocktail schlägt sich auf den Uranoxid-Staubpartikeln nieder. Partikel dieser Grösse verhalten sich wie Gase. Das bedeutet, dass diese Uranoxid-Staubpartikel nicht nur am Entstehungsort mit der Luft oder der Nahrung in unseren Körper gelangen können, sondern sie treten auch in die Atmosphäre ein und wandern mit den atmosphärischen Luftströmen um den Planeten. Beispielsweise fand die UNEP in Bosnien DU an Stellen, an denen weder eine Schlacht stattgefunden hatte noch auf sonstige Weise eine DUKontamination während der Kampfhandlungen zustande kam. Etwa 40% des Uranoxid-Staubs sind wasserlöslich. Bei dem Rest handelt es sich um das wasserunlösliche «Ceramic DU». Ceramic DU wird in unserem Körper gespeichert und gibt fortwährend DU ab, das in den Stoffwechsel Dossier Uranwaffen 66 Zeit-Fragen 2007 gelangt. Eigenschaft 4 und 5: DU ist chemo- und radiotoxisch. Uran ist ein chemisches Element, aber es hat zwei «Gesichter», zwei «Fähigkeiten»: Einerseits die chemische Giftwirkung, welche von der Hülle des Uran-Atoms ausgeht, und andererseits seine Radioaktivität, welche vom Atomkern ausgeht (dargestellt als kleine Kugel in der Mitte). Die chemische Giftwirkung umfasst z. B. die Schädigung der weissen Blutkörperchen (Leukozyten) und die nachfolgende Entwicklung einer Leukämie, die Schädigung der roten Blutkörperchen durch Ersetzen des Eisenmoleküls im Hämoglobin, die Schädigung von Nervenzellen (ein hoher Prozentsatz der Veteranen hat Wortfindungsstörungen und Gedächtnisprobleme), die Schädigung von Föten, die Entwicklung eines Wasserkopfs bei Erwachsenen (Hydrozephalus) usw. Das Golf-Kriegs-Syndrom umfasst mehrere dutzend Krankheitsbilder! Dabei darf nicht vergessen werden, dass abgereichertes Uran in seiner Gesamtwirkung die Kreativität und Innovationsfahigkeit des Menschen beeinträchtigt oder lahmlegt bzw. zum Erliegen bringt. Hinzu kommt noch die radiotoxische Wirkung von DU, also die Giftwirkung, die durch den Zerfall der Atomkerne und die Aussendung von Alpha-Teilchen entsteht (Radioaktivität). Die Alpha-Teilchen wirken wie kleinste Geschosse und können dadurch lebenswichtige Moleküle im Körper zerstören. Besonders dramatisch können sich die Strahlen auswirken, wenn sie auf die Erbsubstanz treffen: Ein Chromosomenbruch kann entstehen, und weil auch eine Zelle manchmal einen Fehler bei der Reparatur macht, werden dann zwei «verkehrte» Teile eines Chromosoms neu verbunden. Eigenschaft 6: DU hat eine Halbwertszeit von etwa 4,5 Milliarden Jahren. Wie bereits erwähnt, sendet DU radioaktive (Alpha-Teilchen-)Strahlung aus. Dabei zerfallen die Uran-Atomkerne. Zwar löst sich damit das Problem quasi von alleine – aber erst nach zig Milliarden von Jahren! Denn eine Halbwertszeit von 4,5 Milliarden Jahren bedeutet, dass nach dieser Zeit erst die Hälfte aller Uranatome zerfallen ist. Die andere Hälfte strahlt weiter, bis nach 4,5 Milliarden Jahren davon wieder die Hälfte zerfallen ist, usw. In schwer kontaminierten Arealen rottet DU jedes Leben dauerhaft aus! Vertiefende Informationen Die gesundheitlichen Folgen des Gebrauchs von abgereichertem Uran (DU) Sobald DU über die Atmung, die Nahrung oder über Wunden in den menschlichen Körper gelangt, kann es seine chemische und radiotoxische Giftwirkung entfalten. Beispielsweise lagern sich eingeatmete DU-Staubpartikel an Blutzellen an und können sogar in diese eindringen. Gemäss einer Buchveröffentlichung der US-Armee (!) kann DU sogar das Eisen im Hämoglobinmolekül der roten Blutkörperchen ersetzen, das für den Sauerstofftransport so wichtig ist. Weil definitiv alle Teile unseres Körpers von unserem Blut versorgt werden, erreicht das DU «als blinder Passagier die letzte Ecke» und kann dadurch auf vielfältige Weise Schaden anrichten. Beispiele: • DU kann durch seine radioaktive Strahlung das Erbgut schädigen. Die nebenstehende Abbildung zeigt diesen Vorgang schematisch. Im oberen Teil der Abbildung sieht man die Schädigung eines Chromosoms durch Strahleneinwirkung und dessen anschliessende Reparatur. Lebewesen Dossier Uranwaffen 67 Zeit-Fragen 2007 besitzen solche Reparaturmechanismen, welche Schäden am Erbgut wieder korrigieren. Meistens funktioniert dieser Mechanismus korrekt. Allerdings kommt es manchmal zu Fehlern bei der Reparatur. Das bedeutet: Je häufiger das Erbgut durch die Strahlenwirkung von DU im Körper geschädigt wird bzw. je mehr DU im Körper verteilt ist, desto häufiger kommt es zu Schäden. Der untere Teil der Abbildung zeigt einen solchen Vorgang, wobei hier der am häufigsten auftretende Defekt der Bildung eines «dizentrischen Chromosoms» gezeigt ist. Wird durch diesen Mechanismus das Erbgut geschädigt, kommt es zu sogenannten kongenitalen Schäden, d. h. angeborenen Schäden an Neugeborenen. Hierzu gehören: Offener Schädel, Wasserkopf, ein drittes Zyklopenauge, Erblindung (also keine Augen), kein Gehirn (Anenzephalie), offene Wirbelsäule (Spina bifida), Leukämie. Im Kampfgebiet ist der Prozentsatz an Krebserkrankungen in der Grössenordnung von 350% gestiegen. Weiter sind Fehlbildungen der Gliedmassen (Dysmelie) zu nennen: Arm oder Fuss setzen näher am Rumpf an, manchmal wird anstatt eines Fusses eine Hand ausgebildet.2 • DU kann die Blut-Plazenta-Schranke passieren. So wird ein Baby schon während der Schwangerschaft mit DU vergiftet. • DU gelangt auch über die Blut-Hirn-Schranke in die Nervenzellen des Gehirns und führt dort zu dramatischen Veränderungen: Beispielsweise hat ein hoher Prozentsatz der Golf-Kriegs-Veteranen Wortfindungsstörungen und Gedächtnisprobleme; die Durchblutung einzelner Gehirnareale ist verringert. • DU gelangt in das Knochenmark. Hier werden die weissen Blutkörperchen gebildet (Leukozyten). Diese werden bereits kurz nach der DU-Kontamination belastet und geschädigt. Auf diese Weise kann innerhalb kurzer Zeit eine Leukämie entwickelt werden. • Wasserkopf (Hydrozephalus) des Erwachsenen tritt auf. Prof. Schott, Leiter des World Depleted Uranium Centre e. V., kennt einen der betroffenen Veteranen persönlich. Veteranen weisen oft mehr als dreissig Krankheitssymptome gleichzeitig auf. Dabei ist zusätzlich auch die schädigende Wirkung der geballten Impfungen mit in Betracht zu ziehen, die als Schutzmassnahme den Soldaten vor Eintritt in die Kampfhandlungen verabreicht werden. Zusätzlich zu den bereits genannten Erkrankungen liegen daher häufig vor: • Nierenerkrankung, • Herzkreislauferkrankung, • Lebererkrankung, • Osteoporose, • Glutensensitivität, • Schmerzattacken, • chronische Müdigkeit, • Fibromyalgie (eine auf den ganzen Körper ausgebreitete, schmerzhafte rheumatische Erkrankung), • Schlafstörungen. Der Zusammenhang zwischen DU-Verwendung und dem Auftreten von Erkrankungen ist durch Beobachtungen und Untersuchungen bestätigt: • Han Kang et al.3 untersuchten Geburtsschäden im Rahmen einer sorgfältigen und differenzierten Studie an 30 000 US-Kriegsveteranen. Danach wurden in Familien mit männlichen Golf-Kriegsveteranen – verglichen mit ihren nicht im Golf-Krieg eingesetzten Kameraden – signifikant höhere Raten von Dossier Uranwaffen 68 Zeit-Fragen 2007 Fehlgeburten festgestellt. Auch Golf-Kriegsveteraninnen berichteten über eine höhere Rate von Fehlgeburten. Totgeburten, Frühgeburten und Säuglingssterblichkeit zeigen ansteigende Tendenzen. • Eine unter 15 628 Zivilisten in einem Krankenhaus in Barein nach dem GolfKrieg von 1991 durchgeführte Studie zeigte eine erhöhte Zahl von Spontanaborten. • Dr. Eva-Maria Hobiger, eine österreichische Onkologin, die intensiv im Südirak gearbeitet hat, teilt mit:4 «Im Al Mansour-Hospital in Bagdad sagt Dr. Mazin AI-Jadiry, Kinderonkologe: ‹In unserem Krankenhaus wurden im Jahr 1990 150 Fälle mit akuter lymphoplastischer Leukämie diagnostiziert, im Jahr 2000 waren es bereits 254 Fälle. Die Abteilungen werden zu klein fur die vielen Patienten.›» Frau Professor Dr. Janan Ghalib Hassan vom Maternity-Hospital for Women and Children in Basra berichtet: «Die Inzidenz [das Aufkommen] an kindlichen Leukämien hat sich zwischen 1994 und 1998 verdoppelt, zwischen 1998 und 2000 stieg die Rate auf das Fünffache!» In Bagdad und Basra sind sich die Ärzte einig, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt, denn die Beduinen bringen ihre Kinder nicht in die Spitäler. Die Medikamenten-Situation ist katastrophal: Kein einziger Chemotherapie-Zyklus kann vollständig gegeben werden, da die Zytostatika fehlen. 80% der Kinder sterben während des ersten Therapiezyklus an Blutungen und Infektionen. • In Basra haben Frauen Angst davor, schwanger zu werden: Bis 1990 wurde bei einer Geburtenzahl von etwa 12 000 im Jahr etwa alle 14 Tage ein Kind mit Missbildungen geboren. Heute sind es bei gleichbleibender Geburtenzahl 1 bis 2 missgebildete Kinder pro Tag! Die Fälle sind gut dokumentiert: Schwerste Missbildungen treten auf, wie z. B. fehlendes Gehirn (Anenzephalie), nur ein Auge in Stirnmitte (Zyklopie), Gliedmassenfehlbildungen beider Hände oder Füsse, die unmittelbar an den Schultern beziehungsweise Hüften ansetzen (Phokomelien), «Kinder ohne Kopf oder Extremitäten», ohne Haut, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, angeborene Fehlbildungen des Herzens (Vitien) usw. Eine Bilddokumentation dieser schrecklichen Missbildungen finden Sie z. B. unter: http://www.firethistime.org/extremedeformities.htm Völkerrecht und abgereichertes Uran (DU) Dieses Kapitel widmet sich der Gegenüberstellung von Kriegs- und Humanitärem Völkerrecht einerseits und den Folgen der Anwendung von DU andererseits, die aus den bereits beschriebenen Eigenschaften des DU resultieren. In einzelnen Kapiteln werden zunächst Auszüge der verschiedenen Gesetzestexte zitiert und im Anschluss daran im Hinblick auf die militärische DU-Anwendung kommentiert. Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes vom 9.12.1948 Artikel 2 «ln dieser Konvention bedeutet Völkermord eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen werden, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören: a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe; b) Verursachung von starken körperlichen oder seelischen Schäden an Mitgliedern der Gruppe; c) Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen; d) Verhängung von Massnahmen, die auf die Geburtenentwicklung innerhalb Dossier Uranwaffen 69 Zeit-Fragen 2007 der Gruppe gerichtet sind.» Kommentare Zu a): In den Golf-Kriegen von 1991 wurde zumindest im Südirak ein Teil der Zivilbevölkerung durch DU getötet. Das gleiche gilt für den Krieg in Bosnien und Kosovo sowie für Afghanistan. Zu b): DU führt bis zum heutigen Tag unter anderem bei der irakischen, bosnischen, serbischen und afghanischen Zivilbevölkerung sowohl zu schweren körperlichen als auch zu seelischen Schäden. Es kommt zu dramatisch erhöhten Raten von Krebs-Erkrankungen und dadurch bedingten Todesfällen.5 Gleichzeitig sind – bedingt durch die mit DU-Munition geführten Angriffe und deren genannte Folgen – schwere traumatische Schäden eingetreten. Dies ist einmal durch Medienberichte weltweit bekannt geworden, zum anderen liegen hierzu Berichte unabhängiger Wissenschaftler und von Kommissionen der UN vor. Zu c): Die massive DU-Belastung landwirtschaftlicher Flächen, insbesondere des Südirak durch den Krieg von 1991 (und wahrscheinlich von 2003) haben die Grundlagen der Ernährung der Bevölkerung teilweise zerstört. Ein Teil der Gebiete ist gesperrt. Die Evakuierung von Teilen des Südirak wurde erwogen. Die Schädigung der Wasserversorgung führt in den Anwendungsgebieten des DU zu starker Einschränkung oder sogar zum Verlust der Wasserversorgung und zu stark gesundheitsschädigenden Eigenschaften des von der Zivilbevölkerung verwendeten Trinkwassers. Langfristig schwerwiegender ist die durch die bekannte Wasserlöslichkeit des Urans bedingte Verseuchung des Grundwassers und dadurch bedingt die massive Schädigung der ökologischen Kreisläufe. Hieraus folgt die Eigenschaft der Uran-Munition, gegebenenfalls eine Ausrottungswaffe zu sein. Zu d): Der Alpha-Strahler Uran führt zu einer signifikant erhöhten Zahl von Chromosomenbrüchen. In den Kriegsgebieten hat die Rate massiv in ihrem Erbgut (kongenital) geschädigter Neugeborener signifikant zugenommen. Auch die Angehörigen der alliierten Truppen des Golf-Kriegs von 1991 bringen seither bedeutend erhöhte Raten kongenital geschädigter Kinder hervor. Übereinkommen über das Verbot der militärischen oder einer sonstigen feindseligen Nutzung umweltverändernder Techniken (ENMOD) vom 18. Mai 19776 Artikel 1 (1) «Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, umweltverändernde Techniken, die weiträumige, langandauernde und schwerwiegende Auswirkungen haben, nicht zu militärischen Zwecken oder in sonstiger feindseliger Absicht als Mittel zur Zerstörung, Schädigung oder Verletzung eines anderen Vertragsstaates zu nutzen; (2) Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, einen Staat, eine Gruppe von Staaten oder eine internationale Organisation weder zu unterstützen noch zu ermutigen, noch zu veranlassen, Handlungen vorzunehmen, die gegen Abs. 1 verstossen.» Kommentare Zu (1): DU wurde u. a. in den Golf-Kriegen von 1991 und 2003, in ExJugoslawien (Bosnien und Kosovo) und in Afghanistan weiträumig ausgebracht. Die Auswirkungen dieser Verseuchung sind global und durchaus nicht auf die Einsatzorte begrenzt, weil sich DU-Staub infolge der Partikelgrösse von 0,001 bis 0,1 µm wie ein Gas verhält und so in die Atmosphäre gelangt. Das führt zu Dossier Uranwaffen 70 Zeit-Fragen 2007 weltweiter Verteilung. Die Halbwertszeit von etwa 4,5 Milliarden Jahren bedeutet eine langandauernde Auswirkung, ein Vielfaches länger als die Lebenserwartung des Menschengeschlechts auf der Erde. DU verursacht schwerwiegende gesundheitliche Auswirkungen: Erbgutschäden, Chromosomenbrüche und Nierenschäden sind nachgewiesen und in wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert. Das Golf-Kriegssyndrom (z. T. auch das Kosovo-Syndrom), das mutmasslich in engem Zusammenhang mit der DU-Thematik steht, beinhaltet eine beträchtliche Zahl weiterer Erkrankungen wie Leukämie, Osteoporose, Glutensensitivität, Impotenz, Gedächtnisstörungen, Wortfindungsstörungen, Inkontinenz sowie generell Schäden des zentralen Nervensystems, Schädigung des Organs Blut, des Immunsystems, des Skelettmuskels, der Atemwege (Respirationstrakt), der Haut, der Leber, der Hormondrüsen (innersekretorisches System) und der Gene. Zu (2): Die Staaten, die z. B. den Golf-Krieg von 1991 durch Entsendung von Truppen unterstützt haben (etwa 30 Staaten), haben gegen Artikel 1 (2) verstossen. Artikel 2 «Im Sinne des Artikel 1 bezieht sich der Begriff ‹umweltverändernde Techniken› auf jede Technik zur Änderung der Dynamik, der Zusammensetzung oder der Struktur – einschliess lich der Flora und Fauna, der Litosphäre, der Hydrosphäre und der Atmosphäre – sowie des Weltraums durch bewusste Manipulation natürlicher Abläufe.» Kommentar Die Verwendung von DU-Munition bewirkt eine Änderung der Zusammensetzung und Struktur der kontaminierten Gebiete. Da für Produktionsstätten, Testgelände, Truppenübungsplätze und Unfallstellen das gleiche gilt, erfolgt die Wirkung weltweit. Hiervon sind Flora, Fauna und Menschen betroffen. Unter anderen geben die drei Unep-Berichte über ExJugoslawien Aufschluss. Durch die Wirkungsweise der DU-enthaltenden «Bunker Buster Bombs», durch die Wasserlöslichkeit des Urans und durch die Verbrennung des DU zu Feinstaub, der sich wie Gas verhält (s. o.), sind die Erdkruste (Litosphäre), die Wasserhülle der Erde (Hydrosphäre) und Atmosphäre betroffen. In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass der Verdacht geäussert wurde, Erdbeben könnten durch Bunker Buster Bombs und Explosivwaffen dieser Dimension ausgelöst worden sein. Das Zusatzprotokoll I zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte vom 8. Juni 1977 Teil III, Abschnitt I – Artikel 35: Grundregeln (1) «ln einem bewaffneten Konflikt haben die am Konflikt beteiligten Parteien kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Methoden und Mittel der Kriegführung. (2) Es ist verboten, Waffen, Geschosse und Material sowie Methoden der Kriegführung zu verwenden, die geeignet sind, überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden zu verursachen. (3) Es ist verboten, Methoden oder Mittel der Kriegführung zu verwenden, die dazu bestimmt sind oder von denen erwartet werden kann, dass sie ausgedehnte, langanhaltende und schwere Schäden der natürlichen Umwelt Dossier Uranwaffen 71 Zeit-Fragen 2007 verursachen.» Kommentar Zu(1): Die UN-Resolutionen 1996/16 (E/CN.4/1997/2) und 1997/36 (E/CN.4/1998/2) raten dringend von der Verwendung von DU-Munition ab. Vor dem Beginn des Golf-Kriegs von 1991 war dem US-Militär die Gefährlichkeit von DU bekannt (wissenschaftlicher Bericht). Die Entscheidung, DU und nicht Wolfram als Mittel der Kriegsführung einzusetzen, bedeutet die Anmassung eines unbeschränkten Rechts der Wahl der Mittel der Kriegsführung. Zu (2): Die Verwendung von DU-Munition und die Verwendung von DU zur Panzerung von Kriegsfahrzeugen führen zu unnötigen Verletzungen, die deshalb überflüssig sind, weil sie z. B. durch Verwendung von Wolframmunition bzw. durch grundsätzlichen Verzicht auf DU-Munition zu vermeiden wären. Wolfram ist nicht radioaktiv und hat nicht die chemische Giftigkeit von Uran. DU führt bedingt durch seine Radioaktivitat, Giftigkeit und hohe Halbwertszeit zu den unnötigen Leiden, die bei Verwendung von Wolfram oder bei grundsätzlichem Verzicht auf DU vermieden würden. Zu (3): Vor Einsatz von DU zur Kriegsführung war der US-Armee durch den Bericht einer wissenschaftlichen Einrichtung bekannt, dass DU ausgedehnte, langanhaltende und schwere Schäden der natürlichen Umwelt verursacht. Teil III, Abschnitt I – Artikel 36: Neue Waffen «Jede hohe Vertragspartei ist verpflichtet, bei der Prüfung, Entwicklung, Beschaffung oder Einführung neuer Waffen oder neuer Mittel und Methoden der Kriegführung festzustellen, ob ihre Verwendung stets oder unter bestimmten Umständen durch dieses Protokoll oder durch eine andere auf die hohe Vertragspartei anwendbare Regel des Völkerrechts verboten wäre.» Kommentar Die Prüfung der Auswirkungen der Anwendung von DU-Munition sowie ein direkter Vergleich der Eigenschaften von DU- und Wolfram-Munition erfolgte in den USA und wurde, zumindest teilweise, publiziert. Trotz des zweifelsfreien Verstosses gegen dieses Protokoll und weitere Regeln des Völkerrechts wurde DU in Munition und anderem Kriegsgerät verwendet. Teil IV, Abschnitt I, Kapitel II – Artikel 51: Schutz der Zivilbevölkerung (a): […] (b): «Ein Angriff, bei dem damit zu rechnen ist, dass er auch Verluste an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder mehrere derartige Folgen zusammen verursacht, die in keinem Verhältnis zum zu erwartenden konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen.» Kommentar zu (b) Auf Grund folgender Tatsachen steht die Verwendung von DU in keinem Verhältnis zum zu erwartenden konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil: • Uran 238 – mit 99,8% Hauptbestandteil von DU – hat eine extrem lange Halbwertszeit von etwa 4,5 Milliarden Jahren. • DU ist chemisch sehr giftig, was durch wissenschaftliche Publikationen gesichert ist. • DU verursacht eine signifikant erhöhte Rate in ihrem Erbgut (kongenital) geschädigter Neugeborener, • führt zu hohen Raten von Aborten und Totgeburten • und verursacht signifikant erhöhte Raten von Chromosomenbrüchen, Dossier Uranwaffen 72 Zeit-Fragen 2007 festgestellt an weissen Blutkörperchen (Lymphozyten). • DU ist wasserlöslich und führt daher bei Ausbringung in die Umwelt über die ökologischen Kreisläufe zur Vernichtung oder existenziellen Beeinträchtigung der natürlichen Lebensgrundlagen der Zivilbevölkerung. Teil IV, Abschnitt I, Kapitel II – Artikel 54: Schutz der für die Zivilbevölkerung lebensnotwendigen Objekte (1) […] (2) «Es ist verboten, für die Zivilbevölkerung lebensnotwendige Objekte wie Nahrungsmittel, zur Erzeugung von Nahrungsmitteln genutzte landwirtschaftliche Gebiete, Ernte- und Viehbestände, Trinkwasserversorgungsanlagen und -vorräte sowie Bewässerungsanlagen anzugreifen, zu zerstören, zu entfernen oder unbrauchbar zu machen, um sie wegen ihrer Bedeutung für den Lebensunterhalt der Zivilbevölkerung oder der gegnerischen Partei vorzuenthalten …» Kommentar zu (2) Unter anderem. während der Golf-Kriege von 1991 und 2003 sowie der Kriege in Ex-Jugoslawien (Bosnien und Kosovo) wurden Trinkwasserversorgungsanlagen zerstört oder unbrauchbar gemacht. Siehe: Kommentar zu Teil IV, Abschnitt I, Kapitel II – Artikel 51: Schutz der Zivilbevölkerung (b). Teil IV, Abschnitt I, Kapitel II – Artikel 55: Schutz der natürlichen Welt (1) «Bei der Kriegführung ist darauf zu achten, dass die natürliche Umwelt vor ausgedehnten, lang anhaltenden und schweren Schäden geschützt wird. Dieser Schutz schliesst das Verbot der Anwendung von Methoden oder Mitteln der Kriegsführung ein, die dazu bestimmt sind oder von denen erwartet werden kann, dass sie derartige Schäden in der natürlichen Umwelt verursachen und dadurch Gesundheit und Überleben der Bevölkerung gefährden; (2) Angriffe gegen die natürliche Umwelt als Repressalie sind verboten.» Kommentare Zu (1): DU erweist sich als Waffe, die langfristig alles Leben auslöscht. Siehe dazu: Kommentar zu Teil IV, Abschnitt I, Kapitel II – Artikel 51: Schutz der Zivilbevölkerung (b). Zu (2): Die Entscheidung der USA für DU-Verwendung und gegen Wolfram beinhaltet angesichts der zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits bekannten Eigenschaften von DU einen profunden Verstoss gegen Artikel 55 (2). Es wurden u. a. in Ex-Jugoslawien Chemiekombinate angegriffen und in Brand gesetzt, obwohl dies militärstrategisch nicht nachvollziehbar war und obwohl das ungeheure, dadurch freigesetzte Giftpotential bekannt war. Ergänzende Bemerkungen Ergänzend zu den obigen Aussagen zu DU im Hinblick auf alle genannten Artikel des Völkerrechts ist festzustellen, dass in einem Teil der verwendeten DU-Munition Uran 236 und Plutonium nachgewiesen wurde, was die Verwendung von DU aus Kernbrennstoffabbrand, sogenanntem «schmutzigen» DU (Sekundär-DU) beweist8. Uran 236 und Plutonium sind Marker für die Anwesenheit einer grossen Zahl weiterer im Kernreaktor entstehender und in abgebrannten Brennstäben enthaltener hochradioaktiver und hochgradig radiound chemotoxischer Elemente. Der Gedanke, dass hier eine nicht «saubere» radiologische Waffe absichtlich und gezielt eingesetzt wird, ist nicht von der Dossier Uranwaffen 73 Zeit-Fragen 2007 Hand zu weisen. Wie gefährlich einige der im Sekundär-DU enthaltenen Stoffe sind, lässt sich am Beispiel von Plutonium zeigen: «Wegen seiner hohen AlphaStrahlungsaktivität und seiner starken Neigung zur Ablagerung in den Knochen gehört Plutonium zu den gefährlichsten unter den bekannten giftigen Stoffen. Einatmung von Plutoniumstaub kann Lungenkrebs hervorrufen, Ablagerungen im Knochen wirken radioaktiv auf den gesamten Organismus; schon die Einwirkung weniger Mikrogramm Plutonium führt zu tödlichen Strahlungsschäden.»9 Ergänzend dazu sollen noch zwei Zitate des Bundesamtes fur Strahlenschutz (BfS) vom 17.07.2001 aufgeführt werden: • «Durch zivile und militärische Aktivitäten wurden bis heute weltweit etwa tausend Tonnen Plutonium erzeugt. Plutonium wurde in grösserem Ausmass in Folge der oberirdischen Atomwaffentests, die während der 50er und 60er Jahre durchgeführt wurden, in die Umwelt abgegeben. Dabei wurden knapp 4 Tonnen Plutonium weltweit verteilt». • «Es gibt keine Schwellendosis der Unwirksamkeit von inkorporiertem, d.h. in den Körper aufgenommenem Plutonium. Für Kleinkinder ist eine um den Faktor 10 höhere Resorption anzunehmen.» Die Gefahren der DU-Munition waren seit dem Golf-Krieg von 1991 und dem Kosovo-Krieg in der deutschen Öffentlichkeit bekannt. Wer 2003 für den dritten Golf-Krieg war, war damit wissentlich und willentlich für das mögliche Verbrechen der DU-Munition. Hochrangige Persönlichkeiten haben sich in Deutschland für diesen dritten Golf-Krieg ausgesprochen. Sie können sich nicht darauf zurückziehen, von der zwangsläufigen Verwendung von DU-Munition in einer heutigen kriegerischen Auseinandersetzung nichts gewusst zu haben. Diese deutlichen Worte sind wichtig, weil die weitere Verseuchung unseres Planeten unbedingt gestoppt werden muss und sich die Verantwortlichen, aber auch wir alle in unserer Rolle als Privatpersonen, über unsere Verantwortung klar werden müssen. Allerdings hilft das einem heute an den Folgen des Kontaktes mit DU erkrankten Menschen natürlich nicht; hier ist konkrete Hilfe gefragt. Dazu Prof. Schott, Vorsitzender des WODUC e. V. : «Ich bin bereit, mit allen, insbesondere mit Regierungen, zusammenzuarbeiten, die bereit sind, kontaminierte Erde zu reinigen, unabhängig von ihrer Vorgeschichte der Anwendung von DU. 1 Isotope: «Atomkerne (Nuklide) mit gleicher Protonenzahl (Kernladungszahl, Ordnungszahl), aber unterschiedlicher Neutronenzahl und damit unterschiedlicher Nukleonenzahl (Massenzahl).» Quelle: Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2001. 2 Auch Tiere leiden an den Schädigungen des Erbguts: Es treten z.B. Kälber mit 8 Beinen auf. 3 Vgl. Han Kang et al.: Pregnancy Outcomes Among US Gulf War Veterans. A Population Based Survey Of 30 000 Veterans. Annals of Epidemiology, Vol. 11, Issue 7, October 2001, ps. 504–511 4 Eva-Maria Hobiger, 10 Jahre nach dem Golf-Krieg, Irak im Februar 2001, www.embargos.de/irak/envir-DU/10 Jahre Golf-Krieg hobiger.htm 5 Quelle: BGBI. 1954 II S. 730 6 Quelle: GGBl. 1983 II, S. 125–130 7 Quelle: BGBI. 199011, 1551 8 Sekundär-DU entsteht, wenn abgereichertes Uran aus Kraftwerks-Kernbrennstoff extrahiert wird. Primär-DU wird hingegen aus Natururan gewonnen. Dossier Uranwaffen 9 74 Zeit-Fragen 2007 Quelle: Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2001 Nr. 21, 29. Mai 2007, Seite 9 Nanotechnologie – die Büchse der Pandora von Katrin Schauberger, Schweiz Seit einiger Zeit werden Nanoputzmittel für den Haushalt angepriesen: «Nie mehr putzen dank Nanotechnologie», «Mit Nano etwas für die Umwelt tun», «Weniger Putzmittel dank Nanotechnologie». Die Hersteller versprechen eine putzfreie Zukunft, ohne auf die grossen Risiken und unerwünschten Nebenwirkungen dieser Produkte hinzuweisen. Diese sind aber sehr gefährlich. Letztes Jahr mussten die Putzmittel «Magic Nano Glas- und Keramik-Versieg ler» und «Magic Nano Bad und WC-Versiegler» sofort aus den Verkaufsregalen geräumt werden, nachdem bei über 100 Anwendern dieser Mittel Vergiftungsfälle, Fälle schwerer Atemnot, Kopfschmerzen, Schüttelfrost und sogar Lungenödeme aufgetreten waren.1 Mit mikroskopisch kleinen Nanoteilen (Nano, griech.: Zwerg) versiegeln diese Produkte die Oberfläche von Lavabos, Böden, Autos usw. Laut Hersteller perlt der Schmutz ab und eine spätere Reinigung wird überflüssig. Mit diesen und anderen Argumenten versucht die Industrie ihre Produkte an den Mann bzw. an die Frau zu bringen. Anerkannte Forscher hingegen halten die Nanotechnologie für ein immenses Risiko und warnen vor den Folgen, die heute noch nicht abgeschätzt werden können. Nanopartikel können, weil sie künstlich verkleinert wurden, leichter vom Körper aufgenommen werden, in Zellen, Gewebe und Organe eindringen und dort grosse Schäden hervorrufen: «je kleiner desto schädlicher».2 «Grösste Gefahr ist vor allem dann geboten, wenn Nanopartikel über die Haut oder die Lunge aufgenommen werden können, also etwa bei Sprays oder Putzmitteln», warnt Harald Krug, Professor am Forschungszentrum Karlsruhe.3 Ist das Nanomaterial erst einmal (zum Beispiel durch Einatmen) in der Blutbahn, kann es durch den gesamten Körper transportiert werden und von Organen und Geweben aufgenommen werden. Nanopartikel dringen in die Zellen ein, können aber dort nicht abgebaut oder abgesondert werden. In einem Versuch an der Universität Rochester liess man Ratten Nanopartikel einatmen. Es konnte nachgewiesen werden, dass sich diese Teilchen bereits einen Tag später im Gehirn abgelagert hatten, d. h., dass sie problemlos die Blut-Hirn-Schranke überwinden. «In Anbetracht der Tatsache, dass Nanopartikel demnach kaum durch Gewebeschranken aufgehalten werden, dürfte auch der Zugang zu einem ungeborenen Lebewesen über die Plazentaschranke möglich sein.»4 Nanopartikel sind nachweislich giftig und verursachen Veränderungen der DNA, also der Erbsubstanz, Störungen der Funktion des menschlichen Zellkerns oder sogar den Zelltod.5 Nicht von ungefähr stuft deshalb die Swiss Re, eine der weltweit grössten Rückversicherer, die Nanotechnologie als eines der bedrohlichsten Risiken für die Menschheit ein: «Im Laufe der gesamten Evolution war die Menschheit noch nie einer solchen Art und Menge von Substanzen ausgesetzt, die – Dossier Uranwaffen 75 Zeit-Fragen 2007 offenbar ungehindert – in den menschlichen Körper eindringen können.»6 Was diese Nanopartikel in Natur und Tierwelt anrichten, lässt sich bisher nur erahnen. Versuche haben gezeigt, dass diese Partikel für den Menschen und die Böden wichtige Bakterien und Mikroorganismen töten. Durch die Nahrungskette werden sie natürlich auch von Tier und Mensch aufgenommen. Dieses grosse Risikopotential ist kein evolutionärer Vorgang, sondern künstlich gemacht. Wir brauchen keine Nanotechnologie, die die Menschheit und das gesamte Leben auf unserem Planeten bedroht. Jeder Verbraucher ist deshalb aufgerufen, dem «Nanoboom» etwas entgegenzusetzen. Diese bewuss te Ablehnung beginnt im eigenen Haushalt. Wie unten gesagt, putzen muss man immer noch selber, und das am besten mit selbstgemachten Putzmitteln, deren Inhalte bekannt und umweltverträglich sind. Das ist einfacher, billiger und umweltschonender. Allein durch die bewusste Entscheidung für umweltschonende Putzmittel und gegen eine Technologie, die die Natur und alle Organismen schwer schädigt und sogar zerstört, trägt jeder einzelne zur Erhaltung unseres Planeten für die kommenden Generationen bei. Eine umsichtige Planung der gesamten Haushaltspflege gehört dazu. • 1 www.3sat.de, 1w7.05.06 und www.hl-live.de, 4.4.2006 2 Heike Ehlers, Unter Zwergen, Global News 3/06, S. 18 und Swiss Re, Nanotechnologie, kleine Teile – grosse Zukunft? 2004, S. 16 3 Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Ortsverband Landeck, Verbraucherrisiko Nanotechnologie, www.bund-landeck.de 4 Swiss Re, a.a.O., S. 22 5 Heike Ehlers, Unter Zwergen, a.a.O. und www.bund-landeck.de 6 Swiss Re, a.a.O., S. 39 Putzmittel selbst gemacht Allzweckreiniger 9 dl Wasser 2 Essl. Soda zusammen erhitzen 1 Essl. feste Schmierseife dazuschwingen 2 Essl. Brennspiritus zugeben Verwendung: Wie handelsüblicher Allzweckreiniger, kann auch als Spülmittel verwendet werden, wenn sehr gut vorgespült wurde. Flüssige Schmierseife 9 dl Wasser 1 Zitrone, Schale 3 Essl. Soda zusammen erhitzen 2–3 Essl. feste Schmierseife zugeben, verschwingen, erkalten lassen, in Flasche absieben Verwendung: Sparsam, wie handelsübliche, flüssige Schmierseife verwenden. Kalkreiniger 1,5 Essl. Zitronensäure 3 dl Wasser umrühren, bis alles gelöst ist 1 Tropfen Abwaschmittel zugeben in Sprühflasche oder Flasche mit kleiner Öffnung füllen Verwendung: Wie handelsüblicher Entkalker; je mehr Zitronensäure man zugibt, desto stärker ist der Entkalker. Schnellreiniger für Fenster oder Spiegel 3 dl Wasser 1 dl Brennspiritus Dossier Uranwaffen 76 Zeit-Fragen 2007 1 Tropfen Abwaschmittel in Sprühflasche abfüllen, gut schütteln Verwendung: Wie handelsüblicher Fensterreiniger. Quellen: Kursunterlagen Kant. Bildungszentrum für Hauswirtschaft, Weinfelden Hauswirtschaft, Landwirtschaftliche Lehrmittelzentrale, 1998. Nr.31, 6. August 2007, Seite 4 Einsatz der völkerrechtswidrigen Urangeschosse nicht verharmlosen Betrifft DRS-Sendung «Bsuech in …» vom 23. Juli 2007 Ich bin gewohnt, die Begebenheiten in unserem Land aktiv mitzugestalten und zu diversen Dingen in Kultur und Politik auch Stellung zu nehmen. Obwohl ich sonst eine mässige Fernseh-Konsumentin bin, habe ich diesen Sommer alle Sendungen von «Bsuech in …» mitverfolgt. Dies deshalb, weil ich angenehm überrascht war von der Vielfalt und der positiven Ausstrahlung dieser Sommerserie. In der Zeitung las ich dann, dass die hohe Einschaltquote dem schlechten Wetter zugeschrieben wird, was ich allerdings bezweifle. Die Qualität der Sendungen liegt in erster Linie an der geeigneten Präsentation von Heinz Margot und der Idee, die Bevölkerung in ein Projekt einzuspannen. Die Zusammenarbeit und Darbietung einer regionalen Spezialität, wie des Scherenschnittbilds in Gstaad, hinterlassen eine positive Stimmung, die ich sonst im Fernsehen oft vermisse. Gerade aus diesen Gründen bin ich aber über einen Teil der letzten Sendung aus Spiez speziell empört. Dass das schöne Sendegefäss «Bsuech in …» durch das Labor Spiez zu politischer Propaganda missbraucht wird, ist absolut unhaltbar. Man lässt den Wissenschafter auftreten, der Bodenproben aus dem Irak auf abgereichertes Uran untersucht. Irak ist seit Jahren ein vom Krieg gebeuteltes Land. Die Menschen sterben nicht nur durch Bomben und an Unterernährung. Wer sich breit informiert, weiss, dass die Krebsrate seit den Bombardierungen enorm zugenommen hat, genauso wie die Missbildungen an Neugeborenen. Dann einen Wissenschafter zu vernehmen, der Entwarnung gibt und sagt, die Bevölkerung in den Krisengebieten könne dank den Untersuchungen des Labors Spiez wieder aufatmen und besser leben, grenzt an Zynismus und ist pure Augenwischerei. Zwar sind solche Behauptungen aus der Politik und aus Polit sendungen nicht neu, was nicht heisst, dass sie toleriert würden. Wenn die Zuschauer einer ansonsten positiven Sendung jedoch mit solchen Botschaften gefüttert werden, dann ist dies nicht nur ein Affront gegen das Schweizer Fernsehpublikum, sondern ganz besonders eine Arroganz gegenüber der Zivilbevölkerung in den Kriegsgebieten, die unserer Solidarität und dringenden Hilfe bedürfen. Die Schweiz hat als neutrales Land und Mitglied der Genfer Konvention eine humanitäre Verpflichtung. Auch das Schweizer Fernsehen hat dem Rechnung zu tragen. Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr und korrigieren Sie diesen Bericht, indem Sie andere Stimmen zu Worte kommen lassen, die das Unrecht benennen. Es gibt nämlich weltweit unabhängige Wissenschafter, die den Einsatz der völkerrechtswidrigen Urangeschosse nicht verharmlosen und alles Dossier Uranwaffen 77 Zeit-Fragen 2007 unternehmen, damit das Verbot endlich durchgesetzt wird, so wie es längst fällig ist. Rita Brügger, Arni Nr.31, 6. August 2007, Seite 5 bis 7 Wenn Schüler und Studenten fragen, was die vierte Generation von Atombomben sei … ear. Der Film «Dimenticare Hiroshima» des italienischen Senders «Rai» – Redaktion Le inchieste di Rainews 24 – dokumentiert in einer Skizze die Entwicklung der Atombombentechnik, ihre «Verfeinerung» und ihre verheerenden Folgen seit 1945 (www.rainews24.rai.it). Die Aktualität des von «Rai 24» ausgestrahlten Films ist durch die seit Anfang 2002 gültige Doktrin der Bush-Regierung gegeben, Atomwaffen – möglicherweise in miniaturisierter Form, aber mit grösserer Sprengkraft – gegen sogenannte Schurkenstaaten einzusetzen. Der Film beleuchtet die Bedrohung durch die Entwicklungen auf dem Gebiet der Nukleartechnik – im militärischen Bereich – und macht eindringlich deutlich, welche Zukunft die Menschheit erwartet, wenn diese Entwicklungen und ihre Testläufe in den heutigen Kriegsgebieten nicht von der Staatengemeinschaft geächtet werden. Die folgende Filmskizze gibt einen kompetenten, wenn auch kurzen Abriss; sie ist zum besseren Verständnis mit Bildbeschreibungen unterlegt und regt zu Diskussionen an, denen sich die Schule nicht verschliessen sollte. Schliesslich geht es um die zukünftigen Generationen und ihre Lebensbedingungen – auf der ganzen Welt. «Hiroshima vergessen» Atomwaffen der vierten Generation von Angelo Saso und Maurizio Torrealta, Italien Erstes Bild Im Vorspann des Filmes spricht der amerikanische Präsident Bush zu einer erlauchten Zuhörerschaft. George W. Bush, Weisses Haus, 1. Mai 2001: «In der heutigen Welt genügt eine Abschreckung aus der Zeit des kalten Krieges nicht mehr, um den Frieden zu erhalten und unsere Mitbürger, unsere Verbündeten und Freunde zu beschützen. Wir müssen das Augenmerk auf eine Sicherheit richten, welche mehr ist als die unheilvolle Voraussetzung, dass wir diejenigen, welche uns vernichten wollen, vernichten können. Wir brauchen einen neuen Rahmen, welcher uns erlaubt, die nötigen Raketenabwehrsysteme zu bauen, um den heutigen Bedrohungen entgegenzutreten. Um dies zu tun, müssen wir über die Einschränkungen des 30jährigen ABM-Vertrages hinausgehen.» Dossier Uranwaffen 78 Zeit-Fragen 2007 Zweites Bild Der riesige Atompilz einer Bombe, wie sie 1945 auf Hiroshima geworfen wurde, leitet den Film ein. Verwüstung und Grauen, 100 000 Tote und Tausende von schwerkranken und siechenden Menschen waren die Folge dieser von den USA zum ersten Mal eingesetzten schrecklichen Waffe. Kommentator: Am 17. Januar 2007 hat das «Bulletin of the Atomic Scientists», eine Gruppe von Wissenschaftlern, der die stolze Zahl von 18 Nobelpreisträgern angehört, den Zeiger der symbolischen Uhr, welche zeigt, wieviel bis zum Ende der Welt noch fehlt, um zwei Minuten weitergerückt. Heute fehlen noch 5 Minuten bis zur Mitternacht des Planeten. Mehr als die 2 Minuten, die 1952 fehlten, als die USA ihre erste Wasserstoffbombe testete, aber viel weniger als die 17 Minuten, welche 1991, am Ende des kalten Krieges, erreicht wurden. Drittes Bild Die Uhr mit dem Zeiger auf 5 vor 12 wird wiedergegeben. Kennette Benedict, Geschäftsführerin des Bulletin of the Atomic Scientists, erklärt gegenüber der BBC: «Wir müssten ziemlich beunruhigt sein. Es werden immer mehr Nationen darauf aus sein, Atomwaffen zu haben, und die Nationen, welche schon ein nukleares Arsenal haben, sind daran, neue zusätzliche kleinere Atomwaffen zu bauen. Und sie beginnen über den Gebrauch dieser neuen Waffen zu reden und ändern so faktisch ihre Haltung über einen möglichen Einsatz von Atomwaffen in kriegerischen Operationen.» Viertes Bild Fotos von Hiroshima nach dem Atombombenabwurf 1945, alles ist verwüstet, die Stadt liegt in Schutt und Asche, Menschen irren herum, Bilder des nackten Grauens für jedes mitfühlende Herz. Kommentator: Seit der ersten Atombombe sind 60 Jahre vergangen: Sehen wir, wie sich diese Atombomben verändert haben, welche Entwicklung es gegeben hat. Atombomben der ersten Generation Emilio Del Giudice, Professor für theoretische Physik. Während Jahren hat er im Institut für Atomphysik in Mailand gearbeitet: «Diejenigen der ersten Generation nutzten das Phänomen der Atomspaltung, das heisst, wenn sich ein Atomkern, der so schwer ist wie Uran 235 oder Plutonium, teilt, entsteht Energie. Also, um diesen Atomkern zu trennen, bombardiert man ihn mit Neutronen. Weil das Neutron einen gewissen Weg in der Hauptmaterie durchlaufen muss, um den Atomkern zu treffen, muss die Uranmasse oder ein anderes anwesendes spaltbares Material diesen sogenannten ‹freien mittleren Weg› überschreiten. Es braucht also eine kritische Masse, welche eine gewisse Menge übersteigen muss, so dass zum Zeitpunkt der Zündung die Kraft der Explosion eine gewisse Schwelle überschreiten muss. Das führt dazu, dass ich mit den Atomwaffen der 1. Generation entweder eine ganze Stadt vernichte oder gar nichts.» Atombomben der zweiten Generation Emilio Del Giudice, Atomphysiker: «In der zweiten Generation braucht man dagegen den Prozess der Kernfusion. Dass heisst, man lässt eine Atombombe der ersten Generation explodieren, Dossier Uranwaffen 79 Zeit-Fragen 2007 welche die Wasserstoffbombe zündet. Durch die Explosion der Atombombe werden die Kerne eine sehr hohe kinetische Energie entwickeln, dank der sie die elektrische Abstossungsenergie überwinden. So entsteht die Kernfusion. Diese Waffen der zweiten Generation sind katastrophal, und sie können nicht auf dem Schlachtfeld gebraucht werden. Dort kann man ihre Wirkung nicht einschränken, um somit zu vermeiden, dass Gebiete und Personen getroffen werden, die man gar nicht treffen will. Es kann nicht ein einziges Gebäude getroffen werden, sondern nur eine ganze Stadt.» Atombomben der dritten Generation Emilio Del Giudice, Atomphysiker: «In der dritten Generation versucht man bewusst, zu einer weniger starken Explosion als derjenigen von Hiroshima zu gelangen. Dafür verlangsamt man beispielsweise die Explosion, so dass die kritische Masse in Stücken davonfliegt und sich somit ein Hauptteil der Explosion entzieht.» Fünftes Bild Dazu werden Techniker beim Verladen der Atombomben, physikalische Abbildungen zur Funktionsweise der kernphysikalischen Prozesse, Fotos von Atombombentests gezeigt. Der Feuerball und die radioaktive Strahlung vernichtet jedes Leben – auf Jahrhunderte hinaus. Gezeigt werden dann Atombomben in kleiner Ausführung, eventuell Granaten, sie werden abgeschossen aus einer Art Kanonenrohr. Kommentator: 12. Juni 1978. In einer Diskussion an der Uno kündigte der damalige Staatssekretär Cyrus Vance die Verpflichtung der amerikanischen Regierung an, die Atomwaffen nie gegen eine Nicht-Atommacht einzusetzen. Im Januar 2002 kommt der Wendepunkt. Präsident George W. Bush präsentiert im Kongress die neue Linie seiner Administration. Die USA könnten Atomwaffen gegen 7 Länder benützen: Russland, China, den Irak, Iran, Nordkorea, Libyen und Syrien. Von diesen besitzen mit Sicherheit nur Russland und China ein Atomwaffenarsenal. George W. Bush, Weisses Haus, 1. Mai 2001: «Die Atomwaffen spielen heute noch eine vitale Rolle in der Sicherheit der USA und unserer Verbündeten. Wir müssen und können die Dimension, die Zusammensetzung und den Charakter unserer Atomwaffen ändern, so dass sie die Tatsache reflektieren, dass der kalte Krieg zu Ende ist.» Atomwaffen der vierten Generation Kommentator: Die Entwicklungen im Bereich der Nanotechnologie und die neuen Entdeckungen in der Physik eröffnen den Weg des neuen Konzepts der «Atomwaffen der vierten Generation». Die neue Grenze ist die Herstellung immer kleinerer Atomsprengköpfe, ausgestattet mit präziserer Zündung, welche die Kraft auf ein akzeptables Niveau eines reellen Schlachtfeldes reduzieren können. Im Gegensatz zur klassischen Atombombe verursachen die Waffen der vierten Generation nur eine begrenzte radioaktive Verseuchung, die spezifischen Eigenschaften werden aber noch durch das Militär geheimgehalten. Robert W. Nelson lehrt an der Princeton University und ist Mitglied der Dossier Uranwaffen 80 Zeit-Fragen 2007 Federation of American Scientists: «Ich glaube, dass mit Ausnahme von Nord-Korea der grösste Teil der Atommächte sicherlich die Kapazität hätte, kleinere nukleare Waffen zu bauen.» William Arkin, ehemaliger Analytiker des Pentagon, ist heute militärischer Berater des Fernsehsenders ABC und der «Washington Post». 1992 war er einer der ersten, welcher die Waffen der neuen Generation im Bulletin of Atomic Scientists anklagte. «Kleinste Waffen für Minigehirne» war der Titel seines Artikels: «Ja, es ist möglich eine Waffe zu bauen, die kleiner als 300 Tonnen ist. Im Vergleich zu den Waffen, welche wir jetzt besitzen, ist es sicher möglich, Atomwaffen von 10 bis 20 Tonnen herzustellen, und sicherlich können wir diese Waffen mit einer präzisen gelenkten Plattform verbinden, welche es erlaubt, viel näher ans Ziel zu kommen und in die Tiefe zu gehen.» Robert W. Nelson, Federation of American Scientists, Princeton University: «Wenn es gelingt, eine Miniaturwaffe zu entwickeln, welche in eine Rakete eingefügt werden kann, ist es gelungen, die Technik zu verbessern, Waffen zu entwickeln, die unter dem Namen ‹Primärwaffen mit niedriger Explosionskraft› bekannt sind. Der Kern und wenn wir wollen das Zündholz, welches eine grosse atomare Explosion zündet, und diese Explosion des Primärkerns ist im wesentlichen eine Mini-Atomwaffe.» Sechstes Bild US-amerikanische Soldaten landen mit den riesigen Transportmaschinen im Irak und rüsten sich für die Kampfhandlungen, Bilder von Vorbereitungen zu Kampfhandlungen. Kommentator: Sofort nach dem «Wüstensturm» im Jahre 1991 schrieb der damalige USVerteidigungsminister Dick Cheney ein absolut geheimes Dokument, welches die Hauptleitlinie des Gebrauchs der nuklearen Waffen beinhaltete. Die Administration Bush beauftragte formell das Militär, den Einsatz von Atomwaffen gegen die Nationen der dritten Welt, die man für fähig hält, Massenvernichtungswaffen zu entwickeln, zu planen. Seit dem ersten Golf-Krieg 1991 bis zu den Kriegen in den 90er Jahren auf dem Balkan und erneut seit 2003 im Irak haben Dutzende von klinischen Befunden das Vorhandensein von Unregelmässigkeiten bei Körperverletzungen und Pathologien in Zusammenhang mit den Bombardierungen der USA und der Nato offenkundig gemacht. Siebtes Bild Man sieht tote Soldatenkörper, die nicht verbrannt, sondern wahrscheinlich unter einer grossen Hitzeeinwirkung gestorben sind. Man sieht einen toten Körper, die Kleider des Soldaten sind nicht verbrannt. Der Tote liegt in einem grossen Krater, der durch eine ausserordentlich gewaltige Explosion entstanden sein muss. Emilio Del Guidice, Atomphysiker: «Berichte aus den Kriegsgebieten, wo diese Waffen leider eingesetzt werden, geben Anhaltspunkte für Ereignisse, die auf Atomwaffen schliessen lassen […], man sieht zum Beispiel schwarze Körper, ohne dass es Spuren von Verbrennung gibt. Wenn wir – und ich unterstreiche wenn – eine massive Dossier Uranwaffen 81 Zeit-Fragen 2007 Präsenz von Gammastrahlen hätten, hätten wir eine Superlampe, welche erklären würde, weshalb der Körper sich schwärzt. Wer aber hätte diese Gammastrahlen ausgelöst, wenn keine Explosion des Typs Hiroshima oder auch durch Mininukes festgestellt wurde?» Achtes Bild Gezeigt wird eine Fachpublikation mit dem Titel «A comparison of delayed radiobiological effects of depleted-uranium munitions versus fourth-generation nuclear weapons» [Ein Vergleich verzögerter strahlenbiologischer Wirkungen abgereicherter Uran-Munition mit Atomwaffen der vierten Generation] von André Gsponer, Jean Pierre Hurni und Bruno Vitale. Kommentator: Nach dem Schweizer Physiker André Gsponer kam das abgereicherte Uran erstmals 1991 im Irak zum Einsatz, gerade um das Tabu zu brechen, das seit 1945 Bestand hatte, und um die Atomwaffen der vierten Generation einzuführen. Emilio Del Giudice, Atomphysiker: «Wenn wir die zerstörten Panzer anschauen, nicht so sehr diejenigen des Libanon-Krieges, sondern jene des Golf-Krieges, sieht man, dass diese weit mehr zerstört sind als ihre Vorgänger im Zweiten Weltkrieg, im Korea-Krieg oder in den Kriegen des Nahen Ostens. Ausserdem erscheinen sie geschmolzen, im thermodynamischen Sinn des Wortes. Wir meinen damit, dass über 30–40 Tonnen Stahl geschmolzen sind(!). Das heisst, dass eine viel höhere Energie freigesetzt wurde, als dies der Fall ist bei normaler konventioneller Munition. All das lässt erahnen, dass wir es mit neuen nuklearen Prozessen zu tun haben.» Robert W. Nelson, Federation of American Scientists, Princeton University: «Während der ersten Jahren der Administration Bush wurde der Versuch gemacht, Mini-Atomwaffen zu entwickeln, oder besser gesagt, es wurde die Erlaubnis dazu gegeben.» Kommentator: Aber nach Bush Vater nahm Bill Clinton im Weissen Haus Einsitz. 1994 fügten die Demokraten John Spratt und Elizabeth Furse der Militärrechnung eine Bestimmung zu, welche die Erforschung und die Weiterentwicklung von Atomwaffen mit geringerer Sprengkraft als 5 Kilotonnen verbot. Von Waffen also, die kleiner sind als jene, die in Hiroshima und in Nagasaki eingesetzt wurden, aber kräftiger sind als jede Waffe, die je auf einem Schlachtfeld eingesetzt wurde. Das Verbot wird zum Gesetz. Robert W. Nelson, Federation of American Scientists, Princeton University: «Es gab effektiv ein Gesetz, welches in diesen Laboratorien die Arbeit mit diesen Waffengattungen verhinderte. Im Herbst 2004 wurde dieses Gesetz abgeschafft, aber der Kongress hat nie die Geldmittel bewilligt, um das zu bauen, was wir Mininukes nennen. Soviel ich weiss, gibt es keine bewilligte Forschung von Mini-Atomwaffen in den USA. Es ist möglich, dass in Israel oder in andern Ländern, die mit Atomwaffentechnologie ausgestattet sind, diese Art von Forschung existiert, ich habe aber keine Kenntnis davon.» William Arkin, «Washington Post», ehemaliger Analytiker des Pentagon: Dossier Uranwaffen 82 Zeit-Fragen 2007 «Wenn die USA beginnen würden, eine neue Generation von Atomwaffen zu entwickeln mit den entsprechenden Nukleartests, könnte ich die Übereinkünfte mit den Russen verstehen. Diese würden auf dem eigenen Boden diese Atomwaffen testen, weil die Folgen und die Schwierigkeiten, die Waffen in Nevada zu testen, zu gross wären. Ich glaube, dass es in Zukunft eine sehr interessante nukleare Allianz geben könnte.» Kommentator: In den Jahren des kalten Krieges war die Sowjetunion der einzige nukleare Gegenspieler der USA. Aus dieser Zeit hat das Russland der Ära Putin die Installationen, die Projekte und die Leute geerbt. Viktor Mikhailov, der mysteriöse Professor M., welcher seit 1982 das föderative Zentrum der Nuklearen Erforschung geleitet hat und unter Boris Jelzin Minister für Atomenergie wurde: «Russland hat nie jene Waffen, welche Sie Mininukes nennen, angewendet, also Bomben der Kraft von 300 bis zu 3000 Tonnen TNT. Das sind Atomwaffen, welche noch nie von jemandem angewendet worden sind.» William Arkin, «Washington Post», ehemaliger Analytiker des Pentagon: «Ich glaube, dass die USA auf dem Gebiet der kleinen nuklearen Waffen, welche eingesetzt werden können, dominieren. In den Zeiten der Sowjetunion kursierte ein Witz, der sich etwa so anhörte: ‹Hey, hast du gehört, dass die Russen eine Atomwaffe entwickelt haben, welche in einem Koffer Platz hat?› Und die Antwort war: ‹Ja, ich habe von dieser Waffe gehört, jetzt sind sie im Begriff, den Koffer zu perfektionieren.› Damit will ich sagen, dass all dies nicht unmöglich ist. Die Gefahr, glaube ich, besteht nicht darin, dass ein anderer nicht dazu in der Lage wäre. Die Gefahr besteht im Signal, welches die Vereinigten Staaten aussenden, wenn sie beschliessen würden, besser einsetzbare Atomwaffen weiterzuentwickeln.» Neuntes Bild Militärparade mit riesigen Raketen auf dem Roten Platz in Moskau. Viktor Mikhailov, ehemaliger Minister der Atomenergie in der Russischen Föderation: «Die Sowjetunion hatte aussergewöhnliche Atomwaffen entwickelt, welche weder von der Konzeption, noch von der Leistung her schlechter waren als die Waffen der USA. Die USA sind die einzige Vergleichsgrösse, die anderen sind weit entfernt von unserem Niveau. Ich halte fest, dass der kalte Krieg zu Ende ist, aber dass er nicht als Folge unseres technisch-wissenschaftlichen Potentials verloren wurde, sondern wegen der Ökonomen und der Finanziers: Wenn es Probleme gegeben hat, sind sie diesen anzulasten. Wir waren und sind eine grosse Macht geblieben. Und wir werden es bleiben, solange wir dieses Potential haben und unsere Waffen an der Spitze sind. Man soll Russland mit Respekt behandeln.» Kommentator: Die «Union of Concerned Scientists» hat vor den nuklearen Projekten der Administration Bush gewarnt. Im speziellen gegen die Hypothese der Experimente mit Atomwaffen, um die nuklearen Programme Irans zu stoppen. Auf der Internetseite der Union of Concerned Scientists kann man dazu eine Animation herunterladen: Grafische Animation, produziert von der Gruppe Dossier Uranwaffen 83 Zeit-Fragen 2007 «Union of Concerned Scientists» (siehe Kasten auf dieser Seite). Die USA haben eine neue Waffe entwickelt. Es handelt sich um eine «nukleare Durchschlagswaffe», speziell entwickelt, um unterirdische Bunker zu zerstören. Verschiedene unabhängige wissenschaftliche Studien haben die Ineffizienz dieser Bombe aufgezeigt. Nicht nur, dass sie wenig effizient gegen die in der Tiefe situierten Bunker sind, sondern der Gebrauch der «Robust Nuclear Earth Penetrator» hätte einen gefährlichen radioaktiven Fallout zur Folge, der potentiell für Millionen Zivilisten tödlich wäre. Diese Bombe könnte nur einige Meter tief in die Erde eindringen, was die Eindämmung der Atomexplosion und die darauffolgende radioaktive Wolke verhindern würde. Die Radioaktivität würde sich über 2000 Kilometer ausbreiten. Wenn die USA einen einzigen Sprengkopf von einer Megatonne einsetzen würden, zum Beispiel gegen das nukleare Zentrum von Isfahan in Iran, würde der radioaktive Fallout in kürzester Zeit Pakistan, Afghanistan und Indien erreichen. In dieser Simulation, die auf einem im Pentagon entwickelten Modell basiert, würden durch den nuklearen Angriff mehr als 3 Millionen Menschen sterben. Weitere 35 Millionen Zivilisten wären danach einer Menge von Radioaktivität ausgesetzt, die zu Tumoren und anderen tödlichen Krankheiten führen würde. Um unterirdische Objekte zerstören zu können, müsste die von der Bombe verursachte Stosswelle den Bunker erreichen können. Aber eine Explosion von einer Megatonne, die von einer 60mal stärkeren Bombe als jener von Hiroshima provoziert würde, könnte Bunker zerstören, die maximal 350 Meter von der Explosionsstelle entfernt wären. Eine Atomwaffe wäre nicht einmal in der Lage, allfällige unterirdische Depots mit chemischen oder biologischen Waffen zu vernichten, ausser wenn die Bombe sehr nahe daran explodieren würde. Die Hitze und die Strahlen einer nuklearen Explosion zur Neutralisierung von Chemikalien oder Bakterien breiten sich unter der Erde sehr schlecht aus. So könnte paradoxerweise eine solche Explosion die gegenteilige Wirkung haben, als die vorgesehene: Nicht nur die eigene Strahlung, sondern auch die gefährlichen Gifte könnten in der Umgebung zerstreut werden. Ein effizientes Mittel, um unterirdische Bunker zu neutralisieren, wäre deren Öffnungen nach aussen, das heisst die Tunneleingänge, mit traditionellen Waffen zu beschiessen. Auf diese Weise bliebe der Anteil der kontaminierenden Substanzen im Untergrund versiegelt, und das feindliche Personal könnte weder in die Bunker hinein noch hinaus. Viktor Mikhailov, ehemaliger Minister der Atomenergie in der Russischen Föderation: «Im vergangenen April hatte ich mit einem Amerikaner eine Vodka-Flasche gewettet, ein hohes Tier, dass die Amerikaner den Krieg in Iran nicht anfangen würden […].» William Arkin, «Washington Post», ehemaliger Analytiker des Pentagon: «Und wenn der Präsident der USA sich entscheiden würde, gegen Iran in den Krieg zu ziehen, sogar als Präventivkrieg, würde es die amerikanische Armee bereits beim ersten Angriff bevorzugen, auf die konventionellen Waffen und auf diejenigen der Information zurückgreifen und nicht auf die Atomwaffen. Ich glaube, es handelt sich ausschliess lich um ein ideologisches Projekt, das weder die Unterstützung der amerikanischen Armee noch jene der Gemeinschaft der Nationalen Sicherheit hat.» Dossier Uranwaffen 84 Zeit-Fragen 2007 Viktor Mikhailov, ehemaliger Minister der Atomenergie in der Russischen Föderation: «Es könnte auch Bomben dieses Typs geben, atomare Sprengkörper mit reduzierter Kraft. Wir sind aufmerksam und wissen darüber Bescheid. Aber vergessen wir nicht, 0,3 Kilotonnen sind gleichbedeutend mit 300 Tonnen TNT.» Sind diese vorgesehen, um die unterirdischen Bunker zu treffen? Viktor Mikhailov: «Vielleicht glauben das die Amerikaner. Weil es bis heute nichts anderes gibt. Sie verfügen bis jetzt über keine durchdringenden Bomben von grosser Tiefenwirkung. Sie haben weder Bomben noch atomare Sprengköpfe dieser Art. Sie sind im Begriff, einen atomaren Sprengkörper zu entwickeln, welcher nach einer ersten Explosion in der Lage ist, einige Dutzend Meter oder sagen wir 100 Meter in die Felsen einzudringen. Aber es ist ein enormes technisches Problem.» William Arkin,«Washington Post», ehema liger Analytiker des Pentagon: «Ich sehe den demokratischen Kongress nicht, die Wiederaufnahme der nuklearen Tests oder die Wiederherstellung von neuen Atomwaffen zu befürworten, aber ich glaube, dass sich ein neuer Konsens entwickeln wird, welcher die Demokraten einbinden wird. Das bedeutet, dass die USA am Schluss neue Atomwaffen entwickeln müssen.» Was geschieht, wenn jemand beschliesst, solche Waffen einzusetzen? Viktor Mikhailov, ehemaliger Minister der Atomenergie der Russischen Föderation: «Das wird der Atomkrieg sein. Der Einsatz von Sprengkörpern mit der Kraft von 300 Tonnen, von 1000 Tonnen, von Millionen von Tonnen TNT, bedeutet den Atomkrieg. Das wird absolut für alle klar sein, eingeschlossen für Russland, die USA, die Atommächte wie England, Frankreich, China. Es wird für sie klar sein, dass es um den Atomkrieg geht.» Zehntes Bild Wieder wird die Uhr gezeigt, die zeigt, wie wenige Minuten noch bis Mitternacht fehlen. Kommentator: Die Uhr von Washington tickt seit über 60 Jahren weiter, manchmal langsamer, manchmal schneller. In der Epoche, die vom Atompilz von Hiroshima und Nagasaki eröffnet wurde, schien die Mitternacht viele Male näher zu sein, aber zum Glück hat niemand diese Grenze überschritten. Heute existiert diese Grenze nicht mehr. Kennette Benedict, Geschäftsführerin des Bulletin of the Atomic Scientists: «Während des kalten Krieges glaubte man, dass diese Art von Waffen zu zerstörerisch sei, dass ihre Auswirkungen zu zerstörerisch und schrecklich seien, während es heute dagegen Leute gibt, die denken, dass die Atomwaffen eine Möglichkeit seien, die in Erwägung gezogen werden kann. Die Regeln über den Gebrauch der Atomwaffen und das kritische Bewusstsein in den Zeiten des kalten Krieges sind daran, sich aufzulösen, und alles das ist wirklich beängstigend.» Dossier Uranwaffen 85 Zeit-Fragen 2007 Elftes Bild Zum Filmende wird eine grosse Demonstration in Hiroshima gezeigt, Menschen erinnern sich an die unsägliche Tragödie des Atombombenabwurfs der USA 1945. Menschen beten und weinen. Quelle: www.rainews24.rai.it/ran24/inchieste/01022007_hiroshima.asp. Der Film kann von dieser Website heruntergeladen werden. (Übersetzung Zeit-Fragen) Weiterführende Literatur für Gymnasiasten und Studenten: André Gsponer, Jean Pierre Hurni, and Bruno Vitale. A comparison of delayed radiobiological effects of depleted-uranium munitions versus fourth-generation nuclear weapons. PDF format: arxiv.org/PS_cache/physics/pdf/0210/0210071v2.pdf André Gsponer. From the Lab to the Battlefield? Nanotechnology and Fourth Generation Nuclear Weapons. PDF format: arxiv.org/abs/physics/0509205v2 Caldicott, Helen. Atomgefahr USA: Die nukleare Aufrüstung der Supermacht. Diederichs Verlag, München 2003, ISBN 3720523853 Hersh, Seymour M. Atommacht Israel: Das geheime Vernichtungspotential im Nahen Osten. Knaur, München 1994, ISBN 3-426-80020-9 Weitere Filme zum Thema: Deadly Dust – Todesstaub, 2006 Deutschland. Filmdokumentation von Frieder Wagner. Kontaktadresse für die Bestellung des Films: TELEPOOL / ONEPOOL, Sonnenstrasse 21, D-80331 München, Telefon: +49 89 558760, Fax: +49 89 556 76 229, E-mail: [email protected], www.telepool.de The Unknown Terror of DU: Iraqi Children Now, 2005. Japan, DVD Dokumentation von Naomi Toyoda and Hitoshi Shimizu. (Kontaktadresse für die Bestellung des Films: [email protected]) «Union of Concerned Scientists» The Robust Nuclear Earth Penetrator – RNEP Mai 2005. Die Bush-Regierung hat erneut vom Kongress die Bewilligung von Geldern für Forschungen zu einer neuen Art von Atombombe gefordert. Der Robust Nuclear Earth Penetrator (RNEP) ist eine nukleare Waffe, die sich einige Meter in Felsen oder Beton graben kann, bevor sie explodiert, und damit eine mächtige unterirdische Schockwelle auslöst. Ihre hypothetischen Ziele sind tief vergrabene Kommandobunker oder unter irdische Lagerstätten für chemische oder biologische Wirkstoffe. Das RNEP-Budget ist nicht nur einfach eine Machbarkeitsstudie: Das Budget des Department of Energy von 2005 umfass te einen Fünf-Jahres-Ansatz – insgesamt 484,7 Millionen Dollar – für die Waffenlaboratorien, damit sie einen vollständigen Entwurf für einen Sprengkopf herstellen und mit der Produktion ab 2009 beginnen. Letztes Jahr hat David L. Hobson, der republikanische Vorsitzender des House Appropriations Energy and Water Development Subcommittee, die FY05-Mittel (Fiscal Year) für das Programm gestrichen und festgestellt: «Wir können nicht Dossier Uranwaffen 86 Zeit-Fragen 2007 die Nichtweitergabe von Atomwaffen überall auf der Welt verfechten, während wir hier zu Hause betriebsfähigere Nuklearwaffen-Optionen verfolgen.» Aber der Antrag an das FY06-Budget beinhaltet 4 Millionen Dollar für RNEP und weitere 4,5 Millionen Dollar dafür, den B-2-Bomber so anzupassen, dass er diese Waffe tragen kann. Das RNEP-Design: Waffenkonstrukteure am Lawrence Livermore National Laboratorium beabsichtigen, einen bereits existierenden hochwirksamen Waffensprengkopf – die 1,2-Megatonnen-B83-Nuklearbombe – in einem längeren, stärkeren und schwereren Bombenmantel zu verwenden. Die B83 ist die grössste Atomwaffe im US-Arsenal und hat fast 100mal mehr Sprengkraft als die Nuklear bombe, die auf Hiroshima abgeworfen wurde.1 Technische Gegebenheiten: Wie verschiedene, kürzlich durchgeführte wissenschaftliche Studien besagen, war RNEP nicht wirksam beim Zerstören vieler unterirdischer Ziele, und ihr Einsatz könnte den Tod von Millionen von Menschen zur Folge haben.2 Der RNEP würde einen erschreckend hohen radioaktiven Fallout freisetzen. Ein RNEP kann nicht tief genug eindringen, damit der nukleare Fallout eingedämmt würde. Sogar die stärkste Ummantelung wird sich selbst zu dem Zeitpunkt zerstören, wenn sie 10 bis 30 Fuss tief in den Felsen oder Beton eindringt. Zum Vergleich: Sogar ein 1-Kilotonne-Nuklear-Sprengkopf (weniger als ein Zehntel so zerstörerisch wie die Bombe von Hiroshima) muss wenigsten 200 bis 300 Fuss tief begraben sein, damit sein radioaktiver Fallout eingedämmt bleibt.3 Der RNEP mit hoher Sprengkraft wird einen ungeheuren Fallout freisetzen, der vom Wind mehr als tausend Meilen weiter in der Windrichtung getragen wird. Wie Linton Brooks, der Leiter der National Nuclear Security Administration, dem Kongress im April berichtete: «Die Gesetze der Physik werden es niemals erlauben, dass eine Bombe weit genug eindringt, so dass der Fallout verschlossen bleibt. Dies ist eine Atomwaffe, die ungeheuer zerstörerisch für ein grosses Gebiet ist», wenn sie unterirdisch gezündet wird. RNEP würde Millionen von Menschen töten. Eine Simulation eines RNEPEinsatzes gegen die Nuklearanlagen von Isfahan in Iran, bei der für das Pentagon entwickelte Software eingesetzt wurde, zeigte, dass 3 Millionen Menschen innerhalb von zwei Wochen durch die Strahlung bei der Explosion getötet und 35 Millionen Menschen in Afghanistan, Pakistan und Indien höheren Dosen krebserregender Strahlung ausgesetzt würden.4 RNEP ist unwirksam für die Zerstörung chemischer und biologischer Wirkstoffe. Falls die Waffe nicht fast im gleichen Raum wie diese Agenzien explodiert, würde sie diese nicht zerstören. Weil die Vereinigten Staaten höchstwahrscheinlich nicht über den genauen Standort, die Grösse und die Anlage der unterirdischen Bunker informiert sind, würden sich durch einen nuklearen Angriff auf eine Lagerstätte, die chemische und biologische Wirkstoffe enthält, diese Wirkstoffe viel eher in der Umgebung zusammen mit dem radioaktiven Fallout5 verbreiten. Nur ein kleiner Bereich im Umfeld einer nuklearen Explosion erreicht Temperaturen, die hoch genug sind, chemische oder biologische Wirkstoffe zu sterilisieren. Aber der seismische Schock oder die Druckwellen verbreiten sich viel weiter und werfen einen grossen Krater an Schmutz und Schutt aus. Wirkstoffe, die innerhalb dieses Kraterbereichs, aber ausserhalb der kleinen Sterilisationszone gelagert waren, würden in der Umgebung verteilt. RNEP ist unwirksam bei der Zerstörung der tiefsten oder weitgehend abgesonderten Bunker. Der durch die RNEP hervorgerufene seismische Schock würde Bunker nur bis zu einer Tiefe von ungefähr tausend Fuss zerstören Dossier Uranwaffen 87 Zeit-Fragen 2007 können. Moderne Bunker können tiefer angelegt sein, mit einem weitgehend voneinander getrennten Komplex verbundener Räume und Tunnel. […] 1 Medalia, J., Robust Nuclear Earth Penetrator Budget Request and Plan, FY2005FY2009. March 24, 2004, Congressional Research Service: Washington, D.C. Available at: www.fas.org/spp/starwars/crs/RS21762.pdf, accessed May 2005. 2 National Research Council, Effects of Nuclear Earth-Penetrator and Other Weapons. 2005. Available at: books.nap.edu/catalog/11282.html, accessed May 2005. 3 Nelson, R.W., Low-Yield Earth-Penetrating Nuclear Weapons. Science & Global Security, 2002. 10(1): p. 1–20. Available at: www.princeton.edu/ %7Eglobsec/publications /pdf/10_1Nelson.pdf; www.princeton.edu/ %7Eglobsec/publications/pdf/10_1Nelson.pdf; accessed May 2005. 4 Peter Wilk MD, et al., Projected Casualties Among U.S. Military Personnel and Civilian Populations from the Use of Nuclear Weapons Against Hard and Deeply Buried Targets. 2005, Physicians for Social Responsibility. Available at: www.psr.org/documents/psr_doc_0/program_4/RNEP_Report_Final.pdf; www.psr.org/documents/psr_doc_0/program_4/RNEP_Report_Final.pdf; accessed May 2005. 5 Nelson, R.W., Nuclear «Bunker Busters» Would More Likely Disperse than Destroy Buried Stockpiles of Biological and Chemical Agents. Science & Global Security, 2004. 12(1–2): p. 69–89. Available at: www.princeton.edu/~rnelson/papers/agent_defeat.pdf; www.princeton.edu/%7Ernelson/papers/agent_defeat.pdf; accessed May 2005. May, M., Haldeman, Z., Effectiveness of Nuclear Weapons Against Buried Biological Agents. Science & Global Security, 2004. 12(1–2): p. 91–114. Für mehr Information: Dr. Robert Nelson, Senior Scientist, Global Security Program, E-Mail: [email protected] Kritik an neuerer Untersuchung zu den gesundheitlichen Folgen von DU-Belastung DU-Munition eir. Eine Untersuchung deutscher im Balkan stationierten Soldaten und in der Bevölkerung Kosovos hinsichtlich deren Vergiftung und Verstrahlung durch DU-Munition ist in die Kritik geraten. Die offizielle Untersuchung* hatte behauptet, «dass sowohl die Friedenstruppen wie auch die Einwohner keinen bedeutsamen Belastungen von DU ausgesetzt waren». Man hätte es sich mit diesem «Forschungsresultat» leicht machen können, wenn es sich um eine nebensächliche Aussage zu einem nebensächlichen Gesundheitsrisiko handeln würde. Das ist bei einem Gesundheitsproblem, das unter anderem durch radioaktiv-toxische Uranmunition, von der Nato in Kosovo zu Tausenden von Tonnen abgeworfen, entstanden ist, aber nicht vertretbar. Die Untersuchung ist im wesentlichen von 8 Wissenschaftern des GSF – Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit – Neuherberg/München getragen, das sich als nationales Forschungszentrum «GSF – National Research Center for Environment and Health, Institute for Radiation Protection» darstellt. Es bestand die Aufgabe, die Krebsrisiken infolge des Einsatzes von Uran für Dossier Uranwaffen 88 Zeit-Fragen 2007 deutsches Personal und auf die Bevölkerung Kosovos zu untersuchen. Der Auftraggeber und die Formulierung des Auftrages werden verschwiegen. Als besonders schwerwiegend werden zwei Punkte erachtet: 1. Das ausschliesslich eingesetzte Mess verfahren «ICPMassenspektrometrie» ist nicht geeignet, «strahlen»verursachte Krebsrisiken in ausreichendem Umfang zu bewerten. Strahlenbelastungen aus Trans-Uran (Plutonium, Americium, Curium), die schon bei geringer Uranbestrahlung entstehen und ab 1-Millionstel-Massenanteil wirksam werden, wurden nicht erfasst. Es fehlen a-, b- und g-Spektralanalysen. 2. Selbst erste Hinweise auf Anomalitäten sind verschleiert worden: In Tabelle 4 wird die Auflistung von Uran 234 im Urin bewusst unterlassen. Nicht das Verhältnis U 236/U 238 gibt hinreichend Auskunft über die Art des Uran, sondern das Verhältnis 234/236. In Tabelle 5 (Wasser, weit entfernt vom Urin der Betroffenen) besteht dagegen der Mut, U 234 zu nennen. 3. Die Defizite sollten im Interesse seriöser wissenschaftlicher Berichterstattung beseitigt werden. Diese präzise Kritik sollte es weiteren Untersuchungsteams erlauben, die hochaktuellen Fragen im Zusammenhang mit der tonnenschweren Bombardierung Kosovos mit Uranwaffen – insbesondere die Frage des durch Uranwaffen entstehenden Krebsrisikos – ausführlich und korrekt zu beantworten. Und man sollte dabei bedenken, dass die Krankheitsrate der im Golfkrieg erkrankten US-Soldaten in die Hunderttausende geht. • Im April 2007 erschien in der Zeitschrift ScienceDirect, www.sciencedirect.com, ein Artikel, der die gesundheitliche Belastung von Friedenstruppen aus Deutschland auf dem Balkan sowie von Einwohnern der Kosovoregion untersucht habe, und zwar unter dem Aspekt der Kontamination mit Depleted Uranium. (ScienceDirect, 381 (2007) 77-87. ) * Die Untersuchung trägt den Titel «Measurements of daily urinary uranium excretion in German peacekeeping personnel and residents of the Kosovo region to assess potential intakes of depleted uranium (DU)» was verkürzt gesagt bedeutet, dass diverse Messungen des Urangehaltes im Urin bei den Soldaten und der Bevölkerung vorgenommen wurden. Die Autoren der Studie sind U. Oeh, N.D. Priest, P. Roth, K.V. Ragnarsdottir, W.B. Li, V. Höllriegl, M.F. Thirlwall, B. Michalke, A. Giussani, P. Schramel und H.G. Paretzke. Sehr viele Rückkehrer von Auslandeinsätzen an der Schilddrüse operiert Das bezeugt ein Angehöriger der italienischen Armee gegenüber dem «Osservatorio militare», einer Organisation, die sich um die Soldaten und deren Familien kümmert. Dies wurde an der Pressekonferenz der parlamentarischen Untersuchungskommission bekannt. Die Eingriffe würden 70% des Militärpersonals betreffen. Rom. Viele Militärangehörige, die von ausländischen Missionen zurückgekehrt sind, haben sich infolge einer mutmasslichen Verseuchung (Kontamination) mit abgereichertem Uran einer Schilddrüsenoperation unterziehen müssen. Dies wurde von einem jungen Soldaten, der aus dem Kriegsgebiet im Balkan zurückgekehrt und sich seit längerer Zeit in ärztlicher Kontrolle befindet, bezeugt. Seine Aussage machte er gegenüber Domenico Leggiero vom «Osservatorio militare». Dossier Uranwaffen 89 Zeit-Fragen 2007 Die Meldung ist um so schockierender, wenn man das Ausmass des Phänomens betrachtet. Laut der Aussage des Soldaten müssen sich 70% der Rückkehrer einer präventiven Operation an der Schilddrüse unterziehen. Nach Auskunft des «Osservatorio militare» werden die medizinischen Eingriffe in einem Spital in Siena und in anderen mit der Armee vereinbarten Einrichtungen durchgeführt. «Wir sind nicht in der Lage, diese Zahlen zu bestätigen», erklärt Leggiero, «aber wir erwarten, dass das Parlament etwas unternimmt, um dieses Problem zu klären. Auch mit halb so grossen Zahlen wäre das Ausmass noch enorm und würde den Zugang zu den entsprechenden Informationen notwendig machen.» Die Präsidentin der parlamentarischen Untersuchungskommission des Senats, Lidia Menapace, zeigte die Leitlinien auf, die zur Erreichung des Ziels, die Zusammenhänge der Erkrankungen mit dem abgereicherten Uran zu beschaffen, führen sollen. Eine der ersten Aufgaben der Kommission wird die statistische Analyse des Datenmaterials sein. Dafür will sie sich an den Istat wenden, das höhere Sanitätsinstitut der Generaldirektion des Militärs, «um sich objektive und offizielle Daten und Einschätzungen zu besorgen», meinte Frau Menapace. Bis heute gibt es nämlich keine Sicherheit bezüglich der genauen Zahl der Opfer. Nach dem «Osservatorio» wären es 45 Tote und 515 Kranke, alle mit Krankheiten, die auf die Einwirkung von abgereichertem Uran zurückzuführen sind, das mit Nato-Waffen vor allem auf dem Balkan massiv zum Einsatz kam. Andere Organisationen wie auch die «Difesa» (Armee) selbst liefern andere Zahlen. Heute bestehen praktisch keine Zweifel mehr über den Zusammenhang zwischen Todesfällen und Krankheiten der Rückkehrer aus den ausländischen Missionen und ihrem Kontakt mit abgereichertem Uran, auch wenn das Thema polemisch behandelt wird und Gegenstand von Untersuchungen ist. Die Kommission Mandelli hat in drei aufeinanderfolgenden Berichten den Schluss gezogen, dass im Vergleich zu der statistisch zu erwartenden Zahl die Opferzahl der Vergleichsgruppe (die Soldaten, die an verschiedenen Operationen in den betroffenen Gebieten teilgenommen haben) das Vierfache beträgt. Sie war aber nicht in der Lage, eine direkte Verbindung zwischen dem abgereicherten Uran und den Tumorfällen zu ziehen. Eine nächste Untersuchungskommission hat behauptet, dass die Daten der MandelliKommission wahrscheinlich falsch und zu tief eingeschätzt waren. • Quelle: www.repubblica.it vom 22.3.2007, (Übersetzung Zeit-Fragen) Nr.34, 27. August 2007, Seite 8 bis 12 Nicht diagnostizierte Krankheiten und radioaktive Kriegsführung von Asaf Durakovic, Uranium Medical Research Center, Washington D.C., USA Die innere Kontamination mit Isotopen aus abgereichertem Uran (DU) wurde Dossier Uranwaffen 90 Zeit-Fragen 2007 bei britischen, kanadischen und US-amerikanischen Golfkriegsveteranen noch nach neun Jahren, nachdem sie im ersten Golfkrieg radioaktivem Staub ausgesetzt waren, festgestellt. Isotope von DU wurden ebenfalls in Autopsieproben von Lunge, Leber, Niere und Knochen von kanadischen Veteranen nachgewiesen. In Erdproben aus Kosovo wurden Hunderte von Partikeln in Milligramm-Mengen gefunden, meist weniger als 5 Mikrometer gross. Der erste Golfkrieg von 1991 hatte 350 Tonnen DU in der Umwelt und 3– 6 Millionen Gramm von DU-Aerosol in der Atmosphäre zur Folge. Sein Erbe, die Golfkriegskrankheit, ist eine komplexe, fortschreitende, zu Behinderungen führende Multiorganstörung. Die Symptome sind lähmende Müdigkeit, Schmerzen des Muskel- und Skelettapparates sowie der Gelenke, Kopfschmerzen, neuropsychiatrische Störungen, Veränderungen der Stimmungslage, Verwirrtheit, Sehprobleme, Veränderungen im Gangbild, Gedächtnisverlust, Lymphadenopathien (Lymphdrüsenerkrankungen), Beeinträchtigung der Atemwege, Impotenz und morphologische und funktionelle Veränderungen des Harntraktes. Was man heute über seine Ursachen weiss, genügt bei weitem nicht. Nach der «Operation Anaconda» in Afghanistan (2002) untersuchte unser Team die Bevölkerung in Gebieten von Jalalabad, Spin Gar, Tora Bora und Kabul und fand Zivilisten mit Symptomen, die denjenigen des Golfkriegssyndroms ähnelten. 24-Stunden-Urinproben von 8 Probanden mit Symptomen wurden nach folgenden Kriterien ausgewählt: 1. Der Beginn der Symptome lag in der Zeit der Bombenangriffe; 2. Anwesenheit in dem bombardierten Gebiet; 3. klinische Ausprägungen. Proben für eine Kontrollgruppe wurden von symptomfreien Bewohnern nicht betroffener Gebiete genommen. Alle Proben wurden auf ihre Konzentration und auf die Verhältnisse von den Uran-Isotopen U 234, U 235, U 236 und U 238 untersucht. Hierfür wurde ein Multikollektor, Massenspektrometer mit induktiv gekoppeltem, ionisiertem Plasma (ICP-MS) benutzt. Die ersten Resultate der Population aus der Provinz Jalalabad zeigten, dass die Uranausscheidung im Urin bei allen Probanden diejenigen Werte der nicht exponierten Population signifikant überschritt. Die Analyse der Verhältnisse der Uranisotope stellte nicht abgereichertes Uran fest. Studien von 2002 gesammelten Proben stellten in den Distrikten Tora Bora, Yaka Toot, Lal Mal, Makam Khan Farm, Arda Farm, Bibi Mahre, Poli Cherki und dem Flughafen von Kabul Urankonzentrationen fest, die 200mal höher waren als diejenigen in der Kontrollpopulation. Die Uran werte in den Erdproben von den Orten, die bombadiert wurden, zeigen zwei- bis dreimal höhere Werte als die weltweiten Konzentrationsgrenzwerte von 2 bis 3 mg/kg und signifikant höhere Konzentrationen im Wasser als die maximal erlaubten Grenzwerte der WHO. Diese wachsende Beweislast stellt das Problem der Prävention und der Lösung der DU-Kontamination hoch oben auf die Prioritätenliste. «Es gibt keinen Schutz vor dieser grundlegenden Kraft des Universums.» Albert Einstein Die Wirklichkeit des thermonuklearen Krieges fasst man am besten mit der Aussage von Einstein zusammen, die besagt, dass diese Energie ausreiche, um die Erde zu teilen.1 Das atomare Schlachtfeld ist nicht mehr auf ein Land oder einen Kontinent begrenzt, es geht weit über politische und geographische Grenzen hinaus und verwandelt jedes Gebiet in eine grosse Kriegszone. Wenn Dossier Uranwaffen 91 Zeit-Fragen 2007 es zu einem strategischen nuklearen Schlagabtausch käme, der ein zehntausend Megatonnen-Arsenal umfassen würde, dann würden eine Milliarde Menschen sofort an den Folgen der unmittelbaren kombinierten Verletzungen (Explosion, Hitze, Strahlung) sterben, eine weitere Milliarde würden der Strahlenkrankheit erliegen,2 und die überlebende Bevölkerung des Planeten müsste in einer Umwelt mit radioaktivem Fallout leben, der somatische und genetische Effekte mit möglichen irreversiblen Folgen für die Biosphäre nach sich ziehen würde. Das atomare Wettrennen Der erste Test mit Atomwaffen, Trinity, wurde am 16. Juli 1945 in Alamogordo, in der Nähe von Los Alamos, New Mexiko, USA, durchgeführt. Innert einer Millionstelsekunde erreichte die erste Atombombe eine Hitze von Millionen Grad und setzte über 400 radioaktive Isotope und eine sehr grosse Bindungsenergie mit einem Druck von Tausenden Tonnen pro Quadratzentimeter frei. Den Bruchteil einer Sekunde lang war der Kern der Bombe elfmal heisser als die Oberfläche der Sonne. Der Feuerball war Hunderte von Metern gross, da sich der Kern der Bombe mit Sauerstoff und Stickstoffatomen mischte, was den hellen inneren Kern der Explosion enthüllte. Innerhalb einer Sekunde stieg die verdampfte Erde in einem 3000 m hohen Atompilz hoch. Der Feuerball konnte 150 Meilen entfernt in Arizona von den Zugpassagieren der Union-Pazifik-Bahn gesehen werden. Zeugen lieferten verschiedene Interpretationen, sie beschrieben den Effekt, wie wenn ein Bombenflieger abgestürzt wäre oder wie wenn die Atmosphäre Feuer gefangen hätte oder wie einen Meteoriteneinschlag. Zeugen der 235 Meilen nördlich der Stelle der Explosion gelegenen Stadt Gallup dachten, es sei eine Explosion eines Munitionslagers der Armee.3 Zwanzig Tage nach dem Trinity-Test wurde am 6. August 1945 um 8.15 Uhr eine Atombombe auf Hiroshima abgeworfen. Die Bombe explodierte ungefähr 633 Meter über der Stadt, sie verdunkelte die Sonne, tötete 130 000 Menschen, führte bei 80 000 zu Behinderungen und verletzte weitere 90 000 durch die verzögerten Folgen des radioaktiven Fallout. Innert Stunden fiel ein schwarzer Regen, und weisse Asche bedeckte das Epizentrum und verursachte Hautverbrennungen. Die meisten der primären Opfer starben an den kombinierten Folgen von Hitze, Druck und akuter Strahlenkrankheit. Hiro shima wurde praktisch von der Erdkarte ausradiert.4 Zwei Tage später wurde am 8. August 1945 um 11.01 Uhr eine Plutoniumbombe namens Fat Man auf Nagasaki geworfen. Ähnlich wie in Hiroshima verschwand die Sonne mit wachsendem Atompilz. Die Bevölkerung der ausradierten Stadt starb an denselben kombinierten Verletzungen wie in Hiroshima. Das Ergebnis war das Ende des Zweiten Weltkriegs und ein Gebietsgewinn für die Sowjetunion. Als Kuratschows Waffenforschungsteam im Herbst 1948 damit begann, eine russische Bombe zu entwickeln, startete das Atomtestwettrennen (Table 1). Gleichzeitig mit den USA liefen die Tests in der Sowjetunion. Nach dem Tod von Stalin 1953 führte die Sowjetunion am 12. August die erste mobile Wasserstoffbombe zur Explosion. Es war ihre zweite thermonukleare Waffe. Die USA realisierten, dass die Sowjets das atomare Wettrennen gewinnen würden, und begannen ihr Atomtestprogramm zu beschleunigen. 1955 wurde es offensichtlich, dass die Atomtestversuche die Biosphäre irreparabel schädigten.5 Mehr als 400 radioaktive Isotope, die mit jedem Test freigesetzt wurden, wurden bisher als Ursache von Umweltverschmutzung Dossier Uranwaffen 92 Zeit-Fragen 2007 identifiziert. Vierzig dieser Isotope stellen eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit dar. Aus jeder abgeworfenen Kilotonne bilden sich einige Gramm mit organotoxischen Eigenschaften. Strontium-90 stellt wegen seiner langen Halbwertszeit, dem Betazerfall und seinen spezifisch den Knochen betreffenden Eigenschaften das Hauptrisiko dar. Parallel zu den Tests gab es Unfälle mit Nuklearwaffen. 1958 warf ein B57-Flugzeug der Airforce die erste Atombombe in der Nähe von Florence, South Carolina, ab. Die unbewaffnete Bombe explodierte nicht, sondern verstreute radioaktives Material über das Land. Im selben Jahr warf eine B-52G eine zwei Megatonnen schwere Atomwaffe in der Nähe von Goldsboro, North Carolina, ab. Weitere Unfälle der US-Luftwaffe folgten, einschliesslich Tula, Grönland, und Palomares, Spanien. In Palomares kontaminierten zwei Plutoniumbomben ein grosses Gebiet des Landes und der Atlantikküste. Nach dem katastrophalen Unfall von Tscheljabinsk-40 im Jahre 1958 stellten die Sowjetunion die Atomwaffentests ein. Aber sie setzten bald Tests mit Megatonnen Sprengkraft in der arktischen Region von Nowaja Selmja fort und führten am 9. September 1961 eine Bombe zur Explosion mit einer Sprengkraft entsprechend 50 Megatonnen konventionellem Sprengstoff (TNT). In der Zwischenzeit gab es in den USA mehr und mehr Anhaltspunkte für eine Verseuchung der Umwelt und eine erhöhte Inzidenz an Krebs, Leukämie und anderen Gesundheitsproblemen unter Atomveteranen. Zusammen mit Bedenken wegen Strahlensicherheit führten diese Anhaltspunkte zur Abschaffung des riesigen plumpen Bürokratieapparates der Atomenergiekommission. Sie wurde 1974 durch die Energy and Research Administration and Nuclear Regulatory Agency (NRC) ersetzt. 1955 gründeten Bertrand Russell, Albert Einstein und neun weitere bedeutende Wissenschaftler die Pugwash-Bewegung, welche sich mit der Weitergabe von Atomwaffen und dem Atomkrieg befasste. Seit 1957 begann Pugwash seine Arbeit mit jährlichen Treffen, die zu einem internationalen Vertrag mit dem Verbot von weiteren Atomwaffentests und dem Verbot der Produktion neuer Arsenale und Transportsysteme führte.6 Pugwash trug zum Beginn der Gespräche zur nuklearen Rüstungsbegrenzung (SALT) bei. Diese Initiative wurde durch die Kampagne von Linus Pauling gegen Atomwaffen und Umweltverschmutzung unterstützt. Nach der Kuba-Krise führte eine echte Bedrohung einer atomaren Konfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion Kennedy und Chrustschow 1963 zur Unterzeichnung eines Vertrags zum Verbot von Nuklearwaffentests. Dennoch gingen die unterirdischen Versuche weiter, was schliesslich zum Scheitern des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT) führte. Die Ermordung Kennedys, der Sturz von Chrustschow und der Vietnam-Krieg führten zum Ende der atomaren Entspannung. Die realistische Möglichkeit, dass die Sowjetunion die USA im Testen und in der Entwicklung von Nuklearwaffen überholen könnte, führte schliesslich 1972 zu den SALT-I-Verträgen mit einem teilweisen Verbot der Stationierung von Raketenabwehrsystemen. Die Sowjetunion hatte bereits ein Raketenschutzsystem rund um Moskau, und die USA hatten ein ähnliches System in North Dakota. Acht Jahre später begann die Reagan-Regierung die SALT-II-Verhandlungen, welche zu einer Reduktion der Waffen (START), aber nicht zu einer Begrenzung der Waffen führte. Der Vorstandsvorsitzende der Pugwash Konferenz, Bernard Field, bezeichnete dies als «wiederholende Dummheit dieser nutzlosen Scharade».7 Paul Warnke, der Chefunterhändler des SALT-II-Vertrages sagte: «Die traurige Geschichte der Waffenkontrolle kann Dossier Uranwaffen 93 Zeit-Fragen 2007 das letzte Kapitel der Geschichte der Menschheit werden.»8 Seit dem Vertrag zum teilweisen Verbot von Nuklearwaffentests von 1963 gab es etwa 50 Atomwaffentests pro Jahr; 55% wurden von den USA durchgeführt, 30% von Russ land und die verbleibenden 15% von Frankreich, England, China, Indien und Pakistan. Da sich die Satellitentransporttechnologie in schnellen Schritten entwickelt, bedeutet die Weitergabe von Atomwaffen, dass über 90% der Erdoberfläche ein potentielles Ziel sind. Die Sicherheit der Nationen ist nicht mehr durch die Zahl der Nuklearwaffen garantiert. Nuklearwaffen bleiben selbst nach dem Ende der Sowjetunion ein zentrales Sicherheitsproblem, ungeachtet von Initiativen zur Zusammenarbeit zwischen Washington und Moskau. Gegenwärtige internationale politische Szenarien enthalten neue Gefahren der nuklearen Konfrontation. Diese beinhalten den kürzlichen Rückzug der USA vom Raketenabwehrvertrag, die neue «Erstschlags»-Doktrin und das neuerliche Hervortreten neuer Atomnationen.9 Die nukleare Bedrohung besteht weiter als Folge der nuklearen Weiterverbreitung, einschliesslich einer sich ausweitenden Liste an Szenarien, die den militärischen Einsatz, terroristische Aktivitäten, atomare und Umweltkatastrophen und Gegenseitig sichere Ablenkung (Mutually Assured Distraction MAD) betreffen. Nuklearer und Strahlenterrorismus Nach dem 11. September 2001 entwickelte sich eine erhöhte Wachsamkeit gegenüber der Möglichkeit von terroristischen Attacken mit nuklearen Waffen und Strahlen. Vor dem Desaster in New York wurden solche Möglichkeiten eher auf die leichte Schulter genommen. Die Ausbildung und Katastrophenübungen für atomare und Strahlenunfälle existierten entweder nicht oder wurden nur sehr sporadisch durchgeführt, selbst in Regierungsinstitutionen, die den Auftrag hatten, die Reaktionsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Die Förderung der nationalen Bereitschaft, dem Problem der akuten und chronischen Strahlenfolgen, der Verseuchung der Umwelt, den psychologischen und sozialen Folgeerscheinungen und den finanziellen Konsequenzen eines nuklearen terroristischen Angriffs ins Auge zu sehen, taucht wieder als eine Priorität der Industrienationen auf.10 Die Clausewitzsche Doktrin wurde verfochten, man beauftragte Armeekräfte damit, Angriffen von äusseren Feinden zuvorzukommen oder sie abzuwehren und andere Länder anzugreifen, sollte es im internationalen Interesse sein.11 Der chronische Strahlenschaden wird im Lichte der potentiellen Auswirkungen von Massenopfern durch nuklearen Terrorismus neu bewertet. Die Vorbereitung auf atomare und Strahlenunfälle und Angriffe muss auch die psychologischen Folgen beinhalten angesichts der gutüberlegten Tatsache, dass es in einem Szenario des nuklearen Terrorismus auf jedes Opfer 500 Menschen geben würde mit psychologischen und psychosomatischen Veränderungen, die von den aktuellen kontaminierten Opfern schwierig zu unterscheiden sein könnten.12 Obwohl pharmakologische Interventionen als Strahlenschutzmassnahmen untersucht werden, sollten Mitarbeiter des Gesundheitswesens sich der düsteren Misserfolge der Vergangenheit auf dem Felde von Strahlenschutzmitteln bewusst sein. Es gibt neue Hinweise, dass sich Blutgefässzellen und Parenchymzellen erholen, anstatt durch einen Strahlenschaden zu sterben. Sie werden untersucht, um Mechanismen zu entwickeln, um die Antwort des Organismus [auf einen Strahlenschaden; Anm. des Übers.] in Zusammenhang mit anderen therapeutischen Strategien wie Dossier Uranwaffen 94 Zeit-Fragen 2007 Kortikosteroiden, ACE-Hemmern, Pentoxyfillin und Superoxiddismutase zu verändern.13 Der Fokus in der Handhabung (Management – Behandlung) von nuklearen und Strahlenschäden wechselte von den nichthandhabbaren (nichtbehandelbaren) Konsequenzen einer strategischen nuklearen Konfrontation hin zu Wegen, wie man mit einer grossen Anzahl an Geschädigten umgehen kann. Diese Antwort muss durch multidisziplinäre Anstrengungen erfolgen. Um die Konzepte des klinischen Managements von Strahlenopfern zu entwickeln, braucht es sofort viel Arbeit.14 Gleichzeitig muss die Forschung damit weiterfahren, die Kontamination mit Radionukliden, die radiotoxischen Effekte, die Zerstörung der chemischen Verbindungen, die freien Radikale, die Schäden an zellulärer DNA und an Enzymen zu verstehen und handzuhaben.15 Die multidisziplinären Anstrengungen müssen die Planung, die Triagierung, die Dekontamination, die Ausscheidung, die Chelattherapie [Bindung von Radionukliden in Chelaten; Anm. des Übers.] und das konventionelle symptomatische Management der betroffenen Patienten einschliessen. Ein potentieller terroristischer Angriff stellt angesichts des fast vollkommenen Fehlens an Ausbildung, Fachwissen und angesichts finanzieller Zwänge eine ernsthafte Herausforderung dar.16 Man befasste sich bisher nicht adäquat mit den Lektionen aus dem ersten Golfkrieg und aus dem Balkankonflikt im Hinblick auf das Vorbereitetsein auf Strahlenopfer.17 Ein plötzlicher terroristischer Angriff erfordert eine effektive Antwort des Gesundheitssystems, was in den meisten Nationen, die ein terroristisches Ziel sein könnten, logistisch fast nicht existent ist, insbesondere in grossen städtischen Gebieten, wo die Einteilung der Mittel eine Neustrukturierung der Prioritäten erfordern würde, um den Folgen für die Gesellschaft zu entsprechen. In einem Szenario des nuklearen Terrorismus ist es besonders wichtig, dass man sich dessen bewusst ist, dass Terroristen möglicherweise Actinide einsetzen, mit besonderer Gewichtung auf Plutonium als ein mögliches Mittel zur Massenkontamination. Plutonium wird als die für den Menschen gefährlichste Substanz angesehen.18 Wenn man es als radioaktiven Staub verteilt, oder wenn es in die Wasserversorgung kommt, dann braucht es nur einige wenige Gramm, um eine grosse Stadt zu verseuchen. Plutonium wurde auf geheimen Märkten illegal verkauft, vor allem in der ehemaligen Sowjet union, und fand durch den illegalen Handel seinen Weg in verschiedene Teile der Welt. Die Verbreitung von Plutonium wird als das verheerendste der möglichen terroristischen Angriffsszenarien angesehen.19 Der Schwerpunkt für die Ärzteschaft sollte eher in der Prävention als im therapeutischen Management von Massenopfern des nuklearen Terrorismus nach einem Vorfall liegen. Die Ärzte der Welt traten kürzlich einer Koalition von über 1000 Organisationen bei, um zusammenzuarbeiten und die Elimination von Atomwaffen zu unterstützen und die Möglichkeit von verheerenden Folgen des nuklearen und Strahlenterrorismus zu vermindern.20 Radiologische Kriegsführung Radiologische Waffen wurden zum ersten Mal 1991 im Persischen Golf eingesetzt und führten ein neues Szenario der chemisch-biologischradiologisch-nuklearen (CBRN) Kriegsführung ein. Der Einsatz von Waffen mit wahllosen [das heisst Militär wie Zivilpersonen betreffend; Anm. des Übers.] Folgen ist nicht neu. Am Ende des Zweiten Weltkriegs waren die USA ernsthaft wegen der japanischen Drohung besorgt, Tausende von mit Uran gefüllte Ballons auf das Festland der Vereinigten Staaten abzuwerfen und seine Dossier Uranwaffen 95 Zeit-Fragen 2007 Megastädte zu verseuchen.21 Während des ersten Golfkriegs wurden durch DU-Munition Millionen Gramm von radioaktivem Staub in die Atmosphäre verteilt.22 Die Folgen der im ersten Golfkrieg eingesetzten Uranisotope für Gesundheit und Umwelt bleiben kontrovers und reichen über die Bedenken der wissenschaftlichen Gemeinschaft hinaus. Dennoch wurden seit zwei Jahrhunderten bekannte wissenschaftliche Belege über die somatische und genetische Toxizität von Uran21, 23–25 durch zahlreiche neue Berichte bestätigt. Die Kosten der Aufräumarbeiten nach dem Scherbenhaufen des militärischen oder terroristischen Einsatzes von Uranwaffen bleiben eine ernsthafte Sorge. Die radiologische Dekontamination in einem kürzlich, in Urnea, Schweden, durchgeführten gemeinsamen schwedisch-kanadischen Experiment zeigte auf, dass zwei geläufige Methoden der Dekontamination in adäquaten Aufräumarbeiten ineffektiv waren. Ein Hochdruck-Wassersprühnebel und ein gepulster Hochdruck-Wasserstrahl waren für die Dekontamination für mit Na24 äusserlich kontaminierten militärischen leicht gepanzerten Fahrzeugen nutzlos.26 Dies zeigt deutlich die Notwendigkeit einer besseren Planung und Vorbereitung der öffentlichen Gesundheitsstrukturen im Falle einer radiologischen Kriegsführung oder eines terroristischen Angriffs.27 Das gegenwärtige Fehlen einer Gesamtstrategie, um einer terroristischen Bedrohung durch Geräte zur Verbreitung von Strahlung (Radiation Dispersion Devices RDD) zu begegnen, unterstreicht die Notwendigkeit einer besseren Koordination von chemischer, biologischer, radiologischer und nuklearer (CBRN) Bereitschaft am gegenwärtigen Kreuzweg zwischen konventionellen und neuen, niemals zuvor angetroffenen Waffen.28 In dem klaren Szenario eines radiologischen Angriffs erstreckt sich der Rahmen des Managements des radiologischen Kriegs und des Terrorismus nicht nur über das öffentliche Gesundheitswesen, sondern auch über die Kapazität der Armeereserve.29, 30 Der medizinische Schutz gegen radiologische Kriegsführung bleibt eines der Aspekte der gegenwärtigen medizinischen Ausbildung, auf den am wenigsten Wert gelegt wird.31 Der radiologische und nukleare Terrorismus ist die äusserste Bedrohung der modernen Gesellschaft. Die Weiterverbreitung von atomarem Material hat dazu geführt, dass es für subversive Organisationen ein leichtes ist, radioaktives Material zu erhalten.32 Allein im Jahre 2000 gaben die USA 10 Mia. Dollar für Massnahmen zur Abwehr terroristischer Massenvernichtungswaffen aus mit sehr hohen finanziellen Verpflichtungen nach dem 11. September 2001. Aktuelle Studien zeigen die Verletzlichkeit der westlichen Gesellschaft gegenüber nuklearem Terrorismus auf und betonen, dass terroristische Organisationen, die mit Massenvernichtungswaffen ausgerüstet sind, mehr Zerstörung mit nuklearen und radiologischen Geräten als mit jeglichen anderen Arten von Waffen hervorrufen können. Die Fähigkeit der USA, mit einem radiologischen oder nuklearen Angriff fertig zu werden, hängt von vier Handlungsgebieten ab: der Verbesserung der Abwehr von terroristischen Organisationen, der Verbesserung der nuklearen Einrichtungen in der ehemaligen Sowjetunion, dem Entgegenwirken nuklearer und radiologischer Effekte und der Verbesserung der Reaktionsfähigkeit auf Geheimorganisationen, die bereits in Besitz nuklearer und radiologischer Waffen sind.33 Das Risiko eines nuklearen und radiologischen Angriffs auf die USA wird durch den leichten Zugang zu Technologien, die Verfügbarkeit von nuklearem und radiologischem Material, die wirtschaftliche Instabilität von Russland und der allgemeinen Unzufriedenheit mit der US-Aussenpolitik in vielen Ländern Dossier Uranwaffen 96 Zeit-Fragen 2007 gefördert. Unadäquate Sicherheitsmass nahmen in der ehemaligen Sowjetunion zusammen mit einer verstärkten Entschlossenheit und Letalität von terroristischen Angriffen erhöhen die Möglichkeit des Einsatzes von RDD [Radiological Dispersion Devices] in der nahen Zukunft.34 Die Frage der ökologischen und gesundheitlichen Folgen muss sich mit dem Problem der Aufräumarbeiten und der Bewilligung von Betriebskosten befassen, um Leben zu retten, Gesundheitsrisiken zu verringern und die Kultur, die Biodiversität und die ökologische Integrität der verseuchten Gebiete zu bewahren.35 In der Vergangenheit waren solche Anstrengungen ungenügend, es mangelte zum Beispiel an gerechten und objektiven Kompensationen an die Opfer des radioaktiven Fallout in Utah und Nevada, USA. Unzureichendes Screening und Kompensation für strahleninduzierten Krebs und die anhaltende Kontroverse über die Auslegung der Regierung, was Niedrigdosisstrahlung betrifft, waren Punkte der Unzufriedenheit der kontaminierten Bevölkerung während der atomaren Tests.36 Ein kürzlicher erschienener britischer Bericht war gleichfalls fragwürdig, was die Analyse der Mortalität und Inzidenz von Krebserkrankungen unter den Teilnehmern der britischen atmosphärischen Atomwaffentests und Experimente betrifft. Der Bericht beinhaltet die schwierige Feststellung, dass die Gesamtmortalität unter den Überlebenden der britischen Atomtests tiefer als in der allgemeinen Bevölkerung war.37 Die Galileische Dimension der heutigen Uranforschung Mit der Freiheit der unabhängigen Forschung steht es heute nicht viel anders als in der Geschichte. Der Prozess der Inquisition gegen Galileo 1610 ähnelt einigen Ereignissen, denen heutige Wissenschaftler ausgesetzt sind. Die Kontroverse um die Ergebnisse der Studien von Dr. Ernest Sternglass über Todesraten von Kleinkindern und Kindern im Staate New York als ein Resultat der Atomtests und des radioaktiven Fallouts zerstörte seine akademische und wissenschaftliche Karriere. Als seine klassische Arbeit über den Tod von Kindern als Folge von Strahlung 1969 im Bulletin of Atomic Scientists erschien,38 vertraute ihm der Herausgeber der Zeitschrift an, dass er von Washington unter Druck gesetzt worden sei, seinen Artikel nicht zu veröffentlichen. Der bedeutende Physiker Freeman Dyson nahm zu ihm in derselben Zeitschrift in einem Leserbrief Stellung: «Wenn Sternglass’ Zahlen richtig sind, und ich glaube, sie können es sein, dann hat er ein gutes Argument gegen die Raketenabwehr.» Sternglass erachtete die Todesfälle der Kinder als eine Folge des Strontium-90 aus radioaktivem Fallout. Seine Schätzung von nahezu 400 000 Toten fand die Beachtung von Dr. John Gofman, dem Medizinischen Direktor des Lawrence Livermore National Laboratory, der Sternglass’ Bericht neu auswertete. Er korrigierte einige der Zahlen und schloss, dass selbst unter der Annahme eines zufälligen Konzepts die Richtlinien über das Risiko pro Strahlenmenge 20mal zu hoch seien, um als sicher zu gelten. Er folgerte zudem, dass das Risiko bei niedrigen Strahlendosen höher sei als bei hohen Strahlendosen. Gofman schloss, dass die Krebstoten in Zusammenhang mit den Atomtests und dem radioaktiven Fallout 30 000 pro Jahr übersteigen würden. Der Bericht wurde dem Komitee über unterirdische Atomtests (Committee on Underground Nuclear Testing) unter dem Vorsitz von Senator E. Muskie vorgestellt. Dieser gab ihn an den Vorsitzenden des Gemeinsamen Komitees für Atomenergie (Joint Committee on Atomic Energy), Senator Holifield, weiter. Senator Holifield zitierte Gofman nach Washington und drohte ihm offen: «Wir Dossier Uranwaffen 97 Zeit-Fragen 2007 haben Sie erwischt, und wir werden Sie erwischen.» 1973 verlor Dr. Gof man, ein Opfer seiner Integrität, seine Position in seinem Laboratorium. Die Atomenergiekommission (Atomic Energy Commission AEC) wurde 1974 aufgehoben.39 Urantoxizität neu beurteilt Das zwangsläufige Risiko der Uranisotope für Umwelt und menschliche Gesundheit wurde in zwei Jahrhunderten Forschung genau beschrieben.4 Dennoch sind die Mitarbeiter des Gesundheitswesens mangelhaft ausgebildet, was die Grundlagen der Radiotoxizität und der chemischen Toxizität der Uranisotope angeht.40 Die gegenwärtige wissenschaftliche Wiederauswertung der potentiellen Gesundheitsfolgen von Geräten zur Verbreitung von Strahlung (Radiation Dispersion Devices RDD) gründet zumeist auf Datenmaterial von Überlebenden der Bomben in Japan, Atomtests und Forschungen im Labor. Die Forschungsliteratur, besonders in den letzten fünf Jahren, ist voll an Arbeiten und Berichten in bezug auf die Folgen von Aktiniden und Uranisotopen. Die Bestätigung der Vorkommnisse von Schilddrüsenkarzinomen,41 hepatozellulären Karzinomen,42 Leukämien43 und der Risiken einer akuten und chronischen Uranexposition44 unterstreichen die Bedeutung, dass man sich der somatischen und genetischen Folgen einer Kontamination mit Uranisotopen bewusst ist. Die Korrelation mit Atomwaffentests in der Atmosphäre wurde in neuen Berichten über die Spiegel der Aktinide in Meeressäugern des nördlichen Pazifik erneut bestätigt, welche klar mit den Jahren Atomtests und radioaktiven Fallouts in Zusammenhang stehen.45 Die wieder durchgesehenen Studien aus Hiroshima und Nagasaki zeigen, dass nicht nur die körperlichen, sondern auch die psychologischen Auswirkungen der chronischen Folgen des Einsatzes von Nuklearwaffen in Zusammenhang stehen mit der Häufigkeit von psychiatrischen Störungen, Angst und Somatisierung von Symptomen bei Opfern, die zur Zeit der Explosion in den japanischen Städten waren.46 Diese Reevaluation weist deutlich auf Langzeitfolgen hin, die man in Betracht ziehen muss, wenn man auf zukünftige Vorfälle vorbereitet sein will. Ein weiterer neuer Bericht über die Überlebenden von Nagasaki zeigt auf, dass die Folgen der nuklearen und der Strahlenauswirkungen auf Überlebende in zukünftigen Konflikten einen wichtigen Aspekt im Gesundheitsmanagement zu sein hat.47 Die gegenwärtigen Daten über Atomtests weisen auf Kindersterblichkeit, erhöhte Frühgeburtenrate, fötale Todesfälle in Zusammenhang mit der Strahlenexposition in den USA hin.48 Medizinische und ökologische negative Auswirkungen von radioaktiver Kontamination wurden in zahlreichen Testgebieten in der ganzen Welt erneut beurteilt. Es gibt Berichte über negative Auswirkungen der radioaktiven Kontamination in den Standorten Krasnojarsk in Sibirien,49 Kasachstan,50 Altaigebirge,51 Semipalatinsk, Kasachstan,52 Techafluss, Ural,53 Mayak Nukleararbeiter,54 Republik Sakha, Jakutien,55 Insel Amtschitka, Alaska,56 Finnland und Norwegen57 sowie zahlreiche andere Berichte über die Neubewertung der gesundheitlichen Folgen einer Strahlenexposition auf Atomtestgeländen. Diese neuen Informationen liefern die Daten für eine genaue Beurteilung des Risikos in Vorbereitung eines möglichen nuklearen oder taktischen Schlagabtauschs oder eines terroristischen Angriffs als äusserste Gesundheitskrise.58 Das gegenwärtige Bewusstsein über die weltweite Verteilung und Ablagerung der freigesetzten Radionuklide59 in der Biosphäre reicht über den Bereich der experimentellen Forschung und des klinischen Managements von Dossier Uranwaffen 98 Zeit-Fragen 2007 Strahlenopfern hinaus, da es globale Auswirkungen für die Zukunft hat.60 Gegenwärtige Forschung zu den gesundheitlichen Folgen von Uranwaffen Die grösste einzelne Verseuchung durch Radionukleide geschah während des Krieges 1991 am Persischen Golf. Abgereichertes Uran, das als panzerbrechende Munition eingesetzt wurde, verseuchte die Umwelt im Irak und setzte die Zivilbevölkerung und das Militärpersonal dem Staub, den Dämpfen und Aerosolen von abgereichertem Uran (DU) aus. Eine kleine Anzahl von Kriegsveteranen der Koalitionstruppen wurde durch DU-Splitter verwundet. Das abgereicherte Uran der Uranwaffen besteht zu 99,8% aus Uran-238, das 60% der von natürlichem Uran ausgehenden Alpha-, Beta- und Gammastrahlung freisetzt. DU ist ein Schwermetall, 160% dichter als Blei. Es ist organotrop, das heisst, es wird von Körperorganen aufgenommen und wirkt auf sie ein, und lagert sich schliesslich in Zielorganen wie dem Knochengewebe an, wo es über lange Zeit verbleibt. Auf Grund der langsamen Löslichkeit werden die Uran-Isotope nur allmählich aus den Speicherorten im Körper herausgelöst, und sie wurden noch 10 Jahre nach der Inhalation oder nach einer Splitterverletzung im Urin von Golfkriegsveteranen von 1991 entdeckt.23 Studien zur Verteilung des DU im Körpergewebe zeigten Ansammlungen in den Knochen, den Nieren, dem Fortpflanzungssystem, dem Gehirn und der Lunge und wiesen genotoxische (das Erbgut schädigende), mutagene (das Erbgut verändernde) und karzinogene (krebsauslösende) Eigenschaften sowie Veränderungen im Fortpflanzungssystem und auch Schäden für das werdende Kind im Mutterleib (teratogene Schäden) nach.61 Die innere Verseuchung durch DU-Isotope wurde bei britischen, kanadischen und US-amerikanischen Golfkriegsveteranen noch 9 Jahre nach der Inhalation von radioaktivem Staub während des ersten Golf-Krieges nachgewiesen. DUIsotope wurden auch in Gewebeproben eines kanadischen Veteranen in dessen Lunge, Leber, Nieren und Knochen gefunden. Diese Proben enthielten hohe Urankonzentrationen, bei denen das Verhältnis der Uran-Isotope zueinander auf das Vorhandensein von abgereichertem Uran schliessen liess. Frühe Studien, die bereits 1991, im Jahr des ersten Golfkrieges, mittels GanzkörperStrahlungsmessungen durchgeführt wurden, wiesen bereits auf das Vorhandensein von Uran im Körper und im Urin der verseuchten Veteranen hin.62 Logistische Behinderungen und die Kontroverse um das DU verzögerten aktive und konzentrierte Studien bis 1998. Zu der Zeit unterzogen sich Golfkriegs-Veteranen einer Neutronenaktivierungsanalyse. Obwohl diese Methode nur bedingt für den Nachweis von kleinen Uranmengen geeignet ist, zeigten bereits die ersten Anwendungen dieses Verfahrens eine signifikante Kontamination mit DU. Die Studien wurden an dem Internationalen Kongress der Radiation Research Society in Dublin, Irland, 1998 vorgestellt. Die experimentellen Untersuchungen wurden mit modernsten Technologien fortgeführt, so mit Hilfe der Massenspektronomie an der Memorial University von Neufundland, in St. John, Kanada, und später am British Geological Survey in Nottingham, England. Beide Untersuchungsreihen bestätigten erhöhte Konzentrationen und das für DU typische Isotopenverhältnis in 67% der Proben. Die mittels der Massenspektronomie gewonnenen Daten wurden erstmals im Jahr 2000 am Europäischen Kongress für Nuklearmedizin in Paris vorgestellt. Die Forschung ist ausgeweitet worden vom Nachweis und der Messung von DU im Körper von Veteranen hin zur Untersuchung der klinischen Auswirkungen der Uranverseuchung bei den Veteranen des ersten Golfkrieges, Dossier Uranwaffen 99 Zeit-Fragen 2007 der Zivilbevölkerung im Irak, den Militärangehörigen und der Zivilbevölkerung auf dem Balkan, der Zivilbevölkerung in Afghanistan und jüngst auch derjenigen im Gaza-Streifen und der Westbank in Palästina. Abgereichertes Uran, ein niedrigstrahlendes Abfallprodukt der Isotopenanreicherung von natürlichem Uran, ist in den erwähnten Kriegsregionen als ein eindeutig vorhandener Schadstoff identifiziert worden. Seine ursächliche Rolle bei der Entstehung der Golfkriegs-Krankheit ist der Gegenstand einer seit dem ersten Golfkrieg anhaltenden Kontroverse. Die gut dokumentierten Nachweise über die sowohl chemischen wie auch radiologischen giftigen Eigenschaften von Uran-Isotopen haben in jüngster Zeit zu zahlreichen Forschungsstudien und wissenschaftlichen Berichten über die organschädigenden, erbgutverändernden, das werdende Leben im Mutterleib schädigenden (teratogenen) und krebsauslösenden Eigenschaften dieser UranIsotope Anlass gegeben.63 Jüngste Studien mit Versuchstieren, denen DUPellets eingepflanzt wurden, bestätigen die Resultate früherer Studien über die Verteilung des Urans im Körper, dass die Nieren und die Knochen Zielorgane der Uran-Isotope sind und auch das lymphatische System, der Atmungstrakt, die Fortpflanzungsorgane und das Zentralnervensystem betroffen sind.64 Die toxischen Wirkungen von Uran sind seit fast 200 Jahren mit ihrer die Nieren schädigenden Giftigkeit bekannt und wurden in jüngeren Studien an Nierenzellen in vitro bestätigt.24 Die Studien zu abgereichertem Uran im Zentralnervensystem bestätigten seine Retention (Rückhaltung, Speicherung) in Bereichen des Hippocampus und erbrachten neue Befunde über elektrophysiologische Veränderungen des Nervensystems bei Ratten, denen DU-Fragmente implantiert worden waren.65 Das Potential für erbgutverändernde Effekte durch eine innere Kontamination mit DU wurde kürzlich nahegelegt durch die Beobachtung einer zeitabhängigen Korrelation von implantiertem Uran und der im Gewebe auftretenden Bildung von krebsauslösenden Gensequenzen (oncogen expression)66 zusammen mit einer genetischen Instabilität67. Neoplastische Transformationen (den Zellteilungsprozess betreffende und damit potentiell ein Krebswachstum fördernde Zellveränderungen) bei menschlichen Osteoblasten (knochenbildende Zellen) in einer DU enthaltenden Zellkultur bestätigen das von DU ausgehende Risiko für eine Krebsentwicklung.68 Diese Befunde stimmen überein mit Berichten zu Krebs-auslösenden Risiken durch DU bei Lungenzellen, die DU ausgesetzt waren, sowie mit Berichten über eine kürzlich unternommene quantitative Abschätzung des Krebsrisikos für die Lungen von Veteranen des ersten Golfkrieges über die Bestimmung der damaligen Lungenbelastung durch die eingeatmeten DU-Aerosole.69 Das Risiko wurde dabei bestimmt über die Anwendung des Batelle-Modells simulierter Lungenflüssigkeit und der Analyse einer 24-Stunden-Urinprobe eines Golfkriegs-Veteranen, in der 9 Jahre nach dem Einatmen des DU-Staubs 0,150 mg DU enthalten waren.70 Es wurde ermittelt, dass die Lungenbelastung einer Menge von 1,54 mg DU zum damaligen Zeitpunkt 0 entspricht. Das wiederum entspricht einer Alpha-Strahlungsdosis von 4,4 Milisievert (mSv) während des ersten Jahres und 22,2 mSv über 10 Jahre. Diese Werte übersteigen die maximal zulässige Dosis von eingeatmetem DU und rechtfertigen weitere Forschungen über die Möglichkeit der durch DU induzierten bösartigen Veränderungen in den Lungen. Diese auf den Untersuchungen von Menschen basierenden Berichte sind von besonderer Wichtigkeit, wenn sie im Lichte der jüngsten Befunde über die erbgutverändernden Effekte von Alpha-Teilchen auf Stammzellen und über die Dossier Uranwaffen 100 Zeit-Fragen 2007 durch Alphastrahlung induzierte Chromosomeninstabilität bei menschlichen Knochenmarkszellen betrachtet werden.71, 72 Die Chromosomeninstabilität als Konsequenz der von DU ausgehenden Alphateilchen zeigt sehr klar die erbgutverändernden Effekte bei DU-positiv getesteten britischen GolfkriegsVeteranen, wie kürzlich von einer an der Universität Bremen durchgeführten Studie an peripheren Lymphozyten berichtet wurde.73 Dieser Bericht stimmt mit früheren Studien überein, die Chromosomeninstabilitäten, ausgelöst durch eine niedrige Dosis Alpha-Teilchen im Vergleich mit entsprechend wirksamer Photonenstrahlung beschrieben.74 Die Studien über die Nachwirkungen von Alpha-Teilchen und jüngste Verbesserungen bei der Mikrowellenbestrahlung von Säugerzellen erlauben eine präzise Bestimmung des Durchgangs eines einzelnen Teilchens durch einen Zellkern zusammen mit der Fähigkeit, den karzinogenen Effekt eines einzelnen Teilchen zu messen.75 Obwohl der Mechanismus der Erbgutveränderung und der die Krebsentwicklung fördernden Geneffekte (oncogenic effects) durch inhalierte Alpha-Teilchen noch unklar bleibt, wurde gezeigt, dass niedrige Dosen von Alpha-Teilchen den Austausch von Chromosomenbruchstücken zwischen benachbarten Chromosomen (Schwesterchromosomen) bei normalen menschlichen Zellen verursachen können.76 Die praktischen Implikationen dieser Studien sind bedeutsam angesichts der Tatsache, dass über 10% aller Krebstodesfälle in den USA das Ergebnis von Lungenablagerungen von Alphastrahlern sind.77 Sie sind ebenfalls von Bedeutung angesichts der gutdokumentierten durch Alpha-Teilchen ausgelösten genetischen Instabilität von normalen menschlichen Bronchialzellen.78 Es wurde gezeigt, dass menschliche Lungenzellen anfälliger für die schädlichen Effekte von Alpha-Teilchen sind als die Lungenzellen der meisten Versuchstiere.77 Die quantitative Bewertung des Strahlenrisikos nach einer Inhalation von Uran-Aerosolen muss sowohl die Mechanismen der Partikelablagerung und die der -entfernung durch Verlagerung in die pulmonalen und tracheobronchialen Lymphknoten, durch das Überschreiten der Alveolar-Kapillar-Schranke (Alveolarmembran) oder durch Aushusten und Verlagerung in den Nasenrachenraum oder den Verdauungsapparat in Betracht ziehen. Das Modell zur Partikelentfernung (ICRP-66) bezieht sich auf die jüngste Abschätzung der Ablagerung und Entfernung von Uranpartikeln, zur Beurteilung der eingeatmeten Uran-Aerosole und der der Bestimmung der im Körperinneren auftretenden Strahlungsmenge. Die Studie berichtet von grössten Ungenauigkeiten bei einer Partikelgrösse von 0,5 bis 0,6 µm.79 Die Lunge bleibt das Hauptportal für den Eintritt von Uran-Isotopen in die Innenwelt des Körpers und das Knochengewebe letztlich das Zielorgan. Die jüngsten Berichte über die chronische Belastung durch natürliches Uranerz zeigen schlüssig das Risiko für sowohl gutartige wie bösartige Tumore in den Lungen.80 Aktuelle Studien zeigen auch, dass DU oxidative DNA-Schäden hervorrufen kann durch die Beschleunigung von Wasserstoffperoxid- und Ascorbat-Reaktionen.81 Strahlungsinduzierter Zelltod, Chromosomenveränderungen, zelluläre Transformationen, Mutationen und die Entwicklung von Krebs sind hauptsächlich die Folgen von Strahlung, die im Kern einer Zelle zur Wirkung kommt. Niedrigstrahlung kann genetische Instabilität hervorrufen, ohne augenfällige Dosis-Wirkungs-Beziehungen, was eine Ableitung im Sinne einer Berechnung, ausgehend von hohen Strahlendosen, verunmöglicht, während dadurch aber die Bedeutung des Nachbarschaftseffekts (bystander effect) durch eine niedrige Alpha-TeilchenStrahlung hervorgehoben wird.82, 83 Der durch Alpha-Strahlung auf Dossier Uranwaffen 101 Zeit-Fragen 2007 verschiedenen Dosisniveaus hervorgerufene Austausch von Chromosomenbruchstücken zwischen benachbarten Chromosomen kann in Interaktion mit dem zellulären Zytoplasma Zellkernveränderungen bewirken, die in Genmutationen zum Ausdruck kommen.74 Diese schädlichen Effekte stellen die Einwände, dass eine niedrige Dosis an DU keine Genveränderungen bewirken könne, in Frage.76 Golfkriegs-Krankheit und Balkan-Syndrom Der erste Golfkrieg von 1991 führte zur Ablagerung von 350 metrischen Tonnen an abgereichertem Uran in der Umwelt und 3 bis 6 Millionen Gramm an DU-Aerosolen, die in der Atmosphäre freigesetzt wurden; dies entsprechend den vorsichtigsten Schätzungen. Sein Erbe, die Golfkriegs-Krankheit, ist eine komplexe, viele Organe beeinträchtigende Systemstörung. Sie wurde anfänglich als Folge der Einatmung von Wüstensand beschrieben (Al-EskanKrankheit).21 Die Krankheit hat seitdem die verschiedensten Beschreibungen und Namen erhalten, deren Anzahl umgekehrt proportional zu dem tatsächlichen Wissen und dem Verständnis der Krankheit selbst zu stehen scheinen. Die Symptome dieser fortschreitenden Krankheit sind so zahlreich wie ihre Namen und beinhalten beeinträchtigende Müdigkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, neuropsychiatrische Störungen, Gemütsänderungen, Verwirrung, Sehstörungen, Gangveränderungen, Gedächtnisverlust, krankhafte Schwellungen der Lymphknoten, Beeinträchtigungen der Atmung, Impotenz, morphologische und funktionale Veränderungen der Harnwege. Die Krankheit wurde unterschätzt und dann zunehmend als Krankheitsbild anerkannt, indem die zunehmende Symptomatologie klinisch beschrieben wurde. Manchmal als «Simulieren» fehleingeschätzt, durchschritt die Krankheit verschiedene Stadien, in denen sie mal als immunstörungsbedingtes chronisches Erschöpfungssyndrom (chronic fatigue immune disorder), dann als posttraumatische Belastungsstörung bezeichnet wurde, bis sie heute in einigen Ländern als eine separate Krankheit anerkannt wird, während das für andere Länder noch nicht gilt. Die an Tatsachen orientierte Forschung zu Enstehung und Krankheitsentwicklung der Golfkriegs-Krankheit ist lange entmutigt worden durch die Verschleppung klinischer Studien, die in falsche Richtungen gelenkt wurden, manchmal durch eine offene Unterdrückung mit schwerwiegenden Konsequenzen für die Laufbahn von Wissenschaftlern, weil sie nicht in Übereinstimmung mit der Agenda von industriellen und politischen Interessen waren. Unser gegenwärtiges Verständnis der Krankheitsentstehung erscheint noch weit davon entfernt, adäquat zu sein. Einige Autoren meinen, dass die auslösenden Faktoren die Ölteppiche und -brände umfassen, andere präferieren vorbeugende Medikamentenverabreichungen, während wieder andere biologische und chemische Agentien sowie multifaktorielle, unspezifische Veränderungen des Immunsystems und die Belastung durch DUAerosole nahelegen.84 Das Fehlen eines koordinierten Bemühens und einer interdisziplinären Forschung trägt diesen Syndromkomplex leicht in sein zweites Jahrzehnt der Konfusion mit einer behelfsmässigen temporären Verwendung von Namen wie «Persische Golf-Krankheit» und «BalkanSyndrom». Die Kriterien für eine Klassifikation bleiben ungelöst.85 Bestes Beispiel für die Unterschiedlichkeit in der Klassifikation sind die vielfältigen Namen und Beschreibungen. Haleys Faktorenanalyse bietet 6 dominante Kategorien mit 3 Dossier Uranwaffen 102 Zeit-Fragen 2007 Haupt-Syndromen und nicht weniger als 17 Neben-Syndromen an.86 Andere Versuche der Klassifikation enthalten Beschreibungen wie Neuroimmunologisches Syndrom, mukokutanes intestinal-rheumatisches Wüstensyndrom, posttraumatische Belastungsstörung und zahlreiche weitere fachliche Bezeichnungen.87 Obwohl manche der angenommenen Gründe, inklusive der Ölteppiche und -brände und des Wüstensands, auf den ersten Golfkrieg anwendbar sein können, können sie doch kaum als ätiologische Faktoren für den Balkan-Konflikt in Betracht kommen. Panzerbrechende DUWaffen wurden jedoch in beiden Konflikten eingesetzt. Die wachsenden Belege in der jüngeren Literatur über die innere Verseuchung von GolfkriegsVeteranen mit DU in beiden Kriegsgebieten stellen die unternommenen Versuche, das Vorhandensein des DU herunterzuspielen, in Frage.21, 23, 39, 61, 63, 70, 73, 85 Die Ausscheidung von DU-Isotopen bei verseuchten und kranken Militärbediensteten dauert 10 Jahre nach der Belastung im ersten Golfkrieg und 7 Jahre nach dem Balkan-Konflikt noch immer an.21 Die meisten der anderen vorgebrachten Faktoren sollten nochmals im Kontext dieser biologischen Halbwertszeit und der möglichen zunehmenden gesundheitlichen Auswirkungen von DU überprüft werden. Diese Faktoren würden niedrigschwellige chemische Agentien, Ölbrände, Impfungen, Botulismus, Aflatoxine, Mykoplasma (Bakterienbefall der Atemwege und Lunge) und andere ätiologische Faktoren umfassen.84 Die lange physikalische und biologische Halbwertszeit, die Alpha-Teilchen-Strahlung und die wohlbegründeten Nachweise über die körperliche und genetische Giftigkeit der Strahlung legen nahe, dass dem DU bei der Entstehung des Golfkriegs- und Balkan-Syndroms eine bedeutende Rolle zukommt. Es ist ein verdächtiges Nichtvorhandensein an aussagekräftigen, übergreifenden Forschungen zu konstatieren, die Beziehung zwischen den beobachteten Syndromen und einer Uranverseuchung untersuchen würden. Jüngste Berichte, die von keinen gesundheitlichen Auswirkungen durch abgereichertes Uran in Bosnien und Herzegowina sprechen,89 berichten nicht von den tatsächlichen Messwerten der Uran-Isotope weder in Umweltproben noch in menschlichen Proben. Deshalb können die Schlussfolgerungen dieser Studien ohne eine quantitative Bestimmung der Konzentration und des Verhältnisses der Uran-Isotope nicht beurteilt werden. Gleichfalls besteht keine aussagekräftige und glaubhafte Erklärung für das scharfe Ansteigen der Krebsraten unter Golfkriegs-Veteranen.90 Und es gibt ausser dem Uranium Medical Research Center (UMRC) keine objektiven und unabhängigen Forschungsprogramme. Das UMRC ist die einzige Institution, die fortwährend und im ständigen wissenschaftlichen Austausch ihre Forschungen über die innere Verseuchung mit DU unter Verwendung modernster massenspektronometrischer Verfahren durchgeführt hat. Diese Methoden zeigen bei Messungen des Urins von Veteranen des ersten Golfkriegs einen Anteil des Uran-235 im Verhältnis zum gesamten Uran in Höhe von 0,2 bis 0,33% [was auf abgereichertes Uran hinweist; Anm. des Übers.] und weisen auf eine Urankonzentration in Höhe von 150 ng/l Urin zum Zeitpunkt der Kontamination hin. Dazu im Vergleich wurde mit denselben Methoden bei der nicht betroffenen Bevölkerung in der Golfregion ein Uran-Isotopenanteil von 0,7 bis 1% an Uran-235 und eine Konzentration von Uran im Urin in Höhe von lediglich 14 ng/l festgestellt.70 Uranuntersuchungen in Afghanistan Dossier Uranwaffen 103 Zeit-Fragen 2007 Waren die UMRC-Studien zu DU im Urin von Veteranen des ersten Golfkrieges mehrere Jahre nach der unmittelbaren Belastung vorgenommen worden, so fiel die jüngste Sammlung von biologischen und Umweltproben in Afghanistan zeitlich mit der «Operation Enduring Freedom» (OEF, Afghanistan, seit 2001) zusammen. Afghanistan bot die Gelegenheit, Untersuchungen in zeitlicher Nähe zum Konflikt vorzunehmen. Die «Operation Anakonda» war gerade beendet worden, als das UMRC-Team den Osten Afghanistans besuchte. Das Team hatte Zugang zu stationären Anlagen, da die mobilen militärischen Ausrüstungen entweder entfernt oder gesichert waren. Die UMRCUntersuchungen der Bevölkerung von Jalalabad, Spin Gar, Tora Bora und von Gebieten in Kabul stiessen auf Zivilpersonen, die an derselben, mehrere Organe betreffenden unspezifischen Symptomatologie litten, die im ersten Golfkrieg und im Balkan-Krieg vorgefunden worden war. Die Symptome umfassten körperliche Schwäche, Kopfschmerzen, Muskel- und den Haltungsapparat betreffende Schmerzen, Veränderungen der Atemwege, Fieber, dauernden trockenen Husten, Brustschmerzen, Symptome des Verdauungstrakts, neurologische Symptome, Gedächtnisverlust, Angst und Depression. 24-Stunden-Urinproben von Menschen, die an solchen Symptomen litten, wurden nach folgenden Kriterien ausgewählt: a) der Beginn der Symptome lag in der Zeit der Bombenangriffe, b) Anwesenheit in dem bombardierten Gebiet, c) klinische Ausprägungen. Proben für eine Kontrollgruppe wurden von symptomfreien Bewohnern nicht betroffener Gebiete genommen. Eine Begutachtung der Umweltkontamination wurde durch die Analyse von Boden, Staub,91 Schutt sowie Trinkwasser92 unternommen gemäss etablierten Kriterien über die Abschätzung der Ausbreitung und der Gefährdungen durch Aktinide [Elementgruppe, zu der auch Uran zählt] und anhand entsprechender Proben aus den von den Bombeneinschlägen betroffenen Gebieten. Alle untersuchten Personen, inklusive der Kontrollgruppe, wurden über das Vorgehen und die Probensammlung in den Landessprachen Dari und Pashtu informiert. Jede Person unterzeichnete eine Einverständniserklärung. Alle Proben wurden im Hinblick auf die Konzentration und auf das Verhältnis der 4 Uran-Isotope Uran-234, Uran-235, Uran-236 und Uran-238 zueinander mit Hilfe eines Massenspektrometers mit induktiv gekoppeltem Plasma (ICP-MS) in den Laboratorien des British Geological Survey, Nottingham, England untersucht. Die ersten Ergebnisse aus der Provinz Nangarhar zeigten bei der Urinausscheidung eine signifikante Erhöhung des Gesamturans bei 100% der untersuchten Personen, mit durchschnittlich 20-fach höheren Werten im Vergleich zur nicht betroffenen Bevölkerung. Die Analyse der Isotopenverhältnisse zeigten nicht abgereichertes Uran.93 In der Folge wurden bei Proben, die während einer zweiten Feldstudie im Jahr 2002 genommen wurden, bis 200-fach höhere Werte gemessen als in der Kontrollgruppe. Diese hohen Werte der Gesamt-Uranausscheidung wurden in den Distrikten Tora Bora, Yaka Toot, Lal Mal, Makam Khan Farm, Arda Farm, Bibi Mahro, Poli Cherki und am Kabuler Flughafen gemessen. Beide Feldstudien zeigten die Signatur von nicht abgereichertem Uran (NDU) in allen untersuchten Gebieten im Osten Afghanistans. (Table 2 und 3, Figure 4) Die Uranwerte in den Bodenproben, die aus OEF-bombardierten Stellen stammten, waren zwei- bis dreimal höher als die globalen Konzentrationsniveaus von 2 bis 3 mg/kg. Die Konzentrationen im Wasser waren signifikant höher als die von der WHO noch erlaubten Maximumpegel Dossier Uranwaffen 104 Zeit-Fragen 2007 (unsere nicht veröffentlichten Daten). Die Untersuchungen des UMRC werden auf Zentral-Afghanistan und das westliche und das nördliche Afghanistan ausgedehnt. Zusätzlich zu den Studien zu den Isotopenverhältnissen des Uran im ausgeschiedenen Urin wurde eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zu ausführlichen klinischen Untersuchungen der Nieren- und Atmungsfunktion, zu zellgenetischen Untersuchungen von Chromosomenveränderungen in den peripheren Blutlymphozyten von kontaminierten Personen, zu elektronenmikroskopischen und nanopathologischen Untersuchungen von Gewebeproben, die von lebenden oder verstorbenen Personen stammen, angeregt. Folgestudien mit Veteranen des ersten Golfkriegs und mit der Bevölkerung im östlichen Afghanistan werden fortgesetzt neben Untersuchungen von ungeklärten Krankheiten von Veteranen, die aus dem zweiten Golfkrieg zurückgekehrt sind. Klinische Studien in internationalen medizinischen Instituten und Forschungseinrichtungen werden die Auswirkungen sowohl von DU wie auch NDU auf die Nieren und das Atmungssystem mit Hilfe moderner Verfahren der funktionalen Morphologie und bildgebenden Computersysteme untersuchen. Die Forschung wird sich mit verschiedenen relevanten Bereichen, insbesondere den neoplastischen Zellveränderungen,94 dem programmierten Zelltod (Apoptose),25 Veränderungen des Erbguts95 und Risiken der Krebsentstehung96 befassen. Untersuchungen zur Kontamination der Umwelt und zur Biodistribution werden sich mit den akuten und chronischen Auswirkungen von Uran-Isotopenverbindungen befassen, zusammen mit der Bestimmung der kumulativen Strahlungsdosen und ihren biologischen Auswirkungen seit der Einführung der radioaktiven Kriegsführung. Feldstudien werden gegenwärtig ausgeweitet auf die Zivilbevölkerung im Irak, im GazaStreifen, in der Westbank, im Balkan und in weiteren Gebieten Afghanistans. Unsere Studien bestätigen die Ergebnisse, dass in Kosovo Uran-236 in Bodenproben von Zielgebieten des südlichen Balkans gefunden wurde und das Vorhandensein kleiner DU-Partikel.95 Die Kosovo-Proben enthielten Hunderte von Partikeln in Miligramm-Mengen kontaminierten Bodens, 50% der Partikel mit einem Durchmesser kleiner 1,5 µm und nahezu alle Partikel kleiner 5 µm.98 Wir werden versuchen, diese Ergebnisse bei unseren kommenden Feldstudien in den Nachkriegsregionen zu überprüfen. Schlussfolgerung Die gegenwärtige Realität des kombinierten chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Schlachtfeldes (CBRN) bei der taktischen Kriegsführung oder die mögliche heimliche Verwendung von kürzlich entwickelten Geräten zur Verbreitung radioaktiver Substanzen in einem terroristischen Szenario schaffen eine neue Dimension des Umgangs mit Massenopfern. Die Rolle der Medizin im nuklearen und radiologischen Krieg ist begrenzt auf Grund einer mangelnden Vorbereitung des Umgangs mit den komplexen Konsequenzen einer akuten Strahlenkrankheit mit kombinierten Verletzungen oder mit einer Verseuchung der Biosphäre und der menschlichen Bevölkerung. Kürzlich festgestellte Krankheiten mit unbekannter Herkunft, Pathogenese und klinischen Erscheinungsbildern stellen die medizinische Behandlung noch vor ungelöste Probleme. Die schädlichen Effekte im Körper angelagerter Radionukleide, insbesondere von Uranisotopen als Folge der militärischen Konflikte des vergangenen Jahrzehnts, wurden in der aktuellen Literatur gut dokumentiert. Die Notwendigkeit einer gut geplanten und koordinierten interdisziplinären Forschung angesichts der gegenwärtigen Dossier Uranwaffen 105 Zeit-Fragen 2007 Umweltfolgen und medizinischen Konsequenzen einer CBRN-Kriegsführung, mit einem objektiven und unvoreingenommenen Herangehen zur Klärung der ungeklärten Nachkriegskrankheiten, wird zu einer tieferen Einsicht in dieses herausfordernde Kapitel der medizinischen Wissenschaft durch den unvermeidlichen Fortschritt einer objektiven Forschung führen. Correspondence to: Asaf Durakovic Uranium Medical Research Center 3430 Connecticut Avenue 11854 Washington D.C. 20008, USA asaf(at)umrc.netasaf(at)umrc.net 1 Einstein A. Energy, enough to cleave the Earth. 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Die «Atomallianz» zieht klug und mächtig ihren Vorteil aus der Katastrophe. Nicht, dass man ein weiteres Tschernobyl um jeden Preis zu vermeiden bestrebt wäre, sondern die skrupellose Ausbeutung der medizinischen Schäden der betroffenen Menschen ist ein Ziel. Auch die Propagandastrategien in bezug auf die «Nützlichkeit» von Atomkraftwerken wurden verfeinert und finden ihren Höhepunkt in der vorgeblichen Klimaschutzfunktion von AKW. Nach Tschernobyl wurden die Atomallianzen fester geschmiedet als je zuvor. Ist die Katastrophe von Tschernobyl «contained»? Ist die Katastrophe von Tschernobyl «con tained»? Schauen wir genauer hin: Mit der Publikation des Buches «20 Jahre Leben mit Tschernobyl – Erfahrungen und Lehren für die Zukunft» eröffnet sich dem geneigten Leser ein Bild der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Folgen der Explosion des 4. Reaktorblocks des AKW in Tschernobyl im April 1986. Hervorgegangen aus dem Internationalen Kongress gleichen Themas im September 2006 in Feldkirch/Vorarlberg, beinhaltet der Kongressband auf über 450 Seiten die Vorträge. Eine Besonderheit dieses Kongresses war, dass sich die Referenten zum gröss ten Teil aus Wissenschaftlern aus Belarus, Russ land sowie der Ukraine konstituierten. Aus erster Hand erhielt der Teilnehmer die Fakten. Eine Übersicht: – Gesundheitliche Probleme in den GUS-Staaten und im Westen, Epidemiologie, Langzeitfolgen, Genetik, Niedrigstrahlungsfolgen, Schwächung des Immunsystems, Diabetes, Schilddrüsenkrebs, Brustkrebs, Erkrankungen der Atmungsorgane, Herz-Kreislauf-Organe. – Wirtschaftliche Probleme für die Regionen und Gemeinden, die innerhalb oder am Rande der Sperrzone liegen. – Landwirtschaftliche Probleme, radioökologische und sozioökonomische Folgen der Reaktorkatastrophe. Der Hauptanteil der potentiellen kollektiven Strahlendosis kommt durch Produkte aus dem Pflanzenanbau – vor allem Getreide und Kartoffeln –, ferner durch Rindfleisch und Milch über Caesium-137-Kontamination zustande. – Physikalisch-technischer Ablauf der Katastrophe und Konsequenzen für die Beseitigung der Dossier Uranwaffen 111 Zeit-Fragen 2007 Folgen, prominenter Vortragender war der Russe Konstantin P. Tschetscherow, der die Tatsache einer Explosion im Reaktorblock 4 eindeutig nachweisen konnte. Und der durch eigene Nachforschungen im Reaktor nachweisen konnte, dass der gesamte Kernbrennstoff aus dem Reaktor herausgeschleudert wurde. Die Gremien, die mit anderslautenden Aussagen den Bau eines milliardenschweren neuen Sarkophags zu begründen suchen, sollten sich den Tatsachen stellen. – Strahlenschutz- und Katastrophenmanagement nach der Reaktorkatastrophe – was lernen wir daraus? – Finanzielle Dauerbelastung des BIP für Weissrussland und die Ukraine. – Wer aus dem Westen leistet wie Hilfe? – Warum gibt die Tschernobyl-Katastrophe Anlass, sich für einen Wechsel zu erneuerbaren Energien zu interessieren? Nikolai Karpan, Liquidator, Berater der Tschernobyl-Kommission des ukrainischen Parlaments, legt dar, wie wenig aus der Havarie gelernt wurde. Zum Beispiel werden, folgt man den Rechnungen der IAEA, bis 2030 mehr als über 200 Milliarden Dollar zur Entwicklung der Atomenergie ausgegeben. Glaubt man also an deren Sicherheit? Am Beispiel des von der IAEA unterschlagenen Unfalls im AKW Devis-Bess, USA, im Jahr 2002 beschreibt Karpan, dass Experten aussagen, dass der Defekt im Deckelmetall zu einer Havarie hätte führen können. Die Edelstahllasche (9 mm stark) in der Zone des beschädigten Stutzens war das einzige Hindernis zum Wasserauswurf, gemäss dem NRC, dem Ausschuss zur nuklearen Regelung der USA. Die Uno hat verlautbart, dass der Schaden durch die Explosion von Tschernobyl mit einer Trillion Dollar eingeschätzt wird. Die wichtigste Erkenntnis, so Karpan, bestehe jedoch darin, dass sich in Tschernobyl der Welt die längst bekannten Probleme der Atom energetik entpuppten. Die Explosion des Reaktors habe diese Probleme nur öffentlich entblösst. Das nukleare Establishment wird ob dieser Publikation müde lächeln – schon wieder diese Unwahrheiten über die Todes- und Krebsraten in Belarus, der Ukraine, diese Übertreibungen von fanatischen Gegnern der Kernenergie und die Verteufelung von Atomkraftwerken. Haben wir denn nicht schon genügend schlechte Reputation durch den Tschernobyl-Unfall erlitten? – So klagt das nukleare Establishment. Es klagt und diktiert. Es entlässt die WHO nicht aus dem Klammergriff der IAEA, sondern knebelt die WHO mit einem verwerflichen Vertrag, der seine Urheber in ein diktatorisches, die Wahrheit scheuendes Licht rückt. Doch die Wahrheit kommt ans Licht, sie wird von Tausenden von Menschen durchlitten und erlebt, sie schlägt sich in Tausenden von wissenschaftlichen Analysen nieder, sie kommt in Westeuropa zum Beispiel durch die Erhöhung der Schildrüsenkrebsraten ans Tageslicht durch die Erhöhung der Missbildungsraten bei Kindern usw., durch gestiegene Krebsraten in Nordschweden. Ist die Tschernobyl-Katastrophe als «contained» zu betrachten? Das kommt auf den Massstab an. Bezüglich der Krebsraten scheint das Schlimmste noch bevorzustehen. Bezüglich der genetischen Folgen ist kein Ende absehbar. Die junge Generation, die jetzt Kinder bekommt, leidet an körperlichen Problemen infolge der Kontamination ihrer Eltern und gibt sie an die nächste Generation weiter. Waldbrände und Überschwemmungen bilden eine andauernde Gefahr für die umliegenden Regionen in Belarus und der Ukraine. Strontium verteilt sich auf den Äckern im Süden der Ukraine. Americium, ein sehr giftiges Radionuklid, ein Zerfallsprodukt von Plutonium, verseucht das Wasser. Dossier Uranwaffen 112 Zeit-Fragen 2007 Der Mensch im 21. Jahrhundert ist aufgefordert, sich der Umweltproblematik zu stellen. Radioaktive Strahlung, auch in niedrigdosierter Weise, zerstört die biologische Umwelt, langsam oft, aber unumkehrbar. Die Hormesisthese ist falsch, Radioaktivität hat keinen positiven Effekt. Ionisierende Strahlung beschädigt die Zellen. Jedes Mehr an Radionukliden in der Umwelt bedeutet mehr Krebstote und Krebserkrankungen. Tschernobyl mahnt, die vorliegende Publikation liefert in einzigartiger Klarheit die Fakten. Man muss sie nur wissen wollen. «20 Jahre Leben mit Tschernobyl – Erfahrungen und Lehren für die Zukunft» Kongressband zum internationalen Kongress. Herausgeber: E. Lengfelder, Ch. Frenzel, S.P. Kundas, Otto Hug Strahleninstitut MHM e.V. München 2007, ISBN 978-3929990-04-1 «Ein entscheidendes Faktum wird bisher von IAEA und WHO systematisch ausgeblendet und verschwiegen: die Gesundheitseffekte in Westeuropa. Denn es ist Tatsache, dass etwa 50 – 70% der aus dem Tschernobyl-Reaktor 4 herausgeschleuderten Radionuklide ausserhalb von Belarus, Ukraine und Russland niedergingen und zum grössten Teil in Westeuropa, wenn auch sehr inhomogen, verteilt wurden.» (S. 201, Vortrag Prof. Lengfelder) Dossier Uranwaffen 113 Zeit-Fragen 2007 Ein böser Geist geht um – Oder was hat Leukämie mit dizentrischen Chromosomen, Tritium und kleinen schwarzen Kügelchen zu tun? In loser Folge werden die finsteren Hintergründe, die zum tragischen Leukämietod und den Leukämieerkrankungen in der Elbmarsch bei Hamburg geführt haben und immer noch führen, dargestellt. Sie sind bis heute nicht aufgeklärt. bha. Seit Ende 1989 sind mehr als 15 Kinder an Leukämie erkrankt, 4 davon sind schon gestorben. Dizentrische Chromosomen wurden gefunden, und in Lymphozyten sind sie so gut wie ausschliesslich durch Strahlen induzierbar. Ihre Verteilung auf die Zellen ist ein verlässlicher Indikator für einen Beitrag durch Alphastrahlung. Die Kinder wohnen in unmittelbarer Nähe zu dem Kernkraftwerk Krümmel und dem nuklearen Forschungsinstitut der «Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffahrt und Schiffbau» (GKSS). Nachdem die GKSS sowie die Behörden keinerlei Hand geboten hatten, die Sache aufzuklären, engagierten sich Spezialisten auf dem Gebiet der Strahlenbiologie, Medizin, Messtechnik, Toxikologie und der Physik mit hoher Sachkenntnis, Akribie und menschlicher Hingabe, alle potentiellen Faktoren abzuklären, die die Leukämieerkrankungen ausgelöst haben könnten. Im Jahr 2000 wurden im Boden diesseits und jenseits der Elbe kleinste Kugeln aus Schwermetall in verschiedenen Grössenklassen entdeckt. Sie entstammen einem Experiment, bei dem die Prinzipien der Kernspaltung (wie im Atomkraftwerk) und der Kernfusion (wie bei der Wasserstoffbombe) kombiniert werden sollten. (siehe Strahlentelex, Nr. 480-81) Wenn innerhalb von 18 Jahren in nahe beieinander liegenden Dörfern mehr als 15 Kinder an Leukämie erkranken, muss es eine Ursache geben. Oder geht von den nuklearen Einrichtungen ein undefinierter böser Geist aus? Das eine wie das andere ist wohl wahr. Obwohl die Ursache für die Leukämien der Kinder in der Elbmarsch, in Geesthacht, Tespe und Obermarschacht – Dörfer an der Elbe in der Nähe Hamburgs – wissenschaftlich erforscht ist, bringen die zuständigen Behörden und die verursachenden nuklearen Forschungseinrichtungen die Ehrlichkeit nicht auf, diese Ursache anzuerkennen. Es ist ein trauriger Fall von Vertuschung, auch wenn es sich bei der Vertuschung von Nuklearunfällen nicht um eine Ausnahme, sondern die Regel handelt. Die Spezialisten waren fündig geworden, sie hatten den «bösen Geist» erkannt und dingfest gemacht. Sie publizierten ihre Ergebnisse und verlangten Konsequenzen. Dr. Sebastian Pflugbeil, Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz, Berlin, dokumentierte die Ergebnisse seit 1992 im Strahlentelex www.strahlentelex.de. Zu welchen Schlüssen waren die Fachleute gekommen? «Ein Radioaktivitätsunfall im Gebiet der kerntechnischen Anlagen von Geesthacht am 12. September 1986 kann als erwiesen angesehen werden. Nicht nur Spalt- und Aktivierungsprodukte, sondern auch Kernbrennstoffe und Brutprodukte wurden freigesetzt, die sich heute in der Umgebung noch Dossier Uranwaffen 114 Zeit-Fragen 2007 nachweisen lassen. Für 12 Stunden betrug die Radioaktivitätskonzentration in der Luft mehr als das 400-fache der Tschernobyl-Kontamination in Norddeutschland. Die Strahlenbelastung der Bevölkerung muss im wesentlichen durch Inhalation der radioaktiven Stoffe erzeugt worden sein, wobei auch Expositionen in der Folgezeit auftraten. Die freigesetzten radioaktiven Stoffe entstammen einem Hybridsystem, das heisst einem kerntechnischen Experiment, bei dem die Prozesse der Kernspaltung und der Fusion gleichzeitig angewendet werden sollten. Die genaue Zusammensetzung und experimentelle Anordnung sind nicht publiziert worden. Aus den Ergebnissen verschiedener nuklidspezifischer Mess kampagnen in der Umgebung wird das Inhalationsgemisch rekonstruiert. Wir gehen von den Dachstaubmessungen aus, bei denen sich Transurane und das Spaltprodukt Strontium 90 gezeigt hatten. Bodenmessungen, die erst in den Jahren 2001 bis 2004 umfänglich durchgeführt wurden, zeigten demgegenüber grosse Anteile von Thorium und Uran in etwa der Zusammensetzung, wie sie als Brennstoffe in Hochtemperaturreaktoren erwartet werden können (Massen zwischen 2:1 und 10:1). Die Analyse der Leukämieursachen ergab, dass im September 1986 in der GKSS Experimente durchgeführt wurden, bei denen Mikrokügelchen zu Vorversuchen verwendet wurden, die eindeutig einen kerntechnischen Hintergrund haben. Wohlbekannt sind tritiumhaltige Kügelchen im Bereich der Trägheitseinschlussfusions-Forschung (ICF oder Inertial Confinement Fusion). Solche Kügelchen wurden in Reetdächern und Bodenproben von Elbmarsch und Elbgeest von verschiedenen Wissenschaftern gefunden und beschrieben. (siehe auch Strahlentelex, Nr. 488-8) Böse Geister gibt es nur im Märchen. Die Wirklichkeit liegt in der beim Unfall freigesetzten Strahlenbelastung. Diese scheint die eindeutige Ursache der Leukämieerkrankungen zu sein. Der Bereich der Trägheitseinschlussfusion (Inertial Confinement Fusion) ist sowohl für friedliche wie militärische Zwecke nutzbar. Und hierin dürfte wohl der Grund für die Geheimhaltung der wahren Ursachen der Leu kämieerkrankungen zu finden sein. Die aufgefundenen Thoriumisotope ergeben die grössten Beiträge zur Strahlenbelastung der Bevölkerung. Als Belastungspfade für die LeukämieInduktion kommen die somatische Exposition kleiner Kinder, die Ex position im Mutterleib und die genetische Induktion über präkonzeptionell exponierte Eltern in Frage. Die Knochenmarkdosis für Kleinkinder ergibt sich zu 97 mSv, die Leukämie-relevanten Gonadendosen bei Erwachsenen zu jeweils 10 mSv, die Embryonaldosis erscheint vernachlässigbar. Das im Raum Geesthacht beobachtete Leukämieauftreten bei Kindern kann mit diesen Expositionen widerspruchsfrei erklärt werden. Die heute noch bestehenden Risikofaktoren müssen untersucht und beseitigt werden, damit die amtliche Einstufung der Region als ‹Endemiegebiet› entfallen kann.» Zusammenfassung aus: Das Elbmarsch-Leukämiecluster: Betrachtungen zum Dosiswirkungszusammenhang anhand der beobachteten Kontaminationen bei Geesthacht, Dez. 2006, Autoren: Prof. I. Schmitz-Feuerhake, Dr. Sebastian Pflugbeil, Dipl.-Ing. Heinz-Werner Gabriel (www.elbmarsch.org). Dossier Uranwaffen 115 Zeit-Fragen 2007 Dossier Uranwaffen 116 Zeit-Fragen 2007 Nr.40, 8. Oktober 2007, Seite 3, 4 Struck-Skandale Deutsche Leihsoldaten im Irak-Krieg verstrahlt – Mitwirkung bei USEinsatz von Uranbomben in Afghanistan durch Tornado-Aufklärer von Christoph Hörstel, München In einem Krankenhaus in Deutschland liegt ein Bundeswehrsoldat (hoher Unteroffiziersrang) mit einer erstaunlichen militärischen Karriere: Im Frühjahr 2003 wurde ihm in Aussicht gestellt, er könne seine Beförderungschancen verbessern, indem er aus der Bundeswehr offiziell ausscheide, bei den USTruppen anheuere, mit diesen in den Irak-Krieg zöge – und später wieder zur Bundeswehr (Heer/Infanterie) zurückkehre. «Der Einsatz von Uranwaffen ist ein Bruch von Menschen- und Völkerrecht erster Güte. Die Bundesrepublik Deutschland ist daran zwar nicht direkt durch eigene Anwendung beteiligt, durch vielfältige Mitwirkung (Isaf, Tornado, OEF) und Unterstützung der Beschuldigten (USA) jedoch entsteht eine durchaus justitiable Beihilfe-Situation. Unter diesen Umständen müsste es sich geradezu verbieten, dass dieser Bundestag die Regierungsvorlage zur Mandatsverlängerung Isaf/Tornado bedingungslos unterstützt, weil dies weitere Uranwaffenverwendung zwangsläufig unterstützt, insbesondere im Fall der Tornado-Aufklärer.» Christoph Hörstel Ein Infanterie-Zug der Bundeswehr als US-Kanonenfutter im Irak Nach Aussagen des Unteroffiziers war es ein kompletter Zug von Soldaten der deutschen Bundeswehr (Zugstärke normalerweise zwischen 50 und 70 Mann), der im März 2003 loszog – und im Irak-Krieg an der Seite von US-Truppen dort eingesetzt wurde, wo Strahlenschäden zu erwarten waren. Nach Aussagen des erkrankten Unteroffiziers kam es dadurch anders, als im Vorgespräch mit Bundeswehrvorgesetzten angeboten: Im Anschluss an den Dienst im Irak verstarb die Hälfte seiner deutschen Kameraden dieser deutschamerikanischen Sondertruppe an Krebs, offenbar verursacht durch Strahlung. Die Bundeswehr habe ihm, so sagt der überlebende Bundeswehrzeuge, zwar auch – wie allen anderen – nach Beendigung seines US-Auftrages die Rückkehr in die Bundeswehr angeboten, doch wegen seines Zustands sei ihm zunächst die Wiederaufnahme in die Bundeswehr und damit auch jegliche Fürsorge verweigert worden – und erst später habe die Bundeswehr diese Entscheidung zurückgenommen, sich um ihn gekümmert und ihn versorgt. Die Aussage dieses Soldaten ist auch insofern von Bedeutung, als in Erwägung gezogen werden muss, dass zum Zeitpunkt dieser leihweisen Überlassung von Mannschaften an die US-Streitkräfte die Bundesregierung Schröder unter hohem Druck der USA stand, da sie offiziell die Teilnahme deutscher Soldaten am Irak-Krieg strikt abgelehnt hatte. Diese Ablehnung wurde seinerzeit innenpolitisch (Schröder gewann dadurch die Wiederwahl 2002) und Dossier Uranwaffen 117 Zeit-Fragen 2007 aussenpolitisch stark beachtet. Deshalb ist als wahrscheinlich anzusehen, dass die Soldaten, um die Regierung Schröder nicht völlig zu diskreditieren, den komplizierten Weg des Ausscheidens aus der Bundeswehr und des späteren Wiedereintritts wählen mussten, das Ganze bei strikter Verpflichtung zur Geheimhaltung. Doch es gibt neben dem Vorwurf des politischen Falschspiels einen womöglich noch schwerer wiegenden Gesichtspunkt: Es ist nun kaum anzunehmen, dass die Führungsspitzen beider Armeen nicht wussten, welcher Art der Einsatz der «Leihsoldaten» sein sollte. Mit Sicherheit war er geeignet, US-Truppenteile von derart verlustreichen militärischen Operationen zu entlasten. Das Problem der US-Streitkräfte mit dem «Golf-Kriegssyndrom» (Strahlenschäden bei Militärpersonal aus der Operation «Desert Storm» von 1991, dem zweiten Golf-Krieg anlässlich der Besetzung Kuwaits durch die Truppen des irakischen Diktators Saddam Hussein) ist hinlänglich bekannt, immer noch sind Tausende Schadenersatzansprüche ungeklärt. Daraus ergibt sich hier die Frage, ob diese Soldaten bewusst in einem Himmelfahrtskommando «verheizt» wurden in einer Art menschenverachtendem Tausch gegen das Ausbleiben weiterer Repressalien durch die USA gegen Deutschland wegen der offiziellen deutschen Verweigerungshaltung. Dabei ist klar festzuhalten: Der Bundesregierung war zum Zeitpunkt der Verwendung ihres Unteroffiziers im Irak sehr wohl bewusst, wie gefährlich die von US-Truppen verwendete DU-Munition (DU = Depleted Uranium) ist, auch für die eigenen Leute. Das beweist der folgende Fall. Schiessbuch Rajlovac Dem Autor liegt komplett (in Fotokopie) das Schiessbuch eines Bundeswehrsoldaten vor, der 2001 im Feldlager Rajlovac bei der Sfor in Bosnien-Herzegowina Dienst tat. (Jeder Soldat der Bundeswehr muss ein Schiessbuch führen, in das seine Schiessübungen von den jeweils Beaufsichtigenden eingetragen werden.) Wenn es noch einen Zweifel daran gibt, dass • Bundesregierung und Nato wissen, dass Uranmunition gefährliche Schäden verursacht, • in Bosnien-Herzegowina Uranmunition verwendet wurde, dann wird der beigefügte Auszug aus dem Schiessbuch eines BundeswehrSoldaten, der im Jahre 2001 im damaligen Sfor-Feldlager Rajlovac (bei Sarajevo) Dienst tat, diesen Zweifel endgültig widerlegen (Bild rechts anklicken): Denn dort steht (auf S. 25 des Schiessbuches eingeheftet): «Die Teilnahme an der Ausbildung Massnahmen zur Vorsorge und zum Schutz gegen Depleted Uranium Munition (DU-Munition) wird bestätigt. Rajlovac, (Tag und Monat zum Informantenschutz geschwärzt) 2001, unleserliche Unterschrift, OFW (= Oberfeldwebel)» Darunter werden die Prüfwerte für die Dichtigkeit der Gasmaske des Soldaten («Grösse 3 – Brille: JA») angegeben (wiederum zum Informantenschutz geschwärzt). Opfer von Uranmunition in Afghanistan Es gibt eine Menge Verbrechen und Skandale rund um den Krieg in Afghanistan, doch die womöglich folgenreichsten sind noch gar nicht genügend Dossier Uranwaffen 118 Zeit-Fragen 2007 erforscht: Die Rede ist von schwersten gesundheitlichen Schädigungen, einschliesslich Schäden am Genmaterial, bei Afghanen bis hin zur Säuglingssterblichkeit auf Grund schwerster Missbildungen durch den Einsatz von Uranwaffen seitens der USA. Dass ein solcher Einsatz auch gegenwärtig noch erfolgt, erklärt Prof. Dr. Albert Stahel, Dozent für Strategische Studien am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Zürich. Er schätzt, etwa die Hälfte aller in Afghanistan eingesetzten Bomben seien Uranbomben. Die USA bestreiten bisher, in Afghanistan Uranmunition eingesetzt zu haben, Forschungsergebnisse bei den Opfern von Prof. Dr. Asaf Durakovic[1] weisen jedoch darauf hin, dass diese Behauptung nicht den Tatsachen entspricht. Ausserdem meldet das amerikanische «Air Force Print News Today» in aller Offenheit auch aktuell in diesem Jahr immer wieder den Einsatz von Uranwaffen. Die betroffenen Menschen leiden z.T. extrem unter den bekannten Folgewirkungen, schwerst geschädigte Kinder sterben in den Hospitälern z.T. nur wenige Tage nach der Geburt unter furchtbaren Schmerzen. Der in den USA lebende gebürtige Afghane Dr. Mohammad Daud Miraki erklärte mir bei Übergabe des beigefügten Bildmaterials (aufgenommen am 13. März 2006 im Malalai Women Hospital, Kabul, durch Dr. Miraki, der auch ein Video von dem abgebildeten unbekannten Kind erstellte), dass alle Beteiligten nicht nur um ihre Karriere, sondern um ihr Leben fürchten müssten, wenn sie sich an Untersuchungen von Schäden beteiligen, die einen Uranwaffen-Hintergrund vermuten lassen. Konkret führte Dr. Miraki an: • Eltern wollen ihre Namen und die ihrer möglicherweise geschädigten Kinder nicht nennen, • Ärzte wollen sich an Untersuchungen nicht beteiligen, • Klinikleitungen wollen diese Untersuchungen nicht anordnen. Vergessen ist der Eid des Hippokrates, der verlangt, dass alles getan wird, um lebensverlängernde Massnahmen durchzuführen, vor allem gehört dazu selbstverständlich eine treffsichere und nachprüfbare Diagnose. Eine rasche Stichprobe bei der deutschen Leitung eines deutsch finanzierten Hospitals in Kabul, die dort seit über zehn Jahren erfolgreich arbeitet, ergab, dass man auch dort Repressionen befürchtet, falls sich das Hospital an der Verifizierung des Verdachts auf Uranschäden beteiligt. Eine solche Reaktion aller Betroffenen muss zwangsläufig verschiedene Schuldvermutungen schüren: • Die repressiven politischen Mächte wissen um ihre Verbrechen und suchen sie mit allen Mitteln zu vertuschen. • Wissenschaftlich begründete Zweifel an der Gefährlichkeit von Uranwaffen sollen vielfach nur dazu dienen, die Uranwaffen-Anwender reinzuwaschen. Schliesslich hat sich die tägliche Truppenpraxis nicht nur bei der Bundeswehr längst entschieden, Uranwaffen aller Art als gefährlich einzustufen – und damit in Berührung kommendes Personal vor diesen Gefahren durch Gegenmassnahmen wie beschrieben zu schützen. Die Folgerungen Zum früheren Verteidigungsminister Struck ist zu sagen, dass er Schuld auf sich geladen hat, weil er Angehörige der Bundeswehr dazu anhalten liess, sich am Irak-Krieg ohne den grundgesetzlich dafür zwingend vorgeschriebenen Dossier Uranwaffen 119 Zeit-Fragen 2007 Bundestagsbeschluss zu beteiligen. Erschwerend hinzu kommt das trickreiche Vorgehen durch die vorübergehende Ausserdienststellung bei der Bundeswehr, das als betrügerisch betrachtet werden kann. Schliesslich waren die Betroffenen noch Bundeswehrsoldaten, als sie erstmals über ihre USVerwendung aufgeklärt wurden. Der Einsatz von Uranwaffen ist ein Bruch von Menschen- und Kriegsvölkerrecht erster Güte. Die Bundesrepublik Deutschland ist daran zwar nicht direkt durch eigene Anwendung beteiligt, jedoch durch vielfältige Mitwirkung (Isaf, Tornado, OEF) und Unterstützung der Beschuldigten (USA) entsteht eine durchaus justitiable Beihilfe-Situation. Unter diesen Umständen müsste es sich geradezu verbieten, dass dieser Bundestag die Regierungsvorlage zur Mandatsverlängerung Isaf/Tornado bedingungslos unterstützt, weil dies weitere Uranwaffenverwendung zwangsläufig unterstützt, insbesondere im Fall der Tornado-Aufklärer. Dass ausgerechnet Struck, jetzt in seiner neuen Position als SPD-Fraktionschef im Bundestag, eben diese Fraktion politisch stark unter Druck setzt, ausgerechnet um den Einsatz deutscher Tornado-Aufklärer zu verlängern – das ist ein einsamer Höhepunkt von Gewissenlosigkeit. Künftiges Vorgehen des Bundestages Unter den erwähnten Umständen sollte der Deutsche Bundestag zunächst einmal das Aufschnüren des Isaf-Tornado-Pakets durchsetzen und ohne jeglichen innerfraktionellen Druck die Abstimmung der verfassungsrechtlich eindeutig verbrieften Gewissensfreiheit der Abgeordneten überlassen. Tornados, aber auch Isaf-Truppen darf die Bundesregierung erst dann wieder zum Einsatz vorsehen, wenn geklärt und nachprüfbar sichergestellt ist, dass das dem Aufklärungsflug folgende Bombardement • keine Uranwaffen enthält, • keine Zivilisten schädigt (Völkerrecht!), • eine wissenschaftlich unangreifbare Untersuchung der Beschuldigungen zu Einsatz und Wirkung von Uranwaffen durch mehrere offizielle Institutionen erfolgt, mindestens eine davon eine UN-Organisation und eine andere das Bundesamt für Strahlenschutz, • eine Bearbeitung des Themas in Nato, EU und Uno durch geeignete Massnahmen bis April 2008 erfolgt, • nachprüfbare und sanktionsfähige Vorsorge-Massnahmen für einen weltweiten Verwendungsstopp der Uranmunition bei allen Nato-Aktionen getroffen sind, • Sanktionen für die künftige Verwendung der Munition beschlossen sind, • Wiedergutmachung für die angerichteten Schäden bei anderen Völkern ebenso wie beim eigenen Personal zeitnah beschlossen ist. Es muss sicherlich nicht darauf hingewiesen werden, dass jedes Mitglied des Bundestages, das jetzt einer Verlängerung des Isaf-Tornado-Mandats bedingungslos zustimmt, sich mitschuldig macht an den Verbrechen in Afghanistan und möglichen weiteren, die zweifellos geplant sind (US-Luftkrieg gegen Iran!). [1] Aus: Zeit-Fragen, Nr. 41 vom 11.10.2006, S. 9 nach: «Undiagnosed Illnesses and Radioactive Warfare», in: Croatian Medical Journal, 44(5):520-532, 2003 (Übersetzung Zeit-Fragen) Dossier Uranwaffen 120 Zeit-Fragen 2007 km. Christoph Hörstel hat für verschiedene deutsche Medien und Behörden seit Anfang der 80er Jahre und bis in die Gegenwart hinein immer wieder Afghanistan besucht. Was ihn bis heute auszeichnet: Er hat sich bei seiner Arbeit niemals für irgend jemand einspannen lassen, hat darüber berichtet und geschrieben, was er wirklich erfahren hat, und hat sich den Menschen im Land so genähert, dass sie ihn als ehrlichen Vermittler und sogar Freund akzeptieren und achten. Im gewissen Sinne ist Afghanistan seine zweite Heimat geworden. Um so mehr empört es ihn, wie die Grossmächte mit diesem Land in den vergangenen 30 Jahren umgegangen sind und was sie im Land angerichtet haben. Und seit 2001 ist sein eigenes Land, Deutschland, mit dafür verantwortlich, dass Afghanistan nicht zur Ruhe kommt und der Krieg gegen das Land weitergeht – mit immer wieder neuen Opfern. Aus fast 25 Jahren Erfahrung heraus hat er nun ein Buch geschrieben, das auf dem deutschsprachigen Markt seinesgleichen sucht. Quer zu den meisten Massenmedien hat er eine Fülle von Material zusammengetragen, und er zeichnet ein realistisches Bild der Lage im Land und der Vergehen und Verbrechen der derzeitigen Besatzungsmächte. Aber er bleibt dabei nicht stehen. Christoph Hörstel hat einen soliden Friedensplan entwickelt, der dem Land einen wirklichen Ausblick bietet. Und das alles in einer Sprache, die jeder versteht. Dieses Buch ist sehr empfehlenswert. Christoph R. Hörstel. Sprengsatz Afghanistan. Die Bundeswehr in tödlicher Mission Droemer/Knaur, 2007 ISBN-10: 3426781166 ISBN-13: 978-3426781166 Nr.41, 15. Oktober 2007, Seite 1 Minister bestätigt 255 Tumorerkrankungen von Soldaten im Auslandeinsatz Beobachter: «Die Zahlen sind 10mal höher» Mit grosser Verspätung kommt das Drama des Todes von italienischen Soldaten ans Licht, die an durch Uranmunition verursachten Tumoren gestorben sind. Es handelt sich um einen Skandal von erschreckendem Ausmass, der von den kriegführenden Mächten sorgfältig verborgen gehalten wird. Der Preis an jungem menschlichem Leben ist enorm, vielleicht werden wir nie wirklich wissen, wie hoch. rc. Im Verlauf der Anhörungen vor der parlamentarischen Untersuchungskommission des Senats über DU (abgereichertes Uran) hat der italienische Verteidigungsminister Arturo Parisi erklärt: «Insgesamt sind 255 Soldaten, die zwischen 1996 und 2006 an Missionen im Balkan, in Afghanistan, im Irak und in Libanon teilgenommen haben, von Tumorerkrankungen Dossier Uranwaffen 121 Zeit-Fragen 2007 betroffen. Von diesen sind 37 bereits gestorben.» Parisi versichert, dass beim Einsatz von Soldaten in «kritischen Gebieten» die Armee «daran ist, jede vorsorgliche Massnahme zu prüfen. Wir wollen das Phänomen keineswegs unterschätzen und noch weniger es verbergen.» Der Verteidigungsminister führt weiter aus, dass Italien «nie Gebrauch von Uranmunition gemacht hat, und wir nehmen nicht an, dass auf unseren Waffenplätzen andere dies getan haben, ausser ausländische Benutzer hätten mit unwahren Angaben operiert, was ich nicht einmal vermuten möchte.» Ganz anders die Einschätzung des Osservatorio militare. Domenico Leggiero, Vertreter der Organisation, die sich um die Armeeangehörigen und deren Familien kümmert, sagt, dass die Angaben des Ministers falsch sind: «Es tut uns leid, aber so verliert auch Parisi an Glaubwürdigkeit. Wir hatten Hoffnungen in ihn, aber diese Zahlen sind zu weit weg von der Wahrheit.» Leggiero erklärt, «andere offizielle Zahlen der Armee mit der fast zehnfachen Anzahl an Erkrankten und einer dreifachen Zahl von Todesopfern» vorweisen zu können. Er meint weiter: «Gerade heute findet in Sizilien die Beerdigung des Carabiniere Giuseppe Bongiovanni statt, der vorgestern an einem Tumor gestorben ist, den er sich während einer Auslandmission zugezogen hatte. Wenn man beim Ministerium nachschaut, ist dieser Tote dort nicht registriert.» • Quelle: www.repubblica.it vom 9. Oktober 2007 Dossier Uranwaffen 122 Zeit-Fragen 2007 Nr.42, 22. Oktober 2007, Seite 5, Leserbrief In Bosnien ist die Zahl der Krebskranken in die Höhe geschnellt Ich bin eine 37jährige Bosnierin und lebe seit nunmehr 17 Jahren in der Schweiz. Im Rahmen meines diesjährigen Ferienaufenthaltes in Bosnien machte ich erschreckende Beobachtungen, die ich hier in kurzen Worten schildere: Wie es scheint, ist die Zahl der an Tumoren erkrankten Menschen in meiner ehemaligen Heimat in den vergangenen Jahren geradezu in die Höhe geschnellt und hat ein – für den subjektiven Betrachter – beängstigendes Ausmass angenommen. Allein in meinem unmittelbaren Umfeld weiss ich von mindestens 10 Personen, die unlängst an den Folgen eines Tumors starben. Nicht wenige Menschen, die ich persönlich kenne, leiden an Krebs. Dabei fällt auf, dass eine hohe Zahl der Erkrankten junge Menschen sind. Manche sind von Mehrfachtumoren betroffen. Dieses Phänomen ist in meiner ehemaligen Heimat Tagesgespräch. Jeder und jede weiss von Krebsfällen im eigenen Bekanntenkreis zu berichten. Eine eigentliche Kanzerophobie macht sich breit. Die Leute trauen sich vor lauter Angst, auch zu den Betroffenen gehören zu können, gar nicht mehr zum Arzt. Zu Hause in der Schweiz recherchiere ich im Internet über Wolfram- oder Uranbelastete Munition, die offensichtlich auch während des Jugoslawien-Krieges zum Einsatz gelangte. Ob meine Ferienbeobachtungen mit den möglichen Folgen eines solchen Waffeneinsatzes in Zusammenhang stehen, vermag ich nicht zu beurteilen. Tatsache ist, dass die von mir geschilderten Beobachtungen den Begebenheiten vor Ort entsprechen und von der Weltöffentlichkeit zumindest derzeit – weshalb auch immer – kaum oder gar nicht wahrgenommen werden. Nelvira Zolic, Chur Nr.43, 29. Oktober 2007, Seite 6 Professor Siegwart-Horst Günther erhält den «Nuclear-Free Future Award» 2007 eo. Am 18. Oktober abends am Mozartplatz in Salzburg: Festlich gekleidete Menschen eilen in die mit Fahnen und Blumen geschmückte Residenz. Eine Fanfare ertönt, und unter der Schirmherrschaft der Salzburger Landesregierung begrüsst Claus Biegert, Mitbegründer des «Nuclear-Free Future Award» die etwa 400 geladenen Festgäste im Carabinieri-Saal der Alten Residenz. Seit 1998 wird dieser Preis an Menschen verliehen, die sich vorbildlich für eine Zukunft ohne Atomwaffen und ohne Atomstrom einsetzen. In drei Kategorien wird der Preis verliehen: «Widerstand», «Aufklärung» und «Lösungen». In der Dossier Uranwaffen 123 Zeit-Fragen 2007 Kategorie «Aufklärung» erhielt in diesem Jahr Prof. Dr. Siegwart-Horst Günther den «Nuclear-Free Future Award». Die Laudatio hielt der Filmemacher und Journalist Frieder Wagner. In bewegenden Worten schilderte er die Verdienste und die Arbeit dieses Arztes im Nahen Osten, der dort beliebt und bekannt ist wie kaum ein anderer Wissenschaftler. Nach dem Golf-Krieg 1991 hatte Prof. Günther als erster erkannt, dass die Alliierten in diesem Krieg mit den Urangeschossen eine Munition verwendet haben, die die Menschen noch lange nach ihrer Anwendung todkrank macht. In seiner Dankesrede sagte Prof. Günther darum: «Als ich […] entdeckte, dass die Alliierten Uranmunition eingesetzt hatten, mit all den furchtbaren Konsequenzen, war ich über diese Ungeheuerlichkeit zutiefst empört. Krieg ist ja sowieso eine furchtbare Sache, aber der Einsatz dieser Munition und Bomben aus abgereichertem Uran, [das eine Halbwertszeit von 4,5 Milliarden Jahren hat und den Gen-Code des Menschen verändert], ist ein menschen- und umweltverachtendes Kriegsverbrechen.» Die Gäste in der Alten Salzburger Residenz ehrten Prof. Günther an diesem Abend mit langanhaltendem Beifall. Die anderen Preisträger waren in der Kategorie «Widerstand»: Charmeine White Face und die Verteidiger der Black Hills, USA, in der Katagorie «Lösungen»: Tadatoshi Akiba und die Bürgermeister für den Frieden, Japan. Der Preis für das Lebenswerk ging an Freda Meissner-Blau, die Grande Dame der Grünen Österreichs, für ihren Kampf gegen die Nuklearindustrie, und an Prof. Dr. Dr. Armin Weiss, Deutschland, ohne den die Anti-AKW-Bewegung hilflos geblieben wäre. • Dankesrede von Professor Günther Sehr geehrte Damen und Herren der Salzburger Landesregierung, sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger, meine sehr verehrten Damen und Herren Ich freue mich sehr über diese Auszeichnung und danke besonders den Mitgliedern der Jury, dass sie sich bei der Vergabe des 10. «Nuclear-Free Future Award» für mich entschieden haben. Das ist eine grosse Ehre für mich. Und ich freue mich besonders, dass ich diese Ehrung in dieser wunderbaren Stadt, in Salzburg, entgegennehmen darf. Als ich nach dem ersten Golf-Krieg 1991 entdeckte, dass die Alliierten in diesem Krieg Urangeschosse eingesetzt hatten, mit allen furchtbaren Konsequenzen, war ich wegen dieser Ungeheuerlichkeit zutiefst empört. Krieg ist sowieso eine furchtbare Sache, aber der Einsatz dieser Munition und Bomben aus abgereichertem Uran ist ein menschen- und umweltverachtendes Kriegsverbrechen. Sie wissen vielleicht, dass meine Zeit mit Albert Schweitzer mich tief geprägt hat. Sein Credo «Ehrfurcht vor dem Leben» wurde auch mein Leitmotiv als Mediziner und Mensch. Ich danke Ihnen. • Dossier Uranwaffen 124 Zeit-Fragen 2007 Laudatio von Frieder Wagner Sehr geehrte Festgäste, sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger, meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Professor Günther – mein lieber alter Freund Professor Günther, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nicht nur ein Whistle blower, Aufklärer und Mahner. Professor Günther hat seit mehr als einem halben Jahrhundert leidenden Menschen geholfen: als Arzt, als engagierter Friedenskämpfer und als Organisator von Solidarität und humanitärer Hilfe. Ich selbst habe diesen grossartigen Mann im Februar 2002 kennengelernt. Damals besuchte ich ihn in St. Peter-Ording, weil ich für das Fernsehen einen Film über Whistleblower realisieren wollte, also über Menschen, die gegen den Widerstand von Institutionen und Regierungen über Gefahren für Mensch und Umwelt berichten und aufklären und sich dabei von niemanden abbringen oder einschüchtern lassen. Schon nach der ersten Begegnung mit ihm war mir klargeworden, was Professor Günther in Sachen Aufklärung über Uranmunition und ihre schrecklichen Folgen geleistet hat. Er hatte mir Fotos von Neugeborenen mit schrecklichen Missbildungen gezeigt und erklärt, dass die Väter dieser Kinder alle 1991 an der schweren Panzerschlacht südlich von Basra teilgenommen hatten, bei der die Alliierten tonnenweise Urangeschosse eingesetzt hatten. Die Ungeheuerlichkeit, die Professor Gün ther aufgedeckt hat, brachte ihm viel Ärger ein, besonders in der Bundesrepublik Deutschland, wo er in den 90er Jahren geradezu diskreditiert und verfolgt wurde. Wie beliebt und bekannt er dagegen im Ausland ist, besonders im Nahen Osten, konnte ich dann bei unseren Dreharbeiten mit ihm in Jordanien und im Irak erfahren. Schon am Flughafen von Amman, wo alle Passagiere wegen der nötigen Visa anstehen mussten, wurde er höflich und ehrerbietig aus der Schlange herausgewunken, man geleitete ihn zu einem kleinen Tisch, bot ihm einen bequemen Stuhl an, brachte ihm Tee und Gebäck, während wir, die Normalsterblichen, fast eine Stunde Schlange stehen mussten, bis wir unsere Visa hatten. In der Zeit war Professor Günthers Pass schon längst von einem zuvorkommenden Zollbeamten in aller Eile mit dem nötigen Visum versehen worden. Und später, im Irak, im Kinderkrankenhaus von Bagdad, wurde Professor Günther wie ein alter Freund von dem Direktor des Krankenhauses bei der Begrüssung umarmt, wobei dem Direktor vor Freude und Rührung über das unerwartete Wiedersehen die Tränen in den Augen standen. Später bei einer Visite in diesem Krankenhaus, bei der wir für den Fernsehfilm drehen wollten, erlebten wir eine kleine Überraschung. Der Direktor des Krankenhauses konnte uns aus Termingründen nicht begleiten und hatte uns einen 28jährigen Assistenzarzt zur Seite gestellt. Und dieser junge Arzt erzählte uns stolz, dass er bei seiner Ausbildung gelernt hat, dass 1991 ein älterer Arzt Dossier Uranwaffen 125 Zeit-Fragen 2007 aus Deutschland an diesem Krankenhaus gewesen sei, der die Ärzte schon damals über die schrecklichen Folgen der Uranmunition aufgeklärt hatte. Bei dieser Erzählung hörte Professor Günther leise lächelnd zu und amüsierte sich später köstlich, weil der junge Assistenzarzt gar nicht gemerkt hatte, dass er, Professor Günther, dieser «ältere Arzt aus Deutschland» gewesen war, von dem der junge Mediziner so stolz berichtet hatte. Damals, 1991, meine Damen und Herren, war Professor Günther fast 67 Jahre alt, also in einem Alter, in dem andere längst ihre wohlverdiente Rente geniessen. Nicht so dieser rastlose Arzt. Er begann zu dieser Zeit, dieses damals noch kaum bekannte Kriegsverbrechen «Uranmunition», das die ganze Menschheit bedroht, publikzumachen. Eine unbequeme Wahrheit, die die Alliierten dann noch lange versuchten systematisch zu leugnen und zu verschweigen – zum Teil bis heute. Als wir Ende September 2003 in den Irak einreisten, hatten die Uno und fast alle westlichen Botschaftsangehörigen den Irak längst wegen der instabilen Lage verlassen, und bei einer der langen Autofahrten für unsere Dreharbeiten im Irak, ich glaube, es war auf der Strecke von Bagdad nach Basra, fragte ich den Professor, wieso er in diesem hohen Alter, er war da ja inzwischen 79 Jahre alt, noch einmal eine so beschwerliche und auch nicht ungefährliche Reise in den Irak auf sich genommen hat? Und was hat Professor Günther mir geantwortet? Nun, er sagte mir gelassen, fast heiter: «Wissen Sie, mein junger Freund, ich bin Arzt und meinem hypokratischen Eid verpflichtet, und dieser Eid zu helfen kennt keine Altersgrenzen!» Das, meine Damen und Herren, war eine typische Professor-Günther-Antwort, und sie ist kennzeichnend für diesen wunderbaren Mann. Deshalb bin ich sehr froh über die Entscheidung der Jury, in diesem Jahr den «Nuclear-Free Future Award» in der Kategorie «Aufklärung» diesem Mann zu geben. Das war eine kluge und gute Entscheidung. Ich danke Ihnen. • Hunger und Not der Kinder im Irak Professor Siegwart-Horst Günther arbeitete und lehrte über 40 Jahre als Arzt in Ländern des Nahen Ostens, vor allem auch im Irak. Nach dem ersten und nach dem zweiten Golfkrieg der USA besuchte er das Land, weil ihm das Schicksal der Menschen dort keine Ruhe liess. Als erster brachte er schliesslich an den Tag, was die sogenannte DU-Munition, welche die amerikanische Kriegsallianz in beiden Kriegen tonnenweise auf das Land abwarf, neben allen anderen grausamen Folgen des Krieges an katastrophalen Auswirkungen auf die Bevölkerung und vor allem für die Kinder als deren schwächster Teil mit sich brachte. Der im Verlag Zeit-Fragen erschienene Bildband dokumentiert, was die beiden heissen Kriege, der zweite nach 12 Jahren tödlichen Embargos der Zivilbevölkerung dieses gemarterten Landes auflud. Professor Günther appelliert damit an das Gewissen und das Mitgefühl der Welt, insbesondere Europas, hinzuschauen und im Sinne der Humanität auf eine Beendigung solcher Greuel hinzuwirken. 69 Seiten, 12 Schwarzweissund 40 Farbphotos. Dossier Uranwaffen 126 Zeit-Fragen 2007 Verlag Zeit-Fragen 2007. Nr.45, 12. November 2007, Seite 1 18 starke radioaktive Herde im Irak nachgewiesen Experten haben im Irak 18 Herde mit starker radioaktiver Strahlung nachgewiesen. Das teilte ein Sprecher des irakischen Umweltministeriums der Nachrichtenagentur Nowosti Iraka am 17. Oktober mit. Die betroffenen Gebiete seien während der amerikanischen Militäroffensive von 2003 verseucht worden. «Das Ministerium beobachtet regelmässig die Gebiete, gegen die amerikanische Bombenangriffe geflogen wurden, und findet immer neue Herde mit radioaktiver Strahlung […]. Wir kontrollieren alle Regionen, einschliesslich der Hauptstadt Bagdad, auf die Munition mit abgereichertem Uran hätte abgeworfen werden können. Das Ziel besteht darin, eine Ausbreitung der Strahlung auf umliegende Territorien nicht zuzulassen», sagte der Sprecher. Die Bevölkerung in den Gebieten, die besonders stark verstrahlt seien, werde demnächst umgesiedelt. Nach Angaben unabhängiger internationaler Organisationen hatten die Amerikaner 2003 Bomben mit knapp 2000 Tonnen abgereichertem Uran auf irakisches Territorium abgeworfen. In manchen Regionen übersteigt die Strahlung die natürlichen Werte mehrere tausend Mal. Quelle: RIA Novosti vom 17.10.2007 Vgl. zum Thema «Uranverseuchung und Strahlenschäden» die letzten 4 Artikel dieser Ausgabe Nr.45, 12. November 2007, Seite 9 Völkerrecht und moderner Krieg Das veränderte Schlachtfeld und Depleted Uranium von H. Rosalie Bertell, Ph. D., G.N.S.H., Kanada zf. Bis in die ersten Monate des Jahres 2001 fand in den europäischen Medien eine relativ intensive Auseinandersetzung zu den Folgen des sogenannten abgereicherten Urans, Depleted Uranium oder DU statt. Zahlreiche Soldaten waren nach Einsätzen, zum Beispiel im ehemaligen Jugoslawien, an Krebs erkrankt, Italien hatte unmittelbar nach dem Einsatz gleich sechs Leukämiefälle unter seinen Soldaten. Etwa im Januar endete diese Diskussion unvermittelt und nachhaltig. Kaum eine Zeitung fasst das Thema noch an. Dossier Uranwaffen 127 Zeit-Fragen 2007 Die Nato hatte entsprechend Stellung genommen – man wollte diese Diskussion nicht. Die Wirkung von DU wurde heruntergespielt, die unübersehbaren Folgen bei den Soldaten und der betroffenen Bevölkerung nach Möglichkeit verschwiegen oder mit seltsamen Erklärungen – wie Leukämie-Cluster – abgetan. Die folgende Stellungnahme der Heritage Foundation, eines neokonservativen Think tanks, zeigt, dass damals heftige Diskussionen innerhalb der Nato zu diesem Thema stattgefunden haben müssen: «Der internationale Aufschrei über die Behauptungen, wonach der Einsatz von Depleted Uranium während der Intervention in Kosovo bei 24 [!] Mitgliedern der Peacekeeping-Truppe Leukämie verursacht habe, ist unbegründet. Zahlreiche Studien zu abgereichertem Uran – dem Nebenprodukt des Prozesses der Brennstoffgewinnung für Atomreaktoren und Uranwaffen – haben keine Verbindung zwischen dessen Einsatz durch das Militär und irgendeiner Form von Krebs oder anderen Gesundheitsproblemen gefunden. Die Kontroverse, die ausbrach, nachdem man bei den Soldaten Leukämie festgestellt hatte, droht die Struktur der Allianz in Europa zu unterminieren. Es ist zwingend geboten, dass die Fakten über abgereichertes Uran in der Debatte nicht untergehen.» Seit geraumer Zeit steigen jedoch die Krebsraten in den von der Kriegsallianz zerstörten Ländern: in Afghanistan, im Irak, in Bosnien, Serbien, Montenegro, Kosovo, Somalia. Die Fakten können langsam nicht mehr unterdrückt werden. Die Gesundheitsschäden und Krebsraten müssen mehr und mehr anerkannt werden: – So bestätigte das britische Verteidigungsministerium kürzlich die Existenz des sogenannten Golf-Kriegs-Syndroms bei Veteranen der Golf-Kriege von 1991 und 2003. – Die italienische Regierung gab bekannt, dass mittlerweile mehr als 300 Soldaten an Leukämie erkrankt sind. – Das irakische Umweltministerium erklärte verschiedene Orte im Irak als dermassen verstrahlt, dass Menschen dort nicht mehr leben können. – In Serbien und Kosovo haben die Krebsraten in kurzer Zeit massiv zugenommen. Aber noch immer wagt keine Partei, das heisse Eisen wirklich aufzugreifen. Die amerikanischen Kriegstreiber phantasieren noch immer vom «führbaren» Atomkrieg, obwohl politische Schwergewichte ihrer eigenen Administrationen vor derartigem Wahnsinn warnen. Eine Diskussion um die Folgen jeder Form von Uranwaffen stört offenbar die Pläne der Kriegsallianz und der gesamten mit ihr verbandelten Industrie in verschiedenen Ländern. Aber die notleidenden Menschen in den kriegsversehrten Ländern, die dort auftretenden Häufungen schwerer Folgeerscheinungen, insbesondere von Krebs, genetischen Schädigungen und Entwicklungsstörungen bei Mensch und Tier sind mittlerweile unübersehbar, die heimkehrenden Soldaten, welche unter den gleichen Gesundheitsproblemen leiden, und ihre Angehörigen werden nicht alle einfach Ruhe geben. Sie alle haben ein Recht auf ehrliche Information, echte medizinische Hilfe und Betreuung. Es ist das Verdienst verschiedener Ärzte und Wissenschafter, engagierter Medienschaffender und Bürger, diesen Fragen minutiös nachgegangen zu sein, sie dokumentiert zu haben und weiterzuforschen, um diesem Unrecht ein Ende zu setzen und den Betroffenen wenn möglich zu helfen. Dossier Uranwaffen 128 Zeit-Fragen 2007 Abgesehen von der verwerflichen politisch-militärischen Seite dieses Problems müssen daher auch die humanitären und medizinischen Aspekte dieses Problemfeldes beleuchtet werden. Die folgenden Artikel sollen dazu einen Beitrag leisten, damit im Sinne der Verhütung weiteren Leids die Konsequenzen gezogen werden können. Jedes weitere Hinauszögern dieser Auseinandersetzung hat weitere, meist schwere und oft tödliche Erkrankungen zur Folge. Was hat sich auf dem Schlachtfeld seit 1991 verändert? 1. Es hat eine extreme Veränderung hinsichtlich der Hitzeentwicklung auf dem Schlachtfeld gegeben, bei den Bränden durch bunkerbrechende Geschosse, Lenkwaffen und andere Einwirkungen. Zum Beispiel brennt TNT bei etwa 575 ° C, während Depleted Uranium (DU) bei 3000 bis 5000 ° C brennt. Diese neue intensive Hitze produziert sogenannte Metalldämpfe – eine Aerosolmischung des Urans plus die aerosolisierten Metalle des Zielobjekts. Alle Metalle, sei es Eisen, Stahl, Aluminium, Nickel usw., werden bei der extremen Temperatur brennenden Urans aerosolisiert. Dies war nicht so bei TNT-Munition. 2. Wenn die Aerosolmischung in der Umgebungsluft abkühlt, produziert sie inhalierbare Partikel mit einem aerodynamischen Durchmesser von durchschnittlich 5 nm. Die Partikel sind keramisch. Sie können unter einem elektronischen Mikroskop als glatte, ovale Partikel identifiziert werden, von denen die grösseren Partikel hohl sind. Keramische Nanopartikel fand man in allen Geweben der Veteranen, die man in Italien nach dem Kosovo-Krieg untersucht hat. Keramische Partikel lösen sich in der Körperflüssigkeit kaum auf. Wenn sie inhaliert werden, kann daher die Zeitdauer, in der sie im Körperinneren bleiben, signifikant länger sein als bei nicht keramischen Uranoder anderen Metallfragmenten. Beachten Sie: Der grösste Teil der Forschung zum Uran basiert auf Staub aus Uranminen, der nicht keramisch ist und dessen Partikel einen durchschnittlichen aerodynamischen Durchmesser von 5 µm haben, annähernd 1000mal grösser als die Nanopartikel aus Uranmetallaerosol. Die Forschung über Uranminenstaub ist unerheblich für das Verständnis der Toxizität der keramischen Nanopartikel im menschlichen Körper. 3. Die Strahlungsdosis hängt für einen ihr ausgesetzten Menschen von der Stärke der Quelle, der Entfernung von der Quelle und der Zeitdauer, während der er ihr ausgesetzt ist, ab. Dies versteht man gut beim Vergleich mit einem Sonnenbrand. Dessen Stärke hängt ab von der Tageszeit und der zeitlichen Dauer, die man an der Sonne verbracht hat! Obschon keramisches DU etwas weniger Radioaktivität hat als natürliches Uran, führt der direkte Kontakt mit empfindlichem Gewebe und eine signifikant längere Strahlungszeit im Körper zur Erhöhung der Dosis auf das Gewebe. 4. Partikel, die kleiner als 2,5 µm sind, können durch das Atemsystem und das tiefe Lungengewebe in den Rest des Körpers übertreten. Sie sind mit blossem Auge unsichtbar, daher ist die Frage an die Veteranen, ob sie Uran- oder anderen Metallsplittern ausgesetzt waren, eine irreführende Strategie, mit welcher der betroffene Personenkreis nicht identifiziert werden kann. Nanopartikel haben eine sehr kleine Masse und verbleiben lange in der Luft oder legen mit dem Wind weite Entfernungen zurück. Im ersten Golf-Krieg fanden die Kämpfe im südlichen Irak und im nördlichen Kuwait statt, aber DUPartikel wurden in der Erde von Bagdad festgestellt. DU-Partikel kommen in der Natur nicht vor. Die Luft des ganzen Schlachtfeldes musste mit keramischen Schwermetalldämpfen kontaminiert gewesen sein, mit eingeschlossen das Dossier Uranwaffen 129 Zeit-Fragen 2007 aerosolisierte DU. 5. Nanopartikel durchdringen leicht die Lungen-Blutschranke, können wie Mikronährmittel in menschliche Zellen eintreten und passieren die BlutGehirnschranke, wo sie neurologische Schäden verursachen. Sie sind in der männlichen Samenflüssigkeit gefunden worden und können die Plazenta durchqueren und einen sich entwickelnden Embryo oder Fötus beschädigen. Sie können nicht durch das Nierengewebe ausgefiltert werden. Sie haben somit eine sehr lange Verweildauer im Inneren des menschlichen Körpers. 6. Uran-Nanopartikel sind radioaktiv und können so die mitochondriale DNS im Inneren des Energiegenerators der Zelle angreifen. Mitochondriale DNS ist durch Radioaktivität 16mal verwundbarer als die DNS des Zellkerns, da sie im Gegensatz zu dieser keine Histone (schützende Eiweissstruktur) besitzt. So können durch den Ausfall der von mitochondrialer DNS kodierten Glutathionund Superoxiddismutase die Reparaturmechanismen des Körpers untauglich werden. Radioaktive Beschädigung der Mitochondrien kann Herz, Gehirn, Leber und Nieren schweren Schaden zufügen und zu verschiedenen Krebsformen, zu Erbkrankheiten und zu Missbildungen bei den Nachkommen führen. 7. Nanopartikel von Schwermetallen (einschliesslich Uran, was auch ein Schwermetall ist) erzeugen unterschiedliche Grade von Vergiftungen, darunter Gewichtsverlust, Händezittern, Muskelschwäche, Lähmung, Unterleibsschmerzen, Schwindel, Erbrechen und Durchfall, Kopfschmerzen, Schwäche, Sehstörungen, Herzjagen, hohen Blutdruck bei Erwachsenen und potentielle Geburtsschäden, geistige Zurückgebliebenheit, Autismus, Psychosen, Allergien, Leseschwäche und Hyperaktivität bei den Nachkommen. Warum wird dieses DU-Problem nicht umfassend verstanden? 8. Die grundlegenden Probleme, die ein öffentliches Verständnis dieser neuen Situation verhindern, schliessen unsere akademischen Spezialisierungen und die Neuartigkeit der Verseuchung ein. Die Toxikologie hat Schwermetalle seit über einem Jahrhundert studiert, aber nicht die keramischen Schwermetallpartikel in Nanometergrösse. Zudem schliessen Kurse in Toxikologie an den Universitäten nicht das Studium radioaktiver Metalle wie Uran mit ein, da diese Disziplin dem Kernphysiker überlassen wird. Die Berechnung der radioaktiven Dosis ist die Aufgabe von Physikern, die das Inhalationsmodell, das von der ICRP (International Commission on Radiological Protection) vorgeschlagen wird, benutzen. 9. Die ICRP ist eine Nicht-Regierungs-Organisation, die ihre Mitglieder selbst einsetzt und sich selbst aufrechterhält, in der alle Entscheidungen durch ihr 13köpfiges Hauptkomitee getroffen werden. Als die Vereinten Nationen die IAEA (International Atomic Energy Agency) ins Leben rief und sie damit betraute, Standards für den Schutz gegen Radioaktivität aufzustellen, wandte sich die IAEA an die ICRP statt an die WHO (Weltgesundheitsorganisation), um Empfehlungen zu formulieren. Die IAEA schloss rechtliche «Memo of Understanding» (MoU) – Übereinkommen mit den anderen Unterorganisationen der Uno, miteingeschlossen die WHO – ab, wodurch sie federführend bezüglich Standards für den Schutz gegen Radioaktivität und die Einschätzung des Schadens nach jedem Unfall geworden ist. Die ICRP hat eine mathematische Methodologie vorgeschrieben, die bestimmt, wie man die Dosis sowie die Zahl der tödlichen Krebsarten, die für jede Dosis vorausgesagt werden, berechnet. Diese Methodologie nimmt ein normal funktionierendes Reparatursystem der Körperzellen an und benutzt die beobachteten Eigenschaften des Uranminenstaubs. Sie ist für die Berechnung der Dosis ins Körperinnere Dossier Uranwaffen 130 Zeit-Fragen 2007 gelangender Strahlungsquellen vom ECRC (European Committee on Radiation Risk) und der offiziellen Radioaktivitätsschutz-Agentur in Frankreich öffentlich als unbrauchbar eingeschätzt worden. 10. Dieses mathematische Modell für den Verseuchungsgrad der Bevölkerung berücksichtigt weder die Altersverteilung oder den Gesundheitsstatus der kontaminierten Personen noch die anderen giftigen Wirkungen, die zusätzlich zur Radioaktivität mit dem Uranstaub einhergehen. Es unterscheidet auch nicht zwischen einem Partikel von 2 Mikrogramm (µg) einerseits und 40 000 bis 60 000 Nanopartikeln mit einer Gesamtmasse von 2 µg andererseits. Wenn die zwei Mikrogramm DU zu 40 000 bis 60 000 Nanopartikeln aerosolisiert werden, geben sie eine ganz andere Dosis an die Person ab, die sie einatmet. Diese Dosis ist mindestens 36mal höher als die Dosis des intakten DU-Partikels von 2 µg. Die Zunahme wird durch die vergrösserte Oberfläche pro Volumen bei gleicher Masse verursacht. Die kleineren Partikel werden mit einer annähernd 3,6mal grösseren Oberfläche des Gewebes Kontakt haben, und die vom Uran emittierten Alpha-Partikel werden einen 10mal effektiveren Schaden am Gewebe verursachen als in dem Fall, wenn sie aus einem grösseren intakten Partikel stammen. Dies ist so, weil sie direkt von der Oberfläche emittiert und nicht durch den Partikel selbst abgebremst werden. 11. Die WHO, die UNSCEAR (United Nations Scientific Committee on Atomic Radiation) und die UNEP (United Nations Environmental Program) sind von den oben erwähnten MoUs gezwungen worden, die Methodologie und Empfehlungen der IAEA (im Grunde ICRP) zu benutzen. Es gibt keine Unabhängigkeit bei diesen Organisationen. Da alle die ICRP-Methodologie und Risikofaktoren benutzen, kommen alle zu denselben Schlüssen. 12. In der Hierarchie der Organisationen innerhalb der Vereinten Nationen berichtet die IAEA direkt an den UN-Sicherheitsrat, während die WHO an die Ecosoc berichtet, welche wiederum an die UN-Generalversammlung rapportiert. Dies gibt der IAEA effektiv den Vorrang, speziell in Angelegenheiten, die mit dem Militär verbunden sind. Vorschläge für einige Gegenmassnahmen 13. Das Mandat der IAEA auf die Verhinderung der Verbreitung von Nuklearwaffen reduzieren [Das Mandat, den Gebrauch nuklearer Energie zu fördern, eliminieren]. 14. Eine unabhängige Internationale Organisation für nachhaltige Energie einsetzen. 15. Die WHO damit beauftragen, Sicherheitsstandards zu empfehlen und dafür verantwortlich zu sein, die Gesundheitsschäden einzuschätzen, die aus der Verseuchung mit ionisierender und nicht ionisierender Strahlung entstehen, zusammen mit allen anderen bereits bekannten gefährlichen Belastungen. 16. Den Status der WHO im System der Vereinten Nationen erhöhen durch das Mandat an die WHO, direkt dem Sicherheitsrat zu berichten. Der Schutz der Gesundheit ist lebenswichtig für die menschliche, nationale und internationale Sicherheit. 17. Die Unabhängigkeit der verschiedenen UN-Agenturen (Unterorganisationen) und die Transparenz und Professionalität der Ernennungen für solche Organisationen sichern. Die meisten werden heute durch die Mitgliederregierungen bestimmt, welche jedoch politisch verzerrte Gründe für ihre Wahl haben können. 18. Wissenschaftlich fundierten Publikationen Beachtung schenken, auch wenn die Autoren von ihren eigenen Regierungen ignoriert werden. Dossier Uranwaffen 131 Zeit-Fragen 2007 19. Alle Kriege ächten, da sie zunehmend giftig, signifikant destruktiv für die Biosphäre und den Gen-Pool und deshalb Verbrechen gegen die Menschheit sind. • Vortrag, gehalten am XV. Kongress «Mut zur Ethik» zum Thema «Völker und Kulturen: Einander achten, einander beistehen, voneinander lernen» vom 31.8. bis 2.9.2007 in Feldkirch/Vorarlberg. (Übersetzung Zeit-Fragen) Nr.45, 12. November 2007, Seite 10 bis 12 Betrachtungen über die Radioaktivität von Uran in Phosphatdüngern Korrigierte Version als pdf-Datei von Inge Schmitz-Feuerhake1 und Rosalie Bertell2 zf. Der Artikel von Inge Schmitz-Feuerhake und Rosalie Bertell greift verschiedene Fragen in Zusammenhang mit der Wirkung chronischer Strahlenbelastung in niedrigen Dosen auf, die Erbkrankheiten, Tumoren und Entwicklungsstörungen verursachen kann. Sie zeigen, dass nicht nur eine akute grosse Strahlenbelastung, wie der Bombenabwurf in Hiroshima und Nagasaki, folgenschwere Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat. Die dort gewonnenen Erkenntnisse und die seither entwickelten Masse, mit welchen eine mögliche Schädigung durch radioaktive Strahlung angegeben werden, müssen angesichts dieser Erkenntnisse neu bestimmt, und die Zusammenhänge der sogenannten Dosis-Effekt-Zusammenhänge neu beurteilt werden. So wurde in verschiedenen Studien festgestellt, dass eine chronische Strahlenbelastung von niedriger Dosis zu ganz anderen, aber nicht minder gravierenden, Schäden führen kann. Ein zentraler Befund ist etwa, dass chronische Alphastrahlung, die in verschiedenen Studien als vernachlässigbar beiseite geschoben wird, gravierende Auswirkungen auf das blutbildende Gewebe hat. Wirken diese Faktoren über die Mutter auf das werdende Kind, so erweisen sich die Schädigungen als noch schwerwiegender. Diese Befunde müssen auch bei der Beurteilung der Zunahme von Leukämiefällen unter Kindern, die in der Nähe von Atomeinrichtungen aufgetreten sind, dringend mit berücksichtigt werden. Zu den zivilisatorisch bedingten Strahlenexpositionen durch Radioaktivität gehört der Beitrag von Uran und seinen Folgeprodukten in Phosphatdüngern, der seit langem beachtet, jedoch für unbedeutend gehalten wird (UNSCEAR 1982). Er ergibt sich daraus, dass in den vorkommenden phosphathaltigen Mineralien, die für die Verwendung als Dünger abgebaut werden, auch natürlich vorkommende Strahler vorhanden sind. Da in den letzten Jahren durch den Einsatz von Waffen mit abgereichertem Uran als besonders durchschlagkräftiges Hüllmaterial eine Debatte über die schädlichen Wirkungen dieses Elementes entstanden ist, wurde auch die Frage nach den möglichen negativen Folgen der Phosphatdüngung neu gestellt. Dossier Uranwaffen 132 Zeit-Fragen 2007 Nach allgemeiner Auffassung können ionisierende Strahlen bei niedriger Dosis Erbkrankheiten und Tumoren sowie nach Exposition im Mutterleib Entwicklungsstörungen erzeugen. Diese Effekte werden in den Geweben durch Zellmutation oder Zerstörung von Zellen ausgelöst. Aus den Dosiswirkungsrelationen, die von internationalen Expertenkomitees bestimmt wurden, leitet sich ab, dass die natürliche Umgebungsstrahlung zu weniger als 1% der vorkommenden malignen und genetischen Erkrankungen beiträgt. Natürliches Uran besteht hauptsächlich aus dem Isotop 238, das Alphastrahlen mit 12 Bq pro mg aussendet. Dies ist die niedrigste spezifische Aktivität von allen Uranisotopen. Daher wird üblicherweise angenommen, dass die Strahleneffekte von Natururan in niedrigen Konzentrationen vernachlässigbar sind gegenüber seiner Toxizität als Schwermetall. Abgereichertes Uran (DU), das für Waffen verwendet wird, hat eine noch niedrigere spezifische Aktivität als Natururan, und es kann kein Zweifel bestehen, dass DU schwere Gesundheitsschäden in den Bevölkerungen der betroffenen Gebiete und bei Militärpersonen hervorgerufen hat (Bertell 2006). Seitdem diese Effekte bekannt wurden, gibt es neue Diskussionen über die radiologischen Folgen des Materials. Experimente an Zellkulturen haben gezeigt, dass durch DU erzeugbare Chromosomenaberrationen nicht durch die Schwermetalleigenschaften erklärbar sind, sondern als Strahleneffekt angesehen werden müssen (Miller u. a. 2002). Die Bedingungen im Fall der Exposition durch natürliches Uran, das durch Düngung im Boden angereichert wird, sind natürlich andere als bei der Aufnahme von DU. Chromosomenaberrationen, die im Blut von Golf- und Balkan-Kriegsveteranen festgestellt wurden (Schröder u. a. 2003), zeigen jedoch, dass die herkömmliche Methodik zur Bestimmung von Dosis und Dosiswirkungsbeziehungen für Uran fraglich ist. Dizentrische Chromosomen [mit 2 statt nur 1 Zellkern] in Lymphozyten sind so gut wie ausschliesslich durch Strahlen induzierbar, und ihre Verteilung auf die Zellen ist ein verlässlicher Indikator für einen Beitrag durch Alphastrahlung. Dadurch erweist sich der in den Veteranen gefundene Effekt als Widerspruch zu den Vorhersagen anhand der durch physikalische Simulation abgeleiteten Dosis. Dosisbestimmung für inkorporierte Radioaktivität Das Isotop Uran 238 ist die Mutter einer natürlichen Zerfallsreihe (Tabelle 4). Natururan – und daher auch das Uran in Phosphatdüngern – enthält ebenfalls das 234U im radioaktiven Gleichgewicht, das heisst seine Zerfallsrate in Bq ist gleich mit der von 238U. Beide senden Alphateilchen aus, die eine doppelte Ladung tragen und mit Atomkernen von Helium identisch sind. Ihre Energie beträgt etwa 4,5 MeV (nur wenige eV sind erforderlich, um ein Molekül zu ionisieren oder eine Molekularbindung zu zerstören). Diese kinetische Energie wird in Materie schnell abgebremst. Die Reichweite der Alphastrahlen in Wasser (Gewebe) beträgt nur etwa 40 μm. Die Dosis in einem Gewebe, die zur Beurteilung der biologischen Wirkung dienen soll, ist physikalisch eine absorbierte Energie pro Gewebemasse in Joule pro kg («Energiedosis»). Da Alphastrahlung bei gleicher Energiedosis eine höhere biologische Wirkung hat als die Referenzstrahlung (Röntgenstrahlen von 200 keV), wird die Energiedosis mit einem Wichtungsfaktor 20 beaufschlagt. Die gewichtete Energiedosis heisst «Äquivalentdosis» und wird in der Einheit Sv (Sievert) angegeben. Diese Dosisdefinition liefert offensichtlich eine sehr vereinfachte Grundlage zur Beurteilung der Menge von erzeugten Mutationen und anderer Folgen, weil Dossier Uranwaffen 133 Zeit-Fragen 2007 dabei die absorbierte Energie der Alphastrahlen über das ganze Organ oder Gewebe gemittelt wird, in dem sich der radioaktive Strahler befindet. In der Realität wird die Alphaenergie innerhalb eines sehr kleinen Bereichs des umgebenden Gewebes absorbiert und bewirkt mikrometrisch eine hohe Dosis. Oder sie wirkt innerhalb des Blutgefässes, in dem das Radionuklid transportiert wird. Dadurch kann ein gutartiger Tumor im Blutgefäss ausgelöst werden, um den sich Cholesterinplaques bilden, die wiederum Herzinfarkte und Schlaganfälle bewirken. Ferner verursacht die Alphastrahlung einen Abbau von SOD, welches ein Reparaturenzym für freie Radikale ist (Viglino u. a. 1986). Um die absorbierte Energie im Falle inkorporierter Aktivität zu bestimmen, muss sie anhand der eingebrachten Menge des spezifischen Nuklids in das betreffende Organ oder Gewebe und der sich dort ändernden Konzentration integriert werden. Die Internationale Strahlenschutzkommission ICRP hat für jedes Radionuklid Dosisfaktoren in Sv pro Bq abgeleitet, wobei eine einmalige Aufnahme in Bq durch Inhalation oder Ingestion angenommen wird. Um dieses zu ermöglichen, wird der menschliche Körper durch altersspezifische Modelle simuliert, wobei die relevanten Organe und Gewebe durch berechenbare geometrische Strukturen nachgebildet werden. Im Fall der Ingestion passiert die Radioaktivität den Magen und gelangt über den Dünndarm teilweise in das Blut. Die Blutaktivität wird zu Organen und Geweben transportiert und dort teils abgelagert, teils ausgeschieden. Der Resorptionsfaktor f1 gibt an, welcher Anteil der Dünndarmaktivität in das Blut übergeht, und ist eine sehr bedeutsame Grösse in der Dosimetrie, da er proportional zu den Organdosen ist, ausser für den Darm und die anderen Exkretionsorgane. F1 und Eintrag in die Organe hängen natürlich von der Löslichkeit des radioaktiven Materials ab, das heisst der chemischen Verbindung und der physikalischen Form, ferner vom Stoffwechsel des betreffenden Individuums. Der Metabolismus von Uran, das in das Blutplasma gelangt ist, wird durch eine Modifikation des sog. Erdalkalimodells der ICRP simuliert, die Kompartimente sind in Abb.1 dargestellt (ICRP 1995). Die Dosisfaktoren für 238U (Tabelle 1) sind erheblich niedriger im Vergleich zu anderen natürlichen und künstlichen Aktiniden, die Alphastrahlen aussenden (zum Beispiel 228Th, 226Ra, 239Pu) und dem 238U-Zerfallsprodukt 210Pb. Dies ist zum Teil durch den niedrigen Resorptionsfaktor gegeben, der zu 2% angenommen wird, ausser für Kinder unter 1 Jahr, wo er 4% betragen soll. Die Dosisfaktoren für die natürlichen Isotope 234U und 235U sind annähernd gleich wie die in Tabelle 1. Obwohl die Dosis von einer grossen Anzahl von materiellen und funktionellen Parametern abhängt, die alle grosse Variationen aufweisen, werden die Dosisfaktoren der ICRP üblicherweise wie eine Art Naturkonstante benutzt. Sie werden ohne Vertrauensbereiche angegeben, obwohl sie in Wahrheit ausserordentlich ungenau sind (Fairlie 2005; Leggett 2001; Harrison u. a. 2001). Es wird oft behauptet, dass die Dosisfaktoren der ICRP «konservativ» sind. Das würde bedeuten, dass nahezu alle Konstellationen innerhalb des angegebenen Wertes erfasst sind. Die Modellierung beruht jedoch auf den häufigsten Werten, die für die jeweiligen Parameter gefunden wurden, und erzeugt somit eine Art von Mittelwert mit unbekannten Fehlergrenzen. Ein anderes Problem ist die Aufstockung der Dosis bei chronischer Exposition wie im Fall von Uran in der Umgebung (Fisenne u. a. 1988; Arruda-Neto u. a. 2004; Paquet u. a. 2006). Die ICRP-Dosisfaktoren wurden für akute, das heisst kurzzeitige Aktivitätszufuhr abgeleitet. Rattenversuche haben jedoch gezeigt, dass sich bei einer permanenten Zufuhr von Uran die biokinetischen Parameter Dossier Uranwaffen 134 Zeit-Fragen 2007 im Vergleich dazu ändern können. Eine Anreicherung von Uran wurde zum Beispiel im Gehirn und in der Samenflüssigkeit gefunden, die in dem ICRPModell (Abb. 1) nicht vorkommen. Dosimetrie für frühkindliche Stadien Die frühen Entwicklungsstadien gelten als die empfindlichsten für Strahlung. Es ist ein generelles Problem, diese durch physikalische Modelle zu simulieren, weil sie im Vergleich zur Reichweite der ionisierenden Teilchen klein sind und sich durch Wachstum und Differenzierung rasch verändern. Hinzu kommt, dass weitgehende Unkenntnis über den Stoffwechsel der Radionuklide im MutterKind-System und in den fötalen Geweben besteht (NCRP 1998). Die Dosisfaktoren für die Nachkommen (Embryo, Fötus und Neugeborenes) werden in bezug auf die inkorporierte Radioaktivität der Mutter angegeben (ICRP 2001). Ausser der Effektivdosis wird die Dosis für das Gehirn abgeleitet auf Grund der Erfahrungen in Hiroshima und Nagasaki, wo gefunden wurde, dass das zentrale Nervensystem von der 8. bis 15. Woche höchst strahlenempfindlich ist. Die Dosisfaktoren werden für einmalige Aufnahme in verschiedenen Stadien der Inkorporation und auch für chronische Zufuhr wie folgt bestimmt: 1. Die Dosis des Embryos von der Konzeption bis zum Ende der 8. Woche wird mit der des mütterlichen Uterus gleichgesetzt. 2. Für den Fötus – von der 9. Woche bis zur Geburt – wird die Dosis in gleicher Weise durch biometrische und biokinetische Modellierung abgeleitet wie bei Kindern und Erwachsenen. Die Zufuhr wird von der Plazentakonzentration genommen, die sich aus der mütterlichen Inkorporation vor oder während der Schwangerschaft ergibt. Der Zusammenhang zwischen fötaler Konzentration und derjenigen in der Plazenta ist hauptsächlich aus Tierversuchen abgeleitet. Die ICRP geht davon aus, dass ihre Vorgehensweise zu konservativen Dosiswerten führt. Dies muss jedoch bezweifelt werden, schon allein deshalb, weil die mütterlichen Konzentrationen mit den oben genannten Unsicherheiten bestimmt werden müssen. Ausserdem muss bedacht werden, dass es bei der Inkorporation von Radionukliden in den frühen Stadien zu vergleichsweise enormen Gewebskonzentrationen kommen kann. In Experimenten mit Mäusen, bei denen trächtige und neugeborene Tiere die gleichen Plutoniumkonzentrationen injiziert bekamen, war die fötale Konzentration viel geringer (bis zum 500fachen) als in den postnatal kontaminierten Nachkommen. Jedoch die Föten zeigten viel höhere Schäden des blutbildenden Gewebes, die von den Autoren mit der Entstehung von Leukämie in Zusammenhang gebracht werden (Lord u. a. 1992). Diese hohe fötale Empfindlichkeit, die auch bei sehr kleinen Inkorporationsdosen gefunden wurde (Mason 1989), zeigte sich spezifisch bei Alphastrahlung. Bei chronischer Gammabestrahlung, die zum Vergleich angewendet wurde, war der Effekt wesentlich kleiner. Bei diesen Experimenten ergab sich eine Relative Biologische Wirksamkeit für Alphastrahlen (entsprechend dem oben genannten Wichtungsfaktor) zwischen 250 und 360 (Jiang u. a. 1994). Das ist mehr als das Zehnfache des Wertes von 20, der nach ICRP eine konservative Abschätzung liefern soll. Extreme Effekte zeigten sich im Tierversuch ebenfalls auf die Entwicklung des Zentralnervensystems nach Applikation des Isotops 235U (Gu u. a. 2001). Im Report des amerikanischen Nationalrats für Strahlenschutz NCRP über Embryonaldosimetrie wird ein weiteres Problem darin gesehen, dass sich die Dossier Uranwaffen 135 Zeit-Fragen 2007 Radionuklide ausserhalb des Embryos im Uterus ablagern können – insbesondere im Dottersack, wie sich aus experimentellen Untersuchungen mit Plutonium, Americium, Neptunium und Curium ergeben hat. Diese Aktinide verhalten sich chemisch und radiologisch ähnlich wie Uran. Da die Frühstadien des blutbildenden Systems im Dottersack entstehen und ebenso Keimzellen, sind Stammzellen betroffen, die später in den Embryo wandern (Morgan u. a. 2002; Sikov 1992; Stather u. a. 1992). Die Exposition solcher Stammzellen wurde im Zusammenhang mit den Beobachtungen über Leukämiecluster bei kerntechnischen Anlagen diskutiert. Dosiswirkungsbeziehungen im Fall inkorporierter Radioaktivität Das menschliche Referenzkollektiv, das von der ICRP und anderen Komitees herangezogen wird, um die Folgen einer Bestrahlung abzuschätzen, sind die Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Hiroschima und Nagasaki. Diese wurden überwiegend einer blitzartigen Exposition durch sehr hochenergetische und deshalb stark durchdringende Gammastrahlung ausgesetzt. Die DosisEffekt-Bestimmungen von dort werden auf alle anderen Bestrahlungsbedingungen übertragen unter Benutzung der Äquivalentdosis in Sv, die Vergleichbarkeit für alle Strahlenarten schaffen soll. Spätestens die Erfahrungen aus Bevölkerungen, die durch den Tschernobylunfall betroffen wurden, haben gezeigt, dass diese Annahme fehlerhaft ist. Nicht nur sind dort grössere Effekte aufgetreten als durch die ermittelten Dosen vorhersagbar ist, sondern es zeigte sich darüber hinaus ein breites Spektrum von Gesundheitsschäden, die bei den japanischen Überlebenden nicht beobachtet worden waren (ECRR 2006). Die üblichen Annahmen über Dosis-Effekt-Zusammenhänge sind daher nicht zuverlässig geeignet, um bestimmte Schäden durch Inkorporation von Radioaktivität auszuschliessen. Epidemiologische Studien über Uranwirkungen beim Menschen Es ist bekannt, dass Uranbergarbeiter häufig an Lungenkrebs sterben, der durch Radon ausgelöst wird, dem gasförmigen Folgeprodukt der 238UZerfallsreihe. Maligne und andere strahleninduzierbare Erkrankungen in anderen Geweben des Körpers muss man in erster Linie auf Depositionen von Uran und seinen festen Folgeprodukten zurückführen, da ein Teil der Exposition durch die Inhalation und Ingestion von Uranstaub erfolgt. In Tabelle 2 sind Befunde über solche Erkrankungen durch Inkorporation von Uran und Uranmineralien aufgeführt. Uran in der Umwelt und Dosiserhöhung durch Düngung Die jährliche Dosis durch natürliche Strahlung – ausser Radon in der Lunge – beträgt etwa 1 mSv. Der mittlere jährliche Beitrag durch inkorporiertes 238U und 234U wird durch das Strahlenkomitee der Vereinten Nationen zu 5 μSv angegeben (UNSCEAR 1988), das heisst 0,5% der natürlichen Strahlung. Der Wert beruht auf der Annahme, dass normalerweise 5 Bq von jedem der beiden Isotope durch Ingestion aufgenommen werden. Ein mg natürliches Uran hat eine Aktivität von 25 Bq (Tabelle 3). Wenn jährlich 20 g Uran durch Düngung auf 1 ha Acker gebracht werden (Kratz u. a. 2007), ergibt das eine Deposition von 50 Bq/m2. Unter der Annahme einer Verteilung in der Erde von 0,3 m Pflugtiefe und einer Bodendichte von 1,5 kg/l erhöht sich die Konzentration im Boden um 0,1 Bq/kg. Das ist 0,2% im Vergleich zur ohnehin vorhandenen mittleren Urankonzentration im Boden, die auf 50 Bq/kg Dossier Uranwaffen 136 Zeit-Fragen 2007 geschätzt wird (UNSCEAR 1982). Wenn diese Zusatzaktivität durch eine jährliche Regenmenge von 600 mm völlig ausgespült wird, beträgt die Konzentration im Oberflächenwasser 83 mBq /l. Sofern sich eine solche Konzentration im Trinkwasser durch Akkumulation einstellen würde, ergäbe sich nach ICRP (Tabelle 1) eine zusätzliche jährliche Effektivdosis von 7 μSv für Kinder im 1. Lebensjahr (250 l Jahresverbrauch) und 3 μSv für Erwachsene (800 l). Für die Dosis der Knochenoberfläche (dort stellt sich die Maximaldosis bei Uraningestion im Körper ein) ergäbe sich entsprechend 143 μSv bzw. 47 μSv. Wenn man die möglichen Strahlenschäden durch Uran infolge von Düngung diskutiert, ist es jedoch erforderlich, auch die anderen Beiträge durch natürliche Radioaktivität zu betrachten. Thorium und seine Folgeprodukte spielen im Phosphatmineral keine Rolle (UNSCEAR 1988). 238U befindet sich dort im radioaktiven Gleichgewicht mit seinen Folgeprodukten, mindestens bis zum 226Ra (Tabelle 4). Unter diesen sind die langlebigen Alphastrahler von Bedeutung, und von ihnen wird angenommen, dass sie wesentlich höhere Strahlenbelastungen erzeugen als Uran (Tabelle 5). Die Konzentration der Radionuklide im Dünger ausser Uran hängt natürlich auch von der Art der Aufbereitung des Phosphatminerals ab. Wenn man die Angaben des UNSCEAR 88-Reports übernimmt, ergeben sich die in Tabelle 6 aufgeführten jährlichen Dosisbeiträge. Der Report geht davon aus, dass sich 238Th im Dünger mit 238U im Gleichgewicht befindet, dass die 226Ra-Aktivität ¼ der von 238U ist, und 210Po und 210Pb mit 226Ra im Gleichgewicht sind. Dieses Beispiel zeigt, dass die Radioaktivität durch Düngung kontrolliert werden muss. Schlussfolgerungen Die Erkenntnisse über Gesundheitsschäden durch abgereichertes Uran bilden nicht das einzige Beispiel, wo Strahleneffekte nicht durch übliche Annahmen vorhersagbar sind. Die Uranbelastung der Umwelt durch Phosphatdünger sowie diejenige durch die anderen Radionuklide der Urankette erscheinen im Vergleich zum normalen Untergrund vernachlässigbar. Weil das Material jedoch physikalisch und chemisch bearbeitet wird, kann die biologische Verfügbarkeit und Wirkung ganz anders sein als mit dem naturbelassenen Mineral. Dieses muss insbesondere für die frühen Entwicklungsstadien beim Menschen untersucht werden. • Referenzen Arruda-Neto, J.D., Manso Guevara, M.V., Nogueira, G.P., Saiki, M., Cestari, A.C. et al. 2004. Long-term accumulation of uranium in bones of Wistar rats as a function of intake dosages. Radiat. Prot. Dosimetry 112: 385–393. Bertell, R. 2006. Depleted uranium: all the questions about DU and Gulf War syndrome are not yet answered. Int. J. Health Serv. 36: 503–520. BEIR IV. 1988. Committee on the Biological Effects of Ionizing Radiations. Health risks of radon and other internally deposited alpha-emitters. Nat. Academy Press, Washington D.C. Darby, S.C., Whitley, E., Howe, G.R., Hutchings, S.J. & Kusiak, R.A. 1995. Radon and cancers other than lung cancer in underground miners: a collaborative analysis of 11 studies. J. Natl. Cancer Inst. 87: 378–384. Dupree-Ellis, E., Watkins, J., Ingle, J.N. & Phillips, J. 2000. 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Environ. Health 40: 307–312. 1 Gesellschaft für Strahlenschutz e.V., Peter-Michels-Str. 54, 50827 Köln, Germany 2 International Institute of Concern for Public Health, P.O. Box 80523 Rpo White Shields 2300 Lawrence Ave. East, Toronto ON Canada M1P 4Z5 Nr.45, 12. November 2007, Seite 11 Dunkle Schatten über der Elbe – bisher keine stichhaltigen Auskünfte der Verantwortlichen zu den Leukämien der Kinder Mit diesem Beitrag setzen wir die lose Folge zum Thema Leukämiefälle in der Elbmarsch bei Hamburg fort. bha. Der Südwestfunk widmet im Mai 2002 dem Thema «Plutonium vor der Haustüre – Staatsanwälte ermitteln» einen Report. Es geht um radioaktive Partikel, die in der Nähe von Hanau in Hessen in Bodenproben gefunden wurden. Solche Partikel seien auch in Schleswig-Holstein gefunden worden. So äussert sich unter anderem der Kernchemiker Wolfgang Ensinger: «Bei diesen Problemen haben wir unter anderem eine substantielle Menge 243Am gefunden.» Radioaktive Partikel und Nuklearwaffenbau in Hanau? Scheint abstrus … Die renommierte US-amerikanische Zeitschrift für Umweltfragen Archives of Environmental Contamination and Toxicology publiziert 2005 einen Artikel zur Frage der Leukämiehäufung in der Elbmarsch. Im Jahre 2001 habe eine deutsche Expertengruppe, die Arbeitsgemeinschaft für physikalische Analytik und Messtechnik, ARGE PhAM, eine Kontamination mit angereichertem Uran und 232Th-Derivaten in der Elbmarsch gefunden. Die Expertengruppe entdeckte kleine Kügelchen, die angeblich aus nuklearem Brennstoff bestanden. Dies schrieb die Expertengruppe Experimenten mit hybriden Dossier Uranwaffen 139 Zeit-Fragen 2007 Nuklearsystemen zu – dem Prinzip der Kernverschmelzung und Kernspaltung. Das Zweite Deutsche Fernsehen widmet im Juli 2006 der Häufung von Leukämie erkrankungen bei Kindern in der Elbmarsch einen ausführlichen Beitrag. Auch hier tauchen wieder diese wurmkotähnlichen Kügelchen auf … Professor Vladislav Mironov von der Sacharov-Umweltuniversität in Minsk äussert sich, befragt nach den Ergebnissen seiner Analysen der Bodenproben aus der Elbmarsch: «So zeigen die Ergebnisse der Analysen auf, dass fast in allen Proben das Plutonium von einer Reaktorherkunft vorliegt, dass das Thorium auch von Reaktorherkunft ist und Uran in der Mehrzahl der Fälle auch von Reaktorherkunft ist.» Freitag, die Ost-West-Wochenzeitung, berichtet im Mai 2007 über Funde von «Kügelchen». Wolf Wetzel: «Die Brisanz dieses kugelförmigen radioaktiven Materials liegt auf der Hand: Hochangereicherten Kernbrennstoff braucht man für militärische Ambitionen. Wären die in Bodenproben gefundenen Mikrokügelchen rund um Geesthacht mit diesem bombenfähigen Material identisch, läge der Verdacht nahe, dass dieses für militärische Optionen ‹abgezweigt› wurde. Das staatliche Atomforschungszentrum GKSS ist die einzige Anlage in der näheren Umgebung, die für derartige Zielsetzungen gerüstet ist.» Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik in Freiburg/Breisgau publizierte 2006/7 über «kleine Kugeln, die einen grossen Knall verursachen können». Es geht um die Technologie der Trägheitseinschlussfusion, Inertial Confinement Fusion, ICF. Drei dafür prämierten deutschen Wissenschaftern des Fraunhofer-Instituts war es gelungen, mit Hilfe eines chemischen Abscheideverfahrens – CVD – Diamant-Hohlkugeln für die ICF herzustellen. «Diese würden mittels eines Lasers gezündet und würden die Energieprobleme der Zukunft lösen […]» Das Fraunhofer-Institut schätzt sich glücklich, dass sich bei der Entwicklung hochpräziser Diamant-Hohlkugeln für die Trägheitseinschlussfusion «eine renommierte amerikanische Forschungseinrichtung Know-how in Deutschland einhole». Es handelt sich dabei um eine Nuklearwaffenschmiede Amerikas, das Lawrence Livermore National Laboratory, LLNL. Auch die kleine Zeitschrift Strahlentelex, die in Berlin erscheint, widmet sich dem Problem der ICF. Sebastian Pflugbeil fokussierte seit vielen Jahren seine Aufmerksamkeit auf Vorgänge in der Elbmarsch. Die dort aufgetretenen Leukämiefälle bei Kindern, mehr als 18 in den letzten 20 Jahren, gaben ihm und einer Reihe anderer Forscher zu denken. Die Vermutung bestehe, so Pflugbeil, dass in der GKSS im Jahre 1986 kerntechnische Experimente durchgeführt wurden, die unter dem Kriegswaffenkontrollgesetz, wie es 1986 in Deutschland galt, verboten waren. Pflugbeil vermutet als Auslöser der Leukämien eine nukleare Explosion, die entweder durch einen Unfall oder beim Experimentieren mit der ICF-Technologie verursacht wurde. Das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz wurde 1992 geändert. Hinzugefügt worden war ein lapidarer Satz, nicht besonders kryptisch, aber wert darüber zu brüten … Die Änderung ging dahin, dass das Entwicklungs- und Herstellungsverbot für Atomwaffen sowie auch die diesbezüglichen Strafvorschriften […] nur für Atomwaffen gelten, «die nicht der Verfügungsgewalt von Mitgliedstaaten dieses Vertrages unterstehen und die nicht im Auftrag solcher Staaten entwickelt oder hergestellt werden». Gemeint ist der Nato-Vertrag. Sachverständige mochten sich den Kopf über diese Neuerung zerbrechen – der Nichtjurist rätselt – hat sich seit 1989 etwa eine Änderung in Deutschland Dossier Uranwaffen 140 Zeit-Fragen 2007 bezüglich der Entwicklung und Herstellung von Atomwaffen ergeben? Ein Sammelsurium von Überlegungen plagte das Gehirn, die Nachforschung begann, doch nur wenige Hinweise gelangten in den unbestechlich hellen Lichtkegel eines nordischen Sommertages: Der Rechtsanwalt Wilhelm Krahn-Zembol mit ausschliesslichem Tätigkeitsbereich Umweltrecht berichtete im August 2001 über die Möglichkeit, dass in Deutschland illegal Atomwaffen hergestellt worden sein könnten oder hergestellt werden. Die Änderung des Kriegswaffenkontrollgesetzes im Jahre 1992 mit «Kügelchen», gar aus Diamant, in Verbindung zu bringen, scheint sehr weit hergeholt. Das ändert nichts an der Brisanz der Angelegenheit. Bis heute gab es von verantwortlicher Seite keinerlei Hilfestellung bei der Aufklärung der Leukämieursachen. • Literatur: «The Elbmarsch Leukemia Cluster: Are there Conceptual Limitations in Controlling Immission from Nuclear Establishments in Germany?» Autoren: I. Schmitz-Feuerhake et al., Archives of Environmental Contamination and Toxicology 49, 589–600 (2005) «Und keiner weiss warum … Leukämietod in der Elbmarsch», ZDF vom 2.4.2006, Film von Barbara Dickmann und Angelica Fell. Siehe auch Strahlentelex Nr. 484–485 (2007) Anhörung zum Themenblock III «Kügelchen», vor dem Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit am 12.4.2007, 138. Sitzung, Hannover «Das Rätsel der Kügelchen», Freitag, 19, 11.5.2007, Autor: Wolf Wetzel, www.freitag.de «Diamantkugeln für die Energie der Zukunft», Fraunhofer-Magazin 1/2007 «Illegal Atomwaffen hergestellt?» in www.Umweltmedizin.de, 15.8.2001, Autor: Wilhelm Krahn-Zembol