Finanzielle Hilfen 19.Auflage.indd
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Herausgegeben von der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. Raiffeisenstraße 18, 35043 Marburg Tel.: (0 64 21) 4 91-0, Fax: (0 64 21) 4 91-1 67 E-Mail: [email protected] Internet: www.lebenshilfe.de Text: Peter Dietrich, Norbert Schumacher, Dr. Sabine Wendt Titelbild: Ausschnitt aus Christian Soell: Der Märchenpark von Vincennes; abgedruckt im Kalender „SEH WEISEN” 1993 der Bundesvereinigung Lebenshilfe Endredaktion und Lektorat: Roland Böhm Gestaltung: Heike Hallenberger Druck: L & W Druck, Bad Endbach-Hartenrod Hergestellt im Lebenshilfe-Verlag Marburg © Lebenshilfe-Verlag 19. erweiterte und überarbeitete Auflage September 2007 1 Inhalt Vorwort .............................................................................................................................. 3 Finanzielle Hilfen vom Sozialamt (Dr. Sabine Wendt) ........................................ 4 Das Persönliche Budget .................................................................................................. 5 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ............................................ 6 Hilfe zum Lebensunterhalt...........................................................................................10 Taschengeld/Barbetrag ..................................................................................................11 Arbeitsförderungsgeld (AFÖG) ...................................................................................11 Hilfe zur Pflege ................................................................................................................12 Finanzielle Hilfen der Pflegeversicherung (Dr. Sabine Wendt) ......................17 Leistungen der Pflegeversicherung .............................................................................19 Finanzielle Hilfen der Krankenkassen (Norbert Schumacher) .......................20 Versicherter Personenkreis ...........................................................................................20 Überblick über die Zuzahlungsregelungen ...............................................................22 Chroniker-Regelung ......................................................................................................24 Darlehensregelung für Heimbewohner(innen) ......................................................25 Fahrkosten ........................................................................................................................26 Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ................................................27 Arznei- und Verbandmittel .....................................................................................27 Schutzimpfungen ........................................................................................................30 Heilmittel ....................................................................................................................31 Hilfsmittel ...................................................................................................................32 Häusliche Krankenpflege .........................................................................................33 Haushaltshilfe ............................................................................................................35 Soziotherapie (§ 37 a SGBV) ..................................................................................35 Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (§ 37 b SGB V) ......................36 Ambulante und stationäre Rehabilitation ............................................................36 Krankengeld bei Erkrankung des Kindes ............................................................37 Begleitperson im Krankenhaus...............................................................................37 Zahnärztliche Behandlung und Zahnersatz ......................................................38 Privatrechtliche Elemente in der GKV ......................................................................39 Rolle der Sozialhilfe bei Leistungsausschlüssen .....................................................41 1 Finanzielle Hilfen der Rentenversicherung (Peter Dietrich) ...........................43 Rente wegen voller Erwerbsminderung für Menschen mit Behinderung nach 20-jähriger Beitragszahlung .............................................43 Erleichterter Zugang zur Rente wegen Erwerbsminderung für Menschen mit Behinderung in den neuen Bundesländern ............................43 Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile (Peter Dietrich, Norbert Schumacher) .....................................................................45 Der Schwerbehinderten-Ausweis ................................................................................45 Steuervergünstigungen ..................................................................................................45 Außergewöhnliche Belastungen durch die Benutzung eines Kraftfahrzeugs wegen der Behinderung .........................................................47 Unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr ............................................................48 Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft .....................................49 Finanzielle Hilfen für das Wohnen und Bauen .......................................................50 Kindergeld (Norbert Schumacher) ............................................................................52 Höhe des Kindergelds.....................................................................................................52 Sozialhilferechtlich anrechenbares Einkommen ....................................................52 Kindergeld für volljährige Kinder ...............................................................................53 Kindergeld für erwachsene behinderte Kinder ........................................................53 Berechnung des Kindergeldanspruchs .......................................................................54 Leistungen der Eingliederungshilfe unbeachtlich...................................................55 Kindergeld bei vollstationärer Betreuung .................................................................55 Abzweigung bzw. Überleitung des Kindergelds auf den Sozialhilfeträger ........55 Wichtige Adressen und Anschriften .......................................................................58 2 Vorwort Behinderte Mitbürger(innen) und ihre Angehörigen brauchen die Solidarität der Gemeinschaft. Sie umfasst auch fi nanzielle Hilfen, die durch eine Vielzahl von Gesetzen geregelt sind. Dieser Ratgeber zeigt auf, welche Schritte behinderte Menschen und ihre Angehörigen unternehmen müssen, um ihre Rechte wahrzunehmen und welche Leistungen in Betracht kommen können. Die Leistungen müssen bei den jeweils zuständigen Behörden beantragt werden, z. B. beim Sozialamt, beim Versorgungsamt oder bei den Kranken- bzw. Pflegekassen. Viele Betroffene fi nden sich bei diesen unterschiedlichen Zuständigkeiten nicht mehr zurecht. Einige Gesetze haben regional unterschiedliche Ausführungsbestimmungen. Deshalb kann dieser Ratgeber nur eine allgemeine Orientierung geben. Eine Beratung vor Ort durch die zuständigen Behörden ist daher häufig notwendig. Weitere Informationen fi nden Sie im Internet unter den Adressen der Selbsthilfeverbände behinderter Menschen (z. B. www.Lebenshilfe.de, www.bvkm.de, www.bag-selbsthilfe.de, www.ISL-ev.de, www.forsea.de oder bei lokalen Beratungsstellen). Leistungsgesetze werden häufig geändert. Dieser Ratgeber berücksichtigt den Stand des 1. September 2007. Neuere Änderungen erläutern wir aktuell im Internet und den Listen Beratungsmaterial Grundsicherung, Unterhalt und Werkstätten für behinderte Menschen oder in den Periodika der Lebenshilfe, insbesondere im Rechtsdienst der Lebenshilfe (RdLh) und der Lebenshilfe-Zeitung. Die juristischen Formulierungen werden Ihnen beim Lesen sicherlich manchmal Schwierigkeiten bereiten. Da dies jedoch die Sprache der Verwaltung ist, mit der Sie bei der Antragstellung konfrontiert werden, müssen wir diese Ihnen z.T. ungewohnten Ausdrücke ebenfalls verwenden, werden sie aber möglichst verständlich (mit Beispielen) erklären. Inhaltlich verantwortlich für die angesprochenen Themenkomplexe sind die jeweils im Inhaltsverzeichnis benannten Autor(inn)en. Wenn Sie häufig mit einem Gesetz zu tun haben, halten wir die Anschaffung einer preisgünstigen Taschenbuchausgabe des aktuellen Gesetzestextes für sinnvoll. Alle Gesetze können auch aus dem Internet heruntergeladen werden, (z. B. www.gesetze-iminternet.de). Wegen der beschränkten Beratungskapazitäten der Bundesvereinigung Lebenshilfe sollte bei Klageverfahren anwaltliche Hilfe vor Ort in Anspruch genommen werden. Nach Bundesländern geordnete Adressen sind unter www.Lebenshilfe.de, Menü Recht, Allgemeines, Rechtsberaterlisten-Übersicht aufgeführt. Marburg, im September 2007 Die Verfasser(Innen) 3 Finanzielle Hilfen vom Sozialamt Die wichtigsten Hilfen für behinderte Menschen und ihre Angehörigen werden nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) XII Sozialhilfe gewährt. Dazu gehört neben den Leistungen für die Hilfe zum Lebensunterhalt und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (3. und 4. Kapitel SGB XII), die Gesundheitshilfe (5. Kapitel SGB XII) und Hilfe zur Pflege (7. Kapitel SGB XII) vor allem die Kostenübernahme für die Eingliederungshilfe (6. Kapitel SGB XII), die auch als Teilhaberecht im SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) geregelt ist. Dazu gehören vor allem: • • • • • • • • • • Frühförderung (§§ 26 Abs. 2 Nr. 2, 30 SGB IX, Frühförderungsverordnung) als heilpädagogische und medizinisch-therapeutische Komplexleistung für Kinder, die noch nicht eingeschult sind; Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII, soweit diese Kosten nicht von dem kommunalen Schulträger getragen werden (Integrationshelfer in Regelschulen, Internatsunterbringung in Heimsonderschulen); Hilfen bei der Beschaffung und Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen behinderter Menschen entspricht (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX); Hilfen zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX); Leistungen für einen Familienunterstützenden Dienst im Rahmen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, §§ 55 Abs. 2 Nr. 7, 58 SGB IX); Teilhabe am Arbeitsleben in einer Werkstatt für behinderte Menschen (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, §§ 39, 136 ff SGB IX); Kostenübernahme für eine Tagesförderstätte oder den Förder- und Betreuungsbereich einer WfbM als Hilfe zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, §§ 55 Abs. 2 Nr. 3, 136 Abs. 3 SGB IX); Hilfsmittel (§§ 9, 10 Eingliederungshilfe-Verordnung), sofern nicht andere Reha-Träger vorrangig leistungspfl ichtig sind; Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges, das der behinderte Mensch selbst bedienen kann, und insbesondere für die Teilhabe am Arbeitsleben genutzt wird (§ 8 Eingliederungshilfe-Verordnung); Notwendige Fahrtkosten und Begleitung zu Maßnahmen der Eingliederungshilfe (§ 22 Eingliederungshilfe-Verordnung). Diese Leistungen werden überwiegend als Vergütung an Einrichtungen oder als Sachleistung erbracht, sie können daher in diesem Ratgeber, der über fi nanzielle Hilfen informiert, nicht umfassend dargestellt werden. Weitere Hinweise fi nden sich im Buch der BAG Selbsthilfe (Hrsg.) (2006): Die Rechte behinderter Menschen und ihrer Angehörigen. 34. Aufl age. Düsseldorf, BAG Selbsthilfe. 4 Ab 1. Januar 2008 wird die Möglichkeit eingeräumt, statt der Sachleistung der Eingliederungshilfe eine pauschalierte Geldleistung oder einen Gutschein als Persönliches Budget nach § 57 SGB XII i. V. m. § 17 SGB IX geltend zu machen. Damit sollen die Leistungsberechtigten einen größeren Einfluss auf die Ausgestaltung der Leistung bekommen, und ihr Wunsch- und Wahlrecht (§ 9 SGB IX) soll gestärkt werden. Es handelt sich also nicht um eine neue, zusätzliche Leistung, sondern nur um eine andere Art der Leistungsausführung. Im folgenden werden die Grundzüge der Leistungsgewährung in der Form des Persönlichen Budgets kurz dargestellt. Das Persönliche Budget Das Persönliche Budget kann über den Bereich der Sozialhilfe hinaus für alle Teilhabeleistungen des SGB IX in Anspruch genommen werden, die sich auf alltägliche und regelmäßig wiederkehrende Bedarfe beziehen, für • • • • • • die medizinische Rehabilitation (§§ 26 ff. SGB IX), die Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 33 ff. SGB IX), unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen (§§ 44 ff. SGB IX), Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§§ 55 ff. SGB IX), Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung, Leistungen der Unfallversicherung. Nicht erfasst sind Leistungen zum Lebensunterhalt, die keine Teilhabeleistungen nach dem SGB IX sind, also Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung nach dem SGB XII oder SGB II. Werden mehrere Leistungen unterschiedlicher Leistungsträger beantragt, kann das persönliche Budget trägerübergreifend bewilligt werden, wobei die Abwicklung durch einen Leistungsträger als Budgetbeauftragten erfolgt. Das Verfahren der Budgetgewährung ist in der Budgetverordnung vom 27. Mai 2004 näher geregelt. Das Persönliche Budget kann entweder direkt beim Leistungsträger (Budgetbeauftragter) oder bei einer Service- und Beratungsstelle beantragt werden, die den Antrag an die zuständige Stelle weiterleitet. Es wird zunächst der Bedarf festgestellt. Dann ist zu klären, für welchen Preis sich die betreffende Person die Leistung in einer zuvor festgelegten Qualität beschaffen kann. Obergrenze ist im Regelfall der Preis der Sachleistung. Danach wird eine Zielvereinbarung (§ 4 Budgetverordnung) abgeschlossen, in der die Ausrichtung der individuellen Förder- und Leistungsziele, die Erforderlichkeit eines Nachweises für die Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs sowie die Qualitätssicherung geregelt werden muss. Danach erteilt der Budgetbeauftragte den Bewilligungsbescheid, der Aussagen trifft zu dem Bewilligungszeitraum (nach § 3 Abs. 6 der Budgetverordnung in der Regel zwei Jahre), zu der Budgethöhe und zu möglichen Teilbudgets anderer Leistungsträger. 5 Der Budgetnehmer ist für sechs Monate an seine Entscheidung der Beanspruchung des Persönlichen Budgets gebunden. Er kann allerdings ebenso wie der Budgetbeauftragte die Zielvereinbarung kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. In diesem Fall wird der Bewilligungsbescheid aufgehoben, und der Bedarf kann wieder durch Sachleistungen gedeckt werden. Die Entscheidung zur Beantragung eines persönlichen Budgets sollte gut überlegt und nach Möglichkeit in einer unabhängigen Budgetberatungsstelle abgeklärt werden. Das Mehr an Wahlfreiheit wird mit der Übernahme des wirtschaftlichen Risikos erkauft, auch tatsächlich zum vereinbarten Preis eine bedarfsdeckende Leistung zu erhalten. Informationen über solche Beratungsstellen und weiterführende Literatur können z. B. über das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (www.budget.bmas.de) oder über das Paritätische Kompetenzzentrum zum Persönlichen Budget (www.budget.paritaet.org) bezogen werden. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung können Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben oder älter als 18 sind, auf Antrag Leistungen der Grundsicherung erhalten (§ 41 Abs. 1 SGB XII). Dies gilt für letztere, wenn sie unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert nach § 43 Abs. 2 SGB IV sind (also nicht mehr als drei Stunden täglich unter Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten können) und es unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann. Zur Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung beauftragt der Träger der Sozialhilfe die Rentenversicherung. Dies gilt nicht, wenn der Fachausschuss einer WfbM über die Aufnahme in eine Werkstatt oder Einrichtung eine Stellungnahme abgegeben hat (§§ 2 und 3 der Werkstättenverordnung) und der Leistungsberechtigte nach den rentenversicherungsrechtlichen Regeln für Werkstätten nach § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB VI als vollerwerbsgemindert gilt (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII). Also nicht erst bei Aufnahme in das Eingangsverfahren der Werkstatt, sondern bereits nach der Entscheidung über die Aufnahme in die Werkstatt kann ein Antrag auf Grundsicherungsleistung gestellt werden. Es ist daher notwendig, dass die Werkstattleitung alle Personen, über deren Aufnahme in die Werkstatt im Fachausschuss ein Beschluss gefasst worden ist, umgehend darüber informiert, da die Leistungen grundsätzlich erst ab Antragstellung und nicht rückwirkend gezahlt werden. Auch volljährige Schüler können Grundsicherungsleistungen beantragen, wenn feststeht, dass sie nur in einer Werkstatt und nicht auf dem allgemeinen Arbeits- 6 markt arbeiten können. Dies gilt erst recht, wenn sie so schwer behindert sind, dass auch eine Beschäftigung in der Werkstatt nicht in Frage kommt, sondern eine Betreuung in einer Tagesförderstätte. Umfang der Leistungen Die Leistungen der Grundsicherung umfassen nach § 42 SGB XII: 1. Den für den Antragsberechtigten maßgebenden Regelsatz nach § 28 SGB XII. Der Regelsatz wird nach der Regelsatzverordnung aus der Einkommensund Verbrauchsstatistik (gegenwärtig EVS von 2003) ermittelt. Seit Januar 2007 gilt in allen Bundesländern ein einheitlicher Eckregelsatz, analog der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 Abs. 2 SGB II. Die Regelsätze setzen die Landesregierungen der Bundesländer jeweils zum 1. Juli nach Neubemessung der Regelsätze durch die EVS fest (§ 28 Abs. 2 SGB XII). Auch Rentenwertsteigerungen in der Rentenversicherung führen zu einer Anhebung, zuletzt zum 1. 7. 2007. Alle Bundesländer Eckregelsatz § 2 RSV, § 28 SGB XII Regelsatz Haushaltsangehörige § 3 Abs. 2 RSV Haushaltsvorstand und Alleinstehende bis zur Vollendung des 16. Lebensjahrs a) 100 % b) 60 % von a) c) 80 % von a) d) 27 % von a) 347 Euro 208 Euro ab Vollendung des 16. Lebensjahrs 278 Euro Barbetrag für Volljährige, § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII 93,69 Euro Leben Ehepartner oder Lebenspartner zusammen, erhalten beide 90 % von a) 312 Euro (§ 3 Abs.3 RSV) Tab. 1: Eckregelsatzübersicht, Teil 1 7 2. Die angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach §§ 29, 42 Nr. 2 SGB XII. Für die Angemessenheit der Miete und der Wohnungsgröße können Wohngeldtabellen und der örtliche Vergleichsmietspiegel herangezogen werden, wobei Pflegebedürftigkeit besonders zu berücksichtigen ist. Die Aufwendungen für die Unterkunft in einem Eigenheim umfassen die Grundsteuer, Anliegerbeiträge, Kanalisationsbeiträge, Müllabfuhrgebühren sowie Beiträge zur Versicherung. Bei der Abzahlung von Krediten werden nicht die Tilgungsleistungen, wohl aber die Schuldzinsen berücksichtigt. Lebt der Leistungsberechtigte im Haushalt seiner Eltern, werden die angemessenen Unterkunftskosten nach Zahl der vorhandenen Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft aufgeteilt (so der bayr. VGH, Urteil v. 5. 2. 2004, FEVS 55 S. 557). Neben der Grundsicherung wird kein Wohngeld mehr gezahlt. 3. die Mehrbedarfe nach § 30 SGB XII sowie die einmaligen Bedarfe entsprechend § 31 SGB XII. Wem eine Schwerbehinderung mit den Merkzeichen »G« oder »aG« bewilligt wurde, erhält einen Mehrbedarf in Höhe von 17 % des Regelsatzes. In Frage kommt auch ein Mehrbedarf für Krankenkost in angemessener Höhe nach § 30 Abs. 5 SGB XII. Einmaliger Bedarf können Leistungen für die Erstausstattung der Wohnung einschließlich Haushaltsgeräte sowie Erstausstattung für Bekleidung einschließlich bei Schwangerschaft und Geburt (§ 31 SGB XII) sein. 4. die Übernahme von Kranken- und Pfl egeversicherungsbeiträgen entsprechend § 32 SGB XII; 5. Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen nach § 34 SGB XII (z. B. Schulden zur Sicherung der Unterkunft). Reichen diese in § 42 SGB XII genannten Leistungen der Grundsicherung nicht aus, um den Bedarf des Antragsberechtigten zu decken, können weitere Leistungen als ergänzendes Darlehen entsprechend § 37 SGB XII erbracht werden. Einsatz von Einkommen und Vermögen Anspruch auf Grundsicherung haben nur Leistungsberechtigte, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen beschaffen können (§ 41 Abs. 2 SGB XII). Dazu wird der Bedarf an Grundsicherungsleistungen vom Einkommen abgezogen, das zuvor um die in § 82 Abs. 2 SGB XII genannten Beträge bereinigt wurde. Dazu ein Berechnungsbeispiel (alle Beträge auf volle Euro gerundet) Ein Werkstattbeschäftigter mit einem Schwerbehindertenausweis G hat einen Werkstattlohn von 120 Euro einschließlich Arbeitsförderungsgeld, er wohnt allein, die Warmmiete beträgt 250 Euro. 8 Bedarf Regelsatz (West) Haushaltsvorstand Warmmiete Mehrbedarfszuschlag Merkz. G 347 Euro + 250 Euro + 59 Euro Summe abzgl. einzusetzendes Einkommen 656 Euro – 35 Euro Grundsicherungsleistung 621 Euro Einkommenseinsatz Werkstatteinkommen abzgl. Arbeitsmittelpauschale abzgl. Arbeitsförderungsgeld 120 Euro – 5 Euro – 26 Euro nach § 82 Abs. 2 bereinigtes Einkommen abzgl. 1/8 Regelsatz (347 Euro : 8) verbleiben davon 25 v. H. ergibt Freibetrag § 82 Abs. 3 (43 Euro + 11 Euro) 89 Euro – 43 Euro 46 Euro 11 Euro 54 Euro einzusetzendes Einkommen (bereinigtes Einkommen von 89 Euro abzgl. Freibetrag von 54 Euro) verbleibendes Einkommen 35 Euro 85 Euro Das Kindergeld darf nach der Rechtsprechung (BSG vom 8. 2. 2007, Az. B 9b SO 5/06R, RdLh 3/07, S. 26 f.) nicht als Einkommen des Leistungsberechtigten angerechnet werden, wenn es an die Eltern gezahlt wird. Es ist deren Einkommen und wird nur durch eine zweckgerichtete Weiterleitung zum Einkommen des Kindes, ein gemeinsames Wirtschaften in einem Haushalt reicht dazu nicht aus. Vermögenseinsatz Voll erwerbsgeminderte Personen haben nach § 1 Abs. 1 a der Verordnung zur Durchführung von § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII einen Vermögensfreibetrag von 2.600 Euro. Zu berücksichtigen sind weiter die Gegenstände des Schonvermögens nach § 90 Abs. 2 SGB XII, wie z. B. ein selbstbewohntes kleines Hausgrundstück, außerdem gibt es eine Härteklausel nach § 90 Abs. 3 SGB XII. Unterhaltsansprüche Eltern brauchen für ihr grundsicherungsberechtigtes Kind keinen Unterhalt zu zahlen, sofern ihr jährliches Gesamteinkommen unter einem Betrag von 100.000 Euro liegt. Es wird vermutet, dass das Einkommen der Unterhaltspfl ichtigen 9 diese Grenze nicht überschreitet. Zur Widerlegung der Vermutung kann der zuständige Träger der Sozialhilfe vom Leistungsberechtigten Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse der Unterhaltspfl ichtigen zulassen. Liegen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten dieser Einkommensgrenze vor, muss Auskunft über die Einkommensverhältnisse erteilt werden (§ 43 Abs. 2 SGB XII). Bei einem höheren Einkommen entfällt der Anspruch auf Grundsicherung (§ 43 Abs. 2 Satz 6 SGB XII). Wird jedoch bereits Unterhalt z. B. aus einem Scheidungsurteil an ein Kind gezahlt, gilt dieser Unterhalt als Einkommen des Kindes. Hilfe zum Lebensunterhalt Hilfe zum Lebensunterhalt vom Sozialamt erhalten nach § 27 SGB XII nur noch Leistungsberechtigte, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus eigener Erwerbstätigkeit oder aus Einkommen und Vermögen sicherstellen können. Dies kann zutreffen für Mütter behinderter Kinder, von denen wegen der Pflege eines Haushaltsangehörigen keine Erwerbstätigkeit verlangt werden kann (§ 11 Abs. 4 SGB XII) und deren minderjährige Kinder. Sind die Eltern erwerbsfähig und beziehen Arbeitslosengeld II nach § 19 SGB II, erhalten minderjährige Kinder ein Sozialgeld (§ 28 SGB II). Bei volljährigen behinderten Menschen muss jeweils die Entscheidung getroffen werden, ob sie dauerhaft erwerbsgemindert und somit grundsicherungsleistungsberechtigt sind oder erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II sind. Dies ist der Fall, wenn sie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein können. Die Grundsicherung bei dauerhafter Erwerbsminderung hat dabei Vorrang vor der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, so dass alle Personen, deren Aufnahme in die Werkstatt vom Fachausschuss bereits befürwortet ist, beim zuständigen Sozialamt einen Grundsicherungsantrag stellen können. Der Bedarf an Hilfe zum Lebensunterhalt entspricht dem der Grundsicherung, die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung werden jedoch nur unter eingeschränkten Voraussetzungen übernommen (§ 32 SGB XII). Der Vermögensfreibetrag für die leistungsberechtigte Person ist mit 1.600 Euro geringer. Für den Unterhalt gibt es nur für volljährige behinderte und pflegebedürftige Kinder eine Beschränkung des Unterhaltsbeitrags der Eltern auf 20 Euro. Literaturhinweise: SCHELLHORN u. a. (2006): Kommentar zum SGB XII. 17.Aufl. München: Luchterhand-Kluwer-Verlag. BRÜHL , SAUER (2007): Mein Recht auf Sozialleistungen – Grundsicherung für Arbeitsuchende – Sozialhilfe – Sonstige Sozialleistungen. München: Beck. 10 Taschengeld/Barbetrag Ein behinderter Mensch, der in einer Wohnstätte wohnt und dort Hilfe zum Lebensunterhalt in Form von Grundsicherung erhält, bekommt ein Taschengeld (Barbetrag) und Bekleidungsgeld als erweiterten notwendigen Lebensunterhalt. Nach § 35 Abs. 2 SGB XII beträgt dieses Taschengeld für Volljährige 27 % des Regelsatzes und somit 93,69 Euro. Für Minderjährige wird das Taschengeld von der jeweils zuständigen Landesbehörde festgesetzt. Beteiligt sich der Mensch mit Behinderung an den Kosten für die Wohnstätte teilweise aus eigenem Einkommen oder Vermögen, so kann dieses Taschengeld um 5 bis 15 % des Regelsatzes erhöht werden (sog. Zusatzbarbetrag). Dies gilt aber seit 1. 1. 2005 nur noch für Personen, die diesen Zusatzbarbetrag bereits im Dezember 2004 bekommen haben (Besitzstandsregelung). Vom Barbetrag bleibt außerdem weniger übrig, wenn der Möglichkeit der Darlehensgewährung vom Sozialamt für die Zuzahlung an die Krankenkasse für ihre Leistungen nicht widersprochen wird, weil das Sozialamt die Darlehensraten dann automatisch vom Barbetrag abzieht (§ 35 Abs. 3 SGB XII). Es muss also sorgfältig geprüft werden, welche Regelung im Einzelfall vorteilhafter ist (siehe auch Kapitel Finanzielle Hilfen der Krankenkassen, S. 20 ff.). Die Bekleidung muss nicht aus dem Barbetrag bezahlt werden, sondern wird gesondert vergütet. Arbeitsförderungsgeld (AFÖG) Das Arbeitsförderungsgeld dient dazu, den Lohn in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) durch Leistungen der Reha-Träger aufzustocken, da die Wirtschaftskraft der Werkstätten nur für eine geringe Lohnhöhe ausreicht. Nach § 43 SGB IX erhalten die WfbM vom zuständigen Rehabilitationsträger (zumeist der Sozialhilfeträger) zur Auszahlung an die im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen das Arbeitsförderungsgeld. Dieses beträgt monatlich 26 Euro und wird an diejenigen behinderten Mitarbeiter(innen) im Arbeitsbereich weitergeleitet, deren Arbeitsentgelt zusammen mit dem Arbeitsförderungsgeld den Betrag von 325 Euro nicht übersteigt. Ist das Arbeitsentgelt höher als 299 Euro, beträgt das AFÖG monatlich den Unterschiedsbetrag zwischen dem Arbeitsentgelt und 325 Euro. Erhöhungen der Arbeitsentgelte aufgrund höherer Kostensätze der Sozialhilfeträger nach § 41 Abs. 3 SGB IX können auf die Zahlungen des Arbeitsförderungsgelds angerechnet werden. Dabei ist der Sozialhilfeträger nachweispfl ichtig, dass es zu einer solchen anrechnungspfl ichtigen Erhöhung gekommen ist. Die WfbM ist nur Vermittler für die Auszahlung des Arbeitsförderungsgelds, der Rechtsanspruch auf Auszahlung des Arbeitsförderungsgelds steht den behinderten Mitarbeiter(inne)n gegen den zuständigen Reha-Träger zu. Da das 11 AFÖG gemeinsam mit dem Werkstattlohn ausgezahlt wird und nicht gesondert durch den Sozialhilfeträger, muss die Werkstatt dem Sozialhilfeträger die Gesamtsumme des monatlich an die behinderten Mitarbeiter(innen) auszuzahlenden Arbeitsförderungsgelds mitteilen. Um diese Summe erhöht sich dann der von dem Sozialhilfeträger zu zahlende Kostensatz. Außerdem muss die WfbM auf der Lohnbescheinigung das von ihr gezahlte AFÖG extra ausweisen. Das AFÖG darf nach § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII nicht als Einkommen bei Sozialhilfebezug angerechnet werden. Hilfe zur Pflege Vorrang der Pflegeversicherung Wer Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung hat, kann für den gleichen Bedarf keine Sozialhilfe beanspruchen. Da alle Krankenversicherten auch Leistungen der Pflegeversicherung erhalten, hat die Hilfe zur Pflege in der Sozialhilfe demgegenüber eine geringere Bedeutung. Denn auch für Personen, die Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung für Erwerbsgeminderte beziehen, werden diese Versicherungsbeiträge bezahlt, für die Hilfe zum Lebensunterhalt in eingeschränktem Umfang. Der Pfl egebegriff der Pflegeversicherung gilt auch für die Sozialhilfe, ist dort allerdings ergänzt um die einfache Pflegebedürftigkeit nach § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII (Pflegestufe 0) ohne Anspruch auf ein Pflegegeld. Man erhält danach Beihilfen und Aufwendungsersatz (§ 95 SGB XII). Der Katalog der Hilfeleistungen (Körperpflege, Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftliche Versorgung) der Pflegeversicherung ist daher auch maßgeblich für die Bestimmung der Pflegebedürftigkeit im SGB XII. Zwar werden darüber hinausgehend auch »andere Verrichtungen« in § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII genannt, womit z. B. der Schutz vor Eigen- und Fremdgefährdung und Orientierungshilfe bei gestörter Kommunikation erfasst wird. Damit können aber keine Leistungen der Pflegeversicherung aufgestockt werden (höheres Pflegegeld), sondern nur die originären Sozialhilfeleistungen, so dass diesem erweiterten Pflegebegriff nur geringe praktische Bedeutung zukommt. Die Sozialhilfeträger sind an die Entscheidung der Pflegekasse und die Feststellung des Medizinischen Dienstes gebunden, soweit es um den deckungsgleichen Leistungsbereich wie z. B. das Pflegegeld geht (§ 62 SGB XII). Pflegegeld Das Pflegegeld richtet sich nach den Pflegestufen der Pflegeversicherung und wird nur gezahlt, wenn diese keine Leistungen gewährt. 12 Für die Pfl egestufe I (erheblich Pfl egebedürftige) müssen nach § 64 Abs. 1 SGB XII, § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI (Sozialgesetzbuch Pflegeversicherung) täglich mehr als 90 Minuten Pflege nachgewiesen werden, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen. Das Pflegegeld beträgt 205 Euro. Für die Pfl egestufe II (Schwerpfl egebedürftige) müssen im Tagesdurchschnitt drei Stunden Pflege nachgewiesen werden mit einem Aufwand für die Grundpflege von mindestens zwei Stunden. Das Pflegegeld beträgt 410 Euro. Für die Pfl egestufe III (Schwerstpfl egebedürftige) beträgt der Zeitaufwand für die tägliche Pflege mindestens fünf Stunden mit einem Anteil für die Grundpflege von vier Stunden, wobei auch nachts (mindestens zweimal wöchentlich) ein Pflegebedarf nachgewiesen werden muss. Das Pflegegeld beträgt 665 Euro. Aufstockung für bezahlte Fremdpflege Die Begrenzung der Sachleistung für eine Fremdpflege (bezahlte Pflegekraft) aus der Pflegeversicherung gilt nicht in der Sozialhilfe. Es besteht daher ein Ergänzungsanspruch, wenn ein Bedarf an Rund-um-die-Uhr-Pflege nachgewiesen ist. Zwar sind die Betroffenen verpfl ichtet, wegen des Nachrangs der Sozialhilfe zunächst ihre Sachleistungsansprüche gegenüber der Pflegeversicherung geltend zu machen. Bevorzugen sie aber eine von der Pflegeversicherung nicht als Sachleistung bezahlte Beschäftigung von selbst angestellten Pflegekräften (sog. Assistenzpflege), sind diese voll zu bezahlen (§ 66 Abs. 4 Satz 2 SGB XII). Übersteigen diese Kosten eine stationäre Pflege, ist zu überprüfen, ob ein Umzug zumutbar ist. Ist er unzumutbar, weil damit z. B. eine mögliche Verschlechterung des Gesundheitszustands verbunden ist, wird ein Kostenvergleich nicht durchgeführt (§ 13 Abs. 1 Satz 5 SGB XII). Pflegebeihilfen und Aufwendungsersatz Den Pflegebedürftigen werden nach § 65 Abs. 1 SGB Satz 1 XII angemessene Beihilfen und Aufwendungsersatz gewährt, so dass auch diejenigen, die nicht im erheblichen Maß pflegebedürftig sind und deshalb kein Pflegegeld erhalten, eine Kostenerstattung für die Pflegeperson erhalten können. Bei einer Pauschalierung ist diese eine Beihilfe, bei Erstattung von Verwendungsnachweisen ein Aufwendungsersatz. Geleistet werden z. B. Fahrt- und Telefonkosten für die Pflegeperson, Verdienstausfall wegen unbezahlten Urlaubs, Beiträge für eine Unfallversicherung und für ihre Alterssicherung (wenn diese nicht anderweitig auf Sozialhilfeniveau gesichert ist) oder die Übernahme von Kinderbetreuungskosten während der Pflege. Übersteigen diese Aufwendungen den Betrag des Pflegegelds, werden sie auch ergänzend neben diesem gewährt. 13 Kürzungen des Pflegegelds Werden neben dem Pflegegeld andere Pflegeleistungen der Sozialhilfe oder der Pflegeversicherung in Anspruch genommen, kann das Pflegegeld nach dem Ermessen der Sozialhilfe um bis zu 2/3 gekürzt werden. Diese Kürzungsregelung gilt auch, wenn die Betroffenen Leistungen des Familienentlastenden Dienstes in Anspruch nehmen, sofern die Sozialhilfe diesen anteilig fi nanziert. Die zeitweilige Entlastung der Pflegeperson ist als Pflegeleistung in § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII genannt. Eine volle Anrechnung des Pflegegelds der Pflegeversicherung erfolgt aber, wenn die Pflegekraft von der Pflegeperson selbst als sog. Assistenzpflege/Arbeitgebermodell beschäftigt wird und deshalb keine Sachleistung der Pflegeversicherung in Anspruch genommen werden kann (§ 66 Abs. 4 Satz 2 SGB XII). Zahlt das Sozialamt ein Pflegegeld neben einer Betreuung in einer Tageseinrichtung (Werkstatt, Sonderkindergarten), kann es das Pflegegeld angemessen kürzen (§ 66 Abs. 3 SGB XII). Eine solche Kürzung um bis zu 20 % kann auch erfolgen, wenn ein anderer Kostenträger als die Sozialhilfe die teilstationäre Betreuung fi nanziert. Bei vollstationärer Betreuung wird nur an Besuchstagen zu Hause ein Pflegegeld gezahlt, weil in einer Einrichtung keine Hilfe zur häuslichen Pflege anfällt (§ 63 Satz 3 SGB XII). Einsatz von Einkommen und Vermögen Der Bezug von Pflegegeld und Leistungen der Eingliederungshilfe hängt von bestimmten Einkommensgrenzen und dem vorhandenen Vermögen des Leistungsberechtigten ab. Bei minderjährigen Kindern wird auch das Vermögen und Einkommen der Eltern berücksichtigt, bei Verheirateten das des Ehegatten. Das einzusetzende Einkommen (Bruttoeinkommen, von dem die in § 82 Abs. 2 SGB XII genannten Positionen abgezogen werden: Steuern, Beiträge zu (Sozial-)Versicherungen, die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben u. a. m.) wird dabei einer Einkommensgrenze (§ 85 SGB XII) gegenübergestellt. Überschreitet das Einkommen diese Grenze, wird das Pflegegeld anteilig gekürzt oder entfällt ganz. Dabei wird jedoch ein angemessener Einsatz des Einkommens unter Berücksichtigung von »besonderen Belastungen« geprüft (§ 87 Abs. 1 SGB XII). Dies sind außergewöhnliche fi nanzielle Belastungen z. B. für unabweisbar notwendige Abzahlungsverpfl ichtungen, die vor Eintritt des Bedarfs eingegangen wurden, notwendige Aufwendungen für Krankheit, Behinderung und Pflegebedürftigkeit, Aufwendungen für die Aus- und Fortbildung, Tilgung von Mietrückständen, Umzugs- und Renovierungskosten, Aufwendungen für Fahrten zum Besuch von Angehörigen in Einrichtungen und besondere Familienfeiern. Bei schwerstpflegebedürftigen oder blinden Menschen ist der Einkommenseinsatz auf 60 % begrenzt (§ 87 Abs. 1 SGB XII). 14 Die Einkommensgrenze setzt sich aus einem Grundbetrag in Höhe des doppelten Eckregelsatzes zusammen, der auf Landesebene festgesetzt wird. Hinzu kommen Zuschläge für jedes weitere Familienmitglied von 70 % des Regelsatzes des Haushaltsvorstands, sowie die angemessenen Kosten der Unterkunft. Eckregelsatz § 2 RSV, § 28 SGB XII Haushaltsvorstand und Alleinstehende Grundbetrag § 85 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII Familienzuschlag § 85 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII a) 100 % e) 200 % von a) f) 70 % von a) 694 Euro 243 Euro Alle Bundesländer 347 Euro Tab. 2: Eckregelsatzübersicht, Teil 2 Dazu ein Beispiel: Eltern mit einem minderjährigen behinderten Kind beantragen Pfl egegeld nach § 64 Abs. 2 SGB XII in Höhe von 410 Euro. Sie sind nicht leistungsberechtigt in der Pfl egeversicherung. Die Mutter ist nicht berufstätig, der Vater hat ein Nettoeinkommen von 2.622 Euro. Davon kann er nach §§ 82 Abs. 2, 87 Abs. 1 SGB XII Versicherungen, Fahrtkosten, Arbeitsmittelpauschale, Beiträge zu Berufsverbänden, besondere Belastungen in Höhe von 179 Euro monatlich abziehen. So bleibt ein bereinigtes Einkommen von 2.443 Euro monatlich. Die Wohnungsmiete beträgt 266 Euro monatlich. Für diese Familie errechnet sich folgende Einkommensgrenze Grundbetrag 694,– Euro Familienzuschlag Mutter 243,– Euro Familienzuschlag Kind 243,– Euro Miete 266,– Euro Summe 1.446,– Euro Das bereinigte Einkommen von 2.443 Euro überschreitet also die Einkommensgrenze von 1.446 Euro um 997 Euro, so dass das Pflegegeld von 410 Euro wegen des überschreitenden Einkommens nicht gezahlt wird. 15 Ist Barvermögen vorhanden, so bleiben folgende Beträge als »Schonvermögen« nach der Verordnung zu § 96 Abs. 2 SGB XII frei: Grundbetrag für den Leistungsberechtigten, der allein lebt oder für den Haushaltsvorstand 2.600,– Euro für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder ein Elternteil 614,– Euro für jedes weitere Familienmitglied, das im Haushalt lebt 256,– Euro Für die Familie im genannten Beispiel wäre also ein Barvermögen geschützt von 3.470,– Euro Bei Volljährigkeit behinderter Menschen wird nur noch ihr eigenes Einkommen und Vermögen angerechnet, soweit sie nicht verheiratet sind. Die Berechnung des Einkommens und Vermögens (was nicht Barvermögen ist, kann u. U. nach § 90 SGB XII als Schonvermögen geschützt sein, wie z. B. das angemessene Hausgrundstück) ist daher eine komplizierte Angelegenheit. Sie lässt sich in diesem Rahmen nicht vollständig darstellen. Literaturhinweise: BAG SELBSTHILFE (HRSG.) (2006): Die Rechte behinderter Menschen und ihrer Angehörigen. 34. Auflage. Düsseldorf: BAG Selbsthilfe. K RAHMER (2004): Pflegebedürftigkeit und Sozialhilfe nach den neuen Vorschriften, Textausgabe mit Erläuterungen. Stuttgart: Boorberg Verlag. 16 Finanzielle Hilfen der Pflegeversicherung* Durch die Soziale Pflegeversicherung (Sozialgesetzbuch XI) erhalten Menschen mit geistiger Behinderung unabhängig von Einkommen und Vermögen Leistungen der Pflege. Leistungsberechtigt sind Personen, die »wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen« (§ 14 Abs. 1 SGB XI). Wer ist versichert? Nach dem Grundsatz »Die Pflegeversicherung folgt der Krankenversicherung« sind daher alle Personen in der gesetzlichen Krankenversicherung gleichzeitig Mitglied in der Pflegeversicherung (siehe auch S. 20). Privat Versicherte erhalten Leistungen nach der Privaten Pflegeversicherung entsprechend dem Pflegeversicherungsvertrag, der mindestens die gleichen Leistungen wie die gesetzliche Pflegeversicherung vorsehen muss. Zu berücksichtigen sind die allgemeinen Versicherungsbedingungen, aus denen sich Informationen über den Rechtschutz gegen Ablehnung von Leistungen entnehmen lassen. Bei Leistungsverweigerung ist kein Widerspruch möglich, sondern es muss innerhalb von sechs Monaten eine Klage vor dem Sozialgericht erhoben werden. Die Begutachtung für die Pflegestufen führen eigene Vertragsärzte der Pflegekassen durch, nicht wie bei der gesetzlichen Pflegeversicherung der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK). Auch Beamte müssen zur Ergänzung des von der Beihilfe nicht gedeckten Teils eine private Pflegeversicherung abschließen. Wer ist pflegebedürftig? Berücksichtigt werden nur gewöhnliche oder regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung. Diese Verrichtungen sind in § 14 Abs. 4 SGB XI im Einzelnen benannt: 1. Im Bereich der Körperpflege: Das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpfl ege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung 2. Im Bereich der Ernährung: Das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung * Das Bundesministerium für Gesundheit hat am 10. September 2007 einen Referentenentwurf zur Reform der Sozialen Pflegeversicherung vorgelegt. Danach ist im Laufe des Jahres 2008 mit erheblichen Änderungen im SGB XI zu rechnen. Wir informieren darüber zeitnah im Internet, im Rechtsdienst und in der Lebenshilfe-Zeitung. 17 3. Im Bereich der Mobilität: Das selbstständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Aufsuchen der Wohnung 4. Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung: Das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen. Die Spitzenverbände der Pflegekassen haben Richtlinien über die Abgrenzung der Merkmale der Pflegebedürftigkeit und die Pflegestufen erstellt (aktuelle Fassung vom 11. 5. 2006 siehe DIETRICH/WENDT 2007). Bei Kindern ist für die Zuordnung der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend (§ 15 Abs. 2 SGB XII). Bei der Begutachtung des Medizinischen Dienstes ist darauf zu achten, dass die Beaufsichtigung und Anleitung sowie die im Gesetz genannten täglichen Verrichtungen – in sinnvoller Weise durchgeführt – berücksichtigt werden. Ein darüber hinaus gehender allgemeiner Aufsichtsbedarf zur Vermeidung von Eigen- und Fremdgefährdung wird jedoch nicht angerechnet. Die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst ist entscheidend für die Zuordnung einer Pflegestufe. Die in § 15 SGB XI genannten Stufen der Pflegebedürftigkeit sind bereits im Kapitel »Hilfe zur Pflege« (S. 12) dargestellt. Es empfiehlt sich, die für die einzelnen Pflegestufen erforderlichen Pflegezeiten in einer Selbsteinschätzung vor dem Besuch des Medizinischen Dienstes zu erheben. Dazu enthält die o. g. Schrift (DIETRICH/WENDT 2007) einen Musterfragebogen, der ausgefüllt mit dem Gutachten des Medizinischen Dienstes verglichen werden kann. Hat der Medizinische Dienst für die einzelnen Verrichtungen geringere Zeiten angesetzt und wird deshalb die Zuordnung zu der beantragten Pflegestufe abgelehnt, lohnt sich ein Widerspruch dann, wenn eine Begründung angegeben werden kann, warum die von dem Medizinischen Dienst erhobenen Pflegezeiten nicht ausreichend bemessen sind (ggf. mit Beweisangebot). Muster für Widersprüche und Klagen fi nden Sie ebenfalls in der o. a. Schrift. Die fi nanziellen Leistungen können Sie der nebenstehenden Tabelle entnehmen (alle Paragrafen beziehen sich auf das SGB XI): Literaturhinweis: DIETRICH/WENDT (2007): Richtig begutachten, gerecht beurteilen. 7. Aufl. Marburg: Lebenshilfe-Verlag. 18 Leistungen der Pflegeversicherung Die Pflegekassen haben den Versicherten aufzuklären (§ 7), zu beraten (§§ 2 Abs. 4, 7) und zu unterstützen (§ 31 Abs. 4). Weitere Leistungen stellt die folgende Übersicht dar: Pflegestufe I Pflegestufe II Pflegestufe III Härtefall PflegesachLeistungen (§ 36) Max. mtl. 384 Euro Max. mtl. 921 Euro Max. mtl. 1.432 Euro Max. mtl. 1.918 Euro Pflegegeld (§ 37) mtl. 205 Euro mtl. 410 Euro mtl. 665 Euro Verpflichtende Sachleistung KombinationsLeistungen (§ 38) Pflegesachleistung + Pflegegeld (zusammen 100 %) Verbindliche Erklärung für 6 Monate im Voraus. Häusliche Pflege, Voraussetzung: Pflegeperson hat den Bedürftigen mind. 12 Monate Verhinderung der in häuslicher Umgebung gepflegt. Max. 1.432 Euro für längstens Pflegeperson (§ 39) 4 Wochen pro Kalenderjahr. zusätzliche Betreu- Voraussetzung: Mindestens die Pflegestufe I und die Kriterien des ungsleistungen § 45 a SGB XI werden erfüllt. Pro Jahr werden 460 Euro für (§ 45 b Abs. 1) qualitätsgesicherte Betreuungsleistungen erstattet. Pflegehilfsmittel, Techn. Hilfen (§ 40) • Hilfsmittel Max. 31 Euro monatlich pauschal • Techn. Hilfen Eigene Zuzahlung 10 % (max. 25 Euro je Hilfsmittel). • WohnumfeldMax. 2.557 Euro pro Maßnahme (»Kann-Leistung«). verbesserungen Tagespflege und Max. mtl. Nachtpflege (§ 41) 384 Euro Max. mtl. 921 Euro Max. mtl. 1.432 Euro Kombination mit §§ 36, 37 mögl. Kurzzeitpflege (§ 42) Max. 1.432 Euro für längstens 4 Wochen pro Kalenderjahr Soz. Sicherung der Pflegeperson (§ 44) • Rentenversicherungsbeitrag • Unfallversicherungsbeitrag • SGB III-Leistung Mind. 14 Std. wöchentlicher Pflegeeinsatz und keine Erwerbstätigkeit von mehr als 30 Std. wöchentlich ca. Pflegestufe I Pflegestufe II Pflegestufe III für 14 Std. Pflege für 21 Std. Pflege für 28 Std. Pflege Nach Anmeldung durch Pflegekasse besteht gesetzlicher Unfallversicherungsschutz Unterhaltsgeld (berufliche Rückkehrer) Pflegekurse (§ 45) Unentgeltliche Schulungskurse Vollstationäre Pflege (§ 43) Max. mtl. 1.432 Euro (Sachleistung) Max. mtl. 256 Euro (Zuschuss) Behinderteneinrichtung nach § 43 a SGB XI 1.688 Euro 19 Finanzielle Hilfen der Krankenkassen1 Krankheiten gehören zu den Lebensrisiken, die der weitaus größte Teil der Bevölkerung auf sich allein gestellt nicht tragen könnte. Für über 90 % der Bevölkerung ist die im SGB V geregelte gesetzliche Krankenversicherung (GKV) die versicherungsmäßige Absicherung für das Risiko Krankheit. Die Krankenkassen (KK) haben als Solidargemeinschaft die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu verbessern (§ 1 Satz 1 SGB V). Versicherter Personenkreis Leistungen können nur behandlungsbedürftige Kranke in Anspruch nehmen, die in der GKV versichert sind. Einer Krankenkasse kann man als Versicherungspfl ichtiger, als freiwillig Versicherter oder als Familienversicherter angehören. Versicherungspflicht in der GKV besteht vor allem für Arbeitnehmer, deren Arbeitsentgelt mehr als 400 Euro monatlich beträgt, aber unterhalb der Versicherungspfl ichtgrenze liegt. Diese Grenze wird jährlich angepasst und beträgt 2007 monatlich 3.975 Euro. Wer mehr verdient, kann sich freiwillig bei einer Krankenkasse versichern. Familienversichert sind die Ehepartner und die minderjährigen Kinder. Das regelmäßige Gesamteinkommen der Familienangehörigen darf eine bestimmte Grenze nicht überschreiten. Diese beträgt 2007 für geringfügig Beschäftigte 400 Euro, für alle anderen 350 Euro monatlich. Kinder sind grundsätzlich nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs familienversichert. Bei Kindern, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außer Stande sind, sich selbst zu unterhalten, besteht die Familienversicherung ohne Altersgrenze. Die Behinderung muss während der Familienversicherung eingetreten und von nicht absehbarer Dauer sein (§ 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V). Beamte sind meist nicht in der GKV versichert. Behinderte Kinder von Beamten können zeitlich unbegrenzt Beihilfen erhalten. Die Leistungen der Beihilfestellen können von denen der GKV abweichen. Nähere Informationen dazu gibt es bei den zuständigen Beihilfestellen und Landesministerien. Behinderte Menschen, die entweder im Berufsbildungsbereich oder im Arbeitsbereich einer anerkannten WfbM beschäftigt sind oder die in gleichartigen Einrichtungen Arbeitsleistungen erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines 1 20 Stand 1. September 2007 Durch das zum 1. April 2007 in Kraft getretene GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) gab es Änderungen mit zum Teil gravierenden Auswirkungen für die Versicherten. Viele Regelungen treten jedoch erst zum 1. 1. 2009 in Kraft und sind deshalb in dieser Auflage noch nicht berücksichtigt. vollerwerbstätigen Beschäftigten entsprechen, sind nicht familienversichert, sondern selbst versicherungspfl ichtig (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 8 SGB V). Solange bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritten werden, zahlt der Träger der Einrichtung ihre Versicherungsbeiträge an die Krankenkasse allein (§ 251 Abs. 2 Nr. 2 SGB V). Schwerbehinderte Menschen i. S. d. SGB IX, die weder familienversichert noch versicherungspfl ichtig sind, können unter bestimmten Voraussetzungen der Krankenversicherung freiwillig beitreten (§ 9 SGB V). Die wichtigsten Möglichkeiten sind: • • • der Beitritt innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Versicherungsschutzes in der Familienversicherung (z. B. wegen Tod des stammversicherten Familienmitglieds); der Beitritt nach Beendigung der Versicherungspfl icht, wenn eine Vorversicherungszeit von 24 Monaten innerhalb der letzten fünf Jahre erfüllt ist oder unmittelbar vor dem Ausscheiden eine ununterbrochene Versicherung über mindestens 12 Monate bestand; der Beitritt nach Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft, wenn beim schwerbehinderten Menschen, seinem Elternteil oder Ehegatten eine Vorversicherungszeit von drei Jahren innerhalb der letzten fünf Jahre erfüllt ist oder der behinderte Mensch diese Vorversicherungszeit wegen seiner Behinderung nicht erfüllen konnte. In allen Fällen ist der Beitritt gegenüber der Krankenkasse innerhalb von drei Monaten nach dem anspruchsbegründenden Ereignis (z. B. Wegfall der Familienversicherung; Ende des Beschäftigungsverhältnisses; Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft) zu erklären. Die Satzung der Krankenkasse kann das Recht zum Beitritt von einer Altersgrenze abhängig machen. Bei behinderten Menschen, die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung erhalten, übernimmt der Sozialhilfeträger die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge (§ 42 Nr. 4 SGB XII). Für einen Weiterversicherten nach Ausscheiden aus der Versicherungspfl icht ist die Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen eine sog. Muss-Leistung. Der Leistungsberechtigte hat hierauf einen Rechtsanspruch. Das Gleiche gilt, wenn die Leistungen zum Lebensunterhalt voraussichtlich nur für kurze Dauer zu leisten sind (§ 32 Abs. 2 SGB XII). In sonstigen Fällen steht die Übernahme freiwilliger Krankenversicherungsbeiträge im Ermessen des Sozialhilfeträgers (sog. KannLeistung). Im Übrigen muss der Sozialhilfeträger Leistungen zur Krankenbehandlung entsprechend den Leistungen der GKV erbringen, wenn jemand ohne Versicherungsschutz und sozialhilfebedürftig ist (§ 48 SGB XII). Die Krankenbehandlung wird von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen. Der Sozialhilfeempfänger wählt eine Krankenkasse und ist dann den Versicherten leistungsrechtlich gleichgestellt, ohne selbst Mitglied der Krankenkasse zu sein (§ 264 SGB V). 21 Überblick über die Zuzahlungsregelungen Zuzahlungen und Befreiungsmöglichkeiten Seit 2004 wird für nahezu alle Leistungen eine Zuzahlung erhoben und auch für Härtefälle gibt es keine vollständige Befreiung von Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen mehr. Nur Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind mit Ausnahme der Zuzahlungen bei Fahrkosten von den Zuzahlungen befreit. Insbesondere fallen bei einigen Vorsorgeuntersuchungen keine Zuzahlungen an (§ 28 Abs. 4 SGB V). Dies gilt nur, soweit keine Leistungen über dem von den Krankenkassen defi nierten Umfang der notwendigen Vorsorge hinaus erbracht werden. Höhe der Zuzahlungen Grundsätzlich leisten Versicherte Zuzahlungen in Höhe von 10 % der Kosten, mindestens jedoch fünf Euro und höchstens zehn Euro. Abweichend hiervon gilt bei Heilmitteln und häuslicher Krankenpflege eine Zuzahlung von 10 % der Kosten der Leistung und ein zusätzlicher Betrag von zehn Euro pro ärztlicher Verordnung. Für Hilfsmittel, die zum Verbrauch bestimmt sind, beträgt die Zuzahlung 10 % je Packung, aber nicht mehr als zehn Euro im Monat. Für alle anderen Hilfsmittel gilt die generelle prozentuale Zuzahlungsregelung. Zuzahlungen bei stationärer Behandlung Bei stationärer Unterbringung zur medizinischen Behandlung ist pro Tag eine Zuzahlung von 10 Euro zu entrichten. Sie ist für die Krankenhausbehandlung und die Anschlussrehabilitation auf insgesamt 28 Kalendertage im Jahr (280 Euro) begrenzt. Die Zuzahlungen bei stationärer medizinischer Vorsorge und Rehabilitation sind nicht auf eine bestimmte Anzahl von Tagen im Kalenderjahr beschränkt, so dass der Betrag von 280 Euro überschritten werden kann. Belastungsgrenze für Zuzahlungen Für alle Versicherten gilt eine Belastungsobergrenze in Höhe von 2 % des Bruttoeinkommens (§ 62 SGB V). Zu den Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt zählen alle Einkünfte des Versicherten, aus denen der Lebensunterhalt bestritten werden kann. Für chronisch Kranke, die wegen einer schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, gilt eine Überforderungsklausel von 1 % des jährlichen Bruttoeinkommens (Näheres unter »Chroniker-Regelung«, S. 24). 22 Maßgeblich für die Ermittlung der Belastungsgrenze bei Versicherten, die mit berücksichtigungsfähigen Angehörigen zusammenleben, ist das sog. Familienbruttoeinkommen. Von dieser Summe sind Freibeträge (4.410 Euro für den Ehepartner sowie 2.940 für jeden weiteren Angehörigen und 3.648 Euro für jedes familienversicherte Kind) abzuziehen. Alleinerziehende können für das erste Kind den höheren Freibetrag des Ehepartners in Anspruch nehmen. Das Erreichen der Belastungsgrenze muss die versicherte Person gegenüber der Krankenkasse durch Zuzahlungsbelege nachweisen. Es ist deshalb unbedingt erforderlich, alle Quittungen über geleistete Zuzahlungen zu sammeln. Grundlage für die Beurteilung, ob der Versicherte vor Ablauf des Kalenderjahres bereits Zuzahlungen bis zu seiner persönlichen Belastungsgrenze geleistet hat, sind das Bruttojahreseinkommen, die zu berücksichtigenden Angehörigen und die im Kalenderjahr geleisteten Zuzahlungen. Zur Ermittlung der Belastungsgrenze werden alle Zuzahlungen des Versicherten und seiner Familien- bzw. Haushaltsangehörigen berücksichtigt. Die Leistungserbringer sind verpfl ichtet, geleistete Zuzahlungen kostenfrei zu quittieren. Da die Befreiung immer nur bis zum Jahresende gilt, müssen zu Beginn eines neuen Jahres wieder alle Belege bis zum Erreichen der Zuzahlungsgrenze gesammelt werden. Zuzahlungen im Voraus leisten Nach der Verwaltungsvereinbarung der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen zu § 62 SGB V vom 28. Juli 2004 ist im Einzelfall eine Befreiung von Zuzahlungen während des Kalenderjahrs aufgrund einer Vorauszahlung des Versicherten in Höhe der Belastungsgrenze möglich. Viele Krankenkassen sehen dieses Verfahren besonders für den Fall als sinnvoll an, wenn innerhalb eines kurzen Zeitraums die Belastungsgrenze erreicht würde und praktizieren dieses Verfahren: Wer bis Jahresbeginn den kompletten Zuzahlungsbetrag bei seiner Krankenkasse entrichtet, erhält umgehend die Befreiungsbescheinigung für das folgende Kalenderjahr. Damit entfällt das zeitaufwändige Sammeln von Zuzahlungsquittungen. Versicherte, die ihren Zuzahlungsbetrag im Voraus leisten wollen, sollten prüfen, ob sie aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen aller Wahrscheinlichkeit nach die Belastungsgrenze überschreiten. Wegen des hohen Verwaltungsaufwands besteht kein Anspruch gegenüber der Krankenkasse auf Rückerstattung des vorgeleisteten Zuzahlungsbetrags, falls die individuelle Belastungsgrenze wider Erwarten im Kalenderjahr nicht erreicht werden sollte. Praxisgebühr Eine besondere Form der Zuzahlung stellt die seit 2004 zu zahlende Praxisgebühr von 10 Euro dar. Sie ist pro Quartal bei erstmaliger Inanspruchnahme 23 eines Arztes und eines Zahnarztes zu leisten. Werden im gleichen Quartal weitere Ärzte mit einer Überweisung aufgesucht, fällt die Praxisgebühr nur einmal pro Quartal an. Dies gilt auch, wenn man auf Überweisung ambulant im Krankenhaus behandelt wird. Überweisungen zu Ärzten desselben medizinischen Fachgebiets sind nur in Ausnahmefällen zulässig. Wer also bei einem anderen Facharzt eine weitere Meinung einholen möchte, muss i. d. R. auch ein zweites Mal die Praxisgebühr zahlen. Bei Inanspruchnahme eines Notdienstes fällt zusätzlich eine weitere Praxisgebühr von 10 Euro im Quartal an. Mehrkosten durch Festbeträge Für immer mehr Leistungen (z. B. Arznei- und Hilfsmittel) gelten Festbeträge. Liegt der Preis des Medikaments oder des Hilfsmittels über dem von den Krankenkassen festgesetzten Betrag, dann muss neben der Zuzahlung noch die Differenz zum Festbetrag aus der eigenen Tasche gezahlt werden. Für diese spezielle Zuzahlung gibt es keine Obergrenze. Sie werden auch nicht für die Ermittlung der Belastungsgrenze berücksichtigt. Kosten oberhalb der Festbetragsgrenze müssen auch dann geleistet werden, wenn eine Befreiungsbescheinigung vorliegt. Liegt der Preis für ein Medikament mindestens 30 % unter dem Festbetrag, ist keine Zuzahlung zu leisten (Näheres unter »Arzneimittel«, S. 30). Chroniker-Regelung Für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, gilt eine Grenze von 1 % der jährlichen Bruttoeinnahmen (§ 62 Abs. 1 SGB V). Die Belastungsgrenze für chronisch Kranke halbiert sich somit. Die 1 % -Regelung gilt für alle im Familienhaushalt lebenden Angehörigen, auch wenn nur eine Person als schwerwiegend chronisch krank eingestuft ist. Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer solchen Krankheit hat der Gemeinsame Bundesausschuss in einer Richtlinie defi niert. Nach der »Richtlinie zur Defi nition schwerwiegender chronischer Krankheiten« gilt ein Patient als schwerwiegend chronisch krank, wenn er ein Jahr lang mindestens einmal pro Quartal ärztlich wegen derselben Krankheit behandelt wird und außerdem eines der folgenden Kriterien erfüllt: • • • Pflegebedürftigkeit nach den Pflegestufen II oder III; der Grad der Behinderung (GdB) oder die Erwerbsminderung beträgt mindestens 60 %; kontinuierliche medizinische Versorgung, weil sich anderenfalls der Gesundheitszustand stark verschlechtert. Zum 1. April 2007 wurde auch die sog. Chroniker-Regelung verschärft. Der Gesetzgeber hat die Regelung über die ermäßigte Zuzahlung mit der regelmä24 ßigen Teilnahme an bestimmten Vorsorgeuntersuchungen verknüpft. Künftig sollten nur die Versicherten von der reduzierten Belastungsgrenze profitieren, die vor ihrer Erkrankung regelmäßig Früherkennungsuntersuchungen in Anspruch genommen haben. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat es abgelehnt, ein Zwangssystem zur Krankheitsfrüherkennung einzuführen. Die Zwangsuntersuchungen hat der Bundesausschuss in eine Beratungspfl icht für GKV-Versicherte umgewandelt. Künftig müssen sich Versicherte über Früherkennungsuntersuchungen z.B. gegen Darm- oder Brustkrebs von einem Arzt beraten lassen, um später, wenn sie dennoch an diesen Krankheiten leiden, als chronisch Kranke Zuzahlungsermäßigungen zu bekommen. Die Aufklärung durch Ärzte über Vor- und Nachteile der Früherkennungsuntersuchungen muss in einem Präventionspass dokumentiert werden. Weitere Voraussetzung für die reduzierte Belastungsgrenze ist künftig ein therapiegerechtes Verhalten, das ein Arzt feststellen muss. Dies gilt jedoch nicht für Personen mit einem GdB von mindestens 60 oder für anerkannt Pflegebedürftige der Pflegestufen II und III. Die Bescheinigung über eine schwerwiegende chronische Erkrankung erteilt der Arzt. Formulare dazu gibt es bei den Krankenkassen. Diese treffen auch die verbindliche Feststellung, dass der Versicherte an einer chronischen Krankheit im Sinne der Richtlinie leidet. Der Nachweis der schwerwiegenden chronischen Erkrankung muss in der Regel jährlich neu erbracht werden. Hiervon kann abgesehen werden, wenn eine Verbesserung der Krankheitssituation nicht zu erwarten ist. Die Krankenkassen haben die Möglichkeit, in Zweifelsfällen einen neuen Nachweis zu verlangen. Darlehensregelung für Heimbewohner(innen) Heimbewohner(innen), deren Heimkosten (anteilig) von einem Sozialhilfeträger getragen werden, verfügen im Jahr 2007 über einen monatlichen Barbetrag von 93.69 Euro. Für Bewohner(innen), die bereits im Dezember 2004 stationär betreut wurden, kann ein Zusatzbarbetrag hinzukommen. Für alle gilt als Bruttoeinkommen zum Lebensunterhalt jedoch (fi ktiv) der Regelsatz des Haushaltsvorstands nach dem SGB XII. Dieser beträgt ab Juli 2007 (vorbehaltlich der Regelsatzverordnungen der Länder) monatlich 347 Euro, jährlich also 4.164 Euro. Die Zuzahlungen sind deshalb auf 83,28 Euro im Kalenderjahr begrenzt. Wird eine schwerwiegende chronische Erkrankung bescheinigt, reduziert sich die Zuzahlungspfl icht auf 41,64 Euro pro Kalenderjahr. Um übermäßige Belastungen am Jahresanfang zu vermeiden, hat der Gesetzgeber in § 35 Abs. 3 bis 5 SGB XII eine Darlehensregelung vorgesehen, welche die Belastung für Heimbewohner durch die Zuzahlungen gleichmäßig auf alle Monate des Jahres verteilt. Diese Regelung wird wirksam, wenn der Leistungs25 berechtigte nicht widerspricht. Für diesen Fall zahlt der Sozialhilfeträger der Krankenkasse zu Beginn des Jahres die Zuzahlung in Höhe der Belastungsgrenze. Der Leistungsberechtigte erhält von seiner Krankenkasse zum Jahresanfang einen Befreiungsbescheid und muss somit keine Zuzahlungen leisten. Die monatliche Rückzahlungsrate verrechnet der Sozialhilfeträger mit dem Barbetrag, der sich entsprechend verringert. Heimbewohner können wie andere Versicherte bei ihrer Krankenkasse auch selbst den Antrag stellen, die einmalige Zuzahlung in Höhe ihrer Belastungsgrenze vorzuleisten, um daraufhin rechtzeitig zum Jahresbeginn einen neuen Befreiungsbescheid in den Händen zu haben. Sie müssen dann keine Kürzung des Barbetrags in Kauf nehmen. Auf die Möglichkeit der Vorausleistung besteht kein Rechtsanspruch. Nach einer Verwaltungsvereinbarung der gesetzlichen Krankenkassen bietet sie sich insbesondere an, wenn innerhalb eines kurzen Zeitraums die Belastungsgrenze erreicht würde. Dies ist bei Beziehern von Sozialhilfeleistungen regelmäßig der Fall. Fahrkosten Fahrkosten (§ 60 SGB V) werden nur noch in sehr eingeschränktem Umfang von der Krankenkasse übernommen. Die Fahrt muss im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sein. Neben den grundsätzlich weiterhin von den Krankenkassen zu übernehmenden Fahrkosten zur stationären Behandlung einschließlich Rettungsfahrten zum Krankenhaus werden Fahrten zur ambulanten Behandlung nur noch nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen übernommen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in den KrankentransportRichtlinien festgelegt, wann ein derartiger Ausnahmefall vorliegt. Danach muss ein Patient entweder • • • an einer Grunderkrankung leiden, die eine häufige Therapie über einen längeren Zeitraum erfordert und bei der eine Beförderung zur Vermeidung von Schäden an Leib und Leben notwendig ist. Beispiele für solche Behandlungen sind Dialysebehandlung, onkologische Strahlentherapie und onkologische Chemotherapie, pflegebedürftig gemäß SGB XI nach der Pflegestufe II oder III sein, einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen »aG« (außergewöhnliche Gehbehinderung), »Bl« (blind) oder »H« (hilflos) haben oder der Krankentransport ärztlich verordnet sein, weil der Versicherte von einer vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobilität betroffen ist und einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum bedarf. Der behandelnde Arzt hat zu entscheiden, ob zwingende medizinische Gründe für eine Fahrt vorliegen und mit welchem Fahrzeug der Krankentransport vorgenommen werden soll. 26 Auch bei den Krankenfahrten ist eine Zuzahlung in Höhe von 10 % der Fahrkosten, mind. jedoch fünf Euro, höchstens aber zehn Euro zu leisten. Hin- und Rückfahrt gelten jeweils als eigene Fahrt. Die Zuzahlungsverpfl ichtung zu Krankenfahrten besteht auch für Kinder und Jugendliche. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen an behinderte und chronisch kranke Menschen Seit dem 1. Januar 2004 gibt es den § 2 a SGB V. Danach ist bei der Durchführung der Krankenbehandlung den besonderen Belangen behinderter und chronisch kranker Menschen Rechnung zu tragen. Die Vorschrift knüpft an die Zielsetzungen des SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) an und soll integrationsorientierend wirken. Zu beachten ist, dass es sich nicht um eine Leistungsvorschrift handelt, aus der unmittelbar konkrete Ansprüche abgeleitet werden können. Das Bayerische Landessozialgericht hat entschieden, dass die Vorschrift als Auslegungshilfe heranzuziehen ist (Urteil vom 29. 6. 2006 – Az. L 4 KR 253/03; vgl. RdLh 4/2006, S. 159). Arznei- und Verbandmittel Versicherte haben gemäß § 31 SGB V Anspruch auf Versorgung mit apothekenpfl ichtigen Arzneimitteln und mit Verbandmitteln. Seit 2004 sind jedoch nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung grundsätzlich ausgeschlossen. Nicht verschreibungspfl ichtige Arzneimittel gibt es in der Regel nicht mehr auf Krankenkassenrezept. Sie müssen auf eigene Kosten erworben werden. Vertragsärzte können nicht verschreibungspfl ichtige Arzneimittel nur noch zu Lasten der Krankenkassen verordnen, wenn sie bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat eine Liste rezeptfreier Arzneimittel beschlossen, die ausnahmsweise auch weiterhin zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden dürfen. Gesetzliche Vorgabe war, dass diese sog. OTC-Präparate (OTC = over the counter) bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankung als Therapiestandard gelten. Das bedeutet, der Gemeinsame Bundesausschuss kann einen Wirkstoff nur für bestimmte Indikationen benennen. Die sog. OTC-Liste oder -Übersicht, in der die Wirkstoffe und Indikationen aufgeführt sind, wird ständig aktualisiert. Eine Übersicht ist über die Internetseite des Gemeinsamen Bundesausschusses abrufbar (http://www.g-ba.de). 27 Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen auf einen Blick (Stand 1. 7. 2007) Krankenkassen-Leistung Zuzahlung Befreiungsmöglichkeiten verschreibungspflichtige Arznei- und Verbandmittel 10 % des Preises, mind. 5 und max. 10 Euro; nicht mehr als die Kosten des Mittels a) individuelle Belastungsgrenze erreicht b) Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel Grundsatz: keine Erstattung der Kosten; bei ausnahmsweiser Erstattung wie oben a) Arzneimittel gehört bei Behandlung schwerwiegender Erkrankung zum Therapiestandard b) Kinder bis 12 Jahre und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen Fahrkosten • zu und von stationären Behandlungen • bei Transport in Rettungs-/Krankenwagen 10 % der Kosten, mind. 5 und höchstens 10 Euro je Fahrt Individuelle Belastungsgrenze erreicht Fahrkosten zur ambulanten Behandlung Grundsatz: Keine Erstattung der Kosten Bei zwingenden medizinischen Gründen kann die Krankenkasse eine Genehmigung erteilen und die Fahrkosten übernehmen Heilmittel (z. B. Massagen, Krankengymnastik, Ergo- und Logopädie) auch bei Abgabe in Arztpraxis 10 % der Kosten, die die Krankenkasse übernimmt, zzgl. 10 Euro je Verordnung a) Individuelle Belastungsgrenze erreicht b) Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren Hilfsmittel • Bandagen • Einlagen • Kompressionstherapie 10 % der Kosten, die die Krankenkasse übernimmt, zzgl. 10 Euro je Verordnung a) Individuelle Belastungsgrenze erreicht b) Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren Häusliche Krankenpflege 10 % der Kosten zzgl. 10 Euro je Verordnung (begrenzt auf 28 Tage im Jahr) a) Individuelle Belastungsgrenze erreicht b) Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren 28 Krankenkassen-Leistung Zuzahlung Befreiungsmöglichkeiten Krankenhausbehandlung 10 Euro pro Kalendertag für höchstens 28 Tage im Jahr a) Individuelle Belastungsgrenze erreicht b) Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren Stationäre Vorsorgeund Rehabilitationsmaßnahmen 10 Euro pro Kalendertag, bei Anschlussheilbehandlung begrenzt auf 28 Tage a) Individuelle Belastungsgrenze erreicht b) Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren Ambulante Rehabilitation 10 Euro pro Kalendertag, bei Anschlussheilbehandlung begrenzt auf 28 Tage a) Individuelle Belastungsgrenze erreicht b) Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren Mütter- und Väterkuren 10 Euro pro Kalendertag Individuelle Belastungsgrenze erreicht Zahnersatz Die Krankenkasse zahlt zwischen 50 und 65 % des befundbezogenen Festzuschusses (Bonusregelung) a) Härtefallregelung b) gleitende Überforderungsklausel Kieferorthopädische Behandlung (unter 18 Jahren) 20 % der Kosten Erstattung nach erfolgreicher Behandlung (Bescheinigung des Arztes) Sind für Leistungen Festbeträge festgesetzt worden, zahlt die Krankenkasse immer nur diesen Betrag, unabhängig davon, wie teuer das Mittel oder die Behandlung tatsächlich ist. Den Rest muss der Patient selbst zahlen. Diese Zahlung wird nicht auf die Belastungsgrenze für Zuzahlungen angerechnet und kann auch nicht aus Sozialhilfemitteln finanziert werden. Den Belangen der meisten behinderten Menschen wird mit dieser Ausnahmeliste nicht ausreichend Rechnung getragen. Die Vorgabe, dass die Medikamente nur im Zusammenhang mit der in der Liste konkret benannten schwerwiegenden Erkrankung verschrieben werden dürfen, hat zur Folge, dass ein behin derter Mensch, der die betreffende schwerwiegende Erkrankung nicht hat, die notwendigen Medikamente aus der eigenen Tasche bezahlen muss. Rechtlich noch nicht endgültig geklärt ist, ob und inwieweit bei sozialhilfebedürftigen Personen die Sozialhilfe bei den ausgegrenzten Arzneimitteln einspringt. Das Bedarfsdeckungsprinzip der Sozialhilfe ist für den Bereich der 29 Hilfen bei Krankheit wegen des Verweises auf den Leistungsumfang der GKV praktisch abgeschafft. Kosten für Arzneimittel sollen grundsätzlich aus dem monatlichen Regelsatz bezahlt werden. Einige Gerichte haben entschieden, dass bei kurzfristigem teurem Medikamentengebrauch Anspruch auf ein Sozialhilfe-Darlehen bestehen kann. Ist aufgrund ärztlicher Bestätigung die ständige Einnahme eines nicht verschreibungspfl ichtigen Medikaments medizinisch notwendig, kommt auch eine Erhöhung des Regelsatzes oder bei Heimbewohnern des Barbetrags in Betracht, wenn die Finanzierung des Medikaments für den Hilfebedürftigen zu einer erheblichen fi nanziellen Mehrbelastung führt. Zuzahlungen bei Arznei- und Verbandmitteln Für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt eine Zuzahlung von 10 %, mindestens fünf Euro und maximal zehn Euro pro Arzneimittel. Kostet ein Medikament mehr als 100 Euro, so ist die Zuzahlung somit auf zehn Euro begrenzt. Kostet ein Medikament weniger als fünf Euro, dann hat der Versicherte auch nur diesen Betrag zu zahlen. Kinder unter 12 Jahren und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen erhalten weiter alle Arzneimittel auf Rezept zuzahlungsfrei. Seit 2004 gelten zudem für zahlreiche Arzneimittel Festbeträge. Liegt der Preis des Medikaments über dem von den Krankenkassen festgesetzten Betrag, dann muss der Patient neben der Zuzahlung zusätzlich die Differenz zum Festbetrag aus der eigenen Tasche bezahlen. Für diese spezielle Zuzahlung gibt es keine Obergrenze, und sie muss auch dann geleistet werden, wenn eine Befreiungsbescheinigung vorliegt. Wer mit diesem Problem konfrontiert ist, sollte sich nach preisgünstigeren wirkstoffgleichen Medikamenten beim Arzt oder Apotheker erkundigen. Besonders preisgünstige Arzneimittel sind seit Juli 2006 von Zuzahlungen befreit. Die Liste zuzahlungsbefreiter Arzneimittel wird ständig aktualisiert. Sie liegt den Apotheken vor und kann z. B. unter www.die-gesundheitsreform.de ausgedruckt werden. Seit 2004 ist der Versandhandel mit Medikamenten erlaubt. Wer im Internet Medikamente bestellt, kann unter Umständen einiges sparen. Preisvergleiche ermöglichen Portale wie etwa www.Apotheker.com, www.medpreis.de; www. medizinfuchs.de, www.medipreis.de oder www.sanicare.de. Schutzimpfungen Gesetzlich Krankenversicherte haben seit April 2007 einen Rechtsanspruch auf die in der Schutzimpfungs-Richtlinie aufgeführten Schutzimpfungen. 30 Auf der Basis der Empfehlungen der beim Robert-Koch-Institut ansässigen Ständigen Impfkommission (STIKO) hat der Gemeinsame Bundesausschuss Einzelheiten zu der Leistungspfl icht der Krankenkasse bei Schutzimpfungen festgelegt. In der Schutzimpfungs-Richtlinie sind die Voraussetzungen sowie Art und Umfang der Leistungen aufgeführt. Zudem werden in einer Tabelle die einzelnen Impfungen genannt. Die Krankenkassen können in ihrer Satzung auch künftig weitere Schutzimpfungen vorsehen, so dass sich ggf. eine Nachfrage bei der eigenen Krankenkasse lohnen kann. Richtlinientext sowie eine Beschlusserläuterung sind im Internet veröffentlicht (www.g-ba.de). Heilmittel Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln (§ 32 SGB V). Was Heilmittel sind, erläutern die vom Gemeinsamen Bundesausschuss erarbeiteten Richtlinien über die Verordnung von Heilmitteln näher. Die Heilmittel-Richtlinien bilden die Grundlage für die gesamte Heilmittelversorgung. Sie sind für alle an der gesundheitlichen Versorgung Beteiligten (Ärzte, Krankenkassen und Leistungserbringer) verbindlich. Damit haben die Richtlinien auch unmittelbare Auswirkungen für die Versicherten, da Ärzte grundsätzlich keine Heilmittel außerhalb des in den Richtlinien aufgeführten Heilmittelkatalogs verordnen und Leistungserbringer keine Leistungen außerhalb des Heilmittelkatalogs mit den Krankenkassen abrechnen dürfen (BSG, Urteil vom 29. 11. 2006 – Az B 6 KA 7/06 R; vgl. RdLh 2/2007, S. 11 ff.). Heilmittel sind persönliche medizinische Leistungen. Üblicherweise werden hierzu die Maßnahmen der physikalischen Therapie oder Physiotherapie (u. a. Krankengymnastik und Massagen), der Sprachtherapie und der Ergotherapie gezählt. Bei Problemen mit der Verordnung von Heilmitteln oder der Genehmigung der Verordnungen durch die Krankenkasse bietet der in den Heilmittel-Richtlinien enthaltene Katalog verordnungsfähiger Heilmittel Anhaltspunkte für eine Überprüfung. Grundlage für eine Heilmittelverordnung ist ein defi nierter Regelfall. Die Gesamtverordnungsmenge und die Anzahl der Behandlungen je Verordnung im Regelfall ergeben sich aus dem Heilmittelkatalog. Zwar sind im Regelfall Heilmittel als Erst- oder Folgeverordnung(en) grundsätzlich nur noch bis zum Erreichen der Gesamtverordnungsmenge verordnungsfähig. Als Ausnahme, also außerhalb des Regelfalls, sind aber auch weiterhin längerfristige Verordnungen möglich. Dies setzt voraus, dass sich die Behandlung mit der nach Maßgabe des Heilmittelkatalogs bestimmten Gesamtverordnungsmenge nicht abschließen lässt. Die Verordnung von Heilmitteln außerhalb des Regelfalls muss der Arzt besonders begründen. 31 Die Richtlinien sollen ausschließen, dass anstelle notwendiger heil- bzw. sonderpädagogischer Maßnahmen medizinisch-therapeutische Maßnahmen eingesetzt werden. Neben heil- bzw. sonderpädagogischen Maßnahmen dürfen Heilmittel also nur bei entsprechender medizinischer Indikation verordnet werden. Kleinkinder, die Leistungen der Frühförderung erhalten, haben auch weiterhin Anspruch auf Versorgung mit einem Heilmittel, wenn die Versorgung mit diesem Heilmittel im Rahmen der Frühförderung nicht sichergestellt ist. Die Richtlinien schließen nur den denkbaren doppelten Leistungsbezug aus. Hilfsmittel Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen (§ 33 SGB V). Grundvoraussetzung ist eine ärztliche Verordnung. Der Einsatz eines Hilfsmittels muss der alltäglichen Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse dienen. Bei stationärer Pflege hängt der Anspruch nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft noch möglich ist. Der Ausgleich der Behinderung kann nicht nur auf den Funktionsausgleich ausgerichtet sein, sondern auch auf den Ausgleich von Folgen, wenn diese lebensnotwendige Grundbedürfnisse betreffen. Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens kann auch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehören. Wird ein aufwändigeres Hilfsmittel als notwendig gewählt, so müssen die Versicherten die Mehrkosten selbst tragen. Nicht ausgeglichen werden Folgen der Behinderung in berufl ichen, gesellschaftlichen oder privaten Bereichen. Im berufl ichen Bereich kommt primär eine Zuständigkeit der Arbeitsagentur oder des Rentenversicherungsträgers in Betracht. Für Hilfsmittel, die die Folgeerscheinung einer Behinderung im sozialen Bereich ausgleichen, kann der Sozialhilfeträger im Rahmen der Eingliederungshilfe zuständig sein. Pflegebedürftige erhalten die Hilfsmittel für den Pfl egebedarf (Pflegehilfsmittel) von der Pflegekasse (§ 40 SGB XI). Die Gewährung als Pfl egehilfsmittel kommt nur in Betracht, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung zur Verfügung zu stellen sind. Zuzahlungen bei Hilfsmitteln Bei Hilfsmitteln sind 10 % der Kosten des Hilfsmittels als Zuzahlung zu leisten, mindestens fünf Euro, höchstens aber zehn Euro. Bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln (z. B. Inkontinenzartikel) beträgt die Zuzahlung 10 % pro Packung, höchstens aber zehn Euro für den Monatsverbrauch. Erhalten Versicherte Hilfsmittel von verschiedenen Leistungserbringern, ist nach Auffassung der Krankenkassen bei jedem Leistungserbringer die volle Zuzahlung zu entrichten. Die Krankenkassen erstatten ggf. zuviel gezahlte Beträge zurück. 32 Festbeträge für Hilfsmittel Für zahlreiche Hilfsmittel (z. B. orthopädische Einlagen, Kompressionsstrümpfe, Inkontinenzhilfen) gelten bundeseinheitliche Festbeträge. Bei Hilfsmitteln, für die ein Festbetrag festgesetzt worden ist, ist der Leistungsanspruch des Versicherten auf den Festbetrag begrenzt, mit dem die Krankenkasse ihre Leistungspfl icht erfüllt. Erwirbt ein Versicherter ein Hilfsmittel, das preislich über dem Festbetrag liegt, so hat er die Mehrkosten allein zu tragen. Die über dem Festbetrag liegenden Mehrkosten werden nicht für die Zuzahlungen angerechnet. Sie sind also auch dann zu leisten, wenn der Versicherte nach dem Erreichen seiner individuellen Belastungsgrenze eine Befreiungsbescheinigung seiner Krankenkasse besitzt. Nebenleistungen und Zubehör Der Anspruch auf ein Hilfsmittel umfasst alles, was erforderlich ist, um dem Versicherten den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Hilfsmittels zu ermöglichen. Zu den Nebenleistungen der Versorgung mit Hilfsmitteln zählen daher Pflege und Wartung, Reparatur und die Ausbildung in ihrem Gebrauch. Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln. Soweit nicht gesetzlich ausgeschlossen (z. B. Energieversorgung von Hörgeräten) sind die Krankenkassen zur Übernahme der Betriebskosten und der Kosten des Zubehörs verpfl ichtet, da dem Versicherten ermöglicht werden muss, das Hilfsmittel bestimmungsgemäß zu gebrauchen. Sehhilfen sind bis auf wenige Ausnahmefälle seit 2004 keine Leistung der GKV mehr. Bei sozialhilfeberechtigten Versicherten kann ein Anspruch auf Kostenübernahme oder die Gewährung eines Darlehens durch den Sozialhilfeträger als Eingliederungshilfeleistung in Betracht kommen, wenn die Brille zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft benötigt wird. Häusliche Krankenpflege Ein Versicherter kann, wenn er bei einer Erkrankung im häuslichen Bereich versorgt wird, neben der ärztlichen Behandlung auch pflegerische Betreuung in Anspruch nehmen (§ 37 SGB V). Häusliche Krankenpflege muss ein Arzt verordnen. Wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird, leistet die Krankenkasse als gesetzliche Pfl ichtleistung Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung im erforderlichen Umfang bis zu vier Wochen je Krankheitsfall (sog. Krankenhausersatzpflege). In begründeten Ausnahmefällen kann die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege nach Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen für einen längeren Zeitraum bewilligen. 33 Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form von Behandlungspflege besteht außerdem, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (sog. Sicherungspflege). Zusätzlich kann die Krankenkasse auch für diesen Fall Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erbringen, wenn ihre Satzung dies vorsieht. Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken nicht im erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann. Kann die Krankenkasse keine Pflegekraft stellen oder besteht Grund, davon abzusehen, sind dem Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft in angemessener Höhe zu erstatten. Wer vermutet, dass ihm häusliche Krankenpflege zu Unrecht verweigert wird, sollte bei seiner Krankenkasse gezielt nach den Richtlinien über die Verordnung häuslicher Krankenpfl ege fragen. Diese vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassenen Richtlinien regeln verschiedene Detailfragen. Sie schließen auch für den Zeitraum der Versorgung in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe häusliche Krankenpflege als Leistung der Krankenkasse aus. Das Bundessozialgericht hat entschieden ((Urteil vom 01. 9. 2005, Az. B 3 KR 19/04 R), dass für notwendige Leistungen der medizinischen Behandlungspflege in Einrichtungen der Behindertenhilfe der Sozialhilfeträger zur Kostenübernahme verpfl ichtet ist, wenn die Einrichtung selbst keine Pflegefachkräfte beschäftigt. Hierbei handelt es sich um einen Anspruch des sozialhilfebedürftigen Heimbewohners (vgl. RdLh 4/2005, S. 173 ff.). Seit dem 1. April 2007 gilt, dass häusliche Krankenpflege an jedem geeigneten Ort erbracht werden kann. Hierzu zählen betreute Wohnformen, Schulen und Kindergärten sowie bei besonders hohem Pflegebedarf auch Werkstätten für behinderte Menschen. Aufgrund des Ausschlusses nichtverschreibungspfl ichtiger Medikamente aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung stellt sich die Frage, ob die Medikamentengabe auch für diesen Fall im Rahmen der häuslichen Krankenpflege von einem ambulanten Pflegedienst erbracht werden kann. Diese Medikamentengabe kann eine Leistung der Behandlungspflege sein. Wenn ein Arzt die Medikamentengabe verordnet hat, ist auch diese Leistung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege zu erbringen. Nichtverschreibungspfl ichtige Medikamente können auf dem sog. »Grünen Rezept« oder einem Privatrezept verordnet werden. Bei Inanspruchnahme von Häuslicher Krankenpflege beträgt die Zuzahlung 10 % der Kosten der kalendertäglich erbrachten Leistungen. Hinzu kommen zehn Euro pro Verordnung. Die Zuzahlungen sind auf 28 Tage pro Kalenderjahr begrenzt. 34 Haushaltshilfe Versicherte erhalten eine Haushaltshilfe, wenn ihnen wegen einer Krankenhausbehandlung, einer ambulanten oder stationären Kur einschließlich einer Mütterkur, oder auch wegen häuslicher Krankenpflege selbst eine Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist (§ 38 SGB V). Im Haushalt muss bei Leistungsbeginn ein Kind leben, das noch nicht das 12. Lebensjahr vollendet hat oder – ohne Altersbegrenzung – das behindert und auf Hilfe angewiesen ist. Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung auch in anderen Fällen Haushaltshilfen vorsehen und dabei Dauer und Umfang der Leistung bestimmen. In jedem Fall besteht der Anspruch nur, soweit keine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt weiterführen kann. Wie bei der häuslichen Krankenpflege kommt auch bei der Haushaltshilfe statt der Sachleistung eine Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Ersatzkraft in angemessener Höhe in Betracht. Für Verwandte und Verschwägerte bis zum zweiten Grad werden keine Kosten erstattet. Unter Umständen kommt eine Erstattung erforderlicher Fahrkosten und des Verdienstausfalls in Betracht. Eine zeitliche Begrenzung für Haushaltshilfen enthält das Gesetz nicht. Auch für diese Leistung ist eine Zuzahlung von 10 %, höchstens zehn Euro und mindestens fünf Euro kalendertäglich bis zum Erreichen der individuellen Belastungsgrenze zu leisten. Soziotherapie (§ 37 a SGB V) Versicherte mit einer schweren psychischen Erkrankung sind häufig nicht in der Lage, ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen, auf die sie an sich einen Anspruch haben, selbstständig in Anspruch zu nehmen. Dies hat in der Vergangenheit zu unnötigen Krankenhausaufenthalten geführt. Um die stationären Aufenthalte zu vermeiden, wird für schwer psychisch kranke Personen die Leistung Soziotherapie als neue Betreuungsleistung eingeführt. Die Soziotherapie bietet schwer psychisch Kranken eine spezielle Hilfe, die sie unterstützt und befähigt, die für sie notwendigen Hilfen in ihrem eigenen Lebensfeld wahrzunehmen. Der Anspruch auf Soziotherapie setzt einen vom Arzt unter Beteiligung des Leistungserbringers der Soziotherapie und des Patienten erarbeiteten Behandlungs- und Rehabilitationsplan voraus, der verschiedene Behandlungselemente (z. B. häusliche Krankenpflege, Heilmittel) zu einer Komplexleistung zusammenfasst. Die für Versicherte kostenlose Leistung ist auf maximal 120 Stunden innerhalb von drei Jahren bei derselben Erkrankung befristet. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in Richtlinien Näheres über Voraussetzungen, Art und Umfang der Versorgung bestimmt (Soziotherapie-Richtlinien). 35 Die Richtlinien konkretisieren den gesetzlichen Rahmen und die Anspruchsvoraussetzungen. Sie sind daher in Zweifelsfällen besonders zu beachten. Auch bei der Soziotherapie ist eine Zuzahlung von 10 % pro Kalendertag, mindestens jedoch fünf Euro und höchstens zehn Euro zu zahlen. Die Zuzahlungsdauer ist nicht befristet. Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (§ 37 b SGB V) Die ambulante Palliativversorgung soll ermöglichen, dass unheilbar Kranke bis zum Tode in der vertrauten häuslichen Umgebung betreut werden können. Der Versorgungsanspruch umfasst ärztliche und pflegerische Leistungen und wird von sog. Palliative-Care-Teams erbracht, die eng mit Hospizdiensten zusammenarbeiten. Die Belange von Kindern sind besonders zu berücksichtigen. Die Leistung muss durch einen Arzt verordnet und von der Krankenkasse genehmigt werden. Ambulante und stationäre Rehabilitation Für stationäre Leistungen der medizinischen Vorsorge (§§ 24 Abs. 3, 41 Abs. 3 SGB V) oder Rehabilitation (§ 40 SGB V) ist pro Tag eine Zuzahlung von zehn Euro zu entrichten. Aufnahme- und Entlassungstag werden als je ein Kalendertag gewertet. Die Zuzahlungen sind anders als beim Krankenhausaufenthalt nicht auf eine bestimmte Anzahl von Tagen im Kalenderjahr beschränkt. Allerdings gilt für einige Rehabilitationsmaßnahmen bei einer Reihe von Indikationen eine Beschränkung der Zuzahlungspfl icht auf 28 Tage, also höchstens 280 Euro. Hierzu zählen Rehabilitationsmaßnahmen wegen einer psychischen Erkrankung oder geriatrische Rehabilitationsmaßnahmen. Auskünfte erteilen die Krankenkassen. Auch bei der sog. Anschlussrehabilitation sind die Zuzahlungen auf insgesamt 28 Tage im Jahr begrenzt. Anschlussheilbehandlungen müssen im unmittelbaren Anschluss an eine Krankenhausbehandlung erbracht werden. Diese Voraussetzung gilt als erfüllt, wenn die Rehabilitationsmaßnahme innerhalb von 14 Tagen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus beginnt. Stationäre medizinische Vorsorge und Rehabilitation für Väter und Mütter Für die stationären Leistungen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation für Mütter und Väter gelten dieselben Zuzahlungsregelungen wie für stationäre Leistungen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation (§§ 24 Abs. 3 und 41 Abs. 3 SGB V). 36 Krankengeld bei Erkrankung des Kindes Zu den Risiken, gegen die Mitglieder der GKV versichert sind, gehört auch, dass ihnen bei Erkrankung ihres Kindes für einen begrenzten Zeitraum ein Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung zusteht und dass ihnen während dieser Zeit Krankengeld zu gewähren ist (§ 45 SGB V). Dies ermöglicht einem Elternteil, das erkrankte Kind selbst zu beaufsichtigen. Der Anspruch auf das Kinderpflege-Krankengeld besteht in jedem Jahr für jedes Kind längstens für zehn Tage je Elternteil. Für Alleinerziehende beträgt die Höchstanspruchsdauer 20 Arbeitstage. Nach Sinn und Zweck der Norm sind nur solche Versicherte anspruchsberechtigt, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Bei dem erkrankten Kind muss es sich um ein im Rahmen der Familienversicherung versichertes Kind handeln. Wie bei der Haushaltshilfe ist auch beim Kinderpflege-Krankengeld weitere Voraussetzung, dass das erkrankte Kind das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder – ohne Altersbegrenzung – behindert und auf Hilfe angewiesen ist. Die Aufhebung der Altersgrenze für hilfsbedürftige behinderte Kinder ist zum 1. 7. 2001 ins Gesetz aufgenommen worden (§ 45 Abs. 1 SGB V). Ein Elternteil hat einen zeitlich unbegrenzten Anspruch auf Zahlung von Krankengeld bzw. auf unbezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung, wenn das Kind unheilbar schwer erkrankt ist. Die besondere Schwere der Erkrankung ist durch ein ärztliches Zeugnis nachzuweisen, welches bestätigt, dass die Erkrankung ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht hat, eine Heilung ausgeschlossen ist und die Lebenserwartung demzufolge nur noch Wochen oder wenige Monate beträgt. Für Kinder, die behindert und auf Hilfe angewiesen sind, gilt auch für diesen Fall die Altersgrenze von 12 Jahren nicht (§ 45 Abs. 4 und 5 SGBV). Begleitperson im Krankenhaus Bei der Aufnahme eines Kindes oder eines Erwachsenen mit Behinderung in das Krankenhaus übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die gleichzeitige Aufnahme einer Begleitperson, wenn diese aus medizinischen Gründen für die Behandlung notwendig ist (§ 11 Abs. 3 SGB V). Der Krankenhausarzt muss bestätigen, dass die Aufnahme der Begleitperson für den Heilerfolg unabdingbar ist. Das kann auch schon der einweisende Hausarzt anregen. Wenn es sich nicht um einen Notfall handelt, sollte schon vor Aufnahme in das Krankenhaus geklärt werden, ob die Krankenkasse oder das Krankenhaus die Kosten für die Begleitperson übernimmt. Eine solche Situation kann sich z. B. ergeben, wenn sich die notwendige Behandlung nur in Anwesenheit der Begleitperson durchführen lässt, weil keine ausreichende Verständigung mit dem behinderten Menschen möglich ist oder erhebliche psychische Schäden zu erwarten sind. Die Krankenkassen zahlen den Kliniken 45 Euro pro Tag (nicht Entlassungstag) für die Unterbringung und Verpflegung einer Begleitperson. 37 Zahnärztliche Behandlung und Zahnersatz Versicherte haben gemäß § 55 SGB V Anspruch auf zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz. Entgegen ursprünglicher Überlegungen gehört Zahnersatz weiterhin zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Änderungen gibt es bei der Finanzierung und bei den Zuschüssen der Krankenkassen. Seit Juli 2005 müssen Versicherte für Zahnersatz einen zusätzlichen, einkommensabhängigen Beitragssatz zahlen. Der bisherige halbe Arbeitgeberanteil fällt weg. Zusammen mit dem Sonderbeitrag zur Finanzierung des Krankengeldes ist seit Juli 2005 ein einheitlicher Sonderbeitragssatz von insgesamt 0,9 % zu zahlen. Für die Bezieher von Arbeitslosengeld II und mitversicherte Familienangehörige gilt der zusätzliche Sonderbeitrag nicht. Die bisherigen prozentualen Anteile der gesetzlichen Krankenkassen an den Kosten beim Zahnersatz werden seit Januar 2005 durch sog. befundbezogene Festzuschüsse ersetzt. Damit ändert sich vor allem die Berechnungsgrundlage für die Bezuschussung von Zahnersatzleistungen. Maßgeblich ist nicht mehr die medizinisch notwendige Versorgung im Einzelfall, sondern diejenige, die in der Mehrzahl der Fälle bei einem Befund angewandt wird. Der Festzuschuss kann unabhängig davon gezahlt werden, welche Versorgung tatsächlich durchgeführt wird. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass es künftig drei Kategorien (Regelversorgung, gleichartige und andersartige Versorgung) gibt, die jeweils für sich unterschiedlich hohe Eigenanteile der Versicherten auslösen. Nur wenn die gewählte Versorgung der Standardleistung (Regelversorgung) entspricht, werden unter Berücksichtigung der Bonusstufen ca. 50, 60 oder 65 % der Gesamtkosten abgedeckt. Der Festzuschuss beträgt grundsätzlich 50 % der Kosten der Regelversorgung (§ 55 Abs. 1 SGB V). Für eigene Bemühungen zur Gesunderhaltung der Zähne erhöht sich der Festzuschuss um 10 %, wenn der Versicherte während der letzten fünf Jahre vor Beginn der Behandlung regelmäßig an den vorgesehenen Vorsorgeuntersuchungen teilgenommen hat. Er erhöht sich um weitere 5 %, wenn der Versicherte die Zähne regelmäßig gepflegt und in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Behandlung die genannten Untersuchungen hat durchführen lassen. Im Höchstfall besteht somit ein Anspruch auf 65 % der Kosten der Standardversorgung. Besondere Regelung für Härtefälle Allerdings gibt es für Versicherte ohne oder mit geringen Einkünften eine Härtefallregelung für Zahnersatz. Eine vollständige Befreiung von Zuzahlungen ist jedoch nur noch auf der Basis der befundbezogenen Festzuschüsse möglich. Würde der Versicherte durch die Zuzahlungen unzumutbar belastet, kann er bis zur Höhe des doppelten Festzuschusses die Regelversorgung kostenfrei er38 halten. Eine unzumutbare Belastung wird angenommen, wenn die monatlichen Bruttoeinkünfte bei Alleinstehenden 980 Euro im Jahr 2007 nicht übersteigen. Zahnärzte, die an der vertragsärztlichen Versorgung von gesetzlich Versicherten teilnehmen, sind verpfl ichtet, die Regelversorgung zu den in den Festzuschüssen genannten Beträgen zu erbringen. Wird ein über die Regelversorgung hinausgehender Zahnersatz gewählt, haben auch die Versicherten mit Härtefallstatus die Mehrkosten selbst zu tragen. Diese Kosten können auch nicht von der Sozialhilfe übernommen werden. Auch wenn das Einkommen oberhalb des Grenzbetrags liegt, können Versicherte nach der sog. gleitenden Härtefallregelung Anspruch auf einen erhöhten Festzuschuss haben. Dabei gilt die Regel: Jeder Versicherte muss nur bis zum Dreifachen des Betrags leisten, um den sein Einkommen von der Härtefallgrenze abweicht. Beispiel für die Berechnung des Eigenanteils Einkommen 980 Euro 1.100 Euro Berechnung --Differenz zu 980 Euro = 120 Euro max. Eigenanteil vollständig befreit 360 Euro (120 Euro x 3) Eine Übersicht über die Gesamtkosten und den zu zahlenden Eigenanteil erhält man, wenn man vor Durchführung der Behandlung den Heil- und Kostenplan des Zahnarztes seiner Krankenkasse vorlegt. Nur auf diese Weise kann im Vorhinein verbindlich festgestellt werden, ob bei Versicherten mit Härtefallstatus die Zahnersatzversorgung zuzahlungsfrei erfolgen kann bzw. wie hoch der Eigenanteil der sonstigen Versicherten ist. Für Fragen zum Zahnersatz haben die Zahnärztekammern und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen in den einzelnen Bundesländern Patientenberatungsstellen eingerichtet (Anschriften und Hotline-Nummern unter www.kzbv.de). Privatrechtliche Elemente in der GKV Kostenerstattung Bis zum Jahr 2004 galt für die gesetzliche Krankenversicherung im Wesentlichen das Sachleistungsprinzip. Jetzt können alle gesetzlich Versicherten zwischen der Sach- oder Dienstleistung und der Kostenerstattung wählen (§ 13 SGB V). Bei der Sach- oder Dienstleistung legt der Versicherte lediglich seine Versichertenkarte vor und leistet evtl. Zuzahlungen. Weitere Kosten entstehen ihm nicht. Das Prinzip der Kostenerstattung ist ein typisches Merkmal privater Krankenversicherungen. Bei der Kostenerstattung erhalten Versicherte wie Privatpati39 enten eine Rechnung vom Arzt und überweisen das Geld. Anschließend können sie die Rechnung zur Erstattung bei ihrer Krankenkasse einreichen. Aufgrund dieses Verfahrens dürfte diese Option nur für den Personenkreis sinnvoll sein, der einen gewissen finanziellen Spielraum hat. Überdies bleibt der Versicherte bis zur Erstattung der von ihm vorfi nanzierten Leistung durch die Krankenkasse immer im Unklaren darüber, inwieweit die von ihm beim Leistungserbringer bezahlte Leistung tatsächlich refi nanziert wird. Die Krankenkassen dürfen höchstens den Betrag erstatten, den sie auch bei einer Sachleistung zu tragen hätten. In der Regel behält die Krankenkasse eine Verwaltungspauschale ein. Die Kostenerstattung kann auf die ambulante Versorgung beschränkt werden. Versicherte sind mindestens ein Jahr an die Wahl der Kostenerstattung gebunden. Zusatzversicherungen Weil immer mehr Leistungen aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen werden und zugleich immer höhere Zuzahlungen von den Versicherten zu leisten sind, gibt es inzwischen ein großes Angebot an privaten Zusatzversicherungen zur Absicherung des Risikos Krankheit. Ob der Abschluss einer Zusatzversicherung sinnvoll ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Grundsätzlich ist bei privaten Versicherungen zu berücksichtigen, dass diese nicht auf dem Solidarprinzip beruhen, sondern die Versicherer das individuelle Versicherungsrisiko kalkulieren müssen. Bei behinderten und chronisch kranken Menschen führt dies häufig zu Beitragsaufschlägen. In jedem Fall ist vor dem Abschluss einer Zusatzversicherung ein genaues Studium der Versicherungsbedingungen notwendig. In vielen Fällen kann es eine sinnvolle Alternative darstellen, selbstständig auf einem eigenen Konto Beträge für unvorhersehbare oder auch absehbare Gesundheitskosten (wie z. B. eine Brille oder Zahnersatz) anzusparen. Wahltarife und Bonusmodelle Der Gesetzgeber hat zum 1. April 2007 die Wahlfreiheit für Versicherte gestärkt. Sie können zwischen Selbstbehaltstarifen, Beitragsrückerstattung und sog. Wahltarifen wählen (§ 53 SGB V). Mit der Regelung in § 65 a SGB V (Bonus für gesundheitsbewusstes Verhalten) haben Krankenkassen die Möglichkeit erhalten, in ihren Satzungen Anreize für gesundheitsbewusstes Verhalten zu schaffen. Bonusmodelle sind spezielle Programme der gesetzlichen Kassen, die Versicherte zu mehr Vorsorge und einer gesünderen Lebensweise animieren sollen. Wer eine bestimmte Zahl an Bonuspunkten gesammelt hat, erhält von seiner Krankenkasse eine Prämie. Bei der Gestaltung der Bonuslösung ist die Krankenkasse frei. Sie kann auch Befreiungen von gesetzlichen Zuzahlungen vorsehen. Meist gibt es jedoch Sachprämien. 40 Versicherte sollten in jedem Fall für sich sorgfältig prüfen, ob sie tatsächlich Vorteile durch die Teilnahme an Bonusmodellen oder besonderen Versorgungsformen haben. In den meisten Fällen rechnet sich dies nur, wenn keine oder nur sehr geringfügig Leistungen der Krankenversicherung in Anspruch genommen werden. Individuelle Gesundheitsleistungen Individuelle Gesundheitsleistungen, sog. IGEL-Leistungen, sind ärztliche Leistungen, die die gesetzlichen Krankenkassen nicht (mehr) bezahlen. Die IGEL-Leistungen sind aus Sicht der Ärzteschaft sehr attraktiv, weil sie nach der ärztlichen Gebührenordnung privat mit dem Patienten abgerechnet und die Leistungen für das Praxisbudget nicht berücksichtigt werden. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass ein Arzt individuelle Gesundheitsleistungen auch aus fi nanziellen Gründen anbietet. Allerdings gibt es medizinisch sinnvolle Zusatzangebote, die nicht zum Leistungskatalog der GKV gehören. Jeder Patient muss für sich selbst prüfen und entscheiden, ob ein entsprechendes Angebot für ihn tatsächlich sinnvoll ist. Vor der Inanspruchnahme sollte immer Klarheit über die voraussichtlichen Kosten einer IGEL-Leistung bestehen. Rolle der Sozialhilfe bei Leistungsausschlüssen Zum 1. Januar 2004 wurden einige Leistungen aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, z. B. Fahrkosten zur ambulanten Behandlung, nichtverschreibungspfl ichtige Arzneimittel und Sehhilfen. Bei Empfängern von Sozialhilfe und Grundsicherung nach dem SGB XII ist für diesen Fall die Frage zu stellen, ob die Sozialhilfe als Ausfallbürge die Kosten der Leistungen übernimmt. Ein Anspruch auf ergänzende Hilfen für Gesundheit gemäß §§ 47 ff. SGB XII kommt für Versicherte grundsätzlich nicht mehr in Betracht, weil die Leistungen der Sozialhilfe und der gesetzlichen Krankenversicherung deckungsgleich sind. Da die Leistungen für Kosten bei Krankheit nunmehr zu einem Bestandteil des Regelsatzes geworden sind, können sie auch grundsätzlich nicht als einmalige Beihilfen erstattet werden. Überdies hat der Gesetzgeber in § 31 SGB XII abschließend bestimmt, welche Leistungen als einmalige Bedarfe gesondert erbracht werden können. Zwar ist in § 37 SGB XII die Möglichkeit eines ergänzenden Darlehens aus Sozialhilfemitteln vorgesehen, diese Lösung wird jedoch aus praktischen und rechtlichen Erwägungen i. d. R. nicht zum Zuge kommen können. Bei einem durch die GKV nicht abgedeckten regelmäßigen notwendigen medizinischen Bedarf steht einer Darlehensgewährung entgegen, dass sie lediglich eine ständig steigende Schuldenlast zur Folge hätte. 41 Als Rechtsgrundlage für Sehhilfen, Fahrkosten und nichtverschreibungspfl ichtige Arzneimittel kommt in erster Linie § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in Betracht: Danach können die Bedarfe der Regelsätze zum Lebensunterhalt abweichend festgelegt werden, wenn im Einzelfall ein Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Künftig werden wohl die Sozialgerichte entscheiden müssen, ob und wann Krankheitskosten vom durchschnittlichen Bedarf erheblich abweichen. Die Unabweisbarkeit der Ausgaben muss durch eine ärztliche Verordnung nachgewiesen werden. Informationen im Internet Aktuelle Informationen erhält man am ehesten über das Internet. An dieser Stelle kann nur auf einige wenige Adressen hingewiesen werden. www.bmg.bund.de (Bundesministerium für Gesundheit) Bürgertelefon (zum Tarif Ihres Telefonanbieters) montags – donnerstags von 8.00 bis 18.00 Uhr, freitags 8.00 bis 12.00 Uhr Krankenversicherung für alle: 0 18 05 – 99 66 01 Krankenversicherung: 0 18 05 – 99 66 02 Pflegeversicherung: 0 18 05 – 99 66 03 Gesundheitliche Prävention: 0 18 05 – 99 66 09 Gehörlosen/Hörgeschädigten-Service, Schreibtelefon: 0 18 05 – 99 66 07 www.Die-Gesundheitsreform.de (Gesetzestexte usw.) www.patientenbeauftragte.de (Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten) www.g-ba.de (Gemeinsamer Bundesausschuss) www.kbv.de (Kassenärztliche Bundesvereinigung) www.baek.de (Bundesärztekammer) www.KZBV.de (Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung) www.bzaek.de (Bundeszahnärztekammer) www.patientenstellen.de (Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientinnenstellen) www.vdak.de (Ersatzkassen) www.AOK.de (AOK – Die Gesundheitskasse) www.BKK.de (Betriebskrankenkassen) Außerdem gibt es die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD), die von Montag bis Freitag (10.00 bis 18.00 Uhr) eine telefonische Hotline anbietet (0 18 03/11 77 22 / 9 ct./min aus dem Festnetz). Weitere Informationen wie die nächste regionale Beratungsstelle unter www.unabhaengigepatientenberatung.de. 42 Finanzielle Hilfen der Rentenversicherung Rente wegen voller Erwerbsminderung für Menschen mit Behinderung nach 20-jähriger Beitragszahlung In den alten Bundesländern kann nur derjenige eine Rente von der Rentenversicherung erhalten, der vorher Beiträge eingezahlt hat. Die Höhe der Rente richtet sich in erster Linie nach der Höhe und der Dauer der Beitragszahlung. Für behinderte Menschen, die im Berufsbildungs- oder Arbeitsbereich einer WfbM tätig sind, gibt es jedoch eine Sonderregelung. Die Beiträge richten sich nicht nach dem zumeist sehr niedrigen Arbeitsentgelt der behinderten Beschäftigten, sondern werden erheblich höher festgesetzt, so dass auch die zu erwartende Rente ein Niveau erreicht, das den Menschen mit Behinderung regelmäßig ein Leben unabhängig von Hilfe zum Lebensunterhalt sichern wird. Die Beiträge zur Rentenversicherung werden seit dem 1. Juli 1975 vollständig von den WfbM getragen. Diese Rente wegen voller Erwerbsminderung (sog. Behindertenrente) wird nach 20-jähriger Beitragszahlung geleistet. Unter bestimmten Umständen kann die 20-jährige Wartezeit durch die Nachentrichtung von Versicherungsbeiträgen auch verkürzt werden. Dies kommt zum Beispiel dann in Betracht, wenn für den Zeitraum zwischen dem vollendeten 16. und 17. Lebensjahr Zeiten einer schulischen Ausbildung nachgewiesen werden können. Weil Renten nur auf Antrag gezahlt werden, drohen Nachteile, wenn man die rechtzeitige Antragstellung vergisst. Es empfiehlt sich, rechtzeitig vor der Erfüllung der 20-jährigen Wartezeit eine Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung aufzusuchen und das Versichertenkonto zu klären. Keine Rentenversicherungspfl icht besteht für behinderte Menschen in den alten Bundesländern, die wegen der Schwere der Behinderung in eine Tagesförderstätte oder in die Fördergruppe und nicht in den Arbeitsbereich einer WfbM aufgenommen werden. Erleichterter Zugang zur Rente wegen Erwerbsminderung für Menschen mit Behinderung in den neuen Bundesländern In den neuen Bundesländern besteht die Möglichkeit, verhältnismäßig schnell Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente zu erwerben, die häufig erheblich höher sein wird als die ehemalige Invalidenrente. Das Rentenüberleitungsgesetz 43 legt fest, dass Zeiten des Aufenthalts in der ehemaligen DDR nach Vollendung des 16. Lebensjahres und nach Eintritt der Erwerbsunfähigkeit, jedoch frühestens ab 1. Juli 1975, bis zum 31. 12. 1991 als Beitragszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet werden (§ 248 Abs. 2 SGB VI). Die Vorschrift wirkt sich also vor allen Dingen zugunsten der behinderten Menschen aus, die heute (Stand: 2007) 48 Jahre alt oder älter sind, weil sie am 1. Juli 1975 mindestens 16 Jahre alt waren und ihnen deshalb die vollen 16½ Jahre Beitragszeiten (1. 7. 1975 bis 31. 12. 1991) angerechnet werden. Anders als in den alten Bundesländern begünstigt diese Sonderregelung auch Menschen, die so schwer behindert sind, dass sie nicht in einer WfbM tätig sein können. Dieser neue Rentenanspruch, der sich nicht mehr nach der Höhe der ehemaligen Invalidenrente, sondern nach den (fi ktiv) eingezahlten Beiträgen richtet, wird regelmäßig nicht nur höher sein als die Invalidenrente, sondern vor allem in Zukunft immer wieder der weiteren Einkommensentwicklung angepasst werden. Für diejenigen Personen, die wegen Art und Schwere ihrer Behinderung keine versicherungspfl ichtige Tätigkeit ausüben können, kann es unter Umständen sinnvoll sein, den gesetzlichen Mindestbeitrag zur Rentenversicherung zu entrichten, um so die 20-jährige Wartezeit zu erfüllen. Ausreichend zur Begründung des Rentenanspruchs wäre die Einzahlung der Mindestbeiträge von derzeit (Stand: 2007) 79,80 Euro pro Monat in die gesetzliche Rentenversicherung. Für die behinderten Menschen, die nicht in der Lage sind, die Mindestbeiträge zu entrichten, können die Sozialhilfeträger die entsprechenden Leistungen übernehmen. Die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen ist eine Ermessensleistung der Sozialhilfeträger (§ 33 SGB XII). Die freiwilligen Beiträge für jedes Jahr müssen allerdings bis spätestens zum 31. März des Folgejahres (also bis 31. 3. 2008 für das Jahr 2007) bei der Deutschen Rentenversicherung entrichtet worden sein. Günstiger ist die Entrichtung der Beiträge bis spätestens zum 31. Dezember desselben Jahres, weil der Mindestbeitrag jeweils zum 1. Januar angehoben wird. 44 Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile Der Schwerbehinderten-Ausweis Wer schwerbehindert ist, bekommt für die Überwindung der durch die Behinderung bedingten Nachteile eine besondere staatliche Unterstützung. Die Berechtigung zu solchen Leistungen wird im Schwerbehinderten-Ausweis vermerkt, der bei den Versorgungsämtern bei einem Grad der Behinderung von 50 % oder mehr beantragt werden kann. Dieser Ausweis ist in der Regel für fünf Jahre gültig, bei einer voraussichtlich lebenslangen Behinderung zunächst 15 Jahre. Bei Kindern werden die Voraussetzungen nach Vollendung des 10. Lebensjahres neu überprüft, bei Jugendlichen nach dem 20. Lebensjahr. Im Schwerbehinderten-Ausweis können bestimmte Merkzeichen eingetragen sein, die Voraussetzung für bestimmte, im Folgenden dargestellte Leistungen sind. Es bedeuten: G = der Ausweisinhaber ist in seiner Bewegungsfreiheit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt (erheblich gehbehindert) aG = der Ausweisinhaber ist außergewöhnlich gehbehindert GI = der Ausweisinhaber ist gehörlos H = der Ausweisinhaber ist hilflos im Sinne von § 33 b EStG B = zur Mitnahme einer Begleitperson berechtigt Bl = der Ausweisinhaber ist blind RF = der Ausweisinhaber erfüllt die länderrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpfl icht 1. Kl = der Ausweisinhaber erfüllt die Voraussetzungen für die Benutzung der 1. Wagenklasse mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse in Eisenbahnen Steuervergünstigungen Vergünstigungen stehen behinderten Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB) ab 25 % zu. Wer keinen Schwerbehinderten-Ausweis hat, da seine Behinderung unter einem GdB von 50 % liegt, muss durch die Behinderung in seiner körperlichen Beweglichkeit eingeschränkt sein oder eine Rente beziehen 45 oder infolge einer typischen Berufskrankheit behindert sein, um eine solche Steuervergünstigung zu erreichen. Die mit einer Behinderung verbundenen außergewöhnlichen Belastungen werden dann entweder durch steuermindernde Pauschbeträge oder durch den Nachweis der tatsächlich erhöhten Aufwendungen abgegolten. Folgende Pauschbeträge können nach § 33 b Einkommensteuergesetz (EStG) beansprucht werden: Bei einem Grad der Behinderung in % Pauschbetrag in Euro von 25 und 30 310,– von 35 und 40 430,– von 45 und 50 570,– von 55 und 60 720,– von 65 und 70 890,– von 75 und 80 1.060,– von 85 und 90 1.230,– von 95 und 100 1.420,– Wer ein »H« in seinem Schwerbehinderten-Ausweis hat, gilt als hilflos. Als hilflos wird eine Person angesehen, wenn sie für eine Reihe häufig und regelmäßig wiederkehrender Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den oben genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist (§ 33 b Abs. 6 EStG). Diese Personen bekommen, ebenso wie Blinde, generell einen Pauschbetrag von 3.700,– Euro. Nach einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 1. 2007 (Az. 2 BvR 1059/03) ist der Gesetzgeber nicht zu einer Erhöhung der Pauschbeträge verpfl ichtet (vgl. RdLh 2/2007, S. 31). Liegen die tatsächlichen Aufwendungen höher als die Pauschbeträge, kann es günstiger sein, auf diese zu verzichten und die außergewöhnlichen Belastungen durch den Nachweis der tatsächlich erbrachten höheren Aufwendungen geltend zu machen. Nimmt der behinderte Mensch die Pauschbeträge nicht selbst in Anspruch, können sie auf Antrag auf die Eltern übertragen werden. Das gilt auch für Pflegeeltern oder Geschwister, die den behinderten Menschen in ihrem Haushalt aufnehmen, wenn kein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern mehr besteht. 46 Das Schulgeld für den Besuch einer Privatschule wird neben diesem Pauschbetrag nur dann steuerlich berücksichtigt, wenn nachgewiesen werden kann, dass für das behinderte Kind keine geeignete öffentliche Schule oder schulgeldfreie Privatschule vorhanden ist. Neben diesen Pauschbeträgen können zusätzlich folgende weitere außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden, und zwar entweder für den behinderten Steuerpfl ichtigen selbst oder für die Eltern behinderter Kinder: für die Haushaltshilfe bei Hilflosigkeit des behinderten Menschen: 924,– Euro für den Heimaufenthalt, wenn der Steuerpfl ichtige oder sein Ehegatte in einem Heim lebt, ohne pflegebedürftig zu sein: 624,– Euro erfolgt die Unterbringung zur dauerhaften Pflege: 924,– Euro Außergewöhnliche Belastungen durch die Benutzung eines Kraftfahrzeugs wegen der Behinderung Schwerbehinderte mit einem GdB von wenigstens 70 % und Gehbehinderung (Merkzeichen »G«) oder mit einem GdB von wenigstens 80 % können in angemessenem Umfang private Kraftfahrzeugkosten geltend machen. Als angemessen gilt im Allgemeinen ein Aufwand für durch die Behinderung veranlasste unvermeidbare Privatfahrten von 3.000 km jährlich (entspricht 900 Euro). Als Betrag können 0,30 Euro pro km angesetzt werden. Eine höhere Fahrleistung kann auch anerkannt werden, wenn die Fahrten durch die Behinderung verursacht sind und dies z. B. durch ein Fahrtenbuch oder eine Aufstellung der vom behinderten Menschen durchgeführten Privatfahrten nachgewiesen wird. Bei außergewöhnlicher Gehbehinderung und Hilflosen (Merkzeichen »aG« und »H«) können alle Kraftfahrzeugkosten, also auch Kosten für Erholungs-, Freizeit- und Besuchsfahrten, geltend gemacht werden. Als angemessen gilt in der Regel ein Aufwand von bis zu 15.000 km jährlich (entspricht 4.500 Euro). Die tatsächliche Fahrleistung ist nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Eltern oder Ehegatten des behinderten Menschen können die Kfz-Kosten auf Antrag auf sich übertragen und dann diese Kraftfahrzeugkosten geltend machen, allerdings nur für Fahrten, an denen der behinderte Mensch selbst teilgenommen hat. 47 • Auch die Kraftfahrzeugsteuer kann behinderten Menschen erlassen werden. Das gilt jedoch nur für Fahrzeuge, die auf sie selbst zugelassen sind. Für die Zulassung ist ein eigener Führerschein nicht erforderlich, auch behinderte Kinder können daher Halter eines Kraftfahrzeugs sein. Das Fahrzeug muss aber dann ausschließlich im Interesse des behinderten Angehörigen zu dessen Transport genutzt werden. Behinderte, die ein »G« im Ausweis haben, erhalten eine Befreiung von 50 % der Kfz-Steuer nur unter der Voraussetzung, dass keine unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr durch den Kauf einer entsprechenden Wertmarke in Anspruch genommen wird. Personen mit einem »H«, »Bl« oder »aG« im Ausweis erhalten weiterhin beide Vergünstigungen, sie sind von der Entrichtung der Kfz-Steuer generell befreit (siehe unten). • Für die Pfl ege eines behinderten Angehörigen (Merkzeichen »H«) können entweder die tatsächlichen Kosten (§ 33 EStG) oder ein Pauschbetrag von 924 Euro geltend gemacht werden. Voraussetzung ist, dass der Steuerpfl ichtige die Pflege entweder in seiner Wohnung oder in der Wohnung des Menschen mit Behinderung persönlich durchführt. Eine zeitweise Unterstützung durch eine ambulante Pflegekraft ist dabei ohne Bedeutung. • Berücksichtigung behinderter Kinder: Der seit 1996 geltende Familienleistungsausgleich sieht vor, dass entweder Freibeträge oder Kindergeld gewährt werden, um das Existenzminimum eines Kindes steuerlich freizustellen (§ 31 EStG). Bei der Steuerveranlagung wird vom Finanzamt von Amts wegen die für den Steuerpfl ichtigen günstigste Lösung berücksichtigt. Unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr Im Nahverkehr werden diejenigen behinderten Menschen ohne Eigenbeteiligung unentgeltlich befördert, die blind oder hilflos sind (Kennzeichen »Bl« oder »H« im Ausweis). Wer mindestens das Kennzeichen »G« im Schwerbehinderten-Ausweis hat, erhält auf Antrag beim Versorgungsamt eine Wertmarke, die jeweils für das Kalenderjahr zur freien Fahrt berechtigt. Diese Personen müssen jedoch die Wertmarke mit 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr bezahlen, sofern sie nicht nur über ein geringes Einkommen verfügen. Das Kennzeichen »G« ist dabei nicht nur auf die Gehbehinderung beschränkt, sondern gilt auch für eine Einschränkung des Gehvermögens durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, wenn deshalb nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder Gefahren für sich und andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückgelegt werden können. Nach den »Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit für Schwerbehinderte« (Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung [Hrsg.], Stand 2004) sind »bei geistig behinderten Menschen entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zu48 rechtfi nden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistiger Behinderung mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht«. Die gleichen Vergünstigungen erhalten auch Personen mit einem »aG« im Ausweis, die außergewöhnlich gehbehindert sind, sich also z. B. nur mit dem Rollstuhl fortbewegen können. Sie müssen aber ebenfalls die Wertmarke bezahlen, wenn sie nicht nur über ein geringes Einkommen verfügen. Gehörlosen Menschen stehen die gleichen Vergünstigungen zu. Die Wertmarke erhalten sie jedoch nur kostenlos, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen, wie etwa der Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung nach dem SGB XII oder Leistungen nach dem SGB II. Das Recht auf unentgeltliche Fahrten im Nahverkehr entbindet nicht von der Zahlung des Zuschlags bei der Benutzung zuschlagspfl ichtiger Züge. Die Begleitperson (Kennzeichen »B«) fährt jedoch auch dann kostenlos, wenn der behinderte Mensch keine Wertmarke erworben hat. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft Behinderte Menschen, denen das Versorgungsamt das Merkzeichen »RF« zuerkannt hat, können eine Fernseh- und Rundfunkgebührenbefreiung beantragen. Dies gilt auch für schwer Sehbehinderte und Hörbehinderte, denen eine ausreichende Verständigung ohne Hilfsmittel nicht möglich ist. Personen mit einer geringeren Behinderung können diese Gebührenbefreiung ebenfalls erhalten, wenn sie Pflegegeld oder Hilfe zum Lebensunterhalt vom Sozialamt bekommen oder sonst nur über geringe Einkünfte verfügen. Voraussetzung ist jedoch, dass der behinderte Mensch allein lebt oder das Gerät nachweislich nur für ihn und nicht für die Familie angeschafft wurde. Für den gleichen Personenkreis besteht auf Antrag beim Sozialamt die Möglichkeit einer Telefongebührenermäßigung. Bei Pflegebedürftigkeit kann auch der Telefonanschluss bezahlt werden, wenn Pflegekräfte dadurch entlastet werden und der behinderte Mensch in die Lage versetzt wird, Dienstleistungen Dritter selbst herbeizuholen. Dies allerdings nur dann, wenn keine Hausnotrufanlage vorhanden ist. Das Gleiche gilt, wenn wegen Krankheit von Fall zu Fall ärztliche Hilfe sofort herbeigeholt werden muss. In der Regel kommt die Übernah- 49 me der Anschlusskosten und der Grundgebühr für ein Telefon im Rahmen der Leistungen nach sozialhilferechtlichen Vorschriften jedoch nicht in Betracht. Die Deutsche Telekom gewährt Personen, die von der Rundfunkgebührenpfl icht befreit sind, die hilflos, blind, gehörlos oder sprachbehindert mit einem GdB von mindestens 90 sind, einen Sozialtarif. Er besteht nicht mehr in einer verringerten Grundgebühr, sondern als Gesprächsguthaben für Verbindungen nur im Netz der Telekom. Wer seinen Anschluss lediglich für die eigene Erreichbarkeit nutzt, kann also den Tarif nicht nutzen. Die Vergünstigung wird zudem nicht für Gespräche über Call-by-call-Anbieter und für Kunden gewährt, die einen Preselection-Vertrag mit einem anderen Anbieter abgeschlossen haben. Wer einen Schwerbehinderten-Ausweis hat, erhält bei vielen Veranstaltungen, in Museen und Schwimmbädern ermäßigte Eintrittspreise. Häufig gibt es für Rollstuhlfahrer(innen) und andere Menschen mit schwerer Körperbehinderung die Möglichkeit, einen kostenlosen kommunalen Fahrdienst in Anspruch zu nehmen. Auskünfte darüber erteilt die Behindertenhilfe des örtlichen Sozialamts. Finanzielle Hilfen für das Wohnen und Bauen Wer Fragen zum Thema Bauen hat, sollte sich zunächst an seine zuständige Gemeinde oder Kreisbehörde wenden (z. B. Amt für sozialen Wohnungsbau). Zahlreiche staatliche Stellen halten Broschüren bereit (z. B. Wohnfibel für behinderte Menschen der zuständigen Landesministerien). Gleiches gilt für die Verbraucherzentralen (Internetadresse des Bundesverbands: http://www.vzbv. de). Auch Banken und Sparkassen beraten über Wohnungsbauförderung. Berufstätige behinderte Menschen können sich wegen zusätzlicher Förderung an ein Integrationsamt (ehemalige Hauptfürsorgestellen) wenden. Im Zusammenhang mit einer Rehabilitationsmaßnahme können die Beratungsdienste der gemeinsamen Service-Stellen nach dem SGB IX in Anspruch genommen werden. Zu beachten ist, dass Anträge immer vor Beginn einer Maßnahme gestellt werden müssen und mit dem Wohnungs(um)bau grundsätzlich erst dann begonnen werden sollte, wenn alle Zusagen über Fördermittel usw. schriftlich vorliegen. Wer nach den allgemeinen Grundsätzen der Förderung des sozialen Wohnungsbaus Anspruch auf öffentliche Mittel und zusätzlich einen GdB von 100 oder wenigstens 80 bei gleichzeitiger Pflegebedürftigkeit i. S. d. SGB XI hat, kann eine Erhöhung der dafür maßgeblichen Einkommensgrenze um 4.500 Euro beanspruchen. Für die übrigen pflegebedürftigen Schwerbehinderten erhöht sich die Einkommensgrenze um 2.100 Euro (vgl. § 24 Wohnraumförderungsgesetz). 50 Zusätzlich zum Fördergrundbetrag von bis zu 1.250 Euro (2.556 Euro bei Neubauten und bis zu 1.278 Euro beim Kauf eines Altbaus vor dem 1. 1. 2004) können Hilfen bei der Beschaffung und Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen der behinderten Menschen entspricht, als Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII i. V. m. § 55 Abs. 2 SGB IX beim Sozialamt beantragt werden. Beim Bezug von Wohngeld erhöht sich für schwerbehinderte Menschen der Freibetrag bei der Ermittlung des Jahreseinkommens und zwar: • bei einem GdB von 100 • bei einem GdB von wenigstens 80 und häuslicher Pflegebedürftigkeit • bei einem GdB von 50 bis unter 80 und häuslicher Pflegebedürftigkeit um 1.500,– Euro jährlich um 1.500,– Euro jährlich um 1.200,– Euro jährlich Schwerbehinderte Menschen dürfen außerdem die vorgeschriebene Wohnungsgröße angemessen überschreiten. Bei der Wohnberechtigung für Sozialwohnungen (Wohnberechtigungsschein) erhöht sich die Einkommensgrenze für schwerbehinderte Menschen um 2.100 Euro bei einem GdB unter 80 und häuslicher Pflegebedürftigkeit und um 4.500 Euro bei einem GdB von 100 oder bei einem GdB von wenigstens 80 und häuslicher Pflegebedürftigkeit. Sie werden der Einkommensgrenze von 12.000 Euro für einen Einpersonenhaushalt und 18.000 Euro für einen Zweipersonenhaushalt hinzugerechnet. Für jeden weiteren Haushaltsangehörigen erhöht sich die Einkommensgrenze um jeweils 4.100 Euro. Auch im Rahmen der Sozialen Pfl egeversicherung können Zuschüsse von bis zu 2.557 Euro je Maßnahme für die behindertengerechte Ausstattung einer Wohnung zur Verbesserung des individuellen Wohnumfelds gewährt werden (§ 40 Abs. 4 SGB XI). Die gesamte pflegegerechte Umgestaltung der Wohnung gilt als eine Maßnahme. 51 Kindergeld Seit 1996 wird das Kindergeld im Rahmen des Familienleistungsausgleichs zur Steuerfreistellung des elterlichen Einkommens in Höhe des Existenzminimums eines Kindes gezahlt. Damit verbunden ist eine Verlagerung des Kindergeldrechts ins Steuerrecht. Kindergeld wird als Steuervergütung gezahlt. Das Existenzminimum umfasst auch den Bedarf für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung des Kindes. Soweit das Kindergeld darüber hinausgeht, dient es der Förderung der Familie. Höhe des Kindergelds Das Kindergeld für das erste, zweite und dritte Kind beträgt (seit dem 1. 1. 2002) 154 Euro monatlich. Für die vierten und weiteren Kinder wird ein Kindergeld von monatlich 179 Euro gewährt. Sozialhilferechtlich anrechenbares Einkommen Wenn Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 27 ff. SGB XII gewährt wird, kann das Kindergeld bei der Berechnung der Hilfe zum Lebensunterhalt als Einkommen des Kindes berücksichtigt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z. B. Urteil vom 17. 12. 2003 – Az. 5 C 25.02) ist Kindergeld grundsätzlich sozialhilferechtlich anrechenbares Einkommen. Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ist bei Minderjährigen das Kindergeld dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts benötigt wird. Vorbehaltlich einer derartigen besonderen rechtlichen Zuordnung ist das Kindergeld grundsätzlich jedoch Einkommen dessen, der es erhält. Bei volljährigen Kindern gilt daher: Das nicht an das Kind selbst, sondern an ein Elternteil ausgezahlte Kindergeld ist nicht Einkommen des Kindes, sondern des Elternteils. Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung nur dann, wenn der anspruchsberechtigte Elternteil das Kindergeld mittels eines konkreten Zuwendungsaktes an sein Kind weitergibt oder wenn der anspruchsberechtigte Elternteil eine Auszahlung des Kindergelds direkt an sein Kind veranlasst. Das gleiche gilt für die ebenfalls im SGB XII geregelte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 ff. SGB XII). Nach der Rechtsprechung ist das Kindergeld kein Einkommen des Kindes, für das es gezahlt wird, sondern es handelt sich grundsätzlich um Einkünfte des kindergeldberechtigten Elternteils. Eine Anrechnung des Kindergelds bei der Grundsicherung kommt nicht schon deshalb in Betracht, weil das Kindergeld in einen »gemeinsamen Topf« 52 fl ießt, aus dem der Aufwand für den Lebensunterhalt der gesamten Haushaltsgemeinschaft bestritten wird (Bundessozialgericht, Urteil vom 8. 2. 2007 – Az. B SO 5/05 R; vgl. RdLh 3/2007, S. 26 f. Kindergeld für volljährige Kinder Kindergeld wird über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus nur gewährt, wenn das volljährige Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Das ist der Fall, wenn es seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten kann. Der Gesetzgeber bestimmt im Einkommensteuergesetz (EStG) die Einkommensgrenze, bei deren Überschreitung die Anspruchsberechtigung auf ein Kindergeld entfällt. Volljährige Kinder können im Jahr 2007 nicht mehr berücksichtigt werden, wenn ihnen Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung ihres Unterhalts oder ihrer Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, in Höhe von mehr als 7.680 Euro zustehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfi nanzhofs (BFH) stellt dieser Grenzbetrag eine Freigrenze dar, d. h. schon bei geringfügiger Überschreitung entfällt der gesamte Kindergeldanspruch. Nach der Rechtsprechung ist der Begriff der Einkünfte umfassend und nicht nur als »zu versteuerndes Einkommen« zu verstehen. Lediglich Werbungskosten sind abzugsfähig. Es dürfen nur die Einkünfte berücksichtigt werden, über die das Kind tatsächlich verfügen kann. Die Fähigkeit des erwachsenen Kindes zum Selbstunterhalt ist anhand des Vergleichs zweier Rechengrößen zu prüfen. Der gesamte Lebensbedarf des Kindes einerseits und seine fi nanziellen Mittel andererseits sind miteinander zu vergleichen. Die Familienkasse muss daher grundsätzlich eine konkrete Berechnung der fi nanziellen Situation des Kindes vornehmen. Auf das Vermögen des Kindes kommt es nicht an. Der Bundesfi nanzhof hat entschieden, dass das Vermögen behinderter Kinder nicht berücksichtigt werden darf (Urteile vom 19. 8. 2002 – Az. VIII R 51/01 und VIII R 17/02). Kindergeld für erwachsene behinderte Kinder Der notwendige Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich aus einem allgemeinen Lebensbedarf und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen. Nach den Gesamtumständen des Einzelfalls muss das Kind wegen der Behinderung außer Stande sein, sich selbst zu unterhalten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG). Dem Kind muss es unmöglich sein, seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Kindergeld für behinderte Kinder kann ohne altersmäßige Begrenzung gewährt werden, wenn die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahrs eingetreten 53 ist. Die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten, muss jedoch nicht vor Vollendung des 25. Lebensjahrs eingetreten sein. Der Nachweis einer Behinderung kann durch einen Schwerbehindertenausweis nach dem SGB IX oder in Form eines Zeugnisses des behandelnden Arztes oder eines ärztlichen Gutachtens erbracht werden. Die Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit des Kindes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit kann grundsätzlich angenommen werden, wenn im Ausweis das Merkmal »H« (hilflos) eingetragen ist oder der Grad der Behinderung 50 oder mehr beträgt und besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts ausgeschlossen erscheint (z. B. Beschäftigung in einer WfbM). Berechnung des Kindergeldanspruchs Der gesamte Lebensbedarf eines behinderten Menschen setzt sich aus dem allgemeinen Grundbedarf (2007: 7.680 Euro im Jahr) und seinem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen. Beides zusammen ist den kindeseigenen Mitteln gegenüberzustellen. Die kindeseigenen Mittel setzen sich aus dem verfügbaren Einkommen und den Leistungen Dritter zusammen. Bei der Prüfung, ob Anspruch auf Kindergeld besteht, ist jeder Monat gesondert zu prüfen (sog. Monatsprinzip). Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld sind auf den Zuflussmonat und die folgenden 11 Monate aufzuteilen (BFH, Urteil vom 24. 8. 2004 – Az. VIII R 83/02; vgl. RdLh 1/2005, S. 39 f.). Zum behinderungsbedingten Mehrbedarf zählen durch amtsärztliches Attest nachgewiesene persönliche Betreuungsleistungen der Eltern, Fahrtkosten und bei vollstationärer Betreuung die Kosten der Heimunterbringung. Auf die Möglichkeit der steuerlichen Geltendmachung als außergewöhnliche Belastungen oder die Übertragung des Behinderten-Pauschbetrags dürfen die Eltern nicht verwiesen werden, da es hier um die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs des behinderten Kindes selbst geht. Der behinderungsbedingte Mehrbedarf bemisst sich bei Kindern, die nicht vollstationär untergebracht sind, in Anlehnung an den Pauschbetrag für behinderte Menschen nach § 33 b EStG. Ein höherer behinderungsbedingter Mehrbedarf kann individuell nachgewiesen werden. In Fällen vollstationärer Betreuung ist immer der Einzelnachweis des behinderungsbedingten Mehrbedarfs erforderlich. Der pauschale Mehrbedarf darf nicht mit dem Pflegegeld aus der sozialen Pflegeversicherung verrechnet werden, das dem pflegebedürftigen behinderten Menschen zusteht. Nach Ansicht des BFH ist davon auszugehen, dass für die häusliche Pflege mindestens ein Mehrbedarf in Höhe des gezahlten Pflegegelds entsteht (Urteil vom 24. 8. 2004 – Az. VIII R 50/03). Auch beim Blindengeld gilt die Vermutung, dass in Höhe des gezahlten Blindengeldes ein behinderungsbe54 dingter Mehrbedarf besteht (BFH, Urteil vom 31. 8. 2006 – Az. III R 71/05; vgl. RdLh 1/2007, S. 35). Leistungen der Eingliederungshilfe unbeachtlich Bei der Ermittlung des Einkommens ist folgendes zu beachten: Wird für ein Kind Eingliederungshilfe für behinderte Menschen geleistet, z. B. für die Betreuung in einer WfbM bei täglicher Rückkehr in den elterlichen Haushalt, und hat das Kind außer Taschengeld und Arbeitsentgelt kein weiteres verfügbares Einkommen, so kann davon ausgegangen werden, dass es außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Die für die Tagesbetreuung und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben von der Sozialhilfe aufgebrachten Kosten sind zweckgebunden. Sie stehen nicht zur Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhalts zur Verfügung. Allein durch den Besuch einer WfbM oder Tagesförderstätte wird ein behinderter Mensch nicht in die Lage versetzt, selbst seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Bei teilstationärer Betreuung z. B. in einer WfbM ist für die Pflege und Betreuung im elterlichen Haushalt neben dem Einzelnachweis daher mindestens ein Betrag in Höhe des Pauschbetrags für behinderte Menschen nach dem EStG als behinderungsbedingter Mehrbedarf des Kindes zu berücksichtigen. Kindergeld bei vollstationärer Betreuung Soweit ein vollstationär untergebrachtes behindertes Kind außer dem Barbetrag (Taschengeld) kein weiteres verfügbares Einkommen hat, kann aus Vereinfachungsgründen davon ausgegangen werden, dass die eigenen Mittel des Kindes nicht ausreichen, sich selbst zu unterhalten. Bei dieser Fallkonstellation kann also die Familienkasse auf eine detaillierte Berechnung verzichten, wenn es dem anspruchsberechtigten Elternteil das Kindergeld zuspricht. Die vom Sozialhilfeträger abgezweigte EU-Rente ist kein verfügbares Einkommen des behinderten Menschen. Abzweigung bzw. Überleitung des Kindergelds auf den Sozialhilfeträger Sozialhilfeträger können bei der Familienkasse einen Antrag auf Überleitung des Kindergelds stellen, wenn sie in erheblichem Umfang die Aufwendungen für die vollstationäre Unterbringung eines behinderten Menschen tragen, für den Kindergeld gezahlt wird. Gemäß § 74 Abs. 1 EStG kann die Auszahlung des Kindergelds auch an Dritte erfolgen, z. B. an die Person oder Stelle, die dem Kind Unterhalt gewährt. 55 Es stellt keine Verletzung der Unterhaltspfl icht dar, wenn Eltern aufgrund gesetzlicher Bestimmungen im SGB XII nur einen geringen Kostenbeitrag für den Unterhalt ihres erwachsenen Kindes leisten. Schließlich haben die meisten Eltern auch im Falle der vollstationären Unterbringung weiterhin regelmäßige Aufwendungen für ihr Kind mindestens in Höhe des Kindergelds (z. B. Vorhalten eines Zimmers für Wochenendbesuche, Finanzierung von Urlaubsreisen, Kosten für Medikamente, Therapien usw.). Nach Auffassung des Bundesfi nanzhofs (Urteil vom 17. 2. 2004, Az. VIII R 58/03) steht die Abzweigung des Kindergelds im pfl ichtgemäßen Ermessen der Familienkasse. Wenn der kindergeldberechtigte Elternteil keinen Kontakt zu seinem Kind pflege und keinerlei Aufwendungen für die Versorgung und Betreuung des Kindes trage, habe der Sozialhilfeträger einen Anspruch auf Abzweigung des Kindergelds in voller Höhe. Die nach den sozialhilferechtlichen Vorschriften von den Eltern zu leistenden Kostenbeiträge sind im Rahmen der Ermessensentscheidung der Familienkasse zu berücksichtigen. Die sozialhilferechtliche Begrenzung des Übergangs des Unterhaltsanspruchs gegenüber den Eltern sei für die Frage, in welchem Umfang Kindergeld abzuzweigen sei, nicht das ausschlaggebende Kriterium. Neben dem vom Sozialhilfeträger gewährten Unterhalt seien die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Beteiligten maßgebend. In einem weiteren Urteil hat der BFH entschieden, dass die Ermessensentscheidung der Familienkasse, ob und in welcher Höhe das Kindergeld an den Sozialhilfeträger abgezweigt wird, nicht dahin gehend auf Null reduziert ist, dass das gesamte Kindergeld an den Sozialhilfeträger auszuzahlen ist, wenn der Kindergeldberechtigte neben den Leistungen des Sozialhilfeträgers zumindest geringe eigene Unterhaltsleistungen erbringt (BFH, Urteil vom 23. 2. 2006, Az. III R 65/04; vgl. RdLh 3/2006, S. 131 ff.). Wenn die Eltern gemäß § 94 Abs. 2 SGB XII an den Sozialhilfeträger einen monatlichen Kostenbeitrag in Höhe von 26 bzw. 46 Euro leisten, muss die Familienkasse zumindest diesen Betrag berücksichtigen (also Abzweigung des Kindergelds in Höhe von höchstens 108 bzw. 128 Euro). Haben die Eltern weitere regelmäßige Aufwendungen geltend gemacht, so muss die Familienkasse detailliert prüfen, ob überhaupt eine Abzweigung zulässig ist. Denn der BFH hat in den Entscheidungsgründen außerdem ausgeführt, dass eine Abzweigung des Kindergelds nicht zulässig ist, soweit der Kindergeldberechtigte seiner Unterhaltspfl icht entsprechend Unterhalt in Höhe des Kindergelds leistet (Rd.-Nr. 21 der Entscheidungsgründe). Wenn monatliche Aufwendungen in Höhe von (mindestens) 154 Euro geltend gemacht und anerkannt werden, muss das Kindergeld somit nach der Rechtsprechung des BFH dem kindergeldberechtigten Elternteil weiterhin in voller Höhe ausgezahlt werden. Die Familienkasse (die Stelle, die das Kindergeld gewährt) ist bei Fragen zum Kindergeld der erste Ansprechpartner. Rechtsbehelfe gegen eine Abzweigung 56 oder Überleitung des Kindergelds auf den Sozialhilfeträger sind gegen die Familienkasse zu richten. Die Familienkasse und nicht der Sozialhilfeträger ist Klagegegner, wenn vor Gericht über die Rechtmäßigkeit der Auszahlung des Kindergelds an den Sozialhilfeträger gestritten wird. Der »Rechtsdienst der Lebenshilfe« berichtet regelmäßig über aktuelle Urteile zum Kindergeldrecht. Soweit die Übersicht über die wichtigsten fi nanziellen Hilfen für behinderte Menschen, ihre Angehörigen und Betreuer(innen). Bitte denken Sie daran, dass Sie bei einer Ablehnung Ihres Antrags auf Unterstützung die jedem Bürger, jeder Bürgerin offenstehenden Rechtsmittel einlegen können. Nutzen Sie das persönliche Gespräch mit dem für Sie zuständigen Sachbearbeiter, der zu ihrer ausführlichen Beratung über alle Ihnen zustehenden Ansprüche gesetzlich verpfl ichtet ist (§§ 14, 15 Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil, SGB I). 57 Wichtige Adressen und Anschriften: Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e. V. Raiffeisenstraße 18 35043 Marburg Tel.: (0 64 21) 4 91-0, Fax: (0 64 21) 4 91-1 67 E-Mail: [email protected] Internet: www.lebenshilfe.de Landesverbände Baden-Württemberg Jägerstr. 12 70174 Stuttgart Tel.: (07 11) 2 55 89-0, Fax: (07 11) 2 55 89-55 E-Mail: [email protected] Internet: www.lebenshilfe-bw.de Bayern Kitzinger Str. 6 91056 Erlangen Tel.: (0 91 31) 7 54 61-0, Fax: (0 91 31) 7 54 61-90 E-Mail: [email protected] Internet: www.lebenshilfe-bayern.de Berlin Wallstr. 15/15 a 10179 Berlin Tel.: (0 30) 82 99 98-0, Fax: (0 30) 82 99 98-42 E-Mail: [email protected] Internet: www.lebenshilfe-berlin.de Brandenburg Mahlsdorfer Str. 61 15366 Hönow Tel.: (0 30 99) 28 95-0, Fax: (0 30 99) 28 95-50 E-Mail: [email protected] Internet: www.lebenshilfe-brandenburg.de 58 Bremen Waller Heerstr. 55 28217 Bremen Tel.: (04 21) 3 87 77-0, Fax: (04 21) 3 87 77-99 E-Mail: [email protected] Internet: www.lebenshilfe-bremen.de Hamburg Rantzaustr. 74 c 22041 Hamburg Tel.: (0 40) 68 94 33 11, Fax: (0 40) 68 94 33 13 E-Mail: [email protected] Internet: www.lebenshilfe-hamburg.de Hessen Raiffeisenstr. 15 35043 Marburg Tel.: (0 64 21) 9 48 40-0, Fax: (0 64 21) 9 48 40-11 E-Mail: [email protected] Internet: www.lebenshilfe-hessen.de Mecklenburg-Vorpommern Lankower Str. 9 19057 Schwerin-Lankow Tel.: (03 85) 4 78 03 42, Fax: (03 85) 4 78 03 41 E-Mail: [email protected] Internet: www.lebenshilfe-mv.de Niedersachsen Pelikanstr. 4 30177 Hannover Tel.: (05 11) 90 92 57-0, Fax: (05 11) 90 92 57-11 E-Mail: [email protected] Internet: www.lebenshilfe-nds.de Nordrhein-Westfalen Abtstr. 21 50354 Hürth-Stotzheim Tel.: (0 22 33) 9 32 45-0, Fax: (0 22 33) 9 32 45-10 E-Mail: [email protected] Internet: www.lebenshilfe-nrw.de 59 Rheinland-Pfalz Drechslerweg 25 55116 Mainz Tel.: (0 61 31) 9 36 60-0, Fax: (0 61 31) 9 36 60-90 E-Mail: [email protected] Internet: www.lebenshilfe-rlp.de Saarland Remmesweiler Str. 18 66646 Marpingen Tel.: (0 68 27) 30 21 36, Fax: (0 68 27) 30 51 73 E-Mail: [email protected] Internet: www.lebenshilfe-saarland.de Sachsen Heinrich-Beck-Str. 47 09112 Chemnitz Tel.: (03 71) 9 09 91-0, Fax: (03 71) 9 09 91-11 E-Mail: [email protected] Internet: www.lebenshilfe-sachsen.de Sachsen-Anhalt Ackerstr. 16 39112 Magdeburg Tel.: (03 91) 6 23 03 11, Fax: (03 91) 6 23 03 12 E-Mail: [email protected] Internet: www.lebenshilfe-lsa.de Schleswig-Holstein Kastanienstr. 27 24114 Kiel Tel.: (04 31) 6 61 18-0, Fax: (04 31) 6 61 18-40 E-Mail: [email protected] www.lebenshilfe-sh.de Internet: www.lebenshilfe-sh.de Thüringen Otto-Schott-Str. 13 07745 Jena Tel.: (0 36 41) 33 43 95, Fax: (0 36 41) 33 65 07 E-Mail: [email protected] Internet: [email protected] 60