Vermessungskunde und Grundlagen der Statistik fuer das

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Vermessungskunde und Grundlagen der Statistik fuer das
8 Geländeaufnahme und Massenberechnung
8.1 Grundlagen und Höhendarstellung
8.1.1 Übersicht über die Verfahren zur Geländeaufnahme
An der Form und Gestalt der festen Erdoberfläche sind dauernd Kräfte wirksam, die sie schaffen und verändern. Endogene oder tektonische Kräfte wirken vom Erdinnern aus und schaffen die Großformen des Geländes (z. B. vulkanische Geländebildungen). Die exogenen, d. h.
äußerlich wirkenden Kräfte bestehen im Wesentlichen aus der Verwitterung, der Abtragung
sowie der Um- und Ablagerung des Materials durch Wasser und Wind. Durch die exogenen
Kräfte werden in erster Linie die Kleinformen der Erdoberfläche geschaffen und die endogen
erzeugten Großformen umgestaltet. Wesentlich stärker jedoch wird durch Baumaßnahmen
das Landschaftsbild umgestaltet, sodass vorhandenes Kartenmaterial je nach Ausmaß der
Bautätigkeit mehr oder weniger schnell veraltet.
Die Erfassung der Geländeformen nach Lage und Höhe sowie der Gewässer, Gebäude,
Wege, Bodenbewachsung nebst vielen anderen wesentlichen Einzelheiten für die Darstellung
in topographischen Karten oder in Lage- und Höhenplänen erfolgt durch topographische Vermessungen. Zur Planung und Ausführung von Bauvorhaben wird man neben den topographischen Karten, auf die in Kapitel 10.4.4 ausführlich eingegangen wird, besonders die auf die
Erfordernisse des Bauvorhabens ausgerichteten aktuellen Lage- und Höhenpläne benötigen.
Als Plan sei eine Karte verstanden, die in einem großen Maßstab kartiert ist und einen auf
den jeweiligen Zweck (hier Planung und Ausführung von Bauvorhaben) abgestimmten Inhalt
besitzt. Die Verfahren zur Kartierung der Messdaten sind in Kapitel 3.4.3 erläutert.
Das zur topographischen Vermessung zu wählende Aufnahmeverfahren richtet sich nach
der Form des Bauobjekts und den Neigungs- und Sichtverhältnissen im Gelände. Für lang
gestreckte Bauwerke wie Straßen, Eisenbahnen, Kanäle und dergleichen wendet man die
Längs- und Querprofilaufnahme (Kap. 8.2) an. Für Bauwerke mit flächenhafter Ausdehnung
wie Grünflächen, Sportanlagen usw. lässt sich das Gelände durch ein Flächennivellement
(Kap. 8.3), durch Tachymetrie (Kap.8.4), GPS (Kap. 9.9) oder durch Photogrammetrie erfassen. Auf die Verfahren der Photogrammetrie, die zur Herstellung von topographischen Karten
sowie von Karten und Plänen für räumlich ausgedehnte Bauvorhaben (z. B. beim Neubau von
Autobahnen) fast ausschließlich angewandt werden, wird in Kapitel 10 eingegangen. Auch
die im Kapitel 9.3 dargestellten kinematischen GPS-Messverfahren eignen sich zur Geländeaufnahme.
Die nach den zuvor genannten Verfahren bestimmten Geländepunkte geben die Geländegestalt in digitaler Form wieder. Werden folglich die Punktkoordinaten (Lage x, y und Höhe
z) auf einem Datenträger abgespeichert, was bei der Messung mit registrierenden Tachymetern (Kap. 8.4.2) oder bei der photogrammetrischen Auswertung automatisch erfolgt, ergibt
sich ein Digitales Geländemodell (DGM). Speichert man zusätzlich für jeden Punkt noch
Codierungen ab, aus denen erkennbar ist,
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• ob aufeinanderfolgende Punkte eine Geländekante (Bruchkante) oder eine Strukturlinie
im Gelände repräsentieren oder
• ob aufeinanderfolgende Punkte den Umring darstellen, in dem das Digitale Geländemodell aufzubauen ist, oder ob sie ein Innengebiet repräsentieren, in dem kein Geländemodell gewünscht wird,
können die Messungsergebnisse digital weiterverarbeitet werden. Mithilfe geeigneter Software lassen sich dann automatisch das Volumen des durch die Messpunkte repräsentierten
Geländes, die Höhenlinien, die Bruchkanten der Geländeoberfläche, die Höhen in vorgegebenen Profilen oder die Höhen in vorgegebenen Rastern ermitteln und in Tabellen zusammenstellen oder mit Zeichenautomaten grafisch darstellen.
Je nachdem, welches der zuvor genannten Aufnahmeverfahren gewählt und welche Messmethode dabei benutzt wird, ergeben sich unterschiedliche Datenstrukturen. Die Registrierungen können vorliegen als
• unregelmäßig verteilte Einzelpunkte (Kuppen-, Mulden- und Sattelpunkte, sonstige
ausgewählte Höhenpunkte);
• Punkte auf Geripplinien (Tal- oder Rückenlinien) und Geländekanten;
• Punkte auf Höhenschichtlinien;
• Punkte entlang von Profilen oder auf den Schnittpunkten eines regelmäßigen Gitters.
Unregelmäßig verteilte Einzelpunkte – ergänzt durch Geripplinien und Geländekanten –
fallen bei der tachymetrischen oder GPS-Aufnahme an. Bei diesem Aufnahmeverfahren werden normalerweise nur gerade so viele Punkte im Gelände ausgewählt und gemessen, wie zur
Darstellung des Geländes im vorgesehenen Maßstab notwendig sind. Bei den beiden zuletzt
genannten Verfahren der Aufnahme und Registrierung der Daten ist die Anzahl der aufgemessenen Punkte größer als bei der Einzelpunktaufnahme, sodass dadurch mehr als die unbedingt
nötigen Informationen zur Verfügung stehen.
Da die Höhen eines regelmäßigen Gitters einfach zu speichern sind und außerdem die
Interpolation in einem Gitter rechentechnisch einfacher zu organisieren ist, gibt es Aufbereitungsprogramme, mit denen aus ursprünglich unregelmäßig verteilten Messpunkten die Eckpunkthöhen eines rechtwinkligen, regelmäßigen Gitters durch Interpolation abgeleitet und als
Digitales Geländemodell abgespeichert werden. Der Gitterlinienabstand wird kleiner als der
Abstand der Messpunkte gewählt, sodass kaum Information beim Übergang von den unregelmäßig verteilten Messpunkten auf die Gitterpunkte verlorengeht.
8.1.2 Arten der Höhendarstellung
Von den drei Dimensionen des natürlichen Geländes, die durch die Aufnahmeverfahren erfasst werden (Lage: x- und y-Koordinaten, Höhe: z-Koordinate), lassen sich in einer Karte nur
die zwei Dimensionen der Lage direkt abbilden. Die Höhe wird indirekt dargestellt durch:
a) Höhenkoten = Höhenzahlen, die neben markanten Geländepunkten und ausgewählten
Punkten im flachen Gelände angegeben werden.
b) Höhenlinien (= Schichtlinien, Niveaukurven, Isohypsen) sind Horizontalprojektionen
der Kurven, die Geländepunkte gleicher Höhe über einer Bezugsfläche (z. B. Normalnull) miteinander verbinden. Sie sind fiktive Linien, die in der Lotrichtung gleich weit
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voneinander abstehen (= Schichthöhe) und in jedem ihrer Punkte rechtwinklig zur
Richtung des stärksten Gefälles verlaufen. Ist die Schichthöhe innerhalb einer Karte
konstant, wird sie auch Äquidistanz genannt. Je steiler das Gelände ist, um so dichter
liegen die Höhenlinien im Grundriss. Daher richtet sich die Auswahl einer passenden
Äquidistanz hauptsächlich nach der Geländeneigung und dem Kartenmaßstab.
Faustformel für die Wahl der Äquidistanz:
ΔH (in Metern) =
Beispiel: M = 1 : 5 000,
M = 1 : 1 000,
m (Maßstabszahl)
1 000
(8.1)
ΔH = 5 m
ΔH = 1 m.
c) Böschungsstriche sind Schraffen zur Darstellung von Oberflächenformen, die wegen
ihrer Steilheit keine genügend genaue Ermittlung von Höhenlinien gestatten, z. B. bei
Rändern von natürlichen Böschungen und von (meist künstlich angelegten) Dämmen,
Aufschüttungen, Einschnitten.
d) Schraffen und Schummern (evtl. mit Farbgebung) sind Mittel der Kartographie zur Erzeugung eines plastischen Eindrucks durch Schattenwirkung in topographischen Karten (Kap. 10.4.4).
8.1.3 Höhenlinienkonstruktion
Die Höhenlinien werden nicht unmittelbar bei der örtlichen Aufnahme im Gelände gewonnen, sondern durch lineare Interpolation zwischen den höhenmäßig bestimmten Geländepunkten in der Karte konstruiert. Dazu wird neben jedem kartierten Punkt seine Höhe vermerkt, benachbarte Punkte miteinander verbunden und die Schnittpunkte der ausgewählten
Höhenlinien mit den Verbindungsgeraden durch lineare rechnerische Interpolation bestimmt.
In Abbildung 8.1-1 ist die Höhenlinienkonstruktion zwischen Dreieckspunkten dargestellt.
73,8
74,9
74
73
1m Höhenlinien
= aufgemessene und kartierte Geländepunkte mit beigeschriebener Höhe
= interpolierte Punkte zur Höhenlinienkonstruktion
72
71,7
72,4
Abbildung 8.1-1: Höhenlinienkonstruktion in der Karte
Die Höhenlinieninterpolation darf nur auf solchen Verbindungslinien erfolgen, auf denen der Feldbuchführer die Interpolation vorgesehen hat. Dies dürfen nur die Linien sein, die
die Geländeoberfläche ausreichend genau approximieren, d. h. die Verbindungslinie zwischen
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zwei aufgemessenen Höhenpunkten muss „im Geländeverlauf liegen“ und darf nicht „durch
die Luft“ oder „durch den Boden“ verlaufen. Bei der Interpolation in dem Schnittdreieck
ABB (Abb. 8.1-2) werden die horizontalen Abstände ei zwischen den darzustellenden Höhenlinien und dem tieferliegenden Geländepunkt A durch einfache Proportionalberechnung
bestimmt. Dazu wird die Höhe des Punktes A sowohl von der Höhe des Punktes B als auch
von der Höhe der zwischen den beiden Punkten zu interpolierenden Höhenlinie subtrahiert.
Die Horizontalentfernung eAB ist aus den Aufnahmedaten bzw. der Kartierung zu entnehmen.
Daraus ergibt sich
e ei = AB · Δhi .
(8.2)
ΔhAB
Beispiel 8.1.1: Höhenlinieninterpolation
e2 =
27, 0
· 0, 3 = 2, 5 m
3, 2
e3 =
27, 0
· 1, 3 = 11, 0 m
3, 2
e4 =
27, 0
· 2, 3 = 19, 4 m
3, 2
Abbildung 8.1-2: Interpolation von Höhenli-
nien
Voraussetzung zur linearen Interpolation ist aber, dass zwischen den aufgenommenen Geländepunkten gleichmäßiges Gefälle besteht, die Punktdichte also zur Erfassung der Geländeform ausreicht. Bei dem Geländeschnitt in Abbildung 8.1-3 ist verdeutlicht, wie sich durch
nicht ausreichende Punktdichte bei der Geländeaufnahme eine falsche Höhenlinieninterpolation ergibt. Die Punkte A, B, C sind zusätzlich zu bestimmen, damit die Verbindungslinien
der Aufnahmepunkte das Gelände genügend genau approximieren.
Bilden die Verbindungslinien der Aufmessungspunkte Vierecke, darf man nicht ohne weiteres auf den Diagonalen interpolieren, weil sich nur im ebenen Viereck die Diagonalen
schneiden. Da die Vierecke im Gelände zumeist jedoch windschief sind, d. h. ein Eckpunkt
liegt außerhalb der durch die drei anderen Eckpunkte gebildeten Ebene, schneiden sich die
Diagonalen nicht, sondern sie kreuzen sich in verschiedener Höhe, sie sind windschief, laufen über bzw. unter dem Gelände und dürfen zur Interpolation nicht benutzt werden. Ein
windschiefes Viereck erhält man, wenn man zwei nicht in derselben Ebene liegende Strecken
in eine gleiche Anzahl von je unter sich gleiche Teilstrecken zerlegt und die entsprechenden
Punkte der beiden Strecken durch Geraden verbindet. Falls im Gelände solche windschiefen
Vierecke auftreten, dürfen zur Interpolation nur solche Geraden benutzt werden, die zwei Gegenseiten im selben Verhältnis teilen. In Abbildung 8.1-4 sind die Seiten in vier bzw. zwei
gleiche Teile geteilt und auf den entsprechenden Verbindungslinien die Interpolationen zur
Höhenlinienkonstruktion durchgeführt.
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8 Geländeaufnahme und Massenberechnung
Abbildung 8.1-3: Falsche Interpolation durch nicht ausreichende Punktdichte
4
6
5
8
10
12
3
10
8
2
6
4
1
2
1
4
3 2,5
2
4
3
2,5
2
1
0
1
2
2,5
3
4
2,5
1
3
0
1
2 2,5 3
4
5
0
Abbildung 8.1-4: Höhenlinienkonstruktion bei windschiefen Vierecken
Anschließend an die Interpolation sind die Punkte gleicher Höhe durch „flüssige“ Linien
miteinander zu verbinden. Die Höhenlinienbezifferung wird „freigestellt“, d. h. in den dafür
unterbrochenen Linienverlauf, mit Fuß in Gefällerichtung, geschrieben (Abb. 8.1-1 und 8.12). Die Höhenlinien sollen einen Eindruck von der Geländegestalt und von besonderen Geländeformen vermitteln und Massenermittlungen sowie die Entnahme von Höhenwerten zur
Berechnung von Geländeneigungen ermöglichen.
Sind die aufgemessenen Geländepunkte in einem Digitalen Geländemodell gegeben, lassen sich, wie bereits ausgeführt, der Höhenlinienverlauf durch spezielle Auswerteprogramme ermitteln und mit Plottern die gewünschten Pläne oder auch eine gesamte topographische Karte mit Situation, Höhenlinien und Beschriftungen automatisch erstellen. Je nach
Anordnung der Punkte im Digitalen Geländemodell und verwendetem Auswerteverfahren
erfolgt die Interpolation der Höhenlinien entweder einfach linear zwischen benachbarten
Punkten oder nichtlinear (durch Interpolationspolynome, Spline-Interpolation, sphärische
und nichtsphärische Finite-Elemente-Interpolation) unter Berücksichtigung der Punkte eines
mehr oder weniger großen Umfeldes.