Vortrag Raucherentwöhnung aktuell
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Vortrag Raucherentwöhnung aktuell
Raucherentwöhnung Mag. Anja Bader Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin Praxis für Psychologie, Supervision und Coaching Bildungsakademie www.anjabader.at Was hören Sie heute? • Geschichte, Nutzen und Interessantes über Tabak • Wirkweise von Nikotin • Entstehung von Nikotin-Sucht • Entzugssymptome • Wege aus der Abhängigkeit • Stolpersteine • Hilfen 22.06.2012 www.anjabader.at 2 Geschichte - TABAK • Älteste Darstellungen rituell rauchender Maya-Priester sind schon von 600–500 v. Chr. bekannt. Die Priester der Maya zündeten heilige Feuer an und inhalierten dann den Tabakrauch. • Kolumbus dokumentierte am 6. November 1492 zum ersten Mal den Tabakkonsum von Einheimischen auf der heutigen Insel Kuba. • 1497 erste Berichte über die Tabakpflanze in Europa auf. • Zar Michail Romanow bekämpften den Tabakkonsum im 16./17. Jahrhundert mit Strafen wie Verbannung, Exkommunikation und Hinrichtung • andernorts 1625 erstmals die Tabaksteuer eingeführt wurde. • Französischen Gesandten Jean Nicot wurde der Tabak als Heilpflanze in Frankreich eingeführt: Nach ihm wurde später der wichtigste Inhaltsstoff Nikotin benannt. • 19. Jahrhundert: Rauchen sozial weitgehend akzeptiert und als Mittel zum Ausdruck von gesellschaftlichem Rang, Gelassenheit und Überlegenheit positiv besetzt. • Mit zunehmender Verbreitung der medizinischen Erkenntnisse über die gesundheitsschädlichen Folgen des Rauchens hat sich die allgemeine Einschätzung des Rauchens stark zum Negativen hin gewendet: Personen des öffentlichen Lebens vermeiden es heute zugunsten ihres Ansehens als Vorbild meist, sich zum Rauchen zu bekennen 22.06.2012 www.anjabader.at 3 Nutzung • Bis ins 17. Jahrhundert: Heilpflanze in der Augenheilkunde • getrocknete, kurierte und gerebeltenTabak-Blätter (Rauchkraut): Tabakspfeifen oder gedreht als Zigaretten, Zigarillos und Zigarren • Nikotin als Insektizid zur Schädlingsbekämpfung genutzt, indem „Tabakbrühe“, ein Sud aus Tabakblättern, gegen Insekten eingesetzt wurde. Da von dieser Maßnahme auch schonungswürdige Nützlinge betroffen werden und wegen der stark gesundheitschädlichen Wirkung des Nikotins als Nervengift, wird diese Methode nicht mehr verwendet. • Zierpflanzen Waldtabak • Herrenparfums mitTabaknoten • Der Tabak gehört zu denjenigen Pflanzen, deren Genom am besten erforscht ist. Die Produktion von Medikamenten in Tabakpflanzen ist inzwischen ein ernsthafter und erfolgreicher Forschungszweig. 22.06.2012 www.anjabader.at 4 Interessant? • Der Tabakanbau in Europa wurde von der Europäischen Union mit Subventionen von bis zu 1 Milliarde Euro jährlich gefördert. Davon entfielen rund 150 Millionen Euro auf den Tabakanbau in Deutschland. • Ab 2005 wurden 20 Prozent der EU-Zahlungen gezielt dafür eingesetzt, die Tabakbauern zum Umsteigen auf andere Erzeugnisse zu ermuntern. • Im Jahr 2010 wurde die Subventionierung des Tabakanbaus in der EU eingestellt; Umstellungsbeihilfen können noch längstens bis 2013 beantragt werden • Die Tabaksteuer ist nach der Mineralölsteuer die ertragsreichste Verbrauchssteuer. 22.06.2012 www.anjabader.at 5 Rauchen • In Österreich rauchen 31 % aller Frauen und 43% aller Männer über einem Alter von 15 Jahren (Quelle: Spectra: Die Raucher in Österreich, 2005). • Nikotin ist eine psychoaktive Substanz, die zur Abhängigkeit führen kann. 22.06.2012 www.anjabader.at 6 Motivation Gründe sind sehr unterschiedlich: • • • • • • • • Stimmung verbessern Einsamkeit Sozialer Druck in Peergruppen Pubertäre Rebellion die Hoffnung, Angst, damit auszugleichen Ärger und Wut Gewicht kontrollieren an angenehme Situationen (Genuss) gekoppelt • „Stressbewältigung“ • … 22.06.2012 www.anjabader.at 7 Warum raucht der Mensch? Die Wirkungen des Nikotins auf die PSYCHISCHE VERFASSUNG sind ein ENTSCHEIDENDER GRUND dafür, dass ein Mensch überhaupt raucht und dass ein Rauchstopp so schwer fällt. 22.06.2012 www.anjabader.at 8 Dieses alles in Kombination mit der Berührung empfindlicher oraler Zonen wird als sehr angenehmes Gefühl empfunden. 22.06.2012 www.anjabader.at 9 Wie funktioniert Nikotin - Sucht? 22.06.2012 www.anjabader.at 10 DEFINITON „Sucht“ germ. suhti-, ahd. suht, suft, mdh. suht ist nicht verwandt mit „suchen“. Es geht auf „siechen“ (ahd. siechen, mhd. siuchan) zurück, das Leiden an einer Krankheit. Formulierungen des ICD-10 und spricht vom Abhängigkeitssyndrom (nur für substanzgebundene Süchte). 22.06.2012 www.anjabader.at 11 Pharmakologische Wirkung von Nikotin 22.06.2012 www.anjabader.at 12 Wie entsteht die Sucht? • wenn der Tabak glimmt, wird Nikotin freigesetzt • gebunden an die Teerbestandteile wird Nikotin über den Rauch in die Lunge transportiert und • dort in den Blutkreislauf aufgenommen 22.06.2012 www.anjabader.at 13 Wie entsteht Sucht? • Nikotin überwindet die Blut-HirnSchranke • Heftet sich dort an Nervenzellen (präund postsynaptische Achethycholin-) Rezeptoren an und • beeinflusst die Gehirnaktivität bereits nach 7 Sekunden! • Dopamin, Serotonin, Adrenalin, Noradrenalin und Endorphine ausgeschüttet (chem. Stoffe für den Informationsaustausch zw.Nervenzellen) 22.06.2012 www.anjabader.at 14 Wie Sucht funktioniert 22.06.2012 www.anjabader.at 15 Wie Sucht funktioniert • Nikotin steigert die Ausschüttung von Dopamin • Dopamin sorgt nicht selbst für den Kick, sondern setzt hinter alle Erlebnisse ein Ausrufezeichen: das hier, was du gerade tust – das ist immens wichtig!!! • Nikotin löst also eine wohlige Gefühlskaskade im Belohnungszentrum des Gehirns aus. • Anzahl der Nikotinrezeptoren vermehren sich – je mehr Dopamin, desto mehr Rezeptoren, desto unempfindlicher werden die Rezeptoren – das Gehirn braucht größere Dosen des Suchtmittels – zwingendes Verlangen nach Nikotin – SUCHTKREISLAUF • Bei Exrauchern sinkt die Anzahl der aktiven Rezeptoren, das Suchtgedächtnis bleibt, schlafende Rezeptoren erwachen, sobald eine Zigarette angezündet wird. • Durchschnittlicher Raucher: 7000 Zigaretten pro Jahr – 7000 mal Eindringen ins Unterbewusstsein – es entsteht ein „SUCHTGEDÄCHTNIS“ 22.06.2012 www.anjabader.at 16 Kriterien einer Substanzabhängigkeit 1. 2. Starker Wunsch oder Zwang, Zigaretten zu konsumieren Verminderte Kontrollfähigkeit von Beginn, Beendigung und Menge des Zigaretten Konsums 3. 4. Rauchen, um Entzugssymptome zu mildern Auftreten eines körperlichen Entzugs (Unruhe, Ängstlichkeit, Ungeduld, leichtes Zittern, starkes Verlangen nach Zigaretten) bei Abstinenz 5. Es muss zunehmend mehr geraucht werden, um die gleiche Wirkung zu erzielen (Toleranzentwicklung) Zigaretten müssen immer verfügbar sein (Lagerhaltung) 6. 7. Soziale und berufliche Aktivitäten werden zugunsten des Substanzgebrauchs vernachlässigt. 8. Rauchen trotz eindeutigen Nachweis schädlicher Folgen oder trotz Vorliegen einer tabakbedingten Krankheit (z.B. Lungenerkrankung) (Quelle: Österreichische Krebshilfe 2011) 22.06.2012 www.anjabader.at 17 Mögliche weitere Auswirkungen 22.06.2012 www.anjabader.at 18 Zusätzliche Bestandteile Bis zu 4.000 chemische Verbindungen kann eine Zigarette außer Teer beinhalten.Dazu zählen Blei, Cadmium, Benzol und Blausäure. Menthol: Rauch ist milder; erhöht die Frequenz des Atmens; Ammonium wirkt wie ein Beschleuniger für Nikotin; Zucker – Acetaldehyd ensteht- macht auch süchtigreduziert MAO-B (Monoaminooxidase B), das im Gehirn Dopamin und Serotonin abbaut. 22.06.2012 www.anjabader.at 19 Die schweren, oftmals tödlich endenden gesundheitlichen Schäden, die Rauchen verursachen kann, wie Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall, chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) entstehen nicht durch Nikotin (bei der Entstehung von Herz-Kreislauf Erkrankungen spielt es lediglich eine untergeordnete Rolle), sondern durch die Vielzahl der giftigen und krebserzeugenden Substanzen im Tabakrauch. 22.06.2012 www.anjabader.at 20 Rauchen stresst • Durch Griff zur Zigarette wird die Spannung, die durch das Sinken des Nikotin-Levels entstanden ist, wieder aufgehoben und bekämpft damit die Abstinenzsymptome Nikotin wird über die Leber abgebaut –oxidiert zu Cotinin – über Blase ausgeschieden: Halbwertszeit 2 Stunden) • Das wiederholte Empfinden negativer Stimmungen zw. den Zigaretten – täglich leicht überdurchschnittliches Stressniveau! 22.06.2012 www.anjabader.at 21 Abstinenzsymptome • Reizbarkeit, innere Unruhe, Angst, schlechte Stimmung, Konzentrationsprobleme, verstärkter Hunger und Appetit, Verstopfung und Verlangen nach Tabak. körperliche Abhängigkeit, ca. 2 Wochen – medikamentöse Behandlung kann Linderung schaffen • Rauchen ist mit bestimmten Situationen und Handlungen verknüpft: die Tasse Kaffee am Morgen, das Warten an der Bushaltestelle, etc. psychische Abhängigkeit, kann über viele Jahre bestehen Gewohnheiten müssen umgestellt werden – psychologische Begleitung 22.06.2012 www.anjabader.at 22 Wege aus der Abhängigkeit Linderung der körperlichen Symptome: • Medikamente: Zyban, Detox, Vigabatrin, Champix (Anti-Craving-Substanz) • Nikotinpflaster, -kaugummi, -inhalatoren, -tabletten Psychische Symptome: Psychologische Therapie (Ressourcenstärkung, Bewusstseinsarbeit, Nachreifung bestimmter Ich-Anteile, z.B. wie kann ich für mich selbst gut sorgen? Wie gehe ich mit meinen Gefühlen und Bedürfnissen um?) Hypnose (Bewusstsein- und Ressourcenstärkung) Akupunktur (Bewusstseinsstärkung) 22.06.2012 www.anjabader.at 23 Rauchausstieg • Ist (wie ein sportliches) Training mit dem klaren Ziel „Rauchfreiheit“ • Rückfälle sind häufig - wenn Sie hingefallen sind, stehen Sie auch wieder auf und bleiben nicht für immer liegen! • • • • Nach 20 min normalisiert sich Blutdruck und Puls Nach 8 Stunden normalisieren sich die Sauerstoffwerte im Blut Nach 48 Sunden verbessern sich Geruchs- und Geschmackssinn Nach 3-9 Monaten verringern sich Atembeschwerden wie Husten, Atemnot und Keuchen. Die Lungen werden stärker und arbeiten besser. • Nach etwas 5 Jahren absoluter Tabakfreiheit haben sich fast alle Schäden im Körper zurückgebildet! 22.06.2012 www.anjabader.at 24 Raucherausstieg psychologisch begleitet • • 1. Phase: Vorbereitung der Abstinenz 2. Phase: Stabilisierung der Abstinenz • • • Sachliche Informationen Motivationsklärung Wahrnehmungstraining während des Rauchens, z.B.: Wie fühle ich mich vor dem Rauchen? Wie fühle ich mich während des Rauchens? Wie fühle ich mich nach dem Rauchen? Was schmecke ich während des Rauchens? Was schmecke ich nach dem Rauchen? Wann zünde ich eine Zigarette an? - Die Gründe sind vielzählig! Es gibt aber auch primäre Auslöser, wie z.B. Einsamkeit, Langeweile, Sicherheit (der Tschigg ist mir immer der beste Freund), Belohnung, Entspannung, Unterdrückung des Hungergefühls,… Realitätstraining: Wie viel Nikotin rauche ich tatsächlich? Auf den Tag/die Woche/Monat/Jahr in Stunden umgerechnet? Wie viel Geld wende ich auf? Bewusstseintraining: Was nehme ich für das Rauchen in Kauf? (Gesundheit, Soziale Beziehungen, Belästigung anderer mit Geruch, Zeitverlust,….) Identität: Wie beschreibe ich meine Identität als Raucher, wie als Nichtraucher? Präventivmaßnahmen: Welche Situationen kann ich vorerst vermeiden? Z.B. Raucherlokale, Alkohol, Kaffee, .. Welche Möglichkeiten erkenne ich, erst etwas Gutes für mich zu tun, bevor ich eine rauche? Wie kann ich mich vom Zwang zu Rauchen distanzieren? Stärkung von Ressourcen und Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten: Welche Verhaltensweisen kann ich wie und gut ersetzten, so dass ich den Dopaminstoss nicht künstlich durch das Nikotin benötige? Stressverabeitungstraning, Entspannungstraining, Konfliktbewältigung Ich bin rückfällig (die meisten Rückfälle treten in den ersten 3 Monaten auf), was nun? – Situationsanalyse, Klärung der Motivation, Klärung der Vorgehensweise, und weiter geht es…. • • • • • • • 22.06.2012 www.anjabader.at 25 Ent-Wöhnen Eine automatische Reaktion (Rauchen) wird bewusst reflektiert und mit einer anderen Gewohnheit ersetzt. 22.06.2012 www.anjabader.at 26 Stolpersteine • Suchtgedächtnis: ungenügende Reflexion der Nikotin verbundenen Situationen • Wille: ungenügende Konzentration und Wille, um den neurologischen Regelkreis umzustrukturieren, d.h. einen neue günstige Gewohnheit zu trainieren um die alte ungünstige damit zu schwächen • Motivation: ungenügende oder falsche Motivation, das Rauchen zu lassen, z.B. wegen Schwangerschaft. 22.06.2012 www.anjabader.at 27 Für Angehörige • • Einem süchtigen Menschen Druck zu machen, erhöht den Widerstand. Moralappelle sind fehl am Platz. • Das Wissen, dass Menschen mit Suchtverhalten oft erst dann aufhören, wenn der Leidensdruck zu hoch oder die Gesundheit massiv eingeschränkt ist, hilft Angehörigen, Ihrerseits nicht in der „Helfersucht“ zu verfallen, sondern sich auf gesunde Weise zu distanzieren. Das erst ermöglicht auch dem Gegenüber Raum für EIGENE ENTSCHEIDUNGEN. • Ein „Ja zu Rauchen“ ist auch eine Entscheidung. Sie können diese Entscheidung aus Ihrer Perspektive vielleicht nicht gutheißen, sie müssen Sie aber respektieren. • SACHLICHE INFORMATIONEN, KLARE ABGRENZUNGEN (in meiner Wohnung wird nicht geraucht) und das Gefühl, „ICH BIN OK – DU BIST OK“ sind die ersten Schritte, eines oft langen Weges, Motivation zu schaffen. 22.06.2012 www.anjabader.at 28 Wenn es alleine nicht klappt: • PsychologInnen, psych. RaucherInnenberatung • ÄrztInnen • Ambulante und Stationäre Programme • Lungenfachabteilungen • Das Rauchertelefon: 0810810013 • Webseiten: www.krebshilfe.net www.raucherhilfe.at www.tabakfrei.at www.rauchfrei-dabei.at • Österreichische Krebshilfe (Innrain 66a) 22.06.2012 www.anjabader.at 29 Quellen • • • • Deutsches Krebsforschungszentrum (Hrsg.): Nikotin. Pharmakologische Wirkung und Entstehung der Abhängigkeit; Heidelberg, 2008 Die Österreichische Krebshilfe Raucherportal – Internetplattform Bennowitz 1999 22.06.2012 www.anjabader.at 30 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Mag. Anja Bader Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin Praxis für Psychologie, Supervision und Coaching Bildungsakademie www.anjabader.at 22.06.2012 www.anjabader.at 31