Der Vortrag

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Der Vortrag
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Vom Winde getrieben, von Wellen bewegt - 5000 Jahre Seefahrt in der Ägäis
Volker Jörg Dietrich
Die Entwicklungsgeschichte der Menschheit beruht vor allem auf Migration, Kommunikation
und Handel. Die Seefahrt spielte dabei in der Vergangenheit eine entscheidende Rolle, d.h. seit etwa
5000 Jahren, jener Zeit, in der Menschen begannen, das Meer zu bewältigen. Der Schwerpunkt der
Entwicklung der abendländischen Kultur liegt vor allem im östlichen Mittelmeer, in der Ägäis und
ihren angrenzenden Regionen. Die positiven Errungenschaften des Transports, des Handels und der
Kommunikation basieren auf der raschen, flexiblen Mobilität der Seefahrt. Negative Effekte der
Seefahrt stellen machtpolitische Eroberungen, Kriege, Piraterie und Sklaverei dar. Hinzu kommen die
Rückschläge bedingt durch unvorhergesehene Naturkatastrophen wie orkanartige Stürme, Fluten,
Erdbeben, Tsunami und Vulkanausbrüche.
Einige eindrucksvolle Beispiele sollen die Wendepunkte der Entwicklung in der Seefahrt unter
Segeln während der vergangenen 5000 Jahre in der Ägäis verdeutlichen:
 Der Bau von Holzbooten, stark genug, um Wind und Wellen zu trotzen.
 Entwicklung von Segel und Rigg, welche die Bewältigung von Langstrecken übers Meer in kurzen
Zeiten ohne Muskelkraft ermöglichen.
 Wandel der Segeltechnologie von Vorwind- zu Amwindkursen (Aufkreuzen).
 Konstruktion des Kiels, um Abdrift beim Segeln am Wind zu verhindern.
 Ankern, Landungen und Schutz an Küsten und Buchten ohne Strand.
 Wechsel vom Seitenruder zum zentralen Heckruder mit Erhöhung der Manövrierfähigkeit.
Kulturgeschichtliche Meilensteine der Seefahrt in der Ägäis
Die Ägäis, in Schönheit mit ihren vielgestaltigen Küsten, bizarrer Inselwelt und tiefblauen Wassern
von keinem Meer zu übertreffen, ist seit Jahrtausenden Mittelpunkt der Entstehung unserer
abendländischen Kulturen. Sie ist das Medium, dass Transport und Kommunikation ermöglicht, und
wird damit sowohl zum Wegbereiter als auch zum Untergang von Kulturen.
Die kulturgeschichtliche Entwicklung der Seefahrt in der Ägäis kann in folgende Meilensteine
gegliedert werden.
 Obsidianrouten der Bambusboote durch die Ägäis (8000 – 3000 v.Chr.)
 Invasion der Einbaum-Langboote aus der Levante und Zypern (3000 – 2000 v.Chr.)
 Kykladisch-Minoische Seeherrschaft der ersten Segler (2000 – 1628 v.Chr.)
 1628 - die minoische Katastrophe, ein Vulkan verändert die Welt
 Prä-phönizischer Seehandel zu mykenischer Zeit (1650 – 1100 v.Chr.)
 Der Mythos „Trojanischer Krieg“ (Phantom der Ägäis)
 Raubzüge der „Seevölker“ und Philister (1200 – 1100 v.Chr.)
 Die Phönizier - von Biblos zu den Säulen des Herkules (1100 – 600 v.Chr.)
 Seefahrt von Homer bis Kleopatra, Expansion der griechischen Welt (600 – 30 v.Chr.)
 Das römische Reich und ihre Galeeren (600 v.Chr. – 395 n.Chr.)
 Die Kilikischen Seeräuber (2. Jahrhundert bis 67 v.Chr.)
 21. Juli 365 n.Chr. Megabeben > 8, SW Kreta, Tsunami Verwüstung der Küsten
 Galeerenflotten der Vandalen im 5. Jahrhundert
 Byzanz und die Ägäis (7. Jahrhundert – 1453, Fall von Konstantinopel)
 Venezianische Flotten 1200 – 1700
 Osmanische Seestreitkräfte 1300 - 1923 und die Herrscherdynastie der Osmanen
 Die russischen Schwarzmeerflotten und der Unabhängigkeitskampf in der Ägäis (1823 – 1860)
 Letzte Grosssegler (19. - 20. Jahrhundert)
 Industrielle Revolution zur See - „Segelnde Raddampfer“ (19. Jahrhundert)
 Das 8. Weltwunder der Sueskanal - das Tor zur Welt für die ägäische Seefahrt
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Obsidianrouten der Bambusboote durch die Ägäis (8000 - 3000 v.Chr.)
Über einen Zeitraum von mehreren tausend Jahren entstanden zwischen dem heutigen
Griechenland und den Küstenregionen Kleinasiens eigenständige Kleinkulturen auf den
Kykladeninseln, geprägt von einem ersten Rohstoffhandel. Wahrscheinlich benutzten die ersten Fischer
und Siedler aus Schilf und Bambus geflochtene und mit Häuten verstärkte “pirogenartige“ Paddelboote.
Die zahlreichen Obsidianfunde, dem high-tech Material der jüngeren Steinzeit, dürften einen ersten
Tauschhandel zwischen dem griechischen Festland, dem Peloponnes, der ägäischen Inselwelt
(Vulkaninsel Milos als Herkunftsort des Obsidian und Saliagos, der zentralen Produktionsstätte
zwischen den Inseln Antiparos und Paros) und Anatolien über die Dardanellen belegen.
Erste Transporte zu Wasser in der Steinzeit (ab. ca. 8000 v. Chr.)
Geflochtene Schilfboote mit Paddeln
Die Route von Milos nach Lavrion auf dem griechischen Festland
Invasion der Einbaum-Langboote aus der Levante und Zypern 3000 – 2000 v.Chr.
Wendepunkte der Entwicklung liegen vor allem im Schiffbau. So basiert ein erster
Tauschhandel vor 4500 Jahren auf gepaddelten „Langbooten“ aus Zedernholz der levantinischen
Küstenregion: vom Einbaum zur gepfropften Beplankung; max. Länge, 10-12m, Breite 1-2m, mit
flacher Landungsplattform und Boden ohne Kiel. Die eigentliche Segeltechnologie geht auf
ägyptischen Ursprung auf dem Nil während der 1. Dynastie Naqada II zurück (ca. 3100 v.Chr.).
Zedernholz-Langboot aus der Levante
Handelsrouten der „Langboote“
Zwischen der türkischen Küste,
dem Dodekanes, den Kykladen, Attika
und der Argolis
Quelle: V. Dietrich, 2004
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Kykladisch-Minoische Seeherrschaft der ersten Segler 2000 – 1628 v.Chr.
Kallisti (heute Santorin) wurde zum Kultur- und Handelszentrum
des östlichen Mittelmeeres (Photo: V. Dietrich, 2008)
Siegesparade der Kyklader / Minoer nach erfolgreichen Erbeutungen
an der Levante und nordafrikanischen Küste
Auszug der Flottille aus Akrotiri nach Kreta
Admiralsschiff (Kriegsschiff)
in der Siegesparade
Segelschiff voll dekoriert,
mit
paddelnden gefangenen Sklaven
Schiffsfresko von Akrotiri (Santorin). Heute: National Archeological Museum Athen
Tausend Jahre später, zwischen 2000 und 1628 v.Chr., entwickelte sich in der kykladischen
Inselwelt eine Handels- und Seefahrerkultur, deren Ursprung auf seetüchtige segelnde Galeeren aus
dem Levant und Zypern zurückzuführen ist. Die zentrale Ringinsel Santorin mit ihrem einzigartigen
Naturhafen wird zum Handels und Kulturzentrum der Ägäis. Im kulturellen Mittelpunkt dieser
Seefahrerkultur steht die Frau steht als Priesterin und Göttin und verkörpert den Glauben an
Inkarnation. Die minoische „Palast Kultur“ eines paradiesischen Kretas ist mit der kykladischen
Seefahrerkultur eng verknüpft und wird durch eine wohlhabende theokratische Gesellschaft von
Göttinnen, Priesterinnen, Priestern, Prinzen, Aristokraten, Kapitänen und Admiralen getragen.
Alle kykladischen Schiffskonstruktionen sind auf Impulse aus Ägypten zurückzuführen, da sie
ägyptischen Galeeren ähnelten. Die Dimensionen der grösseren Galeeren lagen zwischen 15 und 20 m
Länge und 3 bis 5 m Breite. Alle Boote hatten flache Böden, Kiele waren unbekannt, die Stabilisierung
wurde durch Steine auf den Böden erreicht. Die hochgezogenen Bug- und Heckformen waren speziell
für Landung und Wasserung an Stränden in starker Brandung konstruiert. Auf allen Schiffen hatte die
Mannschaft von 20 bis 40 Mann Doppelfunktionen, Seemann und Krieger. Je nach Windstärke und
Schiffslänge dürften diese Galeeren im Schnitt 5 Knoten Geschwindigkeit erreicht haben; unter Rudern
oder Paddeln wahrscheinlich nur 3 bis 4 Knoten.
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Nachbau eines kleinen kykladisch-minoischen
Handelsschiff im Hafen von Chania (Kreta)
Photo: Wave (Minoan Lines)
Die Galeeren-Flotte der Haptschepsut in Punt auf dem Nil
ca. 1500 v.Chr. (Wikipedia)
Typische Schiffsrouten mit Distanzen und Segelzeiten (h = Std.) der Kyklader/Minoer
Quelle: V. Dietrich 2004
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1628 - die minoische Katastrophe, ein Vulkan verändert die Welt
Der Zerfall dieser Kultur, die Verwüstung der kykladischen Inselwelt und die Zerstörung vieler
Siedlungen und Paläste auf Kreta wurde durch die katastrophale Eruption des Santorin Vulkans vor
3628 Jahren ausgelöst. Starke Erdbeben und durch die gewaltige Vulkaneruption erzeugte Riesenwellen
(Tsunamis) zerstörten nicht nur ganz Santorin sondern auch alle Nachbarinseln sowie alle Schiffe und
Siedlungen entlang der Küsten der südlichen Ägäis und Kretas. Teile der Aristrokratie und der
Seefahrer flüchten auf den schützenden Peloponnes und schaffen eine neue, auf militärischen
Grundsätzen beruhende Ordnung und Herrschaft. Als „Mykener“ kehren sie nach Kreta zurück und
bauen mit den Zurückgebliebenen die Paläste wieder auf.
Fortpflanzung der Glutwolken und Riesenwellen (Tsunamis) in alle
Richtungen von Santorin ausgehend mit Geschwindigkeiten über 100
km/h und Wellenhöhen von 10-50m beim Aufbranden an die
Kykladeninseln und Nordküste Kretas. V. Dietrich, 2004
Der Vulkanausbruch Santorins vor 3628 Jahren; Eruptionssäule mit radialen Ascheströmen. Insgesamt wurden 30-40 km3
Magmavolumen ausgeworfen. (Photo P. Diethelm) Ausbruch des Montserrat Vulkans Soufrière Hill Oktober 1997.
Prä-phönizischer Seehandel zu mykenischer Zeit 1650 – 1100 v.Chr.
Auf dem Peloponnes entstehen grössere Städte mit Befestigungsanlagen wie Mykene, Argos,
Tirins, Lerna, Midea und Epidauros unter Führung von Rittern, Generälen und Fürsten. Es scheint, dass
die Mykener mit Ausnahme der Inseln Milos und Tinos alle Kykladeninseln, die Sporaden und die
Inseln des Dodekanes vernachlässigten, man ihnen weder als Rohstoffproduzenten noch strategisch
grosse Bedeutung zumass. Fehlende Schiffe und Flotten sind plausiblere Gründe der geringen Kontakte
mit der ägäischen Inselwelt.
Unabhängig von den katastrophalen Ereignissen in der Ägäis und auf Kreta, entwickelten sich
Bauweise und Grössen der Galeeren vor allem in Ägypten. Nach einer von politischen Wirren
geprägten „2. Zwischenperiode der Hyksos Dynastien“ erstarkte Ägypten im „Neuen Reich“ (16501070 v.Chr.) zur grössten Handels- und Kulturmacht Nordafrikas und der gesamten Levante. Damit
begann das Zeitalter der grossen Galeeren und Sklaven. Die seegehenden Galeeren waren 20-30 m
lang, ca. 5-6 m breit mit 1-1.5 m Tiefgang, 100 bis 300 Mann Besatzung und Rudersklaven. Die
wurden sowohl im unteren Nil als auch entlang der levantischen Küste als Handels- und
Truppentransport eingesetzt. In Alexandria entstand der erste grössere Hafen. Allerdings wurde die
Dominanz im östlichen Mittelmeer und der Ägäis von zypriotischen und prä-phönizischen Flotten und
Händlern übernommen. Das älteste Schiffswrack der Welt von Ulu Burun (ca. 150km östlich von
Rhodos) gibt uns Auskunft über die Prä-Phönizische-Mykenische (Spät-Minoische) Seehandel um
ca.1500 v. Chr. Das 20m lange hochbordige Rah-Segelschiff wurde aus stabilen Holzplanken mit Kiel
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und Spanten gebaut. Ein Steinanker war für Landungen vorgesehen. Die Schiffsladung bestand
Agrarprodukten in Amphoren, Fertigwaren, Gebrauchsgegenstände aus gesamten Küstenregionen des
östlichen Mittelmeers, vorzugsweise aus Zypern, Südanatolien, dem Levant und Ägypten; Kanaaniter
Amphoren und Glaswaren aus Prä-Phönizien, Elefanten Stosszähne und Elfenbein aus Ägypten und
dem fernen Osten; Kupfer, Bronzebarren und Keramik aus Zypern; Zinn aus Südanatolien; Vasen aus
Mykene und Kreta; Bernstein aus dem Baltikum.
Aber der Zeitraum zwischen 1150 und 1000 v.Chr. war eine Periode der Wirren im östlichen
Mittelmeer: das Hetiter Reich und das Mykenische Reich zerfielen, Ugarit und Troja wurden zerstört,
und Invasionen der mysteriösen Seevölker brachten Kriege und Verwüstung. Was waren die Ursachen,
interne Wirren, Eindringlinge von Norden oder Naturkatastrophen wie grosse Erdbeben?
Jason und die Argonauten: Die Jagd nach dem goldenen Vlies.
Legende aus dem 11. Jh. V. Chr., d.h. Prä-phönizischen und
mykenischer Zeit. Quelle: Mustafa Kocak ZDZ 20.4.13
Nachbau eines prä-phönizisch
mykenischen Handelsschiffs
Der Mythos „Trojanischer Krieg“ (Phantom der Ägäis)
Gemäss Homer’s zweitem Buch der Ilias formten die Archaier unter Führung des Königs
Agamemnon einen Rachefeldzug mit 1200 Schiffen zu je 120 Kriegern besetzt gegen Troja. Damit
erreichte das Heer eine Stärke von 144 000 Mann. Zehn Jahre lang versuchten die Griechen Troja
einzunehmen, was ihnen unter der Führung Achilles um 1184 v. Chr. durch den Trick des hölzernen
trojanischen Pferdes gelang und Troja zerstörte.
Das der mykenischen Hochphase gleichaltrige Troja (VIIa) müsste also nach heutigem Wissen der Zeit
des Zusammenbruchs des mykenischen Reiches entsprechen und damit Überreste eines barbarischen
Krieges hinterlassen. Alle archäologischen Daten sprechen dagegen. Die kleinen Dimensionen dieser
Stadt wären von einem derart grossen Heer in wenigen Tagen vollständig zerstört worden. Im Hügel
von Hisarlik und Umgebung fanden sich weder stichhaltige Beweise einer zehnjährigen griechischen
Belagerung noch Überreste einer Flotte von 1200 Schiffen. Mykene selbst war in dieser Zeit dem
Untergang geweiht, die Infrastruktur zusammengebrochen und ein starker Bevölkerungsschwund zu
verzeichnen. Natürlich könnte ein zehnjähriger zermürbender Krieg gegen Troja als Erklärung des
Endes des Mykener herangezogen werden. Die Beweise fehlen jedoch.
Wesentlich plausibler ist der Zerfall von Troja VII durch ein Erdbeben zu erklären. Wie auch in
vergangenen Zeiten wurde Troja von grossen Beben erschüttert, durch Feuer und Chaos zerstört. Stadt
und Umgebung liegen auf dem südlichen Ast der nord-anatolischen Bruchzone, welcher die
Dardanellen durchzieht und zum stärksten Erdbebengebiet Kleinasiens und Südost-Europas gehört.
Statisch ereignen sich in dieser Region innerhalb eines Zeitraumes von tausend Jahren mindestens zehn
Grossbeben mit Stärken > 7.
Raubzüge der „Seevölker“ und Philister (1200 – 1100 v.Chr.)
Es ist denkbar, dass die mysteriösen „Seevölker“ aus den Kykladen, Santorin und Kreta
während der 1628 Vulkankatastrophe geflohene Kyklader und Minoer waren, welche über Zypern die
süd-levantische Küste erreichten und sich in Ashkelon und Gaza, dem Gebiet der Philister
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niederliessen. Es liegen keinerlei Hinweise einer Abkunft der „Seevölker aus Norden vor. Passagen
durch den Bosporus, Dardanellen und die Ägäis ohne erfahrene nautische und navigatorische
Kenntnisse erscheint völlig unrealistisch. Zudem liegen in jener Frühzeit auch keine Zeugnisse von
seetüchtigen Schiffen im Schwarzen Meer und nördlichen Teilen Europas vor. Schliesslich wurden die
„Seevölker“ in einer Seeschlacht im Nildelta von den Streitkräften Ramses III geschlagen. Die in
Ägypten dargestellten Szenen einer erfolgreichen Seeschlacht der Ägypter gegen die Seevölker lässt
markante Hinweise ihrer Herkunft erkennen. Die geruderten Segelschiffe ohne Kiel ähneln in Form und
Bauweise den kykladischen Galeeren. Speere, Kopfschmuck und Lendenschurz erinnern an die
kykladischen Krieger.
Die Phönizier - von Biblos zu den Säulen des Herkules 1100 - 600 v. Chr.
Proto- und Prä-Phönizien, ein ca. 300 km langer Küstenstreifen, etwa dem heutigen Libanon
entsprechend, wurde durch ursprünglich aus Arabien stammende Kanaaniter besiedelt und besteht aus
zahlreichen Siedlungen und Stadtstaaten wie Ugarit, Tripolis, Batrus, Byblos, Berytus (Beirut), Sidon
und Tyros, wobei Tyros zwischen 1000 und etwa 774 v.Chr. und anschließend Karthago bis 146 v.Chr.
die führenden Mächte waren. Über vierhundert Jahre dehnten sie den Handel auf den gesamten
Mittelmeerraum bis nach Spanien und Gibraltar aus. Sie gründeten Handelsniederlassungen in Kreta,
Zypern, Rhodos, Santorin, Sizilien, Sardinien, an der afrikanischen Küste in Marokko und Libyen
sowie in mehreren Küstenstädten Ägyptens. Die Phönizier waren die ersten Benutzer der Farbe Purpur
(aus Purpurschnecken, Murex); sie stellten phönizische Gewebe, besonders Purpurstoffe her, sowie
Glaswaren aus den ersten Glashütten und handselten mit Zedernholz. Zinn für Bronze entstammte den
Kupferlagerstätten von Thasos, Lavrion, Kykladeninseln, Zypern und Afghanistan sowie aus Graniten
in der Ägyptischen Wüste.
Entwicklung der Kriegsschiffe
Durch ihren Handel und ihre Kenntnisse der Schifffahrt erlangten die Phönizier grosse
Bedeutung als Handelsherren, Verwalter und Ingenieure. Sie führten die Navigation nach Gestirnen ein
und perfektionierten Ruder- und Segeltechnologie ihrer Galeeren, welche von allen seefahrenden
Mittelmeerländern übernommen wurden. Während des 7. Und 8. Jahrhunderts bauten sie zusammen mit
den Assyrern Kriegsflotten auf. In den meisten Fällen dienten die Kriegsschiffe, je nach Kurs und Ziel
als Begleitschutz. Seeräuberei war im westlichen wie im östlichen Mittelmeer und in der Ägäis
während Jahrtausenden existent. Hinzu kamen die Besitznahme neuer strategischer Stützpunkte oder
Blockade von gegnerischen Hafenanlagen.
Als seegehendes Kriegsschiff wurde vor allem die Monere (1200-750 v.Chr.) mit 15m Länge,
3.2m Breite von 3,2m und 9 Ruderern auf jeder Seite und einem Rammsporn gebaut. Im 8. Jahrhundert
kam die grössere Bireme / Diere mit 20-30m Länge, 3-4m Breite und ca. 60 Ruderern hinzu.
Als vorherrschende Seemacht wurden die Phönizier erst mit der Zerstörung von Tyros durch Alexander
den Grossen 332 v. Chr. von den Griechen abgelöst. Dennoch blieben sie als Seefahrer bedeutend, denn
sie stellten einen grossen Teil der persischen Kriegsflotte.
Griechische Monere (Wikipedia)
Griechische Triere/Trieme (lat.) (Wikipedia)
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Seefahrt von Homer bis Kleopatra, Expansion der griechischen Welt 600 - 30 v.Chr.
Nachbildung einer griechischen Pentere
Quinquireme (lat.)
(Wikipedia)
Zeitalter der Galeeren
Als beste und schnellste Galeere entwickelte sich ab 500 v.Chr. die Triere oder Trireme mit
bis zu 38m Länge, 5.5m Breite, 1m Tiefgang, 40t Ballast (Steine), 90-130t Gesamtgewicht, 150-170
Ruderer, 30 Matrosen, 20-50 Soldaten. Je nach Wellengang und Wind erreichten die Trieren eine
Geschwindigkeit von 5-7 Knoten, mit Rudereinsatz max. 10 kn. Der Wasserverbrauch pro Ruderer 8-10
l/Tag. Die Pentere, eine karthagische Weiterentwicklung der klassischen griechischen Triere, hatte eine
Länge von 40m und eine Breite von 5,5m. 310 Ruderer auf 3 Decks verteilt gaben dem Schiff eine
höhere Geschwindigkeit bis zu 10kn, das bessere Länge-Breite-Verhältnis auch eine höhere
Seestabilität.
Die Seeschlacht von Salamis 480 v.Chr. Perser gegen Griechen
Der letzte Versuch Xerxes I. Griechenland zu erobern, scheiterte 480 v. Chr. in der Seeschlacht von
Salamis und stellte den entscheidenden Wendepunkt der persischen Ausdehnung nach Westen dar.
366 griechische Trieren aus Athen und Ägina unter Kommando Themistokles standen 600 persischen
Galeeren gegenüber, Verluste: 40 griechische Trieren aber 200-300 persische Schiffe. Durch die Siege
über die Perser stieg Athen zur ersten Seemacht Griechenlands auf, die sie aber 75 Jahre später im
Verlauf des Peloponnesischen Krieges wieder verlor.
Griechische und römische Handelsschiffe
In griechischer Zeit gab es eine Reihe von Transportschiffen unter Segel, die jedoch nur dem
Namen nach bekannt sind. Das einzige identifizierbare Schiff aus dieser Zeit ist der phönizische Gaulo.
In römischer Zeit gab es eine Reihe von „navis oneraria“ genannte Hochseefrachter, von denen
lediglich zwei Typen, z.B. die Corbita bekannt sind. Die römische Corbita wurde meist ohne Ruderer
gebraucht. Sie wurde mit 25-30 m Länge, 8-10 m Breite gebaut. Je nach Grösse betrug des
Gesamtgewicht 60 bis 300 t, bei einer Ladung 100 bis 150 t. Erze oder Steine wurden im Kielraum
verstaut, darauf Handelsgüter. Das Heck war mit Balkon für Steuermann und Reisende ausgerüstet, die
Geschwindigkeit dürfte kaum 6 Knoten überstiegen haben. Diese römischen Handelsschiffe hatten zum
ersten Mal in der Geschichte der Seefahrt Sprietsegel.
Das römische Reich und ihre Galeeren 600 v.Chr. – 395 n.Chr.
Die römische Triere war etwa 34 m lang und hatte eine Breite über alles incl. Ausleger von
5,60 m und einen Tiefgang von 1m. 150 Ruderer teilten sich gleichmäßig auf je 25 pro Reihe und Seite
auf. Neben den Ruderern bestand die Besatzung aus zwölf Matrosen sowie 80-90 Seesoldaten. Zudem
konnten die Schiffe etwa 200–250 Legionäre transportiert werden.
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Römisches Handelsschiff Corbita (Wikipedia)
Römische Handelsrouten ca. 200 n.Chr. (Wikipedia)
Zeitalter der Polyeren (400 - 31 v. Chr.) war vom Bau überschwerer 11–16 rangiger
Großkampfschiffe (Hendekere, Dodekere, Triskaidekere, Pentekaidekere, Hekkaidekere)
gekennzeichnet. In der ersten ptolemäischen Epoche (330-305 v.Chr.) Ägyptens wurden Galeeren
gebaut, die gigantische Ausmaße erreichten aber auf See aufgrund schlechter Manövrierfähigkeit kaum
von grossem Nutzen waren. Eine Tesserakontere (30-Ruderreihen), gebaut um 246-221 v.Chr., war
ebenfalls ein Katamaran und hatte 1860 Ruderer und 400 Mann Besatzung bei Maßen von 90 x 50 m
Eine der grössten ptolemäische Tesserakontere (40-Ruderreihen) war als Katamaran ausgelegt und
hatte bei Maßen von 125 x 70m 4000 Ruderer, und 2800 Mann Besatzung.
Diese, für die damalige Zeit riesigen Schiffe, wurden eigentlich nur als Truppentransporter eingesetzt,
da sie für Kämpfe auf See völlig ungeeignet waren. Sie konnten auch nur aus logistischen Belangen
(Wasser und Nahrung) sowie Sicherheitsvorkehrungen vor Stürmen in Küstennähe fahren.
Ptolemäische Tesserakontere als Katamaran, 125x70m 4000 Ruderer, 2800 Mann Besatzung (Wikipedia)
Zeitalter der Liburne 31 v. Chr. - ca. Mitte des 4. Jahrhundert n.Chr.
Die Liburne war in der römischen Flotte ein leichtes, zweirangiges (mit zwei Ruderreihen versehenes)
bewegliches Kriegsschiff (Bireme). Die seit langer Zeit erste echte Seeschlacht wurde bei Kallipolis
gefochten, als der Sohn von Konstantin I., Crispus, dessen Rivalen Licinius 324 n. Chr. vor den
Dardanellen eine Niederlage beibrachte. Licinius' 200 Triremen wurden von etwa 80 Liburnen des
Konstantin vernichtend geschlagen. Danach wurden offenbar keine die Triremen mehr gebaut.
Byzantinische Liburne (Wikipedia)
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Die Kilikischen Seeräuber (2. Jahrhundert bis 67 v.Chr.)
Die Kilikischen Seeräuber waren eine von Basen im östlichen Mittelmeer operierende
Seemacht, welche vom 2. Jahrhundert v. Chr. bis zu ihrer Vernichtung durch Gnaeus Pompeius
Magnus 67 v. Chr. vor allem das östliche Mittelmeer beherrschte und lukrativen Sklavenhandel
betrieben. Nach Plutarch verfügten sie über mehr als 30.000 Seeleute auf 1000 Schiffen, hatten 400
Städte erobert, waren gut organisiert und lebten in unverschämter Prachtentfaltung. Man betrieb die
Seeräuberei auf Schiffen mit vergoldeten Segeln, purpurnen Sonnendächern auf dem Oberdeck und
versilberten Riemen. 75 v. Chr. wurde der 25 jährige Julius Caesar während einer Studienreise bei der
Insel Pharmakussa, südlich von Milet, von Piraten gefangengenommen und gegen Lösegeld
freigelassen.
21. Juli 365 n. Chr. Megabeben > 8, SW Kreta, Tsunami Verwüstung der Küsten
In unmittelbarer Nähe der südöstlichen Küste Kretas ereignete sich am 21. Juli 365 ein
Überschiebungsbeben mit einer Stärke über 8 Mw in 40-45km Tiefe während einer Phase von ca.
achtzig Jahren verstärkter seismischer Aktivität. Das Resultat waren, ohne genauere Angaben,
Zerstörungen in vielen Siedlungen Kretas (gemäss einem Schreiben des Bischofs von Alexandria)
sowie eine massive Anhebung des Südwestteiles der Insel bis zu 10m (römischer Hafen auf dem Land).
Allerdings waren die Ausmasse der Zerstörung durch Tsunamiwellen entlang der nordafrikanischen
Küste von Apollonia (Libyen) bis Alexandria, in der Südküste Zyperns, im Peloponnes (Argolis) und
im Ionischen Meer und Adria bis nach Dubrovnik gravierender.
So brandeten die Riesenwellen gegen die Stadtmauern und begruben das königliche Viertel (Portus
Magnus) und die gesamte Stadt unter sich, Schiffe (grosse Galeeren) wurden kilometerweit ins
Landesinnere gespült und tausende Bewohner ertranken, da es keine Fluchthügel gab. Das Nildelta
wurde flächenhaft verwüstet und alles Agrikulturland zerstört.
Der römische Geschichtsschreiber Ammianus Marcellinus lieferte als Augenzeuge folgenden Bericht
(Römischer Geschichte”, Buch 26,10,15-19).
Es ist anzunehmen, dass mit diesem katastrophalen Ereignis wie bei dem minoischen Vulkanausbruch
1628 v.Chr. wiederum ein grosser Teil der Schifffahrt im östlichen Mittelmeer und in der Ägäis zerstört
wurde.
Zerstörung des Nildeltas durch Tsunamis 365 n. Chr.
V. Dietrich 2010 (Immanuel Friedländer Stiftung, ETH)
Alexandria mit Pharos
Gemälde: Magdalena van de Pasee 1614 (Wikipedia)
Galeerenflotten der Vandalen im 5. Jahrhundert
Entstehung des Vandalenreichs mit der Hauptstadt Karthago im 5. Jahrhundert. Mit
Galeerenflotten überfielen die Vandalen die Küsten Italiens und Griechenlands. 460 versenkten sie bei
Cartagena die weströmische Flotte und besiegten 468 die 1113 schiffstarke oströmische Flotte. 600
Galeeren wurden durch „Brander“(durch Rammen mit brennenden kleinen „Kamikaze Galeeren“).
100 000 Soldaten waren die Opfer.
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Byzanz und die Ägäis (7. Jahrhundert - 1453, Fall von Konstantinopel)
Dieser lange Zeitraum markiert
ca. 700 Jahre Seefahrtsgeschichte und Kriege der
Glaubensrichtungen. Sie beginnt mit der Zeit der Ausbreitung des Islam nach Westen in Afrika wie
auch in Europa. In der Zeit zwischen 7. und 11. Jahrhundert waren das westliche und östliche
Mittelmeer, eingeschlossen die Ägäis, Schauplatz ständiger Seeschlachten um die Seeherrschaft
zwischen dem byzantinischen Reich und den Muselmanen. Als Reaktion und Hilfe für Byzanz reagierte
die heilige Allianz: England, Spanien und das heilige Römische Reich seit Ende des 11. Jahrhundert mit
den Kreuzzügen. Erst der Fall von Konstantinopel im Mai 1453 an die Osmanen beendete diese Kriege.
Die Osmanen wurden die Herrscher über die Ägäis.
Die Einführung des Galeerentyps der Dromone markierte den Übergang von der römischen zur
byzantinischen Marine. Dromone der “goldenen Epoche (920-950)” war 50 m lang, 7 m breit und
konnte 240 Ruderer sowie 80 Soldaten aufnehmen. Die nachfolgende grössere Galeere, Khelandion
(ab 950) wurde 80 m lang, 10 m breit und fasste über 300 Ruderer und über 100 Soldaten. Sie war mit
den ersten ballistischen Geschossen und Flammenwerfern ausgerüstet. Mit dem Novum Heckruder,
waren die Khelandien in der Manövrierbarkeit alle bisherigen Galeeren weit überlegen.
Dromone der “Goldenen Epoche) ab 920
Khelandium mit erstem Heckruder ab 950 (Wikipedia)
Venezianische Flotten (1200 – 1700), Handelsniederlassungen und Kolonien
Das venezianische Kolonialreich entstand in erster Linie auf Grund der politischen, kulturellen,
besonders aber der Handelsbeziehungen zum Byzantinischen Reich. Mit den Kreuzzügen wuchs der
Seefahrt im Mittelmeer rapide. Davon profitierten vor allem italienische Städte wie Genua und
Venedig, die es durch Transport und Handel zu Wohlstand brachten. Zahlreiche Pilger fuhren per
Schiff von Venedig ins Heilige Land. Als venezianische Kolonien (Stato da Mar, der Staat des Meeres)
wurden die von der Republik Venedig beherrschten Gebiete in der Adria und im östlichen Mittelmeer
bezeichnet. Venedig wurde als Handelsmonopole vom Hochmittelalter bis weit in das 16. Jh. im
gesamten östlichen Mittelmeerraum. Mit der Expansion des Osmanischen Reichs verlor Venedig im 16.
und 17. Jahrhundert seine wichtigsten Kolonien und verlagerte seinen Schwerpunkt nach Oberitalien,
vor allem auf das Veneto.
Ab 13. Jh. im Mittelmeerraum nur noch einen Kriegsschiffstyp, die venezianische Galeere , die im 14.
Jh. Ihren Höhepunkt erlebte. Gegen Ende des Mittelalters machte der Schiffbau in ganz Europa durch
die Einführung des Heckruders und der mehrmastigen Takelage rasante Fortschritte und als Tarida mit
einen zweiten, kleineren Mast am Heck. Im 15. Jh. dritter Mast am Bug. Alle drei Masten mit
Lateinersegel. Ab 15. Jh. Bestückung der Galeeren mit Kanonen. Beispiel: 35 m lang, 5,5m breit,
Tiefgang von ca. 2 m. 144 Ruderer bewegten mit Riemen das bis zu 140 Tonnen schwere Schiff.
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Venezianische Galeere
Venezianische Kolonien und Niederlassungen (Wikipedia)
Osmanische Seestreitkräfte 1300 - 1923 und die Herrscherdynastie der Osmanen
Das Haus Osman war die Herrscherdynastie des nach ihm benannten Osmanischen Reiches.
Begründet von Osman I., stellte es von 1299 bis 1922 die türkischen Emire und Sultane sowie von 1517
bis 1924 die Kalifen des Islams. Die osmanischen Galeeren unterschieden sich von den byzantinischen
Galeeren wenig. In späterer Zeit waren es meist Kombinationen zwischen byzantinischen, genuesischen
und venezianischen Modellen. Im 14. Jahrhundert kamen zusätzlich entsprechend portugiesischer und
spanischer Bauweise noch Koggen hinzu. Danach erschien im 16. Jahrhundert die Galeasse.
Die Geleasse war eine Kombination aus Segel- und Rudergaleere; entstanden um ca. 1570 als
Weiterentwicklung der Galeeren. Die Geleassen waren höher als Galeeren; Besegelung an drei Masten
mit Rahsegeln und je einem Lateiner-Segel. Sie waren bis zu 50 m lang und konnten 800-1200 Mann
Besatzung und Soldaten aufnehmen.
Kogge gebaut unter Sultan Bayezid II, 1480
(Wikipedia)
Drei-Deck Galleone um 1570
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Türkisch - Venezianischer Krieg, die Seeschlacht von Preveza (1538)
Khair ad-Din Barbarossa, ursprünglich algerischer Korsar, wurde dank seiner “hervorragender
Raubzüge” im Mittelmeer, zum Oberbefehlshaber der osmanischen Flotte ernannt und besiegte im
Februar 1538 die Flotte der Heiligen Liga. (Republiken Venedig und Genua, Kirchenstaat,
Malteserorden, und Spanien unter Kommando von Andrea Doria mit 162 Galeeren, 140 Barken, ca.
60.000 Soldaten). Während die Osmanen mit 122 Galeeren und ca. 20.000 Soldaten keinerlei Verluste
hatten, zerstörten sie 13 Schiffe der Hl. Liga, versenkten 30 weitere und machten 3000 Gefangene. Bis
1571 gewannen so die Osmanen die absolute Seeherrschaft und vertrieben die Venezianer aus der
Ägäis.
Die grösste Galeeren Seeschlacht von Lepanto am Eingang des Golf von Patras (7. Oktober 1571)
änderte die Situation. Es kämpften 260 osmanische Schiffe gegen 211 Schiffe der heiligen Allianz unter
Don Juan de Austria, welche 8.000 Tote und 13 Schiffe zu beklagen hatte, während der Befehlshaber
Sultan Derya Ali Pascha, zusammen mit ca. 30.000 Osmanen starben und alle Schiffen verloren: 110
Schiffe versenkt (davon 30 selbst auf Grund gesetzt) sowie 150 Schiffe von der Allianz erbeutet.
Im 17. Und 18. Jahrhundert verlor die osmanische Flotte an Bedeutung und wurden erst zu Beginn des
19. Jahrhundert wieder aufgerüstet.
Zeitalter der Galleonen (16. - 18. Jahrhundert )
Die Galeone, ein in Spanien im 16. Jh. entwickelter, meist dreimastiger Segelschiffstyp; ein
schnelles, wendiges und hochseetaugliches Kriegsschiff mit vorspringender Bugplattform. Die Masse
der Galleonen schwankten sehr von 40-60 m Länge und 10-5 m Breite und Tiefgang 5-8 m, die
Verdrängung von 600-2000 t. Immer betrug das Verhältnis von Länge über alles: Kiellänge : Breite
betrug bei den Galeonen etwa 4:3:1. Dreimastige Galeonen trugen an Fock- und Großmast Rahsegel,
am Besanmast ein Lateinersegel. Viermastige Galeonen hatten weiteres Lateinersegel am
Bonaventurmast. Die vorderen Masten trugen zudem Marssegel, die größeren auch Bramsegel.
Maximal erreichten die Galeonen 6-8 Knoten. Ihre Schwachstellen gegenüber den Galeeren waren
allerdings schwache Winde und Flauten, welche häufig zum Sieg oder Niederlage der Gefechte
beitrugen.
Die frühen Galeonen hatten meist kleinkalibrige Kanonen. Da diese noch nicht sehr treffsicher waren,
entschieden Breitseitenkollisionen und Enterkämpfe die Seegefechte. Erst gegen Ende des 16.
Jahrhunderts wurden die Galeonen mit schweren Kanonen bestückt, deren Kugeln die Schiffswände
durchschlugen. Dadurch wurden die Enterkämpfe überflüssig. In der Folge wurden die Galeonen
niedriger gebaut und erhielten eine immer stärkere Bestückung mit schweren Geschützen; z. B. eine
600 t Galleone mit 26-30 Zwölfpfünder-Kanonen.
Die Schebecke - Schnellsegler der Korsaren im 18. Jahrhundert
Korsaren waren die arabischen und maurischen Piraten der nordafrikanischen Küste mit ihren
Schebecken (ab 1750 mit Bugspriet, Klüverbaum, verlängerten Masten, Rah- und Sprietsegeln, z.T. mit
Ruderern). Länge bis zu 40 m, Breite bis 10 m und Tiefgang max. 3 m, seetüchtiger Nachfolger der
Schebecken waren als Kriegsschiffe mit 20 bis 40 Zwölfpfünder-Kanonen bewaffnet
Joanniter Schebecke Wikipedia)
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Die Fregatten (17. - 19. Jahrhundert)
Als Fregatte bezeichnete man ursprünglich eher kleinere, schlanke Kriegsschiffe seit Ende des
16. Jahrhunderts im nördlichen Europa. Charakteristisch waren eher flache Schiffe ohne hohe
Aufbauten an Bug und Heck, um die Segeleigenschaften nicht zu beeinträchtigen und um dem Wind
weniger Angriffsfläche zu bieten. Fregatten waren meist als Vollschiffe getakelt und erreichten trotz
der schweren Kanonenbestückung Geschwindigkeiten bis zu 12 Knoten (in Ausnahmen 14 Knoten).
Bei leichten Winden konnten sie schweren Linenschiffen davonsegeln. Fregatten trugen ihre Kanonen
auf einem oder zwei durchlaufenden Decks ohne Vorder- und Achterkastelle. Die ersten Fregatten
waren mit 24 oder 26 Neunpfünder-Kanonen bewaffnet. Später wurden sie durch 12-, 18- und 24pfündigen Kanonen, mit zusätzlichen leichteren Kanonen (6- oder 9-Pfünder) oder Karronaden (z. B.
18- oder 24-Pfünder) ersetzt.
Als klassisches Beispiel gilt die 1797 vom Stapel gelaufene „USS Constitution“ mit 3 Masten, 62 m
Länge (53 m KWL), 13.3 m Breite, 7 m Tiefgang und einer Verdrängung von 2200 t; einer Segelfläche
von 3968 m2; 24 × 32-Pfünder Karronaden, 30 × 24-Pfünder Kanonen und 1 × 18-Pfünder
Jagdgeschütz.
Ivan Aivazovskiy 1851
Die russischen Chernomorskiy Linienschiff-Flotte: voll rah-getakelte Fregatten
mit über 60 Kanonen auf drei Decks verteilt.
Die russischen Schwarzmeerflotten und Unabhängigkeitskampf in der Ägäis (1823 – 1860)
Ende des 17. Jahrhunderts wurde den Zaren die Notwendigkeit bewusst, eigene starke Flotten
aufzubauen, um die Vormachtstellung und Blockaden der Schweden auf der Ostsee und der Osmanen
im Schwarzen Meer zu durchbrechen. Unter der Kaiserin Katharina und in Zusammenarbeit mit der
britischen Admiralität wurde die russische Marine entscheidend verstärkt. Aber erst 1770 gelang es
Admiral Spiridows Geschwader durch Vernichtung der türkischen Flotte in der Seeschlacht von Çeşme,
die Vorherrschaft in der Ägäis zu gewinnen. Eine der stärksten Flotten waren die voll rah-getakelte
Fregatten (Linienschiffe) der Chernomorskiy Flotte mit über 60 Kanonen auf drei Decks verteilt.
Die Schlacht von Navarino am 20. Oktober 1827
Die Schlacht von Navarino im südliche Peloponnes der alliierten Flotte (England, Frankreich,
Russland) gegen die osmanische Flotte von Amir Tahir Pascha war das entscheidende Ereignis, mit
dem Griechenland nach einem jahrelangen Aufstand seine 1823 erkämpfte Unabhängigkeit vom
Osmanischen Reich erlangte. Die alliierte Flotte unter dem Kommando von Admiral bestand aus 11
Linienschiffen, 9 Fregatten und vier kleinere Schiffen. Die Ägypter und Türken hatten 11 Linienschiffe,
19 große Fregatten und 35 kleinere Schiffe. Die vereinigte osmanisch-ägyptische Flotte verlor
dreiviertel ihrer Schiffe.
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K. Volanakis, Nationalgallerie Athen
Das griechische Flagschiff “Ares” segelt feuernd durch die türkischen Fregatten
in der Schlacht von Navarino (heutiger Name Pylos) im südlichen Peloponnes
Letzte Grosssegler (19. - 20. Jahrhundert)
Unter dem Begriff Grosssegler werden alle Tiefwassersegler mit Rah- und Schratsegeln, wie z. B.
Brigg, Bark, Barkentine, Vollschiff, Gaffelschoner und Klipper zusammengefasst. Der Windjammer ist
ebenfalls ein auf hohe Wirtschaftlichkeit (Tragfähigkeit und Manovörierbarkeit) gebauter Grosssegler,
der die Klipperaera Ende des 19. Jahrhunderts ablöste. Beispiele sind die „Cutty Sark” (1869 – 1916,
entmastet am Kap der guten Hoffnung) und die “Flying-P-Liner”, wie die Viermastbark (Pamir 19051957). Die Masse: 85.6 m Länge, 11 m Breite, 6.4 m Tiefgang, 975 BRT, 3000 m2, 28 – 20 Mann
Besatzung, mit “Nanni” der Gallionsfigur, eine jungen Dame mit kurzem Hemdchen. Die Cutty Sark
war eine der schnellsten Klipper mit maximalen Geschwindigkeiten um 15-17 Knoten. Die “Pamir”,
und die “Passat” zwei der letzten grossen Handels-Segler, 1905 und 1911 von der Hamburger Werft
Bloom & Voss Blohm gebaute Viermastbark (Viermastsegelschiff aus gemietetem Stahl “Flying-PLiner”) mit 3103 t Verdrängung, 114.4 m Länge, 14 m breitet und 7.3 m Tiefgang. Es diente als
Segelschulschiff mit 86 Mann (Mannschaft, Offiziere und Kadetten).
Die Passat, gebaut 1911, war der Gewinner der letzten Regatta
der Weizenklipper 1949/1950, welche Weizen von Australien
nach England brachten. In vier Monaten erreichte die Passat
Penarth, Wales mit einer Weizenladung, die für die Mühlen des
Filmmagnaten J. Arthur Rank bestimmt war.
Die Passat im Hamburger Hafen 1958
Deutsche Jugendmeisterschaft Pirat,
1958 Hamburg, der Autor Wumme (siehe Pfeil)
National Archives UK
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Industrielle Revolution zur See, die „Segelnde Raddampfer“ (19. Jahrhundert)
Auch wenn bereits die Vorläufer von Raddampfern vor Ende des 18. Jahrhunderts auf dem
Wasser erschienen, wurde der erste wirtschaftlich erfolgreichen Raddampfer, die hölzerne „Clermont“
(North River Steam Boat) mit einer Dampfmaschine von James Watt vom Amerikaner Robert Fulton
1807 in Betrieb genommen. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Fregatten mit Dampfantrieb zusätzlich
zur Besegelung ausgestattet, um die Geschwindigkeit bei Wind zu erhöhen und um Holz und Kohle als
Feuerung zu sparen. Ab 1830 wurden sogenannte Radfregatten mit Schaufelradantrieb und einer
Zweimast-Gaffeltakelung versehen, um auch Amwindkurse zu ermöglichen. Durch die Schaufelräder
verringerte sich der Decksplatz, wodurch die Bewaffnung reduziert auf das Batteriedeck nach achtern
verlagert wurde. Ab ca. 1850 begann man die ersten Schraubenfregatten wieder mit durchgehendem
Batteriedeck zu bauen. Diese glichen bis auf den Dampfantrieb fast vollständig den Segelfregatten.
Raddampfer im Hafen von Volos
um 1900
Gemälde: K. Volanakis
(Spathari 1993)
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Das 8. Weltwunder der Sueskanal - das Tor zur Welt für die ägäische Seefahrt
Am 17. November 1869 wurde nach nur 10 jähriger Bauzeit der 162 km lange über Land
gehende Sueskanal, die Passage zwischen dem Roten Meer und dem östlichem Mittelmeer eröffnet.
Damit wurde der Kanal zum 8. Weltwunder und zum bedeutendsten Wendepunkt in der Geschichte des
weltweiten Transports und Handels zur See. Der Kanal führte zur Blüte aller Handelshäfen des
Mittelmeers in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts und hat auch heute noch die gleiche Bedeutung.
Der ohne Schleusen auskommende Kanal hat zwischen beiden Meeren maximale Tidenhubdifferenzen
bis zu 1.4 m, wodurch die Schifffahrt durch keinerlei Strömungen beeinträchtigt wird.
Das Kanalbauprojekt kann als eines der grössten Bauprojekte der Erde angesehen werden, durch die
Wüste und ohne existierende Infrastruktur bevor Baubeginn. In den ersten Jahren wurde der Transport
aller Materialien, Verpflegung und Wasser für die ägyptischen Arbeiter mit Kamelkarawanen von etwa
1800 Kamelen bewältigt. Insgesamt sollen während der zehnjährigen Bauzeit 1,5 Mio. Menschen am
Kanalbau beteiligt gewesen sein.
Der Sueskanal kann seit 2010 beladene Schiffe bis zu 240.000 Tonnen aufnehmen. Der zulässige
Tiefgang beträgt 20 m. Dies gilt für Schiffe bis zu einer Breite von 50 m; für breitere Schiffe bis zu 77
m reduziert er sich auf 3 m.
Sueskanal
in Port Said Eröffnung 17.
November 1869
(Wikipedia)
Sueskanal um 1900
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Quellenangaben
Ballard, R. D. 2004. Mystery of the Ancient Seafarers. National Geographic Society, Washington, D.C.,
256p.
Bass, G. E.1974. A History of Seafaring. London.
Casson, L. 1973. Ships and Seamanship in the Ancient World. Princeton.
Dietrich, V. J. 2001. Blütezeit und Apokalypse der Ägäis. Seemeile (Seefahrt, Nautik, Revier), Nr. 1,
Februar 2001, DaKaeLag Verlag, Herrliberg.
Dietrich, V. J. 2004. Die Minoische Katastrophe, ein Vulkan verändert die Welt. Neujahrsblatt Naturf.
Ges. Zürich 207, 149. Jahrgang.
Dudszus, A. und Köpke, A. 1995. Das grosse Buch der Schiffstypen, Weltbild Verlag GmbH,
Augsburg.
Hansen, H.J. 1966. Kunstgeschichte der Seefahrt. Kunst und Kunsthandwerk der Seeleute und der
Schiffbauer. Gerhard Stalling Verlag, Oldenburg/Hamburg.
McGrail, S. 2001. Boats of the World. From Stone Age to Medieval Times. Oxford University Press,
New York.
Spathari, E. 1993. Sailing Through Time. The Ship in Greek Art. Kapon Editions, Athens.
Wikipedia: Schiffe der Antike. Kriegsschiffe der Antike.
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Vorwort
Seit 46 Jahren bin ich der Faszination der Ägäis, ihrer Küsten und Inselwelt erlegen. In dieser Zeit
konnte ich zahlreiche wissenschaftliche Forschungen in Geologie, Vorkommen mineralischer
Rohstoffe, Vulkanologie, Naturkatastrophen, sowie über Vorhersage von Vulkanausbrüchen in vielen
Gebieten Griechenlands, aber besonders auf den Kykladeninseln, Euböa und im Dodekanes
durchführen. Vor allem verdanke ich dies einer wunderbaren Zusammenarbeit mit Diplomanden und
Doktoranden sowie Kollegen von der ETH Zürich und den Universitäten in Athen. Mehrere geologischvulkanische Karten und Spezialkartierungen der Inseln Euböa, Samotrake, Patmos, Antiparos, Aegina,
Methana, Poros, Milos, Kos, Nisyros, Santorin und Kreta resultieren aus diesen Arbeiten. Die
zahlreichen historischen Naturgefahren Griechenlands, wie Vulkanausbrüche, Erdbeben und Tsunami
lenkten mein Interesse zunehmend auf die Archäologie Griechenlands und die einzigartige
frühgeschichtliche Entwicklung der abendländischen Kultur in der Ägäis, dies ausgerichtet auf
mögliche neue Interpretationen unter Berücksichtigung von Naturkatastrophen.
Daneben bereicherte sich mein Leben während der vergangenen zwanzig Jahre, die Ägäis bei jedem
Wind und Wetter auf Segelschiffen zu durchkreuzen; von Samotrake nach Rhodos und von Hydra nach
Samos, in den Sporaden, den Kykladen und im Dodekanes. Die Erfahrungen dieser Kreuzfahrten
ermöglichen es mir heute, das Leben und die seefahrerischen Schwierigkeiten der ersten neolithischen
Bewohner der Kykladen, der Minoer, Mykener, Phönizier und Griechen nachzuvollziehen.
Dieser Beitrag soll einen kleinen Einblick über die Entwicklung der Seefahrt in der Ägäis geben.
Der Autor sein Schiff „Kallisti“