University of Tartu, 2013-14
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University of Tartu, 2013-14
Erfahrungsbericht Name: P a t r i c k, H a a s Austauschjahr: WS 13/14- SS 14 Gastuniversität: Tartu University Stadt: Tartu Land: Estland Aus Spam-Schutzgründen wird die E-Mail-Adresse nicht im Internet veröffentlicht, kann aber im Akademischen Auslandsamt erfragt werden. Das Wichtigste gleich mal vorweg: Ich kann wirklich jedem, der die Chance bekommt, sein Erasmus-Semester in Tartu zu verbringen, ruhigen Gewissens empfehlen diese auch wahrzunehmen! Man mag sich vielleicht denken, dass Estland nicht unbedingt das Land ist, welches einem als erstes als coole vorrübergehende Heimat in den Sinn kommt, aber dieser Eindruck täuscht. Und zwar gewaltig! Aber immer der Reihe nach. Es gibt verschiedene Möglichkeiten nach Tartu zu kommen. Die einfachste ist wohl, in die estnische Hauptstadt Tallinn zu fliegen und von dort mit dem Fernbus nach Tartu weiterzufahren (ca. 3Stds, 10€). Dafür gibt’s eine Website (https://www.tpilet.ee/en/timetable) mit verschiedenen Anbietern und alles funktioniert problemlos. Die meisten Busse haben (wie fast überall in Estland) kostenloses W-LAN, manche sogar ein Entertainmentsystem mit Bildschirmen und verschiedenen Filmen. Der Bus hält am Busbahnhof Tartu, welcher zu Fuß ca. 10-15 Minuten vom Wohnheim entfernt ist. Besagtes Wohnheim mag einem zwar auf den ersten Eindruck etwas schmutzig und unkomfortabel vorkommen, aber das ist nicht so dramatisch wie man am Anfang vielleicht denkt. Ich habe während meinem Aufenthalt von verschiedenen Freunden in anderen Ländern Dinge gehört, nach denen ich um das Wohnheim in Tartu wirklich froh war! Man bezahlt ca. 120€ im Monat (je nachdem wie kalt es ist, also wie viel die Heizkosten und Wasser etc. ausmachen). Internet ist da auch schon mit drin. Ich würde allerdings empfehlen, ein LANKabel mitzubringen (5-10m), da das W-LAN in vielen Zimmern nur sporadisch funktioniert. Mit dem Kabel ist es aber top. Jede Wohnung besteht aus 3 Doppelzimmern, es ist allerdings auch möglich sich für ein Einzelzimmer zu bewerben. Dieses bekommt man dann, sobald eines frei wird, kostet natürlich dann ein bisschen mehr. Des Weiteren besteht jede Wohnung aus einer Küche / Gemeinschaftsraum (1-2 Kühlschränken, 2 Herdplatten und wenn man Glück hat auch einer Mikrowelle bzw. einem Ofen), einer Dusche und einer Toilette. Ich spreche hierbei allerdings über Raatuse 22, welches das Hauptwohnheim ist. Hier finden auch die meisten Partys statt. Es gibt eine Waschküche, deren Belegung man auf einer Website nachschauen kann (http://campus.ee/tenant/selvepesulad/?lang=en) und zwei Tischtennisplatten in der Lobby. Ich kann jedem nur empfehlen im Wohnheim zu wohnen, weil man hier sofort sehr viele Leute kennenlernt und sich sehr einfach integrieren kann. Direkt neben dem Wohnheim ist ein Supermarkt, welcher täglich bis 23Uhr geöffnet hat (Achtung: Alkohol gibt es nur bis 22Uhr!) und 50m weiter ein Sandwichladen namens Metro, was ziemlich des gleiche wie Subway ist, nur billiger und einfach herrlich, wenn man nachts heimkommt, oder es einem nach dem Aufwachen nicht 100% gut geht. Die verschiedenen Gebäude der Uni sind alle zu Fuß in 10-15 Minuten erreichbar (wie übrigens fast alles, was man so braucht). Das Kursangebot würde ich als mindestens ausreichend empfehlen und die Kurse, die ich besucht hab, bestanden alle aus ca. 30 Personen. Die meisten davon Austauschstudenten, ein paar Einheimische sind aber auch immer dabei. Das Bewertungssystem ist allerdings ziemlich verschieden von dem, was ich aus Deutsc hland gewohnt war. In so gut wie jedem Kurs muss man unterm Semester eine Gruppenarbeit / -präsentation machen sowie eine allein. Dazu kommt dann manchmal ein midterm exam, manchmal auch nur ein final. Das ist so ziemlich das Minimum an Arbeit für einen Kurs, bei einigen kommt noch alles Mögliche dazu, angefangen von reading responses, über zusätzliche Präsentationen, oder auch Mitarbeit kann alles dabei sein. Wenn man dies aber alles halbwegs macht, ist es deutlich einfacher ein A oder B zu kriegen, als das in Deutschland der Fall ist. Für mich als BWL-Masterstudent war die Anerkennung der Leistungen gar kein Problem. Sobald es sich um einen 6LP Masterkurs mit halbwegs wirtschaftlichem Bezug gehandelt hat ging das problemlos klar. Die ersten Kurse sind um 8.15 Uhr (wovon ich nur abraten kann!), einige wenige als letztes um 18 Uhr. Die meisten fangen allerdings um 10.15 Uhr (v.a. donnerstags grenzwertig), 12.15 Uhr, 14 Uhr oder 15.45 Uhr an und dauern alle ganz normal 1,5 Stunden. Zu den meisten Universitätsgebäuden läuft man über den zentralen Rathausplatz. Das ist ganz praktisch, weil dort logischerweise auch sehr viele Restaurants sind. Fast alle Restaurants in Tartu haben ein Tagesangebot, welche zwischen 3,50€ und 4€ kostet. Leitungswasser ist fast immer inklusive und man wird davon eigentlich auch fast immer satt. Aber Achtung, man mag zwar denken, dass Estland generell super billig ist, doch das stimmt nicht ganz. So wirklich genau beurteilen kann ich zwar die Lebensmittelpreise in deutschen Supermärkten nicht, allerdings hatte ich das Gefühl, dass die Kosten in den estnischen Supermärkten relativ vergleichbar sind. Ein Liter Saft kostet je nach Art und Rabattaktion zwischen 50Cent und 1€, ein Sixpack Bier im Angebot ca. 4,50€, Nestea im Angebot ca. 1,10€ (Normalpreis 1,30€) und der billigste Wodka ca. 5€ (allerdings 0,5l). In den meisten Bars kostet das (estnische) Bier zwischen 2€ und 2,50€, Shots sind meistens auch so ca. für den Preis zu haben. Bei Mixgetränken wird’s dann auch schnell mal n bis schen teurer. Leitungswasser ist aber auch hier meistens gratis (auch wenn man das nur sehr selten in Anspruch nimmt). Zigaretten kosten je nach Marke zwischen 2,70€ und 3,50€. Um die Sprachkenntnisse muss man sich wirklich keine Sorgen machen. Natürlich spricht so gut wie kein Austauschstudent auch nur ein einziges Wort estnisch, aber das macht auch nichts. Eine der faszinierendsten Dinge über Estland ist, dass wirklich so gut wie jeder ausreichend Englisch spricht, um sich zumindest halbwegs verständigen zu können. Das fängt an bei der Kassiererin im Supermarkt, über die Friseurin und die Bedienung im Restaurant / der Bar bis hin zu zufälligen Leuten auf der Straße, welche man nach dem W eg fragt. Und ich spreche hier nicht nur über Leute im Studentenalter! Man kann die 60 jährige Supermarktkassiererin nach Zigaretten fragen und in 90% der Fälle versteht sie einen. Und wenn nicht hilft der Typ hinter einem in der Schlange aus. Wirklich unglaublich! Außerdem steht auch fast alles zusätzlich auf Englisch angeschrieben. Jetzt mögen manche evtl. leichte Panikattacken auf Grund ihres Englischniveaus bekommen, doch das ist völlig unbegründet. Zum einen sind die Englischkenntnisse deutscher Studenten im Vergleich zu anderen Ländern generell sehr hoch und zum anderen gewöhnt man sich daran wirklich sehr schnell. Spätestens nach 2 Wochen ist das gar kein Problem mehr! Nichtsdestotrotz kann ich jedem nur empfehlen sich für die EILC Sprachkurse direkt vor Semesterbeginn zu bewerben. Dies hat mehrere Vorteile: Erstens kriegt man hierbei in 2,5 (teilweise schon anstrengenden, aber auf jeden Fall lustigen) Wochen die Grundkenntnisse der Sprache vermittelt, sodass man zumindest sein Essen im Restaurant in der Landessprache bestellen kann. Zweitens sind im Programm des Kurses viele Ausflüge, die fast alle kostenlos sind und sich wirklich lohnen, weil man schon einiges vom Land sieht und auch Spaß zusammen hat. Und drittens, und das ist meiner Meinung nach das Wichtigste, lernt man so schon ganz zu Beginn des Aufenthaltes 15-20 Leute aus allen möglichen Ländern kennen. 4 meiner 5 besten Freunde des Semesters habe ich bereits im EILC-Kurs kennengelernt. Letzteres gilt natürlich nur für den Fall, dass man den Kurs in Tartu macht. Andernfalls teilen sich die Teilnehmer auf mehrere Universitäten auf und man verliert sich ziemlich schnell aus den Augen. Zusätzlich kann man natürlich auch Estnisch auf allen möglichen Niveaus als ganz normalen Kurs über das Semester an der Uni belegen. Das sind relativ einfache Leistungspunkte, für die man allerdings auch 2x die Woche Kurs hat und jedes Mal Hausaufgaben machen muss, also ein bisschen Aufwand steckt da schon auch dahinter. Was ein bisschen schade ist, ist dass man kaum mit Einheimischen in Kontakt kommt. Die meisten Esten sind sehr zurückhaltend und schüchtern. Man ist fast ausschließlich mit anderen Austauschstudenten zusammen, was aber auch kein Problem ist. Und wenn man sich ein bisschen Mühe gibt, kommt man durchaus auch mit Esten in Kontakt, meistens im Wohnheim oder eben beim Weggehen. Wenig überraschend ist Estland als ziemlich nördlich gelegenes Land auch relativ kalt. Ich hatte letztes Jahr das Glück, Anfang August noch ein paar Wochen richtigen Sommer zu erleben. Es ist jetzt nicht so, dass es nur regnet und sau kalt ist, aber zwischen Oktober und Mai kann es schon immer mal schneien. Zwischen November und April ist es fast ausschließlich grau und relativ dunkel, aber daran gewöhnt man sich auch. Dafür, dass es so grau und ungemütlich ist hat es immerhin erstaunlich wenig geregnet. Auch der Winter war weniger schlimm als ich es befürchtet hatte, aber trotzdem gab es 2 Wochen mit minus 20°. Schnee liegt zwar auch meistens im Winter, aber es schneit trotzdem nicht allzu viel. Das kann aber natürlich auch die Ausnahme gewesen sein. Im Sommer ist es dafür sehr lange hell, die Sonne geht ca. um Mitternacht unter und ab halb 3 so langsam wieder auf. Das ist natürlich erstmal sehr ungewohnt, aber doch irgendwie lustig. Tartu hat ca. 120.000 Einwohner, wovon ca. 20% Studenten sind. Und das merkt man auch! Es gibt fast überall Studentenrabatte und es sind einfach auch sehr viele junge Leute auf den Straßen. Fast alles kann man zu Fuß problemlos erreichen und es fehlt einem an nichts. Durch das Wohnheim und die vielen Events der sehr engagierten ESN Leute lernt man wirklich schnell eine ganze Menge Leute kennen, so dass einem eigentlich nie langweilig wird. Es gibt zwar auch viele verschiedene Bars, allerdings landet man dann doch meistens in den gleichen wenigen. Das ist aber auch gar nicht schlimm, weil es trotzdem immer lustig ist und Spaß macht. Ein paar Empfehlungen zum Weggehen gibt’s zum Schluss auch noch: Die absolute Stammbar ist Möku, welche sich in der Hauptbarstraße (Rüütli street) mitten im Zentrum befindet. Hier trifft man immer viele Austauschstudenten, aber auch ein paar Esten. Besonders hervorzuheben sind die wirklich netten und coolen Barkeeper Kaarel, Sille und Kristina. Falls ihr die antrefft bestellt einen Mintu und sagt ihnen es ist eine persönliche Empfehlung von Patrick aus Deutschland, die müssten dann schon Bescheid wissen. Und wenn ihr Glück habt geben sie ihn euch sogar aus. Möku ist Teil des sogenannten Bermuda Triangles, welches aus Möku, Kiwi und Trepp besteht (alles 3 sind Bars). Wie bereits erwähnt ist Möku aber mit Abstand am besten besucht, aber da die 3 Bars im Umkreis von 10m liegen ist das eigentlich egal. Wenn man aufs Klo muss würd ich allerdings Kiwi empfehlen, da ist es sauberer und man steht auch weniger lang an. Weiter geht’s mit Shooters. Das ist eine Mischung aus Bar und Club. Ich würde empfehlen hier entweder zum Vorglühen zu gehen (günstige Gruppenshots), oder um die Nacht vernünftig ausklingen zu lassen. Möku usw. schließen um 3Uhr, Shooter erst gegen 5 und ist ca. 5-10 Minuten Fußweg entfernt. Als letztes noch ein paar Infos zur Clubszene Tartus. Shooters hab ich ja grad schon erwähnt, daneben gibt’s noch 3 Clubs. Zum einen Club Atlantis, wo man mit der ESN-Card (die ich wirklich, WIRKLICH jedem empfehle, auch wenn sie 10€ kostet. Das hat man spätestens nach dem ersten Monat wieder drin) immer freien Eintritt hat. Die Getränkepreise sind relativ ähnlich zu deutschen Preisen. Praktisch ist, dass Atlantis direkt auf dem Rückweg von Rüütli street liegt, also kann man immer noch auf einen kurzen Abstecher vorbeischauen. Ich würde allerdings empfehlen, dort nur hinzugehen, wenn man in einer Gruppe ab 5-6 Personen unterwegs ist. Darunter macht es meistens nicht so viel Spaß. Dann gibt’s noch Club Illusion, welcher ein bisschen abgelegener ist. Dort hat es nicht viele von uns regelmäßig hinverschlagen, weil es erstens teurer ist als fast überall anders und zweitens dort kaum Austauschstudenten sind. Ab und zu sind dort Special Events, zu denen man dann doch dort hingeht, jedoch bleibt dies meistens die Ausnahme. Und zu guter Letzt noch das Wichtigste: Mittwoch ist Club Tallinn Tag! Club Tallinn ist zwar ein ziemlich heruntergekommener Club und jeder Einheimische wird euch davon abraten, dort hinzugehen, aber glaubt mir, es lohnt sich! Jeden Mittwoch hat man mit der ESN-Card bis Mitternacht freien Eintritt und jedes Getränk kostet 1€! Ganz im Ernst, verbreitet die frohe Kunde und führt die Tradition weiter: Mittwoch ist Club Tallin Nacht! Also ich hoffe, ich konnte euch ein bisschen bei eurer Entscheidung weiterhelfen. Wie gesagt, ich kann jedem nur ganz dringend empfehlen, Tartu auf die Liste der Austauschstädte zu setzen! Keiner, den ich dort getroffen habe, hat es auch nur ansatzweise bereut, auch wenn die meisten anfangs skeptisch waren. Es entwickelt sich ein unglaublicher Zusammenhalt aus allen möglichen Nationalitäten, weil man alle ständig auf Partys etc. trifft und jeder einfach nur ein unglaubliches Semester dort verbringt. Und da hab ich aus anderen Ländern auch ganz andere Storys gehört… Also wie gesagt, geht nach Tartu, überzeugt euch selbst, ich würde es jederzeit und sofort wieder machen!