Porträt_MRP-Traeger_Abel_Barrera_Tlachinollan_Guerrero
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Porträt_MRP-Traeger_Abel_Barrera_Tlachinollan_Guerrero
AMNESTY INTERNATIONAL Sektion der Bundesrepublik Deutschland e. V. Postfach 58 01 61 . 10411 Berlin HAUSANSCHRIFT Greifswalder Straße 4 . 10405 Berlin KONTAKT Pressestelle . T: +49 30 420248-306 . E: [email protected] F: +49 30 420248-330 . W: www.amnesty.de PRESSEINFORMATION ABEL BARRERA UND DAS ZENTRUM TLACHINOLLAN: TRÄGER DES 6. MENSCHENRECHTSPREISES VON AMNESTY INTERNATIONAL IN DEUTSCHLAND „WIR WISSEN, WAS UNGERECHTIGKEIT IST UND DASS WIR ETWAS DAFÜR TUN MÜSSEN, DASS SO ETWAS NIE WIEDER GESCHIEHT.“ ABEL BARRERA Abel Barrera Hernández – Mitbegründer und Leiter des Menschenrechtszentrums Tlachinollan – engagiert sich seit vielen Jahren für die Rechte der indiginen Gemeinden im mexikanischen Bundesstaat Guerrero. Tlachinollan recherchiert und dokumentiert unter anderem Fälle von „Verschwindenlassen“ und Übergriffe durch das Militär. Trotz des grossen persönlichen Risikos kämpfen Barrera und die Tlachinollan-Mitarbeiter friedlich und unermüdlich für die Rechte der Menschen in dieser ausgegrenzten und extrem armen Region und für ein Ende der strukturellen Menschenrechtsverletzungen. Amnesty International in Deutschland zeichnet Barrera und das Zentrum Tlachinollan dafür mit dem 6. Menschenrechtspreis aus. Die Verleihung findet am 27. Mai 2011 in Berlin statt. Barrera wird den Preis beim „Fest für die Menschenrechte“ zum 50. Jubiläum der Gründung der Menschenrechtsorganisation im Haus der Kulturen der Welt entgegennehmen. „Barrera und die Tlachinollan-Mitarbeiter setzen sich unermüdlich und unter gefährlichen Bedingungen für die Rechte der Indigenen ein. Dank der strategischen Arbeit wirkt Tlachinollan über Guerrero hinaus und trägt zur Stärkung der Menschenrechte in ganz Mexiko bei“, begründet Amnesty die Auszeichnung. Zur Person Barrera wurde am 10. April 1960 in Tlapa de Comonfort im mexikanischen Bundesstaat Guerrero geboren. Mit 13 Jahren schickten ihn seine Eltern aufs Priesterseminar, dann folgten Studienjahre in Mexiko-Stadt. Nach Abschluss eines Theologie- und eines Anthropologiestudiums kehrte er 1991 in seine Heimat zurück. In den Folgejahren machte er anthropologische Untersuchungen in indigenen Gemeinden der Bundesstaaten Puebla, Veracruz und Guerrero. 1994 gründete er mit fünf Mitstreitern das Menschenrechtszentrum Tlachinollan. Sechs Jahre lang war die Organisation im Hotel von Barreras Vater untergebracht, bis sie in ein neues Gebäude umzog. Heute hat das Zentrum 25 Mitarbeiter. Barrera hat zahlreiche Artikel und Forschungsarbeiten über Geschichte, Mythologie und Kultur sowie Menschenrechtsverletzungen an indigenen Völker veröffentlicht Seit 50 Jahren leisten gewöhnliche Menschen Außergewöhnliches. Amnesty International, die größte Menschenrechtsorganisation der Welt, kämpft gegen Unterdrückung, Gewalt und Folter. Zum 50jährigen Jubiläum lädt Amnesty zum Mitmachen ein. So heißt es am 28. Mai und am 10. Dezember 2011 in Berlin und das ganze Jahr bei etwa 200 Veranstaltungen bundesweit: Sei dabei. Mit Deiner Unterschrift. Deiner Spende. Deinem Einsatz. www.50Jahre.amnesty.de PRESSEINFORMATION SEITE 2 / 2 Die Arbeit von Barrera und Tlachinollan Tlachinollan recherchiert, dokumentiert und veröffentlicht Menschenrechtsverletzungen und bietet Opfern Rechtsbeistand sowie psychologische Betreuung. Mehrere Fälle von Vergewaltigung und Misshandlung durch Soldaten haben die Anwälte des Zentrums bereits bis vor den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte gebracht – so zum Beispiel die Fälle von Inés Fernández Ortega und Valentina Rosendo Cantú. Férnandez und Rosendo, zwei Frauen vom Volk der Me’phaa, waren von Soldaten der mexikanischen Armee vergewaltigt worden. Tlachinollan brachte die Fälle zunächst vor mexikanische Gerichte, dann bis vor den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dieser fällte im Oktober 2010 ein Urteil zugunsten der Klägerinnen: Die Richter verurteilten Mexiko zur Entschädigung. Sie erkannten Vergewaltigungen als Folter an und stellten fest, dass die Ureinwohner in Guerrero Opfer „institutionalisierter Verfolgung“ durch die Streitkräfte sind. Mexiko wurde zudem verpflichtet, die Verfahren gegen die Soldaten von der Militär- an die Ziviljustiz zu übergeben. Doch auch nach dem Urteil leben die Frauen in Angst. Auch Barrera und seine Mitarbeiter erhalten immer wieder massive Drohungen. 1998 erhielt Barrera Todesdrohungen wegen der Verteidigung von „Verbrechern“ (in Mexiko ein geläufiger Ausdruck für Menschenrechtsaktivisten). 2001 ließen ihn Unbekannte wissen, „dass es Menschen gibt, die versuchen einen Killer zu engagieren, um dich zu töten“. Vor dem Zentrum Tlachinollan wurden Leichen von Lehrern aufgefunden, die gefoltert und ermordet worden waren. Bis Anfang 2009 unterhielt die Organisation auch ein Büro in der Küstenregion Costa Chica, das jedoch wegen Drohungen geschlossen werden musste. Keine Drohung, keine Folterung, kein Mord ist bisher aufgeklärt worden. Keine Anzeige führte je zu einer strafrechtlichen Verfolgung. Zur Begründung hieß es meist, die Drohungen seien nur kleinere Vergehen. Menschenrechtsverletzungen in Guerrrero Das Bergland und die östliche Küstenregion von Guerrero sind eine extrem marginalisierte und hoch militarisierte Region. Indigene machen 17 Prozent der Bevölkerung und leiden unter ständigen Menschenrechtsverletzungen durch Polizei, Militär und Behörden. In ihrem Entwicklungsstand vergleichen die Vereinten Nationen die Region mit afrikanischen Staaten wie Ruanda oder Mali. Fehlende Infrastruktur, extreme Armut, Analphabetismus und Unterernährung bei Kindern prägen die ländlichen Regionen. Obwohl die meisten Bauern noch ihren traditionellen Anbaumethoden folgen, sind auch sie teilweise dem Einfluss rivalisierender Drogenkartelle ausgesetzt. Die Drogenbanden versprechen den Bauern lukrative Geschäfte, die das Zehnfache des Anbaus von Mais oder Bohnen erwirtschaften sollen. Tlachinollan fördert deshalb den alternativen Anbau von Grundnahrungsmitteln oder anderen marktfähigen Produkten, um die Bauern vor der drohenden Abhängigkeit zu schützen. Je stärker Indigene ihre grundlegenden wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte einfordern, desto mehr geraten sie mit den Behörden in Konflikt. Sie werden kriminalisiert, verfolgt, schikaniert und bedroht. Mitglieder von indigenen Bewegungen werden als Mitglieder des organisierten Verbrechens und von Drogenkartellen oder als Sprachrohr der Guerilla diffamiert. Politisches und soziales Engagement führt oft zu Drohungen, Verhaftungen und Übergriffen bis hin zu Folter und Mord.