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EUROBIKE Die Bodenseeparty geht weiter Konjunktur hin oder her: die Veloindustrie gab sich an der Eurobike in Friedrichshafen am deutschen Bodenseeufer euphorisch wie eh und je. Die Messe registrierte neue Rekordzahlen. Mit einem neuen Eurobike-Award werden Design, Qualität, Innovation und Funktionalität ausgezeichnet. Peter Hummel (Text und Fotos) Chill-out am Messe-See: Die Partylaune ist an der Eurobike fester Bestandteil des Geschäfts. 30 | 5/2005 velojournal Der Eurobike scheinen die Bäume in den Himmel zu wachsen, und die Euphorie war dieses Jahr schier grenzenlos. Starker Motor waren immer noch die Innovationen, über deren Stellenwert gabs unter den Marktkennern allerdings geteilte Meinungen: Während die einen – wie in jedem Jahr – mäkelten, es gebe keine echten Neuheiten, wiesen die andern auf Weiterentwicklungen letztjähriger Neuheiten hin. Als Beispiel sei hier die Federung genannt, wo «mitdenkende» Systeme letztes Jahr als absolute Neuheit gefeiert wurden. Firmen wie German A. mit ihrer elektronischen Fahrwerkssteuerung verfeinern diese Technik nochmals. Ein anderes wichtiges Thema war Carbon – der sich immer breiter durchsetzende Leichtbau. Firmen, die sich frühzeitig damit auseinander gesetzt haben, konnten ihre Stellung deutlich ausbauen, darunter Storck und Scott. Mit dem ersten Carbon-Enduromodell Ransom setzt Scott 2006 einen weiteren Meilenstein. Bemerkenswert ist, dass neben Scott (die Firma wird allerdings als internationale Marke wahrgenommen) ein weiteres Schweizer Unternehmen an der Spitze der Entwicklung mitmischt: BMC holte mit der Pro Machine SLC01 beim EurobikeAward eine Gold-Auszeichnung. Bei diesem Rennrad wurde erstmals die so genannte CNT Nanotechnologie eingesetzt: Dank mikroskopisch kleine Moleküle erhält der Carbonrahmen eine bisher unerreichte Festigkeit. Auch mit der Time Machine TT02, dem bis ins Detail aus Carbon gefertigten Zeitfahrervelo, holte sich BMC einen Award. Viel beachtet war auch die T-Flyer-Premiere von Biketec. Diese Hersteller vermochten einige prominente Schweizer Absenzen wettzumachen: velo.com (in den letzten Jahren dank kreativer Stände stets ein besonderer Blickfang) und Bixs verzichteten auf die Messeteilnahme Sie werden sich künftig ganz auf den Schweizer Fachhändlermarkt konzentrieren. Aus dem gleichen Grund brachte auch Trek seine Villiger-Kollektion nicht mit nach Friedrichshafen. Dafür hatte eine neue Schweizer Marke ihren Erstauftritt: Genetix, ein in aller Stille entstandener Kleinsthersteller, der seit letztem Jahr in Muttenz Mass-Rennräder von A bis Z produziert – ein erstaunlicher Kontrapunkt im seit Jahren schrumpfenden Velo-Werkplatz Schweiz! Lorbeeren fürs Design Die Eurobike hatte auch einen neuen Blickfang: Zur Auszeichnung von gutem Velodesign wurde 1| SCHWEIZER PREISTRÄGER: • BMC Trading AG, Grenchen: Pro Machine SLC01 (Gold-Award). • Erox AG, Zürich: Erox Zipper. 250 Gramm leichter Radschuh für Triathlon mit einhandbedienbarem Reissverschluss (SilberAward). • BMC Trading AG, Grenchen: Time Machine TT02. • Christian Eschler AG, Bühler: ZweilagenJersey mit Bodymapping-Struktur. • Gebrüder Pletscher AG, Marthalen: Zoom, Mittelbaustütze aus Aludruckguss und glasfaserverstärktem Kunststoff. dieses Jahr erstmals der Eurobike-Award vergeben. Die Hersteller scheinen darauf gewartet zu haben, gab es doch seit dem Shimano Design Contest, der bis 1997 fünfmal vergeben wurde, keine Qualitätsprämierung mehr. Neben Design zeichnet der Eurobike-Award Qualität, Innovation und Funktionalität in neun Kategorien aus. Umgesetzt wurde der Award von iF International Forum Design in Hannover. In der Jury sassen Industrievertreter (Hans van Vliet, Shimano; Gerald Röckl, Gore), Designfachleute (Fritz Frenkler, Peter van der Veer) und Chefredaktoren der Fachpresse. Inflationäre Preisverteilung 210 Modelle und Komponenten wurden für den Eurobike-Award nominiert. Unter den Gewinnern waren neben dem erwähnten Nanobike von BMC auch das bereits an der ISPO prämierte Microlicht Frog. Die Nominationen und Preisvergaben liessen allerdings Fragen offen, denn an der Eurobike waren Zehntausende von Produkten ausgestellt, und schliesslich waren es gleich mehrere Bikefirmen, die mehrfach mit dem neuen Award ausgezeichnet wurden. Kommt dazu, dass die Auszeichnungen inflationär vergeben wurden: Mit 54 Preisen wurde ein Viertel der Nominierten zu Gewinnern erkoren. Irritierend war schliesslich, dass die Gewinner schon zwei Wochen im voraus bekannt gegeben wurden. So konnten die Prämierten munter Pressemitteilungen verbreiten, ohne dass Redaktionen, geschweige denn das Publikum diese Sieger-Flut einordnen konnten. Trotzdem: Wenn der Eurobike-Award nun jährlich vergeben wird, könnte er an Bedeutung gewinnen und zu einem begehrten Gütesiegel heranwachsen. ■ 2| 3| 4| BIKE-MARKT-«BLASE»? 1| Partylaune nach Messeschluss. 2| Tret-Rolls:City-Prototyp von Koga. 3| Sex sells, auch an der Eurobike. 4| Kanten sind in – das neue Birdy. 5| Award-Preisträger als Inspiration für die Konkurrenz? 31 | 5/2005 velojournal Mit 804 Ausstellern (plus fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr) war die Eurobike in Friedrichshafen am deutschen Bodenseeufer Anfang September grösser denn je. Die Standfläche betrug 39 054 m2 (plus sieben Prozent), und mit über 30 000 FachbesucherInnen wurde hier ein Zuwachs von gar zehn Prozent ausgewiesen. Dieser anhaltende Boom schien selbst Eurobike-Promotor Erich Reiss – er rechnete schon seit drei Jahren mit einem Ende der Expansion – nicht ganz geheuer zu sein. Der Boom erinnere ihn an die geplatzte «Dot-Com»-Blase, meinte er am Rande der Messe. Denn für den ungebrochenen Boom und Optimismus fehle der wirtschaftliche Hintergrund: Komponentenhersteller beklagen weltweit Minderverkäufe von zehn bis zwanzig Prozent, und in Deutschland erwartet die Velobranche für 2005 einen Umsatzrückgang von fünf Prozent. Insbesondere die grossen Firmen stagnieren seit Jahren und können nur dank Zusatzgeschäften in den Bereichen Fitness und Tourismus ihre Positionen knapp halten. 5| EUROBIKE Detailevolution statt Massenrevolution An der diesjährigen Eurobike standen vor allem Verbesserungen und schöne Details im Mittelpunkt. Ein neuer Velotrend für die Massen ist noch nicht bereit, doch stehen schon einige Anwärter in den Startlöchern. Nachfolgend eine Auswahl der besten Produkte und schönsten Neuheiten. 1| IN ZUKUNFT 20 ZOLL? Sie sind in Japan seit Jahren ein Verkaufsrenner: Minibikes mit kompakten 20-Zoll-Rädern. Die kleinen Modelle beschleunigen dank angepasster Übersetzung leicht auf ein zügiges Tempo. Dazu lassen die kleinen Laufräder den Konstrukteuren mehr Freiheit bei der Gestaltung des Rahmens. Dahon präsentierte mit dem HammerHead einen der grossen Hingucker der Eurobike: Das Velo wird vom Hersteller als Kompaktrenner bezeichnet, wohl wissend, dass sein Terrain vor allem die Städte sind, wo die Vorteile der Mininikes am besten zum Tragen kommen. Auch wenn das HammerHead kein Faltvelo im engeren Sinn ist, lassen sich Lenker und Pedalen einfach entfernen, wodurch das Gefährt flach wie eine Flunder wird und prima in den Kofferraum, hinter den Schrank oder unters Bett passt. 2| SPEED IM GETRIEBE Ist das die Antriebstechnik der Zukunft? – Der amerikanische Bikehersteller GT bringt als erster grosser Velohersteller ein Getriebebike in die Geschäfte. Das Besondere: Die 8-Gang-NexusSchaltung von Shimano sitzt nicht wie gewohnt im Hinterrad, sondern im Rahmendreieck, direkt über der Tretkurbel. Das spart Gewicht am Hinterbau und lässt die Federung feiner ansprechen. Wippen beim Treten soll dank der neuartigen Konstruktion kein Thema mehr sein. Vorerst gibt es die neue Technik erst am downhill-orientierten Modell iT1 mit bis zu 22 cm Federweg am Hinterrad. Sobald die Technik aber leichter wird, könnten auch universell einsetzbare Mountainbikes folgen. 1| 3| LAUFRÄDER FÜR DIE JUNGEN WILDEN Damit können es die Kids so richtig krachen lassen. Mit Ballonreifen, robustem Aluminiumrahmen, hochwertigen und leichten Komponenten sowie einer Hinterradfederung hat das neue Likea-bike-Modell alles, was es braucht. Mitgeliefert werden zwei verschieden lange Sattelstützen und unterschiedlich weiche Federelemente. So passt das Laufrad über ein paar Jahre, und die Kinder werden noch damit rumdüsen wollen, wenn sie schon längst richtige Velos fahren können. Das trendige, neue Like a bike Jumper aus Alu ist ein Gegensatz zum klassischen, aber vielleicht doch etwas braven Holzmodell des Like-a-bike-Herstellers Kokua. 4| LEICHTGEWICHT DER TREKKINGKLASSE Der österreichische Hersteller Simplon bringt als erster Velofabrikant ein voll ausgerüstetes Trekkingbike mit Carbonrahmen auf den Markt. Das Nanolight K2 spielt in einer Gewichtsklasse, die noch vor zehn Jahren den Rennrädern vorbehalten war. Gerade mal 11,6 Kilo wiegt das komplett mit Nabendynamo, Ständer und fest montierten Schutzblechen ausgestattete Velo. Vom Fahrer verlangt das Simplon aber kaum Einschränkungen: Es ist für 125 Kilo Fahrergewicht und Gepäck freigegeben. Als sportliches Strassenwiesel lässt sich das Nanolight auch ohne City-Kit, dafür mit Rennradkomponenten bestellen. 5| SCHÖN UND GRELL Bislang haben Akkulichter der deutschen Firma Supernova auf Mountainbike-Trails die Nacht zum Tag gemacht. Nun gibts den hellen LED- 2| 6| 32 | 5/2005 velojournal Fotos: Peter Hummel, zVg Marius Graber, Urs Rosenbaum WEBLINKS www.bmc-racing.com www.likeabike.de www.dahon.com www.gtbicycles.com www.schwalbe.de www.simplon.at www.supernova-lights.com www.flyer.ch Scheinwerfer auch passend zum Nabendynamo. Mit der superstarken Leuchtdiode soll der Dynamoscheinwerfer nach Herstellerangaben neue Massstäbe in der Ausleuchtung setzen. Bezüglich Design tut er es auf alle Fälle: Das runde kleine Aluminiumgehäuse des Scheinwerfers und der robuste, vielseitig verstellbare Aluminiumhalter sind sachlich, schlicht und minimalistisch gehalten und setzen sich auffällig unauffällig in Szene. Das dazugehörende Gepäckträgerrücklicht besteht einzig aus einem mit drei roten LEDs besetzten Aluminiumprofil. Kleiner gehts nicht. 6| NEUER GUMMI FÜR TOURENFLITZER Mit dem Marathon Racer setzt Schwalbe einen auffälligen Kontrapunkt zu den komfort- und sicherheitsorientierten Pneu-Neuheiten der letzten Jahre. Das jüngste Kind der Marathon-Familie ist als schneller Sportreifen konzipiert. Für besonders geringen Rollwiderstand sorgt die elastische Gummimischung, welche aus dem Rennvelosegment übernommen wurde, sowie die flexible, dünne Seitenwand. Mit seinen 370 Gramm bei 30 Millimetern Breite ist der Reifen zudem sehr leicht – ein idealer Pneu für sportliche Tourenfahrer und Velokuriere. Den Marathon Racer gibt es für 26- und 28-Zoll-Räder. Zum 20. Geburtstag der Schwalbe-Serie wird der beliebte klassische Marathon ebenfalls herausgeputzt und kommt mit einer neuen Optik daher. 7| VIELSEITIGES REISEVELO Auf dem Weg zum Komplettanbieter nimmt BMC im kommenden Jahr erstmals ein Reisevelo ins Sortiment auf. Der eigens dafür entwickelte 3| 7| 4| 8| Alurahmen bietet eine langstreckentauglich bequeme Sitzposition und Befestigungsmöglichkeiten für alle wünschbaren Ergänzungen. Das Cargo ist wahlweise mit der X-9 Kettenschaltung von Sram oder der Rohloff-Getriebenabe erhältlich. Mit Maguras Felgenbremse, disc-tauglichen 26-Zoll-Rädern und einem nicht integrierten Steuersatz zeigt sich das neue Modell auch bei der übrigen Ausstattung auf der sicheren Seite. Zahlreiche Optionen wie beispielsweise blockierbare Federgabel, integrierter Hinterbauständer oder Mehrpositionslenker lassen keinen Wunsch unerfüllt. Durchdachte Details wie beispielsweise der Tretlager-Exzenter für die Rohloff-Nabe zeigen die Entwicklungskraft des Grenchner Veloherstellers. 8| SORGENFREIE ELEKTRO-TOUREN Genussorientierte FreizeitfahrerInnen mit etwas sportlichen Ambitionen werden das neue schweizer Elektrovelo schätzen: Der neue Flyer T verbindet die leichte, unkomplizierte Technik des C8+ mit der sportlichen Sitzposition der F-Serie. In der Achtgang-Version hilft der Motor bis 25 km/h mit, bei 24 Gängen bläst der elektrische Rückenwind bis zu 35 km/h. Dank verbessertem Motor und leistungsfähigerer Batterie soll die Reichweite bis zu sechzig Kilometer betragen. Das Gewicht beträgt je nach Ausführung maximal 25 Kilogramm. Ein serienmässig werkzeuglos höhenverstellbarer Vorbau, Federung und speziell starke Reifen ermöglichen, dass Flyer-Fahrende mit dem T-Modell die komfortable Fahrt geniessen können, ohne viele Gedanken an die Technik zu verschwenden. ■ 5|