PV 1958 - 11/12
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PV 1958 - 11/12
POLITISCHE VERANTWORTUNG EVANGELISCHE STIMMEN Herausgegeben von Dr. Adolf Arndt MdB., Bonn; Professor D. Hermann Diem, Tübingen; Bundesminister a. D. Dr. Dr. Gustav W. Heinemann MdB,, Essen; Lic. Karl Immer, Duisburg; Professor D. Hans-Joachim !wand, Bonn; Heinz Kloppenburg DD., Dortmund; Professor Dr. Karl Kupisch, Berlin; Staatsminister a. D. Ludwig Metzger MdB., Darmstadt; Johannes Rau MdL., Wuppertal; Adolf Scheu, Wuppertal; Professor D. Ernst Wolf, Göttingen. 2. Jahrgang November/Dezember 1958 Nr. 11/12 Friede auf Erden „Friede auf Erden", das ist kein Problem, sondern ein mit der Erscheinung Christi selbst gegebenes Gebot. Zum Gebot gibt es ein doppeltes Verhalten: den unbedingten, blinden Gehorsam der Tat oder die scheinheilige Frage der Schlange: „Sollte Gott gesagt \ haben?" Diese Frage ist der Todfeind des Gehorsams, ist darum der Todfeind jeden echten Friedens. Sollte Gott nicht die menschliche Natur besser gekannt haben und wissen, daß Kriege in dieser Welt kommen müssen wie Naturgesetze? Sollte Gott nicht gemeint haben, wir sollten wohl vom Frieden reden, aber so wörtlich sei das nicht in die Tat umzusetzen? Sollte Gott nicht doch gesagt haben, wir sollten wohl für den Frieden arbeiten, aber zur Sicherung sollten wir doch Tanks und Giftgase bereitstellen? Und das scheinbar Ernsteste: Sollte Gott gesagt haben: „Du s~llst Dein Volk nicht schützen?" Sollte Gott gesagt haben: „Du sollst Deinen Nächsten dem Feind preisgeben?'' Nein, das alles hat Gott nicht gesagt, sondern gesagt hat er, daß Friede sein soll unter den Menschen, daß wir ihm vor allen weiteren Fragen gehorchen sollen, das hat er gemeint. Wer Gottes Gebot in Frage zieht, bevor er gehorcht, der hat ihn schon verleugnet. Friede soll sein, weil Christus in der Welt ist, das heißt: Friede soll sein, weil es eine Kirche Christi gibt, um deretwillen allein die ganze Welt noch lebt. Und diese Kirche Christi lebt zugleich in allen Völkern und doch jenseits aller Grenzen völkischer, politischer, sozialer, rassischer Art, und die Brüder dieser Kirche sind durch das Gebot des einen Herrn Christus, auf das sie hören, unzertrennlicher verbunden als alle Bande der Geschichte, des Blutes, der Klassen und der Sprachen Menschen binden können. Alle diese Bindungen innerweltlicher Art sind wohl gültige, nicht gleichgültig~, aber vor Christus auch nicht endgültige Bindungen. Darum ist den Gliedern der öku~ene, sofern sie an Christus bleiben, sein Wort und Gebot des Friedens heiliger, unverbrüchlicher, als die heiligsten Worte und Werke der natürlichen Welt es zu sein vermögen; denn sie wissen: Wer nicht Vater und Mutter hassen kann um seinetwillen, der ist sein nicht wert, der lügt, wenn er sich Christ nennt. Diese Brüder durch Christus gehorchen seinem Wort und zweifeln und fragen nicht, sondern halten sein Gebot des Friedens und schämen sich nicht, der Welt zum Trotz sogar vom ewigen Frieden zu reden. Sie können nicht die Waffen gegeneinander richten, weil sie wissen, daß sie damit die Waffen auf Christus selbst richteten. Es gibt für sie in aller Angst und Bedrängnis des Gewissens keine Ausflucht vor dem Gebot Christi, daß Friede sein soll. Dietrich Bonhoeffer 1934 weil so ~iel Gegenteiliges geschieht, darum eine solche Gedenkstunde an diesem Tag!· Nur eingesd1lossen in diesen Im Schillertheater Berlin / „Denk ich an De11tschland in der Nacht größeren, zukunftsträchtigen Sinn gilt sie aud1 rückwärtsgewandt dem Gedanken das oft nicht einmal verlegene, sondern „Die Wache gab ihm einen Stoß, ganz unbefangene Gelächter, das heute im an die, deren Namen wir soeben gehört da fiel der Mann ins - Staatenlos." haben - Namen, die uns teuer sind als Kino durch die Gestalt und die Stimme Mit diesen Zeilen schloß ein Gedicht Hitlers beim Publikum ausgelöst wird, Freunden und als Theaterbesuchern, als ich weiß nicht mehr von wem -, das ist fiir den, der als nachdenklicher DeutBeteiligten am Leben der Kunst und des 1935 in irgendeiner Emigrantenzeitschrift scher unter den Deutschen lebt, eines der Geistes -, Namen, die auch stellvertrezu lesen war. Wir sind heute hier zugroßen Rätsel, die dieses Volk aufgibt. tend stehen für die Leiden der vielen, sammen, weil es uns drängt, an die .zu Es weckt nicht das Zutrauen, daß Erdie - nicht so direkt von jenen Stößen denken, die seit jener „Machtergreifung" kenntnis dahinter steht. Wie viele ·haben getroffen - ihrer jüdischen Frauen wegenannten Verwahrlosung der Macht vor denn wohl erkannt, daß das Klirren jener gen durd1 unzählige dunkle Stunden 25 Jahren ins „Staatenlos", in das Los jüdischen Schaufenster und das Klirren ungehen mußten und oft hart vor dem der Staatenlosigkeit, der Recht- und serer zerbrechenden Fenster in den IlombenSelbstmord standen, wie Paul Ilildt, Paul Schutzlosigkeit gestoßen wurden und darnächten ein Klirren war, daß das Feuer Henckels und manche andere. Sie stehen an zugrunde gingen. Wir haben dazu den der ßiicher-Scheiterhaufen im Mai 1933 schließlich stell vertretend für alle, die heutigen Tag gewählt, weil sich uns und das Feuer der Synagogen im No- , der Abgrund· verschlang und die wir unter den vielen Hiobsnachrichten und vembcr 1938 und das Feuer, in dem ohne unser Verdienst! - überlebt haben. Schreckenstaten jener Jahre der 9. Nounser altes Ilerlin in Schutt und Asche Ohne unser Verdienst - das werden vember 1938 unvergeßlich eingebrannt hat sank, ein Feuer war? Wieviele unserer wir nicht leugnen können, und das gilt durch die Flammen der brennenden SyHeimatvertriebenen haben wohl erkannt; nicht nur für unser physisches überleben. nagogen, weil wir das Klirren der Schaudaß der Verlust ihrer Heimat ursächlich Wenn wir heute nod1, als wäre nichts fenster der jüdischen Geschäfte noch in zusammenhängt damit, daß vorher geschehen, einen Goethe-Vers hören, einen den Ohren und die LKWs, die die Juden Stefan Zweig und Thomas Mann, Lise Abend des großen Spiels auf der Bühne Berlins hinaus nach Oranienburg fuhren, Meitner und Ernst Deutsch und mit ihnen erleben, in den Kirchen einen Gottesnoch vor Augen haben, weil an diesem Hunderttausende andere Ilekannte und dienst begehen dürfen, danri ist das ohne Tage der Stoß in die Rechtlosigkeit nicht Unbekannte ihre Heimat verloren? Wie unsei· Verdienst und wir dürfen es nur, mehr nur Einzelne vernichtend traf, sonviele von ihnen haben wohl erkannt, daß wenn wir' wissen,· daß das nid1t selbstdern. alle diejenigen unserer Mitbürger, die Trecks, auf denen sie die Leichen ihrer die das Blut Israels in den Adern trugen, verständlid1, daß es sd10n ein Zeid1en erfrorenen Kinder am Wege liegen lassen von Gnade und Vergebung ist. Denn das, und sie hinausstieß ins Staaten-Los, hinmußten, in den Spuren jener Deportationswas damals um uns her gesd1ehen ist, aus aus ihrer und unserer Heimat die züge gingen, aus deren in umgekehrter während wir damals Goethe lasen, im einen und hinein in die KZs, die DeporRichtung fahrenden Güterwagen die LeiTheater saßen oder in die Kirche gingen, tationen und Gaskammern die anderen chen erstickter und verdursteter jüdischer und weil dieser Stoß nicht nur sie, sondern war so furchtbar, daß uns, wenn wir es Kinder auf den Ilahndamm rollten? Die uns alle traf, uns alle ausnahmslos, diein seiner Unermeßlid1keit ins Auge Reden ihrer Sprecher lassen oft nicht jenigen, die vor Entsetzen nicht mehr fassen und in seiner Iledeutung bedenken, merken, daß sie aus dieser Erkenntnis schlafen konnten, wie diejenigen, die eher selbstverständlid1 sein müßte, wenn kommen, und weder die Lebensführung mitmachten und die Untaten vollzogen. dies alles nid1t mehr möglich und uns nod1 die Politik desjenigen Teiles des Sie alle, wir alle hatten mit jenem Stoß deutsd1en Volkes, der sich einiger- 1 nicht mehr erlaubt :wäre, wenn dies alles den Staat verloren, die Ordnung des zu Ende wäre. Es ist etwas geschehen, maßen frei bewegen und äußern kann, menschlichen Zusammenlebens und zum wofür alle die Früheren, die Dichter und lassen spüren, daß es diese Erkenntnis ist, Denker, deren Jubiläen wir zu feiern Schutze des. Schwachen vor den Starken, die uns beherrscht und durchdringt. Es pflegen, die Hand ins Feuer gelegt zum Schutze eines jeden vor den wölfi- ·wäre ein neuer, ein befreiender, in die schen Trieben in den anderen und in ihm . politische Lage tief eingreifender Faktor, hätten, daß dies nach 1500 Jahren christlicher Predigt, nad1. 200 Jahren humaselbst. Der Staat brach zusammen unter wenn wir unser Leben und unsere Politik jenem Stoß, wenn er auch äußerlich noch nistisd1er Aufklärung, nach 100jähriger sid1tbar unter die Frage stellen, ob aus zu bestehen schien und seine Macht noch Schullektüre von Goethe und Sd1iller in unseren Worten und Entschlüssen dieausdehnte. Sein äußerer Zusammenbruch Deutschland unmöglich geschehen könne. jenigen Völker, die neben den Juden und Theodor W. Adorno hat einmal gefragt, im Jahre 1945 war nur die Enthüllung den Zigeunern vor allem unter uns dessen, daß er längst zusammengebrochen „worauf denn eine Kultur, in der Milliogelitten haben, also nicht nur die war unter jenen Stößen, mit denen seine nen unschuldiger Menschen vergast wurwestlichen, mit denen uns heute so viele eigenen Regierenden und Funktionäre die den und die· darüber zur Ordnung ihres Interessen verbinden, sondern ebenso Gruppen der mißliebigen Bürger ins Tages übergegangen ist, eigentlich noch die östlichen, die Polen, die Tschechen, Staaten-los, in die Rechtlosigkeit warfen. warte, bis sie bereit sei, ihren Unterdie Ukrainer und die Russen, diese ErDie Ilesetzung unseres ganzen Landes gang zuzugestehen". Die Frage besteht kenntnis und das Bekenntnis zu ihr entdurch die Armeen der äußeren Feinde im zu Recht und die selbstverständliche Art, nehmen könnten. Die anderen haben nad1 Jahre 1945 war nur die Enthüllung mit der wir immer noch und immer Kräften dazu beigetragen, daß es dazü dessen, daß Deutschland seit langem schon wieder meinen, jene großen Güter Chrinicht kam und kommt: vom Osten her vom Feinde besetzt gewe~en war, vom stentum, Kultur, usw. noch zu besitzen durch die Rad1e, die die rote Armee an Feinde aus seiner eigenen Mitte, und daß und unser Ilesitzrecht gegen andere veruns nahm und durch das absd1reckende das, was als Aufstieg Deutschlands von teidigen zu können, verschärft sie nur. System, in das sie einen Teil von uns Unzähligen bejubelt w9rden war, in preßten, vom Westen her dadurch, daß Wir haben ein Recht an diesen Gütern Wirklichkeit nichts war als ·sein grauengenauso weit als wir wissen, daß wir sie uns gegen den Osten die Waffen in voller und konsequenter Abstieg in Nacht kein Recht mehr auf sie haben, daß es die Hand drückten, obwohl doch ein und Schuld und Verderben. Vergebung ist, wenn sie uns noch nid1t Blinder sehen mußte, daß dies das Ende ganz verloren sind. In den Gesprächen nach jt~em 9.Novem- der vorher gepredigten deutschen Selbstbesinnung und Wiedererstehung des deutber 1938 wurde deutlich, daß manchem, Was gescheh'en ist, ist so unermeßlid1, schen Schred1:ens für die östlichen Nachder bis dahin durch den äußeren Schein daß jeder Versuch, die Schuld diesem oder des Aufstiegs, durch den heuchlerischen barn bedeuten mußte. So haben wir zwar jenem zuzuschieben, schweigen muß. Wer dem Nationalsozialismus, abgesagt, aber Idealismus. und Patriotismus der Reden gemordet hat, soll vor den irdischen der glaubwürdige und befreiende Schritt sich hatte blenden lassen, die Augen aufRichter kommen, damit das Recht unter ins Neue ist ausgeblieben und dies ist - ich gingen, um sich dann freilich bei vielen uns nicht stirbt. Abrr wichtiger ist das nach kurzem Erschrecken wieder zu wage es zu sagen - ein mindestens ebenGericht, in das wir uns selbst bringen: so großer Schatten auf dem gegenwärtischließen unter der Faszination des ErDie Kirchen, die Künstler, die Univergen Zustand Europas wie das Problem folges und unter der Suggestion des sitäten und Schulen, die Einzelnen: es ist und die Gefahr des Kommunismus. Weil keiner, der sich ·dem entziehen dürfte, , Appells an das, was man damals die die Erkenntnis der Zusammenhänge der Treue zu Volk und' Führer nannte. Die der unschuldig wäre und sich bei der Vergangenheit und das Bekenntnis zu Frage ist, ob diesen vielen inzwischen die kritischen Überprüfung verschonen dürfte. dieser Erkenntnis durch Wort und Tat „Die· Schuldlosen" hat Hermann ßrod1 Augen wirklich aufgegangen sind. Gewiß, von Regierung und Volk so unentbehrlich den Roman, in dem er nach den wahren der Nationalsozialismus, der gewesen ist, ist für Gegenwart und Zukunft und so Schuldigen fragte, überschrieben! Das kommt so nicht wieder und die kleine mag . manchem· nach „Kollektivschuld" Untergrundsekte seiner unentwegten An- · lebenswichtig für jeden Einzelnen von uns, weil es so ungenügend geschieht und klingen einem Begriff, gegen den hänger hat keine Aussichten mehr. Aber Rede am 9. November 1958 Rede am 9. November 1958 diejenigen am lautesten zu protestieren pflegen, die am meisten in dieser Kategorie der mörderischen Verallgemeinerungen: die Juden, die Franzosen, die Russen gedacht haben und dann wehleidig schrien, als das Kollektivurteil sie selbst traf. Aber allerdings: dieser Begriff hat nach allen Seiten eine so fürchterliche Ernte gehalten, daß es gerade darauf ankommt, restlos mit ihm zu brechen. Nicht Kollektive sind schuld, aber jeder Einzelne muß nach seiner eigenen Schuld fragen,· wenn wir neuen Greueln vorbeugen: sollen. Das muß heute und in einer solchen Stunde deswegen gesagt werden, weil es einen Pharisäismus gibt, der uns nur aufhält: einen Pharisäismus des Widerstandes, als hätte auch nur einer von uns, soweit wir beteiligt gewesen sind, von Anfang an das Nötige getan' - keiner hat es getan! - Und einen Pharisäismus der Emigration, als hätte m.:m dadurd1, daß man auswandert oder flieht, reine Hände gewonnen. Die Herrsd1aft von Ungeist und Mord kam nicht von ungefähr. Ihre Wurzeln reichen auch in das hinein, was die Pfarrer, die dann von ihm getroffen wurden früher gepredigt oder nicht gepredigt' hatten, was die Schriftstelle.r, deren Bücher dann verbrannt wurden, m manchen dieser lliid1er geschrieben hatten, aud1 in das, was auf unseren Bühnen gespielt worden war1 un1 .~uch il?- die Art, wie an unseren Umversitaten Wissenschaft getrieben und gelehrt worden war. „Da ist keiner, der unschuldig wäre, auch nicht einer", wird man auch hier mit dem Apostel Paulus sagen müssen. Das ist eine harte Rede, nicht leicht zu hören.' Aber alles Gute unter uns Menschen fängt mit Sdrnlderkenntnis an. Im Au"ust d. Js. hat auf einer Weltkonfcren~ gegen Atomrüstung in Tokio m~in Freund Heinrich Vogel vorgesd1lagen, eme Resolution mit dem Satz beginnen zu lassen: „Wir alle sind mitsdrnldig, daß der Mensd1 den Menschen fürchtet, daß der Mensd1 den Menschen haßt, daß der 1 Mensch den Menschen tötet." Der Satz war nicht durchzubringen, denn Kommunisten und Liberale, Buddhisten und Hindus, Juden und Christen'.sie alle kannten irgendwelche anderel?-, die daran Schuld waren nidlt . aber sid1 selbst. Der Satz ist ab;r unentbehrlich. Denn es ist unentbehrlid1 daß wir den Ernst des Anrufs hören der aus den Schrecken unserer jüngsten Vergangenheit wie aus den Drohun.gen der Zukunft uns unausweidllid1 stellt. Wir müssen tms selbst der kritischen Überprüfung aussetzen, damit wir aus der sterilen Orthodoxie, ·der westlichen wie der östlichen, herauskommen, aus dem unfruchtbaren Rerothaben, aus dem Sündenbock.denken: „Wie sd1ön wäre die Welt wenn die Juden,' die Deutsd1en, die Kom:Uunisten, die Kapitalisten - _wenn die anderen nid1t wären!" Dieses Denken ist der schlimmste Fei1~d des Zusammenlebens, das größte Hindernis für die Bewältigung der ungeheuren Probleme unseres Jahrhunderts, die verhängnisvollste Gefährdung unserer Welt. Kritisd1e Wad1samkeit ist nötig, um die Wiederholung des Mordens in irgend einer anderen Gestalt zu verhindern. Sie ist nötig gegen andere, da heute die Geister des Abgrundes sich schon wieder munter regen; - sie ist aber aucl1 ,nötig gegen uns selbst, vor allem der Sorglosigkeit wegen, mit der wir offenbar meinen, wir würden das, was wir immer wieder säen, garantiert nicht ernten müssen .. Die rätselhafte Sorglosigkeit, mit der heute viele der Anhäufung von Atombombenvorräten, nun auch in unserem gespaltenen Lande, zusehen, als bestände Sicherheit, daß sich dies nie über unseren Köpfen entladen wird, ist ja nur ein Symptom der allgemeinen Sorglosigkeit, alle die Unterlassungen in der Gestaltung unseres sozialen und individuellen Lebens, in der Reform von Schule und Universität und Parteileben, deren wir uns heute schuldig machen, würden sich nie räd1en, alle die verwüsteten Anleitungen zur Veradltung des Lebens und des Mitmenschen, die in Filmen, wie in Büchern wie in wissensroaftlichen Theorien verbreitet werden, würden garantiert nie ernst genommen und nie praktiziert werden. Sie sind so furchtbar praktiziert worden, daß es uns schlechthin verboten ist, weiter mit ihnen zu spielen. Nietzsche hat einmal notiert: „Das allgemeinste Zeichen unserer Zeit: der Mensro hat in seinen eigenen Augen unglaubliro an Würde eingebüßt." Würde des Mensroen. - das ist nidlt gespreizte , Selbstverherrlichung, sondern das Gegent~il davon. Das ist, christlich gesprod1en, die Demut des Menschen unter Gott die Ehrfurrot vor jedem Gesd1öpf, die 'An-· erkennung des Rechtes des anderen, der ebenso Kind Gottes ist wie ich und darum mein Bruder. Würde des Menschen - das ist der ewige Sinn jedes Mensch~n lebens. Wer es nirot mit diesen chnstlichen Worten sagen kann, der mag es mit anderen Worten und Gründen sagen, aber er wird auf keinen Fall weniger sagen diirfen, wenn er nicht mitsrouldig werden will am weiteren Schwund des Bewußtseins von dieser Würde und damit an einem neuen Ausbruch der Unmenschlichkeit. Judenverfolgung, Vernichtung der Geisteskranken 1md die Art der Kriegsführung mit Ma~senvernirot~!ngs mitteln, auf die man sich heute rustet, sind der hervorstechendste Ausdruck der Menschenverachtung in unserer Zeit. Es ist nidlts vergangen von dem, was gc:srnehen ist. Die Vergebung, unter der wir heute leben und uns der Erde freuen dürfen, aud1 Theaterspielen und nun aud1 als überlebende mit Trauer der toten Opfer der bösen Zeit gedenken dürfe?, verpf!idltet uns, auf dem Posten zu sem und das unsere an unserer Stelle zu tun, damit den früheren Opfern nid1t ne~e hinzugefügt werden, damit Mensd1en mit Mensd1en in Freiheit und Achtung leben Helmut Gollwitzer können. PIUS ,XII. Der Tod des Oberhirten der katholisroen Kird1e hat schlaglidltartig die konfessionelle Gewirotsverteilung in den Kommunikationsmitteln der Bundesrepublik erhellt. Die erregten Anrufe vieler evangelisroer Gemeindeglieder bei ihren Kirchenbehörden wegen der dreitägigen Beflaggung der öffentliroen Gebäude konnte man im Blid1: auf das internationale diplomatisd1c Protokoll beschwirotigen. Wäre es aber nicht ein Zeid1en von Vornehmheit und Toleranz gewesen, wenn die evangelisd1en Schulen von dieser Bestimmung befreit worden wären, weil man, wenn man schon auf dem Boden der Bekenntnissroule steht, dem evangelisd1en Bekenntnis auro diesen Ausdrucl;: des Bekennens zugestehen müßte? Wie nobel und wie respektvoll auch nirotkatholisd1e Kommentare zum Tode ·dieses sicherlich großen Papstes sein konnten, das haben so untersroiedlid1e Persönlichkeiten wie Bisd10f Lilje, Kird1enpräsident Niemöllcr und Willi Eichlcr vom SPD-Präsidium bewiesen. Wenn man das Verhalten der großen Kommunikationsmittel kritisiert, so hat das nidlts, gar nichts zu tun mit mangelndem Respekt vor dem Tode 'oder aud1 nur vor dem Tode eines katholisroen Oberhirten. Die Art und Weise, in der sich Rundfunk und Fernsehen in jenen Tagen betätigten, in denen mit dem Abscheiden Pacellis zu reclmen war und die auf seinen Tod folgten, das war sold1en Kommentaren gcgeniiber hörost bedenklid1. Schon die Stimmen einzelner Nachridltenspreroer waren beim Verlesen der Narorichten aus Rom so in Sentiment getaucht,, daß man Tränenausbrüche befürroten •mußte. Ein unwürdiges Kuriosum bleibt die Programmänderung an jenem Mittwodlabend im Deutsroen Fernsehen, als eine artistisroe Varietesendung vorgesehen war und stattdessen wegen des erwarteten Papsttodes läppisches Almglockenläuten und Kühe in Großaufnahmen den Bildsd1irm zierten und betönten. Schärfste Kritik für jeden evangelischen Christen mußte jedoch die Formulierung eines Weihbisd10fs hervorrufen, der in einer AnspradlC über beide Wellen des WDR am 9. Oktober deutlich vom „ Vater der Mensd1heit" sprach. Man fühlte sidl an kräftige Zitate Luthers über den Charakter des päpstlidm1 Stuhles erinnert und sah dann die Ungeheuerlichkeit einer solroen Formulierung wohl im redlten Lidlt. Welches Selbstverständnis hat der Protestantismus wohl heute, wenrt er diese hierarchisd1e Institution' Roms auch nidlt mehr im geringsten so sieht . wie die Reformatoren? Wenn er nid1t protestiert um irgendeines dann ·doch wohl rerot zweifelhaften Friedens willen? Durch dies Nein sollen und können die Verdienste Pacellis nidlt herabgesetzt werden, das ist klar. Aber bei allen Nadu·ufen auf den Z weiundadltzigjährigen vermißte man eine Ausdeutung seiner Tätigkeit als Nuntius im Dritten Reich und, mehr nod1, den Hinweis auf das von ihm initiierte · und verkündete Dogma von der leiblid1en Aufnahme. Mariens in den Himmel, das die UnaSancta-Bewegung abbremste, die interkonfessionelle Verständigung zunidlte madite und den Graben deutlich werden ließ, den mand1e so gern übersehen und in den sie dann hereinfallen. Haben wir in jenen Oktobertagen daran gedacht, daß ein weiteres Dogma„ das von der Mitt- , lerin Maria, zu erwarten ist? Es wäre wünschenswert gewesen, wenn in einem Land, dessen Mehrheit nichtkatholisch ist, auch in Rundfunk und Fernsehen diesen Mehrheitsverhältnissen Rechnung getragen worden wäre. Es geht nicht um einen umgekehrten Kulturkampf, sondern darum, daß wir uns gegen die sd1leichende Katholisierung und Klerikalisierung des öffentlichen Lebens eindeutig und deut!id1 zu wehren haben. Alle erote Trauer - auch die der Nidltkatholiken - über. den Tod Pacellis konnte nur entwertet werden durch das Übermaß an Organisation in Trauer, die in der Bundesrepublik aus unverständlichen Gründen in jenen Tagen proPeter Zenger duziert worden ist. Johannes XXIII. Zum ersten Mal wird in wenigen Tagen der Vatikansender die Friedensbotschaft des neuen Papstes ausstrahlen, dessen Wahl von so vielen Meinungen wie Kardinälen begleitet und kommentiert worden ist. Kompromißlösung? Übergangspapst? Die Weihnachtsbotschaft wird einiges deutlicher sehen lassen, was das Konklave verschwieg. Unterrichtete kai:holische Kreise nehmen an, daß Johannes in mindestens einem gewichtigen Punkt seinen Vorgänger korrigieren werde, in einem Punkt, an dem wir die Entscheidung Pacellis bedauert haben: in der Frage der Arbeiterpriester. Die Fülle des vorgelegten Materials (hier hat sich der jetzige Korrespondent der WELT in Warschau, Ludwig Zimmerer, mit seinen Blättern „Glaube und Vernunft" verdient gemacht) hat nicht darüber hinwegtäuschen können, daß das Arbeitsverbot für die Arbeiter- An unsel'e Lesel' ! priester in Frankreich (oder doch die deutliche Einschränkung der Arbeitsmöglichkeiten) den Graben zwischen Arbeitel'schaft und römischer Kirche vertieft hat, der für die französischen Gebiete und nicht nur für sie seit Jahrzehnten deutlich war. Es wäre ein guter Beginn, wenn Papst Roncalli durch ein Zurückgehen auf die erste Praxis Türen wieder öffnete, die ziemlich laut ins Schloß gefallen waren. Eine solche Entscheidung wäre nicht nur - wie wir als Außenstehende meinen ein Fortschritt im guten Sinne für die römische Kirche, sondern auch für die Innenpolitik Frankreichs so klärend und weiterbringend, daß positive Ausstrahlungen auch auf die umliegenden Staaten und ihre Episkopate, vornehmlich in der Bundesrepublik mit ihren restaurativen Tendenzen im kirchlichen Leben, zu erhoffen und vielleicht gar zu erwarten wären. Daniel Wolff Barth oder Jaspers? Nachträglicher Kommentar zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels Als anläßlich der Frankfurter Buchmesse im September dieses Ja.hre~ der ~m besten Sinne des Wortes gew1cht1ge Fnedenspreis des Deutschen Buchhandels (eine der wenigen Auszeichnungen in der Bundesrepublik, an die die Inflation der Preise nicht rühren konnte) an Karl Jaspers, den Philosophen, v:rliehen wurde, konnte man von unterrichteten Leuten hören: eigentlich 'sei Karl Barth, der Basler Theologe, als Träger ausersehen gewesen. Die Wahl sei so gut wie unter Dach und Fach gewesen, man habe sich Gedanken über die Delegation gemacht, die dem politisch oft umstrittenen, aber theologisch bedeutsamsten, die Gegenwart seiner Disziplin am stärksten prägenden Lehrer diese hohe Ehrung habe antragen sollen. Dann sei Karl Jaspers gewählt worden, dessen Buch „Die Atombombe und die Zukunft des Menschen" ein bedeutender Beitrag zum Frieden sei und der dann eine große Rede hielt, die alle zum Nachdenken zwang, die sich das Nachdenken nod1 nicht abgewöhnt haben. So weit, so gut. Seit seiner Stiftung hat sich der Friedenspreis des Deutsd1en Buchhandels durch sein .Komitee den Träger gesucht, der würdig schien. Die Wahl fiel auf Jaspers statt auf Barth, den manche gern als Träger gesehen hätten. In diese EntsdJeidung haben wir nicht hineinzureden. Die Würdigkeit des Philosophen mag so groß sein wie die des Theologen. Hier gelten persönliche Meinungen nur in ihren Summen. Die Summe hieß Karl Jaspers. Aber: das Gerücht besagt, die für Karl Barth vorgesehene Ehrung sei nicht wegen der Meinungen im Komitee auf Karl Jaspers übergegangen, sondern auf einen Hinweis aus „gut unterrichteten Bonner Kreisen" hin. Die gute Unterrichtung habe in der Mutmaßung bestanden, daß der ständige Ehrengast der Verleihungsfcier, der Bundespräsident, die Ehre seiner Anwesenheit wohl dem Philosophen Jaspers, nicht aber dem Theologen Barth geben könne, da dessen politische Ansieh~ ten und dessen eventuelle Rede über den Frieden im diametralen Gegensatz zu den · in der Bundesrepublik gängigen Vorstellungen stünden. · Ist das nicht besorgniserregend? Niemand wird dem Bundespräsidenten zutrauen, daß er selbst sich so geäußert habe. Niemand glaubt, daß dem Liberalen Heuß so viel Liberalität abgehe, daß er, der ein feines Gemerk für Größe hat, Karl Barth nicht ehren wolle, selbst wenn er andere politische Ansichten haben sollte. Niemand wird meinen, Karl Barth könne wegen seiner Stellungnahmen zur Wiederbewaffnung oder zum atomaren Wettrüsten preisunwürdig geworden sem. Oder? Ist es in der Tat so, daß das Friedenspreiskomitee seine Unabhängigkeit verloren hat, dieser Kreis, dessen Respektabilität bis heute nie angezweifelt worden ist? Wohin sind wir gekommen, wenn - falls das Gerücht stimmt - Winke aus Bonn, womöglich aus der Umgebung des Bundespräsidenten, nicht einmal von ihm selbst, die getroffenen Entscheidungen revisionsbedürftig machen? Das alles ist Gerücht. Ein Gerücht allerdings, das am besten sehr schnell aufgeklärt würde. Ein Mitglied des Komitees, nach den Vorgängen befragt, berief sich (das können wir verstehen) auf den Konklavec~arakter de: Ko~iteesitzungen und auf die Vertraulichkeit der Sitzungen. Nun, das Konklave scheint nidlt ganz vermauert gewesen zu sein. Albert Schweitzer war bei der Verleihung an Jaspers dabei als einer der ersten Träger (freilich diesmal, ohne begrüßt und offiziell genannt zu werden). Er wäre sicher auch dabei gewesen, wenn Karl Barth der Geehrte geworden wäre, Karl Barth, den man zuerst ehren wollte. Wir schreiben dies nicht als · Attacke gegen Jaspers. Das sollte deutlich sein. Wir schreiben das nicht wegen der durch Addition von Preisen ohnehin nicht zu addierenden Ehre, die Karl Barth durch sein großes Werk hat. Wir sdueiben das nicht gegen ·den Bundespräsidenten, den anzugreifen jede Plattform falsch wäre. Wir schreiben das, damit der Friedenspreis seine doppelte Bedeutung behält: ein Preis .für Menschen zu sein, die dem Frieden dienen,. ein Preis von Menschen zu sein, die in Unabhängigkeit von außen - wie die Kardinäle .im Konklave, um im Bild zu bleiben - den wählen, der ihrem Bild entspricht. Johannes Rau Im November haben manche Leser die Zusendung der „Politischen Verantwortung" vergeblich erwartet. Das hatte technische und sachliche Gründe. Dafür hat diese Ausgabe acht Seiten; wir bitten unsere Leser, diese Doppelnummer, die zu lesen sich gewiß an den langen Abenden einmal lohnen wird, als November/Dezember-Ausgabe hinzunehmen. Die Betrachtung von Dietrich Bonhoeffer, die wir an Stelle einer Weihnachtsbetrachtung üblid1en Stils bringen, entstammt dem ersten Band der „Gesammelten Schriften" (Chr. Kaiser Verlag, München 1958, herausgegeben von Eberhard ßethge). Wie aktuell und wie deutlich diese Worte sind, das braud1en wir, nicht zu unterstreid1en. Der Leser wird es den gedrängten Formulierungen abspüren. Wir sollten uns vor ihnen nidlt theologisch oder politisch abschirmen, gleichgültig, wo wir theologisch oder politisch stehen. Die „Gesammelten Sd1riften" Bonhoeffers sind überhaupt mehr als eine Schreibtisd1'ese. In ihnen zu lesen lohnt! In dieser Ausgabe ist von Büd1ern die Rede. Der aktuelle Anlaß· zu Rezensionen ist uns die Weihnachtszeit, in der nach verläßlichen Besprechungen immer gesucht wird. Darüber hinaus werden wir auch in Zukunft mit solchen Titeln bekannt machen, die zum Durchblick durch die geistigen und politischen Tagesnachrichten hilfreich sein können. Das nächste Jahr ist mit einem ausführlichen Redaktionsprogramm, an dem 'mehrere der , Mitherausgeber beteiligt sind, vorgeplant. über alle gelegentlich notwendige Polemik hinaus hoffen wir, in einigen Grund~ satzfragen Positionen aufzeigen zu können, an denen eigene Positionen überprüft werden mödlten. Herausgeber und Sd1riftleitung wünsd1en allen Lesern ein gesegnetes Nacl1denken über das Weihnachtswunder und ein gnadenvolles neues Jahr, das den Frieden mehren und dem Unfrieden 1, w weehtren möge. L_ Die Herausgeber Einheitsfront? Inmitten des bayerischen Wahlkampfes und in unverkennbarem Zusammenhang mit der Landtagswahl veranstaltete der Evangelische Arbeitkreis der CSU in Bayern am 7. und 8. November eine kulturpolitische Landestagung. Das Tagungsbüro befand sich im Evangelischen Gemeindehaus in Erlangen, Am Bohlenplatz 1. Dort fand auch die Hauptversammlung mit den Bundesministern Schröder und Balke und dem NRWKultusminister Schütze statt. Die Aufmachung der Tagung mußte den Ein' druck erwecken, als ob sie im Rahmen kirchlid1er Gemeindearbeit veranstaltet worden sei und die Einheit von Kirche und Unionspartei zum Ausdrud~ bringen wolle. Ob der gleiche Raum zu gleichen Bedingungen auch anderen Parteien, etwa ' SPD und FDP, zur Verfügung gestanden hätte? ~\ daß sie die Freiheit haben, und sich notfalls die Freiheit nehmen, uns als einzelne Mensd1en ernstzunehmen und uns nid1t als Gegenstand der Propaganda, Selbstbehauptung des Ich dient. Bedenken und d. h. nur als Mittel Zlt irgend einem wir jedoch, was Resignation in dieser Zweck behandeln. Wir verlangen die Sache bedeuten würde! Freiheit, mit jedermann zusammenzuWir würden uns nimt nur eines der kommen, um uns in Rede und Gegenrede wid1tigsten Mittel zur . Ermöglimung selbst eine begründete Meinung zu bilden eines mitmensmlimen Daseins begeben, und uns nad1 unserem Belieben zusamund zwar des vornehmsten Mittels, das menzusmließen, um diese Meinung geschled1terdings durch kein anderes zu ermeinsam zu öffent!imer Wirkung zu setzen ist. Wir würden nimt nur darauf bringen. Diese Freiheiten sind die Grundvcrzid1ten, als Menschen miteinander und voraussetzungen für das staat!ime Leben füreinander da zu sein. Wir würden uns in der Form, die wir Demokratie nennen. nimt nur damit begnügen, daß wir eben Nun beruhen diese Grundvoraussetzunwohl oder übel nebeneinander da sind und smlecht und recht miteinander ausgen aber selbst wieder auf einer Vorauskommen und aneinander vorbeikommen setzung, ohne die sie völlig sinnlos würmiissen, weil es eben aum von uns Menden. Diese Voraussetzung ist nicht die, sd1en gilt, daß „hart im Raume stoßen daß die Mensd1en dazu von Natur versim die Samen". Wir wiirden vielmehr, nünftig, uneigcnniitzig und guten Willens wenn wir uns damit abfänden, den Mitsein müßten - das sind sie gewiß nicht, Mensmen selbst zu einer Same mamen, sondern die Voraussetzung, weld1e alle jene Freiheiten sowohl fordert als ermögdas Du zu einem Es, mit dem man nimt limt, liegt darin, wie wir jetzt ganz cinmehr reden kann. Wo es aber kein Du mehr gibt, weil dieses zu einem Es gefam sagen können, daß der Mensd1 dazu bestimmt ist, mit seinem Mitmenschen zu worden ist, kann es aum kein mensd1reden, um dadurch erst selbst sein lid1es Im mehr geben. Wo das Du ausfällt, weil es zu einem Es, zu einem der Mensmsein zu gewinnen. hart im Raume sid1 stoßenden Samen Alle Freiheiten jener Mensd1enred1te geworden ist, an dem man sich eben nur würden uns offenkundig nid1tS helfen, nom stoßen kann, da fällt aum das Im wenn wir zwar Redefreiheit hätten, aber aus. Da wird aum das Im zu einem Es, gar nid1t mehr miteinander reden würdas auf den Anstoß des anderen zurückden, wenn wir nur noch Monologe halten, stößt, das nichts anderes mehr ist, als aber keinen Dialog mehr führen könnten. die Resultante aus den Komponenten Und was ohne jene Voraussetzung aus des mitmensmlimen Kräftefeldes, in das der Versammlungsfreiheit würde, liegt es hineingestellt ist. Da wird aud1 das auf der Hand. Daß die öffcntlid1e VerIm zu einer Sache, die sim dann nimt sammlung als Mittel und Sdrnuplatz des mehr dagegen'. wehren kann, von irgendKampfes zur Durd1setzung bestimmter einer übergeordneten oder übergreifenden politismer oder sozialer Ziele dient, ist Mamt als Same unter Samen in einer an sich keineswegs zu beanstanden. Hier möglidlSt samlid1en Ordnung verredmet könnte sogar auch einmal der Monolog zu werden, ob diese Mamt nun der Staat in der Redeweise der Kundgebung seinen ist oder die Wirtsdrnft oder die öffentlegitimen Ort haben, falls er von dem lime Meinung oder sogar - aud1 das Glauben an jene freimamende Kraft des muß gesagt werden - die Kird1e. Wir Wortes getragen wäre. Aber ob das der müssen allen Ernstes aum diese MöglimFall ist, müßte sim daran zeigen, daß der keit bedenken, daß aum die Kirme diese in der Form der Kundgebung MonologisieMenschen, weld1e nicht mehr als Id1 und rende vom ernten Dialog herkommt und Du miteinander reden können, nur nod1 wieder zum ednen Dialog hinstrebt. Man als ein Es betradnen und behandeln kann es aud1 so sagen: Er müßte zuerst würde. selbst im Dialog zu seinem Mensmsein Es ist wohl deutlid1 geworden, welme befreit worden sein, ehe er einen sold1cn sd1windelerregenden Perspektiven sid1 Monolog wagen darf. UnJ er müßte beauftun, wenn wir uns damit· abfänden, reit sein, diesen dann jederzeit wieder daß das von Mensd1en gespromene Wort im Dialog mit Mensd1en zu verantworseine Kraft und Bedeutung verloren hat. ten, von denen jeder Einzelne für ihn Wenn nur nod1 Monologe gehalten werkein Es, sondern ein Du ist. den und es keinen Dialog mehr gibt, in Ob unter diesen Voraussetzungen diewelmem ein Ich ·und ein Du sid1 gegenser oder jener unserer Versammlungsseitig zum Mcnsd1sein befreien, um sim redner sim seine Tätigkeit leisten kann, als Mensmen begegnen zu können, dann mag jeder selbst beurteilen. Als Kriterien gibt es aum keine mensmlid1en Mensd1en für den negativen Fall wären etwa folmehr; und unter diesen zu Unmenschen , gewordenen Wesen kann es 'dann all das· gende zu nennen: Bei dem Redner, der nidn an die freimamende Kraft des nimt mehr geben, was wir mit dem Wort Wortes glaubt, wird seinem Monolog Humanität umsmreiben. kein Dialog vorangegangen sein. Er wird Bedenken ~ir nur, was das bedeuten statt dessen vorher die Institute zur Erwürde in der gegenwärtigen Weltsituforsdmng der öffentlimen Meinung beation mit ihrer alles beherrsd1enden Ausfragt, er wird die Psymologie der Masse einandersetzung zwismen Ost und West, zwisd1en „freier" und „versklavter" Welt. Unkostenbeiträge (Rimtsatz jährWie will man den Kampf um Menlich 5,- DM) für die „Politisme smenremt und Mensmenwürde führen, Verantwortung" erbitten wir wenn man in bezug auf den Menschen selbst, auf das, was seine 1Mensmlimkeit in der Bundesrepublik und Westausmamt, bereits resigniert hat? Berlin auf Postsmeckkonto Köln 51 830 (Johannes Rau) Zu den Mensmenremten, ohne die wir im Saargebiet auf Postsmeckkonto uns ein mensd1enwürdiges Leben nimt vorstellen können, gehören die Rede-, Saarbrücken 8921 (Günther Heipp, Presse- ttnd Versammlungsfreiheit. Wir Saarbrücken). wollen frei und offen sagen dürfen, was Vielen Dank für alle finanzielle wir denken. Wir erwarten von den OrDie Herausgeber Hilfe! ganen der öffentlimen Meinungsbildung, POLITISCHER DIALOG 1 ~. 1 Zum Dialog gehören zwei Mensd1en, ein Im und ein Du, zwei Mensmen, die miteinander reden und aufeinander hören. Man kann es auch umgekehrt sagen: nur dort, wo das geschieht, begegnen sich die beiden als Menschen. Der Nad1druck liegt auf beidem: auf dem Begegnen und auf dem M enschsein. Wie beides zusammengehört, weiß jeder aus seiner täglichen Erfahrung. Wir spred1en zum Beispie~ mit .einem politisd1 Andersdenkenden, 1m privaten Kreise, in der Wahlversammlung oder im Parlament. Wir haben beide Mund und Ohren. Jeder redet und jeder hört. Und trotzdem kann es gesmehen, daß wir gar nicht miteinander reden und nimt aufeinander hören, sond.ern uns höchstens auseinander reden. Wir haben hinterher das Gefühl, uns mit einer Schallplatte unterhalten zu haben, und vermutlich hat der andere uns gegeniiber dasselbe Gefühl. Jeder hat einen Monolog gehalten, aber es kam zu keinem Dialog. Wir sind wohl beieinander gewesen und haben zueinander gesprod1en, aber wir sind uns nimt als Mensmen begegnet. Wir haben das mcnsmlime Wort herabgewürdigt zu einem Mittel der Propaganda. Ein Zusammentreffen von Lautspremern· und , Befehls!!mpfängern ist ja keine mcnsmlimc Begegnung, sondern eine ausgespromen unmenschlime Angelegenheit. Das Schlimmste, worüber wir im Jahre 1933 hätten erschred,en müssen, war nicht nur die Ernennung eines Propagandaministers, sondern. der Zynismus, mit dem man es wagte, ilm aum offen so zu bezeimnen. Damit war die Verachtung der Mensd1en\vü~de . offüiell i:.roklamicrt· und alle die daraus spater 'folgende~ Unmenschlimkeiten waren damit bereits ermöglimt und vorgezeidmet. So muß es gehen, wo das dem Mensmen gegebene .Wort, das i.hn V?m Tier untersmeidet, mcht mehr em Mmel der Begegnung zwischen einem Im und einem Du ist, einer Begegnung, in der beide erst frei werden zu ihrer wahren Mensmlimkeit, wo man sim nimt mehr unterredet und darum nur noch nebeneinander, ohneeinander und gegeneinander, aber nid1t mehr miteinander leben kann. Wir brauchen nicht weiter auszuführen, wie dieses Nid1t-mehr-miteinander-redenkönnen sich genau so wie im öffentlid1en Leben aum in unserem privaten Dasein auswirkt: in unserem Zusammenleben in Ehe und Familie, in Frcundsmaft und Nambarsmaft. Jeder mag dabei an die Erfahrungen seines eigenen Lebens denken, an das Gefängnis des Im, dem die Türe zum Du versmlosscn ist, das zum Unmensmen wird, weil ihm die Freiheit zur Begegnung mit dem Du fehlt. Jeder weiß, wie unendlid1 einsam man auch zu zweien sein kann, wo es bei bloßen Monologen bleibt und es nimt zum Dialog kommt. Aber eben w.eil wir das alles aus eigener tausendfältiger Erfahrung kennen, sind wir nur allzuleimt bereit, uns damit abzufinden, daß das von Mensmen gespromene Wort offenbar s<::ine Kraft und Bedeutung verloren hat, daß die Sprache nur nom dazu da ist, die Gedanken zu verbergen, daß sie ein Mittel geworden ist, nimt dem anderen zu begegnen, sondern sim ihn vom Leibe zu halten, daß sie als Propagandainstrument nimt der Kom~unikation, sondern der Durmsetzung der eigenen Ziele und Ideen, der Politischer Dialog als Mittel zu deren Beeinflussung studiert, er wird sich alle Erfahrungen der Werbetedinik zunutze gemacht haben, er wird sich "'- kurz gesagt der Demoskopie als Mittel zur Demagogie bedienen. Und er wird sich hüten, den so zustandegekommenen Monolog hinterher im. Dialog vor seinen Hörern zu verantworten. Statt eines Dialogs wird er sich höchstens auf eine Diskussion einlassen, die er dann genau mit denselben Mitteln und in derselben Weise führen wird wie vorher seinen Monolog. Und erfahrungsgemäß wird dabei derjenige den größten Erfolg haben, der am wenigsten an die Kraft des Wortes glaubt und dafür am besten jene Technik der Manipulation, der „Behandlung" der Menschen beherrscht. Man darf sich bloß nicht darüber täuschen lassen, daß jener Erfolg erkauft ist um einen Preis, den BUCHBESPRECHUNGEN Wolfgang I•'oerster, Generaloberst Ludwig lleclc. Sein Kampf gegen den Krieg. Isar-Verlag Dr. Günter Olzog, München. 172 Seiten:, Ganzleinen, 7,20 DM. Wird der 20. Jull bei uns bewußt totgeschwiegen? Wäre nicht hier Gelegenheit gegeben, jungen Menschen Vorbilder zu zeigen und verständlich zu machen? Warum überläßt man dies J!'eld dem Starrummel? Der 2-0 •. Juli kann zu einer verpaßten Chance in der deutschen Geschichte werden! Wir ·haben· dem Isar-Verlag dafür zu danken, daß er Wolfgang Foerster, einem Freunde LUdw!g Becks, Gelegenheit gab, das Dunkel, zu einem Tell zu erhellen, und zwar an einer der markantesten Persönllchkelten des 20, Jull: an Generaloberst Ludwig Beck. Das Buch bezeugt Beck als einen· Mann vornehmer Gesinnung, sorgfältigen Denkens und hoher, ritterlicher Verantwortung. Dies Buch, dem man weiteste Verbreitung wünschen sollte, lcönnte der Bundesverteidigungsminister seinen Offizieren schenken, damit sie das Wesen des Soldaten .richtig sehen lernen . . . Wenn je eine Zelt Männer vom Schnitt, von der Unerbittlichkeit, der Selbsterziehung und dem Weitblick Ludwig Becks nötig hat, dann Lst es unsere Zelt, in der so folgenschwere Entscheidungen wie die der atomaren Bewaffnung das Ethos des Soldaten neu zur Diskussion stellen. Aber nicht nur die Militärs sind die notwendtgen Leser dieses Buches, das von einer l"reunde:>hand sicher und sauber geschrieben wurde. II. o. M. Friedrich Karrenberg (Her.ausgeber), Evangelisches Sozlallexllcon. Kreuz - .Verlag, Stuttgart. 1176 Spalten, 38,- DM. Lexikalische Werke setzen nicht nur eine langjährige Verlagstradition, sondern auch ein fähiges Team von Fachleuten voraus. Darüber hinaus sind solche PublikaHonen zunächst mit großen finanziellen Aufwendungen· verbunden. Um so erfreulicher ist es, daß zwei evangelische Verlage sich auf diesem Gebiet Verdienste erworben haben. Abgesehen von der Neufassung der RGG (Religion in Geschichte und Gegenwart), von der erst ein Band in Neufassung vorliegt, haben der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht mit der Herausgabe des EvangeL!schen Kirchenlexikons und der. Kreuz-VeTlag in Stuttgart durch das 'I!!vangelische Soziallexikon eine, wichtige Funktion für die wissensclrnftlicl1e Bewußtmachung evange!lschen Gedankengutes und evangelischer Geschichtskraft ausgeübt. . Wer in der politischen, vor allem In der sozialpolitischen Arbeit der Bundesrepubllk heute steht und mithelfen will, daß der evangelische Aspekt nicht ständig überdeckt wird, findet gerade im Evangelischen Sozlalle:xiikon eine wertvolle Hilfe. Sicherlich wird man von streng lexikographischen Gesichtspunkten einige Mängel im Blick auf die Objektivität einzelner Beiträge entdecken können, da die Vertreter· bestimmter Schulen die verschiedenen Fachfragen mit Namensart!- man auf keinen Fall zahlen dürfte. Der Preis auf seitcn des Redners besteht darin, daß dieser aus einem Menschen zu einem bloßen Manager der öffentlid1en Meinung wird und, je besser er dieses Geschäft versteht und je mehr Erfolg er dabei hat, desto mehr in Gefahr gerät, zu einem zynischen Verächter der Menschen, die sich in dieser Weise behandeln lassen, und darüber selbst zum Unmenschen zu werden. Der entsprechende Preis auf seiten des Hörers besteht darin, daß dieser, ob er nun merkt, wie er behandelt wird oder nicht, sich damit abfindet, kein Ich, sondern ein Es, und damit eben nur noch das. Objekt jener Behandlung zu sein. Das Bewußtsein seiner Preihcit wird sich darauf beschränken, daß er wenigstens die freie Wahl zu haben meint, von welchem der verschiedenen Manager er sich behandeln lassen will. Um die Höhe dieses Preises zu ermessen, bedenke man, daß heute bei uns solche Redner und solche Hörer, und zwar auf allen Seiten dieses allgemeinen ßehandlungsübereinkommens und seiner Manipulationsmethoden, vorgeben und am Ende sogar meinen, damit für die Freiheit von Menschenred1t und Mensd1enwürde zu kämpfen. Und sie wollen nicht begreifen, daß sie selbst ja längst den Glauben an jene Menschenwürde preisgegeben haben und nichts anderes tun, als ihn täglich aufs neue untergraben. Was sie als Freiheit der Humanität ausgeben und verteidigen zu müssen meinen, unterscheidet sich doch von der Unmenschlichkeit des Ostens im Grunde nur noch darin, daß wir die Freiheit der Wahl zwischen verschiedenen Formen und Graden der Unmenschlichkeit haben. Imin abhandeln. Dies läßt sich aber bei einem so vet'hältnismäßig jungen Tätigkeitsbereich und infolge der noch recllt schwächlichen evangelischen Gesellschaftslehre nicht anders erwarten. In der Tat wird hier enzyklopädisches Wissen über eine entscheidende Funktion der Kirche in der modernen Welt dargeboten. Deswegen hat sich der Band mit seinen 1176 Spalten einen festen Platz sowohl in wissenschaftlichen Bibliotheken als auch In den Handbüchereien der Somalpolltiker errungen. Beachtlich ist in der Konzeption des Bandes, daß keine separate Soziallehre dargeboten wird, vielmehr ist alle Aussage über soziale Gegebenheiten hineingebunden in evangelisches Denken und neutestamentliche Verkündigung. Dies scheint uns auch der einzig le1gibime Ansatz für soziale Aktion aus evangelischer Motivierung zu sein. Das Soziallexikon weist durch diese Grundhaltung, die in engem Kontakt niit den Absichten des Deutschen Evangelischen Kirchentages zu sehen ist, über eine Sammlung von Fakten zur sozialen Wirklichkeit lm evangelischen Raum heute hinaus. Im Grunde Ist hier nämlich von der Praxis her der Versuch eingeleitet, über die seitherigen Ansätze der christlichen Gesellschafts.wlssenschaften auf evangelischer Seite hinauszukommen. Das einzige Ordinariat, das In Deutschland für diese theologische Disziplin besteht, .kann diese Aufgabe allein nicht bewältigen. Deswegen muß durch Arbeiten, wie sie das Evangellsclle Soziallexikon darstellt; zur weiteren Fundierunr: und zum praktischen Vollzug der SozlalpolltiJc ln evangelischer Sicht der Weg geebnet werden, P. Z. Gangloff bringt den Kommunismus als Frage an die Christenheit zur Sprache (eine notwendige Frage!), Joachim Bodamer kennzeichnet die rechtverstandene Askese als Beitrag zur l<'relhelt in der technischen Welt, Jüvgen Schroer fragt in einem sehr präzisen Beitrag (den unsere Leser in dieser Ausgabe kennen lernen) nach den Erwartungen der Jugend den Erwachsenen gegenüber - dann geht der Katalog der Modelle we.lter über die Handlungsfreiheit des Politikers (W. Schweitzer) und die Bildungsfrage (H. Beclrnr), das Problem dH Selbstbestimmung der Völ· ker (A. Rüstow) bis hin zur „Freiheit zum Frieden", über die Friedrich :m~er einen außerordentlichen Beitrag dem Band als Ab~chluß gab. Gewiß: das ist nur eine unvollständige Aufzählung, nicht einmal eine Wertung. Aber wer (wie der Rezensent) vielmals zum Nachdenken gezwungen wurde, den Band in einem Zuge durchgelesen und manches gelernt hat, der vermag sich den kritischen Worten üb~r Sammelbände zumindest in diesem Falle nicht anzuschließen. Die. Frage des 'l'itels ist hier nicht bloß zugkräftig gestellt, sondern die Antworten sind gerade für ·den überlegenswert, der ~m politischen und sozialen und kirchlichen Leben unserer Tage die Freiheit zur Verantwortung wirklich wahrnehmen und nicht vertun möchte. Deshalb ist nicht nur dem Verlag zu diesem Buch zu gratulieren, sondern jedem, der es kritisch und wach wirklich liest. J. R. Hermann Diem Paul Sethe, Die großen Entscheillungen. Verlag Helnr~ch Scheffler, I•'rankfurt am Main. 132 Seiten, Pappband, 6,80 DM. Ulrich Schmidhäuser (Herausgeber), Es ist gut und wohltuend, diesen RückWelcl1e Freiheit meinen wir?. Kreuz-Ver· blick auf ipolit!sche Ere.ignisse der jünglag Stuttgart. 252 Seiten, Ganzleinen, sten Vergangenheit zu lesen, den ein 14,80 DM. Mann geschrieben hat, dem es sehr ernst „Freiheit" - das Ist eines der vielen Ist mit der Pressefreiheit und mit der lcranken, weil zu oft gebrauchten und Presseverantwortung, die aus dieser Freimeht mißbrauchten Worte, zu finden auf heH kommt. Gerade diese Verantwortung den Fahnen der Kriegswilligen aller Zeibringt den Autor dazu, die Welt ,an den ten und der Ideologien iln Ost und West. Einzelereignissen des politischen GescheDaß der Soldat allein der freie Mann hens, gleicllgültig, wo es sich abspielt. sei, glaubt Friedrich · v. Scll!ller scllon wirklich in den BUck zu bekommen. längst keiner mehr. Aber wer ist denn Hinter seinen Analysen werden Ernst, frei? Der Westen, der sich dies Adjektiv leidenschaftliche Anteilnahme und Wille zugelegt hat? Der Individualist? Der zur Mitverantwortung vorbildlich deutMensch im Arbeiter- und Bauernstaat? - l!ch. Hier wird nicht analysiert um des Welche Frethelt meinen wir? Zergliederns willen, sondern um neue Ansätze zu gewinnen und künftig notDer vorliegende Sammelband gibt zum wendigen Entscheidungen das Vorfeld zu Glück lcelne eindeutige Antw.ort auf der räumen. Der Bogen der Analysen Lst weit Folie eines „christlichen" Menschenbildes gespannt - er .muß es auch sein! -, begegen ein anderes, unfreieres. Vielmehr ginnend mit den Sputniks, endend be.! gehen die Autoren - die recht unterStresemann (das ist ein Hinweis!) .. schiedlichen Autoren, der Herkunft und dem Ziel nach - auf je Ihrem Gebiet So wird dies Buch zum Lehrbuch (freiden vielfältigen Verflochtenheiten in die lich: nicht viele Politiker möchten lerUnfreiheit und den vielfältigen Möglichnen), Es kö~mte das festgefahrene Gekeiten zur Freiheit nach - Im geistigen spräch über die politische Gegenwart· und kulturellen, im pol.itischen und soziwieder in Gang setzen - bei uns allen, alen Bereich. „Während der östliche die wir nach dem Wortlaut des Grund· Freiheitsbegriff pervertiert ist, hat sich gesetzes· Träger der Staatsgewalt sind. der westliche zunehmend entleert," stellt Hier schreibt einer, dem ist es mit der Schmidhäuser in der Einleitung fest, Ihn Mitverantwortung ernst. Davon lebt die zu füllen - nilcht mit Luft, nicht mit Demokratie. Wer wirklich Anteil nehmen Worten, sondern mit verantwortlichem will, braucht Klarheit und Bewußtheit. Wahrnehmen 'der Freiheit in eben den Dies Buch kann dazu helfen, beide zu genannten Bereichen -, darum geht es. gewinnen. Wenn ein solcher· Ruf uns Walter Dirks beginnt mit einer Analyse · nicht mehr erreichte? - aber nein, so der l~tzten dreizehn Jahre, Erich Müller·korrumpiert sind wir noch nicht. H.O.M. was die Jugend erwartet I. Gesd1idne überhaupt versteht, läßt ziemOrdnungen und nicht neben ihnen wirken li?i sicher auf die Stellungnahme sehr zu lassen. Die Gefahr der Erziehung zum Wer das Gespräch mit jungen Menschen vieler Eltern schließen. Es ist hier nicht Konformismus ist bei dieser Bemühung wagt, muß es auf sich nehmen, daß er von Neofasd1ismus oder Neonationalisebenso groß wie die der Erziehung zur seine Erwartungen vielfach entttäuscht mus zu reden, sondern eher von Unsogenannten Persönlichkeit, die sich von sieht. Fruchtbar wird ein solches Gespräch belehrten und Unbekehrten, von Unbeeiner sogenannten Masse distanzieren zu für die Parmer erst in dem At1genblid,, l~hrba;en un~ Unbekehrbaren, die ledigkönnen meint und ihre Mitmenschlichkeit in dem beide ihre Enttäuschungen hinter li~h emc Zeitlang ihre Meinung etwas verfehlt. Innerhalb der Jugendverbände sich lassen und das Gespräch so weit diskreter äußerten als heute. Dazu komsind es vor allem zwei Gefahren, die führen, daß ein wirkliches Engagement men die Verwundungen durcli die Art keineswegs gebannt sind: die der Verentsteht. Aber wünscht man dieses und ~eise .der Entnazifizierung, das kinderung und die des Funktionärstums. Engagement ,wirklich? Ist das Interesse Schweigen vieler Lehrer, die offiziellDa die Jugendverbände mehr oder wenider Gesellschaft an der Jugend nicht doktrinäre Geschichtsbetrachtung in der ger Erben der Jugendbewegung sind, mehr oder weniger aussd1ließlich darauf Ost-West-Frage und die Verharmlosung trägt ihre Struktur vielfach deren Züge. ausgerid1tet, für eine naht- und brud1d.es Problems de.r. Wiederbewaffnung zu Soweit es sich um Gruppen von etwa 10lose Überführung in die als vorgegeben e1~1er ~rage po.lmscher Zweckmäßigkeit. bis 15- oder auch 16jährigen Jungen und erklärten und verhältnismäßig feststehenDie Wirkung dieser Faktoren kann vielMädd1en handelt, ist dagegen nid1ts einden Traditionen und Ordmmgen geistiger, fach i;ur als V ~rstodrnng gcgeniiber der zuwenden. Die Erprobung in diesen Forwirtschaftlicher, politischer, kurz jeder Gescli1chte bezeichnet werden. Daß sie men bedeutet eine ausgesprochene LebensArt zu sorgen? Man könnte etwas bössich bei der Jugend ebenso zeigt wie bei hilfe für viele junge Menschen. (Daß es artig, aber nicht falsdi, da von reden, daß einem großen Teil der Erwachsenen ist bisher kaum. gelungen ist, Jungen und die Jugend für unsere Gesellschaft im kein W~m~er. Eine Stimme für viele '(aus Mädchen zu erreiclien, die auf diese Forwesentlichen in der Frage, nad1 ihrem d~r beis,i:nelhaften Leserzuschrift eines men nidn anspred1en und die vielfad1 Heizwert interessant wird: man sucht S1e~zcl111Jährigen zu Beiträgen einer evanzu den Besten gehören, ist eine Frage, Brennmaterial, um das Feuer in den Dfen der die Verbände nid1t länger ausweichen der jeweiligen Ideologie, des Bildungs- geh.sd1en. Schülerzeitschrift zum Thema „~Iitlcr m uns"): „Die Zeit ist noch niclit können. Wer diese Menschen als nicht geideals oder Menschenbildes, der wirtreif zur ~eurteilung dieser Zeit des meinschaftsfähig bezeidmet, weid1t nur· schaftlichen Entwicklung oder des WohlD~itten Reiches. Man kann sich erst in der Frage nach der wirklichel1 Substanz standes, der jeweiligen Gesellsdiaftsordmi.nde~tens sed1zig Jahren ein einigermaßen dessen aus, was sid1 heute alles unbesehen nung und ihrer Sicherheit am Brennen zu ob1elmves Urteil darüber bilden. Hier und ungestraft als Gemeinschaft meint halten. Man kann es au.:h weniger bösvon. Verantwortung und Pflicht eine> bezeidmen zu ~önnen.) artig, aber damit nicht richtiger, so sagen: Christenmenschen zu sprechen und damit Eine Gesellschaft, die um ihrer eigenen Aber die genannten Formen stellen zu versuchen, das, was hier geschehen ist Zukunft willen sich der Jugend bemächleider innerhalb der Verbände oft noch des Dritten Reiches die Beurteilung tigt, verhindert damit , deren und ihre mehr als Arbeitsformen, nämlich Reste und die Veröffentlichung dieser Artikel eigene wirkliche ,zukunft. Es scheint einer jugendbewegten „Weltanschauung" - zu rechtfertigen, wäre zu billig ... Wir manchmal so, als opfere man lieber die dar und werden also häufig über diese Deutschen versud1en an allen Dingen , Mensd1en um einer Ordnung willen, als Altersgruppe hinaus verlängert. Damit et"'.as auszusetzen, sogar an unserer Gedaß man um der Menschen willen die umgreifen sie nid1t mehr, was das Leben schid1te. Aber nehmen wir uns ein BeiWandlung einer Ordnung, ihr Ende und der über 15- oder 16jährigen in weitem an den Engländern. Sie heißen alles spiel also gegebenenfalls den Beginn einer Maße bestimmt: von den Sachfragen der gut, was ihre Geschichte anbetrifft neuen Ordnung zu ertragen bereit wäre. Berufsausübung bis zur Begegnung mit sie kritisieren niclit und fühlen ~~eh Unter der Parole der Sicherheit geschieht dem anderen Geschlecht. Also setzt hier etwas Nationalbewußtsein." Man kann dies in Ost und West nicht nur in politidie Abwanderung aus den Verbänden eigentlich dazu nur mitBertBred1t(„Furcht scher und wirtsdiaftlicher Dimension, sonein. Sie geschieht in eine Welt, von der un~ Elend des Dritten Reiches") sagen: dern ebenso weithin in der geistigen, der innerhalb der Verbände kaum oder nicht „Mit der Objektivität fängt es immer erzieherischen und der kulturellen. richtig die Rede war und zu deren an." A;ber hier ist . mit Aufklärung, mit Institutionen, Milieu und Erziehung Meisterung innerhalb der bisherigen Algeduld1?em Unternd1ten solange nichts tersstufe aud1 kaum Handgriffe gezeigt auf diese Ordnungen hin haben mit der zu erreiclien, als bestenfalls von eigenen werden konnten. Gelänge es nun, diese Jugend vielfach ein leichtes Spiel. Denn F.ehlentscheidungen gesprochen, aber niclit der allgemeine Wunsch der jungen MenAbwanderung dadurd1 zu stoppen oder eigene Schuld bekannt wird uml also überflüssig zu mad1en, . daß man aucli schen, möglichst schnell erwachsen und nid1t vergeben werden kann. Bei der damit gleichberechtigt zu werden, kommt für diese jungen Erwaclisenen geeignete Antwort auf die Frage unserer Gesd1ichte den Intentionen der Gesellschaft entgegen. Formen der Geselligkeit findet, so wäre fäll~ heute eine der tiefgreifenden EntEin großer Teil der, Jugend ist zum Konnid1t nur diesen Menschen, sondern auch sd1e1dungen. Aber angesichts dieser Frage formismus entschlossen. Die Erkenntnis den Verbänden selbst cntsd1eidend geholorganisieren sicli in uns und unter unsefen. Das ist eine Frage des Niveaus, der eigener Ohnmacht der Gesellsdiaft und ren Augen die Unbußfertigkeit und der ihren Ordnungen gegenüber fördert diese Wille, einander niclit wirklich zu ver- ' Lebensnähe, des Ernstes und der Weite Entwiddung. Aber noch stößt man sicli der Jugendarbeit, die Frage danacli, ob geben und jedes Engagem,ent zu untereine Zeitlang an diesen Ordnungen. Die es den Verbänden um sid1 selbst oder lassen. Wir können der Frage niclit länGründe dafür sind nicht nur entwid'um die Jugend geht. Solange aber das ger au.swe_ichen, was .wir hier der Jugend lungspsychologisch aufzuhellen, , sondern Scliwergewicht der Arbeit 'der Verbände sdrnld1g smd, das heißt, ob wir hier verliegen in der Erfahrung der Problematik a!1twortlich handeln oder die Jugend an dieser Ordnungen. Die jungen Mensclien die Verhaltensweise des repräsentativen erfahren zum Beispiel, daß Reden und Schulnot Durd1schnitts der Erwachsenen gewöhnen Handeln der Personen, die ihnen gegenüber wollen. Der augenbliddid1e Fehlbestand an vielfach nur auf Grund der Ordnung und II. Klassenräumen beträgt in der Bundesder damit verbundenen Macht Autorität Es war davon die Rede, daß sich die republik noch immer etwa 22 000. Dieser beanspruchen (und leider besitzen), ausJugend niclit bruchlos in die Ordnungen Fehlbestand würde bei Einführun!i des einanderklaffen. Sie erfahren, daß die der Gesellschaft einordnet, sondern sich neunten Sdrnljahres, ·bei einer Herabset,Art und Weise, in der der sogenannte Ju. noch eine Zeitlang an ihnen .stößt. Hierzung der Schulklassenbelegung auf35 Scliügendscliutz gewahrt wird, häufig nur ein an un~er anderem ist seinerzeit die Ju'ler und bei der Erweiterung des Volu- , Alibi für die Erwaclisenen bedeutet, ein ge?dbewegung entstanden und gesclieitert. mens der höheren Scliulen um 30 000 auf Feigenblatt, das deren Blöße wenigstens Die Ordnungen waren stärker. Der Jdca52 000 ansteigen. Der Fehlbedarf an vor den Augen der Jugendliclien belismus der Jugend verpuffte mehr oder Lehrern sämtlicher Schularten maclit zur ded1:en soll. Sie erfahren, daß viele Menweniger nutzlos in dem Traum von einem Zeit insgesamt etwa 7000 aus. Diese Zahl sd1en der älteren Generation ausweid1en, Jugendreicli. Den Rest haben zwei würde bei Einführung des neunten wenn nach der jüng~t vergangenen Epoclie Weltkriege zerstampft. , Festzustellen Scliuljahres in der ganzen Bundesrepublik der dcutsclien Geschiclite gefragt wird. · bleibt, daß verantwortliches Engagement um zusätzlid1 rund 12 000 auf 19 000 anEs ist notwendig, dies Problem einmit jungen Mensd1en darauf zielen muß, steigen. Die Scliulausgaben je Kopf der . gehender zu schildern. Der'. ersdued1:ende diesen Mensclien zu helfen, ihren Weg in Bevölkerung betragen in den USA Befund, daß nur ein ganz 'geringer Teil die Ordnungen unserer Gesellschaft zu 93 Dollar, in der Bundesrepublik 16,5 der jungen. Generation diese Frage der, finden und ihre Kraft innerhalb dieser Dollar. · 1 l bei Kindern und nicht bei jungen Erwachsenen liegt, können auch nicht genügend Anstrengungen gemad1t werden, jungen Menschen zum Erwachsen-, zum Mündigwerden zu verhelfen. Stattdessen wird die Verkinderung derer, die in dem genannten kritisd1en Stadium nicht abwandern, fortschreiten. Die Gefahr des Funktionärstums hängt eng hiermit zusammen. Sie ist durch den jeder Gruppierung innewohnenden Drall gegeben. Hier kann nur eine entschlossene Wendung helfen, das Erwachsenwerden dieser Mensmen zu riskieren und also ihre Selbständigkeit und Eigenverantwortung zu fördern. Apostaten sind oft besser als Epigonen. Innerhalb der christlichen Jugendverbände ist die Züchtung von Funktionären unter anderem daran erkennbar, daß man einen jungen Menschen kaum dazu befähigt, eine Aussage über seinen Glauben mit seinen eigenen Worten zu mad1en. Wo nur Sprad1e Leben erweisen kann, hört man die Stimme eines bestimmten „Meisters" oder den allgemeinkird1lid1en Jargon. Innerhalb einer freiwilligen Gruppierung ist es verhältnismäßig leid1t, aus der Ordnung auszusmeiden, an der man sich stößt. Man geht eben in dem Augenblick, in dem die Reibung zu stark wird. Was aber gesehieht, wenn an nid1t freigewählten und allgemeinverbindlimen Ordnungen gerüttelt wird? Man ist unzufrieden mit dieser Jugend. Und man versucht die Ordnung wieder herzustellen. Zwei Beispiele mögen das erläutern. Die bedauerlicher- und bezeimnenderweise Halbstarkenkrawalle genannten Versud1e, gegen eine Ordnung zu rebellieren, erregten zunämst einmal die Neugierde vor allem der Erwamsenen. (Bei der Bonner NATO-Konferenz im Herbst 1957 wurde den ausländischen Gästen von offizieller Seite eine Liste mit Vorschlägen für deren Amusement und Freizeitgestaltung ausgearbeitet: in ihr waren aum Plätze vermerkt, an denen „Halbstarken-Treffen" stattfänden.) Als näd1stes wurde die Polizei erregt, die ja sd1ließlich zur Aufrechterhaltung der Ordnung da war und gegen die sich die Provokationen der Randalierenden rimteten. Schließlid1 versuchte man, die ganze Same durch Häuser der noch offeneren Tür unter jugendpflcgerisme Kontrolle 'zu bringen. Dies letzte ist wahrsmeinlich zur Zeit die einzige Möglichkeit, überhaupt. Aber eine Aktion, die aus Überdruß an manipulierter Freiheit, an entsd1ärfender Pädagogik, an Konformitätsdruck, an Ordnung überhaupt entstanden ist, wird man durch weitere Manipulationen, durm Vergrößerung des Sandkastens, der als Spielplatz zugestanden wird, kaum beseitigen (vgl. Schelsky in „deutsche jugend", 1957, Heft 10, Seite 460 ff.). · daß sie nicht bereit war, auf liebgewordene und bewährte Arbeitshypothesen zu verzichten. Inzwismen haben sim die alte Ordnung und die Arbeitshypothese „Vaterland" insofern wieder durmgesetzt, als die Besmwörung der politischen und militäric smen Notwendigkeiten eine Aufarbeitung unserer Geschidlte verhindern. Aufs ganze haben sim die Stimmen durchgesetzt, die den Heidelberger Studententag smlimt eine „traurige Tagung" nannten, die „den Wert des Vaterlandes" für „den einzigen Wert" halten, „den wir dem Bolsmewismus nom entgegenzustellen haben". Es wird wieder verkündet, daß Vaterlandsliebe eine religiöse Pflicht sei (MdB. Bausch auf einer Tagung des deutschen Saarbundes). Und die heute 18jährigen glauben dies zum Teil sd10n wieder oder halten jedenfalls die Arbeitshypothese für notwendig oder zwedcmäßig. Der Student, der in Heidelberg sagte, er werde Jür das Vaterland keinen Finger krumm mad1en, weil es ihm um nimts anderes gehe als um den Menschen, der gerade durm dieses Vaterland borniert gemamt worden' sei, findet heute, leider in ganz anderer Weise, als er gedacht hatte, schon wieder ein großes Betätigungsfeld vor. - In Stuttgart war es das Ideal, dem die Studenten die Skepsis vorzogen. Zwar hatte der Referent es durdrnus rimtig angefangen, in dem er das Ideal, leimt entmythologisiert, als die Kraft bezeidmete, „die das bloß Bestehende rid1tet und die Kräfte der Überwindung mobilisiert". Aber die Studenten maßen mit dem Maß der Wirklimkeit und der redlichen Einsicht. Sie waren allenfalls und nur mit Vorsicht bereit, die Notwendigkeit von Leitbildern zuzugestehen, von „Entwürfen, die über das Gegebene hinausgehen" (vgl. Schmidhäuser, „Radius", Heft 3, 1957, S. 2). Aber diese Leitbilder müssen sich als glaubwürdig erweisen. Man weigert sid1, zur Verehrung von Göttern anzutreten, deren Kraft erloschen ist und an die keiner mehr glaubt. Diese Zurückhaltung mamt die Älteren befremden, und sie mögen an ßernanos denken: „Das Fieber der Jugend hält die iibrige Welt auf normaler Temperatur. Wenn die Jugend erkaltet, klappert die übrige Welt mit den Zähnen" („Die großen Friedhöfe unter dem Mond"). Das ist ganz gewiß richtig - aber lohnt die heutige Wohltemperiertheit wirklim das Fieber der Jugend? Und könnte Bcrnanos nid1t ebenso sagen, es sei besser, die Welt eine Weile mit den Zähnen klappern zu lassen, als die Jugend lediglich zu deren Erwärmung zu verheizen oder wenigstens durm Einimpfen von Idealen . auf erhöhter Temperatur zu halten? Was erwartet die Jugend? In Befragungen ist lediglim festzustellen, daß sie mehr oder weniger das gleiche erwartet wie die Erwachsenen. Unter der Jugend mag der Prozentsatz derer, die sich nom nicht zum Konformismus entsmlossen Als zweites · Beispiel seien der dritte · haben, nod1 etwas größer sein als bei und der vierte Deutsd1e Evangelisd1e Studen Erwamsenen, aber große Unterdententag (Heidelberg 1954 und Stuttgart smiede bestehen nimt. Ob dieser Befund 1957) genannt. In Heidelberg weigerten den friiheren Generationen gegenüber neu sim die Studenten, ein Vaterland als eine ist oder ob nur die Enttäuschung darüber verpflichtende Größe anzuerkennen. Sie neu ist, ist schwer zu sagen. Simer ist · waren nicht einem Menschheitsgefühl undagel?en,. daß diese En~täuschu!1g _unberemt1gt ist, und zwar mdlt, weil die Juterlegen, sondern sie wollten zur Gegend doch besser wäre als ihr Ruf, sonsd1id1te ihres Volkes stehen. Darum weidern weil es falsch ist, zu meinen, daß gerten sie sich, die Verpflimtung ~ür den die Jugend so oder so sein müsse, daß Mitmerischen durch eme Verpflimtung sie ohne Ideale, ohne großartige Initiafür ein Vaterland zu überhöhen oder tive usw: keine Jugend sei. „Jugend" ist einzuengen od~r dieser. zn op~er1?-. Die schließlich keine Weltansdrnuung, sondern ältere Generation reagierte we1thm beeine Altersstufe, ein Durchgangsstadium. fremdet. So entstand der fatale Eindrudc, Was die Jugend erwartet, wird nur im Engagement mit ihr offenbar. Dies Engagement ist nid1t eine Angelegenheit der Kompetenz, sondern der Verantwortlimkeit. Wenn dieJugend heute als Problem ersmeint, dann ist die Lösung dieses Problems nimt von der Vermehrung der Planstellen von Jugendpflegern und Lehrern, nimt von reimhaltigeren Programmen der Jugendverbände abhängig, sondern davon, ob der Ruf nam verantwortlim handelnden Erwad1senen gehört wird. Das Problem der jugendlichen NonKonformisten kann vielleicht so umschrieben werden: Sie wollen erwamsen werden, aber sie zögern, so zu werden wie die Erwachsenen. Dabei sind sie vorsichtig in der Bereitschaft, Leitbildern zu folgen, obwohl sie auf Leitbilder warten. Sie sind vielen Enttäuschungen zum Trotz bereit zu verantwortlid1er Mitarbeit, wo ihnen mcnschlid1e Substanz und also überzeugende Autorität begegnet. ' Von daher ist· es zu verstehen, warum gerade diese Gruppe der Jugend Männer und Frauen aus der Widerstandsbewegung im Hitlerreich als Leitbilder anerkennt. Sie lernt zu unterscheiden, von welmen Menschen wir heute leben und von weld1en nimt. Wie sie nam den 'Menschen sumt, von denen wir heute leben, so sud1t sie aud1 nad1 Mensmen, mit denen sie leben kann. Hier lebt nimt mehr ein Mythos der Gemeinschaft, sondern hier erwad1t das Bewußtsein, als Einzelner zerrieben zu werden. Hier erwacht das Bewußtsein, daß Menschen nur als Mitmenschen, nur mit den anderen und also nicht auf ihre Kosten frei sein können. (Den westlichen und östlimen Freiheitsparolen gegenüber sind sie gleimermaßen taub.) Sie sind keine Gegner der Ordnung, wohl aber lehnen sie sim gegen eine Ordnung auf, die sie nimt ehrlim bejahen können. Dies gilt für eine Kirmenordnung ebenso wie für die Ordnungen unserer ,Gesellschaft.. Sie wissen, daß sie diese Ordnungen nimt verändern können. Aber 'sie haben die Hoffnung nom nimt ganz aufgegeben, daß verantwortlimen Erwachsenen diese Tat gelingen könnte. Diese Gruppen sind nidlt von großer Zahl. Aber es könnte eine Art ßrudersmaft der Wachgewordenen daraus entstehen. Man kann ohne Mühe über sie hinwegsehen. Man wird auch ohne· große Mühe über sie hinweggehen können. Wahrsmeinlich wird man das tun. Wahrsmeinlim wird dann aber aud1 eines Namts ein Bedcmann zu uns Erwad1serien kommen und uns fragen: „Smlafen Sie gut, Herr Oberst? Können Sie eigentlim leben, Herr Oberst?" Jürgen Schroer Mit freundlicher Zustimmrmg des KreuzVerlages dem auf Seite 6 rezensierten Band „ Weiche Freiheit meinen wir?" entnommen. POLITISCH·E VERANTWORTUNG. Evangelische Stimmen. Verantwortlicher S.chriftleiter; Johannes Rau MdL„ Wuppertal·Barmen, Riiescheider Straße 14. Telefon 53720. Postscheckkonto Köln 51830. Druck: Buchdruckwerkstätten Hannover GmbH„ Hannover. Der Abdruck der Beiträge ist nur mit Quellenangabe .und gegen Zusendung von Belegen ,gestattet.