Entdecke die Möglichkeiten! Natursprung, Frisch

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Entdecke die Möglichkeiten! Natursprung, Frisch
Entdecke die Möglichkeiten!
Natursprung, Frisch- oder Tiefgefriersperma, Embryotransfer und Klonen:
In der Pferdezucht reifen immer mehr Fortpflanzungsmethoden zu
routinemäßigen Verfahren aus – dabei sind nur einige für den Züchter und
seine Stuten tatsächlich von Nutzen. BAYERNS PFERDE stellt Vor- und
Nachteile vor.
Am Anfang war der Natursprung. Der Züchter führte oder ritt seine Stute
zu einem der Landbeschäler, die von den Staatsgestüten in der ganzen
Republik auf den Deckstationen aufgestellt waren und bis heute sind.
Rosste die Stute am Hengst, wurde sie gedeckt. Das wiederholte sich alle
zwei Tage – so lange bis die äußere Rosse vorbei war, die Stute also
abschlug. Zeigte sie danach keine weitere Deckbereitschaft, war sie
tragend, kam sie wieder in Rosse, wiederholte sich die ganze Prozedur.
Heute geht es dem Züchter nicht mehr darum, ein neues Arbeitspferd für
den Einsatz in der Landwirtschaft oder als Transportmittel zu züchten,
sondern das was früher die Ausnahme war, ist heute die Regel: Gezielt
werden
Anpaarungen
ausgewählt,
um
Spitzensportler
oder
Ausnahmevererber zu produzieren. Keine Kosten werden gescheut und
das Deckgeschäft hat sich dank der Fortschritte in der Medizin zu einem
wichtigen
Teil
der
Pferde-„Industrie“
entwickelt.
Vieles
ist
möglich
geworden, aber nicht alles für alle sinnvoll. Und zum Glück spielt die Natur
nicht immer mit!
An ihrer Qualität sollt ihr sie erkennen
Der
Beginn
aller
modernen
Besamungsmethoden
liegt
in
der
Spermagewinnung. Dazu wird der Hengst mit Hilfe einer künstlichen
Scheide auf einer rossenden Stute oder einem Phantom mit oder ohne
Anwesenheit einer Stute abgesamt. Anschließend wird das Ejakulat
filtriert,
um
größere
Verunreinigungen
und
das
so
genannte
Seminalplasma zu entfernen. Letzteres ist ein Teil des Sekrets der
akzessorischen Geschlechtsdrüsen und für die Befruchtung nicht nötig und
schränkt sogar die Lebensdauer der Spermien ein. Nun besteht die
Möglichkeit, mit Hilfe eines Mikroskops oder in speziellen Gerätschaften
die Spermaqualität zu beurteilen. Dazu gehört einmal die Anzahl der
lebenden Spermien pro Milliliter (Ejakulatmenge: mindestens 40 Milliliter
mit einer Mindestanforderung von 100 x 106 Spermien), aber auch der
Prozentsatz der missgebildeten oder nur ortsbeweglichen Spermien im
Gegensatz
zu
den
vorwärtsbeweglichen
(normal:
70
Prozent,
Mindestanforderung: 50 Prozent). Zusätzlich ist bei Zuchthengsten eine
regelmäßige Untersuchung auf Krankheitserreger, z. B. EVA (Equine Virus
Arteritis) vorgeschrieben. Die Vorteile dieser Methode liegen auf der Hand:
Die nicht ganz unerheblichen Risiken für alle Beteiligten beim Natursprung
werden
deutlich
reduziert,
eine
Qualitätskontrolle
ist
möglich,
die
Verbreitung von Krankheiten kann verhindert werden und vor allem
können mehrere Stuten von einem Ejakulat besamt werden. Wie viele ist
abhängig von der Anzahl der Spemien, die gewonnen werden können.
Eine
normale
Besamungsdosis
besteht
aus
500
Millionen
vorwärtsbeweglichen Spermien. Für eine erfolgreiche Befruchtung müssen
ungefähr 1000 von ihnen an der Eizelle ankommen. Es ist aber nicht der
Erste der Glückliche, sondern eben der Tausendste. Die 999 vor ihm
ebnen ihm sozusagen den Weg, indem sie für ein Durchbrechen der
äußeren Hülle der Eizelle sorgen und so „die Tür öffnen“. Die Menge der
Spermien und auch ihre Qualität sind kein genormter Wert. Neben
genetischen Dispositionen können Krankheit, Stress, Medikamente und die
Frequenz der Absamungen Einfluss nehmen.
Konserviert geht es auf die Reise
Mit Frischsperma als Ergebnis des oben beschriebenen Prozesses eine
Stute
zu
besamen,
ist
die
einfachste
Möglichkeit
der
künstlichen
Besamung. Da die Spermien so aber nur kurze Zeit überleben, müssen
sich Hengst und Stute in einer gewissen Nähe befinden, sinnvoller Weise
auf derselben Besamungsstation. Auf diese Weise nutzt man alle Vorteile
der künstlichen Befruchtung, man verwendet aufbereitetes Sperma, das
noch nicht dem Alterungsprozess unterliegt oder mit Hilfsstoffen versehen
wurde. Die Entwicklung der modernen Pferdezucht bringt es aber mit sich,
dass der gewünschte Vererber nicht immer um die Ecke zu finden ist und
so wird eine Konservierung nötig, damit die Spermien auch längere
Transporte unbeschadet überstehen. Erreicht wird dies durch zwei
Maßnahmen. Zum
ersten wird das
Ejakulat
mit einer
Nährlösung
verdünnt. Diese sichert die Energieversorgung und verhindert negative
Einflüsse bei Temperaturabsenkung. Zum anderen wird die Temperatur
auf Kühlschrankniveau abgesenkt, um den Stoffwechsel und damit den
Energieverbrauch der Erbgutträger zu senken. Dieses Kühlsperma ist in
der Regel für 48 Stunden sinnvoll in der Besamung einzusetzen, wobei
hier signifikante Unterschiede zwischen den verschiedenen Hengsten
bestehen und es kann eine große Herausforderung darstellen, für
bestimmte Vatertiere die richtige Zusammensetzung der Nährlösung (des
so genannten Verdünners) herauszufinden. In entsprechend isolierten
Boxen versand, kann man auf diese Art Stuten in großen Entfernungen
besamen. Nachteilig wirken sich hier die mit der Zeit abnehmende
Spermaqualität und vor allem die Reaktion der Gebärmutterschleimhaut
auf die Bestandteile des Verdünners aus. Schon die Spermien stellen für
das Abwehrsystem des weiblichen Genitales Fremdmaterial dar, werden
also bekämpft und bei einer nicht unerheblichen Zahl von Stuten ist im
Ultraschallbild nach einer Besamung eine Entzündungsreaktion sichtbar.
Da ist es nur logisch, dass Bestandteile des Verdünners wie Magermilch
oder Eigelb diese Reaktion noch verschlimmern können. Natürlich werden
die meisten Stuten trotzdem tragend, aber wer schon mal gegen Ende der
Zuchtsaison eine nicht-tragende Stute im Stall stehen hatte, hat sich mit
diesem Problem sicher schon einmal auseinander gesetzt.
Eiszeit
Weiter oben wurde schon angedeutet, dass Stress und Spermaqualität
nicht die besten Freunde sind, erschwerend kommt hinzu, dass der
Deckakt fürs Pferd nicht ohne Anstrengung abläuft. Der moderne PferdeMann
muss
neben
seinen
Vater-Pflichten
meist
auch
noch
einem
bürgerlichen Beruf im Sport nachgehen und der bedeutet eben Stress. Um
also dem Leistungsvererber die Doppelbelastung Familie und Beruf zu
ersparen, findet der Züchter im Hengstkatalog immer häufiger den
Eintrag: Nur TG. Soll heißen: In der Turnierpause wird jede Menge
Sperma von einem Hengst gewonnen und davon Tiefgefrier-Sperma (TG)
hergestellt. Wenn der Züchter seine Stute besamen lässt, kann er den
Vater des Fohlens gleichzeitig auf den Turnierplätzen dieser Welt
bewundern.
Und so geht’s: Das Frischsperma wird diesmal mit einem entsprechenden
Tiefgefrier-Verdünner versehen. Er hat vor allem die Aufgabe, die
Keimzellen vor Temperaturschäden zu bewahren. Anschließend wird
dieses Gemisch in kleine strohhalmartige Kunststoffröhrchen gesaugt,
diese werden nach dem Verschluss langsam abgekühlt und schließlich in
flüssigem Stickstoff gelagert (das kleine Wunder besteht darin, dass die
Spermien bei Temperaturen von unter minus 196°C eingefroren sind und
einfach weiterleben, wenn man sie in der richtigen Art und Weise wieder
auftaut). Dort können sie nahezu unbegrenzt überdauern, womit sich ein
weiterer Vorteil dieser Methode offenbart: Auch nach dem Tod, der
Kastration oder des Verkaufs eines Hengstes kann er noch Fohlen
erzeugen.
Das
Herstellungsverfahren
ist
aufwendig
und
deshalb
kostspielig. Schlimmer aber noch: Der Besamungserfolg von TG-Sperma
liegt
unter
dem
von
einfachem
Kühlsperma
bei
intensiverem
Untersuchungsaufwand. So muss das Sperma nach der Tiefkühlung
wesentlich dichter am Ovulationszeitpunkt in der Gebärmutter abgesetzt
werden, da die Spermien nicht mehr so lange lebens- und damit
befruchtungsfähig sind. Es ergibt sich eine sinnvolle UntersuchungsIntervall der Stute von sechs Stunden. Unterm Strich bleibt also weniger
Erfolg bei höheren Kosten. Hinzukommt folgendes: Die Zuchtoberen der
deutschen
Verbände
fordern
stetig
Zuchtfortschritt. Der
stellt
sich
bekanntermaßen nur dann ein, wenn man die Söhne eines bewährten
Vererbers einsetzt, stellen sie doch eine Verbesserung ihrer beiden
Elternteile dar. TG-Sperma eines Hengstes für seine Stute auszuwählen,
der bereits vor Jahren von der züchterischen Bühne abgetreten ist,
orientiert sich also nicht unbedingt an den aktuellen hippologischen
Gegebenheiten.
Vieles machbar – nicht alles sinnvoll
Fast könnte man meinen, Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen
hätte nicht nur die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft verändert,
sondern auch die der Stute. Denn auch hier gibt es immer häufiger Fälle
von berufstätigen Damen, die die Erziehung ihrer Kinder anderen
überlassen (und sogar das Austragen). Allerdings: So häufig sind
siebenfache
Mütter
nicht
in
der
Politik
zu
finden
und
auch
der
Embryotransfer wird für den normalen Züchter in Zukunft nicht Routine
sein.
Wenn doch, folgt man diesem Rezept: Man nehme die Zuchtstute und
behandle sie mit Hormonen, so dass nicht ein oder zwei Follikel
heranreifen, sondern deutlich mehr, besame sie zum richtigen Zeitpunkt
und spüle ca. vier Tage nach dem Eisprung die hoffentlich entstandenen
Embryonen aus der Gebärmutter. Unter dem Mikroskop können diese
Zellhaufen auf ihre Qualität überprüft werden und anschließend in eine
zyklussynchrone Stute eingepflanzt oder auch tiefgefroren werden. Wenn
alles gut läuft, bekommt also die Empfängerstute ein gesundes Fohlen,
während die Spenderstute weiter Embryonen produzieren oder Turniere
gewinnen kann. Dieses Verfahren wird zwar routinemäßig eingesetzt, der
Aufwand und der Erfolg reservieren es aber für große, professionelle
Zuchtbetriebe, da schon die Bereitstellung mehrerer synchronisierter
Stuten einen erheblichen Aufwand darstellt.
Noch größer ist der Aufwand, wenn man eine Kopie eines lebenden
Pferdes haben möchte. Auch das ist möglich: E.T. von Hugo Simon soll
2009 in den Deckeinsatz gehen. War E.T. nicht ein Wallach? Ja, aber er ist
inzwischen geklont. Das heißt, einer Zelle des Wallachs wurde das Erbgut
entnommen, einer entkernten Eizelle eingesetzt, diese dann wieder in die
Stute verbracht und mit viel Glück ausgetragen. Das Genom des Klons
stimmt dann zu fast 100 Prozent mit dem des Spenders überein.
Allerdings ist das Alter des Spenders in seinem Erbgut gespeichert, dass
bedeutet, der Klon altert vorzeitig, bekommt zum Beispiel Arthrosen und
stirbt häufig weit vor seiner Zeit. Und welchen Wert dieser Klon in der
züchterischen Landschaft oder auf der sportlichen Bühne tatsächlich
hinterlässt, sei dahin gestellt. Dazu kommen noch ein paar offene ethische
Fragen. Also alles in allem nicht das, was man landläufig unter Pferdzucht
versteht!
Dr. Kristian Sander, Julia Martin