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SCHWERPUNKT: MARKETING _BUGABOO
Windel-Cabrio GTI
Das Unternehmen Bugaboo funktioniert nach dem Google-Prinzip:
eine Handvoll unkonventioneller Produktentwickler, cleveres Marketing und
die richtige Idee zum richtigen Zeitpunkt.
Das Ergebnis: ein abgefahrener Kinderwagen.
Text: Johannes Pennekamp
Foto: Judith Jockel
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Pressesprecherin Monique Schreurs sitzt vor ihrem Notebook
und muss wieder einmal die Unternehmenspräsentation überarbeiten. Aus 32 Ländern, in denen die Produkte ihrer Firma verkauft werden, sind 50 geworden, aus 2200 Geschäften 2750 und
aus 90 Leuten in der Amsterdamer Firmenzentrale 110. Weltweit
beschäftigt das Unternehmen mittlerweile 450 Mitarbeiter, im
Durchschnitt sind sie 31 Jahre alt. Die Umsatzkurve zeigt steil nach
oben. 2006: 55 Millionen Euro, im laufenden Geschäftsjahr (2007)
rund 25 Prozent plus. Und das mit einem Kinderwagen, dessen
Name Schreckgespenst bedeutet, dem Bugaboo.
Max Barenbrug ist der Designer der Kinderwagen und Chef
der Firma. Nach Umsatzzahlen oder Wachstumsplänen fragt man
ihn besser nicht. Dass Bugaboo auch in Deutschland seit einem
Jahr äußerst dynamische Umsätze aufweist, scheint ihm neu. Es
interessiert ihn offenbar auch nicht sonderlich. Stattdessen spricht
er lieber darüber, wie fixiert er ist auf größtmögliche Mobilität.
Das ist eindeutig seine Lieblingsphrase; kaum ein Satz, in dem
sie fehlt. Und obwohl Bugaboo bis jetzt ausschließlich Kinderwagen produziert, sieht Barenbrug sein Unternehmen künftig als
„eine der führenden Mobilitätsmarken“. Es gibt Andeutungen in
Richtung Einkaufswagen und Fahrrad. Dass die Schränke und
Schreibtische in der Firmenzentrale auf Schienen gleiten und auf
Rollen montiert sind, scheint insofern nur konsequent. Barenbrugs
Credo ist die Bewegungsfreiheit.
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Begonnen hat die neuere Geschichte des Kinderwagens 1994
in Eindhoven. Barenbrug studiert Design im letzten Semester und
ist auf der Suche nach einem Thema für die Abschlussarbeit.
Durchs Fenster seiner Studentenbude sieht er Eltern, die sich am
Bordstein mit einem sperrigen Kinderwagen abmühen – und erkennt das Problem und eine Marktlücke: „Eine Schwangerschaft
ist toll. Ein Kind ist toll. Nur der Kinderwagen, der ist nicht toll.“
Er will das Problem lösen und entwirft einen Prototyp, der
alles über den Haufen wirft, was bis dahin Kinderwagen hieß. Er
stattet ihn mit neuen Funktionen und schnörkellosem Design aus:
vorn zwei kleine Räder, hinten zwei große, die aus dem Stand in
alle Richtungen zu bewegen sind. Nahm man die kleinen Räder
ab, konnte der Prototyp als Fahrradanhänger benutzt oder durch
unwegsames Gelände geschoben werden. Die Liegeschale war
robust und ließ sich wie ein Rucksack tragen. Es sollte ein moderner Kinderwagen für moderne Eltern sein; einer, mit dem sogar
junge Väter gern vor die Tür gehen würden, ohne Teddybären
und Schäfchen auf plüschigen Decken und troddelumsäumten
Baldachinen.
Aber das ist 1994 zu viel des Neuen. Zwar erhält der Nachwuchsdesigner Auszeichnungen für seine Abschlussarbeit und
auch Jobangebote von renommierten Design-Agenturen. Doch
von seinem Kinderwagen will keiner etwas wissen. Der damals
29-Jährige will seine Idee aber um jeden Preis verfolgen und lehnt
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die Jobangebote ab. Mit „unfailing dedication“ habe er sich dem
Projekt verschrieben, sagt er, mit unerschöpflicher Hingabe. Er
feilt an den Funktionen, optimiert seinen Entwurf. Als er 1996
immer noch keinen Investor hat, denkt er daran aufzugeben und
sucht einen Job. Ohne Erfolg. „Was hast du denn die ganze Zeit
getrieben?“, wird er gefragt.
Dann die unerwartete Wende: Eduard Zanen, ein Bekannter,
bietet Hilfe an, und Barenbrug greift zu. 1996 gründen die beiden
in Amsterdam die Firma Bugaboo. „Weil niemand bereit war, den
Kinderwagen zu bauen, mussten wir es selbst tun“, sagt Barenbrug und zählt mit Genugtuung die Namen der Branchengrößen
auf, die ihm zuvor die kalte Schulter gezeigt hatten. In Taiwan finden sie eine Fabrik, die den Kinderwagen preisgünstig produziert;
sie kämpfen mit Sicherheitsbestimmungen und gegen Materialprobleme. Fast drei Jahre vergehen, bis das erste Schreckgespenst
in einem niederländischen Kinderwarengeschäft steht. Da ist das
alte Jahrtausend fast rum.
Heute geht der Bugaboo in den Läden weg wie geschnitten
Brot. Ein besonderer Marketing-Coup gelang den Niederländern
durch Product Placement: Die „Sex-and-the-City“-Darstellerin
Miranda schob den Bugaboo durchs Bild, nur sieben Sekunden
lang, aber lange genug für ein enormes Medienecho. Auch in den
bis dahin Bugaboo-freien USA wollte man ihn danach haben.
Barenbrug findet das komisch. „Ich habe meinen eigenen KinBRAND EINS 02/08
derwagen in den paar Sekunden gar nicht erkannt. Und trotzdem
diese Wirkung.“ Es hilft der Marke auch, dass Heidi Klum ihren
Nachwuchs im Bugaboo an den Objektiven der Paparazzi vorbeischiebt. In Amsterdam aber halten sie den Ball flach. Man sei
stolz über den Zuspruch der Prominenten, heißt es, angewiesen
sei man darauf nicht.
Das gab’s noch nicht: ein Kinderwagen, mit dem
sich Eindruck schinden lässt
Wohl wahr, schließlich ist das Baby-Cabrio weltweit zu einem
Statussymbol geworden für modebewusste Eltern, die dafür rund
900 Euro hinzulegen bereit sind. Aus Berliner und Hamburger
In-Bezirken ist der Bugaboo nicht mehr wegzudenken: unverzichtbares Vehikel für das Schaulaufen zum Brunch und auf dem
Spielplatz. Bei Ebay liegt selbst der Wiederverkaufswert für gebrauchte immer noch bei mehreren Hundert Euro. Auch Accessoires wie Sonnenschirm und Schneeräder sind Selbstläufer. Die
deutschen Kinderwagenschieber zu gewinnen sei nicht einfach
gewesen, sagt Monique Schreurs, wegen der Vorliebe für „Kinder-Limousinen“, während der Bugaboo ja eher eine Art Sportwagen sei. Doch mittlerweile sind die Niederländer beim Nachbarn richtig gelandet: 30 Prozent betrug das Umsatzplus im zu3
rückliegenden Jahr.
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SCHWERPUNKT: MARKETING
Marketing-Managerin Judith Frankenhuis freut das Prestige der Kinderkarre
Worauf es Chefdesigner Max Barenbrug ankommt, ist Bewegungsfreiheit
Marketing und Produktentwicklung sind in der Amsterdamer
Zentrale nur durch einen Flur voneinander getrennt. Tatsächlich
liegen Welten zwischen ihnen. Bei den einen zählen nur Zahlen,
bei den anderen herrscht das nackte Chaos; ohne Spezial-Ausweis
kein Zutritt. Überall liegen Materialproben und Entwürfe herum.
Vor Flatscreens tüfteln Designer an 3D-animierten Rädern oder
Scharnieren. Aus Computerboxen dröhnt House-Musik. Zwischen den Schreibtischen stehen die Modelle von Wettbewerbern. Dass mittlerweile auch andere trendige Kinderwagen auf
dem Markt sind, kommentiert Max Barenbrug gleichgültig: „Wir
haben keine Konkurrenten.“
pagnen deshalb nichts verloren. Während Traditionshersteller auf
Familienbilder setzen, rollt der „Bee“-Buggy im Werbefilm kinderlos durch eine künstliche Stadtlandschaft. Vier Männer-Models
umtanzen den Mini-Flitzer und demonstrieren dessen technische
Vorzüge. Das Faltdach: im Handumdrehen eingeklappt. Der ergonomische Sitz: höhenverstellbar und in jede erdenkliche Lage zu
bringen. Die Räder: mit neu entwickelten Stoßdämpfern.
Futuristisch, kompakt, ein Hingucker. Werbeanzeigen in
Hochglanzblättern sind selbstverständlich, hausbackene Elternmagazine uninteressant. In der Werbeabteilung wissen sie, dass
viele Kunden das Schreckgespenst aus Prestigegründen kaufen
und ihre Kinder nicht nur in den Bugaboo stecken, sondern auch
in Strampler von Baby Dior und später in Armani Junior.
Dass seinem Kinder-Cabrio der Hauch des Elitären anhaftet,
will dessen Schöpfer nicht hören: „Ich hasse Prestigeobjekte. Wenn
die Leute Bugaboo so sehen, macht unser Marketing etwas falsch.“
Das mag er tatsächlich so sehen. Fakt aber ist, dass es – ob nun
mit Absicht oder nicht – seiner Firma gelungen ist, aus einer
bislang eher lästigen, weil sperrigen Anschaffung ein cooles und
begehrtes Gefährt zu machen.
Längst schon haben das auch andere Hersteller erkannt. Die
niederländische Marke One Tree Hill hat mit ihrem Modell
„Urban Jungle“ bereits nachgezogen. Und auch der deutsche
Premium-Hersteller Teutonia hat angesichts der Erfolge der ausländischern Konkurrenz seine Strategie überdacht. Statt biederer
Ungetüme setzt nun auch die Firma aus Hiddenhausen auf hippes Aussehen und mehr Wendigkeit.
So gesehen, ist Max Barenbrug seinem Ziel deutlich näher
gekommen: größtmögliche Mobilität. Nicht nur bei Bugaboo.
Futuristische Technik, puristisches Design:
So etwas schieben auch Väter gern vor sich her
Manche Ideen der anderen seien interessant, aber bei der Produktentwicklung spiele das schon Dagewesene erst einmal keine
Rolle, sagt der Designer Aernout Dykstra. Die erste Phase in der
Geschichte eines neuen Produktes nennen die Vordenker „idea
stage“: Hier bedeutet das totale Abkapselung von der Außenwelt,
freier Auslauf für die Fantasie. Ob sich ihre Idee umsetzen lässt,
interessiert während dieser Phase nicht. Um Produktionskosten
und Kundenevaluationen geht es erst viel später. So dauerte es
vier Jahre, bis „Bee“, der neue Buggy, reif für den Markt war.
Im Gegensatz zur Entwicklungsabteilung wirkt das Marketing
aufgeräumt und gut sortiert. Barenbrugs Managerinnen wissen
genau, was sie verkaufen: ein Stück Mobilität, ein Accessoire für
Eltern, die ihre Lebensgewohnheiten nach der Geburt ihres Kindes nicht ändern möchten. Babys haben in den Marketing-KamBRAND EINS 02/08
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