Grand Hotels: Geschichte, die lebt
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Grand Hotels: Geschichte, die lebt
1 2013 Das Magazin für die Kunden der Schindler Aufzüge AG next floor Grand Hotels: Geschichte, die lebt Schweizer Hoteliers als Pioniere des Bahnbaus Der Schindler 3400 – die Revolution auf dem Dach Solar-Impulse-Weltumrundung: Das Ziel heisst 2015 Schindler Award: Schützenmatte Bern 13 Jahre später Inhalt 4 Es lebe das Grand Hotel 150 Jahre Schweizer Hotelgeschichte 8 11 Orlim Vargas – der letzte Liftboy Europas «Das Schweizer Grand Hotel gibt es nicht» Interview mit Jürg Schmid von Schweiz Tourismus 12 «Villa Castagnola» in Lugano Eine entspannte Atmosphäre des guten Geschmacks 15 «Beau-Rivage Palace» in Lausanne-Ouchy Seit 152 Jahren jeden Tag offen 18 «Victoria-Jungfrau» in Interlaken Über Jahre hinweg Spitzenklasse im Wellnessbereich 22 Hoteliers als Bahnpioniere Zug um Zug auf die Gipfel des Genusses 25 26 Schindler 3400 – die Revolution auf dem Dach Interview mit Bertrand Piccard und André Borschberg Solar Impulse fliegt 2015 rund um den Globus 30 33 Fachhochschule St. Gallen: Neuer Akzent im Stadtbild Schindler Award 2012: Die Schützenmatte im Jahre 2025 Titelbild: Das «Beau-Rivage Palace» am Ufer des Genfersees – eine schönere Lage für ein Grand Hotel ist fast nicht denkbar. Impressum Herausgeber Schindler Aufzüge AG, Marketing & Kommunikation, CH-6030 Ebikon Redaktion Beat Baumgartner Redaktionsadresse next floor, Zugerstrasse 13, CH-6030 Ebikon / Luzern, nextfloor @ ch.schindler.com Adressverwaltung address @ ch.schindler.com Titelbild Credit: «Beau-Rivage Palace» Layout aformat.ch Litho click it AG Druck Multicolor Print AG Auflage 32 000 Ex. Ausgaben next floor erscheint zweimal jährlich in deutscher, französischer und italienischer Sprache Copyright Schindler Aufzüge AG, Nachdruck auf Anfrage und mit Quellenangabe www.schindler.ch Editorial Style Liebe Leserinnen und Leser Style, Design, Qualität und hochstehende Architektur – all das verbinden wir mit Grand Hotels. Zwischen 1850 und 1910, als der Tourismus in Europa zum Massenphänomen wurde, entstanden überall – insbesondere auch bei uns in der Schweiz – solche Luxushotels. Diese Hotels verfügten als erste über Annehmlichkeiten, von denen Normalsterbliche damals nur träumen konnten: Fliessend kaltes und warmes Wasser in den Zimmern, elektrische Beleuchtung, Zentralheizung, Telefon und … natürlich auch Aufzüge. Aufzüge sind bis heute ein wichtiges architektonisches Element von Grand Hotels geblieben: Es handelt sich dabei zumeist um hochwertige, spezialgefertigte Anlagen und sehr häufig – so zumindest in der Schweiz – sind es Aufzüge, die unser Unternehmen geliefert hat. Aufzüge ermöglichten in den Grand Hotels erstmals durchgehende barrierefreie Mobilität, von der insbesondere Menschen mit Gebehinderungen oder ältere Menschen profitieren. Allerdings ist das Bewusstsein für «Access for all» bis heute noch nicht durchgängig in allen Köpfen verankert. Bereits zum fünften Mal hat darum der Schindler Konzern mit Erfolg den internationalen Architekturwettbewerb «Schindler Award» durchgeführt, der Studierende für das Thema «Barriefreiheit» und «Zugänglichkeit von Gebäuden» sensibilisiert. Der Wettbewerb – es ging dabei um eine Aufwertung der «Schützenmatte» in der Nähe der Berner Altstadt – zeigte eindrücklich auf, dass ein solcher Anlass nicht nur an den Universitäten, sondern auch politisch etwas in Bewegung setzen kann. Bisher gab es allerdings einen Gebäudetyp, der sich der «Barrierefreiheit» konsequent widersetzte: Es sind dies historische Gebäude, deren Gebäudehülle aus Gründen des Ortsbildschutzes keine Veränderung erfahren darf. Da Aufzüge aber normalerweise einen Schachtaufbau benötigen, der das Dachprofil verändert, konnten sie in solche Bauten kaum oder nur mit Mühe eingebaut werden. Hier bietet sich neu der überfahrtlose Schindler 3400 als Lösung an. Er braucht nur eine tragende Wand und benötigt keinen Dachaufbau mehr. Mehr davon in diesem next floor. Lassen Sie sich überraschen, inspirieren und überzeugen. Rainer Roten CEO Schindler Schweiz next floor 3 Thema Die Hoteliers waren es, die den Tourismus vor 150 Jahren ins Rollen brachten. Mit ihren legendären Grand Hotels setzte die Schweiz Massstäbe. Noch heute betören die Prunkbauten mit üppigem Ambiente und höchster Servicequalität. Und beweisen, dass man am Puls der Zeit bleiben kann, ohne auf jeden Trend aufzuspringen. 4 Der Nationalquai vor dem Luzerner Grand Hotel «Palace» – seit über 100 Jahren ein beliebter Ort zum Flanieren und Entspannen. Es lebe das Grand Hotel TEXT Christoph Zurfluh BILD Albert Zimmermann E ine milde Frühlingssonne lässt auf dem Vierwaldstättersee die Lichter tanzen und auf den Berg gipfeln rund um Luzern den Schnee schmelzen. Liebespärchen flanieren dem Ufer entlang, ein munteres Grüppchen Einheimischer spielt vor dem Casino Pétanque, und Touristen aus Japan fotografieren zuerst sich selber, dann das Bilderbuchpanorama und schliesslich das majestätische Hotel in ihrem Rücken: das «Palace». «Darf ich Ihnen mit dem Koffer behilflich sein?», fragt der Portier freundlich. Ich tauche ein in eine Hotelwelt, die nicht nur 5-SterneAnnehmlichkeiten garantiert, sondern einen ganz besonderen Geist atmet: den der Geschichte. Ein langer Gang führt vorbei am bekannten Hotelrestaurant Jasper, das nicht auf Michelin-Sterne und GaultMillau-Punkte schielt, sondern eine unkomplizierte Küche auf höchstem Niveau zelebriert, und dann landet man mitten im Herzen des Hauses: in der riesigen Jugendstil-Lobby mit ihren roten Marmorsäulen und dem Originalplattenboden aus der Jahrhundertwende. Hier wurde Hotelgeschichte geschrieben. Als Gast wird man ein Teil davon – bis heute. Einst eines der weltweit elegantesten Hotels «Herzlich willkommen», sagt Catherine Hunziker, die zusammen mit ihrem Mann Raymond das historische Grand Hotel seit diesem Jahr führt. Genau so fühle ich mich auch: herzlich willkommen. Und so müssen sich die Gäste schon vor hundert Jahren vorgekommen sein. Denn das letzte Haus an der Luzerner Quaipromenade war einst das erste: Als das «Palace» 1906 mit Pauken und Trompeten eröffnet wurde, zählte es zu den elegantesten Hotels der Welt. Auf 350 Betten kamen sagenhafte 120 Bäder und Toiletten. Das liess die lokale Konkurrenz vor Neid erblassen: Im «National» nebenan waren es auf 450 Betten gerade mal 79, und selbst im «Schweizerhof» mussten sich die Gäste mit 70 Bädern auf 400 Betten zufriedengeben. Künftig, so schworen sich die Direktoren dieser beiden Luzerner Nobelhäuser, würden sie den «Bucher» ganz schön anrennen lassen. König der Hoteliers Der «Bucher» kam aus dem nahen Kerns, war Haudegen, Visionär und Hotelpionier wie die legendären Hoteliers Johannes Badrutt und Alexander Seiler. Oder César Ritz, von dem König Edward II. von England einst gesagt haben soll, er sei nicht nur der Hotelier der Könige, sondern auch der König der Hoteliers. Doch Franz Josef Bucher war weniger Gastgeber als Unternehmer. Mit seinem Geschäftspartner Robert Durrer aus Sarnen gründete er ein Hotelimperium, das vom heimischen Engelberg übers benachbarte Italien bis ins ferne Ägypten reichte und am Ende zehn Luxus hotels umfasste, die er mit Vorliebe «Palace» taufte. Das «Palace» in Luzern war sein zweites Hotel vor Ort – und eines zu viel für seine Konkurrenten: Sie stellten die Zusammenarbeit mit dem hemdsärmligen Obwaldner umgehend ein. Fast 900 000 Franken – atemberaubende 270 Franken pro sumpfigen Quadratmeter Land – hatte Franz Josef Bucher für den Logenplatz am See bezahlt. Weitere 4 Millionen kostete der Bau. Da durfte man schon etwas erwarten. Denn das «Palace Luzern» war eines der letzten grossen Grand Hotels der Schweiz, c next floor 5 Thema 6 Als das «Palace Luzern» 1906 eröffnet wurde, zählte es zu einem der elegantesten Hotels der Welt. Es wurde auch in den letzten Jahrzehnten immer wieder an die sich wandelnden Bedürfnisse der Luxushotellerie angepasst. die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts überall dort gebaut wurden, wo es am schönsten ist: direkt am See wie die berühmten Quai-Hotels in Luzern, Montreux und Lugano, an erhöhter Lage darüber und in den Bergen, beispielsweise auf der Rigi. Die Hoteliers waren es, die dem Schweizer Tourismus auf die Sprünge halfen. Und die legendären Grand Hotels machten der Welt vor, was echtes Gastgebertum ist. c Leidenschaftlicher Gastgeber, hohe Servicequalität «Das hat sich bis heute nicht verändert», sagt «Palace»- Direktor Raymond Hunziker. «Wer ein solches Hotel führt, muss vor allem ein leidenschaftlicher Gastgeber sein. Wir können uns nur über die Servicequalität behaupten.» Denn die einzigartige historische Infrastruktur hat auch ihre Tücken: Der Unterhalt der Häuser ist teuer und die Abläufe entsprechen oft nicht modernen Anforderungen. Und bei jedem Eingriff besteht die Gefahr, dass das verloren geht, was den Charme des Hauses ausmacht: seine Geschichte. «Es hat keinen Sinn, jedem Trend hinterherzurennen», ist der 37-jährige Gastgeber überzeugt. «Aber wir müssen am Puls der Zeit bleiben.» Und da ist vor allem Swissness angesagt – was weit mehr bedeutet als Handörgelimusik und Fondueplausch: «Für uns stehen die Kernwerte Sicherheit, Verlässlichkeit und Pünktlichkeit an erster Stelle.» Pünktlich um vier Uhr wartet im kleinen, feinen SpaBereich denn auch eine Massage auf den Gast. Verwöhnkultur eben, wie sie in den Grand Hotels schon immer zelebriert wurde. Und während ich mich schrittweise aus dem Alltagstrott in einen Zustand glückseliger Entspannung kneten lasse, verlieren sich meine Gedanken irgendwo im Nirgendwo. Sie kehren erst dann wieder an die Luzerner Seepromenade zurück, als ich auf den kleinen Balkon meines riesigen Zimmers trete und mir ein bisschen vorkomme wie der Papst an Ostern. Unter mir flanieren die Men- schen, während die letzten Sonnenstrahlen die stolzen Hotelfassaden dramatisch in Szene setzen. Unglaublich, mit welchem Selbstbewusstsein sich das Gastland Schweiz vor hundert Jahren der Welt präsentierte. Wilde Blüten Doch der Hotelbauboom trieb mitunter auch wilde Blüten. So beispielsweise im Flecken Maloja, wo mit dem «Maloja Palace» ab 1884 eines der grössenwahnsinnigsten Projekte der Belle Epoque in der Schweiz realisiert wurde. Massgeblich finanziert wurde das Prunkhaus mit seinen 350 Zimmern vom belgischen Grafen Camille Frédéric Maximilian de Renesse. Er wollte sich im Engadin mit dem Geld seiner vermögenden Frau und horrenden Bankkrediten ein Denkmal setzen. Glanz volles Highlight der kurzen Geschichte des «Maloja Palace» blieb jener GalaAbend im August 1887, an dem der Speisesaal geflutet wurde, damit die Kellner als Gondoliere in Originalgondeln aus Venedig die illustre Gästeschar bedienen konnten. Jugendlicher Spirit Das «Palace Luzern» ist zwar auch schon geflutet worden, damals aber eher ungewollt vom Hoch wasser. Dann stand die Küche schon mal knietief unter Wasser, und die privilegierte Lage am See wurde für einmal zur Plage. Im Moment allerdings ist von Hochwasser keine Rede. Die Sonne verwandelt den Himmel über dem Pilatus gerade in ein Flammenmeer, und draussen auf dem See dümpeln ein paar Boote träge vor sich hin. Die Stimmung im Restaurant Jasper ist entspannt und entspricht wohl genau dem, was sich das neue Direktorenpaar wünscht: ein Haus zu werden, das seine Geschichte als vornehmes Grand Hotel zwar nicht leugnet, aber Berührungsängste abbauen möchte. Wie sagte Raymond Hunziker noch? «Man soll unseren jugendlichen Spirit spüren.» Das tut man. Zweifellos. n next floor 7 Thema Der letzte Liftboy Europas Er hat in seiner Heimat Ecuador Biologie studiert – doch es war die Liebe, die ihn in die Schweiz gebracht hat. Heute ist Orlim Vargas der letzte Liftboy Europas im legendären Hotel «Les Trois Rois» in Basel. Für ein kurzes Gespräch hat er immer Zeit – und feine Antennen für die Gefühlslage seiner Gäste, die er im Lift nach oben oder unten begleitet. 8 Facts & Figures 1681 w ird die Herberge «Zu den Drei Königen» als Unterkunft für Händler und Schiffsreisende erstmals erwähnt. 1841 kauft der Schneidermeister Johann Jakob Senn das Hotel, das mittlerweile aus mehreren Liegenschaften besteht. Er lässt alles niederreissen. Nach den Plänen des Basler Architekten Amadeus Merian entsteht das Hotel, dessen Fassade und Umrisse bis heute massgebend sind. 1936Erstmals ist das Hotel nicht mehr inhabergeführt und erhält eigene Direktoren. 2005 / 06Das Hotel wird nach Denkmalschutzkriterien renoviert und in die Zeit um 1844 zurückgebaut. ufzüge A 3 Personenaufzüge Spezialausführungen, die von Liftboy Orlim Vargas betreut werden. Die Kabinen sind mit Holz verkleidet, die Bedienungstableaus aus Messing, die Etagen erhalten nostalgische Stockwerkanzeigen. 3 Personenaufzüge Schindler 5400 für das Hotelpersonal. 1 Personenaufzug Spezialausführung, die als Behindertenaufzug mit Begleitung dient. Der Lift verbindet Innen- und Aussenbereich des Hotels. 1 Kleingüteraufzug für den Küchenbetrieb. Text Christian Schreiber Bild Albert Zimmermann K urz zupft Orlim Oldemar Zurita Vargas seine weissen Handschuhe zurecht, blickt auf seine rote Weste und die polierten schwarzen Schuhe. Die Uniform sitzt perfekt. Muss sie auch, schliesslich arbeitet der 37-Jährige im Basler Nobelhotel «Les Trois Rois». Und er ist nicht irgendein Page: Er ist der letzte Liftboy in Europa. Das behauptet er nicht einfach so. Der gebürtige Ecuadorianer ist eine ehrliche Haut, nie würde er das aus PR-Zwecken einfach so rausposaunen. Bekannte hatten ihn angespornt, doch mal zu recherchieren, ob es irgendwo noch andere Hotelangestellte gibt, die einen ähnlichen Job machen. Also hat er bei Hoteliersverbänden, Tourismusorganisationen und Ämtern nachgeforscht. Und überall in Europa war die Antwort dieselbe: «So einen Beruf gibt es nicht mehr.» Auch dem Schweizer TourismusVerband STV ist auf Nachfrage kein weiterer Liftboy bekannt. Die Uniform sitzt also. Orlim Vargas drückt aufs Knöpfchen. Dritter Stock, 20 Sekunden. Was sind schon 20 Sekunden? Im Aufzug eine Ewigkeit, wenn man sich anschweigt. «Deswegen versuche ich immer eine Kommunikation aufzubauen», erklärt der 37-Jährige. Er frage zum Beispiel, ob die Gäste mit dem Hotel zufrieden sind oder schon Zeit hatten, einen Spaziergang durch Basel zu machen. Er beschreibt ihnen auch gerne die Sehenswürdigkeiten und kann sogar einen kurzen, fundierten Vortrag über das berühmte Münster halten. Die meisten sind gesprächsbereit und froh, wenn er das Eis bricht. c Das «Les Trois Rois» heute, nach dem Totalumbau: Es sieht wieder so aus wie in seiner Ursprungszeit 1844. next floor 9 Thema Liftboy Orlim Vargas ist immer für seine Gäste da. Natürlich gibt es auch Ausnahmen: Gäste, die mit dem falschen Bein aufgestanden sind, eine lange und stressige Anreise hatten oder Miesepeter, denen nichts an einem Wortwechsel liegt. Aber Orlim Vargas hat ein Gespür für Menschen. Er besitzt ganz feine Antennen, um die Gefühlslage anderer sofort zu erfassen. Kollegen im Hotel sagen ihm telepathische Fähigkeiten nach, und Vargas glaubt, dass er diese Begabung seinem Grossvater verdankt, der Schamane war. «Ich schaue den Gästen in die Augen und weiss, was los ist.» Aber er fühlt sich auch für ganz praktische Dinge zuständig. Manche kommen schon mit bestimmten Vorstellungen ins Hotel, wollen für den Abend noch zwei der begehrten Konzertkarten oder ein Flugticket für übermorgen. Andere sind froh über jede Anregung, nehmen dankend den Tipp entgegen, das neue Theaterstück zu besuchen oder den Abend im Hotel bei Klaviermusik ausklingen zu lassen. So merken die Gäste auch schnell, dass sein Arbeitstag mehr ist als Knöpfchen drücken und Smalltalk. Ausserdem muss ja auch der Lift sauber sein. Hochglanzpoliert. Deswegen hat Vargas in einer kleinen Kammer im Erdgeschoss Putzmittel deponiert. Wenn es mal ruhiger zugeht, schnappt er sich Eimer und Lappen, sprüht die verspiegelte Aufzugtür ein und reibt akribisch jeden Fingerabdruck weg. Doch der äussere Schein darf nicht c 10 trügen, sein Aufzug hat ja auch ein Innenleben. Strassendreck, Fussel, kleine Papierchen, Haare. Wenn es schnell gehen muss, fegt Orlim Vargas mit dem Besen durch. Vor zehn Jahren hat er in seiner Heimat Ecuador eine Schweizer Mathelehrerin kennengelernt, die Urlaub machte. Heute ist er mit ihr verheiratet, sie haben drei Kinder. Als Vargas damals in die Schweiz kam, hat er als Tellerwäscher angefangen. Doch die Verantwortlichen des Hotels erkannten schnell, dass mehr in ihm steckt. Schliesslich hat er in Ecuador Biologie studiert. Das nützt ihm auch in der Schweiz, mehrmals die Woche führt er Besucher durch den botanischen Garten in Basel. Ausserdem begleitet er für einen Reiseveranstalter manchmal Touristen nach Ecuador und zeigt ihnen sein Heimatland. Dann besucht er natürlich seine Familie und erzählt von seinem aufregenden Leben. Schliesslich hat er eine Bilderbuchkarriere hingelegt. Vargas’ Familie gehört zu einem Indianerstamm, der zu seiner Kindheit noch nicht zivilisiert war. «Wir lebten vom Tauschhandel und hatten keine Kleidung.» Aber er bekam die Chance, sich zu bilden und zu studieren. Jetzt plant er mit seiner Familie die erste Reise in die Heimat, die drei Monate dauern soll. «Wir gehen mitten rein in den Urwald und ich zeige ihnen, was man essen und wie man dort überleben kann. n Unbezahlbare Erlebnisse «Das Schweizer Grand Hotel gibt es nicht», sagt Jürg Schmid, Direktor von Schweiz Tourismus. «Aber es gibt die Schweizer Tradition von Grand Hotels, die auf die Anfänge des alpinen Tourismus zurückgeht.» Jürg Schmid, was macht die Schweizer Grand Hotels zu etwas Besonderem? Nirgends sonst empfindet der Gast Hotelgeschichte intensiver: In jedem Raum spürt man den Pioniergeist, der die Hoteliers während der Gründerzeiten antrieb. Seither sind mehr als hundert Jahre vergangen. Was hat sich in dieser Zeit geändert? Nicht viel. Noch immer stehen Grand Hotels für leidenschaftliches Gastgebertum, für persönlichen Service und beidseitige Freude am Aufenthalt. Und natürlich befindet sich die Infrastruktur der Schweizer Grand Hotels nach wie vor auf der Höhe einer ge hobenen Hotellerie. Was sich aber verändert hat, ist die Herkunft der Gäste: Waren es vor 150 Jahren vornehmlich Briten, kommen heute auch viele Gäste aus Asien, den Golfstaaten, Russland und den USA. Verraten Sie uns Ihre Favoriten? Die Liste an einzigartigen Grand Hotels, die über die ganze Schweiz verteilt sind, ist lang. Um trotzdem einige hervorzuheben: Das Badrutt’s Palace in St. Moritz, das Mont Cervin Palace in Zermatt, das Grandhotel Giessbach in Brienz, das Victoria-Jungfrau Grand Hotel & Spa in Interlaken, das Lausanne Palace & Spa und das Grand Hotel Les Trois Rois in Basel gehören bestimmt zu den echten Klassikern. n Was unterscheidet das historische Grand Hotel vom modernen Luxushotel? Der Charme und der Zauber! Und die Patina, die dem Hotelgast von früheren Zeiten erzählt. Aber auch die Tatsache, dass das Hotel in seiner jahrhundertealten Tradition in gastgeberischer Perfektion bestehen blieb. Bezahlt man da nicht vor allem für das nostalgische Ambiente? Auf keinen Fall. Aber das Erlebnis eines authentischen Grand Hotels ist tatsächlich etwas Wertvolles – da entstehen Eindrücke, die lange nachschwingen. Grand Hotels vermitteln in unseren schnelllebigen Zeiten Beständigkeit. Und das ist unbezahlbar. next floor 11 Thema 12 Seit 22 Jahren führt Ivan Zorloni das Hotel – immer noch mit der gleichen Leidenschaft wie am ersten Tag. Es gibt Hotels, die sind weit mehr als das: Die «Villa Castagnola» in Lugano etwa könnte man als Privatgalerie bezeichnen, in der man im siebten Himmel tafeln und nebenbei auch stilvoll übernachten kann. Es gibt nur ein Problem: Man will hier nicht wieder weg. Eine Oase des guten Geschmacks Text Matthias Mächler Bild Albert Zimmermann U Nur noch Räume mit Seesicht: Die «Villa Castagnola» reduzierte darum in den letzten Jahren die Anzahl Zimmer kontinuierlich von 110 auf 78 und modernisierte sie gleichzeitig sanft. nzählige Gemälde, Skulpturen und alte Wand teppiche hauchen der 150-jährigen Villa Leben ein, doch das schönste Bild malt die Natur: Der Blick aus der Lobby schweift zwischen schlanken Palmen hindurch über den Rasen des Hotelparks, schwebt unter tiefblauem Himmel über den Luganersee und bleibt hängen am mächtigen San Salvatore, dem «Zuckerhut von Lugano». Was für ein Hotel! Ein zweites Zuhause «Eigentlich wollen wir gar kein Hotel sein», sagt Ivan Zorloni, der Direktor, schmunzelnd. «Wir sehen die Villa mehr als zweites Zuhause für unsere Gäste.» Was andernorts nach Marketingfloskel riecht, bringt das Wesen der «Villa Castagnola» auf den Punkt. Für Ruhe und Rückzug bleibt einem nicht nur das Zimmer. Man kann im blauen Saal in einer Nische vor dem knisternden Kamin träumen oder in e iner ruhigen Ecke im Park in die Sonne blinzeln. Nichts wirkt in dieser Kulisse aufgesetzt, nichts weckt den Verdacht auf Künstlichkeit. Hier herrschen Authentizität und behagliche Eleganz. Und das hat viel mit der Person des Direktors zu tun. Ivan Zorloni schafft ein seltenes Kunststück: Er ist immer präsent, ohne sich je aufzudrängen. Entspannt, als ob man sich schon ewig kennen würde, verwickelt er seine Gäste ins Gespräch – mit einer Mischung aus Weltgewandtheit, Humor und Vertrautheit. Denn Ivan Zorloni mag Menschen und ihre Eigenheiten. Er liebt den Austausch mit ihnen ebenso wie das Hotel, das der Familie seiner Frau gehört. Auch nach 22 Jahren führt er es noch mit einer Leidenschaft, als hätte er sich erst gestern in die Villa verliebt. Ein Glück für den Gast ist es, dass die Besitzerfamilie die «Villa Castagnola» in erster Linie als Liebhaberund nicht als Investitionsobjekt betrachtet. «Würde die Effizienz an oberster Stelle stehen, hätten wir auch heute noch so viele Zimmer wie vor 22 Jahren», sagt Ivan Zorloni. Die Familie aber entschied, nur noch Räume mit Seesicht anzubieten: Alle mit Balkon, alle von erlesenem mediterranen Charme, alle individuell möbliert. Man reduzierte darum die Anzahl Zimmer kontinuierlich von 110 auf 78 und versteckte in den letzten Jahren hinter geschmackvollen Tapeten allerneuste Technik. Auf dem Bett liegen zwei unterschiedlich dicke Kissen zur Auswahl und die Wäsche duftet nach Sandelholz. Nicht nur Details wie diese machen die «Villa Cas tagnola» zum einzigen Fünf-Sterne-Superior-Hotel Luganos und zum Mitglied der erlauchten Gruppe der «Small Luxury Hotels oft the World». Zum c next floor 13 Thema Facts & Figures Ein Schmuckstück der «Villa Castagnola» stellt der neue, elegante Schindler-Glasaufzug dar, der 2012 installiert wurde. Er erschliesst von der Lobby aus komfortabel die Hotelzimmer. Typ Spezialausführung in Glasschacht Geschwindigkeit 1 m/s Haltestellen 7 Traglast 1125 kg Alt und Neu stilvoll vereint: Der neue Glasaufzug in der Hotellobby. tischem Interieur kommt nicht nur die Ausstellung von Yoshiyuki Miura (bis 31. August 2013) imposant zur Geltung, sondern auch die Aussicht auf den San Salvatore. Und die ist so zauberhaft, dass Oberkellner Andreas Keller noch immer fast täglich mit dem iPhone ein Foto schiesst, obwohl er hier seit der Eröffnung des «Artè» im Jahr 2002 arbeitet. Star am Luganeser Gastro-Himmel Gesamtkunstwerk gehören auch die beiden estaurants, die so unterschiedlich sind wie ihre R Chefs. Während im frisch umgebauten, südländisch opulenten «Le Relais» der perfektionistische Italiener Christian Bertogna die Mittelmeerküche neu erfindet und dafür von GaultMillau mit 14 Punkten geadelt wurde, erwartet den Gast im Restaurant «Artè» eine völlig andere Geschichte. Das «Artè» ist in einem Haus direkt am Wasser untergebracht und setzt mit seinem Design einen modernen Kontrapunkt zur altehrwürdigen Villa. Dank puris- c 14 Für Chefkoch Frank Oerthle sind es weniger die Lichtstimmungen als die Wechselausstellungen, die ihn zu seinen Fischkreationen und deren Dekoration inspirieren. Doch die besten Ideen kommen dem gebürtigen Deutschen, wenn er aufs Bike steigt und hinter dem Hotel den Monte Brè erklimmt: «Glückshormone sind bei mir der wichtigste Faktor für Kreativität.» Frank Oerthle brachte es 2009 zum Tessiner GaultMillau-Aufsteiger des Jahres und gilt seit 2010 mit 16 Punkten und einem Michelin-Stern als Star am Luganeser Gastro-Himmel. Das habe er allerdings nicht nur seinen Biketouren zu verdanken, sagt er schmunzelnd, sondern auch ausnahmslos besten Zutaten, die oft nur wegen ihm in die Stadt geliefert würden. Und so empfindet man die «Villa Castagnola» fast schon als Geschenk, obwohl man für ein Zimmer eine rechte Summe bezahlt. Doch als Gegenleistung gibt es mehr als ein gutes Bett: Man taucht ein in eine s tilvoll-entspannte Atmosphäre des guten Geschmacks, wie man das sonst auch in Luxushotels selten erlebt. Und verdrängt nur den einen Gedanken: Dass man hier irgendwann wieder auschecken muss. n Thema Seit 152 Jahren jeden Tag offen Das flanierende Publikum kehrt hier ein, ohne es sich zweimal zu überlegen, Hotelfachschüler huldigen ihm, Facebook-Followers schätzen den Preisvorteil: Das «Beau-Rivage Palace» in Lausanne baut Schwellenangst ab wie kaum ein anderes Fünfsternehotel. next floor 15 Thema Wie wenn er schon immer zum «Beau-Rivage Palace» gehört hätte – der stilvolle Glasaufzug von Schindler im Treppenhaus. Hönig vom Hotel «Beau-Rivage Palace». «Denn viele Nicht-Hotelgäste haben Hemmungen, durch die Lobby eines Fünfsternehotels zu gehen.» Natürlich spielt auch die herrliche Lage am See eine Rolle und die Nachbarschaft zum Olympischen Museum. Zudem muss sich das «Beau-Rivage Palace» die Fünfsternekundschaft in Lausanne lediglich mit dem Hotel Palace oben, im Stadtzentrum, teilen muss. Und trotzdem scheint im «Beau-Rivage Palace» ein besonderer Geist zu herrschen. Annina Hart-Hönig erzählt vom Grundsatzentscheid, den Direktor François Dussart 2003 fällte. Unter dem Motto «Tradition in Bewegung» verordnete er dem Hotel eine respektable Verjüngungskur. Er liess die Lobby renovieren, das angestaubte Gourmetrestaurant Rotonde in einen lichtdurchfluteten Frühstückssaal verwandeln, Zwischendecken entfernen und alte Deckengemälde freilegen. Zurückhaltende moderne Elemente fügen sich heute dezent ins historische Dekor, ohne diesem den Charme streitig zu machen. Im Gegenteil: Die wunderbaren Marmorböden, die prunkvollen Art-déco-Leuchter und zauberhaften Holzverarbeitungen kommen wieder in ihrer ganzen Pracht zur Geltung. Text Matthias Mächler Bild Albert Zimmermann D ie Schweizer Luxushotellerie hat ein Problem: Die goldenen Zeiten sind vorbei, der Franken ist teuer, die Konkurrenz gross. Die Gäste strömen nicht mehr in Scharen herbei wie auch schon. Darum wollen sich die Fünfsternehäuser öffnen, neue Segmente ansprechen, um ihre Betten auszulasten, die Tische ihrer Gourmetrestaurants, Terrassen und Bars. Doch viele tun sich schwer damit. Nicht so das berühmte «Beau-Rivage Palace» in Lausanne-Ouchy. Sobald die Sonne wärmt, drängen sich die Passanten unter die Laube vor dem Café Beau-Rivage; die ungezwungene, aber gepflegte Brasserie gehört seit jeher zu den beliebtesten Treffpunkten der Stadt. Nebenan hat das Hotel vor einem Jahr die «BAR» eröffnet: Sie stellt mit ihrem kosmopolitischen Interieur, dem leuchtenden Onyx-Tresen und stilvoller Sinnlichkeit manch ein Trendlokal in Zürich, London oder New York in den Schatten. Von der Sushi-Bar über die Lobbyterrasse bis hin zum Feinschmeckerrestaurant von Anne-Sophie Pic mit zwei Michelin-Sternen: Das «Beau-Rivage Palace» hat keine Mühe, seine Tische zu füllen. Ein besonderer Geist «Bei uns gibt es keinen Krawattenzwang. Bestimmt ist es auch ein Vorteil, dass man die Restaurants und Bars nicht nur durch die Lobby, sondern auch direkt von der Promenade her erreicht», sagt Annina Hart- 16 Seit 120 Jahren verbunden Doch was wäre eine schöne Kulisse ohne die richtigen Akteure? Dass der Direktor bei der Wahl seines Per sonals aus dem Vollen schöpfen kann, liegt nicht nur am guten Namen des Hotels, an den gekrönten Häuptern, die hier logieren, oder an Stars wie Phil Collins, die hier heirateten. Sondern auch daran, dass das «Beau-Rivage Palace» seit jeher eng mit der ältesten Hotelfachschule der Welt zusammenarbeitet, der «Ecole hôtelière de Lausanne». Diese wurde 1893 vom damaligen «Beau-Rivage Palace» Direktor Jacques Tschumi gegründet. Den Studierenden aus aller Welt dient das Hotel als Fallbeispiel, und manch einer würde alles dafür geben, hier dereinst eine Stelle zu bekommen. Entsprechend profitiert das «Beau-Rivage Palace» auch von der Schule und den neusten Erkenntnissen, die dort gelehrt werden. Moderne Kommunikationskanäle wie das Facebook werden aktiv genutzt. So profitieren User, die dem «Beau-Rivage Palace» folgen, immer wieder von Spezialpreisen. Auch dank solchen Zückerchen kommt es gemäss Annina Hart-Hönig auf eine für Fünfsternehotels komfortable Auslastung. Dass das altehrwürdige Grand Hotel so frisch und lebendig wirkt, hat aber noch einen anderen Grund: Seit es 1861 eröffnet wurde, stellte es sich in guten und in schlechten Zeit stets den Umständen, die gerade herrschten – und hatte in den 152 Jahren noch keinen einzigen Tag geschlossen. n Das Unmögliche möglich machen Die Leser der «Bilanz» wählten sie 2012 zur besten Concierge der Schweiz: Sylvie Gonin prägt mit ihrer roten Mähne die Lobby des «Beau-Rivage Palace» in Lausanne-Ouchy. Dezente und moderne Elemente (unten) stehen neben dem erneuerten historischen Dekor, ohne dessen Charme zu konkurrenzieren. Silvie Gonin, worauf führen Sie die Ehre zurück, zur besten Concierge der Schweiz gewählt worden zu sein? Natürlich versuche ich meinen Job so gut wie möglich zu machen. Doch ohne meine Mitarbeitenden ginge das nicht. Letztlich aber habe ich das Gefühl, dass diese Auszeichnung den Eindruck wider spiegelt, den die Gäste vom gesamten Hotel haben. Was ist für Sie ein guter Concierge? Ein gutes Einfühlungsvermögen ist wichtig und eine schnelle Auffassungsgabe, man muss improvisieren können und darf die Nerven nicht verlieren. Als Concierge ist der Ausnahmezustand Alltag: Es muss Freude bereiten, auch scheinbar Unmögliches möglich zu machen. Was umfasst die Arbeit eines Concierge? Der Concierge ist der Chef der Lobby. Er dirigiert die Réception, die Voituriers, die Gepäckträger. Und man ist erste Anlaufstelle, wenn der Gast ein Problem hat oder einen Wunsch. Und wie wird sich Ihr Beruf in Zukunft verändern? Vor noch nicht allzu langer Zeit gab es noch keine Handys. Heute mailen uns die Gäste ihre Wünsche vom Golfplatz aus. Trotzdem wird der persönliche Kontakt künftig noch viel wichtiger: In zehn Jahren bedeutet wohl wahrer Luxus, dass man seine Wünsche einem Menschen statt einer Maschine mitteilen kann. next floor 17 Thema 18 Ortstermin im «besten Wellnesshotel Europas» Wie schafft es ein Wellnesshotel, sich über Jahre hinweg in der Spitzenklasse der Branche zu behaupten? Wir haben es selbst ausprobiert und uns einen Tag im «Victoria-Jungfrau Grand Hotel & Spa» in Interlaken verwöhnen lassen. Die Pool-Landschaft im «Victoria-Jungfrau», eine der Perlen des Spa-Bereichs. Text Stefan Doppmann Bild Albert Zimmermann «Noch etwas zaghaft gleiten die Füsse in die bereitstehende Schüssel mit warmem Wasser. Geschickt beginnen geübte Hände ihr Werk. Sie kneten, drücken, streichen – und ich spüre, wie sich allmählich die Anspannung im ganzen Körper löst. Gedämpftes Licht erhellt indirekt die Decke in dem zu Beginn gewünschten Farbton. Die wohltuende Fussbehandlung ist das Auftaktritual zur balinesischen Entspannungsmassage.» D as «Victoria-Jungfrau Grand Hotel & Spa» in Interlaken ist im eigentlichen Sinn ein ausgezeichnetes Haus. Die Anerkennung als «bestes Wellnesshotel Europas» im «GEO Saison»-Ranking 2013 ist die jüngste Ehrung in einer beeindruckend langen Reihe von Preisen und Belobigungen. Doch was braucht es, um sich wie das «Victoria-Jungfrau» dauerhaft an der Spitze der Wohlfühloasen behaupten zu können? Das richtige Angebot «Mit unseren exklusiven Anwendungen heben wir uns von anderen Wellnesshotels ab. Gleichzeitig dürfen unsere Gäste für jedes Bedürf nis eine individuelle Antwort erwarten», erklärt Spa-Direktorin Theresa Brandl. Dieser Anspruch auf Exklusivität verlangt nach aufwendigen Investitionen. Der 5500 Quadratmeter grosse Spa-Bereich wurde 1991 gebaut und vor elf Jahren für 17 Millionen Franken erweitert. Heute bietet dieser 21 Behandlungsräume, eine Pool landschaft mit verschiedenen Schwimm-, Sprudel- und Solebecken sowie Dampfbad, diverse Saunen, ein Fitnesscenter und Tennisplätze. 2009 kam der weltweit einzigartige Sensai Select Spa dazu, wo die japanische Ausprägung der Badekultur zelebriert wird. Und woher kommen die Ideen für diese Neuinvestitionen? «Wir befragen unsere Gäste und besuchen Messen, um die neusten Strömungen rechtzeitig zu erkennen. Auch unsere Mitarbeitenden liefern c next floor 19 Thema Das «Victoria-Jungfrau» verkörpert wie kein zweites Grand Hotel Schweizer Tourismusgeschichte. wertvolle Hinweise», erklärt Theresa Brandl. Die Nase stets im Wind versucht sie, den Trends nicht nachzuspüren, sondern diese – wenn immer möglich – selber zu setzen. c «Nun auf dem Rücken liegend, entfernen sich Körper und Geist immer weiter vom hektischen Alltag. Die Kopfmassage lässt jedes Zeitgefühl entschwinden. Sphärische Klänge füllen den Raum und fügen dem Erlebnis eine weitere Dimension hinzu. Es breitet sich Harmonie aus.» Das stilvolle Ambiente Das «Victoria-Jungfrau Grand Hotel», das den Rahmen für den Spa bietet, verkörpert wie nur wenige andere Herbergen Schweizer Tourismusgeschichte. 1865, vor fast 150 Jahren, eröffnete der Hotelier Eduard Ruchti das neu gebaute Hotel Victoria. Seit diesen Tagen kommen die Reichen und Schönen dieser Welt ans Ufer des Brienzersees, um von hier aus die atemberaubende Jungfrauregion zu erkunden. Die historische Bausubstanz aus der Gründerzeit paart sich mit dem Prunk der Belle Epoque und dem Luxus moderner Prägung zu einer einzigartigen Atmosphäre. Die kristallenen Lüster im Salon Napoléon III strahlen wie zu des Kaisers Zeiten und auf dem silbrig glänzenden Tranchierwagen wurde gewiss schon vor dem Ersten Weltkrieg der Braten an den Tisch herangefahren. Liebevoll und aufwendig gepflegt und unterhalten, atmet dieses Haus in jeder Ecke Geschichte und Authentizität. Gleichzeitig beweist das Vorhandensein des modernen Spas, dass die Schweizer Luxushotellerie in ihrer Entwicklung zu keiner Zeit stehen geblieben ist. Vielmehr liegt der Reiz für den Gast in dieser Kombination von glamouröser Vergangenheit mit moderner Lebensart. 20 «Beine und Arme wiegen unendlich schwer. Da fährt ein unerwarteter Wärmeblitz durch sie hindurch. Und wieder. Und noch einmal. Erst nach einigen Wiederholungen begreife ich, dass heisse Lavasteine über Arme, Beine und Rücken streichen. Vor den geschlossenen Augen lässt jeder Hitzestrich ein buntes Blitzlicht aufflackern. Der Duft von ätherischen Ölen dringt bis tief ins Gehirn.» Der perfekte Service Wer in einem Fünfsternehotel logiert, hegt hohe Erwartungen. «Diese zu erfüllen, ist unser oberstes Ziel», betont Theresa Brandl. Das ist nur mit bestausgebildeten und topmotivierten Mitarbei tenden möglich, die überdies stolz sind auf ihre hochwertige Dienstleistung. Deshalb hält die Spa-Direktorin den Teamgedanken hoch. «Wenn man voraussetzt, dass den Gästen Wertschätzung entgegengebracht wird, muss man auch den Mitarbeitern mit Wertschätzung begegnen», lautet ihr Credo. Dazu gehören neben einer ausgeprägten Feedback-Kultur eine gute Verpflegung sowie interessante Weiterbildungsmöglichkeiten. «Nach der Massage führt der Weg in den Ruheraum. Der Blick gleitet durch die Panoramafenster auf den gegen überliegenden steil aufsteigenden Wald. Langsam kehrt die Wahrnehmung der Aussenwelt zurück. Unfassbar, dass die Behandlung eineinhalb Stunden gedauert haben soll. Doch Zeit spielt keine Rolle – entspanntes Liegen. Eine ausgedehnte warme Dusche leitet über zum Ausklang im Poolbereich. Dampfbad, Schwimmbecken und Whirlpool runden den Wellnesstag ab.» n Der elegante Schindler-Glasaufzug in der Lobby des Grand Hotels. Langjährige Partnerschaft Eine jahrzehntelange Zusammenarbeit verbindet Schindler mit dem «Victoria-Jungfrau Grand Hotel & Spa» in Interlaken. Schindler hat im Fünfsternehaus zwölf Personenaufzüge, sechs Serviceaufzüge und einen Warenaufzug installiert. Der Einbau der auf Kundenwunsch individuell zugeschnittenen Aufzüge in den denkmalgeschützten Bauten verlangte konstruktives Fingerspitzengefühl und erfüllt betreffend Materialisierung und Ästhetik höchste Ansprüche. Auf jedes Wellnessbedürfnis eine individuelle Antwort. next floor 21 Thema Zug um Zug auf die Gipfel des Genusses Hoteliers waren nicht nur die eigentlichen Motoren des Schweizer Tourismus, sondern auch des Bahnbaus: Ihre Häuser – oft an spektakulärer Aussichtslage – mussten bequem erreichbar sein für eine Klientel, die sich einiges gewohnt war. Vor allem Komfort. Eines der unzähligen Meisterwerke schweizerischer Bahnpioniere: Die Bürgenstockbahn, um 1900. 22 Ob auf den Bürgenstock, auf den Sonnenberg bei Luzern oder auf das Stanserhorn (v.l.): Immer wieder wurden Grand Hotels mit eigens für sie gebauten Standseilbahnen erschlossen. Beim Bürgenstock wurde zudem der längste Freiluftaufzug Europas gebaut, der Hammetschwand-Lift. Text Christoph Zurfluh Bild Keystone und Privat K aum haben sich die Passagiere auf ihren gediegenen Schalensitzen angeschnallt, schliessen sich die Türen fast geräuschlos. Über Lautsprecher rieseln ein paar freundliche Informationen. Und dann geht’s los, rauf auf den Berg. Die Sessel im futuristischen Silberpfeil kippen sanft zurück, auf dass die Fahrgäste mit Talblick nicht runterpurzeln: Gut 2 Minuten dauert die Fahrt auf der rund 500 Meter langen Monorailstrecke mit ihren verwegenen 52 Prozent Maximalsteigung. Der «Tschuggen Express» in Arosa erinnert mehr an eine Achterbahn als an eine Bergbahn, aber sein Zweck ist nicht die Unterhaltung der maximal zwölf Passagiere, sondern deren Transport ins 150 Meter höher gelegene Ski- und Wandergebiet. Der «Tschuggen Express» ist eine klassische Hotelbahn, auch wenn er bei seiner Eröffnung 2009 eine Weltneuheit war: Welches Hotel beamt seine Gäste schon exklusiv mit einem «Roller Coaster» ins Freizeitparadies? Neu ist zwar die 7 Millionen Franken teure Bahn, aber nicht die Idee, Hotelgäste so komfortabel als möglich ans Ziel zu transportieren. Ob dies nun vom Hotel zur nächsten Sehenswürdigkeit sei oder – weiter verbreitet – das letzte Wegstück zum Haus. Und auch die komfortable Mobilität im Hotelinneren war schon den Pionieren der Schweizer Hotellerie ein Herzensanliegen: Grand Hotels waren die ersten in der Schweiz, die in ihre Gebäude elegante Fahrstühle, schon damals vorwiegend der Marke Schindler, einbauten. Denn dies hatten die Schweizer Hoteliers schon früh gelernt: Ein gutes Hotel hat nur dann Erfolg, wenn man es auch bequem erreichen kann. Also bauten sie Bahnen. Hotelboom als Initialzündung Die Geschichte des Bahnbaus beginnt deshalb konsequenterweise mit der Geschichte des ersten grossen Hotelbaubooms. Und der setzt im 19. Jahrhundert ein. Dann nämlich weicht die Angst vor den mächtigen Bergen und schwer zugänglichen Tälern allmählich der Neugierde, und die Touristenströme Richtung Schweizer Alpen setzen ein. Um die Mitte des 19. Jahr hunderts geschieht zudem etwas Entscheidendes: Reisen verliert seine Exklusivität. Immer öfter ist Kreti und Pleti mit Kind und Kegel unterwegs. Sichtbares Zeichen dafür sind die ersten Gruppenreisen des englischen Tourismuspioniers Thomas Cook, der 1855 erstmals eine Reisegruppe von England auf den Kontinent führt. Die Schweiz wird in der Folge zum Tummelplatz Europas und etabliert sich als eines der Pionierländer des Tourismus weltweit. Der Gast muss zu dieser Zeit kaum gewonnen werden, die Nachfrage ist gross. Aber transportiert und untergebracht werden muss er. Hotels – teils von zweifelhafter Qualität – schiessen deshalb wie Pilze aus dem Boden (1912 gibt es bereits 211 000 Hotelbetten, 2009 sind es 274 000). Gleichzeitig werden Strassen und Alpenpässe ausgebaut, auf den Seen kreuzen Dampfschiffe, und Eisenbahnlinien werden aus dem Boden gestampft – anfänglich ebenso rasant wie unkoordiniert. Aber man peilt immerhin konsequent die touristischen Zentren an. Zahnrad macht Eisenbahn gebirgstauglich Die Erfindung des Zahnrads macht die Eisenbahn schliesslich gebirgstauglich. Und die Hotels an spektakulärer Aussichtslage werden plötzlich bequem erreichbar – oder überhaupt erst gebaut. 1871 wird beispielsweise die erste Zahnradbahn auf dem europäischen Festland von Vitznau nach Rigi Staffel eröffnet. Vier Jahre später zuckelt zwischen Rigi Kaltbad und Scheidegg die erste – übrigens heute nicht mehr existierende – Eisenbahn, die ausschliesslich der Erschliessung von Hotels dient; sie ist damals die höchstgelegene Bahnlinie Europas. Innert kürzester Zeit entstehen alle heute bestehenden Bergbahnen in der c next floor 23 Thema Auch der 2009 eröffnete «Tschuggen Express» ist eine klassische Hotelbahn. Bild: Tschuggen Hotel Group. Nähe der bekannten Tourismusgebiete, allen voran die steilste Zahnradbahn der Welt auf den Pilatus (auch sie erschliesst ein Hotel) und – als Krönung der Schweizer Bergbahn-Baukunst – jene in Richtung Jungfraugipfel. Ihren Beitrag zur Erschliessung der Berge leistet auch die Drahtseilbahn. Von den rund sechzig in der Schweiz erbauten Anlagen, die grösstenteils zwischen 1883 und 1914 entstehen, sind rund ein Dutzend reine Hotelbahnen. Was, wie gesagt, nicht von ungefähr kommt: Die Hoteliers sind zur Blütezeit des Schweizer Tourismus die treibenden Kräfte, auch wenn natürlich nicht alle Projekte auf ihre Initiative zurückgehen. Einer der herausragenden Bahnpioniere jener Zeit ist der Obwaldner Hotelier Franz Josef Bucher (1834 – 1906), der zusammen mit seinem Geschäftspartner Robert Durrer (1841–1919) aus Sarnen ein riesiges Hotelimperium begründet und diese Hotels, wo immer nötig, verkehrstechnisch erschliesst. So bauen die beiden die Strassenbahnen in Lugano, Genua und Stansstad sowie zahlreiche Drahtseilbahnen, unter anderem auf das Stanserhorn, zum Reichenbachfall, auf den Mont Pèlerin, zum San Salvatore und nach Braunwald. Mit Strom versorgt werden sie meist aus eigenen Kraftwerken. Seine Hotelgrossüberbauung auf dem Bürgenstock oberhalb des Vierwaldstättersees erschliesst Franz Josef Bucher mit einer Strasse und einer eigenen Bahn. c Bahnpioniere Franz Josef Bucher-Durrer (1834–1906) und Josef Durrer-Gasser (1841–1919). Zum Hotel Giessbach führt die älteste Drahtseilbahn der Schweiz. Bild: BAK / Thomas Batschelet, www.seilbahninventar.ch 24 Auch die berühmte Aussichtsattraktion Hammet schwand-Lift, der mit 152,8 Metern Betriebslänge höchste Freiluftaufzug Europas, gehört dazu. Franz Josef Bucher mag der verrückteste unter den bahnbauenden Hoteliers gewesen sein, der einzige war er bei weitem nicht. Bereits 1879 erschloss beispielsweise eine Drahtseilbahn, heute die älteste noch fahrtüchtige Drahtseilbahn der Schweiz, das Grand Hotel Giessbach von der Schiffstation am Brienzersee aus. Ab 1884 liessen sich auch die Gäste des legendären Hotel Gütsch in Luzern locker per Bahn in den siebten (Hotel-)Himmel befördern. Die 1888 eröffnete erste elektrische Eisenbahn der Schweiz zwischen dem Grand Hotel in Vevey und dem Schloss Chillon hatte rein touristische Zwecke und verband alle am Seeufer gelegenen Hotels. 1895 wurde das Zürcher Hotel Waldhaus Dolder mit einer Drahtseilbahn ab Römerplatz erschlossen; wenig später folgte die Tramverbindung zum Grand Hotel Dolder. 1899 wurde in Zermatt die höchstgelegene Eisenbahnlinie der Schweiz gebaut – alleine zur Erschliessung des Grand Hotels auf der Riffelalp. Und seit 1913 klettert die Drahtseilbahn vom Dorf St. Moritz zum Kurhotel Chantarella. Mobilität und Innovation Seit 150 Jahren machen Bahnen ihre Hotelgäste mobil. Doch sie sind traditionsgemäss nicht nur Transportmittel, sondern Teil des Hotelerlebnisses. Wenn das Schindler-Standseilbähnchen seine Gäste ins Artdéco-Hotel Montana hoch über Luzern bringt, weht ein Hauch von Nostalgie durch die Kabine. Wenn die steilste Standseilbahn der Welt Zahn um Zahn den Pilatus erklettert, verdient nicht nur das Grand Hotel auf dem Gipfel, sondern auch die Fahrt ein paar Sterne. Und wenn der «Tschuggen Express» mit vier Metern pro Sekunde Richtung Aroser Bergwelt gleitet, wird einem bewusst, wie innovativ Schweizer Hoteliers sind. Und es immer schon waren. n Innovation Revolution auf dem Dach Der Schindler 3400 ist da – der Aufzug, der keinen Dachaufbau für die Überfahrt mehr benötigt. Damit eröffnen sich Planern, Architekten und Bauherren ganz neue Möglichkeiten für die Erschliessung von Mehrfamilienhäusern. Facts & Figures Nutzlast K 5 bis 13 Personen, 400 bis 1000 kg 1 m / s Förderhöhe max. 30 m Haltestellen max. 14 Zugänge gleichseitig, gegenüberliegend Türbreite 750 – 900 mm Türhöhe 2000 mm (2100) Schachtkopfhöhe min. 2400 mm Schachtgrubentiefe 1000–1150 mm Neues Konstruktionsprinzip Neue gestalterische Möglichkeiten Mit der Markteinführung des Schindler 3400 existiert nun eine Aufzugslösung, die ohne Dachaufbau auskommt. Sie kommt damit den Wünschen von Planern, Architekten, Bauherren sowie der Nachbarschaft entgegen. Bereits eine Höhe des obersten Stockwerkes von 2,40 Metern genügt für den Einbau der neuen Aufzugsgeneration, ohne dass ein Dachaufbau nötig wäre. Möglich wird der Verzicht durch ein – vom üblichen Schema abweichendes – Konstruktions prinzip von Kabine und Führungsschienen sowie einen äusserst kompakten Antrieb. Bei klassischen Aufzügen wird die Kabine auf je einer Schachtwand von einer Schiene geführt. Der Schindler 3400 hängt jedoch an zwei nahe beieinander liegenden und an derselben Schachtwand befestigten Führungsschienen. Der äusserst kompakte Aufzugs antrieb wiederum findet oben im Schachtkopf zwischen den beiden Schienen Platz. Dadurch kann die Kabine am Antrieb vorbei bis ganz nach oben fahren. Und fast alle Servicearbeiten lassen sich so nach der Demontage der Seitenwand direkt aus der Kabine heraus erledigen – dadurch ist die Sicherheit des Servicepersonals auch ohne Überfahrt gewährleistet. Der Wegfall des Dachaufbaus bringt viele Vorteile mit sich, die bisher nur mit den wesentlich langsameren und für weniger grosse Förderhöhen geeigneten hydraulischen Aufzügen gegeben waren: Erstens wird die Architektur des Gebäudes nicht mehr gestört. Zweitens gibt es keine bauphysikalisch heiklen Stellen mehr, da die eigentlich unerwünschten Durchdringungen der Dachhaut entfallen (Wärmeverluste). Und drittens können selbst bei Häusern mit Giebeldächern oder in Gebieten, wo das Baugesetz im Dachbereich keine Über fahrten erlaubt, neu alle Geschosse mit einem Aufzug erschlossen werden. «Ein Aufzug ohne Überfahrt und mit nur einer tragenden Schachtwand bietet ganz neue gestalterische Möglichkeiten», sagt Nico Bittel, Architekt und Product Manager für den Schindler 3400. Für den Planungsprozess ändert sich – von den neuen Möglich keiten im Dachbereich abgesehen – nichts: Die Schachtquerschnitte sind gleich dimensioniert wie bei anderen Aufzügen derselben Grössenklasse – so können die Grundrisse der Geschosse wie bis anhin geplant werden, bevor der endgültige Entscheid für das jeweilige Aufzugsmodell gefällt wird. n Geschwindigkeit Text Reto Westermann Bild Alex kreuzer ompakt, kubisch, schlicht – die zeitgenössische Architektur sprache kommt gerne schnörkellos daher. Umso mehr stört der meist unumgängliche Dachaufbau bei Aufzugsschächten das Erscheinungsbild moderner Mehrfamilienhäuser. Und nicht selten ärgern sich auch Nachbarn eines Neubauprojekts, weil der Aufbau ihnen die Aussicht verstellt – ein Problem, das bei der immer dichteren Bebauung von Quartieren in der Schweiz künftig vermehrt zum Thema wird. Dabei erfüllt der Dachaufbau für die Überfahrt des Aufzuges eigentlich einen wichtigen Zweck: Er dient der Sicherheit der Servicetechniker bei Arbeiten auf dem Dach der Kabine. next floor 25 Nachhaltigkeit Bertrand Piccard (links) und André Borschberg im Hangar Payerne. Solar Impulse vor neuen Höhenflügen Schindler ist einer der Hauptpartner des Solarflugzeugs Solar Impulse. In Payerne haben die Projektleiter und Piloten Bertrand Piccard und André Borschberg über ihre bisherigen Erfolge gesprochen und die nächsten Projektetappen von Solar Impulse umrissen. 26 Interview Jean-Louis Emmenegger bild Albert Zimmermann B ertrand Piccard und André Borschberg, vorletztes Jahr sind Sie erstmals über die Schweiz hinaus bis nach Brüssel geflogen. Und 2012 haben Sie Ihren ersten Interkontinentalflug gemeistert, der Sie von Payerne bis ins marokkanische Ouarzazate und zurück führte. Welche Bilanz ziehen Sie? Bertrand Piccard: Vor allem die, dass das Flugzeug Solar Impulse leistungsfähiger und zuverlässiger ist, als wir anfangs dachten. Zu Projektbeginn diente es als Prototyp für Testflüge in der Schweiz. Diese sollten zeigen, dass man Tag und Nacht mit Solarenergie fliegen kann. Das Flugzeug hat sich aber als so leistungsfähig erwiesen, dass es mittlerweile sogar von Kontinent zu Kontinent fliegt – über das Atlasgebirge und die Wüste! André Borschberg: Es ist wichtig zu verstehen, dass wir mit einem absolut einzigartigen Flugzeug fliegen. Je länger man tagsüber fliegt, desto mehr Energie wird in den Batterien gespeichert. Selbst wenn man gegen Mitternacht landet, wie es in Rabat der Fall gewesen ist, sind die Batterien noch immer voll. Damit ist unser Flugzeug Solar Impulse wirklich ein Paradebeispiel für Energieeffizienz! Auch was das operative Zusammenspiel des Teams betrifft, hätte der Erfolg nicht grösser sein können. und die Atomkraft zu ersetzen. Wir müssen unbedingt im grossen Stil Energie einsparen, was dank sauberer Technologien möglich ist. Auf diese Technologien müssen wir vorbehaltlos setzen, obwohl sie – oft zu Unrecht – mit sinkendem Lebensstandard, weniger Komfort und geringerer Mobilität assoziiert werden. Solar Impulse zeigt, dass das Gegenteil stimmt: Energieeinsparungen sind konkret realisierbar! Ist das denn keine Utopie? Bertrand Piccard: Absolut nicht! Nutzte man die sauberen Technologien in dem Stil, wie wir es beim Solar Impulse tun, würde der Energieverbrauch um 50 Prozent sinken. Die Hälfte des restlichen Energiebedarfs, also 25 Prozent der Gesamtmenge, könnte man durch erneuerbare Energien decken. Davon bin ich überzeugt. Würde man alle Register ziehen, blieben nicht einmal 25 Prozent übrig, die mittels fossiler Energieträger produziert werden müssten. Ein solarbetriebenes Verkehrsflugzeug ist also nicht realistisch? André Borschberg: Jedenfalls nicht kurzfristig. Denken Sie an die Brüder Wright: Nachdem beiden 1903 der erste Flug der Geschichte gelungen war, dauerte es noch 25 Jahre, bis Lindbergh mit seinem Flug- «Mit Solar Impulse verbreiten wir die Botschaft, dass die Welt ihre Abhängigkeit von den fossilen Energieträgern abbauen kann. Die sauberen Technologien, die wir in unserem Flugzeug verwenden, können auch in Autos, Gebäuden sowie Heiz- und Beleuchtungssystemen eingesetzt werden und so deren Effizienz erhöhen.» Bertrand Piccard Welche Herausforderungen mussten Sie während Ihrer letzten Flüge bewältigen? Bertrand Piccard: Wir hatten nur sehr wenige technische Probleme, eigentlich nur eines: Aus Sicherheitsgründen entschieden wir uns, ein Bauteil auszutauschen. Überrascht wurden wir eher vom Wetter. Manchmal hatten wir mit sehr viel mehr Wind zu kämpfen als erwartet. Wir mussten lernen, bei Windgeschwindigkeiten von bis zu 50 Knoten zu fliegen. André Borschberg: Auf unserem Flug nach Ouarzazate mussten wir umdrehen. Der durch das Atlasgebirge verstärkte Wind war einfach zu stark. Während des Flugs Rabat–Madrid hatten wir zu viel Rückenwind, sodass das Flugzeug zu schnell in Richtung Madrid vorankam. Landen durften wir aber erst am späten Abend nach dem Linienverkehr. Deshalb mussten wir unseren Flug abbremsen. Solar Impulse fliegt ohne Kerosin, weil seine Motoren von Solarenergie angetrieben werden. Denken Sie, dass die Solarenergie die Energie der Zukunft ist? Bertrand Piccard: Die Solarenergie ist ein Bestandteil des Energiemix von morgen. Sie reicht aber nicht aus, um die fossilen Energieträger zeug alleine den Atlantik überflog. Und dann vergingen nochmals 25 Jahre, bevor Transatlantikflüge mit rund 100 Passagieren möglich wurden. Was wir heute in Angriff nehmen, dient der Entwicklung einer saubereren Luftfahrt. Und wenn wir nicht heute damit anfangen, werden wir morgen niemals bereit sein. Unsere Flugzeugtechnologie erlaubt es uns, quasi mit der Motorstärke eines Motorrollers rund um die Welt zu fliegen. Ohne Zweifel lässt sich diese Technologie auch am Boden einsetzen, um die Energieeffizienz zu erhöhen. Wie fühlt es sich an, mit dem Solar Impulse zu fliegen? André Borschberg: Am eindrücklichsten ist es, den ganzen Tag fliegen und bis auf 9000 Meter aufsteigen zu können, während sich die Batterien immer weiter aufladen. Je länger ich tagsüber fliege, desto mehr Energie speichert das Flugzeug. Als ich erstmals das Steuer des Solar Impulse übernahm, lastete einerseits eine grosse Verantwortung auf mir. Denn das ganze Team hatte viele Jahre lang sehr hart an der Planung und Konstruktion des Flugzeugs gearbeitet. Andererseits erfüllte mich dieser Moment auch mit unbeschreiblicher Freude. Auf diese Chance hatte ich sechs c next floor 27 Nachhaltigkeit Facts & Figures November 2003Projektstart 2003Machbarkeitsstudie durch das EPFL (Lausanne) Dezember 2009 Erstmalige Vorstellung und erster Start April 20101. Testflug 7. und 8. Juli 20101. Tag- und Nachtflug (nonstop während 26 Stunden) 13. Mai 2011 Flug nach Brüssel auf Einladung der EU-Institution 15. Juni 2011 Landung in Paris als Sondergast bei der Internationalen Luft- und Raumfahrtmesse (Salon International de l’Aéronautique et de l’Espace in Bourget) 24. Mai bis 21. Juni 20121. Interkontinentalflug Payerne – Madrid – Rabat – Ouarzazate 29. Juni bis 24. Juli 2012Rückflug Ouarzazate – Rabat – Madrid – Toulouse – Payerne 2013 USA Kontinentalflug Team 80 Mitglieder Basis Flugplatz Payerne (Waadtland) und Dübendorf (Zürich) Jahre lang gewartet. Da oben ist alles still, fast lautlos. Ich höre lediglich das leichte Pfeifen der vier Motoren. c Bertrand Piccard, Sie gelten als «Pionier» und setzen damit das Erbe Ihres Grossvaters und Vaters fort, die ebenfalls historische Rekorde aufgestellt haben. Wie gehen Sie damit um? Bertrand Piccard: Um ein Pionier zu sein, braucht es eine bestimmte Einstellung. Mich persönlich interessiert es, Denkweisen zu verändern und Einstellungen weiterzuentwickeln. Man muss sich neue Lösungen ausdenken und mit aller Kraft in die Realität umsetzen. Was macht aus Ihrer Sicht einen «Pionier» in unserem 21. Jahrhundert aus? Bertrand Piccard: Ein Pionier ist jemand, der eine Vision und eine Idee hat und diese in die Realität umsetzen kann, ohne sich von Gewissheiten und Gewohnheiten leiten zu lassen. Ein Pionier fürchtet sich nicht davor, sich weiterzuentwickeln, anderes auszuprobieren, aus den gewohnten Bahnen auszubrechen und ein neues Denken zu praktizieren. Diese Fähigkeit kann auf verschiedenen Gebieten zum Tragen kommen. Woher nehmen Sie die Motivation, immer wieder neue Herausforderungen anzunehmen? Bertrand Piccard: Ich bin nie mit dem Status quo zufrieden. Für mich ist es selbstverständlich, meine Neugier und meinen Wissensdurst zu 28 kultivieren und mich immer wieder in Frage zu stellen. Ich bedauere zutiefst, dass es den Entscheidungsträgern an Kreativität mangelt. Dass sie immer wieder dieselben Fehler machen und von Mal zu Mal kaum etwas dazulernen. Das betrifft vor allem die Akteure in der Wirtschaft und im Finanzsektor. Dann sind Sie also Pessimist? Bertrand Piccard: Ja. Und das vor allem, weil ich keine wirklichen Projekte zur Entwicklung erneuerbarer Energien entdecken kann. Und weil man Importzölle auf Waren aus Ländern erhebt, denen man angeblich helfen will. Seien wir ehrlich: Es lässt sich nicht behaupten, die Menschlichkeit sei heutzutage auf dem Vormarsch. Ich bin aber sehr wohl optimistisch, wenn ich mir unsere Ingenieurteams anschaue. Diese Experten strotzen vor Kreativität und setzen diese gemeinsam für Solar Impulse ein. Auch wenn unser Projekt technischer Natur ist, gewinnt es zunehmend eine humanistische Dimension. Wir hoffen, dass wir durch unser Projekt Innovationen in anderen Bereichen anstossen. Wie leitet man ein derart komplexes Projekt? André Borschberg: Anfangs hat man eine Idee, aber kein Team. Im Zuge der Projektentwicklung findet man dann Partner, die als echte Pioniere an das Projekt glauben. Sie sind für uns eine unverzichtbare Unterstützung, bringen sie doch die benötigten Technologien und ihr gesamtes Know-how in das Projekt ein. Wir haben versucht, in- Solar Impulse beeindruckt durch die extreme Flügelspannweite von 72 Metern. Solar Impulse und Schindler. Zwei Unternehmer, ein visionäres Projekt Freuen sich auf das ultimative WeltumrundungsAbenteuer: Die Solar-Impulse- Pioniere André Borschberg (links) und Bertrand Piccard. nerhalb des Unternehmens förderliche Werte zu entwickeln. So mussten wir intern den Pioniergeist wecken und unsere Teammitglieder ermutigen, ohne Erfolgsgarantie Dinge auszuprobieren und in Angriff zu nehmen. Der Ingenieur muss in der Lage sein, Risiken einzugehen. Und wir müssen ihn unterstützen können – egal ob er scheitert oder Erfolg hat. Für mich zählen drei wesentliche Werte: Man muss Dinge ausprobieren, das Misserfolgsrisiko ohne Wenn und Aber akzeptieren und vor allem lernen und sich entwickeln. Dass Solar Impulse fliegt, ist auch Ihren Finanz- und Technikpartnern zu verdanken, darunter Schindler. Was bedeuten Ihnen diese Partner? André Borschberg: Wir haben dieselbe Einstellung wie unsere Partner. Uns verbinden viele gemeinsame Werte, und die Unterstützung der Partner ist für uns unverzichtbar. «Wir stehen Ihnen zur Seite» versprechen diese Partner uns – und das auch bei Schwierigkeiten, wie wir sie letztes Jahr erlebt haben. Da ist bei einem Test der Längs träger eines Flügels gebrochen. Dadurch hat sich die Fertigstellung des neuen Flugzeugs um sechs Monate verzögert. Schindler bringt sein technisches Know-how in vielen Bereichen ein, auch im Hinblick auf Aspekte wie Zuverlässigkeit, Energiesparen, Leichtmaterialien, Elektronik und Komponenten. Ausserdem profitieren wir von Schindlers Erfahrung im gesamten Testbereich. Der finanzielle und technische Beitrag, den die Partner leisten, ist für den Erfolg eines Projekts wie Solar Impulse unverzichtbar. Das Technikteam und die Partnerunternehmen arbeiten eng in gutem Einvernehmen zusammen. Schindler ist seit 2011 ein Hauptpartner von Solar Impulse und engagiert sich an der Seite von Solvay, Omega und Deutsche Bank. Schindlers Unterstützung für Solar Impulse ist aber nicht nur finanzieller, sondern auch technischer Natur. So gehören zwei Ingenieure von Schindler dem permanenten Team von Solar Impulse an. Ihr Know-how kommt in zwei Bereichen zum Tragen: angewandte Elektronik und Werkstoffstruktur (Festigkeit). Von San Francisco nach New York Von San Francisco nach New York, quer über den amerikanischen Kontinent – diese Strecke wird Solar Impulse dieses Jahr zurücklegen. Es ist der letzte Test vor der geplanten Weltumrundung im Jahr 2015. Schindler als Hauptpartner von Solar Impulse unterstützt auch diese Amerikareise finanziell. Gestartet wurde am 1. Mai in San Francisco mit Ziel Washington und New York. Auf der Strecke gibt es zwei bis drei Zwischenhalte. Laut Bertrand Piccard ist es nicht das Ziel dieses Fluges, neue Rekorde aufzustellen, sondern in den USA die Aufmerksamkeit auf die Solarfliegerei zu lenken. Worin unterscheidet sich das zweite Solar-Flugzeug vom ersten? André Borschberg: Unser erstes Flugzeug war ein für Testflüge ausgelegter Prototyp. Das zweite wird ein «Reiseflugzeug» mit anderen Eigenschaften sein: Die Spannweite wird 72 Meter betragen und die des Vorgängers um 8 Meter übertreffen. Das Flugzeug wird im Verhältnis leichter sein und ein viel geräumigeres Cockpit besitzen, damit der Pilot bequem lange Strecken zurücklegen kann. Die Batterien werden effizienter, die Karbonschichten dünner und die Elektronik leistungsfähiger. Ausserdem wird es einen Autopiloten geben. Lange Rede, kurzer Sinn: Unser Flugzeug wird bestens ausgestattet sein, damit wir unser grosses Ziel, die Weltumrundung 2015, erreichen. n next floor 29 Architektur Schweiz Aussergewöhnlich – sowohl die Hülle des Turms wie der Innenhof des neuen Flachbaus. St. Gallen hat ein neues architektonisches Wahrzeichen direkt am Bahnhof: das aussergewöhnliche Gebäude der Fachhochschule. Die Institution ist nicht nur eine Bereicherung für das Stadtbild, sondern auch für das Bildungsangebot. Bewusster Akzent im Stadtbild von St. Gallen Text Katrin Ambühl Bild Albert Zimmermann D er Wissensdurst unter jungen Menschen ist sehr gross. So gross, dass manche Fachhochschule heute an ihre Grenzen stösst. Auch die Fachhochschule St. Gallen (FHS), die bis vor kurzem auf acht Standorte verteilt war. Eine unbefriedigende Situation, nicht nur wegen der komplizierten Mietsituation oder der prekären Platzverhältnisse. «Uns ist Interdisziplinarität sehr wichtig, aber das war bisher kaum zu bewerkstelligen», sagt Sebastian Wörwag, Rektor der Fachhochschule St. Gallen. Gemäss seinen Visionen sollen angehende Betriebsökonomen, Pflegeexpertinnen und Wirtschaftsingenieure gemeinsam – zum Beispiel im Fach Ethik – unterrichtet werden, sie sollen sich begegnen und austauschen können. Nun ist seine Vision Realität geworden. Ende Januar zogen die ersten Hochschulbereiche in das neue Gebäude ein. «Ich freue mich, dass nun alle Fach- und Leistungsbereiche unter einem Dach sind», sagt Sebastian Wörwag. Die neue Hochschule besteht aus einem liegenden, 19,5 Meter hohen Bau und einem 65-Meter-Turm. «Das Gebäude ist kompakt und übersichtlich», sagt der Rektor. Seit 2003 leitet Sebastian Wörwag die Geschicke der Fachhochschule St. Gallen. Im gleichen Jahr wurde der Architekturwettbewerb für den Neubau entschieden. Die Planung hat also vor über 10 Jahren begonnen, was bei öffentlichen Bauten keine Seltenheit ist. «Doch der Aufwand hat sich gelohnt», betont Sebastian Wörwag. Mit einem Glanz c 30 Facts & Figures BauherrschaftHochbauamt Kanton St. Gallen, City Parking St. Gallen AG, Tiefbauamt Stadt St. Gallen ArchitekturGiuliani Hönger Architekten, Zürich Baumanagementb+p Baurealisation, Zürich Bauzeit2009 bis 2012 Kostenca. 132 Mio. Franken Turm Sockelbau Tiefgarage Warenlift Aufzüge 3 Schindler 5400 mit Zielrufsteuerung 3 Schindler 5400 2 Schindler 5400 1 Schindler 2600 next floor 31 Architektur Schweiz im Stadtbild von St. Gallen und ergänzt die Türme der Hauptpost, des Rathauses und des neuen Bundesverwaltungsgerichts. Aus Train-Station wird Brain-Station Den Rektor freut neben der äusseren Erscheinung vor allem das grosse Raumangebot und die Qualität des Gebäudeinnern. «Tageslicht wird intelligent mittels Lichthöfen und Oblichtern bis ins Erd geschoss geleitet. Das gibt dem Gebäude eine freundliche, helle Anmutung», betont Sebastian Wörwag. Die zwei Lichthöfe sind das Herzstück der architektonischen Idee. Der Turm ist so im Sockel platziert, dass auf zwei Seiten ein Hof geschaffen wird: ein Aussenhof, der die Erschliessungen und die Eingangshalle belichtet und ein überdachter Hof, der als Bibliothek dient. 2900 Studierende werden in Zukunft die Räume der neuen Hochschule beleben. Und das direkt am Bahnhof. Das neue Gebäude ist unterirdisch direkt mit den Gleisen verbunden, und auch die Bahnhofsvorfahrt liegt neu im Untergeschoss der Schule. «Aus der TrainStation ist mit der neuen Hochschule eine Brain-Station geworden», sagt Sebastian Wörwag. Sein Büro befindet sich übrigens nicht im obersten Stockwerk des Hochhauses, sondern eine Etage tiefer. Doch auch von hier, in 60 Metern Höhe, hat er einen guten Überblick über die Skyline von St. Gallen, die nun um ein Wahrzeichen reicher ist. n resultat von 82 Prozent Ja-Stimmen wurde das Bauprojekt 2008 von der St. Galler Stimmbevölkerung gutgeheissen. c Der Zeit voraus Die hohe Akzeptanz ist erstaunlich, denn Hochhäuser stossen oft auf Widerstand. Salonfähig sind sie in der Schweiz erst wieder in jüngster Zeit geworden – wegen der Bodenknappheit und der zunehmenden Forderung nach verdichtetem Bauen. «Nur wenige eingereichte Projekte schlugen für die neue FHS ein Hochhaus vor», sagt Tobias Greiner. Er ist einer der beiden Projektleiter bei Giuliani Hönger Architekten, Zürich, die 2003 den Wettbewerb gewonnen hatten. Ein gewagter Vorschlag für die damalige Zeit, der auch vom Hochbauamt Kanton St. Gallen als Bauherrin Mut gefordert habe, fügt der Architekt an. Die Kernidee des Projekts basiert auf zwei unterschiedlichen Volumen, die auch unterschiedliche Bereiche beinhalten: einerseits der blockartige Sockelbau, in dem Unterrichtsräume, Aula, Bibliothek und Mensa untergebracht sind, und andererseits der 18-stöckige Turm mit den Verwaltungsräumen. Der Flachbau ist für den Lehrund Weiterbildungsbereich, der Turm für die Institute und die Administration. «Der Dachgarten auf dem Sockelbau ist eine Terrasse für alle, er bildet den Übergang zwischen den beiden Bereichen», erläutert Tobias Greiner. Der Dachgarten ist auf Augenhöhe mit den umliegenden Gebäuden, die vorwiegend aus Savoyer Sandstein bestehen. Das spielte bei der Fassadengestaltung des Neubaus der Fachhochschule eine wichtige Rolle. «Uns war bewusst, dass ein so grosser Baukörper einen Bezug zur gebauten Umgebung haben muss», sagt Tobias Greiner. Deshalb haben die Architekten die Betonfassade in einem sandsteinähnlichen Farbton gehalten. Das Hochhaus setzt zudem einen Akzent 32 Dank der Zielrufsteuerung arbeiten die drei Aufzüge im Turm der Fachhochschule äusserst effizient. Schindler Award Das Siegerprojekt der deutschen Studenten fordert prominent ein Hochhaus zwischen den beiden Aarebrücken. «Enhance and Revitalize»: Die Schützenmatte im Jahre 2025 Über 1000 Studierende haben am Schindler Award 2012 teilgenommen und sich mit der Frage auseinander gesetzt, wie aus der Berner Schützenmatte ein für alle zugängliches Quartier werden könnte. Gewonnen haben den Wettbewerb drei Studenten aus Berlin: Auf den Spuren ihres Siegerprojekts unternehmen wir 13 Jahre später einen fiktiven Rundgang durch die Berner City. Text Hannes Tscherrig Bild Andreas Gemperle / Albert Zimmermann / RAFFAEL WALDNER O rtstermin Berner Schützenmatte im Jahr 2025: «Vor zehn Jahren hätten wir hier nicht viel gesehen», sagt Joe Manser. Gemütlich gleitet der Architekt in seinem Rollstuhl am Uni-Café und den locker dasitzenden Studierenden vorbei. Der im Sommer 2024 fertiggestellte Uni-Kubus neben der Mensa erwacht langsam zum Leben. Studierende strömen in die Vorlesungssäle des «Neustbaus». Von der Terrasse davor zeigt sich das veränderte Gesicht von Bern. hinunter in die City, versichert Joe Manser. «2012, als der Schindler Award hier gastierte, war das viel komplizierter», erzählt er, während wir auf den Aufzug warten. Bis vor einigen Jahren erstreckte sich hier ein zwischen Gleisen und Strassen isolierter Parkplatz, der manchmal als Jahrmarkt umgenutzt wurde. Der unermüdliche Kämpfer für hindernisfreies Bauen fasst zusammen: «Die Schützenmatte von damals war voller Barrieren.» Wir steigen ein. Verkehrsknoten Gräben in der Stadt überbrückt Zehn Meter unter uns rauschen die Züge der SBB gen Zürich und Bern. Der «Schindler-Arch», eine futuristische Brücke aus Stahl und Glas, verbindet das erweiterte Uni-Gelände mit dem Gebiet der ehemaligen Schützenmatte. Dabei ist das neu gebaute Hotel und Kongresszentrum nicht nur zum Dreh- und Angelpunkt geworden. Mit seinen 13 Stockwerken fungiert es auch als Orientierungspunkt und «Landmark» für die Stadt Bern. Über die Rampe und das Lift system im Hotelgebäude gelange man selbst im Rollstuhl sehr einfach 2012 war Mark Werren Stadtplaner. Über 1000 Studenten, die am Schindler Award teilnahmen, hatten Vorschläge zur besseren Zugänglichkeit der Berner City gemacht. Als Jurymitglied zeichnete Mark Werren das Projekt aus, das die Entwicklung von einer Asphalt- Einöde zur Berner City angestossen hatte. «Die Stadt Bern hat natürlich nicht alles umsetzen können», kommentiert er das Berliner Siegerprojekt «Enhance and Revitalize». «Manche Visionen waren zu gewagt für die kompromissgeplagte Bundeshauptstadt.» c next floor 33 Schindler Award Blindenschrift und Duftkonzept Das Gelände der Schützenmatte rund um die Berner Reithalle, mit dem sich die Studierenden des fünften Schindler Award auseinandersetzen mussten. Interview Eliane Kunz Benjamin Saner und Roman Koch schafften es am Schindler Award 2012 mit ihrem Projekt «Joining» als einzige Schweizer in die Top Ten. Insgesamt 113 Arbeiten wurden eingereicht. Was hat Sie eigentlich zur Teilnahme am Architektur- wettbewerb bewogen? Roman Koch: Für die Bachelorarbeit hat uns die Schule zwei Projekte vorgeschlagen. Eines davon war der Schindler Award. Die Wettbewerbsform hat uns gereizt und wir wollten beweisen, dass wir nach vier Jahren berufsbegleitendem Architekturstudium eine solche Aufgabe meistern können. Benjamin Saner (rechts im Bild) und Roman Koch haben ihr Architekturstudium berufsbegleitend an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW, auslaufender Bachelorstudiengang der ehemaligen HSZ-T) absolviert. Worin lag Ihrer Meinung nach die grösste Herausforderung? Benjamin Saner: Auf kleinstem Raum mussten auf dem Wett bewerbsgebiet der Schützenmatte in Bern die verschiedensten Facetten der Zugänglichkeit berücksichtigt werden. Soziale Themen wie die Integration der Drogenanlaufstelle in das städtebauliche Konzept waren genauso Teil der Aufgabe wie die Lösung des Problems der verschiedenen Höhenniveaus am Martinshang. Diese Vielfältigkeit machte das Projekt zwar sehr interessant, aber eben auch aufwendig. Ihr Projekt hat es unter die besten zehn geschafft. Was hat Ihnen zum Erfolg verholfen? Benjamin Saner: Unsere Dozenten haben uns sehr gut unter stützt. Wir bekamen wichtige Inputs zum Thema «Access for all», mit dem wir uns eigentlich erst durch die Teilnahme am Schindler Award so richtig auseinandergesetzt haben. Und was haben Sie aus der Teilnahme am Award gelernt? Roman Koch: Ich denke, die wichtigste Erkenntnis war, dass man den Fächer beim Thema Zugänglichkeit in der Architektur weiter öffnen sollte. So konnten wir viel Neues entdecken: Wir haben uns beispielsweise mit der Blindenschrift beschäftigt oder duftende Pflanzenkonzepte entwickelt. Auch Menschen mit einer Sehbehinderung sollen sich auf einem öffentlichen Gelände zurechtfinden können. 34 Im Innern des neuen Kongresszentrums befördert ein Hochleistungsaufzug Joe Manser vom Uni-Campus hinunter in die City. Glänzend neue Türen geben den Blick auf die Kulturmeile Berns frei. «Links, die Alternativen», schmunzelt Joe Manser und deutet auf die Reithalle. Wie zur Bestätigung leuchten die Graffiti am fast 40-jährigen Kulturzentrum hervor. «Und rechts, die eher bürgerliche Hoch-Kultur.» c einzigen langen Kulturinstitution verbinden. Doch es kam anders, als Christopher Ruhri, Thomas Buser und Stefan Gant es sich ausgedacht hatten: Im «House R» wird heute, im Jahre 2025, gediegen und mit bester Aussicht auf die Aare getafelt. Anstelle von Räumen für klassische Kunst entstanden stilvolle Lofts. «Damals sahen die Planenden die Schützenmatte als einen kulturellen Hotspot», erklärt Manser, «dieser Teil der Vision wurde nicht verwirklicht.» Umgesetzt wurde aber der Ansatz «Access for all». Vision wurde teilweise Wirklichkeit Joe Manser zeigt auf den modernen Glasbau, der ursprünglich das benachbarte Kunstmuseum erweitern sollte. Die Gewinner des Schindler Award 2012 wollten die Reithalle im Norden, das alte Kunstmuseum im Süden und das «House R» dazwischen zu einer Übergabe des ersten Preises des Schindler Awards 2012 (von links): Moderatorin Mireille Jaton, Jurymitglied Professor Kees Christiaanse, die Sieger Christopher Ruhri, Thomas Buser und Stefan Gant von der Technischen Universität Berlin (TU Berlin), Schindler-CEO Jürgen Tinggren sowie Christos Stremmenos und Bettina Bauerfeind, die die Studenten betreuten. «Access for all» Zugänglichkeit bedeute nicht nur Rampen und Aufzüge statt Treppen. Genauso wichtig seien die auf den ersten Blick kleinen Dinge. Die Bedienelemente im Lift etwa müssen auch sitzend erreichbar, der Aufzug auffindbar sein. «Das ist hier hervorragend gelöst», lobt Joe Manser: Die Aufzüge im Kongresszentrum Bern etwa sind direkt sichtbar, Bedienelemente sind gut für Stehende, Sitzende und Blinde erreichbar. «Als sich im Rahmen des Schindler Award Studenten aus ganz Europa mit der Problemzone Schützenmatte befassten, verlangten wir Jurymitglieder, dass der neue Stadtteil allen sozialen Schichten zugänglich sein musste», erinnert sich Mark Werren. Die zentrale Berner Drogenanlaufstelle ist auch deshalb 2025 nahtlos in ein Bürogebäude beim Bahnhof integriert. Randgruppen im Zentrum Ein Teil des Gebäudes ist für Abhängige reserviert. «Die Anlaufstelle ist ein sicherer Hafen für Süchtige», erklärt Joe Manser. Hier werden Menschen medizinisch betreut, beraten und therapiert. Deshalb ist es auch so wichtig, dass die Anlaufstelle mitten in der Stadt liegt. Wer nicht erkannt werden will, kann hier anonym bleiben. Gleichzeitig zeigt sich das «normale» Leben gleich nebenan: Das Restaurant und der Innenhof sind öffentlich zugänglich. Verschiedene Firmen haben sich in den Büros über der Anlaufstelle ein gemietet. Und vier Stöcke über der Strasse findet sich einer der schönsten Rooftop-Gardens Berns. Ein helles und offenes Auge im Orkan städtischer Hektik. Neue Linien in Bern Auf dem Weg zur Lorrainebrücke überqueren wir die Schützen mattstrasse. Fussgängerampeln in der City zeigen nicht nur grün, sondern geben mit einem lauten Summen akustisch grünes Licht. So können auch blinde oder sehbehinderte Menschen sicher durch die Strassen navigieren. Joe Manser weist auf eine im Boden ein gelassene Markierung hin. «Die Strukturen und die Kontraste bilden eine Orientierungshilfe für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen.» Vom Botanischen Garten aus blicken wir auf die Berner City zurück. Das elegante «House R», das Hotel und Kongresszentrum, die SBB-Brücke, das erweiterte Uni-Gelände mit Übergang zur Schützen matte, die Reithalle. Joe Manser schmunzelt. «Das ist schon eine richtige Skyline.» Vor zehn Jahren hätte man hier noch viel weniger gesehen. n next floor 35 Rubrik Beetham Tower, Manchester Wir bewegen. In Goldach und im weiteren Umkreis. Täglich nutzen weltweit 1 Milliarde Menschen Aufzüge, Fahrtreppen und innovative Mobilitätslösungen von Schindler. Hinter unserem Erfolg stehen 45 000 Mitarbeitende auf allen Kontinenten. www.schindler.ch 36