Sucht- SEITEN
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Sucht- SEITEN
Dr.med.Dipl.rer.pol.G.Schmidt, Milton-Erickson-Institut Heidelberg Im Weiher 12, D-69121 Heidelberg Tel.:0049- (0)6221-410941, Fax: 0049-(0)6221-419249 www.meihei.de e-mail: [email protected] Arbeit mit „Seiten/ Anteilen“ als hilfreiche Utilisation von bisherigen Lösungsversuchen und problemstabilisierenden inneren Kämpfen(© bei Dr.G.Schmidt) Basisüberlegungen: Wenn jemand unter einem Erleben/ Verhalten selbst leidet und dies z.B. „Problem“ nennt, z.B. unter Suchtverhalten, welches in der üblichen, Defizit- orientierten Psychopathologiediagnostik als Sucht- Krankheit definiert wird, drückt er/ sie damit schon immer einen Prozess der „Spaltung“ oder eines inneren Kampfes zwischen verschiedenen Erlebnismustern (Kognitionen, emotionalen Prozessen, Empfindungen und anderen physiologischen Abläufen, Impulsen und Verhalten) in sich aus. Denn als leidvolles Problem wird jemand nur etwas erleben, wenn es eine (üblicherweise bewusste) Haltung in ihm/ ihr gibt, die etwas bestimmtes will oder etwas Anderes nicht will, dann aber auf unwillkürlicher Ebene des Erlebens sich ein anderes, ungewünschtes Muster durchsetzt. Das bewusste „Ich“ erlebt sich dann als unterlegenes „Opfer“, die unwillkürliche Aktion/ Reaktion wird als übermächtiger „Täter“ erlebt, der sich gegen den bewussten Willen in leidvoller Weise durchsetzt. Aus hypnosystemischer Sicht kann diese Erlebnisorganisation des betroffenen Individuums beschrieben werden als Wechselspiel zwischen Prozessen in seinem inneren System und diversen Reizen aus dem interaktionellen System (z.B. Familie, Arbeitsplatz etc., Umwelt generell), in welche dann wieder das individuelle Reagieren als Reize zurückwirken. Linear-kausale Ursache- Wirkungsbeschreibungen machen dann keinen Sinn mehr, wohl aber Beschreibung zirkulärer Wechselwirkungsprozesse. Will man eine Veränderung anregen, kann dies jeweils durch das Einführen von Unterschieden in diese Wechselwirkungsmuster geschehen (Siehe dazu das Arbeitsblatt zu Konstruktionen von Problemen/ Lösungen). Ein entscheidender Aspekt dieser Problem- schaffenden Erlebnisorganisation ist z.B., dass sich dabei das betroffene Individuum mit seinem gerade wahrgenommenen bewussten „Ich“ abwechselnd mal mit einer „Seite“ seiner Haltungen, Strebungen etc. identifiziert, ja quasi intensiv „verwechselt“. Hypnosystemisch ausgedrückt heißt das: das bewusste, willentliche „Ich“ assoziiert sich mal massiv mit der einen, dann wieder mit der anderen „Seite“, wobei immer die Seite, mit der man gerade nicht assoziiert ist (und dafür intensiv von ihr dissoziiert ist) oft auch noch abgewertet wird. Das könnte z.B. so aussehen: „Ab sofort- oder: ab morgen höre ich mit X (z.B. massiver Alkoholgebrauch, „Fress-Attacken“, „Rauchen“ konsequent auf!!!“. Dann aber setzt sich in den Situationen, in denen er diese Ziele umsetzen sollte, plötzlich im Denken, Fühlen und Verhalten eine andere „Seite“ durch, die genau das bewirkt, was er/sie mit der anderen „Seite“ nicht wollte. Diese andere Seite beginnt dann zu leiden, beginnt auch oft, diese aus ihrer Sicht unerwünschten Aktionen/Reaktionen und auch die Gesamtperson (also sich selbst) massiv abzuwerten, kämpft z.B. gegen diese unerwünschten Aktionen/Reaktionen an, 1 -S.2, Dr.G.Schmidt, Utilisation v. Lösungsversuchen ...- versucht sie zu unterdrücken etc., dies aber schafft oft gerade wieder Erlebnisprozesse, die das Unerwünschte besonders stark auslösen usw. Will man Interventionen anbieten, die solche leidvollen, destruktiven Muster verändern, können dafür hilfreiche Unterschiede auf diversen Ebenen gebildet werden. Zieldienlich kann dafür z.B. sein: • Aufbau eines von den einzelnen „Seiten“ relativ unabhängigeren „SteuerungsIchs“ und einer dafür hilfreichen, sicheren Meta- Beobachterposition; • Damit verbunden erleichternder Abstand (Dissoziation) von bedrängenden Impuls- „Seiten“, aber so, dass deren Informationen noch gut genutzt werden können; • Übersetzung der bisher abgewerteten Impulse z.B. der Suchtverhalten steuernden „Seiten“ als wertvolle Informationen über Bedürfnisse, ersehntes Erleben etc. („Sucht als Such- Kompetenz für ersehntes Erleben“ „Hinter jeder Sucht steckt eine Sehnsucht!“) reframings, positive Konnotationen etc.; • Liebevolle, achtungsvolle Zuwendung zu diesen sich als bedürftig zeigenden „Seiten“, aber auch zu denen, die sich bisher vielleicht als diese bedürftigen Seiten unterdrückend gezeigt haben (z.B. perfektionistische Antreiber, Abwerter wie „Du bist nichts wert, Du bringst es sowieso nicht, Du bist schldig“ etc.); • Aufbau der optimalen Organisation des „inneren Parlaments“, der „inneren Familie“, des „inneren Teams“ mit kompetenter „Führungskraft“, „PräsidentIn“ etc.; • Ablösung von destruktiven Lösungsversuchen (Kampf gegen die Impulse, Unterdrückung etc.) durch konstruktive, utilisierende KooperationsLösungsversuche; • Fokussierung auf und Aktivierung der zieldienlichen Kompetenzen, die bisher mehr unbewusst „geschlummert“ haben und sich nur in „Ausnahmen vom Problem“ zeigten Auffinden z.B. durch Skalierungen und systematischen Vergleich von Problem-und „Ausnahme“-Mustern, Imaginationen mit Fokus auf allen Sinnesebenen auf die zieldienlichen Kompetenzmuster. Mit dem hier in der Folge beschriebenen Vorgehen können diese Interventionsziele wirksam angeregt werden. Z.B. können damit bisherige Lösungsversuche der KlientInnen oft schnell und effektiv für eine zieldienliche Entwicklung in einer Kooperation für realisierbare Aufträge utilisiert werden. Bitte beachten: In aller Regel werden von den KlientInnen solche Lösungsversuche, die von ihnen schon bisher angewendet wurden, um ihr sog, Problem zu lösen, als Erwartung an die BeraterInnen herangetragen; solche Lösungsversuche sind zwar gut verstehbar, leider sind es aber fast immer solche, die das sog. Problem eben nicht gelöst haben, sondern eher zur Aufrechterhaltung oder gar Verstärkung des Problems beigetragen haben. Solche Erfahrungen sind die z.B. Grundlage der Devise der Palo Alto-Gruppe (Watzlawick, Weakland, Fish et.al.) : „die Lösung ist das Problem“, was ausdrücken soll, daß die Art der bisher am meisten praktizierten Lösungsversuche leider eben das Problem nicht gelöst, sondern am Leben erhalten haben. 2 -S.3, Dr.G.Schmidt, Utilisation v. Lösungsversuchen ...- Genau daraus lässt sich aber nun eine große Chance der Utilisation ableiten; denn wenn es gelingt, die problemstabilisierenden Wirkungen solcher Lösungsversuche herauszuarbeiten und Hilfen zur Umfokussierung auf hilfreichere Lösungsversuche anbieten zu können, sind die als Auftragserwartung gerade an die BeraterInnen herangetragen Wiederholungen bisheriger Lösungsversuche die größte Chance für zieldienliche Kooperation. Da solche Aufträge (die von der Beratung erwarten, ähnlich den bisherigen Lösungsversuchen vorzugehen) die BeraterInnen immer in Zwickmühlen bringen, sollten diese Zwickmühlen transparent metakommuniziert werden und als Suchhilfe für konstruktivere Aufträge utilisiert werden. Eine typische Möglichkeit, diese Prozesse zu utilisieren, kann z.B. sein: 1.) KlientInnen (K) in der für sie gewohnten Art ihr Problem schildern lassen, dabei sie empathisch mit pacing begleiten. 2.) Die K einladen, die Kooperation mit den BeraterInnen (B) als Mittel zum Zweck anzusehen, also als ein Ereignis, bei dem ja wohl etwas Gewünschtes herauskommen sollte; dann so sinnlich konkret und detailliert als den K zur Zeit möglich dieses Gewünschte zu beschreiben (Zielvisionsentwicklung). Sollte dies zu diesem Zeitpunkt noch schwierig erscheinen, ruhig etwas zurückstellen, um gelassen später wieder darauf zurückzukommen. 3.) Nun vor allem darauf fokussieren, wie die K ihr sog. Problem bisher bewertet haben, oder allgemeiner: wie sie bisher hauptsächlich damit umgegangen sind. Dabei kann es sehr hilfreich sein, den K die Beschreibung anzubieten, daß ja (falls es in sich selbst erlebte Prozesse geht) das „Ich“ (das bewusste Wollen) der K sich dabei in sehr leidvoller Weise quasi als Opfer von unwillkürlichen Prozessen erlebt (von „Es“-Prozessen = Trance-Prozessen i.S. von „es passiert ganz unwillkürlich“). Optimal wäre es, wenn dieser Umgang mit diesen unerwünschten Prozessen quasi psychodramatisch in Zeitlupe (pantomimisch-gestisch- akustisch) symbolisch dargestellt werden könnte („Tai Chi“ des problemstabilisierenden Lösungsversuchs). Dabei bitte unbedingt besonders fokussieren auf die damit einhergehenden Auswirkungen (die ja sehr häufig eben nicht das Problem lösen, sondern verstärken). 4.) Ein Dissoziationsmodell anbieten i.S. von: „Eigentlich könnte man ja sagen, da gibt es quasi zwei (oder x) Seelen in Ihrer Brust, so als ob da eine Art Kampf in Ihnen tobt; eine Seite leidet unter dem Erleben X und will das weg haben (oder was sonst der bisherige Lösungsversuch war) und eine andere Seite erlebt das aber oder macht das aber; und die Versuche, das, was die eine Seite macht, durch „Wegmachen“ loszukriegen, haben nicht das Gewünschte gebracht. Im Gegenteil, sie haben vielleicht sogar das Ganze noch verstärkt, jedenfalls problematisch ist es doch noch geblieben bisher.. Ja, man könnte sogar sagen, im Grunde sind es gar nicht Sie als ganzer Mensch, der (z.B. die Ängste hat, macht etc.) X hat, macht, sondern eine Seite von Ihnen. Denn es gibt ja auch immer wieder eine andere 3 -S.4, Dr.G.Schmidt, Utilisation v. Lösungsversuchen ...- Seite, die genau dies verurteilt, erleidet, mißbilligt, weghaben will etc... Wenn ich Ihnen ganzheitlich gerecht werden will, und das will ich, müßte ich eigentlich eher sagen, eine Seite von Ihnen hat X und eine andere will etwas Anderes und beauftragt mich deshalb damit, daß das, was die eine Seite macht, weg soll, womöglich von mir weggemacht wird.“ 5.) Als sehr hilfreiche Intervention hat es sich erwiesen, die K dann einzuladen, einen Vergleich der Wirkung unterschiedlicher Sprachregelungen auf ihr Erleben zu machen, und zwar a) der Wirkung der bisher üblichen Sprachmuster, die jeweils beide (oder mehrere) Seiten des Erlebens mit dem „Ich“ assoziieren, also z.B. i.S. „ich habe Angst, und dann sage ich mir aber, das ist doch blöd, ich sollte keine Angst haben, und dann habe ich manchmal richtig eine Wut auf mich dafür, daß ich Angst habe...“ und b) eines Sprachmusters i.S. von „eine Seite von mir hat Angst und leidet, und eine andere Seite reagiert darauf mit x.., aber nicht ich als ganzer Mensch habe Angst, sondern eine Seite von / in mir erlebt diese Angst...“. Alleine schon der Vergleich der Wirkung dieser Sprachmuster macht meist schnell erlebbar, daß es einen großen Unterschied für das Eigenerleben macht, wie man über sich und die eigene Situation redet. Wichtig dabei ist nur, daß die BeraterInnen strukturiert nach Unterschieden im Erleben fragen und diese sich auch gleich in sinnlichen Details schildern lassen. Denn es besteht nach meiner Erfahrung sonst die Gefahr, daß die hilfreichen Wirkungen (welche so gut wie immer durch die Dissoziation eintreten) sofort wieder in den Bereich der Amnesie fallen, weil sie nicht als bedeutsam registriert und gewertet werden. Die erlebten Unterschiede sollten mit Bedeutung „geladen“ werden („einen Unterschied machen, der einen Unterschied macht“ <Bateson>). Dabei sollte sofort auch nachgefragt werden, welche der Sprachregelungen denn relativ gesehen wenigstens ein wenig mehr zieldienlich (i.S. des gewünschten Erlebens) wirkt. So gut wie immer ist dies die Variante b), also die dissoziative (eine Seite...). Die so kommunizierten Unterschiede sollten sofort auch mit dem Angebot versehen werden, daß es ja offenbar die Möglichkeit der Beeinflussung des Erlebens geben kann, denn dies wurde ja gerade erlebt. Dies ist deshalb wichtig, weil die K sich ja meist zuvor in einer massiven Opferposition erleben, d.h., keine eigenen Möglichkeiten bewußt erleben, ihr Erleben zu beeinflussen. 6.) Um die hilfreiche Wirkung der Dissoziationen von diversen Seiten noch zu verstärken und dauerhaft wirksamer in den bewußten Wahrnehmungsmustern zu verankern, sollte nun dazu eingeladen werden, diese diversen „Seiten“ so konkret als möglich zu imaginieren, mit Submodalitäten wie z.B. „wo, auf welcher Seite von Ihnen etc. würde die ängstliche Seite anzusiedeln sein, wo die Seite, welche die ängstliche weghaben will?“ Wie groß/ klein, wie alt/ jung wäre sie, wenn es ein menschliches Wesen wäre, welches Geschlecht hätte es( es könnten aber auch „Fabelwesen“ etc. sein), wie würde es aussehen, wie sich bewegen oder sonst wie äußern, wie wäre es gekleidet, etc., und sehr wichtig!!! welchen Namen hätte es (Namensgebung ist ein entscheidendes beziehungsstiftendes Ritual!!!) 4 -S.5, Dr.G.Schmidt, Utilisation v. Lösungsversuchen ...- (Das gleiche sollte auch vorgenommen werden für die Seite, welche die „ängstliche Seite“ weghaben will.) Die diversen „Seiten“ können so also z.B. personifiziert werden als menschliche Wesen (es könnten aber auch andere „Wesen“ aus der animistischen Welt des primärprozesshaften „magischen“ Denkens sein, z.B. Feen, sprechende Nebelwolken etc.). Damit werden sie aber auch leichter externalisierbar/ dissoziierbar. Damit wieder kann man mehr die Fähigkeit aufbauen, sie mit sicherem Abstand a) zu verstehen in ihren Bedürfnissen, b) für die optimale Balance- Regelung zwischen den diversen Bedürfnissen zu sorgen (z.B. Anforderungen der sozialen Außenwelt mit inneren Impulsen abzustimmen), c) für eine gesunde, stimmige Bedürfniserfüllung zu sorgen. Optimal wirkt es in dieser Phase, wenn man nun differenziert herausarbeitet, welche Bedürfnisse (welches ersehnte Erleben) sich jeweils mit den als Symptom, Problem definierten Impulsen meldet. Die „Sucht“- Seiten erweisen sich sehr oft als altersregressiv (manchmal aber auch als „steinalt“ und erschöpft“). Bei „Sucht“Verhalten sind dies z.B. oft Qualitäten wie: Geborgenheit, Zuwendung, Wärme, Frieden, Beschwingtheit, Lockerheit, Freiraum, Weite, Schutz, Kontakt, „einfach mal so sein dürfen, wie es einem ums Herz ist…“ usw. Die kritisch- abwertenden „Seiten“ zeigen aber ebenfalls verstehbare und anerkennenswerte Bedürfnisse. Oft haben sie z.B. Angst vor den „Sucht“- Seiten und befürchten, dass diese völlig zerstörerisch wirken könnten, und nur deshalb reagieren sie dann verzweifelt mit Kampf, Flucht, Abwertung usw. Danach kann man schon hier (sonst sollte dies eben später, spätestens nach Schritt 11 gemacht werden) einladen dazu, zu imaginieren, wie es sich anfühlen und sonst wie auswirken würde, wenn diese „Seiten“ endlich mal das Ersehnte erleben dürften/ könnten Wunscherfüllungs- Imaginationen. 7.) Eine sehr hilfreiche weitere Chance kann sich nun daraus ergeben, dass man einlädt dazu, systematisch die diversen Problem-Muster und die als gewünscht definierten „Ausnahmen“ davon (potenzielle Lösungs-Muster) zu vergleichen auf Unterschiede (z.B. hinsichtlich des Verhaltens dabei, der inneren Dialoge, des Umgangs mit sich und Anderen etc. siehe dazu als hilfreiche Modelle/ „Checklisten“ für solche Vergleiche die AB „Internale Erlebniselemente“, „PTrance/L-Trance-Vergleich“, “Wie man ein Problem konstruiert“ etc). Optimal ist es dabei, bei jedem Musterelement (z.B. “wie atmen Sie, wenn sie das Problem erleben, wie, wenn es mal besser ist?; und wie ist Ihre KörperKoordination, wenn sie das Problem erleben, wie, wenn es mal besser ist?“) quasi zu „pendeln“, d.h., nicht zu lange einseitig bei der Betrachtung eines Musters (weder des Problem- noch des Lösungs-Musters) zu bleiben. So kann zusätzlich noch eine hilfreiche Flexibilisierung in der Wahrnehmungssteuerung aufgebaut werden, man bekommt wirksamer eine geschützte, dissoziierte Meta-Position zu allen Mustern und damit mehr hilfreiche Wahlmöglichkeiten. 5 -S.6, Dr.G.Schmidt, Utilisation v. Lösungsversuchen ...- Wenn man dies systematisch durchführt, sind die Informationen dazu den KlientInnen oft aber zunächst nicht immer bewusst zugänglich, sie „wissen“ es also nicht sofort. Dies sollte man wertschätzend kommentieren und dann einladen zum „Schätzungs- Verfahren“ mit Sprachmustern wie „was vermutlich könnte es ansatzweise noch sein, was vielleicht nur wenig deutlich merkbar den Unterschied macht…“ usw. Auf solche hypothetische Schätzungen lassen sich fast alle KlientInnen ein, sie sind dabei auch ganz frei, haben keinen Druck und keine Verbindlichkeit, sich da auf etwas festlegen zu müssen, was sie vielleicht nicht wollen, die Informationen können dadurch aber dennoch sehr wirksam erzeugt werden. Wenn man dann dadurch Unterschiede herausgearbeitet hat, kann man diese optimal utilisieren als Hinweis auf das untrügliche innere Wissen des weisen Organismus/ des kompetenten Unbewussten/ der klugen unwillkürlichen Intuition etc. Denn die Musterelemente, die einhergehen mit gewünschtem Erleben, können bewertet und genutzt werden als unwillkürliches Wissen darüber, was für erfüllendes Wohlergehen gebraucht wird und offensichtlich unverzichtbar ist. Ich biete dafür oft Sprachmuster und metaphorische Beschreibungen an wie z.B.: „Das sind eben die Vertragsbedingungen Ihres klugen Organismus, der durch die Symptome genau zeigt, dass er weiß, was erbraucht und die Symptome sind kompetente Rückmelde- Informationen, so wie z.B. im Auto ein lästiges akustisches Signal ertönt, wenn man den Sicherheitsgurt nicht angelegt hat. Das ist zwar lästig, aber als Sicherheitshinweis sehr hilfreich. Und wenn Sie diese Vertragsbedingungen nicht beachten, wird Ihnen Ihr Organismus wahrscheinlich immer wieder sehr schmerzhafte Rückmeldungen und „Konventionalstrafen“ schicken. Das ist zwar schmerzhaft, aber eigentlich Ausdruck kluger Wissenskompetenz darüber, was für erfüllende Gesundung gebraucht wird. Kann man Sie dafür gewinnen, dies mehr zu beachten? Was brauchen Sie dafür als nächsten Schritt?“ 8.) Da man ja zu Beginn oft Aufträge erhält im Sinne von „das Suchtverhalten soll weg, meine Ängste usw. sollen weg, am besten ausgemerzt werden, machen Sie das bitte…“ usw. (diese sind gespeist aus der bisherigen Spaltung und „schwarzweiß“- Sichtweise, die das Problem aufrecht erhält), sollte man sehr sorgfältig einen Auftrag aushandeln, der diese Spaltungen transformiert. Das kann man nach den bisher beschriebenen Schritten oft schon sehr gut. Deshalb kann man nun z.B. differenziert danach fragen, welchen Auftrag man als BeraterIn von der Seite erhält, welche die problematisch Erlebte (z.B. die Ängstliche) „wegmachen“ will. Denn dies ist praktisch immer der Auftrag, der den BeraterInnen zunächst als der quasi offizielle, vom bewußten Denken der K erteilte Auftrag gegeben wird. Der den BeraterInnen erteilte Auftrag entspricht meist 6 -S.7, Dr.G.Schmidt, Utilisation v. Lösungsversuchen ...- genau den Lösungsversuchen, die bisher am meisten von den K selbst probiert worden waren (aber ohne den gewünschten Erfolg, sonst wären sie nicht in der Beratung). Sehr hilfreich wird es, wenn man dann aber auch danach fragt, welchen Auftrag wohl die (z.B. ängstliche) sog.“Problem“-Seite selbst den BeraterInnen erteilen würde. Denn unter solchen Umständen zeigt es sich sehr häufig, daß die „ängstliche“ Seite schnell auch Angst vor den BeraterInnen bekommt, da sie befürchten muß (häufig sind ihre Befürchtungen auch sehr begründet), die BeraterInnen würden sich parteiisch für die „Wegmacher“-Seite verhalten und dadurch zu einer existentiellen Bedrohung für die ängstliche Seite werden. So lässt sich schnell zeigen, daß die BeraterInnen meist einen völlig widersprüchlichen Auftrag von diversen Seiten bekommen, welche miteinander quasi im Kriegszustand liegen (symmetrische Eskalation) und in Gefahr sind, als Schiedsrichter in einem Machtkampf funktionalisiert zu werden. 9.) Dann sollte eingeladen werden dazu, die bisherigen Lösungsversuche in zeitlupenartiger, pantomimischer, gestischer, aber dann auch lautmalerischer Weise quasi ritualisiert in Zeitlupe darzustellen („psychodramatisch), am besten stilisiert übertrieben, wenn möglich mit symbolischen Darstellungen eventueller Instrumente im Umgang mit der ängstlichen Seite (z.B. Peitsche etc.). Deutlich gemacht werden sollte dabei, wie man versucht hatte, die als Problem erlebten Prozesse zu lösen und welche Auswirkungen dies aber hatte auf die unwillkürlichspontanen Reaktionen (die trance-artigen Reaktionen) der so behandelten Seiten. Dabei wird praktisch immer sofort unmißverständlich klar, daß die Art dieser bisherigen Lösungsversuche das Problem höchstens noch verstärken konnten, sicher aber so nicht lösbar machen. Es wird dabei auch meist sinnlich sehr beeindruckend und überzeugend klar, daß die (z.B.) ängstliche Seite so nicht wegzukriegen ist, daß man sie nicht direkt verändern kann (wenn sie also als „Problem“ behandelt wird), sondern daß es sinnvoll erscheint, sie als „Restriktion“ zu behandeln, dann aber auf den optimalen Umgang mit ihr zu fokussieren ( anstatt auf direkte Veränderung). Und weiter: man kann so schnell aufzeigen, daß die sog. Symptome um so stärker kommen, je intensiver solch destruktive Lösungsversuche gewählt werden, daß die Symptome also eigentlich wertvolle Informationsträger sind für die nicht berücksichtigten Bedürfnisse im System, ja, daß sie verstanden werden können als „Leibwächter“ der durch die Killeraufträge bedrohten Seiten. Sogar auf dieser Ebene läßt sich so zeigen, daß nicht die Absicht des Senders einer Botschaft (hier z.B. des „Wegmachers“) entscheidend ist, sondern ihre Bedeutung und Wirkung ausschließlich vom Empfänger der Botschaft (hier z.B. vom ängstlichen Teil) bestimmt wird, daß man also besser mit diesem kooperiert anstatt ihn zu bekämpfen (sonst ist der Preis zu hoch, siehe auch „tit for tat“). Ohne weiteren Kommentar ergibt sich allein dadurch schon oft, daß die K auch zu Hause häufiger den „Killer“-Umgang schon von sich aus reduzieren oder gar 7 -S.8, Dr.G.Schmidt, Utilisation v. Lösungsversuchen ...- beenden, da ihnen durch diese Illustration der Auswirkungen (nicht der Absichten) solcher Lösungsversuche überzeugend deutlich wird, daß 10.) Spätestens jetzt kann deutlich gemacht werden, daß die BeraterInnen durch die Art der bisherigen Auftragsgestaltung in einen intensiven double-bind sind und den offiziellen Auftrag (z.B. „wegmachen“ etc.) trotz aller Empathie für die leidende, frustrierte „Wegmacher“-Seite so nicht annehmen können, da er eine problemverstärkende Wiederholung von bisherigen problemstabilisierenden Lösungsversuchen wäre. Diese double-binds der BeraterInnen sollten unbedingt ganz transparent und ohne strategisch-„tricksige“ Absichten metakommuniziert werden (siehe auch AB „double binds“ und „Utilisation der Auftragsdynamik“). Hierbei helfen oft auch sehr plastische (quasi „holzschnittartige“) metaphorische Beschreibungen wie z.B. „ also, ich habe den Eindruck, ich bekomme mal wieder einen Mafia-artigen Killerauftrag von der „Wegmacher“-Seite, denn ich soll ja dabei helfen, die ängstliche (oder sonstwie problematisch erlebte) Seite zu erledigen, beiseite zu schaffen, um die Ecke zu bringen, ihr quasi den letzten „Hit“ zu geben, quasi nach dem Motto „ I hired a contract killer...“. Aber die Mafia wohnt hier nicht. Wenn Sie die (z.B.) ängstliche Seite wären und Sie würden mitbekommen, daß Sie hier von den BeraterInnen gekillt werden sollten, wie würde es Ihnen gehen? Wie würden Sie reagieren? Wären Sie etwa kooperativ? Oder würden Sie nicht noch mehr mit Angst, Verweigerung, Abtauchen etc. reagieren? Wären daß denn die Auswirkungen, die Sie wollen? Wohl nicht. Wenn dies die Basis unserer Kooperation wäre, würde unsere Zusammenarbeit doch gar keinen hilfreichen Sinn machen, denn Sie haben ja schon x Mal erlebt, wie sich solche Lösungsversuiche ausgewirkt haben (nämlich alles andere als hilfreich). „Aber man kann ja die „Wegmacher“-Seite auch gut verstehen, sie leidet doch sehr unter der ängstlichen Seite und will mit Recht etwas Anderes“ (denn diese darf nun natürlich auf keinen Fall abgewertet werden und mit einer einseitigen Parteinahme für die ängstliche Seite beantwortet werden; dies wäre nur das gleiche Muster mit anderen Vorzeichen, (problemstabilisierendes Schwarz-weiß, entweder-oder-Muster). 11.) Dies sollte nun, nachdem deutlich gemacht wurde, daß man die zunächst erteilten „Killer“-Aufträge wegen ihrer destruktiven Auswirkungen so nicht annehmen kann, auch wenn sie emotional noch so nachvollziehbar wären, einmünden in die Einladung zur Suche nach und zur Entwicklung von „dritten Wegen“, also nach Lösungsversuchen, welche weniger problematische Auswirkungen oder sogar bereichernde ganzheitliche Wirkungen erbringen. Hier erweist es sich als zentrale Hilfe, auch die bisherigen Erfahrungen auf „Ausnahmen vom Problem“ im Umgang mit der „ängstlichen“ Seite hin zu prüfen (Reise in die Lösungszeit, hier in die schon erlebte Kompetenz-und Lösungsvergangenheit). Solche „Ausnahmen“ findet man so gut wie immer (man muss nur systematisch und konsequent genug danach suchen, wobei aber konsequent nicht stur und aufdringlich heißen sollte!!!). Solche Ausnahmen gehen in aller Regel mit anderen Lösungsversuchen im Umgang mit der „problematischen“ Seite einher, also eben nicht mit „Wegmach“-Haltungen, z.B. mit tröstender Anteilnahme, Geduld, aber 8 -S.9, Dr.G.Schmidt, Utilisation v. Lösungsversuchen ...- auch eventuell mit gelassener Umfokussierung (an Stelle von z.B. „Angst vor der Angst“ etc.) Aus dem Vergleich der Auswirkungen dieser unterschiedlichen Lösungsversuche lassen sich die denkbaren hilfreichen nächsten kleinen Schritte in der Kooperation zwischen K und BeraterInnen ableiten. Diese lassen sich in den meisten Fällen als Ausdruck von „sowohl-als-auch“Mustern beschreiben, also als Balance zwischen den diversen Seiten, welche Koexistenz an Stelle von Vernichtungskämpfen praktizieren und so sogar allmählich zu einem guten Team (manchmal sogar zu einem „dream-team“) werden. Für das Auffinden der jeweils gerade optimalen Balance in diversen Kontexten läßt sich das Ritual der „balancierenden Hände“ (Schmidt 1985) optimal utilisieren („seine Hände hat man ja meistens dabei, oder nicht?“). Das bewusste „Ich“ der K kann dabei systematisch eingeladen und angesprochen werden dazu, als beobachtende und moderierende, ruhig aber auch steuernde „Führungskraft“ für die diversen Seiten /“Teammitglieder“ (quasi als KonferenzleiterIn /PräsidentIn, siehe AB Innere Konferenzen) zu wirken und den BeraterInnen als quasi ko-therapeutische KollegIn in der Kooperation für die Ziele der K zu helfen. So entsteht eine gleichrangige, wechselseitig achtungsvolle, zieldienliche Kooperation. 9