Luxemburger Wort vom 28 März - Seite 14
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14 KULTUR Luxemburger Wort Montag, den 28. März 2011 Klenge Maarnicher Festival Die Montagsfilmkritik Stupender LisztAbend mit Jean Müller Kraftdichte und Sensibilität wuchsen zu einer perfekten Symbiose zusammen Jean Müller: ein Pianist mit einem geradezu grenzenlosen Potenzial. VON LOLL WEBER Was Jean Müller am Samstag im Cube 521 von Marnach bei seinem Liszt-Rezital anbot, war – um für einmal den Jargon des Sportjournalismus anzuwenden – eine Weltklasseleistung! Da saß jeder Ton, jeder Akkord und jede noch so effektbewusste, drängende Spannungssteigerung. Jean Müller musizierte dies mit einer Präzision, Vollgriffigkeit, Differenzierungskunst im Anschlag und einer derart mühelosen Natürlichkeit aus, dass man aus dem Staunen nicht herauskam. Kraftdichte und Sensibilität wuchsen zu einer perfekten Symbiose zusammen. Diese Bewertung gilt nicht nur für die instrumentaltechnische Versiertheit, die Jean Müller einbrachte, sondern im gleichen Maße für das in jeder Hinsicht schlüssige Konzept der musikalischen Gestaltung. Auch in Sachen Programmdramaturgie war dem Zufall nichts überlassen. Im ersten Teil stand der Interpret im Dienste des virtuosen Geniemusikers Liszt, im zweiten stand der musikalische Virtuose Liszt im Vordergrund. Intelligenter lässt sich ein Liszt-Abend wohl nicht konzipieren. Im ersten Teil – wie schon angedeutet, ein Muster an kluger und sinnvoller Werkwahl – hatte sich Jean Müller für drei Auszüge aus den anspruchsvollen und keineswegs gefälligen „Années de pèlerinage“ entschieden. Den Einstieg machte er mit „Vallée d’Obermann“. Der rezitativische Charakter wie auch die dynamischen Kontrastierungen wurden mit einem ungemein plastischen Anschlag ausgespielt. Dies war eine denkbar adäquate Hinführung zu den „Drei Sonetten nach Petraca“ in der zweiten Fassung für Klavier (ohne Singstimme wie in der Urfassung) aus dem Jahre 1858. Wiederum fand Jean Müller das totale Gleichgewicht von „esaltazione“ und „intimo sentimento“. Interessant auch wie der Pianist die drei Sätze als Ganzes, also ohne scharfe Zäsuren, zu Gehör brachte. Dann der Höhepunkt des ersten Konzertteiles: die „Fantasia quasi sonata“ mit dem Titel „Après une lecture de Dante“, vielleicht das substanzreichste und tiefsinnigste Stück der ganzen „Pèlerinage“Reihe. Wie Jean Müller hier sein Instrument zu einem wahren „Orchesterklavier“ werden ließ, war höchst beeindruckend. Wiederum wusste er die Gegensätze von explosiver Leidenschaft und inniger Erregtheit mit klaren Klangkonturen auszuformen. Eine Darbietung der „Dante-Sonate“, wie man sie selten im Konzertsaal zu hören bekommt. Überwältigendes Plädoyer für Komponist Franz Liszt Diese Liszt-Hommage vor der Pause – weder für den Zuhörer noch vor allem für den Interpreten eine gemütliche Angelegenheit – war im Endeffekt eine zu Herzen gehende Begegnung und zugleich ein überwältigendes Plädoyer für den – zumindestens in seinen besten Werken – genialen Komponisten Franz Liszt. Wunderbar! Im zweiten Teil des Abends kam Jean Müller der Rezeptionsbereitschaft des Publikums mit „Opernparaphrasen“ entgegen. Dabei ging es in erster Linie um (FOTO: ARMAND WAGNER) pianistisches Brio pur, wo die Verdi-Themen („Rigoletto“), der „Faust-Walzer“ von Gounod und abschließend die „Don Juan“-Motive von Mozart nach allen Regeln der spätromantischen Virtuosenkunst variiert, modelliert, klanglich ausgeweitet und wirkungsbewusst vorgeführt wurden. Faszinierend wie Jean Müller das manchmal hohle Klanggeschehen immer wieder mit subtilen agogischen Verzögerungen und rhythmischen Beschleunigungen anzureichern wusste. Das improvisatorische Moment dieser technisch extrem anspruchsvollen Bravourstücke traf der Pianist mit einer geradezu makellosen Griffsicherheit und einem werkbezogenen Brio hohen Grades. Aus der spezifischen Konstellation dieser insgesamt „sportlichen“ Paraphrasen-Etüden fiel allerdings die Übertragung von Wagners „Liebestod aus Tristan und Isolde“ völlig heraus. Hier respektierte Liszt durchgehend den musikalischen Text Wagners und verzichtete auf eine jede nur äußerliche eigene Geste. Jean Müller versenkte sich quasi in der Genialität dieser Musik und ihrer kongenialen Übertragung von Liszt. Für den langen und herzlichen Applaus bedankte sich der Unermüdliche mit einer leichteren „Consolation“ und mit dem unverwüstlichen „Liebestraum“. Das musikalisch Wertvollste ereignete sich wohl vor der Pause, doch das große Fazit dieses Liszt-Abends war die absolut beeindruckende pianistische und darstellerische Demonstration von Jean Müller. Ein Pianist mit einem geradezu grenzenlosen Potenzial! Mittelalterlicher Schwachsinn Nicolas Cage in „The Season of The Witch“ VON VESNA ANDONOVIC Da dachte man doch – zugegeben etwas naiv – man hätte als Zuschauer wirklich alles erlebt und vor allem erduldet, wenn Hollywood sich an die Geschichte heranwagt, um dort die notwendige Materie für seine Filme zu schöpfen. Weit gefehlt! Bereits nach kürzester Zeit wird man mit Dominic Senas „The Season of the Witch“ eines Besseren belehrt. Denn der Regisseur von – immerhin – Filmen wie „Swordfish“ und „Gone in Sixty Seconds“ scheint seine besten Leinwandzeiten bereits hinter sich gelassen zu haben und schnellt mit seinem neuesten Werk blitzartig an die Spitze der desolatesten Historienfilme aller Zeiten. Traurigerweise reißt er bei diesem filmischen Debakel auch noch Nicolas Cage – frei nach dem Motto „Ich war berühmt und brauchte das Geld (für die Steuern)“ – mit sich in den bodenlosen Abgrund der Lächerlichkeit hinab. Allein schon die Geschichte muss man sich auf der Zuge zergehen lassen: 14. Jahrhundert, wilde Zeit schießwütiger Cowboys, Pardon, schwertschwingender Kreuzritter – Behmen (Nicolas Cage) und sein Kollege Felson („The Name of the Rose“- Salvatore und späterer „Hellboy“ Ron Perlman) entdecken inmitten eines blutigen Gemetzels plötzlich ihr Gewissen und steigen aus dem Gliedmaßen-Abhacken- und KöpfeAbtrennen-Business aus. Von Glaubenszweifeln geplagt, kehren sie in das von der Pest heimgesuchte Europa (endlich wieder Zivilisation und keine Krummschwerte schwingenden Wilden mehr!) zurück und sollen durch eine unglückliche Verstrickung von Zufällen, die sie als Deserteure entlarvt, eine vermeintliche Hexe (Claire Foy) zu ihrem „gerechten“ Prozess in eine einsame Berg-Abtei bringen. Doch die Reise verläuft (selbstverständlich) nicht wie geplant ... Müdes Gähnen Wusste man bereits bei dieser Zusammenfassung, dass der Film nicht besonders ernst zu nehmen sei, konnte man doch zumindest auf einen in seiner Albernheit ebenso unterhaltsamen, wie Gehirn schonenden Abend hoffen. Beileibe nicht! Denn die 95 Minuten – als „echter“ Kinogänger bleibt man natürlich nicht nur bis zum Ende des Abspanns, sondern auch im schlechtesten Film bis zum bitteren Ende sitzen – entwickeln eine durchaus mittelalterlich anmutende Eigendynamik deren Wirkung an solch lustige Zeitgenossen wie Schraubzwinge, den „Spanischen Kitzler“ oder die Streckbank erinnert – wenn nicht körperlich, dann zumindest im übertragen-psychologischen Sinne. Denn, dass eine Geschichte hanebüchen ist, wirft man ihr nur dann vor, wenn sie sich auch noch als unterhaltloser Hollywoods Mittelalter glänzt durch historische und erzählerische Albernheit. (FOTO: RELATIVITY MEDIA) „Liebestöter“ entpuppt. Ob es nun daran liegt, dass es im 14. Jahrhundert – man raufe seinen Mut zusammen und stelle sich diese Ungeheuerlichkeit überhaupt einmal vor – kein Wikipedia gab, das umfassend und wahrheitsgetreu über die Symptome von Hexerei und Besessenheit informierte, oder einfach nur an einer eigenen zeitweiligen geistigen Umnachtung aller Beteiligten, jedenfalls wirkt sich dies tragisch auf das Endprodukt aus. Man fragt sich, ob die Hauptdarsteller das Drehbuch jeden Morgen in einem Kinder-Überraschungsei entdeckt haben, und sich rein zufällig in diesem filmischen Schwachsinn verirrt haben oder eine akute Geldnot sie erbarmungslos hineingetrieben hat. Die ihnen in karikaturhaften Figuren zur Seite gestellten Schauspieler hat das Drehbuch (auch wenn man Zweifel hegt, dass es ein solches gab) wenigstens den Anstand dahinzuraffen, bevor der Zuschauer überhaupt eine emotionale Beziehung zu ihnen aufbauen kann. Nicht einmal der Blitzauftritt von HammerKult-„Dracula“ Christopher Lee als Kardinal D'Ambroise bietet einen Lichtblick. Zugegeben, man erwartet nicht zwingend den Realismus ungepflegter Zähne, wie er in Scotts „Robin Hood“ bestach oder historische Genauigkeit – die Pest brach erst 100 Jahre nach dem letzten Kreuzzug aus, Hexen wurden erst ab dem 15. Jahrhundert verfolgt –, doch ein klitzekleiner Funken Wirklichkeit schadet nicht. Spezialeffekte, wie das zähnefletschende Wolfsrudel oder der herumfliegende Dämon am Ende des Films regen allerhöchstens zu einem müden Gähnen an. Wahrscheinlich wären die 40 Millionen investierten Dollar als Scheiterhaufen produktiver eingesetzt gewesen. Unterhaltung sieht definitiv anders aus – um den hier zum Unwort mutierten Anspruch überhaupt nicht zu erwähnen – und man verfällt schon fast in blinde Schwärmerei, wenn man an zukünftige Filme wie Favreaus „Cowboys & Aliens“ denkt – da wird es mit Harrison Ford und Daniel Craig wohl durchaus mehr – im positiven Sinne, versteht sich – zum Kopfschütteln geben.