Netzwerk Naturerbe – Ein National Trust für Deutschland?
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Netzwerk Naturerbe – Ein National Trust für Deutschland?
Hrsg.: Brickwedde, Stock, Geißinger Netzwerk Naturerbe – Ein National Trust für Deutschland? 20. Symposium der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und der Freunde und Förderer des Zentrums für Umwelt und Kultur Benediktbeuern Inhalt 4 Einführung Hubert Weinzierl 7 Netzwerk Naturerbe – Ein National Trust für Deutschland? Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde 13 Werdende Wildnis in Deutschland – Argumente, Potenziale, Umsetzung Prof. Dr. Michael Succow 22 Die Land Trust-Bewegung in den USA Tilmann Disselhoff 26 Flächensicherungsinstrumente von land trusts in den Vereinigten Staaten Stefan Nagel, J. D. und Tilmann Disselhoff 33 Der National Trust in England und Netzwerke von Naturschutzflächeneigentümern in den Benelux-Staaten Anton Gazenbeek 43 AG: Flächenmanagement – Konzepte und Hemmnisse Christian Unselt Dr. Reinhard Stock 45 AG: Monitoring – Wunsch und Wirklichkeit Dr. Sabine Kathke Dr. Heike Culmsee 47 AG: Umweltbildung – zwischen Besucherlenkung und Informationsvermittlung Dr. Susanne Eich Dr. Alexander Bittner 48 AG: Öffentlichkeitsarbeit – Begeisterung und Akzeptanz schaffen Dr. Walter Hemmerling Dr. Markus Große Ophoff 49 Charta für ein Netzwerk Nationales Naturerbe Impressum Hrsg.: Brickwedde, Stock, Geißinger Netzwerk Naturerbe – Ein National Trust für Deutschland? 20. Symposium der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und der Freunde und Förderer des Zentrums für Umwelt und Kultur Benediktbeuern Einführung Einführung Hubert Weinzierl Kuratoriumsvorsitzender der DBU, Ehrenpräsident des Deutschen Naturschutzrings 4 Lieber Pater Geißinger, sehr geehrter Herr Schneider, lieber Herr Dr. Brickwedde, sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich, Sie zum dies jährigen Herbstsymposium im Zentrum für Umwelt und Kultur Benediktbeuern begrüßen zu dürfen. Wie jedes Jahr wird das Herbst symposium von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt zusammen mit den Freunden und Förderern des Zentrums für Umwelt und Kultur Benediktbeuern durchgeführt. Ich möchte dem Förderverein und dem Zentrum für Umwelt und Kultur Benediktbeuern gerne an dieser Stelle in meiner Funktion als Kura toriumsvorsitzender der DBU – aber auch ganz persönlich – meinen herzlichen Dank für die unkom plizierte und freundschaftliche Vorbereitung der Veranstaltung aussprechen. Das diesjährige Herbst symposium findet außerdem in Kooperation mit einer ganzen Reihe weiterer Organisationen statt: dem Arbeitskreis Umwelt, Natur, Gesundheit des Bundesverbands Deutscher Stiftungen, dem Bundes amt für Naturschutz, EUROPARC Deutschland, der Heinz Sielmann Stiftung, der Naturstiftung David, der Stiftung NaturSchutzFonds Brandenburg, der NordrheinWestfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege sowie der Stiftung Naturschutz SchleswigHolstein. Auch die DNR-Strategie gruppe Nationales Naturerbe war an der Vorbereitung beteiligt. Herzlichen Dank allen Partnern der DBU! Sie sehen, die Veranstaltung stand schon während der Vorbereitungsphase ganz im Zeichen des Austausches und der Zusammenarbeit. Und darum geht es uns ja auch in den nächsten zwei Tagen: Wir möchten nichts Geringeres erreichen, als den Grundstein zu legen für ein bundesweites Netz werk Nationales Naturerbe. Ich freue mich, dass Sie so zahlreich unserer Einladung gefolgt sind. Daran lässt sich schon ablesen, wie bedeutend das Thema derzeit für viele ist. Zusammenarbeit, fachlicher Austausch und gemeinsames Eintreten für unsere Belange und Interessen sind heute im Natur schutz erforderlicher denn je. Der Naturschutz droht derzeit angesichts von Euro-Krise, Energiewende und anderer tagespolitischer Herausfor derungen ins Abseits der öffentlichen Wahrnehmung zu geraten. Der Personalabbau in den Verwaltungen macht eine effiziente Umsetzung hoheitlicher Naturschutzpolitik vielerorts immer schwerer. Aber auch innerhalb der Verbände-Szene herrscht bei manchen eine Stimmung der Mutlosigkeit und Resignation. Das verfehlte 2010-Ziel, den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen, hat Spuren hinterlassen. Ich kann es nur immer wieder hervorheben: Naturschutz ist keine Luxus beschäftigung für gute Zeiten. Indem wir uns für den Erhalt der Natur ein setzen, schützen wir unsere Lebens grundlagen und die der nachfol genden Generationen. Es geht um die Basis unserer materiellen Existenz. Aber mehr noch als das: Wir leisten einen fundamentalen Beitrag zu der Frage, wie ein gutes, sinnerfülltes Leben, wie ein richtiges Miteinander von Mensch und Umwelt aussehen kann. Wann sollte das wichtiger sein als jetzt, wo uns das Scheitern des Wachstumsfetischismus so krass vor Augen geführt wurde? Ich habe oft von einem neuen, nachhaltigen Kulturentwurf gesprochen, den wir als Europäer entwickeln sollten. Was meine ich damit? Ich meine einen unseren Zeiten angemessenen Lebensstil, der nicht auf Ausbeutung, sondern auf Bescheidenheit, Lebensfreude, mate rieller Genügsamkeit und Solidarität mit unseren Mitmenschen und allen Lebewesen basiert. Diesen Lebensentwurf kann man nicht theoretisch herbeireden, man muss ihn leben und in der Wirklich keit erfahrbar machen. Ich denke, dass die öffentlichen und gemeinnützigen Eigentümer von Naturschutzflächen – also Sie alle hier im Saal – hier in besonderer Weise gefragt sind. Flächen, die dem Naturschutz selbst gehören, sind die Vorzeigeobjekte, an denen wir anschaulich machen können, wie schön, wie spannend, wie vielfältig und umwerfend die Natur sein kann und wie ein gelungenes Zusammenleben von Mensch und Natur aussehen kann. Diese Flächen müssen ebenso wie die Nationalparke das Rückgrat des flächenbezogenen Naturschutzes bilden, das Gerüst, von dem aus der Naturschutzgedanke ausstrahlen kann – Knotenpunkte im Netz des Lebens, nicht Kathedralen in der Wüste. Kein Reservatsschutz unter der Glasglocke, sondern Vorrangflächen für die Natur, die dazu einladen, mehr Natur auch an anderer Stelle zuzulassen und einzufordern. Ich habe immer gesagt, dass Naturschutz ein Thema ist, das auf 100 % der Fläche seine Berechtigung hat. Dennoch können wir die Belange des Naturschutzes mit anderen Inte ressen nicht überall gleichgewichtet abwägen. Es gibt Gebiete, auf denen die Natur zu Recht Vorrang hat, viel zu wenige, aber wir haben sie. Zu nennen sind hier neben den Nationalparken und anderen Großschutzgebieten vor allem die Flächen des Nationalen Naturerbes. Das Nationale Naturerbe stellt sicherlich eine Sternstunde der deutschen Umweltpolitik dar. Nicht umsonst hat sich die Idee, Flächen im Eigentum des Bundes nicht zu privatisieren, sondern sie langfristig dem Naturschutz zu widmen, durchgesetzt. Denn gibt es eine friedlichere Konversion als den Wandel ehemaliger Militärflächen in Naturschutzgebiete mit dem Ziel der Entwicklung hin zur Wildnis? Die DBU mit ihrer Naturerbe GmbH ist die größte Flächeneigen tümerin des Nationalen Naturerbes. Sie hat mittlerweile die ersten 46 000 ha übernommen. Weitere 14 000 ha stehen in der 2. Tranche an. Insgesamt übernehmen die Bundesländer, Naturschutzverbände und Stiftungen rund 125 000 ha. Vielleicht werden es ja auch noch mehr. Die Übertragung der ersten Tranche ist noch nicht abgeschlossen, die Flächenauswahl für die zweite Tranche läuft, und so mancher träumt schon von einer dritten Tranche – Stichwort Bundeswehr reform. Viele der Flächeneigentümer des Nationalen Naturerbes sind ja heute hier unter uns und vielleicht hat der ein oder andere schon intern darüber nachgedacht, ob es zu einem weiteren Engagement kommen könnte. Mit der Flächenübernahme im Rahmen des Nationalen Naturerbes ist die DBU Mitglied im Kreise der flächenbesitzenden Naturschutz akteure geworden. Flächeneigentum und Naturschutz sind ein altes Thema – so alt wie der Naturschutz selbst. Ich erinnere daran, dass der Erwerb des Drachenfelsens 1836 für viele zum Gründungsmythos des deutschen Naturschutzes gehört. Umso mehr freue ich mich, dass der heutige Eigentümer des Gebiets – der Verschönerungsverein Sieben gebirge – bei dieser Veranstaltung durch seinen Vorsitzenden Herrn Lindlar vertreten ist. 5 Einführung 6 Wie Sie alle wissen, befinden sich neben dem Nationalen Naturerbe eine Vielzahl weiterer Naturschutz flächen im Eigentum gemeinnütziger und öffentlicher Einrichtungen und sogar im Eigentum von Privatper sonen. Viele der Flächen im Eigentum von Stiftungen, Verbänden und der öffentlichen Hand werden nach fach lich vergleichbaren hohen Standards wie das Nationale Naturerbe bewirt schaftet und entwickelt. Ich nenne als Beispiel die fast 30 000 ha im Eigentum der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein, darunter einige der naturschutzfachlich wertvollsten Gebiete Norddeutschlands. Davon gehören jedoch nur 200 ha zum Nationalen Naturerbe. Neben der naturschutzfach lichen Qualität ist es vor allem die Dauerhaftigkeit der Flächenwidmung, die den Wert von Natur schutzflächen im gemeinnützigen Eigentum ausmacht. Dies ist bei Flächen der öffentlichen Hand teilweise, bei Flächen im Privatbesitz eher selten der Fall. Ich sage das übri gens aus der Perspektive des Prakti kers. Wie Sie vielleicht wissen, gibt es auf dem Grundstück des von meiner Frau und mir geleiteten Umwelt zentrums Schloss Wiesenfelden einen 5 ha großen Wildnisbereich, auf dem die Natur sich seit nunmehr mehre ren Jahrzehnten nach ihren eigenen Gesetzen frei entwickeln darf. An diese ökologische Zelle schließen noch 70 ha FFH-Naturschutzgebiete – stillgelegte Teichwirtschaftsflächen – an, die ebenfalls in ein Netzwerk eingebunden werden können. So können sich Groß und Klein ergänzen: Stiftungen ebenso wie Naturschutz gebiete. Insofern könnte ich mich vielleicht auch mit meiner eigenen Stiftung am Netzwerk beteiligen … Wie viele solcher privaten, kaum überörtlich bekannten Initiativen mag es in Deutschland geben? Wie viel Potenzial schlummert da noch für den Naturschutz? Ich denke, dass alle Eigentümer von Naturschutzflächen – trotz sicherlich vorhandener Unterschiede in der Flächengröße, der Anzahl der Gebiete und den konkreten Schutz zielen – gemeinsame Interessen und Herausforderungen haben. Zu nennen ist beispielsweise die Dauerfrage nach der Finanzierung. Hier können wir viel voneinander lernen. Was sind die kosteneffizien testen Verfahren? Welche Finanzie rungsmodelle gibt es? Bei welchen vermeintlichen Pflichtausgaben gibt es Ermessens- und Verhandlungs spielraum – Stichworte: Boden- und Wasserverbandsabgabe oder Grunderwerbssteuer? Hier kann ein Verweis auf günstige Präzedenzfälle an anderer Stelle manchmal sehr hilfreich sein. Gleiches gilt für den fachlichen Austausch beim Monito ring, Flächenmanagement oder der Umweltbildung. Es geht aber noch um mehr als den Wissensaustausch. Aufgrund der föderalen Struktur Deutschlands und dem Nebeneinander von hoheitlichem Naturschutz sowie ehrenamtlichem und hauptamt lichem Verbandsnaturschutz ist auch die Eigentumsstruktur innerhalb der Naturschutzszene derart aufge splittert, dass niemand wirklich weiß, was alles an Flächen wem gehört und wie stark wir insgesamt eigentlich sind. Hier liegt eine Riesenchance für uns Naturschutz flächeneigentümer. Was wäre, wenn wir unsere Gewichte alle in dieselbe Waagschale werfen würden? Das Flächeneigentum des Naturschutzes sollte – ähnlich wie beim National Trust – genau so populär und unan tastbar werden wie unsere großen Museen, Kirchen und Denkmäler. Daher auch der Titel des Symposiums. Wie wir heute ja noch hören werden, haben es uns andere Dachverbände und Netzwerke von Naturschutzeigentümern in England, aber auch in den BeneluxStaaten oder den USA bereits vorge macht, welche Durchschlagskraft, Popularität und Wachstumsdynamik bei einer guten Zusammenarbeit und einer gemeinsamen Außen darstellung entstehen kann. Zwar werden wir nie einen englischen National Trust in Deutschland haben. Wenn es uns jedoch gelingt, vom Erfolg dieser und anderer Organisationen zu lernen und ihre Erfolgs rezepte für unsere Zwecke anzu wenden, wäre dem Flächeneigentum als Naturschutzinstrument, wäre dem Naturschutz insgesamt sicher sehr geholfen. In diesem Sinne wünsche ich ein gutes Gelingen für dieses Herbst symposium. Vielen Dank! Netzwerk Naturerbe Netzwerk Naturerbe Netzwerk Naturerbe – Ein National Trust für Deutschland? Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt Mit der deutschen Wiederver einigung fielen die Flächen an der innerdeutschen Grenze, militärische Liegenschaften, ehemalige Braunkohlebergbaugebiete und soge nannte volkseigene Flächen an den Bund. Viele Liegenschaften wurden verkauft, Gott sei Dank gelang es, das Naturschutz-Tafelsilber in großen Teilen zu bewahren. 1998 fasste die damalige Bun desregierung den Beschluss, bis zu 50 000 ha BVVG-Waldflächen an die Länder und Umweltorganisationen zu übergeben. Tatsächlich übertragen wurden 36 000 ha. Dies war ein erster Erfolg, bei dem der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin eine wichtige Rolle spielte. 1999 bildete sich die DNR-Stra tegiegruppe Naturschutzflächen, in der die Umweltorganisationen NABU, BUND, WWF, Grüne Liga, die Heinz Sielmann Stiftung, die Stiftung Euronatur und die Stiftung David zusammenarbeiteten. Später stießen auch EUROPARC Deutschland, die Michael Succow Stiftung, die Zoo logische Gesellschaft Frankfurt und das Vogelschutz-Komitee hinzu. Über die Arbeit der DNR-Strategiegruppe haben Adrian Johst und Christian Unselt in dem soeben erschienenen Buch von Michael Succow, Lebrecht Jeschke und Hans Dieter Knapp »Naturschutz in Deutschland« publiziert. Ich möchte an dieser Stelle den beiden Autoren und Leif Miller für ihre Arbeit, ihr Engagement und ihre Erfolge als führende Vertreter der DNR-Strategiegruppe herzlichen Dank sagen. Im selben Jahr 1999 als die DNRStrategiegruppe ihre Arbeit begann, um möglichst viele Flächen des Bundes für das Nationale Naturerbe zu gewinnen, habe ich bei einer Tagung des Dessau-Wörlitzer Gartenreichs eine Rede zum Thema »Ein National Trust für Deutsch land?« gehalten und zu einer Initia tive auf nationaler Ebene aufgerufen mit wichtigen Partnern wie NABU, BUND, WWF und DBU. Im Jahr 2000 gab es ein Treffen am Vorabend der Eröffnung der Weltausstellung in Hannover mit dem Präsidenten des Deutschen Naturschutzringes, dem hochver dienten Professor Dr. Wolfgang Engelhard, Leif Miller und mir, um die Strategie und Maßnahmen zu besprechen, das Nationale Naturerbe zu bewahren. Wir haben uns damals in die Hand versprochen, alles zu tun, damit die für den Naturschutz wertvollsten Flächen in die Hand von öffentlichen oder gemeinnützigen Einrichtungen kommen. Im selben Jahr haben wir die Satzung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt um ein 7 Netzwerk Naturerbe 8 wesentliches strategisches Ziel ergänzt, das für die weitere Entwick lung von besonderer Bedeutung sein sollte. In die Satzung wurde als ein prioritäres Ziel der Stiftung aufge nommen: »Bewahrung und Wiederher stellung des Nationalen Naturerbes«. Wir schufen einen neuen Förder bereich Naturschutz und reservierten 15 % der Fördermittel eines Jahres für Naturschutzprojekte. Johst und Unselt betonen in ihrem Beitrag zur Sicherung des Nationalen Naturerbes: »Ein wichtiger Schlüssel für den späteren Erfolg war die enge Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und dem Bundes umweltministerium – auch wenn dies anfänglich kein Selbstläufer war«. In der entscheidenden Phase ab 2002 hat die DBU mit der Natur stiftung David und dem Deutschen Naturschutzring vier Projekte geför dert. Hierbei ging es um die Grund lagenerarbeitung und Koordination großflächiger Naturschutzgebiete unter besonderer Berücksichtigung militärisch genutzter Flächen und langfristige Finanzierungsansätze zur Sicherung des Nationalen Naturerbes. Ferner ging es um die Entwicklung von Strategien für eine naturschutzgerechte Nachnutzung ehemaliger Militärflächen und um den Status quo und die Entwick lungsoptionen ausgewählter Flächen des Nationalen Naturerbes. Mit diesen vier Projekten, für die die DBU 270.000,00 EUR zur Verfügung stellte, wurden die wesentlichen Grundlagen dafür geliefert, dass der DNR in Richtung Politik faktenreich und argumentativ stark auftreten konnte. Gemeinsam mit dem DNR wurde die Vorzugsvariante, nämlich eine Stiftungslösung unter dem Dach der DBU so erarbeitet, dass im Koalitionsvertrag 2005 und in einem Beschluss der Umweltminister konferenz im gleichen Jahr eine kon struktive Lösung gefunden wurde. Ab 2003 waren der Präsident des Deutschen Naturschutzrings Hubert Weinzierl und der bekannte und anerkannte Ökologe Prof. Michael Succow Mitglieder des Kuratoriums der DBU. Mit diesen beiden Fürspre chern gab es nun auch Mehrheiten für die Übernahme von Flächen des Nationalen Naturerbes im DBUKuratorium. Wie konnte es 2005 gelingen, in den Koalitionsverhandlungen der großen Koalition den Durchbruch für die Sicherung des Nationalen Naturerbes zu erreichen? Johst und Unselt weisen in ihrem Beitrag darauf hin, dass Umweltorganisa tionen, DBU, Ministerialverwaltung und Politik »Hand in Hand agierten«. An dieser Stelle möchte ich auch dem Arbeitskreis der Umwelt stiftungen des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen mit Dr. Lutz Spandau von der Allianz Umweltstif tung an der Spitze Dank sagen, die in der Zeit der Beratungen die »Duder städter Erklärung« verabschiedeten, in der sich alle Umweltstiftungen Deutschlands für die Sicherung des Nationalen Naturerbes einsetzten. Ich selber habe die Verleihung des Deutschen Umweltpreises im Oktober 2005 dazu genutzt, vor 1 500 Multiplikatoren einen eindringlichen Appell an die Politik, die Chance des Nationalen Naturerbes zu nutzen (Johst/Unselt), auszusprechen. Ich habe mich immer wieder gefragt, wie es möglich war, dass dieser »Meilenstein im deutschen Naturschutz« (Johst/Unselt) erreicht werden konnte. Der Koalitionsvertrag von November 2005 legte fest: »Wir werden ... gesamtstaatlich repräsen tative Naturschutzflächen des Bundes ... in einer Größenordnung von 80 000 bis 125 000 ha unentgeltlich in eine Bundesstiftung (vorzugsweise DBU) einbringen oder an die Länder über tragen. Zur kurzfristigen Sicherung des Naturerbes ist ein sofortiger Ver kaufsstopp vorzusehen«. Josef Göppel, MdB, der Berichterstatter Naturschutz in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hat mir berichtet, dass im Juli 2005 die CDU-Vorsitzende und Kanzler kandidatin Angela Merkel Gast der Arbeitsgruppe Umwelt der CDU/CSUFraktion gewesen sei. Er habe in der Arbeitsgruppe das Projekt Nationales Naturerbe vorgestellt und Frau Merkel habe darauf sehr positiv reagiert und ihre Unterstützung zugesagt. Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD habe er deshalb gegenüber den Finanzpolitikern auf das positive Votum der zukünftigen Bundeskanzlerin stets hinweisen kön nen, sodass von dort kein Widerstand erfolgt sei. Göppel hat auch auf die erheblichen Verdienste des stellvertre tenden Fraktionsvorsitzenden der SPD Ulrich Kelber hingewiesen. Auch der designierte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel habe dem Projekt Netzwerk Naturerbe positiv gegenübergestanden. Aus anderer Quelle wurde mir berichtet, dass auch die Bundestagsabge ordneten Dr. Christian Ruck und Katherina Reiche positiv mitgewirkt hätten. So groß der Erfolg war, so schwierig gestaltete sich seine Umsetzung. Denn der Haushaltsaus schuss des Deutschen Bundestages beschloss, dass jeder, der Militär flächen bzw. Flächen des Grünen Bandes übernehmen würde, das auf den Flächen liegende Personal finanzieren müsse. Insgesamt ging es um eine jährliche Summe an Personalkosten von Förstern und Wald arbeitern der BImA (Bundesforsten) von ca. 9 Mio. EUR. Johst und Unselt betonen in ihrem Aufsatz: »Hier engagierte sich dankenswerterweise die DBU – für alle anderen Akteure wäre die Übernahme der entsprech enden Kosten nicht denkbar gewesen.« Inzwischen hatte die DBU etwa 500 Projekte des Naturschutzes mit über 100 Mio. EUR gefördert, war also bereits zu einem wichtigen Akteur in der Naturschutzszene geworden. Von den 125 000 ha aber etwa die Hälfte der Flächen des Nationalen Natur erbes zu übernehmen und damit größter gemeinnütziger Eigentümer von Naturschutzflächen zu werden, stellte eine besondere Verantwor tung dar. Anknüpfend an meine Ausfüh rungen »Ein National Trust für Deutschland?« von 1999 habe ich im Juli 2010 bei der Veranstaltung »100 Jahre Nationalparks in Europa« im Nationalpark Bayerischer Wald für die DBU erklärt: »Das Nationale Naturerbe zu bewahren wollen wir in Partnerschaft mit anderen öffent lichen und gemeinnützigen Flächenbesitzern erreichen: in einem Natio nalen Netzwerk Natur sollten sich die Großschutzgebiete und gemeinnüt zige Stiftungen als gleichberechtigte Partner treffen, um Synergieeffekte zu erzeugen. Ein solches Netzwerk könnte die dezentrale und föderale deutsche Form des National Trust werden. Ein solches Nationales Netzwerk Natur, das die Nationalen Naturlandschaften und das Nati onale Naturerbe zusammenführt, könnte zu einem Faktor werden, der in Deutschland etwas bewegt«. In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf die bemerkenswerte Rede von Hubert Weinzierl bei selben Anlass »40 Jahre Nationalpark Bayerischer Wald – Eine Erfolgsgeschichte«. Beide Reden sind in einer Broschüre der DBU publiziert worden. Auch beim 30. Deutschen Natur schutztag in Stralsund im September 2010 habe ich für ein Netzwerk Nationales Naturerbe in meiner Rede geworben. Thema des Vortrages: »Das Nationale Naturerbe – Eine Chance für den Naturschutz«. Die 17. Internationale Sommera kademie der DBU im Internationalen Begegnungszentrum St. Marienthal 2011 fand in Kooperation mit dem Bundesamt für Naturschutz und der Naturstiftung David zumThema »Das Nationale Naturerbe in der Praxis – Impulse, Herausforderungen, Perspektiven« statt. Bei der Sommer akademie, in der es ein schönes und konstruktives Zusammenwirken von »David und Goliath« gab, habe ich u. a. erklärt: Feuersteinfelder auf der Naturerbefläche Prora, Rügen 9 Netzwerk Naturerbe 10 »Um das Nationale Naturerbe dauerhaft zu bewahren, wollen wir durch Partnerschaften mit anderen öffentlichen und gemeinnützigen Flächenbesitzern ein »Nationales Netzwerk Naturerbe« aufbauen. In diesem Netzwerk sollten sich Großschutzgebiete, Naturschutzgroß projekte sowie gemeinnützige Stiftungen und Verbände wie der WWF, die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe, die BUND-Stiftung, die Heinz Sielmann Stiftung, die NRWStiftung, die Deutsche Wildtier stiftung, die Naturstiftung David, die Zoologische Gesellschaft Frankfurt, Landesstiftungen und regionale Stiftungen sowie Landkreise und Bundesanstalt für Immobilienaufgaben als gleichberechtigte Partner treffen, um Synergieeffekte zu erzeugen. Ein solches Netzwerk könnte die dezentrale und föderale deutsche Form des National Trust werden. Gemeinsam könnten wir uns einsetzen für die Themen Naturschutz, Biodiversität und Klima schutz, die Jugend an das Nationale Naturerbe heranführen, die Anerkennung des ehrenamtlichen Engage ments im Naturschutz fördern und die Initiierung neuer Stiftungen für Umwelt und Natur vorantreiben«. Für den 23.11.2011 hatte ich in die DBU zu einem 1. Netzwerktreffen die Naturstiftung David, die Heinz Sielmann Stiftung, die NABU Stiftung Nationales Naturerbe und die Stiftung Naturschutz SchleswigHolstein stellvertretend für viele andere potenzielle Akteure eingeladen. Mir war immer klar, dass es keine Eins-zu-eins-Übernahme des Modells des National Trust auf Deutschland geben könne. Deutsch land hat eine föderale, regionale und dezentrale Tradition mit vielen Akteuren. Angedacht werden konnte deswegen nur ein dezentrales Netzwerk der Vielfalt auf Augenhöhe kleiner, mittlerer und größerer Partner. Mit einem Netzwerk der gemeinnützigen und öffentlichen Eigentümer von größeren Natur schutzflächen habe ich auch immer das Ziel verbunden, die emotionale Beziehung unserer Landsleute zu unseren wunderbaren Naturland schaften zu stärken. Naturschutz ist mehr als Naturwissenschaft. Es geht auch darum, Identität zu stiften, sich mit der Heimat zu identifizieren und Liebe zur Natur zu entwickeln. Auch das Thema Wildnis bedarf in unserem dicht besiedelten und von starker Industrietradition geprägten Land einer Popularisierung. Zudem wird die Flächenkonkurrenz in Zukunft immer härter, weil Boden nicht vermehrbar ist und die ver mehrte ökonomische Nutzung der Natur und ihr Schutz in Zukunft noch stärker konkurrieren werden. Bei der Beschäftigung mit unserem Thema über viele Jahre ist mir klar geworden, dass aufgrund der Zersplitterung in Deutschland kein wirkliches Wissen besteht, wer Besitzer von Naturschutzflächen und damit potenzieller Partner in einem Netzwerk ist. Als potenzielle Partner bezeichne ich gemeinnützige und öffentliche Eigentümer von Flächen, auf denen der Naturschutz Vorrang hat und die Unumkehrbarkeit des Flächenbesitzes und dieses Vor ranges besteht. Um eine größere Schlucht bzw. Hagmischwald auf der Naturerbefläche Landshut Netzwerk Naturerbe Klarheit zu bekommen, habe ich alle Landräte der Deutschen Landkreise angeschrieben. Von 301 Landkreisen haben bisher 293 geantwortet und Auskunft darüber erteilt, dass 200 Landkreise im Besitz von über 58 000 ha Naturschutzflächen sind. Hinzu kommen noch einmal 80 Naturschutzstiftungen von Land kreisen mit fast 11 000 ha Eigentum. Diese überraschende Erkenntnis hat deutlich gemacht, dass Ziel eines Netzwerkes auch eine umfassende Analyse sein sollte, um potenzielle Partner zu ermitteln. So sollen als nächstes die Städte angeschrieben werden, um auch hier die Natur schutzflächen zu ermitteln. Bei unserem ersten Treffen war uns allen klar, dass ein wesent liches Ziel eines Netzwerkes die Qualitätssicherung auf den Flächen sein müsse. Die gemeinsame Weiterbildung von hauptamtlichen Mitarbeitern sowie die Förderung des Ehrenamtes, die Verbreitung von Best-practice-Beispielen und das Lernen aus Fehlern wurden als Ziele ge-nannt. Als wichtige Themen für ein Netzwerk wurden Umwelt bildung, naturnaher Tourismus, Besucherlenkung, Eingangsportale, Infozentren, Ausstellungen, Kooperationen wie z. B. mit dem Deutschen Jugendherbergswerk oder den Schulen (Klassenfahrten), die naturschutzfachliche Praxis, das Flächenmanagement, Monitoring sowie Öffentlichkeitsarbeit und Finanzierung von Projekten genannt. Beim zweiten Treffen des Netzwerkkreises im April 2012 haben wir zusätzlich das Bundesamt für Naturschutz, die Stiftung Natur schutzfonds Brandenburg sowie die Naturschutzstiftung des Land kreises Grafschaft Bentheim dabei gehabt, um weitere Anregungen und Gesichtspunkte aufzunehmen. Bei diesem Treffen haben wir gemeinsam verabredet, dass ein zu gründendes Netzwerk keine eigenen Spendenkampagnen durchführen solle, um bestehen den Naturschutzaktivitäten keine Konkurrenz zu machen. Verabredet wurde auch, dass Mitglied im Netzwerk nur Flächeneigentümer von Naturschutzflächen werden sollten. Beim dritten Treffen im Juni 2012 nahmen mit EUROPARC und der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt zwei weitere Partner im Netzwerk teil. Das Programm des Herbstsymposiums, zu dem wir hier versammelt sind, wurde gemeinsam verabschiedet und der Entwurf einer Charta für ein Netzwerk intensiv diskutiert. Beim vierten Treffen, bei dem zusätzlich die Nordrhein-WestfalenStiftung teilnahm, wurde im August 2012 die Charta im Entwurf end gültig verabschiedet, sodass wir über diesen diskutieren und beschließen können. Spannende und erfolgreiche Jahre liegen hinter uns. Es war nicht selbstverständlich, dass die DBU im Mai 2008 einen Rahmenvertrag mit der Bundesrepublik Deutschland zur Übernahme von 47 000 ha Natur schutzflächen abschloss und zum Management dieser Flächen die DBU Naturerbe GmbH gründete. Die DBU Naturerbe GmbH und Bundesforsten arbeiten ausgezeich net im Interesse des Naturschutzes auf den 33 Flächen der 1. Tranche zusammen. Es war auch nicht selbstver ständlich, dass es zu einer Verein barung zur Sicherung des Grünen Bandes kam und dass neben den BImA-Flächen auch BVVG-Flächen an Länder, Stiftungen und Verbände übertragen wurden. Misslich war es, dass mehrere Bundesländer wegen der Personalkostenübernahme wertvollste Flächen sogar in Nationalparken/Großschutzgebieten ablehnten. Es ist nicht selbstverständlich, dass für diese Flächen nun eine Bundes lösung gefunden wurde, d. h. dass sie nach den Kriterien des Nationalen Naturerbes von den Bundesforsten betreut und die Kosten vom Bundes umweltministerium übernommen werden. Es war auch nicht selbstver ständlich, dass die neue Bundes regierung 2009 im Koalitionsvertrag die verbleibenden 25 000 ha Naturschutzflächen im Sinne der Verabredungen der großen Koalition bestätigte, und es war auch nicht selbstverständlich, dass es zu einem Kompromiss mit dem Haushaltsaus schuss im Hinblick auf die KyritzRuppiner Heide kam. Hier haben die Umweltverbände eine sehr gute Interessenvertretung und Leistung erbracht und ein besonderer Dank gilt der Heinz Sielmann Stiftung, ohne die der Kompromiss nicht möglich gewesen wäre. Unser Netzwerk baut auf all diesen Erfolgen auf. Es wird bis auf 11 Netzwerk Naturerbe 12 weiteres informell betrieben. Eine Vereinsgründung wird deshalb jetzt nicht vorgenommen. Die Idee einer Netzwerkstiftung wird weiter geprüft. Das Netzwerk soll zunächst in der Praxis seinen Wert beweisen und es soll Vertrauen aufgebaut werden. Die DBU versteht sich im Netzwerk als primus inter pares, d. h. federführend, aber nicht bestimmend. Alle Partner sollen Verantwortung übernehmen. Gleichberechtigt auf Augenhöhe wollen wir gemeinsam für den Naturschutz in Deutschland als Flächeneigentümer eintreten. National Trust ist ein wunderschö ner Begriff, für den es im Deutschen keine Entsprechung gibt. Trust steht für Treuhand, Obhut, aber auch Ver trauen. Uns ist das natürliche Erbe Deutschlands zu treuen Händen anvertraut worden. Das ist eine gewaltige Verpflichtung, aber auch eine Auszeichnung. Es liegt an uns, dafür zu sorgen, dass wir das Vertrauen der Menschen in unsere Fähigkeit und Entschlossenheit, gute Treuhänder der Natur zu sein, nicht enttäuschen. Schaffen wir gemeinsam etwas, worauf wir stolz sein können. Erhalten wir gemeinsam die Landschaften, die die Menschen so dringend für ihre Selbstvergewisserung, ihre Lebensfreude, für ihr seelisches Wohl brauchen. Viele Naturschutzinstru mente dienen dazu, Schlimmeres zu verhindern und Schaden abzuwenden. Unser Ziel ist es, das Gute zu erhalten und zu fördern. Wir konzentrieren uns darauf, das Wertvolle zu retten. Literatur Fritz Brickwedde: Ein National Trust für Deutschland? in: Wör litzer Denkanstöße Ideen und Erfahren aus England, herausge geben von der Gesellschaft der Freunde des Dessau-Wörlitzer Gartenreiches e. V., Dessau 1999 Adrian Johst und Christian Unselt: Die Sicherung des Nationalen Naturerbes, in: Naturschutz in Deutschland, herausgegeben durch Michael Succow, Lebrecht Jeschke und Hans Dieter Knapp, Berlin 2012 Hubert Weinzierl: 40 Jahre Nationalpark Bayerischer Wald – eine Erfolgsgeschichte, in: 100 Jahre Nationalparks in Europa, herausgegeben von der Deut schen Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück 2010 Fritz Brickwedde: Nati onalparks – eine kulturelle Herausforderung, in: 100 Jahre Nationalparks in Europa, herausgegeben von der Deut schen Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück 2012 Fritz Brickwedde: Das Natio nale Naturerbe – eine Chance für den Naturschutz?, in: Jahrbuch für Naturschutz und Land schaftspflege, herausgegeben vom Bundesverband Beruflicher Naturschutz e. V., Bonn 2011 Fritz Brickwedde: Chancen für eine stärkere Identifikation mit heimischer Natur und bürgerliches Engagement, in: Das Nationale Naturerbe in der Praxis – Impulse, Heraus forderungen, Perspektiven, 17. Internationale Sommer akademie St. Marienthal, herausgegeben durch Fritz Brickwedde, Reinhard Stock und Werner Wahmhoff, Berlin 2012 Werdende Wildnis in Deutschland Werdende Wildnis in Deutschland – Argumente, Potenziale, Umsetzung Prof. Dr. Michael Succow Michael Succow Stiftung Wildnisentwicklung auch in Mitteleuropa Ein Rückblick auf 200 Jahre Natur schutz in Deutschland (Jeschke in Succow et al. 2012) ergibt zusammen gefasst folgenden Sachverhalt: Zu Beginn des 19. Jahrhundert entdecken fürstliche Waldbesit zer, dass einen alten Wald außer den materiellen Werten auch ästhetische, spirituelle Werte auszeichnen und diese vielleicht jene überwiegen (Fürst Malte zu Putbus 1812, Elisabeth von Preußen 1825, Großherzog von Mecklenburg-Strelitz um 1850, u.a.). Sie verfügen das Aussetzen der Nutzung. 1817 erscheint Heinrich Cottas Waldbaulehre, in der er lapidar erklärt, dass alle genutzten Wälder degradierte Wälder seien. Er erkennt den Ökosystemcharakter des Waldes. Vermutlich angeregt durch Hein rich Cotta sucht Wilhelm Göppert um die Mitte des 19. Jahrhundert in Mitteleuropa die letzten Urwaldreste, die er noch an zwei Stellen in Schlesien und Böhmen findet. Um die Wende zum 20. Jahrhun dert entfaltet sich um Ernst Ruoff der Heimatschutz als Ausdruck schwindender, historisch gewachsener Kulturlandschaften. 1898 hält Wilhelm Wetekamp im Preußischen Landtag seine berühmte Rede, in der es heißt: »[…] hier und da wieder Wald erstanden zu sehen, in dem die Natur ungehemmt waltet […] Wert wäre es, solche Wälder durch unser ganzes Vaterland an passenden Orten wieder erste hen zu lassen […]«. Er schlägt dafür den Namen Staatsparke vor. 1907 wird das Plagefenn in einer Größe von 137 ha in Preußen nutzungsfrei gestellt. 1925 findet der erste Natur schutztag in München statt. Forstprofessor Fabricius erklärt, Waldbau ist nicht Naturschutz, sondern Werterzeugung! 1934 schlägt Herbert Hesmer die Schaffung eines Netzes nutzungsfreier Naturwaldzellen in Deutschland vor. 1961 wird dieser Vorschlag in der DDR verwirklicht, ab 1970 in der BRD. 1970 wird der erste Nationalpark auf deutschem Boden, der Bayerische Wald, begründet. 1990 wird das »Nationalpark programm der DDR« initiiert und im Einigungsvertrag festge schrieben. 2005 wird das Nationale Naturerbe beschlossen und dann zügig umgesetzt. 13 Werdende Wildnis in Deutschland 14 Natur in Teilen ihre Integrität, ihre Eigendynamik zurückzugeben, sie nicht überall stofflich (materiell) zu nutzen, sie in Form von großen Schutzgebieten unversehrt zu lassen, damit tat man sich bislang in Mitteleuropa schwer. In diesem Sinne ist das Zulassen von Wildnis zumindest für Deutschland eine weitestgehend neue Naturschutz herausforderung, die einen tiefen Bewusstseinswandel in uns Menschen voraussetzt (Succow et al. 2012). Die Dominanz der Produktions landschaften einerseits und ein wachsendes ökologisches Bewusst sein in den städtischen, von Technik beherrschten menschlichen Lebens räumen andererseits haben in immer größeren Teilen der Bevölkerung Sehnsucht nach Erleben von nicht dem Herrschaftswillen des Menschen unterworfener Natur, nach Stille, nach Einsamkeit geweckt. Damit ist letztendlich das Wildniskonzept, d.h. »Natur Natur sein lassen« auch in Mitteleuropa eine längst überfällige Naturschutzstrategie geworden. Die Wertschöpfung erfolgt hier aus immateriellen Leistungen wie Naturerlebnis, Naturerfahrung, Wohlfahrt, Gesundheit, Spiritualität. Und zukünftig wird die In-WertSetzung ökologischer Leistungen ebenfalls eine Wertschöpfung ergeben, über deren Größenordnung wir heute nur spekulieren können. Der Flächenanteil derartiger Naturentwicklungsräume beträgt gegenwärtig in Deutschland weniger als 1 %. Die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt, 2007 von der Bundesregierung verabschiedet, sieht vor, auf 2 % der Landfläche Deutschlands neuer Wildnis Raum zu geben und 5 % der Wälder Deutschlands der Naturwald entwicklung zu überlassen. Wie könnte dieses Ziel erreicht werden? Damit soll sich dieser Beitrag beschäftigen. Das Dilemma des deutschen Naturschutzes Wir möchten das Dilemma des deut schen Naturschutzes in vier Punkten zusammenfassen: In Deutschland existieren rund 8 000 Naturschutzgebiete (ca. 3,3 % des Landesfläche), in denen zu großen Teilen zum Erhalt historischer Nut zungsformen (Halbkulturfor mationen), »Pflegenutzung« stattfindet, ansonsten aber die Landnutzung keinen oder sehr geringen Beschränkungen unterliegt. Das gilt insbesondere für Waldnaturschutzgebiete! Kulturlandschaft wurde mit Natur gleichgesetzt, die Dyna mik der Natur jedoch ignoriert (Haber, 2011). Da es in der Natur der Natur liegt, sich fortwährend zu verändern, ist es unmöglich, bestimmte Zustände zu fixieren oder zu konservieren! (FFH-Richtlinie). Naturschutz braucht seine eigenen Flächen, auf denen jedwede materielle Nutzung absolut unterbleibt! Höchste Schutzbedürftigkeit und höchster Naturschutzwert muss den sogenannten Stamm lebensräumen zugesprochen werden, das sind Lebensräume bzw. Ökosysteme, die in Mitteleuropa ihren »Stammplatz« haben. In ihnen haben sich Lebensgemeinschaften entwickelt, die es anderswo auf der Erde so nicht wieder gibt. In Mitteleuropa sind das Laubwälder, darin eingebettet Moore, Seen und Fließgewässer mit ihren Auen, sowie die Naturräume der Küsten von Nord- und Ostsee und Hochge birge mit all ihren auf diese Lebens räume spezialisierten, eingenischten Arten. Vorrangiges Ziel des staatlichen, nichtstaatlichen und eines zuneh mend privaten Naturschutzes muss es sein, Naturentwicklungsgebieten mit werdender Wildnis mehr Raum zu geben. Das jetzt in Deutschland auf den Weg gebrachte »Nationale Naturerbe« eröffnet erstmals die Möglichkeit, wenigstens 2 % der Landesfläche nutzungsfrei zu halten. Damit leistet Deutschland seinen längst überfälligen Beitrag zur Erfül lung der Biodiversitätskonvention. Derzeit ist der Naturschutz in Deutschland durch ein Kontrast programm gekennzeichnet. Naturschutz findet statt: In den Großschutzgebieten (Nationalparks, Biosphären reservate, herausgehobene Naturparks). Im Nationalen Naturerbe, das an Stiftungen und Naturschutz verbände übertragen wurde, die sich dem Naturschutz verpflichtet fühlen. Umsetzung Biodiversitätsstrategie In den EU-LIFE Projekten. In den Naturschutzgroßprojekten des Bundes. Auf privatwirtschaftlichen Flächen, die den ökologischen Landbau, den naturgemäßen Waldbau oder eine ökologisch orientierte fischereiliche Nut zung verfolgen. Naturschutz findet immer weniger statt: In an die Landkreise über tragenen Naturschutzgebieten. Auf an Stiftungen übertragenen Flächen des Nationalen Natur erbes, bei denen weiterhin Jagdund Holznutzungsinteressen im Vordergrund stehen. Auf den den Landesforstbetrie ben übertragenen Landeswald flächen (dies gilt ebenso für den Kommunalwald). Naturschutz findet nicht statt: Auf privatwirtschaftlichen Flächen mit industriemäßiger Agrarproduktion, Holzproduktion bzw. fischereilicher Produktion. In Anbetracht dieses Dilemmas stellte der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) in seinem Sondergutachten »Für eine Stärkung und Neuorientierung des Natur schutzesin Deutschland« (September 2002) eine Strategie vor, die seinerzeit den Handlungsbedarf benannte: Zum Erhalt der biologischen Vielfalt sind auf 10–15 % der Landesfläche Deutschlands schutzwürdige Biotope zu sichern. Das darin entwickelte Konzept »Wildnis 2010« sieht vor, auf 3–5 % der Gesamtfläche naturnahe bzw. natürliche Biotope zuzulassen, davon auf 200 000T ha die Entwick lung zu Auwald (ca. 15 % der aktuellen landwirtschaftlichen Nutzfläche in Flussauen), 80 000T ha Hoch- und Nieder moore in die Naturentwicklung zu führen, 5 % der Waldfläche zu Total reservaten zu erklären. Daneben wird ein Konzept »Kultur landschaft 2010« vorgestellt mit einem Flächenanteil von 7–10 % extensiv genutzter, halbnatürlicher Biotope: 300 000 ha Feucht-/Nassgrün land 200 000T ha Mager- und Trockenrasen sowie 300 000 ha Pufferzonen um empfindliche Ökosysteme/ Biotope. Dieses Sondergutachten trug mit dazu bei, eine Neuorientierung der deutschen Naturschutzpolitik einzuleiten: die Nationale Biodiver sitätsstrategie sowie die Umsetzung des Programms zum Nationalen Naturerbe (Johst 2010; das Kapitel »Das Nationale Naturerbe« in Succow et al. 2012, 255-295. Wie sind die Ziele der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung zu erreichen? Die Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung (2007) sieht vor, 2 % der Landesfläche Deutschlands als Wildnis zu schützen, das wären ca. 710 000 ha. Aktuell sind nach grober Schätzung für Deutschland folgende Flächengrößen als werdende Wildnis einzuschätzen: ca. 100 000 ha Kernzonen in Nationalparks ca. 40 000 ha Kernzonen in Biosphärenreservaten ca. 50 000 ha – Wildnisentwicklungsflächen im Nationalen Naturerbe der DBU Naturerbe GmbH ca. 30 000 ha Flächen anderer Stiftungen und Naturschutz verbände in Naturentwicklung ca. 40 000 ha Kerngebiete von Naturschutzgroßprojekten ca. 100 000 ha aus der Nutzung genommene wiedervernässte bzw. naturnahe Moorland schaften ca. 31 000T ha Naturwaldzellen in staatlichen/kommunalen Wäldern Nach dieser Schätzung sind derzeit etwa 390 000 ha, das sind etwas mehr als 1 % der Landesfläche, von jeglicher Nutzung freigestellt, bzw. werden in den nächsten 20-30 Jahren nutzungsfrei sein. Nach einer Recherche von T. Disselhoff (September 2012) gelten für die Naturschutzflächen in Deutschland (von denen allerdings nur ein Teil das Wildniskonzept verfolgt) folgende Eigentumsverhält nisse: ca. 125 000 ha gehören Naturund Umweltverbänden sowie Umweltstiftungen (inkl. DBU) 15 Werdende Wildnis in Deutschland ca. 60 000 ha gehören Landes naturschutzstiftungen (davon allein 30.000 ha in SchleswigHolstein) ca. 58 000 ha gehören Landkreisen ca. 11 000 ha gehören Land kreisstiftungen ca. 20 000 ha sind im Besitz kreisfreier Städte ca. 9 600 ha befinden sich im Besitz der Bundesimmobilien anstalt (BImA) mit Sicherung als Nationales Naturerbe. 16 Das ergibt eine Summe von 283 600 ha. Es fehlen Erhebungen zu Naturschutzflächen im Landesei gentum, im Eigentum von kleineren Städten und Gemeinden, der Zweckverbände der Naturschutz großprojekte, ferner zu Öko- und Flächenpools im Zusammenhang mit der Eingriffsregelung sowie zu Naturschutzflächen im Eigentum von Privatpersonen. Einen wichtigen Schritt zur Erreichung des 2-%-Wildnisziels ist mit dem Nationalen Naturerbe gemacht worden. Rund 10 000 ha Waldflächen sind sofort nach der Übertragung aus der wirtschaft lichen Nutzung genommen worden. Innerhalb der nächsten 20 Jahre werden weitere 15 000 ha Wald fläche aus der Nutzung genommen. Mit der DBU Naturerbe GmbH und der BImA/Bundesforst gibt es zwei wichtige neue Akteure, die sich für die Umsetzung anspruchsvoller Naturschutzstandards in vielen Bereichen (Waldentwicklung, Jagd, Offenlandmanagement) einsetzen. Welches Flächenpotenzial für werdende Wildnis (Naturentwicklungsräume) haben wir noch in Deutschland? Betrachten wir zunächst die Wald standorte: bislang nicht privatisierte Treuhandwälder (ca. 44 000 ha) zukünftig »frei« werdende militärische Übungsgebiete (Flächengröße unbekannt) Generell alle alt gewordenen Staats- und Körperschaftswälder mit einem Bestandesalter von über 130/140 Jahren Privatwälder mit der Anerkennung als Klimawälder, die nutzungsfrei bleiben. Ein zweiter Schwerpunkt für werdende Wildnis sollten Moorland schaften sein, insbesondere: alle (in der Regel abgetorften) Hochmoore mit der Möglichkeit einer Wiedervernässung alle wiedervernässungsfähigen Niedermoore mit MindestTorfdecken von 1 m Des Weiteren sind ausgewählte Seen, kleinere Flussauen sowie Bergbau folgelandschaften dafür vorzusehen. Auch hierfür liegen keine Flächen ermittlungen vor. Weiter sind ausgewählte Seen, kleinere Flussauen sowie Bergbaufol gelandschaften dafür vorzusehen. Ein wichtiges Argument für Wildnisentwicklung sollte das poten zielle CO2-Festlegungsvermögen von Standorten sein (Schulze & Körner, 2012). Bezüglich Landnutzung und Treibausgasbilanzen kommen die Autoren zu folgendem Ergebnis: »Wälder sind im europäischen Durchschnitt die stärkste Treib hausgas-Senke, die im Konflikt mit der Nutzung steht.« Die zunehmend praktizierte Ganzbaumernte lässt die Bilanz weiter negativ werden. An zweiter Stelle nennen die Autoren ungedüngte (extensivierte) Gras länder, hier schlagen aber höhere Spurengas-Emissionen und der Weidegang von Wiederkäuern negativ zu Buche. »Die Emissionen aus dem Acker bau steigen jedoch [...] auf einen Wert, der die Senken der Wälder und Gras länder kompensiert.« Der jährliche C-Verlust der Ackerböden beträgt 2,6 bis 4,5 %! Eine Ursache dafür sind die hohen Mineraldüngergaben. Die Abbildungen 1 und 2 bieten eine Vorstellung über mögliche Kohlenstoff-Akkumulation in Böden von Laubwäldern, die über längere Zeit nutzungsfrei blieben. Bezüglich der Verfügbarkeit von Flächen für Wildnisentwicklung sind die Ergebnisse der letzten Bundes waldinventur (2001/2002) von Interesse: 545 606 ha des »begehbaren« Waldes sind geschützte Biotope, davon sind: 291 574 ha Bruch-Sumpfwälder und Auenwälder 25 233 ha Wälder trockenwarmer Standorte 228 799 ha »sonstige geschützte Waldbiotope« Umsetzung Biodiversitätsstrategie Abbildung 1 und 2: Boden-Kohlenstoffspeicherung auf einem alten Waldstandort der Insel Vilm. Hier fand nachweislich seit mindestens 400 Jahren keine wirtschaftliche Nutzung der Waldstandorte statt (Fotos: L. Jeschke, 2009). Deutschlands Moore als Potenzial für Naturentwicklungsräume Mit dem gewonnenen Verständnis über Funktion und Funktions tüchtigkeit von Moorökosystemen im Landschaftshaushalt (Succow & Joosten, 2001) muss es uns heute einerseits darum gehen, alle noch nicht anthropogen stärker beein trächtigten Moore unbedingt in ihrem Naturzustand, also wachsend, zu erhalten. Andererseits sind auf den bisher durch Entwässerung genutzten Mooren umfassende Revitalisierungen einzuleiten, soweit dafür noch ausreichend Wasser zur Verfügung steht. Generell gilt es, für weiter zu nutzende Moore Nutzungsformen zu finden, die die Funktionstüchtigkeit von Mooren als akkumulierende Ökosysteme sichern. Das ist nur bei »nasser« Bewirtschaftung möglich, also Paludikulturen (Tanneberger & Wichtmann, 2012). Durch diese Nutzungsformen kann zyklisch die oberirdisch aufwachsende Biomasse abgeschöpft, d.h. geerntet werden, ohne die »unterirdische« Torfbildung zu beeinträchtigen. Die Nutzung der oberirdischen Biomasse als nachwachsender Rohstoff aus derartigen hochpro duktiven »Paludikulturen« dürfte eine wichtige Zukunftsoption sein. Derartige Paludikulturen sind nicht nur für wiedervernässte degradierte Niedermoorstandorte sinnvoll, sie stellen auch für abge torfte Regenmoorstandorte eine potenziell dauerhaft umweltgerechte Nutzungsform dar (Succow & Joosten, 2001). Abbildung 3 gibt eine Übersicht zum Flächenanteil von Moorstandorten in den einzelnen Bundesländern und in Tabelle 1 sind wichtige Daten zum Zustand und zur Klimarelevanz der moor reichen Bundesländer zusammen getragen. Aus dieser Tabelle sind die Flächenpotenziale für den MoorNaturschutz ableitbar, das gilt vor allem für die unbedingt wieder zu vernässenden, in der Regel tief entwässerten, ungenutzten Flächen (in Deutschland mehr als 200 000 ha!), ferner für Abtorfungs flächen. Des Weiteren ist aus dieser Zusammenstellung die Rolle der Moore als Klimafaktor zu ersehen. Der größte Handlungsbedarf bezüglich aktueller »Moor vernutzung« besteht in Nieder sachsen! Generell sollte versucht werden, zumindest alle Moor naturräume mit Torfkörpern mehr als 1 m wieder zum Wachstum zu führen. 17 Werdende Wildnis in Deutschland 18 Abbildung 3: Flächenanteil der Moore in den Bundesländern Deutschlands (aus Succow und Joosten 2001) Umsetzung Biodiversitätsstrategie Parameter SchleswigHolstein MecklenburgVorpommern Brandenburg Bayern Niedersachsen Moorfläche 145 000 ha 305 690 ha 210 000 ha 220 000 ha 419 900 ha Hochmoorböden 30 000 ha ca. 3 000 ha 0 ha 66 000 ha 234 800 ha Niedermoorböden 115 000 ha 302 690 ha 210 000 ha 154 000 ha 185 100 ha Flächenanteil Moore an der Landesfläche 9,2 % 12,9 % 7,3 % 3% 8,8 % Echte Senken 17 500 ha 38 445 ha 14 267 ha 8 750 ha 20 200 ha Ungenutze, entwässerte Flächen 20 500 ha 51 760 ha 44 590 ha 10 000 ha 60 700 ha Abtorfungsflächen 60 ha 1 374 ha < 10 ha < 10 ha 26 000 ha Gesamtemissionen aus den Mooren 2,5 Mio. t CO2eq/a 6,2 Mio. t CO2eq/a 6,6 Mio. t CO2eq/a 5,25 Mio. t CO2eq/a 9,3 Mio. t CO2eq/a Anteil an den Gesamtemissionen 9,3 % ca. 27 % 9% ca. 6,5–8 % 10,4 % (davon 6 000 ha wachsend) (davon 25 000 ha bewaldete Moore) (kleinflächige Entnahmen) Tabelle 1: Charakteristik der Moore der moorreichen Bundesländer Deutschlands (Quelle: Positionspapier »Potentiale und Ziele zum Moor- und Klimaschutz«, 2011, http://www.schleswig-holstein.de/UmweltLandwirtschaft/DE/NaturschutzForstJagd/13_Projekte/06_Moorschutz/PDF/ Positionspapier.html). 19 Werdende Wildnis in Deutschland 20 Schlussgedanken Das 20. Jahrhundert war stärker als je eines zuvor von fortschreiten der Vernichtung bzw. Kultivierung alles Natürlichen, von einer noch nie da gewesenen Naturentfrem dung geprägt; inzwischen aber auch von einer wachsenden Sehn sucht nach unberührter, unregle mentierter Natur, nach einem Miteinander von Zivilisation und Wildnis. Wildnis, also Naturräume, die aus sich heraus existieren, brauchen den Menschen nicht. Aber der Mensch der technisierten Welt braucht Wildnis auch als Maß und um seiner Demut willen. In Anleh nung an Gedanken von Hubert Weinzierl sind Wildnisgebiete Heiligtümer in unserer Heimat (See lenschutzgebiete), sind Erinnerungen an das Paradies, sind Landschaften in denen Hoffnungen und Träume wachsen. Sie erlauben Einblicke in das »Schicksal« sich selbst über lassener Natur, in der Werden und Vergehen und Wiederneuentstehen erlebbar sind. Es gibt zweifellos ein gesell schaftliches Interesse an unbe rührter, unreglementierter Natur, letztendlich auch nach einem Miteinander von Zivilisation und Wildnis. Wildnis, aus sich selbst heraus existierend, braucht den Menschen nicht – aber der Mensch der technisierten Welt braucht Wildnis, auch als Maß und um seiner Demut willen. Aufgegebene Kulturlandschaft wird als Entwick lungsraum neuer Wildnis zuneh mend akzeptiert und gewollt. Die menschliche Zivilisation kann einerseits nur auf dauerhaft umweltgerechten und sozial stabilen Landkulturen fußen, andererseits ist es für sie unabdingbar, die Funkti onstüchtigkeit des Naturhaushaltes in stofflich nicht bzw. nicht mehr zu nutzenden Naturräumen aufrechtzu halten. Das bedeutet, vom Nutzungs druck freigegebene Naturräume als ökologische Stabilisierungsräume zu begreifen. Drängender denn je steht vor der Menschheit die Aufgabe: Schutz der Natur um unserer selbst willen. Das verlangt, der Natur mehr Raum und Zeit zu geben! »Tun und Lassen« ist also auch im Naturschutz, in unserem Verhältnis zur Natur neu zu überdenken! Das Erleben von »Wildnis«, das heißt von Natur, die aus sich heraus fortwährend Leben schafft und Leben vergehen lässt, ohne vom Menschen beeinträchtigt, gestaltet, gesteuert, gepflegt und damit beherrscht zu werden, wird das menschliche Bewusstsein und das Verhältnis des Menschen zur Natur zwangsläufig verändern. Das Zulassen von »Wildnis« erscheint zunehmend als ein unabdingbarer Bestandteil unserer menschlichen Kultur. Hermann Hesse (1877-1962) schrieb vor 95 Jahren (1917) seinen Essay »Von der Seele«, in dem er seine Sicht zum Umgang mit einem »Naturwald« in einer Klarheit Hainbuchen-Eichen-Linden-Urwald im Nationalpark Bielowiza (Weißrussland). Dieser Wald ist in den letzten 600 Jahren kaum forstwirtschaftlich genutzt worden. Foto: M. Succow, September 2012. Umsetzung Biodiversitätsstrategie formulierte, wie es treffender kaum möglich ist: »Erst wo wir nichts begehren, erst wo unser Schauen reine Betrachtung wird, tut sich die Seele der Dinge auf, die Schönheit. Wenn ich einen Wald beschaue, den ich kaufen, den ich pachten, den ich abholzen, in dem ich jagen, den ich mit einer Hypothek belasten will, dann sehe ich nicht den Wald, sondern nur seine Beziehungen zu meinem Wollen, zu meinen Plänen und Sorgen, zu meinem Geldbeutel. Dann besteht er aus Holz, ist jung oder alt, gesund oder krank. Will ich aber nichts von ihm, blicke ich nur gedankenlos in seine grüne Tiefe, dann erst ist er Wald, ist Natur und Gewächs, ist schön.« Ein Umgang mit Natur in zweckfreier Betrachtung ist kein Luxus, sondern muss Teil der Kultur eines Volkes werden. Schutzgebiete mit werdender Wildnis sind dafür ein geeignetes Konzept. Wo, wenn nicht in ihnen, finden Menschen zu Naturbewunderung, zu Naturliebe? Aus Liebe, aus Kenntnis wächst Verantwortung, das führt letztlich zu aktivem Handeln, zur Bewahrung unserer Lebensgrundlage, die auch in Zukunft die Natur sein wird, sein muss. Üben wir uns im Erhalten und Haushalten – um unserer eigenen Zukunft willen! Ihr Flächenanteil sollte minde stens 10 % der Landfläche der Erde betragen. Auch Deutschland hat dafür seinen Beitrag zu leisten. Literatur Bundesministerium für Ernährung, Landwirt schaft und Verbraucher schutz (2002): Bundeswaldin ventur. Im Internet unter http:// www.bundeswaldinventur.de. BMU (2007): Nationale Strate gie zur Biologischen Vielfalt. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher heit. Johst, A. (2010): Von der Idee zur Wirklichkeit – Eine Chronologie zum Nationalen Naturerbe. Vortrag beim Deutschen Natur schutztag 2010 in Stralsund. Im Internet unter http://bfn.de/ fileadmin/DNT/documents/ Vortraege/Johst_DNT2010.pdf. Haber, W. (2011): Die unbe quemen Wahrheiten der Ökologie: Eine Nachhaltigkeits perspektive für das 21. Jh. Oekom Verlag, München. Hesse, H. (1917): Von der Seele. Schulze, E. D. & Körner, Ch. (2012): Nettoprimärproduktion und Bioenergie. In: Anton, C. Steinicke, H. (eds) Bioenergy – Chances and limits. German National Academy of Sciences Leopoldina, Halle, Seiten 90-101. SRU-Sondergutachten (2002): Für eine Stärkung und Neuorientierung des Natur schutzes in Deutschland . Succow, M., Jeschke, L. & Knapp, H.-D. Hrsg. (2012): Naturschutz in Deutschland. Christoph Links Verlag, Berlin. Succow, M. & Jeschke, L. (2001): Landschaftsöko logische Moorkunde, Schweizerbart´scher Verlag, Stuttgart. Tanneberger, F. & Wicht mann, W. (Hrsg.) (2011): Carbon credits from peatland rewetting Climate – biodiversity – land use. Schweizerbart´scher Verlag, Stuttgart. 21 Land Trust-Bewegung in den USA Die Land Trust-Bewegung in den USA Tilmann Disselhoff DBU Naturerbe GmbH, Bereich Netzwerk Naturerbe 22 Dieser Beitrag ist der erste Teil eines gemeinsamen Vortrags über die Arbeit von Naturschutzflächen eigentümer in den USA – den Land Trusts – und ihrer Vernetzung im Dachverband Land Trust Alliance, die ich Ihnen zusammen mit Stefan Nagel im Folgenden näherbringen möchte. Ich werde zunächst einen kurzen Überblick zur Geschichte der Land Trust-Bewegung geben und eine Einordnung ihrer Bedeutung für den heutigen Naturschutz in den USA versuchen. Mein Schwerpunkt wird auf dem Dachverband der Bewegung, der Land Trust Alliance, liegen. Stefan Nagel wird dann detaillierter etwas zu den Instrumenten der Land Trusts sagen und zu den ökonomischen Anreizen, die für die Arbeit der Land Trusts heute eine Rolle spielen. In den USA hat der Ansatz, Naturschutz über eigentumsrecht liche Instrumente umzusetzen, eine lange Tradition und war von Anbeginn die dominante Schutz strategie. Die eigentumsrechtliche Flächensicherung hat aber erst in den letzten 30 Jahren eine derartige Dynamik entfaltet, dass wir von einer Bewegung des privaten Flächen schutzes sprechen können – der Land Trust-Bewegung. Zunächst sollten wir aber klären: Was ist ein Land Trust? Land Trust Alliance bietet auf ihrer Homepage folgende Definition: »A Land Trust is a nonprofit organization that […] actively works to conserve land by undertaking or assisting in land or conservation easement acquisition, or by its stewardship of such land or ease ments.« In deutscher Übersetzung heißt das in etwa: »Ein land trust ist eine gemein nützige Organisation, die […] aktiv Flächen schützt, indem sie sich Land und Dienstbarkeiten aneignet bzw. bei deren Erwerb hilft oder indem sie Land oder Dienstbarkeiten verwal tet.« Dabei ist die Land Trust Alliance selbst weniger streng bei der Anwen dung dieser Kriterien und akzeptiert auch öffentliche Einrichtungen als Mitglieder. Es kommt also weniger auf den Institutionstyp an, als auf die Zielsetzung derselben und die Instru mente, die sie zur Erreichung der Ziele anwendet. Land Trusts sind den hier beim DBU-Herbstsymposium vertretenen Stiftungen und Verbän den also relativ ähnlich. Der größte Land Trust der Welt, die Nature Conservancy, ist übrigens auch hier vertreten. Die Nature Conservancy agiert mittlerweile global und hat in den USA rund 69 000 km2 und weltweit über 473 000 km2 Flächen gesichert. Die Land Trust-Bewegung in den USA Es gibt mittlerweile über 1 700 Land Trusts in den USA. Diese haben bis heute annähernd 50 Millionen Acres Land gesichert. Das sind fast 20 Millionen Hektar, mehr als die Hälfte der Fläche von Deutschland! Diese Dimensionen sind beeindruckend. An der letzten bundesweiten Jahreskonferenz der Land Trust Alliance in Salt Lake City haben rund 1 600 Ver treter von Land Trusts teilgenommen. Das dürfte die größte Veranstaltung des nicht-staatlichen Flächenschutzes weltweit sein. Umso erstaunlicher ist es, dass dort kaum Ausländer anzutreffen waren. Ich war der einzige Europäer. Es haben Vertreter aus Südamerika, Kanada und Australien teilgenommen, aber ansonsten nur US-Ameri kaner. Der internationale Austausch zwischen den Naturschutzakteuren funktioniert im Bereich der Flächen sicherung auch noch nicht so gut, wie man sich das vielleicht wünschen würde. Betrachten wir die räumliche Verteilung der Land Trusts in den USA, dann fällt auf, dass zwei Regionen dominieren (Abb. 1). Das ist zum einen die Westküste, zum anderen der Nordosten der USA. Kalifornien hat die meisten Land Trusts mit 197, Massa chusetts die zweitmeisten mit 159. Zwei Gründe für diese Verteilung sind relativ leicht zu erkennen. Zum einen hängt der Aktivitätsgrad der Land Trusts davon ab, wie viel Fläche es überhaupt zu sichern gibt. Im Westen ist ein Großteil der Flächen im Bundeseigentum (Abb.2). Dement sprechend gibt es dort weniger Land Trusts. Abbildung 1: Räumliche Verteilung von Land Trusts in den USA (Quelle: Land Trust Alliance) Abbildung 2: Flächen im Bundeseigentum in den USA (Quelle: nationalatlas.gov) 23 Land Trust-Bewegung in den USA 24 Zweitens ist die Bevölkerungsdichte in den USA sehr ungleich verteilt. Im Mittleren Westen gibt es einfach nicht genug Menschen, um viele Land Trusts zu gründen. Aber auch die hohe Dichte an Land Trusts an den beiden Küsten ist ein relativ junges Phänomen. Wenn wir uns die Anzahl von Land Trusts in den letzten 110 Jahren anschauen, sehen wir eine zunehmend steile Wachstumskurve. Erst in den letzten Jahren – im Prinzip seit der Finanzkrise – erleben wir ein Abflachen dieser Kurve. Die Hälfte der heute existierenden Land Trusts ist jünger als 20 Jahre. Man kann also von einem relativ jungen Phänomen sprechen. Obwohl es seit mindestens 120 Jahren Land Trusts in den USA gibt (Abb. 3), besteht die Land Trust Bewegung erst seit ungefähr 30 Jahren. Interessan terweise fällt ihr Entstehungsdatum mehr oder weniger mit der Gründung des Dachverbands, der Land Trust Alliance, 1981 zusammen. Der Zusam menschluss von einigen der damals existierenden Land Trusts hat wie ein Katalysator für die Bewegung gewirkt und ihr Wachstum sehr unterstützt. Dies lässt sich auch an einem anderen Trend ablesen: Wenn man sich ansieht, auf welche Art Land Trusts Flächen sichern, so gibt es vor allem zwei Instrumente: die Aneig nung von Grundeigentum (fee title) und die von Dienstbarkeiten. Stefan Nagel wird dazu gleich noch einiges sagen. Ich möchte an dieser Stelle nur zeigen, wie ein bis dahin eher exotisches Instrument durch gezielte Lobbyarbeit und die Schaffung güns tiger Rahmenbedingungen zu dem Abbildung 3: Historische Entwicklung der Anzahl von Land Trusts in den USA (Quellen: Land Trust Alliance 2005, Brewer 2003) mit Abstand wichtigsten Instrument im amerikanischen Flächenschutz geworden ist. Sie sehen (Abb. 4), dass heute ein Vielfaches mehr an Fläche durch Dienstbarkeiten als durch Eigentumsübertragungen gesichert wird. Übrigens findet diese Entwick lung auch in anderen Ländern statt. Chile beispielsweise steht kurz vor der Verabschiedung eines entsprech enden Gesetzes, das die Nutzung von Dienstbarkeiten für Naturschutz zwecke regelt. Die Land Trust Alliance begann also 1981 als kleines Forum des Informationsaustausches zwischen Prak tikern. Heute hat ihre Geschäftsstelle rund 50 Mitarbeiter. Was sind nun aber die Aufgaben der Land Trust Alliance? Ein Blick auf die Homepage (www.lta.org) zeigt, dass diese sich mit ähnlichen Themen beschäftigt, die auch uns heute und morgen bewegen: Sie ist eine Stimme für ein breites und heterogenes Bündnis und artikuliert Naturschutzinteressen aus der Eigentümerperspektive in der politischen Arena. In ihrer Lobbyarbeit geht es vor allem um Förderprogramme sowie Steuerpolitik. Zweitens bildet sie eine Anlaufstelle für den internen fachlichen Austausch und zur Qualitätssteigerung der Arbeit von Land Trusts. Dazu veranstaltet sie Konferenzen – wie die Jahreskonferenz, die gerade statt fand – Seminare und »Webinare« Die Land Trust-Bewegung in den USA (Video-Seminare im Internet) und veröffentlicht einen Newsletter, ein vierteljährlich erscheinendes Magazin und themenspezifische Publikati onen. Gerade erschienen ist eine Broschüre zum 30-jährigen Bestehen der Alliance. Eine der wichtigsten Funktionen der letzten Jahre war jedoch die Erstellung von Methodenstandards für die Arbeit von Land Trusts. Diese sind als »Standards and Practices« bekannt. Es gibt insgesamt 11 Standards und 88 Practices. Sie decken alle Aspekte der Arbeit von Land Trusts ab, von der Definition der »Mission«, also des Leitbilds der Organisation, bis hin zur Flächenauswahl und zum Personalmanagement. Eine Übersicht dieser Standards and Practices findet sich im Mitgliederbereich auf der Internetseite der LTA. Hinter jeder Überschrift der 11 Standards und 88 Practices finden sich dort entspre chende Leitfäden und Fallbeispiele. Das Ganze ist auch als eine Serie von Handbüchern zum Nachschlagen veröffentlicht worden. Im Übrigen finden sich auch da die Themen wieder, die uns beim Herbstsymposium in den Arbeitsgruppen begeg nen: in der Rubrik Flächenverwaltung, geht es z. B. ums Management, ums Monitoring und die Einbeziehung der Öffentlichkeit. Die Methodenstandards bilden die Grundlage für ein Akkreditie rungsprogramm, dem sich Land Trusts freiwillig unterziehen können. Dies ist nicht verpflichtend für die Mitgliedschaft in der Land Trust Alliance, hilft Land Trusts aber bei der Professionalisierung ihrer Arbeit und dem Qualitätsmanagement. Viele nehmen die Akkreditierung gerne in Anspruch, denn sie wirkt wie eine gezielte Unternehmensberatung und ist im Ergebnis eine Auszeichnung gegenüber Sponsoren und Flächen eigentümern. Das neueste Produkt der Land Trust Alliance ist eine gemeinsame Rechtsschutzversicherung unter dem Titel »Terrafirma«. Diese ist als eigenständiges Versicherungsunter nehmen konzipiert, nicht als Produkt eines bestehenden Unternehmens. Die Einlagen in Höhe von mehreren Millionen Dollar wurden von den Mit gliedern der Alliance selbst erbracht. Hintergrund dieser Initiative sind die zukünftig vermehrt zu erwartenden Rechtsstreitigkeiten zwischen Land Trusts als Haltern von Dienstbarketen und den privaten Grundeigentümern. Ein eigene Versicherungsgesellschaft wurde gegründet wegen der unterschiedlichen Zielvorstellungen zwischen herkömmlichen Versicher ungsgesellschaften und der Land Trust Alliance. Während jede normale Versicherung bestrebt ist, Streitfälle möglichst schnell und billig zu schlichten, möchte der Dachverband jeden Rechtstreit gewinnen, um negative Präzedenzfälle zu vermeiden und ist gewillt, dafür auch entsprechende Kosten in Kauf zu nehmen. Abbildung 4: Durch Land Trusts gesicherte Fläche in den USA pro Instrument, 1985-2010 (Quelle: Land Trust Alliance) 25 Flächensicherungsinstrumente von Land Trusts Flächensicherungsinstrumente von Land Trusts in den Vereinigten Staaten Stefan Nagel, J. D. Law Office of Stephen J. Small Tilmann Disselhoff DBU Naturerbe GmbH, Bereich Netzwerk Nationales Naturerbe Herr Disselhoff hat uns durch die Geschichte der Land Trust-Bewegung in den Vereinigten Staaten geführt, von ihren philosophischen Ursprüngen bis zur Entstehung der Dachverbände. Auf der Bundesebene heißt dieser Dachverband die Land Trust Alliance. Es ist wichtig zu betonen, dass die Land Trust Alliance keine Flächensicherungs organisation ist. Sie betreibt keinen direkten praktischen Naturschutz wie die Land Trusts es tun. Stattdessen ist sie der Zusammenschluss fast aller aktiven Land Trusts, von kleinen, lokal tätigen und ehrenamtlich geführten Initiativen bis zu bundesweit agieren den, professionell und hauptamtlich geführten Organisationen. Die Land Trust Alliance hat die folgenden Ziele: 26 die Geschwindigkeit und die Qualität der dauerhaften Flächen sicherung zu erhöhen, effektive und gut geführte Land Trusts aufzubauen und als Stimme der privaten Flä chensicherung (also von Nicht regierungsorganisationen) mit der US-Regierung, insbesondere dem Kongress, dem Innenmi nisterium und dem Bundesfi nanzamt zusammenzuarbeiten. Hinsichtlich Letzterem hat die Land Trust Alliance für die Weiterent wicklung des Steuerrechts auf Bundesebene geworben und bei dessen Formulierung aktiv mitgearbeitet, was zu steuerlichen Vergüns tigungen im Zusammenhang mit der Schenkung von auf den Flächen schutz bezogenen, beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten (»conservation easements«) geführt hat. Dazu später mehr. In vielen, aber nicht allen der US-Bundesstaaten gibt es Land Trust-Dachverbände, die der Land Trust Alliance ähnlich sind, aber komplementär und unabhängig von ihr arbeiten. Einer dieser Verbände auf Bundesstaatenebene ist zum Bei spiel die Coalition of Massachusetts Land Trusts. Wie die Land Trust Alliance hat auch die Coalition of Massachusetts Land Trusts haupt amtliches Personal. Allerdings arbeiten hier anstelle der fast 60 Angestellten, die die Land Trust Alliance beschäftigt, nur zwei Mit arbeiter. Daher ist dieser Dachverband davon abhängig, Dienstleistungen und Unterstützung von ehrenamt lichen Land Trust-Mitgliedern, Anwaltskanzleien und externen Beratern zu erhalten. Der Verband bietet Land Trusts aus Massachusetts Beratungsdienstleistungen an, insbesondere kleineren Organisati onen, und er organisiert Fortbildungs veranstaltungen einschließlich des Die Land Trust-Bewegung in den USA jährlichen Treffens aller Land Trusts in Massachusetts, zu dem etwa 300 Teilnehmer kommen. Diese Dachverbände, sei es auf der Bundesstaaten- oder der natio nalen Ebene, wurden gegründet, um der privaten Flächensicherung eine einheitliche Stimme zu verleihen, um sich für Naturschutzpolitik und steu erliche Anreize einzusetzen und um Fortbildungsangebote für tausende im Naturschutz tätigen Haupt- und Ehrenamtlichen bereitzustellen. Die Land Trust Alliance schätzt, dass Land Trusts in den USA mehr als 347 000 Ehrenamtliche, 12 000 Hauptamtliche und mehr als 15 600 Vorstandsmit glieder von Land Trusts für diese aktiv sind. Lokale, bundesstaatliche und nationale Land Trusts genießen die finanzielle Unterstützung von fast 5 Millionen Mitgliedern sowie weiterer Unterstützer wie Unternehmen und Stiftungen. Der wichtigste Punkt an der Flächensicherung in den USA ist, dass es nun drei Wege gibt, Naturschutz zu betreiben: durch Ordnungsrecht, das heißt durch den Erlass von Landnut zungsgesetzen und entsprechender Rechtsver ordnungen zu deren Umsetzung, durch behördliches Handeln, welches eng mit den Landnutz ungsgesetzen verbunden ist, mit denen die Bundesregierung, die Bundesstaaten und die Kommunen Flächensicherung betreiben, und durch die Flächensicherung privater Initiativen. In Bezug auf die Flächensicherung der bundesweit fast 2 000 privaten (also nichtregierungs-) Land Trusts hat die Land Trust Alliance errechnet, dass lokal, regional und national agierende Land Trusts insgesamt über 47 Mio. acres, also über 19 Mio. ha gesichert haben, eine Fläche doppelt so groß wie die aller Nationalparks in den USA (ausge nommen Alaska, Hawaii und den US- Territorien). Diese Fläche entspricht etwa zwei Drittel der Gesamtfläche von Deutschland. Diese Zahl schließt Land mit ein, das von Land Trusts erworben wurde und anschließend an kommunale, bundesstaatliche oder Bundesbehör den für Schutzzwecke weitergegeben oder verkauft wurde. Land Trusts haben normaler weise keine formale organisatorische Zugehörigkeit zu den Verwaltungen auf Bundes-, Staaten- oder kommu naler Ebene, arbeiten jedoch in vielen Fällen – wie beim Trust for Public Land – mit diesen zusammen. Solche Land Trusts setzen sich häufig das Ziel, Flächen zu schützen, die spezi elle Schutzgüter aufweisen, zum Beispiel Lebensräume mit Vorkom men gefährdeter Arten (The Nature Conservancy), zukünftige Erholungs gebiete (wie beispielsweise ehemalige Bahngleise, die in Wanderwege umgewandelt werden – Aufgabe der Rails-To-Trails Conservancy) oder Grundstücke, die an existierende Nationalparke angrenzen und nach ihrer Sicherung an die Nationalpark verwaltung weitergegeben werden können (Friends of the Acadia Park). Die Land Trust Alliance hat ermittelt, dass die häufigsten Arten von Land, die durch die Aktivitäten von Land Trusts gesichert werden, die folgenden sind: wichtige Naturgebiete oder Lebensräume schützenswerter Arten, Wasserressourcen und offene, also nicht bebaute Freiflächen im Allgemeinen. Von besonderer Bedeutung im deutschen Kontext mag sein, dass fast 27 % aller Land Trusts angegeben haben, dass der Schutz von »urbanen Parks, Gärten oder Freiflächen« einen hohen oder sehr hohen Stellenwert in ihrer Arbeit hat. Obwohl finanziell nicht direkt mit der Bundesregierung verbunden, erhalten Land Trusts von dieser – genauer dem US-Finanzamt – Unter stützung in Form einer Bewilligung der Steuerbefreiung, die den gemeinnützigen Status und die damit verbundene Arbeit der Land Trusts anerkennt und diesen erlaubt, steuerbegünstigte Zuwendungen und zweckgebundene Spenden zu erhalten, ohne dafür Einkommens steuer bezahlen zu müssen. Diese Bewilligung der Steuerbefreiung, in Kombination mit den Grundsätzen und Normen des Grundstücksrechts, eröffnet Land Trusts eine Reihe von Möglich keiten zur Flächensicherung. Diese Möglichkeiten – nennen wir sie Flächensicherungsinstrumente – fußen auf Techniken und Ansätzen, die auch der gewöhnliche Bauträger 27 Flächensicherungsinstrumente von Land Trusts oder Grundstücksverwalter nutzen könnte, die aber speziell bei gemein nützigen Land Trusts günstige Effekte erzielen. Beginnen wir mit den grundlegenden Schutzinstrumenten und arbeiten wir uns dann zu den komplexeren vor: Das vollständige Eigentum und die vollständige Verwaltung einer Fläche, wie sie bei Parkflächen vor kommen, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind, oder bei Schutzgebieten, die für die Öffentlichkeit gesperrt sind. Land kann entweder einem Land Trust als vollständige Schenkung übertragen oder diesem in einer Reihe anderer Formen überlassen werden, wie zum Beispiel durch eine Eigentumsübertragung bei gleichzeitiger Bestellung eines Nießbrauchs (in der Regel Wohnrecht des Vor eigentümers auf Lebenszeit) oder durch eine testamentarische Eigen tumsübertragung. Das meiste Land wird Land Trusts zur Sicherung seiner auf ihm befindlichen relevanten Schutzgüter übertragen. Manchmal werden jedoch auch Gewerbe- oder Wohngrundstücke verschenkt, verbunden mit der Erwartung, dass diese weiterverkauft werden, um die Arbeit des Land Trusts finanziell zu unterstützen (sogenannte »tradelands« oder Tauschgrund stücke). Sehen wir uns also jede der oben genannten Formen der Eigentumsübertragung etwas detaillierter an: 28 Vollständige Schenkung bzw. Spende. Eine Schenkung eines Grundstück an einen Land Trust kann eine effektive Flächensicherungsstrategie für jemanden darstellen, der sein Land nicht seinen Erben überlassen möchte, dessen Grundeigentum einen hohen Marktwert hat und der keine Kapitalertragssteuer (derzeit 15 %) bei einem Verkauf zahlen möchte, der seine Erbschafts steuer reduzieren möchte (diese kann bis zu 50 % des Grundstückswerts ausmachen) oder der nicht länger bereit oder in der Lage dazu ist, sich um das Grundstück zu kümmern. Durch die Schenkung des Grundstücks an einen Land Trust kann der Voreigentümer substanzielle Einkommenssteuervorteile erzielen, die sich folgender maßen berechnen lassen: Wert des Grundstücks x Einkommenssteuerklasse = nachsteuerlicher Wert der Spende. Wenn zum Beispiel die Spende einen Wert von 1 Mio. $ hat und der Grundeigentümer in der Einkommenssteuerklasse von 35 % liegt, erzielt die Spende einen Steuervorteil von 350 000 $. Während der Verkauf des Grundstücks vermutlich einen größeren nachsteuer lichen Gewinn erzielen würde, hat der Spender jedoch die Sicherheit, dass das Land seinen Schutzgütern entsprechend gut gepflegt und erhalten wird. Das Grundstück ist außerdem nicht mehr Teil der Erbmasse, was zu zukünftigen Erbschaftssteuer vorteilen beiträgt. Der Wert des Grundstücks wird durch ein detailliertes Wertgutachten bestimmt, das den Bundesstan dards für Immobiliengutachten entsprechen muss und von einem Gutachter verfasst werden muss, der ebenfalls den Bundesvorgaben und Berufs standards genügen muss. Eigentumsübertragung und Bestellung eines Nießbrauchs. Die Schenkung von Grundei gentum bei gleichzeitiger Bestellung eines Nießbrauchs für den Spender räumt diesem das Recht ein, auf dem Grundstück bis zu seinem Lebensende zu wohnen und das Grundstück anderweitig zu nutzen. Wie auch bei der vollständigen Schenkung kann der Voreigentümer erheb liche Einkommenssteuervorteile erzielen, die im Wesentlichen wie bei der vollständigen Schenkung berechnet werden. Der Wert der Spende verringert sich jedoch um einen Betrag, der vom US-Bundesfinanzamtver sicherungsstatistisch errechnet wird und den Wert der weiteren Nutzung des Grundstücks durch den Voreigentümer berück sichtigt. Die versicherungs statistischen Tabellen beziehen sich auf die durchschnittliche Lebenserwartung des nießbrauchbegünstigten Voreigentümers. In der Praxis entstehen aus der Schenkung Die Land Trust-Bewegung in den USA von Grundeigentum bei gleichzeitiger Bestellung eines Nießbrauchs jedoch leicht Kontroversen zwischen dem Land Trust und dem Schenker über die konkrete Nutzung des Grundstück. Daher wird dieses Instrument nicht häufig angewendet. Testamentarische Eigentumsübertragung. Ein Grundeigen tümer kann während seines Lebens weiterhin sein Land besitzen und nutzen, aber trotzdem seinen endgültigen Schutz sicherstellen, indem er es einem Land Trust testamentarisch hinterlässt. Obwohl der zukünf tige Eigentumsübergang bis zu seinem Tode nicht garantiert ist, kann der Land Trust eine schriftliche Zusicherung oder das Versprechen der Eigentumsübertragung erhalten (»Testament vertrag«). Der Eigentumswechsel bringt keine steuerlichen Vor teile zu Lebzeiten des Eigentümers, kann jedoch zu erheb lichen Einsparungen bei der Erbschaftsteuer führen (abhän gig von der Grundstücksgröße bis zu 50 % des Grundstücks werts zum Todeszeitpunkt). Verkauf des Grundstücks zum Marktpreis oder unter Wert. In manchen Fällen kann ein Grundeigentümer, der sein Land schüt- zen möchte, keine Steuervorteile durch eine Spende wie oben beschrieben geltend machen, oder er braucht Bargeld oder ist schlicht zurückhaltend gegenüber der Idee, sein Land dem Naturschutz zu widmen – obwohl dieses bedeutende Schutzgüter aufweist, aufgrund derer ein Land Trust den Erwerb des Grundstücks anstrebt. In diesem Fall kann der Land Trust anbieten, das Grundstück zum Marktpreis oder zu einem vergünstigten Preis zu kaufen. Der Kauf des Grundstücks zum Marktpreis erzeugt die gleichen Kapitalertragssteuerpflichten wie bei einem privaten Verkauf. Ein besseres nachsteuerliches Ergebnis kann daher manchmal bei einem Verkauf zu einem ver günstigten Preis erzielt werden. Bei einem Verkauf »unter Wert« wird das Grundstück an den Land Trust für einen reduzierten Preis verkauft. Da der Land Trust eine gemeinnützige Organi sation ist, kann die Differenz zwischen dem Kaufpreis und der Grundstückswert (der wiederum durch ein Gutachten bestimmt werden muss) als Spende bei der Einkommensteuer geltend gemacht werden. Die Höhe der Spende wird wie zuvor beschrie ben berechnet. Der Schutz von Land (und Denk mälern) durch beschränkte persön liche »Schutzdienstbarkeiten« (»conservation easements«) Eine »Schutzdienstbarkeit« ist eine freiwillige legale Übereinkunft zwischen dem Grundeigentümer und einem Land Trust (oder einer Behörde), die dauerhaft bestimmte Nutzungen und Aktivitäten auf dem Grundstück einschränkt, um so die relevanten Schutzgüter des Grund stücks zu sichern. Im Allgemeinen hat die Schutzdienstbarkeit den Effekt, derartige mit dem Grundstück verbundene Bau- und Nutzungs rechte zu entziehen oder stark einzuschränken, die anderenfalls rechtlich erlaubt wären. Eine Schutzdienstbarkeit kann auf viele verschie dene Situationen zugeschnitten werden, wie beispielsweise den Schutz von Lebensräumen gefähr deter Tier- und Pflanzenarten, den Erhalt von Ausblicken oder anderer landschaftlicher Merkmale, und den Denkmalschutz. Es war eben diese Flexibilität des Dienstbarkeitskonzepts – in Kombination mit der steuerlichen Attraktivität des Instruments für Grundeigentümer – das den Aufstieg der Schutzdienstbarkeit zu einem der am häufigsten verwendeten Flächensicherungsinstrumente in den USA ermöglichte. Derzeit halten lokale und regionale Land Trusts nach Angaben der Land Trust Alli ance mehr als 11 600 Schutzdienst barkeiten, die insgesamt mehr als 5 Mio. acres Land schützen (über 2 Mio. ha). Die Ursprünge der Schutzdienst barkeiten liegen wie die der Land Trusts weit zurück. Sie entstanden nicht im luftleeren Raum. Um aus einem kürzlich erschienenen juristischen Aufsatz zu zitieren (Bray 2010 Reconciling Development and Natural Beauty, Harvard Law Review, Vol. 34, 2010, S. 126–129, ohne Fußnoten): 29 Flächensicherungsinstrumente von Land Trusts 30 »Schutzdienstbarkeiten können bis ins späte 19. Jahrhundert in Mas sachusetts zurückverfolgt werden. Das erste Servitut, das als Schutz dienstbarkeit angesehen werden kann, wurde in den späten 1880erJahren erlassen, um die von Frederick Law Olmsted geplanten Alleen und in Grünzügen befindlichen Straßen (Parkways) in Boston zu schützen. Jedoch erst in 1930er-Jahren lassen sich die nächsten Anwendungsfälle dieses Instruments feststellen, als die Nationalparkverwaltung der USA begann, Schutzdienstbarkeiten für die Sicherung von Parkways zu ver wenden. In den frühen 1950er-Jahren nutzte der Bundesstaat Wisconsin ebenfalls Schutzdienstbarkeiten, um Flussufer und Grundstücke entlang von Parkways zu sichern. Mit Ausnahme dieser drei Vor reiter wurden Schutzdienstbarkeiten jedoch in den ersten sieben Jahr zehnten ihres Daseins weitgehend ignoriert. Ohne eine spezifische gesetzliche Konkretisierung ihres Anwendungsbereichs durch die Bundesstaaten verharrten sie in einem Zustand fragwürdiger Legalität, da einige ihrer zentralen Merk male mit dem US-amerikanischen Gewohnheitsrecht kollidierten: Erstens sind Schutzdienstbarkeiten »negative« Dienstbarkeiten, die Nutzungsrechte an einem Grund stück dauerhaft einschränken, anstatt sie an einen Dritten zu übertragen. Zweitens sind Schutzdienst barkeiten beschränkte persönliche Dienstbarkeiten. Beziehungsweise, sie sind nicht einem begünstigten Eigentum verbunden, sondern existieren ohne solche Verbindung. Der Begünstigte ist eine qualifiz ierte Organisation oder eine Behörde, nicht ein anderes Grundstück oder Fläche. Die Verabschiedung spezi fischer Gesetze durch einzelne Bundesstaaten ab Ende der 1950er bis in die 1960er und 1970er, zusammen mit der Schaffung und Ausdehnung von steuerlichen Vergünstigungen für die Spende von Schutzdienstbarkeiten waren notwendig, um die anfänglichen Hindernisse für dieses Instrument der Flächensicherung zu beseiti gen und die heute bestehenden, günstigen Rahmenbedingungen für seine Anwendung zu schaffen. In den späten 1950er-Jahren wandelte sich die Schutzdienstbar keit hin zu einem von der Öffent lichkeit und der Wissenschaft besser akzeptierten Instrument. Der Anfang dieses Prozesses landesweiter Aner kennung von Schutzdienstbarkeiten kann auf den bahnbrechenden Aufsatz von William H. Whyte »OpenSpace for Urban America: Conservation Easements« zurück geführt werden, der wahrscheinlich erste Versuch, dieses bis dahin »obskure Schutzinstrument zu erklären und zu bewerben«. Whytes Arbeit muss jedoch als Teil einer größeren Renaissance der amerika nischen Umwelt- und Naturschutz bewegung verstanden werden, welche die Veröffentlichung von Rachel Carsons »Stummer Frühling« 1962 und die Verabschiedung zahlreicher Umweltgesetze ein schließt: das Wildnisschutzgesetz von 1964 (Wilderness Act) , das Wasserqualitätsgesetz von 1965 (Water Quality Act), das Nationale Umweltpolitikgesetz (National Environmental Policy Act) von 1969 und das Artenschutzgesetz von 1973 (Endangered Species Act). Massachusetts war der erste Bundesstaat, der 1954 ausdrücklich die gesetzlichen Rahmenbedin gungen für eine umfassende Anwendung von Schutzdienstbar keiten schuf. Weitere Bundesstaaten wie Kalifornien, Connecticut, Illinois und Maryland folgten umgehend. Über 70 Jahre nach ihrer »Erfindung« wandelten sich Schutzdienstbar keiten rasch von einer wenig bekannten Neuheit zu einem inno vativen Schutzinstrument. Das Recht, Schutzdienstbarkeiten zu erwerben und zu halten, wurde über den Kreis nationaler, bundesstaatlicher und kommunaler Behörden in einer zweiten Welle gesetzgeberischer Aktivität ab 1969 auf private Land Trusts ausgedehnt. Massachusetts und Montana gingen mit ihren Beschränkungs gesetzen (»Restriction Statutes«) voran. Bis 1975 hatten 16 Bundes staaten Gesetze erlassen, die den privaten Erwerb und Einbehalt von Schutzdienstbarkeiten ermöglichten. 1981 wurde auf Bundesebene der Entwurf eines einheitlichen Schutz dienstbarkeitsgesetzes (Uniform Conservation Easement Act – UCEA) veröffentlicht, der vorsah, dass »private Grundeigentümer im bei derseitigen Einverständnis Verträge mit gemeinnützigen Organisationen oder Behörden zur Flächensicherung abschließen können«. Bis 1984 Die Land Trust-Bewegung in den USA hatten 29 Bundesstaaten Gesetze erlassen, die den Gebrauch von Schutzdienstbarkeiten ermöglichten, auch wenn nicht alle inhaltlich dem UCEA folgten. Je mehr Bundesstaaten die gesetzlichen Grundlagen für Schutz dienstbarkeiten schufen und je stärker sich die steuerliche Hand habung von Schenkungen derselben verfestigte, desto mehr begannen Land Trust Schutzdienstbarkeiten in halsbrecherischer, bis heute gleich mäßig zunehmender Geschwindig keit zu erwerben«. Wie bei der oben beschriebenen Übertragung von Eigentum können Grundeigentümer Schutzdienstbar keiten entweder schenken, zum Marktpreis verkaufen oder ver günstigt verkaufen. Wenn ein Grundeigentümer sein Grundstück mit einer Schutzdienstbarkeit belastet, behält er das Eigentum über das Grundstück, darf dieses weiterhin unter Beachtung der in der Schutzdienstbarkeit festge legten Einschränkungen nutzen, ist jedoch nicht mehr Eigentümer aller Elemente (des »Bündels der Rechte«), die normalerweise mit Grundeigen tum assoziiert werden. Da die Schutzdienstbarkeit im Grundbuch eingetragen wird und entsprechend anderer Grundstückeigentumsüber tragungen gehandhabt wird, sind auch zukünftige Eigentümer des belasteten Grundstücks an die Ein schränkungen der Schutzdienstbar keit gebunden. Der Land Trust (oder die Behörde), zu dessen Guns ten die Schutzdienstbarkeit einge tragen ist, ist dafür verantwortlich, dessen Einhaltung zu überwachen und die Beachtung der Beschränkun gen gegebenenfalls durchzusetzen. Der Vollzug der Schutzdienstbarkeit hat in manchen Fällen zu Gerichts verfahren geführt. Im Rahmen bestimmter Vorgaben, die durch die bundesstaat lichen Gesetze sowie das Bundes steuerrecht im Falle von Schen kungen und den Kaufvertrag im Falle eines Kaufes definiert werden, kann die Schutzdienstbarkeit im Allgemeinen auf die Wünsche des Grundeigentümers zugeschnitten werden. Demgemäß wird die aktuelle Landnutzung in der Regel beibe halten. Eine gut konzipierte Schutz dienstbarkeit untersagt in der Tat nur solche Nutzungen des Grundstücks, die der Eigentümer ohnehin nicht ausüben wollte, die aber die rele vanten Schutzgüter beeinträchtigen würden, wie beispielsweise das Recht, ein Grundstück zu parzellieren und mehrere Häuser darauf zu errichten, oder das Recht, eine Shoppingmall zu bauen. Im urbanen Kontext beinhal ten Schutzdienstbarkeiten für den Denkmalschutz häufig die Übertra gung von sogenannten »Luftrechten« (air rights). Damit sind Baurechte gemeint, die sich auf den Luftraum vom Boden oder dem obersten Stock werk des existierenden Gebäudes bis zur baurechtlich maximal erlaubten Bauhöhe erstrecken. Man kann sich vorstellen, welchen Wert solche Baurechte in Städten wie New York oder Chicago haben können. Schutzdienstbarkeiten müssen der begünstigten Partei gewisse Rechte einräumen, wie z. B. das Recht, das Grundstück zu beaufsichtigen, über Änderungen an demselben mitzuentscheiden und die Ein haltung der Schutzdienstbarkeit durchzusetzen. Die manchmal für Grundeigentümer am schwierigsten zu akzeptierende Bedingung ist, dass das US- Bundessteuerrecht der Organisation, der die Dienst barkeit übertragen wurde, im Falle einer gerichtlichen Aufhebung der Dienstbarkeit bei einem folgenden Verkauf des Grundstücks einen Anteil am Verkaufserlös zuspricht. Diese Bedingung hat wiederholt zu Rechtstreiten vor Steuergerichten darüber geführt, wie dieses Recht im Text der Dienstbarkeit formuliert werden muss. Es ist aber wichtig zu betonen, dass unter den etwa 11 600 Schutzdienstbarkeiten, die Land Trusts übertragen wurden, bislang nur eine Handvoll aufgehoben wurden. Hier trotzdem ein hypothe tisches Beispiel: Onkel Fritz schenkt einem Land Trust eine Schutzdienst barkeit, deren Wert 50 % des Grund stückswerts ausmacht. Viele Jahre später bemerken Onkel Fritz und der Land Trust, dass sich die Umstände auf dem Grundstück grundlegend geändert haben. Die Schutzgüter, die durch die Schutzdienstbarkeit gesichert werden sollten, existieren nicht mehr, weil ein massives Feuer einen Großteil des Grundstücks vernichtet hat. Onkel Fritz – nun ein alter Mann – und der Land Trust vereinbaren, sich gemeinsam vor Gericht für eine Aufhebung der Dienstbarkeit einzusetzen. Das Gericht stimmt dem Antrag zu und 31 Flächensicherungsinstrumente von Land Trusts 32 ordnet eine Aufhebung der Schutz dienstbarkeit an. Onkel Fritz bietet das Grundstück anschließend zum Verkauf an. Beim Verkauf des Grundstücks nach der Aufhebung der Schutzdienstbarkeit muss Onkel Fritz dem Land Trust 50 % des Erlöses aus dem Verkauf überlassen. Der Land Trust muss das Geld für die Ausführung seiner gemeinnützigen Tätigkeiten verwenden. Im Gegenzug zu solch poten ziellen Unwägbarkeiten kann der Grundeigentümer zum Zeitpunkt der Schenkung einer Schutzdienstbar keit stattliche Steuervorteile erzielen, was eine Form von Subvention durch den Bund und die Bundesstaaten darstellt. Wie bei der Schenkung von Land wird die Schutzdienstbarkeit von einem Gutachter bewertet. Der vom Gutachter bestimmte Wert entspricht in den meisten Fällen der Steuererleichterung, die der Grundeigentümer geltend machen kann. In diesem Fall reduziert sich das zu versteuernde Einkommen des Grundeigentümers um den Wert der Schutzdienstbarkeit. Da sich sein zu versteuerndes Einkommen verringert, reduziert sich seine Einkommensteuer entsprechend. Um den Einfluss solcher Abschrei bungsmöglichkeiten, der recht groß ausfallen kann, auf die Steuerein nahmen zu minimieren, kann das zu versteuernde Einkommen um nicht mehr als 30 % durch die Spende einer Grunddienstbarkeit reduziert werden. Der aufgrund dieser Regel ungenutzte Abschreibungswert kann auf bis zu fünf nachfolgende Jahre übertragen werden, unterliegt dann jedoch ebenfalls der jährlichen 30-%-Regel. Hier ein vereinfachtes Beispiel: Onkel Fritz hat ein Jahreseinkommen von 1,5 Mio. $. Dieses bleibt über die Jahre gleich. Onkel Fritz schenkt einem Land Trust eine Schutzdienst barkeit im Wert von 1 Mio. $. Im Jahr der Schenkung kann Onkel Fritz 450.000 $ dieser Spende als Abschreibung geltend machen (30 % von seinem 1,5-Mio.-$-Einkommen). Im zweiten Jahr (das Jahr nach der Schenkung) kann Onkel Fritz den selben Betrag abschreiben. In Jahr drei kann er die restlichen 100.000 $ abschreiben. Er hat damit den gesamten Wert der Spende abge schrieben. Der Wert der Steuererleich terung – die nicht mit einer direkten Steuergutschrift verwechselt werden darf – wird wie bei der Schenkung von Grundeigentum berechnet: Wert der Schutzdienstbarkeit x Einkommensteuerklasse des Spenders = nachsteuerlicher Wert der Spende. Da Onkel Fritz mit seinem Einkommen von 1.5 Mio. $ in der Steuerklasse von 39 % liegt, erzielt er durch die Schenkung einer Schutzdienstbarkeit im Wert von 1 Mio. $ insgesamt eine Steuer erleichterung von 390.000 $. Und er ist weiterhin der Eigentümer des Grundstücks! Außerdem vererbt er bei seinem Tode das Grundstück zu einem reduzierten Wert, wodurch sich die Erbschaftssteuer ebenfalls verringert. In vielen Fällen kann durch die Schutzdienstbarkeit die Notwendigkeit vermieden werden, das Grundstück zu verkaufen, um die Erbschaftssteuer bezahlen zu können. Als ein Aspekt der Bemühungen, die eigentumsrechtliche Sicherung von Naturschutzflächen voranzu bringen, könnte es daher im deutschen Kontext nützlich sein, die oben beschriebenen privaten Flächensicherungsinitiativen in Betracht zu ziehen. Diese müssten selbstverständlich auf die deutsche Rechtslage angepasst werden. Aber es könnte möglich sein, auf der Basis der Erfahrungen amerikanischer Land Trusts ihre Einführung in Deutschland zu beschleunigen. Ich wünsche Ihnen allen viel Erfolg und Glück bei Ihrer weiteren Arbeit und stehe bereit, Sie dabei zu beraten und Ihnen zu helfen. National Trust England, Netzwerke in den National Benelux-Staaten Trust England, Netzwerke Benelux-Staaten Der National Trust in England und Netzwerke von Naturschutzflächen eigentümern in den Benelux-Staaten Anton Gazenbeek Naturschutz-Consultant, Belgien Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Benelux-Staaten und in Großbritannien betreuen private Naturschutzverbände Land zum Vorteil der Natur. Insgesamt gibt es eine Unzahl von privaten Initiativen, Vereinen und sonstigen Instituti onen, die im Flächenschutz aktiv sind. Acht große Verbände dominieren jedoch den Markt. Tabelle 1 gibt dazu eine Übersicht. Beim Vergleich der oben genannten Zahlen sollte man sich vor Augen halten, dass Großbritannien fast viermal soviel Einwohner hat wie die Niederlande. Die Mitglieder zahlen pro Einwohner sind also ähnlich. Belgien dagegen ist relativ betrachtet viel weniger im privaten Naturschutz engagiert. Es hat 2/3 der Bevölkerung der Niederlande, aber die Mitgliederzahlen in Naturschutz vereinen sind um ein Vielfaches niedriger. Insgesamt ist jedoch die oft hohe Zahl der Mitglieder auffällig. Das bedeutet eine starke gesell schaftliche Verankerung des Natur schutzes und eine gute Vertretung seiner Interessen auf allen Ebenen. Durch die hohen Mitgliederzahlen gewinnen die Verbände an Überzeu gungskraft im politischen Geschäft. Außerdem arbeiten viele Mitglieder oft ehrenamtlich als Freiwillige und bieten so gratis Arbeitsleistung an. Die Mitglieder »lernen« bei der praktischen Arbeit und ihr Umwelt bewusstsein nimmt zu. Sie können dann als Multiplikatoren agieren auf der lokalen Ebene. Infolgedessen haben die großen Verbände auch prinzipiell einen demokratischen Aufbau. Zum Beispiel hat der National Trust einmal im Jahr eine Plenarversammlung für alle Mitglie der. Die Hälfte des Aufsichtsrates (Council), der dem Vorstand (Board of Trustees) zur Seite steht, wird von den Mitgliedern gewählt. Allerdings sind die Mitgliederzahlen nicht stabil. Natuurmonumenten hatte 2001 rund 975 000 Mitglieder, danach jedes Jahr einige Prozent Verlust. 2008 hatten sie noch 882 000 Mitglieder und mussten anschließend eine schnelle Abnahme verzeichnen (rund 50 000 weniger 2009). 2011 hatte Natuur monumenten nur noch 728 000 Mitglieder. Der National Trust dage gen wächst weiter beständig. 2012 wurde die Schwelle von 4 Millionen Mitgliedern überschritten. Natuurmonumenten in den Niederlanden, RSPB in Groß britannien und die drei Verbände aus Belgien und Luxemburg haben nur Naturschutzflächen in Eigentum. Aber sowohl der National Trust als auch die Provinciale Landschappen haben weitere Flächenkategorien in ihrem Eigentum: 33 National Trust England, Netzwerke Benelux-Staaten historisch wertvolle Gebäude und Denkmäler, damit zusammenhängende Gärten, Parkgelände und Wirtshöfe , Landschaften und deren Elemente wie Einzelbäume, geologische Besonderheiten usw. sowie »richtige« Natur Der National Trust hat zum Beispiel insgesamt rund 255 000 ha in seinem Eigentum, davon über 1 100 km Küste (20 % der kompletten Küstenlänge von England, Wales und Nordirland), 20 000 Gebäude, 400 Parkanlagen und Gärten, 61 Kneipen und Gast stätten, 40 Schlösser, 149 Museen, 400 Fabriken und Minen, 25 mittel alterliche Scheunen, 206 Mühlen, 5 150 prähistorische Stätten sowie 76 Naturschutzgebiete. 14 % aller Naturschutzgebiete in England, Wales und Nordirland liegen auf Land im Eigentum des National Trusts. 60 % seiner Flächen sind an etwa 2 000 Landwirtschaftsbetriebe verpachtet. Der National Trust begrüßt jährlich ca. 17 700 000 zah lende Besucher. Er hat 5 000 VollzeitMitarbeiter und 57 000 Freiwillige, die 3,1 Mio. Stunden ihrer Freizeit gratis einbringen, das Äquivalent von 1 590 Vollzeitangestellten. Mit diesen Dimensionen unterscheidet er sich deutlich von den anderen Verbänden, die ausschließlich Naturflächen erwerben und verwalten. 34 Gründungsdatum Mitglieder Fläche in Eigentum oder Verwaltung National Trust (England, Wales und Nordirland) 1894 4 000 000 255 000 ha National Trust für Schottland 1931 310 000 73 000 ha RSPB 1889 1 000 000 130 000 ha Provinciale Landschappen (NL) 1927–1935 (11); 1986 (1) 308 600 Natuur monumenten Staatsbosbeheer SBB 750 000 (200 Gebiete) 108 000 ha (800 Gebiete) 103 000 ha (370 Gebiete) – 260 000 Natuurpunt (BE–FL) 80 000 18 000 ha Natagora (BE–WAL) 14 000 Fondation Hëllef fir d'Natur (LUX) 1899 (1997 Privatisierung) 1982 (Vorläufer LNVL 1920) Tabelle 1: Naturschutzverbände in Großbritannien und den Benelux-Staaten (450 Gebiete) 4 300 ha (200 Gebiete) 1 050 ha National Trust England, Netzwerke in den Benelux-Staaten Finanzierung Der Umsatz des National Trust ist beeindruckend. Er betrug 2010 rund 530 Mio. €. Davon waren allein 230 Mio. € nötig für den Unterhalt und die Pflege des Besitzes. 130 Mio. € wurden eingesetzt für Investitionen (Grunderwerb, einmalige Vorhaben zur Verbesserung der Erhaltungszu stand), außerdem gab es Personal kosten und Gemeinkosten. Der dagegen RSPB hat »nur« 130 Mio. € Umsatz im Jahr und 1 545 Angestellte. Natuurmonumenten hat einen Umsatz von 100 Mio. € im Jahr, finan ziert überwiegend aus öffentlicher Förderung, aber immerhin auch aus 8 Mio. € Pachteinnahmen pro Jahr. Natuurmonumenten hat 600 Mitarbeiter (500 Vollzeitäquivalente). Für alle Verbände sind öffentliche Fördermittel sehr wichtig – sogar beim National Trust (z. B. Landscape Partnership Programme; Landfill Tax = Ökokonto). In den BeneluxStaaten sind öffentliche Förderpro gramme die Haupteinkommens quelle der Verbände. Das ist nicht ungefährlich: Die Regierung Rutte in den Niederlanden (konservativliberale Koalition mit Unterstützung der extremen Rechten) hat seit 2010 die nationalen Mittel für Naturschutz von 350 Mio. € auf 100 Mio. € im Jahr gekürzt und zugleich eine Dezentralisierung durchgeführt. Die Zuständigkeit für Naturschutz und die Förderung von Naturschutz projekten ist jetzt weitgehend bei den Provinzen angesiedelt und nicht mehr bei der Bundesregierung in Den Haag. Die Provinzen haben dafür aber keinen Euro mehr bekommen. In Bezug auf die öffentliche Förderung ist es merkwürdig, dass der National Trust und die Provin ciale Landschappen für ihr Natur raummanagement nur sehr wenig das EU-Umweltförderprogramm LIFE genutzt haben. Dagegen sind Natuurmonumenten, Natuurpunt und Natagora »feste Kunden« bei LIFE. Hier die Projekte dieser Verbände seit 1992: Natuurpunt: Leitung von 21 LIFE-Vorhaben und Partner in weiteren 6 Projekten, Natuurmonumenten: Leitung von 13 LIFE-Vorhaben und Partner in weiteren 5 Projekten, Natagora: Leitung von 10 LIFEVorhaben und Partner in 4 weiteren Projekten (darunter LIFE06/NAT/DE/0008 »Borst grasrasen« unter der Leitung der Naturstiftung Saarland), Hëllef fir d’Natur: Leitung von 4 Vorhaben und Partner in einem Projekt. Aber auch das Lottospiel ist wichtig für diese Verbände! In den Nieder landen erhalten die Provinciale Landschappen seit 1996 rund 11,5 Mio. € im Jahr an Zuschüssen von der staatlichen Lottogesellschaft. In Großbritannien bekommt der National Trust viel Geld vom Heritage Lottery Fund. In den Niederlanden können die Verbände dieses Geld verwenden fast wie sie wollen. Es gibt keine Vorgabe, man muss nur über seine Verwendung berichten und die Logos der Lottogesellschaft zeigen. Weitere Finanzierungsquellen der Verbände bestehen aus: Mitgliederbeiträgen – für die Provinciale Landschappen circa 6,8 Mio. € (die Jahresbeiträge betragen 18–25 € pro Person, abhängig von der Provinciale Landschap), für den National Trust über 160 Mio. € in 2010. Erbschaften und Schenkungen (wegen der Finanzkrise seit 2008 sind diese etwas zurück gegangen, betrugen 2010 für den National Trust aber immer hin noch 65 Mio. €). Hier spielt das Rechtssystem eine wichtige Rolle: in Großbritannien kann man frei über seine Erbschaft entscheiden und z.B. alles dem Naturschutz oder Tierschutz schenken, in Benelux haben wegen des napoleonischen Systems Ehepartner und Kinder Anrecht auf einen Mindestanteil. Ehrenamtliche und Freiwillige, die Arbeiten im Gelände oder bei der Betreuung von Besucher zentren auf sich nehmen, spielen bei allen Verbänden eine große Rolle: 61 000 Freiwillige beim National Trust haben in den Jahren 2009–2010 3,5 Mio. Stunden gratis gearbeitet, was einem geschätzten Wert von 38 Mio. € entspricht. Der National Trust betreibt zudem derzeit eine große Werbekampagne, um diese Zahl noch erheblich zu steigern. Provinciale Land schappen wie Noord-Holland und Overijssel haben jeder 5 000 Freiwillige. Der RSPB hat 35 National Trust England, Netzwerke Benelux-Staaten 36 18 000 Freiwillige, und sogar der kleine Verband Natagora in SüdBelgien hat 2 500 Ehrenamtliche. Geschäftsleben, also »Business and Biodiversity«. Sponsoring oder Zuschüsse von Betrieben, z. B. hat der Abfallbetrieb Biffa dem National Trust gerade 650.000 € gespendet für die Wiederherstellung von vier Torfmoorgebieten. Bei den Provinciale Landschappen hat man »bedrijfsrelaties« ein geführt – gegen Zahlung von ca. 1.000 € im Jahr haben Betriebe Anrecht auf zwei Betriebsfeste in einem historischen Schloss oder zwei Geländeführungen mit einem Förster. Die nieder ländische Rabobank ist ebenfalls ein Sponsor der Provinciale Landschappen und verwaltet die »streekrekeningen«: Betriebe oder Körperschaften legen nicht unmittelbar benötigtes Geld bei der Bank an, wobei 5 % der Zinsen an die Landschappen für konkrete Projekte gespendet werden. Wenn 100 Mio. € zu 4 % Zinsen angelegt werden, bedeuten 5 % davon schon 200.000 € Zusatzeinnahmen! Eine erstes solches Modell wurde 2009 eingeführt, jetzt gibt es schon 20 Streekrekenin gen (www.streekfonds.nl). Pachten: Der National Trust hat 1 600 Pächter, zusätzlich zu 200 Landwirten, die zu bestimmten Jahreszeiten Vieh auf NationalTrust-Land einsetzen. EU-Beihilfen: Der National Trust bewirtschaftet einen Teil seines Besitzes selbst und bekommt dafür Zahlungen aus GAP und KULAP (der Trust ist als Landwirt anerkannt). Die Direktvermarktung von »grünen/naturgerechten/ heimatlichen« Erzeugnissen spielt überraschenderweise nur eine untergeordnete Rolle (z. B. Rindfleisch im Lake District vermarktet vom Warenhaus Booths). Natuurpunt in Flandern setzt eigene Rinder auf seinen Flächen ein (Beweidung von Heiden, artenreiches Grünland) und vermarktet überzählige Tiere über Bio-Läden und koope rative Metzgereien. Wenn man nicht nur Natur, sondern auch Kultur schützt (wie der National Trust und die Provinciale Landschap pen), hat man weitere Möglichkeiten und Finanzquellen, die reine Natur schützer nicht haben: Mieten (z. B. Ferienwohnungen in alten Häuschen, Kurzvermie tungen für Hochzeiten, Partys oder Arbeitstreffen), Konzessionen: ein Betrieb mietet einen Teil eines Schlosses oder ein ähnliches Gebäude, um dort einen Gasthof oder einen Konferenzraum zu betreiben, eigene Läden oder Gasthöfe in den Gebäuden sowie Besucherzentren. Die National Trust Enterprises Ltd, die solche Einrichtungen betreut, machte 2010 72 Mio. € Gewinn! Der Einsatz von Freiwilligen ist hier sehr wichtig – ohne diese würde das Betriebsergebnis weniger positiv sein. Erstellung von naturschutzfachlichem Handlungsbedarf Der National Trust hat insgesamt 255 000 ha in seinem Eigentum. Davon sind 97 500 ha als SSSI (Sites of Special Scientific Interest, entspricht etwa dem deutschen Naturschutzgebiet) und 75 000 ha als Natura-2000-Gebiete ausge wiesen. Der Erhaltungszustand aller Flächen, die unter nationalem Schutz (SSSI) oder EU-Schutz (Natura 2000) stehen, wird einmal alle sechs Jahre von der Behörde (mittels Werk verträgen) untersucht und geprüft. Das betrifft einen erheblichen Teil des Trust-Besitzes – und aus diesen Berichten der Behörde kann der National Trust naturschutzfachlichen Handlungsbedarf ablesen. In 2003 waren beispielsweise 25 % des geschützten Trust-Besitzes in ungün stigem Erhaltungszustand. Außer dem werden 80 % der 255 000 ha landwirtschaftlich genutzt. Seit 2000 hat der National Trust eine »Trust Agricultural Policy«, um die Natur und Artenvielfalt auf diesen Flächen mittels »Whole Farm Plans« zu ver bessern. So kann durch Anpassungen bei den Pachtverträgen, z. B. genau festgelegten Beweidungsdichten oder Düngermengen, schon viel erreicht werden. Was den Handlungsbedarf betrifft, meint Natural England (vergleichbar mit dem Bundesamt für Naturschutz), dass es bisher zu viel »micromanagement« gab und hat eine »landscape-scale strategy« National Trust England, Netzwerke in den Benelux-Staaten entwickelt. Das »White Paper« der Regierung von 2011 greift diese Strategie auf: 12 »nature improve ment areas«, jede mindestens 10 000 ha groß, wurden identifiziert. (Der National Trust hat Flächeneigen tum in vier dieser Gebiete.) In diesen Gebieten werden Mittel vorrangig eingesetzt. Ziel ist die Schaffung von Kerngebieten mit Verbindungen dazwischen und die Wiederher stellung degradierter Natur. Für seinen Gesamtbesitz (auch den nicht geschützten Teil) hat der National Trust schon seit den 1980erJahren eigene Biological Survey Teams, die inzwischen 90 % des Besitzes mindestens einmal unter sucht haben. Die Zentralverwaltung des National Trusts sammelt jährlich Vorschläge zum Erfassungsbedarf von ihren Ortsverwaltungen und entscheidet dann, wer prioritär ist für eine Erhebung. Die Ortsverwaltungen stehen also im Wettbewerb miteinan der, da die Mittel für die ökologische Untersuchungen beschränkt sind! Vergabekriterien sind unter anderem: keine Überlappung mit staat lichen Erhebungen, neu erworbenes Flurstück, letzte Geländeerhebung ist schon sehr lange her, Änderung der Pächter oder geänderte Bedingungen im Pachtvertrag. Auch so wird naturschutzfachlichen Handlungsbedarf sichtbar. Die neueste Entwicklung ist, für jedes der 400 National-Trust-Güter einen »property management plan« zu erstellen. Dazu werden die Mit arbeiter vor Ort und Sachverständige zusammengebracht. Ein Moderator versucht dann herauszufinden, was sie gemeinsam als Hauptschutzgüter des Gutes betrachten (5–15 Schutz güter, in der Reihenfolge ihrer Bedeutung). Damit will man zu einer holistischen Einschätzung des Hand lungsbedarfes kommen, anstatt dass jeder Spezialist oder Mitarbeiter sein »Steckenpferd« nach vorne schiebt. Dieser Ansatz funktioniert in der Praxis besser als man erwarten würde, sagt man seitens des National Trusts. Die Planung umfasst alle vorhandenen Schutzgüter auf einem National-Trust-Gut, neben der Natur also auch Gärten, Gebäude, Denkmäler, Kunst und Möbel usw. Es werden für jedes Schutzgut klare Ziele gesetzt, orientiert an der Frage: Was ist der gewünschte zukünftige Zustand? »Günstiger Erhaltungszu stand« kann sich sowohl beziehen auf einem Lebensraum als auf das Möbel im Landhaus! Dann werden die notwendigen Handlungen aufgelistet, die Maßnahmen genau umschrieben und eine Zeitplanung erstellt. In den Niederlanden war es lange Zeit Praxis, dass die großen Verbände und die Behörden sich rege austauschten und versuchten in Übereinstimmung zu kommen, was die wichtigsten Naturschutz werte und Ziele sind, um diese dann gemeinsam umzusetzen. Hier zeigt sich das typisch niederländische, politische »Harmoniemodell«, das auch sozialwirtschaftlich prägend war. Die Niederlande hatten z. B. für Natura 2000 schon vor 2005 das »instandhoudingsdoelen-Modell« 8IHD-Modell) entwickelt, also Erhaltungsziele für Natura 2000. Es wurde geprüft, wo die Niederlande auf EU-Ebene Verantwortlichkeit für Arten oder Lebensräume tragen, welche FFH-Gebiete für diese Arten oder Lebensräume in den Niederlanden wichtig sind, was der Handlungsbedarf für sie ist und in welchen FFH-Gebieten der Aufwand technisch, finanziell und gesell schaftlich vertretbar ist. Dort werden dann Mittel vorrangig eingesetzt. Die Verbände waren Mitspieler in diesem Rahmen und daher richteten sich ihre naturschutzfachlichen Projekte stark nach den Weichen, die durch die Politik gesetzt wurden. Seit 2007 hat die niederländische Naturschutzförderung sich jedoch komplett geändert. Für die Natura2000-Gebiete bleiben die »IHD« Erhaltungsziele mehr oder weniger geltend. Für alle weiteren Natur schutzgebiete und ökologischen Netzwerke erstellen die Provinzen für ihre jeweiligen Gebiete sogenannte »natuurtypenkaarten« (Karten des Ist-Zustandes – dieser Teil ist schon fertig) und »ambitiekaarten« (Karten des Soll-Zustandes – werden noch erarbeitet). Die Zuschüsse und Förderungen werden dann gezielt eingesetzt für Projekte, die den Ist-Zustand dem Soll-Zustand näher bringen. Durch dieses Vorgehen wollte man davon abrücken, dass einzelne Verbände individuell entscheiden, was wichtig ist und was sie tun möchten, um dann auf die Suche nach Fördermöglichkeiten 37 National Trust England, Netzwerke Benelux-Staaten für diese Privatinitiativen zu gehen. Ironischerweise bedeutet die Dezentralisierung des Naturschutzes in den Niederlanden also eine starke Zentralisierung auf Provinz-Ebene und einen neuen Dirigismus: Die Provinzen lenken, was wo gemacht werden soll. Um diese neue Politik umzu setzen, wurden folgende Schritte festgelegt: 38 Entwicklung einer eindeutigen Terminologie. 50 »beheertypen« werden definiert, die ange wendet werden müssen. Die Terminologie und Einteilung der Lebensraumtypen wird so vereinheitlicht. Festlegung der durchschnitt lichen Kosten pro Hektar, um die Lebensraumtypen wie oben definiert (beheertype) zu erhalten. Dieser »standaard kostprijs« ist die Grundlage für die Förderung. Die Behörde/Politik entscheidet dann, welchen Anteil dieser Kosten sie decken will. Das neue Instrument (in Kraft seit 2011) dafür ist der »Subsidiestelsel Natuur en Landschap« (SNL). Er soll 84 % der standardisierten Kosten für den Erhalt der Lebensraumtypen decken. Neu ist, dass die Förderung nicht gebunden ist an vorher festgelegte Maßnahmen. Früher sollten die Gebietsbetreuer genau sagen, was sie machen würden. Jetzt kann man frei bestimmen, was man mit dem Geld macht, vorausgesetzt dass danach genau so viel des Lebensraumtyps vorhanden ist wie am Anfang. (Daher wird der SNL seit 2012 begleitet vom »Index Natuur en Landschap«, das neue System des Erfolgs monitorings.) Zur Verbesserung eines Lebens raumes, also einer Investition anstatt wiederkehrender Pflege, gibt es einen getrennten Teil des SNL (SNL Inrichting en Ontwikkeling), aber die Pro vinzen haben zur Zeit wegen Geldmangels meistens 0 € für diesen Teil in ihren Haushalten eingetragen. Das nationale Förderinstrument für Investi tion zur Verbesserung des Naturhaushalts (Effectgerichte Maatregelen – EGM) wurde 2010 beendet! Die Folge für die Verbände ist: Mit der öffentlichen Förderung kann man heute an Natur nur noch erhalten, was man schon hat – für neue Natur oder eine Verbesserung des Erhaltungszustands gibt es quasi keine öffentlichen Mittel mehr. Darum sind nicht-behördliche Geldquellen wie Lotto so wichtig geworden, und man ist kreativ bei der Suche nach Sponsoring durch Betriebe (siehe oben). Durchführung der Maßnahmen Die technischen Vorgaben für Moor renaturierungen oder Entbuschun gen sind in den Benelux-Staaten und Großbritannien genauso wie in Deutschland. Die eingesetzten Mittel sind auch weitgehend die gleichen: Eigenpersonal, Drittleistungen, mitarbeitende Landwirte usw. Auf fällige methodische Unterschiede gibt es trotzdem in Belgien: Nachdem ein Verband Land erworben hat (Natuurpunt erwirbt systematisch Jahr für Jahr 700 ha neues Land mit Eigenmitteln, Spenden und LIFE-Zuschüssen; Natagora erwirbt ebenfalls jährlich neues Land), wird ein Inventar gemacht und ein »plan de gestion« (Pflegeplan) aufgestellt, der den heutigen Zustand des Gebietes analysiert (Arten, Lebensräume), Ziele setzt und Maßnahmen zur Ziel erreichung festlegt. Diese Planung und Zielsetzung wird in Absprache mit Spezialisten des Verbandes und den örtlichen, ehrenamtlichen Mitgliedern und Freiwilligen aufge stellt. Natuurpunt hat 190 Ortsab teilungen (fast in jeder Gemeinde in Flandern) und die Mitglieder sind aktiv beteiligt an der Suche nach Land mit naturschutzfachlichem Potenzial, das gekauft werden kann, an der Betreu ung von Land, das schon im Eigentum ist und am Monitoring von Arten und Lebensräumen. Wegen dieser Orts kenntnis können die Verbände ziemlich erfolgreich Land erwerben – Jahr für Jahr wächst der Grundbesitz von Natuurpunt oder Natagora. Die Ortsgruppen wissen genau, wer verkaufen möchte und wie man mit den potenziellen Verkäufern redet. Die Erstpflege (wenn notwendig) z. B. das Entfernen nicht-heimischer Bäume und Sträucher, der Anstau von Gräben, die Rodung von überwucher ter Heide oder Grasland, die Entfer nung von Zäunen und Ferienheimen National Trust England, Netzwerke in den Benelux-Staaten usw. wird zum Teil durch angestelltes Personal durchgeführt (Natuurpunt hat in Flandern zerstreut Teams von Arbeitern, die von diplomierten Ökologen und Landschaftsplanern angeleitet werden) zum Teil durch Freiwillige der örtlichen Abteilungen. Diese Freiwilligen haben eigene Geräte und Maschinen zur Verfü gung – Millionen Euro LIFE-Mittel sind schon genutzt worden, um für das Personal und die Ortsabteilungen Traktoren, Mähgeräte, Kettensägen usw. zu erwerben. Nur Arbeit, die besondere Kenntnis oder Geräte braucht, wird von Dritten mittels Werkverträgen durchgeführt. Die Dauerpflege ist in der Verantwortung der jeweiligen Ortsabteilung. Sie organisiert Arbeitstage im Gelände, an denen die Mitglieder, ihre Freunde und Bekannten eingeladen werden, sich an bestimmten Tagen und Orten zu treffen und bei der Mahd, beim Gehölzschnitt, bei der Entfernung invasiver Pflanzen usw. zu helfen. Solche Arbeitstage werden recht häufig organisiert, und die Teilnahme ist recht gut – ein Großteil der Dau erpflege, vor allem in Flandern, wird schon seit Jahren so gewährleistet. Bei den Provinciale Landschap pen ist für die Arbeit im Gelände nur begrenzt Personal vorhanden, überwiegend für die Bauaufsicht. Man schaltet vor allem Auftrag nehmer ein, was den Vorteil hat, dass jede Provinciale Landschap damit in ihrer Provinz den Ruf bekommt, Arbeit und Aufträge an lokale Firmen zu verteilen. Auch werden Landwirte eingesetzt, entweder als Pächter oder als Werkvertragsnehmer. Beim National Trust sind Freiwillige und Ehrenamt liche sogar formal anerkannt und bekommen Vorteile wie Gruppen führungen oder (für jugendliche Freiwillige) Schulungen. Der National Trust sagt, dass viele Ehrenamtliche höchstqualifizierte Personen im Ruhestand sind, die sich gerne einsetzen. Solche Personen haben Fachkenntnis, Erfahrung, Kontakte usw. und werden auch gerne bei der Verwaltung und Pflege der Güter eingesetzt. Es gibt sogar »Panels«, in denen Ehrenamtliche als Sach verständige den National Trust in bestimmten Bereichen beraten, z. B. besteht der »Natural Environ ment Panel« aus Akademikern, mit öffentlichen Körperschaften verbundenen Personen und Fach leuten im Ruhestand, die den National Trust bei der Naturschutz arbeit ehrenamtlich beraten. Diese Ehrenamtlichen überwachen sogar Großprojekte. Herr Bullock vom National Trust empfiehlt der DBU, ein ähnliches System zur Begleitung durch Externe einzuführen – Ver bände werden ansonsten leicht selbstgenügsam und introvertiert, sagte er mir. Diese Begleitung muss aber unbedingt unabhängig sein, und es muss klar sein, dass ehrliche und kritische Meinungen gefragt sind und auch angenommen und umgesetzt werden! In Belgien gibt es eine weitere Besonderheit: Auf Grundlage des »plan de gestion« können die Verbände bei der flämischen oder wallonischen Behörde (Naturschutz ist regionale, nicht nationale Kompetenz in Belgien) für ein Gebiet die Anerkennung als »réserve naturelle agréée« (anerkanntes privates Naturschutzgebiet) beantragen. Der Antrag auf Aner kennung wird geprüft (von der Naturschutzbehörde, dem Umwelt rat, dem Landwirtschaftsministerium usw.), ggf. werden Änderungen im »plan de gestion« erbeten und bei positiver Bewertung wird das Gebiet mit dem Pflegeplan vom Umweltminister anerkannt (arrêté spécifique d’agrément de réserve). Diese Anerkennung hat zur Folge, dass Zuschüsse für die Dauerpflege des Gebiets von der Regierung bezahlt werden. Man muss dann der Naturschutzbehörde jährlich berichten und jedes fünfte Jahr muss ein ausführlicher Monitoringbericht über die Entwicklung der geschütz ten Lebensräume und Arten erstellt werden. Mit diesen Zuschüssen werden also die Kosten der Dauer pflege finanziert – sowohl die Kosten der Freiwilligenarbeit (Brennstoff, Ersatzteile der Maschinen usw.) als auch die anteiligen Kosten des Verbandspersonals (Löhne). In Luxemburg wird das Naturschutz gesetz von 2004 zurzeit geändert, um eine staatliche Anerkennung privater Naturschutzgebiete und deren finanzielle Unterstützung auch dort zu ermöglichen. In Flandern werden Landwirte wenig in die Gebietspflege einbe zogen, weil die Landwirtschaft intensiv ist und Landwirte wenig oder gar kein Interesse an extensiver Beweidung oder Heumahd haben. 39 National Trust England, Netzwerke Benelux-Staaten In Wallonien und vor allem in Luxem burg dagegen werden Landwirte viel häufiger für die Gebietspflege genutzt. Sie können Grünland der Verbände zur Beweidung oder Heumahd mittels contrats d’usage (Nutzungsverträgen) bewirtschaf ten, die den Pflegebedarf genau festlegen. Die Landwirte können dann für solche Nutzungen eine EU-Agrarumweltförderung (MAE – mésures agri-environnementales, aus der zweiten Säule) oder »Natura2000-Entschädigungszahlungen« bekommen. Natagora und Hellef fir d’Natur haben sogar Angestellte, die die Landwirte beraten und ihnen helfen, solche Finanzhilfen zu bekommen. Ein Beispiel: Im Gebiet »Eisleck« hat Hellef fir d’Natur 315 ha im Eigentum, wovon 130 ha beweidet werden. Dafür sind Beweidungs verträge mit 28 Landwirten aus der Gegend abgeschlossen worden. 40 Monitoring In Belgien wird das Monitoring weit gehend von örtlichen Mitgliedern der Verbände durchgeführt. Sogar für empfindliche Arten, die ein bestimm tes Fachwissen voraussetzen (Fledermäuse, Amphibien usw.), gibt es ehrenamtliche Arbeitsgruppen innerhalb von Natuurpunt und Natagora, die sich mit dem Monito ring dieser Arten befassen. In den Niederlanden ist das Erfolgsmonitoring zurzeit unsicher. Bisher wurde es durch das nationale Ministerium durchgeführt (in der Regel über outsourcing), weil die Förderung gekoppelt war an genau umschriebene Maßnahmen und festgelegte Ergebnisse. Mit dem neuen dezentralen Förderprogramm wurde dieses Vorgehen geändert. Es wird jetzt darüber diskutiert, ob es möglich wäre, manche Verbände als »gecertifieerd beheerder« anzuerkennen. Dann können sie das Ex-post-Monitoring in ihren geförderten Projekten selbst durchführen und die Ergebnisse den Behörden zuleiten. Der Gedanke dahinter ist natürlich, die Kosten für die Erfolgskontrolle im öffentlichen Haushalt einzusparen. Wenn diese Möglichkeit jedoch scheitert, werden die Provinzen eigene Kontrolleure einsetzen. Natürlich haben die Provinciale Landschappen eigene Fachleute (Biologen/Ökologen), die Monitoring (sowohl Ersterfassungen als auch an Maßnahmen gebun denes Monitoring) durchführen und werden auch weiterhin Werkverträge abschließen. Was genau an Daten gesammelt wird, variiert zwischen den Landschappen. Beim National Trust ist man gerade dabei, ein komplett neues System des Monitorings einzuführen. Die Umsetzung der »property management plans« wird mit »Conservation Performance Indica tors« (CPI) gemessen, die sich auf einer »Threat Reduction Analysis« basieren. Diese Arbeit wird zentral gelenkt von der »Conservation Data Management Unit« in Swindon (Herr Huw Davies). Das Eigenartige an dieser Methodik ist, dass die CPI-Indikatoren aus einer einzigen Ziffer (als Prozentsatz ausgedrückt) besteht und alle Formen von »Conser vation« umfasst – von historischer Bausubstanz über Teppiche bis zu alten Obstgärten, Torfmooren oder artenreichem Grünland. Wie funk tioniert das? Für jedes Schutzgut, das im Property Management Plan aufgenommen wurde, definiert man: die Bedeutung des Schutzgutes (Significance), wie schlimm es wäre, sollte das Schutzgut verschwinden (Consequence) und die Dringlichkeit der Hand lungen, um das Ziel zu erreichen (Urgency). Diese Angaben werden dann quanti fiziert (bekommen Ziffern): »Weighting« = Wie viel Ziele sind für dieses Schutzgut gesetzt worden? »Ranking« = Reihenfolge im Vergleich zu anderen Schutz gütern im Gebiet, auf das sich der Plan bezieht. »Delivery« = Wie weit sind wir vom Ziel entfernt? Wie viele der notwendigen Maßnahmen sind umgesetzt worden? Dieser Wert wird als Prozentzahl ausgedrückt. (Man will ihn noch ergänzen um einen Parameter, wie gründlich und in welcher Qualität die Maßnahmen umgesetzt wurden.) Der »Raw score« ist die Summe von »Ranking« und »Delivery« für jedes Schutzgut, aber auch für das Gut in seiner Gesamtheit (»average raw score«). Diese »raw score«-Ziffer soll sich in Folge der Durchführung National Trust England, Netzwerke in den Benelux-Staaten von zielführenden Maßnahmen ändern. Wenn er niedrig bleibt (wichtiges Schutzgut, aber noch weit vom gewünschten Ziel entfernt), deutet das auf ein Problem hin. Der Vorteil dieses Systems ist, dass die Indikatoren für alle 400 Güter leicht zu überblicken sind (weil es sich nur um Ziffern handelt). Dies gilt vor allem für die »average raw scores«, die den Zustand eines gesamten Gutes darstellen. Man kann aber ebenso gut alle Ziffern für eine bestimmte Kategorie von Schutz gütern (z. B. für alte Möbel oder für Fledermäuse) herausarbeiten und sehen, wie es darum steht. Wegen ihrer Übersichtlichkeit werden die CPIs (die jährlich neu berechnet werden) von der zentralen Verwal tung genutzt, um zu sehen: wo es Schwierigkeiten gibt, wo prioritär investiert oder gearbeitet werden soll und wie allgemein der Fortschritt ist. Mittels eines »Management Infor mation Dashboards«, auf dem die CPIs zusammen sichtbar sind, kann sogar der Vorstand, der keine Zeit für Einzelheiten hat, fast mit einem Blick sehen, wo das Management gut läuft und wo nicht und so strate gische Entscheidungen treffen oder sich ggf. um Details kümmern, wenn ein CPI-Indikator Fragen aufruft. Vernetzung Die Zusammenarbeit des National Trusts mit anderen Verbänden ist eher ad hoc strukturiert. Der National Trust ist Mitglied der Major Landowners Group, die mit den Behörden beim Ziel »Halt des Ver lusts an Biodiversität« zusammen arbeitet. Außerdem gibt es den Wildlife & Countryside Link, ein Zusammenschluss von 35 Verbänden einschließlich der RSPB. Er leitet die Stellungnahmen und Bemerkungen der Verbände an Entscheidungs träger weiter. In der Praxis ist es aber nicht immer leicht, eine gemeinsame Stellungnahme zu erarbeiten, sagt man beim National Trust. Der National Trust betrachtet sich nicht als ein Lobbyverband, hat aber vor kurzem z. B. erfolgreich gegen Vorschläge der Regierung gekämpft, die Planungsvorschriften auflockern und damit ungünstige Bauvorhaben leichter ermöglichen würden. Was der National Trust jedoch tut, ist seine Kenntnis aktiv zu verbreiten. Es gibt ein Portal, auf dem sich Kolle gen über Erfahrungen und Techniken des National Trusts informieren können. Die Vernetzung ist in den Niederlanden dagegen sehr syste matisch ausgebaut. Weil die Provinciale Landschap pen früh gemerkt haben, dass die zwei anderen großen Akteure (NM und SBB) sehr gute Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern in Den Haag hatten und auch von den nationalen Medien als die Vertreter des Naturschutzes betrachtet wurden, haben die PL 1989 eine Platt form gegründet, auf der sie provinzübergreifend zusammenarbeiten konnten und die sie auf nationaler Ebene vertritt. Diese Plattform heißt »De12Landschappen«. Ihre Aufgaben: Austausch und Zusammen arbeit auf zwei Ebenen ermöglichen: 1) regelmäßige Treffen von Vertretern der Provinciale Landschappen auf Direktore nebene, die politische Themen auf nationaler diskutiert und 2) technischer Austausch und Zusammenarbeit, z. B. zur Entwicklung verbesserter topographischer Karten und GIS-Systeme Pflege von Beziehungen zu wichtigen Partnern auf natio naler Ebene wie die Postcode loterij und großen Firmen Einflussnahme auf Politik und Entscheidungsträger. Das war ehemals vor allem die Hauptstadt Den Haag, jetzt ist aber zunehmend das IPO (Inter Provinciaal Overleg) wichtig geworden, da die Provinzen so viele neue Zuständigkeiten im Naturschutz bekommen haben. Was kostet diese Vernetzung und wie wird sie bezahlt? Das Büro der 12 Landschappen in 2011 890 000 €. Dazu kamen noch 650 000 € für verschiedene Projekte, wie das oben erwähnte GIS-System. Insgesamt gibt es 11 Angestellte (=7 Vollzeit äquivalente). 1990 hat man mit 1,5 Angestellten angefangen! Der Haushalt und der Bericht des vergangenen Jahres werden dem Vorstand (Geschäftsführer der Provinciale Landschappen) zur Entscheidung vorgelegt. Wenn er einverstanden ist, wird das Geld für den Haushalt von den Provinciale 41 National Trust England, Netzwerke Benelux-Staaten Landschappen mittels eines Verteilschlüssels aufgebracht. Nach seiner Gründung hat die Vernetzungsplattform »De12Land schappen« Verbindungen mit den Kollegen in Natuurmonumenten, SBB usw. aufgebaut. Jetzt gibt es die »Groene Elf«, ein Zusammenschluss von 14 Naturschutzverbänden, die zusammen zwei Mitarbeiter ( 1,5 Vollzeitäquivalente) bezahlen, um im Parlament alles für den Naturschutz Wichtige zu beobachten und um Kontakte und Treffen mit Abgeordneten zu Stande zu bringen. Außerdem arbeitet man zusammen an technischen Problemen wie dem gemeinsamen System für die Betreu ung von Natura-2000- Gebieten. Sowohl der National Trust (Herr Bullock) als auch De12Landschappen (Herr Bartelink) haben ihr großes Interesse an einer Zusammenarbeit mit einem deutschen Netzwerk zum Ausdruck gebracht. 42 Zugabe: Flächensicherung in Neuseeland Mal was ganz anderes: Neuseeland, auf Maori »Aotearoa« ist ein leeres Land, dessen kleine Bevölkerung nicht ausreichend Kapital spart und nicht die notwendigen Investitionen für die eigene Industrie und Infra struktur aufbringt, geschweige denn für den Naturschutz. Daher wird sehr viel mit Freiwilligen gearbeitet, z. B. gibt es Arbeitstage für die Bekämpfung von invasiven Arten und die Bepflanzung von Flächen mit einheimischen Bäumen und Sträu chern. Außerdem werden, anstatt teurem Grunderwerb, sogenannte »covenants« eingesetzt, wobei der Landeigentümer mittels einer Art Grundbucheintragung sein Eigentum freiwillig für immer der Natur widmet. Das Land bleibt in Privat eigentum und kann vererbt oder verkauft werden, aber der Covenant bindet auch die Rechtsnachfolger. Der »Queen Elizabeth II National Trust« wurde 1977 speziell mit Unter stützung von einem Parlamentsge setz gegründet, um solche Covenants mit Eigentümern auszuhandeln und sie bei der Einrichtung zu begleiten. Natürlich werden die Covenants überall angenommen, aber der Trust versucht vor allem in den Gebieten zu arbeiten, wo es am dringlichsten und notwendigsten ist. Ein erheblicher Teil Neuseelands ist als Nationalpark oder Ähnliches geschützt. Das sind jedoch über wiegend Gebiete, die aus physischgeographischen Gründen schwer zu bewirtschaften sind, sodass die Unterschutzstellung relativ leicht war. Dagegen ist das Tiefland ab dem 19. Jahrhundert sehr stark von intensiver Land- und Forstwirtschaft umstrukturiert worden. Hier findet man nur noch wenig wilde Natur. Die Lebensraumtypen, die für diesen Raum prägend waren, wie KahikateaWälder und Torfmoore, sind sehr selten geworden. Es wird versucht, dort, wo solche bedrohten Lebens räume noch vorkommen, Covenants abzuschließen, um die letzten Restgebiete auf Privateigentum zu schützen. Der Queen Elizabeth II National Trust berät Eigentümer, die einen Covenant wünschen, sowohl über die gesetzlichen und grundbuch amtlichen Aspekte als auch über die notwendige naturschutzfachliche Einrichtung und Pflege. Der Trust kann mit dem Eigentümer einen Managementplan ausarbeiten, der Ziele und Maßnahmen festlegt. Alle zwei Jahre wird jedes Grundstück mit einem Covenant von Vertre tern des Trust besucht, die dann das Monitoring durchführen, mit dem Eigentümer über Fragen und Probleme reden und ihn ggf. bei der Lösung von Problemen beraten. Fördermittel gibt es aber nur sehr begrenzt. Der Eigentümer soll prin zipiell selbst für die Betreuung und Pflege sorgen. Es zeigt sich, dass die Eigentümer das auch tun, aus Stolz, Freude und Gemeinschaftssinn. Die Mehrheit der Covenants wird einge halten, auch von möglichen neuen Eigentümern. Oft sind die Ergebnisse im Gelände erstaunlich. Die Natur schutzmaßnahmen übersteigen die ursprünglichen Verpflichtungen der Eigentümer. Das Interesse und die Begleitung seitens des Trusts spielen da sicher eine Rolle. AG: Flächenmanagement Flächenmanagement – Konzepte und Hemmnisse Impulse durch: Christian Unselt Vorsitzender der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe Dr. Reinhard Stock DBU, Referatsleiter Naturschutz An der Arbeitsgruppe »Flächenmanagement« des Herbstsym posiums »Netzwerk Naturerbe« am 11. und 12. Oktober 2012 in Benedikt beuern nahmen 47 Vertreter von Umweltverbänden, Stiftungen und öffentlichen Verwaltungen teil. Unter der Leitung von Christian Unselt, NABU-Stiftung Nationales Naturerbe, und Dr. Reinhard Stock, DBU, diskutierten die Teilnehmer der Arbeitsgruppe zunächst die Voraus setzungen und Hemmnisse für ein erfolgreiches Flächenmanagement. Als wichtige Voraussetzungen wurden folgende Punkte genannt: Die fachliche Kompetenz und hohe Motivation der zustän digen Mitarbeiter. Ein schlüssiges fachliches Konzept, das dem Flächen management insgesamt und der Bewirtschaftung einzelner Flächen zugrunde gelegt wird. Umfangreiche Kenntnisse über die Flächen. Dazu gehören neben Daten zur Lage und Beschaffenheit der Fläche auch Kenntnisse über deren Umge bung, sodass auch externe Einflussfaktoren beim Manage ment berücksichtigt werden können. Die Informationen müssen zudem leicht verfüg bar sein, damit sie bei Bedarf kurzfristig abgerufen werden können. Die finanzielle Absicherung des Managements. Eine an Natur schutzzielen ausgerichtete Flächenbewirtschaftung ist häufig nur bei Bezuschussung kostendeckend möglich. Dafür müssen dauerhaft und lang fristig ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden. Die Kooperation mit allen relevanten Interessengruppen. In der Regel findet das Management von Naturschutz flächen nicht losgelöst von den Belangen anderer Nutzergruppen statt, sodass eine Zusammenarbeit und Abspra che mit allen Beteiligten notwendig ist, um eine hohe Akzeptanz für die Naturschutz maßnahmen zu erreichen. Ein klarer Rechtsrahmen für die Naturschutzziele, um die Sicherheit und Planbarkeit von Managemententscheidungen zu gewährleisten (z. B. bei Wilden Weiden). Als häufige Hemmnisse beim Flächenmanagement wurden ange führt: Geldmangel, um die gewünsch ten Maßnahmen umzusetzen. Kosten wie z. B. Grunderwerbssteuer, Grundsteuer, Wasserund Bodenverbandsabgaben, 43 AG: Flächenmanagement 44 die die Finanzierungsmöglichkeiten von Naturschutzmaßnahmen weiter einschränken. Eine zunehmende Flächenkon kurrenz mit anderen Landnutzungsinteressen, die sich sowohl beim Flächenerwerb als auch bei deren Bewirtschaftung zeigt. Die Komplexität der Rechtsmaterie mit zum Teil konkurrie renden bzw. widerstreitenden Anforderungen in verschiedenen Fachgesetzen. Verkrustete Strukturen sowohl in den beteiligten Verwaltungen als auch bei den flächenbesitzenden Naturschutzakteuren. Eine mangelnde Abstimmung der Naturschutzakteure untereinander in Bezug auf Flächen akquise und Management. Dementsprechend liegt der Hand lungsbedarf für das Netzwerk und die AG Flächenmanagement in den nächsten fünf Jahren vor allem darin, mithilfe einer umfassenden Datenrecherche eine Karte der eigentumsrechtlich gesicherten Naturschutzflächen Deutschlands zu erstellen. Diese könnte die Grundlage bilden für eine bessere Koordination aller Beteiligten und eine Abschät zung von vorrangigem Handlungs bedarf. Darauf aufbauend könnte im Netzwerk eine koordinierte Flächen erwerbsstrategie entwickelt werden. In gemeinsamen Qualifizie rungsveranstaltungen sollte die Fachkompetenz der im Netzwerk vertretenen Flächenmanager gestärkt werden. Gesammeltes Erfahrungswissen sollte in einem »Handbuch Flächenmanagement« zusammengetragen und hieraus sukzessive Qualitätsstandards für einzelne Aspekte des Flächen managements abgeleitet werden. Außerdem wurde der Wunsch geäußert, ein Personenregister mit Hinweisen auf spezifische Fachkom- petenzen anzulegen und den Mitgliedern des Netzwerks zugänglich zu machen. Die Netz werkmitglieder könnten sich dann gezielter untereinander in Fachund Rechtsfragen austauschen. Die Interessen und Bedürfnisse der Netzwerkmitglieder hinsichtlich des Flächenmanagements sollten in abgestimmter Form kommuniziert und in den politischen Raum getragen werden. Ein Ziel der politischen Positionierung des Netz werks wäre zum Beispiel, günstige Rahmenbedingungen für die Etablierung neuer Instrumente zur Flächensicherung und – bewirt schaftung zu schaffen (zum Beispiel steuerliche Möglichkeiten, eigen tumsrechtliche Instrumente wie beschränkte persönliche Dienstbar keiten). Den Mehrwert des Netzwerks sahen die Teilnehmer der AG in der gemeinsamen Sichtbarkeit der Akteure. Dem heterogenen Verbund flächenbesitzender Naturschutzakteure könnte durch das Netzwerk ein Name und damit ein höherer Wiedererkennungswert verliehen werden. Der Beitrag, den die Mitglieder zur Umsetzung der Biodiversitätsstrategie leisten, würde in der Zusammenschau besser deutlich werden. Darüber hinaus könnte die AG Flächenmanagement mittelfristig zur Qualitätssicherung auf den Naturschutzflächen beitragen, indem die Einhaltung von Qualitäts standards im Einzelnen überprüft und ggf. optimiert würde. Über eine Kooperation in der AG könnten Zuständigkeiten auch in räumlicher Hinsicht besser abgegrenzt und überflüssige Konkurrenzsituationen zwischen den Mitgliedern des Netz werks, z. B. bei der Flächenakquise, vermieden werden. Das nächste Treffen der AG Flächenmanagement ist für das Frühjahr 2013 vorgesehen. Ansprechpartner Christian Unselt Vorstand NABU-Stiftung Nationales Naturerbe Telefon 030 | 284 984 1800 [email protected] Dr. Reinhard Stock Stellv. Abteilungsleiter Umweltfor schung und Naturschutz in der DBU Telefon 0541 | 9633-330 [email protected] AG: Monitoring Monitoring – Wunsch und Wirklichkeit Impulse durch: Dr. Sabine Kathke Naturstiftung David, Projektleiterin Dr. Heike Culmsee DBU Naturerbe GmbH, Bereich Monitoring und Dokumentation Das Monitoring mit dem Ziel einer selbstkritischen Erfolgskontrolle der Umsetzung von Schutz- und Entwicklungszielen auf Naturschutzflächen im Eigentum von Umweltverbänden, Stiftungen und der öffentlichen Hand ist eine langfristige Aufgabe der Mitglieder des Netzwerks. In Bene diktbeuern diskutierten 19 Vertreter der Besitzer von Naturschutzflächen, der Länder- und Bundesbehörden und von Forschungseinrichtungen über den Handlungsbedarf, Koopera tionsmöglichkeiten und nächste Schritte zum Monitoring auf Flächen des Nationalen Naturerbes (NNE) und anderen naturschutzfachlich wertvollen Flächen. Ein Workshop der Naturstiftung David mit dem Themenschwer punkt »Monitoring auf kleinflä chigen Naturerbeflächen« fand am 19. Juni 2012 in Berlin statt. In Benediktbeuern fasste Frau Dr. Sabine Kathke (Naturstiftung David, Erfurt) die wichtigsten Ergebnisse in einem ersten Impulsreferat zusammen: Die Eigentümer von NNE-Flächen sind nicht zum Monitoring verpflichtet, der Bund behält sich jedoch eine Querschnittsevaluierung vor. Ein Monitoring sollte an Fragestellungen und Leitbildern orientiert sein. Dabei sollten bestehende MonitoringKonzepte so weit wie möglich berücksichtigt werden. Eine bundes weite Vergleichbarkeit der Methoden sollte für übergeordnete Frage stellungen gewährleistet sein. Als mögliche sinnvolle Bausteine für ein übergreifendes Monitoring werden gesehen: Biotoptypenkartierung, Stichprobeninventur im Wald, VogelMonitoring, Tagfalter-Monitoring und Foto-Monitoring. Das Konzept eines leitbildorientierten Monitorings auf DBU Natur erbeflächen wurde in einem zweiten Impulsreferat von Frau Dr. Heike Culmsee (DBU Naturerbe GmbH, Osnabrück) vorgestellt. Die Schutzund Entwicklungsziele sind für jede der DBU Naturerbe-Liegenschaften in Form eines Leitbildes festgelegt. Das Monitoring-Konzept umfasst neun Module, die nach Natur schutzstrategie (konservierend, Prozessschutz), Formation (Wald, Offenland, Übergänge) und der Beobachtungsskala (Naturerbe fläche, Stichprobennetz, Zählräume) sowohl im überregionalen als auch im regionalen Kontext angewendet werden können. Nach dem Bau kastenprinzip sollen die Module für die Erfolgskontrolle der Umsetzung der liegenschaftsspezifischen Leitbilder eingesetzt werden. So ist beispielsweise die Biotoptypenkar tierung als Werkzeug zur Bewertung der Erhaltung und Entwicklung von Biotopen auf der Gesamtfläche des DBU Naturerbes sowohl die zentrale fachliche Planungsgrundlage der Naturerbeentwicklungsplanung 45 AG: Monitoring im Abstimmungsprozess mit den Ländern als auch die Grundlage für das bundesweit vergleichbare Flächenmonitoring. In einem übergreifenden föderalen Ansatz wurde daher ein übergreifender metho discher Standard der Biotoptypen kartierung entwickelt, der bereits auf DBU Naturerbeflächen umgesetzt wird. Im Rahmen des Workshops diskutierten die Teilnehmer/-innen anhand von vier Leitfragen mögliche gemeinsame Monitoring-Ansätze und -Aktivitäten des Netzwerks Nationales Naturerbe. 46 Handlungsbedarf in den nächsten fünf Jahren? Der größte Handlungsbedarf wird in der Festlegung von für die Erfolgs kontrolle des naturschutzfachlichen Flächenmanagement relevanten Modulen gesehen (Pflicht versus Kür). Der Abgleich von Datenerhebungs methoden und die Vereinheitlichung von Auswertungsmethoden ist dabei die Voraussetzung für eine Vergleichbarkeit über Eigentümerund Ländergrenzen hinweg. Da bereits im Zuge der Übertragung eine Ist-Zustands-Erfassung zur Festlegung der Naturschutzkriterien erfolgt, ist wünschenswert, ein gemeinsames Vorgehen möglichst zeitnah zu entwickeln. Die Umset zung von Monitoring-Konzepten auf Flächen des Nationalen Naturerbes sowie anderen naturschutzfachlich wertvollen Flächen kann durch ehrenamtliches Engagement sinnvoll unterstützt werden; hierfür wird die Aktivierung und Qualifizierung von ehrenamtlichen Naturschützern gewünscht. Kooperationsmöglichkeiten? Kooperationsmöglichkeiten bestehen zum einen zwischen den Partnern des Netzwerks, zum anderen zu weiteren Kooperationspartnern wie z. B. Landesämtern, Naturschutzverbänden ohne Flächenbesitz und Hochschulen bzw. Forschungsinstitutionen. Es werden insbesondere Kooperationen in folgenden Aufgabenfeldern gewünscht: Methoden entwicklung, Qualitätssicherung, Datenmanagement, allgemeiner Erfahrungsaustausch und Weiter bildung. Mehrwert des Netzwerks? Das Netzwerk Nationales Naturerbe bietet eine Plattform für die gemein same Entwicklung von MonitoringAnsätzen, für den Methoden- und Dokumentenaustausch; dabei kann sich insbesondere der Erprobungsund Entwicklungsaufwand für die einzelnen Netzwerkmitglieder durch Kooperationen erheblich reduzieren. Die übergreifende Aussagekraft von nach gemeinsamen Standards erhobenen naturschutzfachlichen Monitoring-Ergebnissen soll zu einer erhöhten politischen Schlagkraft bei der Durchsetzung gemeinsamer Anliegen führen. Nächste Schritte? Ein Arbeitskreis »Monitoring im Nationalen Naturerbe« soll etabliert werden, der sich regelmäßig zur Bearbeitung gemeinsamer Frage stellungen trifft. Das nächste ein- bis zweitä gige Treffen, bei dem politikfähige Indikatoren mit einer übergreifenden Aussagekraft für das Nationale Naturerbe erarbeitet werden sollen, ist für Februar/März 2013 geplant. Ansprechpartner Dr. Sabine Kathke Naturstiftung David Telefon 0361 | 555 03-38 [email protected] Dr. Heike Culmsee DBU Naturerbe GmbH, Monitoring und Dokumentation Telefon 0541 | 9633-640 [email protected] AG: Umweltbildung AG: Umweltbildung Umweltbildung – zwischen Besucherlenkung und Informationsvermittlung Impulse durch: Dr. Susanne Eich Heinz Sielmann Stiftung, Leiterin des Bereichs Umweltbildung Dr. Alexander Bittner DBU, Referatsleiter Umweltbildung Die Arbeitsgruppe Umweltbildung im Netzwerk Naturerbe fokussiert auf die Entwicklung von Produkten und Methoden der Umweltbildung und deren Angebot auf Liegenschaf ten im Netzwerk Naturerbe. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe richten ihr Engagement weiterhin auf die Identifizierung von Handlungsfeldern im Bereich Umweltbildung und Umweltkommunikation. Die Arbeitsgruppe koordiniert gemeinsame fachliche Entwicklungen und Aktivitäten im Netzwerk Naturerbe. Diese sollen u. a. von der Entwicklung mobiler Anwendungen zur Besucher lenkung und Besucherinformation mittels Geo-Medien, über Fach tagungen und Workshops sowie Fortbildungsangebote bis hin zur Aktivierung und Schulung ehren amtlich interessierter Akteure im Umfeld von Naturschutzflächen des Netzwerks Naturerbe reichen. In der Arbeitsgruppe soll der in der Charta zum Netzwerk Naturerbe beschrie bene Bereich Bildung fachlich und praktisch ausdifferenziert werden. Die Arbeitsgruppe führt hierbei den Dialog mit Akteuren und Netzwerken aus dem Handlungsfeld Umwelt bildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung. Mitglieder der Arbeitsgruppe sind aktuell die Heinz-Sielmann Stiftung, die Michael Succow Stif tung, die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), die Stiftung Natur schutz Schleswig Holstein, die DBU Naturerbe GmbH, die NABU-Stiftung Hessisches Naturerbe, die Stiftung Zukunft Wald, die Niedersächsische Wattenmeerstiftung, die Natur schutzsstiftung Heidekreis, die Alfred Töpfer Akademie für Naturschutz, die Markus Stiftung und die Natur & Text GmbH. Die Arbeitsgruppe steht allen Mitgliedern des Netzwerks Naturerbe für eine aktive Mitarbeit offen. Ansprechpartner Dr. Susanne Eich Heinz-Sielmann Stiftung Telefon 05527 | 914-116 [email protected] Dr. Alexander Bittner Deutsche Bundesstiftung Umwelt Telefon 0541 | 9633-430 [email protected] 47 AG: AG 4: Öffentlichkeitsarbeit Öffentlichkeitsarbeit Öffentlichkeitsarbeit – Begeisterung und Akzeptanz schaffen Impulse durch: Dr. Walter Hemmerling Geschäftsführender Vorstand der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein Dr. Markus Große Ophoff Fachlicher Leiter des Zentrums für Umweltkommunikation der DBU 48 Anlässlich des Herbstsymposiums »Netzwerk Naturerbe« am 11. und 12. Oktober 2012 traf sich zum ersten Mal die Arbeitsgruppe: »Öffentlich keitsarbeit«. In der Arbeitsgruppe erklärten insgesamt 20 Teilnehmer, dass sie Interesse an einer weiteren Mitarbeit in der Arbeitsgruppe haben. Die Arbeitsgruppe wird sich zukünftig etwa zwei Mal pro Jahr treffen. Die Arbeitsgruppe ist für weitere Interes senten offen. Ausgang der Beratungen war ein Impulsvortrag von Dr. Walter Hemmerling, Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein, in dem er von gelungenen Aktionen seiner Stiftung im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit berichtete, und ein weiterer Impuls vortrag von Dr. Markus Große Ophoff, Zentrum für Umweltkommunikation der DBU, der von Ansatzpunkten der Öffentlichkeitsarbeit zu Naturschutz themen und der UN Dekade Bio logische Vielfalt berichtete. Die anschließende Diskussion hatte zum Ziel, Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und Themen für die weitere Arbeit der Arbeitsgruppe festzulegen. Inhaltlich soll es in dem Netzwerk um Flächen des Nationalen Naturerbes und um langfristig gesichertes Flächeneigentum für den Naturschutz gehen. Eine koordinierte gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit sollte Fachkreise, die Bevölkerung und insbesondere auch junge Leute ansprechen. Auf vorhandenen Akti vitäten – beispielsweise der Natur schutzstiftung David – sollte auf gebaut werden. Als Arbeitsprogramm für ein zweitägiges Treffen im ersten Quartal 2013 wurden folgende Themen besprochen: Erfahrungsaustausch unter den Beteiligten Gemeinsame Aktionen (z. B. Tag des Nationalen Naturerbes oder kulinarischer Naturtag) Internetseite des Netzwerks Nationales Naturerbe. Ein Termin für dieses Treffen wird unter den Beteiligten abgestimmt. Wenn möglich, soll es gemeinsam mit der Arbeitsgruppe »Umwelt bildung« durchgeführt werden. Ansprechpartner Dr. Walter Hemmerling Stiftung Naturschutz SchleswigHolstein Telefon 0431 | 210 90-11 [email protected] Dr. Markus Große Ophoff Zentrum für Umwelt kommunikation der DBU Telefon 0541 | 9633-901 [email protected] Charta für ein Netzwerk Nationales Naturerbe Charta für ein Netzwerk Nationales Naturerbe 1 Charta für ein Netzwerk Nationales Naturerbe Worum es geht Deutschland hat ein reiches Naturerbe. Es umfasst die große Vielfalt mitteleuropäischer Landschaften – von der Nord- und Ostsee bis in die Alpen – mitsamt den hier vorkommenden Arten und Lebensgemeinschaften. Dieses Naturerbe gilt es für alle zu erhalten, zu entwickeln und an die nächsten Generationen weiterzugeben. Naturschutzflächen im Eigentum von Umweltverbänden, Stiftungen und der öffentlichen Hand sind Teil dieses Erbes. Auf diesen Flächen hat die Natur zum Wohle aller Vorrang. Wer wir sind Die Unterzeichner dieser Charta bilden das Netzwerk Nationales Naturerbe. Wir sind ein Bündnis von Akteuren im Naturschutz, die gemeinsam rund 170.000 ha Hektar des deutschen Naturerbes besitzen. Wir Mitglieder des Netzwerks Nationales Naturerbe zeichnen uns aus durch: Die Naturschutzausrichtung unseres Engagements. Wir betreuen und entwickeln Flächen, die vorrangig der Umsetzung der Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege dienen. Die Naturschutzziele auf den Flächen des Nationalen Naturerbes richten sich nach den fachlichen Kriterien, die während der Flächenübertragung festgelegt wurden. Das Management der anderen Flächen orientiert sich ebenfalls an den Kriterien des Nationalen Naturerbes. Den Kooperationswunsch unseres Engagements. Wir betreiben Naturschutz auf solchen Flächen, die wir durch Ankauf, Pacht, Schenkung oder Übertragung übernommen haben oder auf Flächen, deren Eigentümer unseren Naturschutzmaßnahmen zustimmen. Dabei bedienen wir uns eigentumsrechtlicher, vertraglicher und ordnungsrechtlicher Instrumente. Wir befürworten die Zusammenarbeit mit anderen Interessengruppen. Die Langfristigkeit unseres Engagements. Wir sichern die Flächen in unserem Eigentum dauerhaft für den Naturschutz. In unserer Funktion als Grundeigentümer schützen wir wichtige Naturgebiete vor der Zerstörung und vor Beeinträchtigungen. Indem wir uns für die Wälder, Offenlandlebensräume und Gewässer in unserem Eigentum einsetzen, bewahren wir einen Teil unserer Heimat. Wir sichern Landschaften, die Menschen am Herzen liegen und deren Erhaltung für zukünftige Generationen bedeutend ist. Benediktbeuern, 11./12. Oktober 2012 49 Charta für ein Netzwerk Nationales Naturerbe 2 Die durch das Netzwerk Nationales Naturerbe betreuten Gebiete haben eine besondere Bedeutung als Bausteine eines nationalen Biotopverbundsystems. Sie beherbergen eine Vielzahl seltener und gefährdeter Tier- und Pflanzenarten. Oft handelt es sich hierbei um großflächige Wildnisgebiete, offen für die Dynamik natürlicher Prozesse und frei von menschlicher Einflussnahme. Zur Gebietskulisse des Netzwerks Nationales Naturerbe zählen alle Flächen unserer Mitglieder, die vorrangig dem Naturschutz gewidmet sind. Ein Kernstück unseres Engagements bildet das Nationale Naturerbe – Naturschutzflächen, die dauerhaft aus dem Eigentum der Bundesrepublik Deutschland überwiegend in die Trägerschaft der Länder, der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und von Naturschutzorganisationen übertragen wurden. Hierzu gehören unter anderem nicht länger genutzte Militärflächen und Braunkohle-Tagebaue, die sich zu faszinierenden Naturoasen entwickelt haben sowie die ehemalige innerdeutsche Grenze, die zu einem Grünen Band geworden ist, das verbindet statt zu trennen. Was wir wollen Als Mitglieder des Netzwerks Nationales Naturerbe übernehmen wir aktiv Verantwortung für unser gemeinsames natürliches Erbe in Deutschland. Wir leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der globalen biologischen Vielfalt. Wir verstehen uns als Treuhänder der Natur. Wir handeln nicht eigennützig, sondern im Interesse aller Menschen, indem wir die uns anvertrauten Naturgebiete bewahren, ihren Zustand verbessern und sie dauerhaft vor Beeinträchtigungen schützen. Die eigentumsrechtliche Sicherung ist für die Umsetzung dieser Ziele ein gutes Mittel, wenngleich Naturschutz grundsätzlich auch auf Flächen sinnvoll und notwendig ist, die nicht vorrangig für Naturschutzzwecke gesichert wurden. In Europa und insbesondere in Deutschland gibt es nur noch wenig von menschlicher Nutzung unbeeinflusste Natur. Wir treten deshalb dafür ein, dass natürliche Prozesse auf ausgewählten, möglichst großen und zusammenhängenden Wildnisflächen den Vorrang bekommen. Deutschland ist aber auch durch vielfältige Kulturlandschaften wie Wiesen, Weiden und Heiden geprägt. Es ist ebenso wichtig, diese naturschutzfachlich wertvollen Elemente unserer Landschaft durch angepasste und naturverträgliche Nutzungsformen langfristig zu erhalten. Die ganze Bandbreite der natürlichen und durch menschliche Nutzung entstandenen landschaftlichen Vielfalt Deutschlands kann nur so bewahrt werden. Wenn sich Menschen für die Natur begeistern, den Wert der Natur anerkennen und sich ihrer eigenen Verantwortung bewusst werden, unterstützen sie auch den Schutz der Natur. Umweltbildung auf unseren Flächen ist daher ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. Sie macht die landschaftliche und biologische Vielfalt Deutschlands erlebbar und ermöglicht persönliche Naturerfahrungen. Mit ihr möchten wir Menschen für den Naturschutz gewinnen und das Verständnis für dessen Anliegen steigern. Wir sind der Überzeugung, dass wir gemeinsam durch Wissens- und Erfahrungsaustausch sowie durch Zusammenarbeit den Umfang, die Qualität und die Nachhaltigkeit von Flächenschutz in Deutschland steigern und den Umgang mit unserem natürlichen Erbe verbessern können. Das Netzwerk Nationales Naturerbe trägt hierdurch zu zentralen Zielen der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt bei. 50 Benediktbeuern, 11./12. Oktober 2012 Charta für ein Netzwerk Nationales Naturerbe 3 Wie wir arbeiten Das Netzwerk Nationales Naturerbe ergänzt bestehende Netzwerke von Naturschutzakteuren und arbeitet mit diesen zusammen. Es möchte die dort geleistete Arbeit unterstützen und vertiefen. Dazu bündeln wir aktuelle Informationen zu Naturschutzflächen in der Verantwortung unserer Mitglieder. Wir tragen dazu bei, dass unsere Mitglieder als Teil einer größeren Bewegung innerhalb und außerhalb Deutschlands wahrgenommen werden. Durch unser gemeinsames Auftreten erhöhen wir die Sichtbarkeit und Wirksamkeit der Aktivitäten jedes Einzelnen. Wir Mitglieder des Netzwerks Nationales Naturerbe diskutieren und kooperieren bei inhaltlichen Fragen rund um den Themenkomplex Naturschutz, Flächennutzung und Grundeigentum. Wir veranstalten dazu regelmäßige Workshops, Tagungen und bieten andere Möglichkeiten des Informationsaustausches. Wir entwickeln, moderieren und kommunizieren gemeinsame Positionen unserer Mitglieder. Wir setzen uns dafür ein, in Politik und Gesellschaft Gehör für die Anliegen des eigentumsrechtlichen Naturschutzes zu finden. Benediktbeuern, 11./12. Oktober 2012 51 Charta für ein Netzwerk Nationales Naturerbe Mitglieder des Netzwerks 52 Bayerischer Naturschutzfonds Beate & Hubert Weinzierl Stiftung Biosphärenreservat Südost-Rügen BUND-Stiftung Deutsche Bundesstiftung Umwelt – Naturerbe GmbH Deutsche Wildtier Stiftung Förderverein FeldbergUckermärkische Seenlandschaft e.V. Heinz Sielmann Stiftung Kurt und Erika Schrobach Stiftung Landesbund für Vogelschutz in Bayern Landesverein Sächsischer Heimatschutz Michael-Succow-Stiftung NABU Stiftung Hessisches Naturerbe NABU Stiftung Nationales Naturerbe NABU Stiftung Naturerbe Mecklenburg-Vorpommern Nationalpark Bayerischer Wald Nationalpark Kellerwald-Edersee Naturlandstiftung Saar Naturschutzstiftung Grafschaft Bentheim Naturschutzstiftung Heidekreis Naturschutzstiftung Landkreis Emsland Naturstiftung David Nordrhein-Westfalen Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege Sächsische Landesstiftung Natur und Umwelt Stadt Göttingen - Stadtwald Stiftung für Umwelt, Naturund Klimaschutz (SUNK) Stiftung Hof Hasemann Stiftung Kulturlandschaft Günztal Stiftung Naturlandschaften Brandenburg Stiftung Naturschutz Hamburg und Stiftung Loki Schmidt Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein Stiftung Naturschutz Thüringen Stiftung Naturschutzfonds Brandenburg Stiftung Naturschutzpark Lüneburger Heide Stiftung Pro Artenvielfalt Stiftung Reepsholt Stiftung Umwelt und Naturschutz MecklenburgVorpommern Stiftung Wälder für Morgen Verschönerungsverein Siebengebirge Wildland Stiftung Bayern WWF Deutschland Zentrum für Umwelt und Kultur Benediktbeuern Zoologische Gesellschaft Frankfurt Zweckverband Landschaft der Industriekultur Zweckverband Presseler Heidewald- und Moorgebiet 53 Impressum Impressum Herausgeber Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde, Dr. Reinhard Stock, Pater Karl Geißinger SDB Tagungskonzeption und Redaktion Dr. Reinhard Stock Layout Maria Lau Zentrum für Umweltkommunikation der DBU gGmbH Verantwortlich Dr. Markus Große Ophoff Zentrum für Umweltkommunikation der DBU gGmbH Druck STEINBACHER DRUCK GmbH, Osnabrück Stand Juni 2013 Bildnachweis Titel und S. 9 Rosing, s. 10 Meysemeyer, S. 17 L. Jeschke, S. 18 Succow und Joosten, S. 19 Positionspapier »Potentiale und Ziele zum Moor- und Klimaschutz«, S.20 M. Succow, S. 23 oben: Land Turst Alliance, unten: nationalatlas.gov, S.24 Land Trust Alliance 2005, S. 25 Land Trust Alliance Gedruckt auf 100 % Altpapier 54 Deutsche Bundesstiftung Umwelt Postfach 1705 · 49007 Osnabrück An der Bornau 2 · 49090 Osnabrück Telefon0541|9633-0 Telefax0541|9633-190 www.dbu.de