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Dokumentation Auf der Suche nach Gerechtigkeit Was heißt Gerechtigkeit für Frauen und Mädchen, die sexualisierte Gewalt in bewaffneten Konflikten erfahren haben? Internationale Fachtagung 7.–11.September 2008 Bad Honnef, Deutschland Dieser Bericht ist Rhonda Copelon gewidmet, die am 6. Mai 2010 verstorben ist. Rhonda war eine unverzichtbare Teilnehmerin der Tagung. Sie hat uns an ihrem enormen juristischen Wissen und an ihrer Erfahrung im Kampf um die Rechte von Frauen teilhaben lassen und uns und Frauen weltweit mit ihrem Engagement inspiriert. Impressum Herausgeberin: medica mondiale e.V. Hülchrather Straße 4 50670 Köln Tel.: +49 (0)221 931898-0 Fax: +49 (0)221 931898-1 www.medicamondiale.org [email protected] Die Arbeitstagung fand in Kooperation mit dem UNBüro für Menschenrechte (OHCHR) statt und wurde vom Institut für Auslandsbeziehungen (Projekt zivik) unterstützt. Organisatorinnen der Tagung: Gabi Mischkowski, Malin Bode, Bonnie Keller Assistenz: Jessica Mosbahi Redaktion: Rita Schäfer, Gabi Mischkowski, Bonnie Keller, Malin Bode Fotos: Cornelia Suhan Gestaltung und Layout: bleydesign, Ute Bley Wir bedanken uns beim Sigrid Rausing Trust für die finanzielle Unterstützung der Vorbereitungsphase 2006/2007. Verantwortlich im Sinne des Presserechts V.i.S.d.P.: Selmin Çaliş kan Köln 2009 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung........................................................................................................................................................................... 4 2. Über medica mondiale...................................................................................................................................................... 7 3. Tagungsprogramm ............................................................................................................................................................ 9 4. Einführungsvortrag: Malin Bode.................................................................................................................................... 10 5. Einführungsvortrag: Bonnie Keller ................................................................................................................................ 14 6. Berichte aus den Arbeitsgruppen.................................................................................................................................. 16 6.1. 6.2. 6.3. 6.4. Arbeitsgruppe 1: Traditionelles Recht ........................................................................................................................ 16 Arbeitsgruppe 2: Nationales Recht ............................................................................................................................ 19 Arbeitsgruppe 3: Internationales Strafrecht ............................................................................................................. 22 Arbeitsgruppe 4: Andere Konfliktlösungsmechanismen ......................................................................................... 26 7. Alternative Formen von Gerechtigkeit .......................................................................................................................... 29 7.1. Internationales Frauen-Tribunal in Tokio, 2000 ........................................................................................................ 29 7.2. Das Frauendorf „Umoja Uaso Women’s Village” und „Umoja Uaso Women’s Group” in Kenia ............................ 30 7.3. Collective Initiative for Justice, Indien ....................................................................................................................... 31 8. Schusserklärung und zusammenfassende Empfehlungen.......................................................................................... 33 Anhang: Kontaktgruppen – vier international vernetzte Teams...................................................................................................... 35 Teilnehmerinnen................................................................................................................................................................... 36 Organisation und Mitarbeit ................................................................................................................................................. 37 Fotoanhang............................................................................................................................................................................38 3 1. Einleitung 1. Einleitung Vom 7. bis 11. September 2008 fand in Bad Honnef die internationale Fachtagung „Auf der Suche nach Gerechtigkeit – Was heißt Gerechtigkeit für Frauen und Mädchen, die sexualisierte Gewalt in bewaffneten Konflikten erfahren haben?“ statt. Diese von medica mondiale veranstaltete Arbeitstagung widmete sich der Frage, wie Frauen und Mädchen, die sexualisierte Gewalt in bewaffneten Konflikten überlebt haben, Gerechtigkeit erfahren können. Über 50 Frauen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Europa nahmen daran teil. Mehrheitlich kamen sie aus Nachkriegsländern. Nationale Rechtsreformen haben vielerorts nur eine geringe Reichweite. Insbesondere in Ländern mit einer rudimentär funktionierenden und korrupten Justiz werden mühsam errungene Rechtsreformen in der Praxis kaum umgesetzt. Zahllosen Frauen sind weder nationale noch traditionelle Institutionen zugänglich, außerdem sind deren Konfliktregelungen oft frauenfeindlich und erniedrigend. Auch Wahrheitskommissionen und Entschädigungsprogramme sind für viele Frauen und Mädchen, die Opfer sexualisierter Kriegsgewalt wurden, häufig unerreichbar. In vielen Fällen ignorieren sie sexualisierte Kriegsverbrechen gänzlich und verhindern so, dass Frauen, die sexualisierte Gewalt überlebt haben, Gerechtigkeit widerfährt. Hintergründe Frauen und Mädchen werden seit je her in Kriegen gezielt angegriffen, insbesondere in Form sexualisierter Gewalt. Dieses Unrecht blieb bis vor kurzem ungesühnt. Dann setzten bosnische und kroatische Frauen ein Zeichen: Sie berichteten vor laufenden Kameras über das enorme Ausmaß von Vergewaltigungen im Krieg, der 1992–95 im ehemaligen Jugoslawien stattfand. Damit lösten sie einen Sturm weltweiter Empörung aus, der schließlich zur Gründung des Internationalen Tribunals zum Krieg im ehemaligen Jugoslawien führte. Während Friedensforscher und politische Planer oft vorbehaltlos die Übergangsjustiz (‚Tansitional Justice’) als Mittel zur Friedenssicherung preisen, kritisieren Rechtsexpertinnen und Friedensaktivistinnen, dass trotz eines unverkennbaren Fortschrittes in der Wahrnehmung sexualisierter Gewalt diese Instrumente in ihrer derzeitigen Form und Ausgestaltung für weibliche Überlebende weder Frieden, noch Gerechtigkeit, Wahrheit oder Versöhnung schaffen. Die existentiellen Forderungen nach praktischer Unterstützung, z. B. durch medizinische Versorgung oder materielle Hilfe, bleiben ebenso unberücksichtigt wie das Problem anhaltender Gewalt und rechtlicher Diskriminierung von Frauen in Nachkriegssituationen. Gewalt, vor allem auch sexualisierte Gewalt, gehört für den überwiegenden Teil der weiblichen Weltbevölkerung zur Alltagserfahrung. Sie existiert für sie vor dem Krieg, während des Krieges, nach dem Krieg. Doch nach Kriegen, bewaffneten Auseinandersetzungen, Pogromen oder terroristischen Regimen liegt der allgemeine Gewaltpegel im Alltagsleben in der Regel wesentlich höher als zuvor. Frauen und Mädchen sind hiervon besonders betroffen. Auch die moderne Form der Sklaverei – der Menschenhandel in Zwangsarbeit und Zwangsprostitution – zielt vor allem auf junge Frauen und Mädchen ab. Rechtsreformen und Übergangsjustiz Seitdem wurde sexualisierte Kriegsgewalt zumindest auf internationaler Ebene Bestandteil der Strafverfolgung und im Kanon der Straftatbestände des internationalen Völkerrechts grundsätzlich verankert. Das bekräftigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats wie die Ende Oktober 2000 verabschiedete Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit sowie die Mitte 2008 verabschiedete Resolution 1820 zur strafrechtlichen Verfolgung sexualisierter Kriegsgewalt. Es gibt aber auch viel Kritik. Feministische Juristinnen klagen über die oftmals fehlende Fachkompetenz der Gerichtshöfe hinsichtlich sexualisierter Gewalt. Zeuginnen berichten von respektlosem Umgang durch Angehörige der Gerichtshöfe. Lokale Aktivistinnen, die den Gerichten überhaupt erst den Zugang zu potentiellen Zeuginnen ermöglichen, sind Repressalien und Racheachten schutzlos ausgeliefert. Offen bleibt die Frage, in welchem Ausmaß internationale Gerichte mit ihren formellen Beschränkungen den betroffenen Frauen ein Gefühl von Gerechtigkeit vermitteln und ihrem Interesse an einer sicheren und gesicherten Zukunft gerecht werden. Zielsetzung der Tagung Nach beinahe fünfzehn Jahren Erfahrung mit internationalen Gerichtshöfen, Wahrheitskommissionen und nationalen Rechtsreformen wollte die Tagung im Hinblick auf die Ahndung sexualisierter Gewalt eine Bilanz ziehen: Welche Fortschritte wurden erzielt und müssen unbedingt erhalten bleiben? Was bleibt unberücksichtig, welche Maßnahmen greifen überhaupt nicht aus Sicht von Frauen, die sexualisierte Gewalt überlebt haben? Was hindert Frauen nach 4 1. Einleitung wie vor daran, für Recht und Gerechtigkeit zu streiten? Gibt es alternative Ansätze, und wenn ja, welche? Welche Rolle spielen lokale und traditionelle Konfliktregelungsmechanismen? Welche Vorstellungen von Gerechtigkeit haben Frauen in verschiedenen Kriegs- und Krisenregionen bezogen auf ihre jeweiligen spezifischen Kontexte entwickelt? Alle Teilnehmerinnen galten als Expertinnen, unabhängig davon, ob sie für eine Basisorganisation oder für die Vereinten Nationen arbeiteten. Ausdrücklich ging es den Organisatorinnen darum, die Kommunikation auf gleicher Augenhöhe und den Austausch zwischen lokalen Aktivistinnen, Repräsentantinnen nationaler Institutionen und Vertreterinnen internationaler Organisationen zu fördern. So partizipierten die damalige Frauenrechts- und Gender-Expertin im UN-Hochkommissariat für Menschenrechte und die in dieser Zeit amtierende Sonderbereiterstatterin des UN-Generalsekretärs über Gewalt gegen Frauen an diesem einzigartigen internationalen Dialog zwischen Frauen aus Kriegs- und Nachkriegsgesellschaften. Wie alle anderen Teilnehmerinnen kamen sie als Diskutantinnen und nicht – wie bei anderen internationalen Konferenzen üblich – als Festrednerinnen. Neben der Bestandsaufnahme von Übergangsrecht und bestehenden Konfliktregelungsmechanismen und einer darauf aufbauenden kritischen Bilanz aus feministischer Perspektive kam der Vorstellung und Diskussion innovativer Gerechtigkeitsinitiativen von Frauen auf lokaler und internationale Ebene ein besonderer Stellenwert zu. Hierzu zählten lokale Frauenschiedsgerichte in Indien und ein selbstverwaltetes Frauendorf in Kenia ebenso wie das im Jahr 2000 in Tokio durchgeführte Frauen-Tribunal über die sexuelle Versklavung asiatischer Frauen durch die japanische Armee im Zweiten Weltkrieg. Diese Gerechtigkeitsinitiativen wurden von den jeweiligen Aktivistinnen selbst vorgestellt und auf dieser Arbeitstagung erstmals im Zusammenhang mit der Frage nach eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen von Frauen diskutiert. Die gesamte Arbeitstagung war als innovatives Dialogforum mit strukturierten Arbeitsgruppen und einzelnen offenen Diskussionseinheiten geplant. Deren konzeptionelle und organisatorische Ausgestaltung war das Ergebnis eines intensiven, bereits vor 2007 begonnenen Planungsprozesses. Darin banden die Tagungsorganisatorinnen ausgewählte Aktivistinnen und Rechtsexpertinnen aus unterschiedlichen Ländern ein. Alle an der Planung Beteiligten arbeiteten seit vielen Jahren zum Spannungsverhältnis von internationalem, nationalen und traditionellen Recht. Das zentrale Anliegen dieser als Dialogforum geplanten internationalen Konferenz war es, einen Rahmen und einen Raum zu schaffen, um Zugänge zu eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen, Ideen und Sichtweisen von Frauen zu eröffnen. Es ging darum, diese eigene Sicht als Maßstab für die Auseinandersetzungen mit dem internationalen und nationalen Recht und den Mechanismen der Übergangsjustiz anzulegen. Die Bilanzierung In insgesamt vier Arbeitsgruppen, die sich jeweils aus Juristinnen und lokalen Aktivistinnen bzw. NGO-Vertreterinnen zusammensetzten, fand die Bestandsaufnahme der offiziellen Rechtsinstrumente und Konfliktlösungsmechanismen statt: in AG 1 traditionellem Recht, in AG 2 zu nationalem Recht, in AG 3 zu internationalem Strafrecht, in AG 4 zu anderen Konfliktlösungsmechanismen, wie beispielsweise Wahrheits- und Versöhnungskommissionen. Das ausgewogene Vergleichen der verschiedenartigen Ansätze in einer verbindenden Diskussion, bei denen die Teilnehmerinnen ihre unterschiedlichen Erfahrungen, Positionen und Perspektiven austauschten, verhinderte eine Hierarchisierung zwischen den einzelnen Ebenen ebenso wie zwischen den Teilnehmerinnen selbst. Innovatives Dialogforum Alle Arbeitsgruppen betrachteten an den ersten beiden Tagen entlang einiger Leitfragen wie Frauen und weibliche Lebensrealitäten innerhalb der vorhandenen Rechtspraktiken vorkommen. Die Moderatorinnen kamen aus verschiedenen Ländern und waren gefordert, den interkulturellen Dialog zu fördern und Begriffstoleranz walten zu lassen. Diese Egalität spiegelte sich in der gesamten Tagungskonzeption und der Zusammensetzung der Teilnehmerinnen. Eingeladen waren internationale, nationale und lokale Aktivistinnen, die eine Vermittlungsrolle zwischen den betroffenen Frauen und den Institutionen des Übergangsrechts einnehmen. Einige der lokalen Aktivistinnen haben selbst Kriege und auch sexualisierte Gewalt überlebt. Hinzu kamen nationale und internationale Rechtsexpertinnen, die seit vielen Jahren aus feministischer Perspektive zum Thema Gerechtigkeit bzw. innerhalb der Einrichtungen des Übergangsrechts arbeiten. Daran schloss sich eine differenzierte Kritik aus der jeweiligen Perspektive der Teilnehmerinnen an. Die Ergebnisse wurden zwischendurch ins Gesamtplenum eingebracht und diskutiert. Der dritte Tag blieb der Vorstellung und Diskussion der innovativen und alternativen Gerechtigkeitsinitiativen von Frauen vorbehalten. Die Diskussion erfolgte 5 1. Einleitung verfolgten, z. B. Vertrauen schaffen oder Grenzen setzen. Viele Aktivistinnen nahmen diese leicht erlernbaren Übungen als Anregungen mit nach Hause, um sie für ihre eigene Arbeit zu nutzen. Diese Achtsamkeit gegenüber den Bedürfnissen der Teilnehmerinnen resultierte aus den langjährigen Erfahrungen der Konferenzplanerinnen, insbesondere der psychosozialen und medizinischen Unterstützung von Frauen in Kriegen und Nachkriegsgesellschaften durch medica mondiale. im Wechsel zwischen Plenum und kleinen spontan zusammengesetzten Arbeitsgruppen. Am letzten Tag schließlich wurden Schlussfolgerungen gezogen und Schritte zur Fortsetzung des Dialoges bzw. zur Umsetzung der Ergebnisse diskutiert. Respekt und Wohlbefinden Anerkennung von Verschiedenheit, wechselseitiger Respekt und Wohlbefinden zählten ebenfalls zum Tagungsmotto. Dazu gehörte beispielsweise die thematische Sensibilisierung der Dolmetscherinnen. Tagungssprachen waren Deutsch und Englisch, aber es standen auch Dolmetscherinnen für Spanisch und Französisch zur Verfügung. So konnten die eingeladenen Frauen aus Europa, Afrika, Asien und Lateinamerika sich in ihrer eigenen Sprache artikulieren und trotz der Sprachvielfalt verständigen. Die Herausforderung für die Dolmetscherinnen zeigte sich beispielsweise darin, dass „Gerechtigkeit“ im Deutschen ein ethischer Begriff ist, der ein erstrebenswertes Ideal beschreibt. Im Englischen hingegen umfasst „Justice“ sowohl das Recht und die Rechtssprechung als auch Gerechtigkeitsvorstellungen. Die Dolmetscherinnen wurden in die Reflexionen über diese wichtigen Begriffsfragen frühzeitig einbezogen. Bei einer vorbereitenden Klausurtagung erhielten sie ein Glossar und themenrelevante Grundlagentexte zur Einarbeitung. Als Tagungsort war die idyllisch gelegene Villa Schaaffhausen in Bad Honnef ausgewählt worden. Anders als in gesichtslosen Konferenzhotels standen hier Ruhe- und Gesprächsräume und ein großer Park mit zahlreichen Bewegungs- und Erholungsangeboten zur Verfügung. In einer Jurte hatten die Teilnehmerinnen die Möglichkeit, sich zu informellen Gesprächen zu treffen, in einem weiteren Zelt wurde die feministische Wanderausstellung „Justitia ist eine Frau“ gezeigt. http://www.justitia-ausstellung.de/ Ein Raum der Tagungsstätte war für die Projektvorstellung reserviert. Hier konnten die Vertreterinnen nationaler oder lokaler Organisationen ihre Materialien auslegen, Filme zeigen oder Produkte aus ihren Projekten ausstellen und verkaufen. Tagungsort Deutschland Der Tagungsort Deutschland scheint weit entfernt von aktuellen Kriegen. Doch wie sehr dieser Schein trügt, zeigt nicht nur der Krieg im ehemaligen Jugoslawien sondern auch Deutschlands zunehmende Rolle in der militärischen Antwort auf Konflikte. Darüber hinaus mahnt, wie die Organisatorinnen eingangs der Tagung betonten, die deutsche Geschichte, an der Aufarbeitung von Gewalt- und Gräueltaten in Nachkriegsgesellschaften mitzuwirken und sich für gerechtere Nachkriegsordnungen einzusetzen. Vor allem aber ließ auch das Übergangsrecht nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland und Europa die Vergewaltigungen während diese Krieges unberücksichtigt, sowohl die Vergewaltigungen, die durch deutsche Soldaten in den überfallenen und besetzten Ländern Europas stattfanden, als auch die Vergewaltigungen in Deutschland durch Angehörige der alliierten Armeen. Auf unterschiedlichen Ebenen wurde jede einzelne Teilnehmerin willkommen geheißen und ihr Wohlergehen gesichert. Dies stuften die Organisatorinnen angesichts des schwierigen Themas als oberste Priorität ein; zudem war das vielfältige und persönliche Entgegenkommen aus ihrer Sicht ein Zeichen des Respekts. So wurden alle Teilnehmerinnen, die aus dem Ausland anreisten, persönlich vom Flughafen abgeholt und zurück begleitet. Eine Traumaexpertin übernahm eigens für die Tagung die Aufgabe, integrativ zu wirken. Darüber hinaus war sie Ansprechpartnerin für kleinere gesundheitliche Probleme, aber auch für seelische Belastungen, die durch das Tagungsthema aufgewühlt wurden. Zwei Masseurinnen waren während der Tagungspausen ständig ausgebucht. Einige Teilnehmerinnen boten selbst gezielte Entspannungs- und Bewegungsübungen an, die bestimmte Themen 6 2. Über medica mondiale 2. Über medica mondiale Dezember 1992: Der Staat Jugoslawien ist zusammengebrochen und nur knapp drei Flugstunden von Köln entfernt herrscht Krieg. Aus den Medien erfährt Monika Hauser – eine aus Südtirol stammende, in Deutschland lebende Gynäkologin mit italienischem Pass – von dem enormen Ausmaß sexualisierter Gewalt, mit der vor allem muslimische Frauen konfrontiert sind. Spontan entschließt sie sich, nach Zenica, Zentralbosnien zu fahren. Zehntausende von Flüchtlingen, vor allem Frauen und Kinder, haben dort Zuflucht gesucht. Zusammen mit bosnischen Fachfrauen erarbeitet sie ein Konzept zur Unterstützung von Frauen, die vergewaltigt wurden. tionen im Umgang mit frauenspezifischen Kriegstraumata. Nicht nur die Mitarbeiterinnen in den medica mondiale-Projekten werden deshalb in Trauma-Arbeit, psychosozialer Beratung und traumasensitiver Behandlung geschult, sondern auch MitarbeiterInnen bei öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, psychosozialen Beratungsstellen und lokaler oder internationaler Organisationen werden anhand der von medica mondiale erarbeiteten Konzepte ausgebildet. Ein wichtiges Element hierbei ist es, die eigene Traumatisierung und Belastung zu erkennen, zu verstehen, und zu lernen, damit umzugehen. Auch Helferinnen brauchen Hilfe zur Selbsthilfe. So entsteht im April 1993, mitten in den Wirren des Krieges, die bosnische Frauenorganisation und das Frauentherapiezentrum Medica Zenica. In Köln organisiert derweil eine kleine Gruppe von Frauen um Gabriela Mischkowski die logistische, finanzielle und politische Unterstützung von Deutschland aus. Zusammen mit Monika Hauser gründen sie im Juni 1993 den Verein medica mondiale. Unsere Arbeit will dazu beigetragen, dass den Frauen, die sexualisierte Gewalt in bewaffneten Auseinandersetzungen überlebt haben, Gerechtigkeit widerfährt. Die Taten müssen gesellschaftlich ohne Wenn und Aber geächtet und die Täter bestraft werden; die Überlebenden müssen jede Möglichkeit bekommen, sich für Genugtuung, Wiedergutmachung und Entschädigung einzusetzen. Die Verfahren in Strafprozessen, Wahrheitskommissionen und anderen Konfliktregelungsmechanismen müssen geschlechts- und kulturspezifisch ausgerichtet sein. Nach Ende des Krieges in Bosnien-Herzegowina entstanden Projekte in Albanien (1999), Kosova (1999), Afghanistan (2002) und zuletzt Liberia (2006), die alle einem eigenen, landesspezifischen Ansatz folgen. Seit 2004 unterstützt medica mondiale auch lokale Frauengruppen in ihrer Arbeit gegen sexualisierte Kriegsgewalt. Das betrifft Frauengruppen in der Demokratischen Republik Kongo, in Indonesien, Irak, Israel, Kambodscha, Mexiko, Nepal, Osttimor, Sierra Leone, Südafrika, Türkei und Uganda. Vor uns liegt noch ein langer Weg, wenn wir eine nachhaltige Veränderung hin zu einer frauengerechten Gesellschaft in der Zukunft ermöglichen wollen. Deshalb wird medica mondiale’s Einsatz auch künftig der gesellschaftlichen Enttabuisierung von Vergewaltigungen und der uneingeschränkten Solidarisierung mit den betroffenen Frauen gelten. Von Anfang an verfolgten wir einen doppelten Ansatz. Einerseits leistet medica mondiale konkrete individuelle Hilfe – gynäkologisch, allgemeinmedizinisch, psychologisch, sozial, ökonomisch und rechtlich – für Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten – ungeachtet ihrer politischen, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit. Unser Ziel ist dabei, ihre Selbstheilungskräfte zu stärken und sie solidarisch darin zu unterstützen, selbstbewusst ihr Leben neu zu bestimmen. Andererseits arbeitet medica mondiale politisch, setzt sich lokal, national und international für die Verwirklichung von Frauenrechten als Menschenrechten ein, entwickelt Kampagnen zur Bekämpfung des Vergewaltigungsstigmas und gegen die soziale und politische Ausgrenzung von Frauen, die sexualisierte Gewalt überlebt haben. Warum wir diese Tagung organisieren Sexualisierte Kriegsgewalt steht seit über 15 Jahren im Mittelpunkt der Arbeit von medica mondiale. Unsere Haltung gegenüber der Strafverfolgung sexualisierter Kriegsgewalt war von Anfang an ambivalent. Zum einen haben wir vehement ein Ende der Straflosigkeit für sexualisierte Gewalt gefordert. Zum anderen haben wir befürchtet, dass die Erfahrungen und der Willen von Frauen und Mädchen im Prozess der Strafverfolgung erneut missachtet wird und sie mit den emotionalen, psychischen und physischen Risiken einer Zeuginnenaussage allein gelassen werden. Wie zahllose andere Aktivistinnen aus vielen Ländern auch haben wir uns daher für Verfahrensregeln eingesetzt, die der Spezifik sexualisierter Gewalttaten gerecht werden und neben den traumatischen auch die sozialen Folgen dieser Gewalt für die betroffenen Frauen und Mädchen berücksichtigen. Unser grundsätzliches Selbstverständnis haben wir in einer Charta festgehalten. Zu diesem Selbstverständnis gehört auch die langfristige Absicherung von Projekten in den Händen von Frauen vor Ort sowie Fortbildungen und Qualifika- 7 2. Über medica mondiale Unsere Ambivalenz ist geblieben. Dank des hohen Engagements internationaler Juristinnen werden vor internationalen Gerichten mehr und mehr Vergewaltigungsanklagen erhoben, wenn auch oft nur zögerlich oder sogar gegen Widerstände innerhalb der Gerichte. Sexualisierte Gewalt ist heute als schweres Verbrechen im Völkerrecht verankert. Erst 2008 wurde dies durch Resolution 1820 und 2009 durch die Resolution 1888 des UN-Sicherheitsrates eindrucksvoll bekräftigt. Aber unsere Befürchtungen wurden auch bestätigt. In der Praxis wurden Zeuginnen vor internationalen Gerichten oft erneut erniedrigt, wurden durch falsche Versprechungen zur Aussage gedrängt, vom Gerichtspersonal respektlos behandelt, ihre Geschichten und Namen gelangten gegen ihren Willen an die Öffentlichkeit, ihre Sicherheit ist nicht gewährleistet. chen tatsächlich ein Gefühl von Gerechtigkeit? Reicht es, immer wieder eine Nachbesserungspolitik zu betreiben, d. h. die Sichtweisen von Frauen im Nachhinein in die Übergangsjustiz einzubringen, auf deren grundsätzliche Ausgestaltung Frauen aber keinerlei Einfluss haben? Können wir unseren Umgang und unsere Bewertung von Übergangsjustiz von einem anderen Blickwinkel aus neu bestimmen? Gibt es alternative oder parallele Gerechtigkeitsinstrumente, die der Lebensrealität von Frauen eher entsprechen und die wir aus dem Schatten der Übergangsjustiz ins Licht holen könnten? So entstand die Idee zu dieser Tagung. Wir wollten wissen, wie andere Frauen, die diesem Thema einen eben so großen Wert beimessen wie wir, die Dinge sehen; welche Erfahrungen sie gemacht haben und welche Vorschläge sie haben. Wir wollten dabei möglichst viele verschiedene Perspektiven einbeziehen, um Einseitigkeiten auszuschließen, Unterschiede zu respektieren, voneinander zu lernen und gemeinsam einen Schritt voran zu kommen. Deshalb fragen wir uns heute: Wie hoch muss unser Einsatz sein, die Instrumente der Übergangsjustiz – Strafrecht, Wahrheitskommissionen, Reparationsprogramme – nachhaltig geschlechtergerecht umzugestalten? Wann und wo geben diese Instrumente den betroffenen Frauen und Mäd- 8 3. Tagungsprogramm 3. Tagungsprogramm Sonntag, 07.09.2008 – Donnerstag, 11.09.2008 14:00 - 16:00 Sonntag, 07.09.2008 16:15 Ab 15:00 18:00 19:00 20:00 20:30 19:45 20:15 21:00 Registrierung Begrüßung (Umoja Raum) Abendessen Vorstellung Teilnehmerinnen Uta Keppler: Zauberei & Magie Plenum (Umoja Raum) Vorstellung der Arbeitsgruppenergebnisse Ausflug: Abfahrt zum Drachenfels Möglichkeiten für Spaziergänge und Einkäufe in Königswinter Rückfahrt zur Villa Schaaffhausen Abendessen Malin Bode: Eröffnung der Ausstellung „Justitia ist eine Frau“ Montag, 08.09.2008 Bestandsaufnahme offizieller Gerechtigkeitsinstrumente und -praxen Mittwoch, 10.09.2008 Lokale, regionale und internationale Gerechtigkeitsinitiativen von Frauen 07:30 - 09:00 09:00 - 10:15 07:30 - 09:00 09:00 - 10:45 10:30 - 11:30 11:30 - 11:45 11:45 - 13:00 13:00 - 14:30 14:30 - 16:00 16:00 - 16:30 16:30 - 18:00 18:00 - 19:00 19:00 - 20:00 Ab 20:15 Frühstück und Bewegungsangebote Plenum (Umoja Raum) Einführung ins Tagungsthema Organisatorisches Aufteilung in Arbeitsgruppen Vorstellung Teilnehmerinnen in Arbeitsgruppen: Traditionelles Recht (Projektmarkt) Nationales Recht (Wintergarten) Internationales Strafrecht (Umoja Raum) Andere Konfliktlösungsmechanismen (Bibliothek) Kaffeepause Fortsetzung Arbeitsgruppen Mittagessen & Entspannung Fortsetzung Arbeitsgruppen Kaffeepause Plenum: Vorstellung der Arbeitsgruppenergebnisse Freizeit, Massage- und Bewegungsangebote Abendessen Bonnie Keller: Eröffnung des ständigen Projektmarktes, Begegnungen am ständigen Projektmarkt 10:45 - 11:00 11:00 - 13:00 13:00 - 14:30 14:30 - 16:00 16:00 - 16:30 16:30 - 18:30 18:30 - 19:30 19:30 Frühstück und Bewegungsangebote Plenum (Umoja Raum) Gabi Mischkowski: Einführung Film & Diskussion: Frauentribunal gegen militärische Versklavung durch Japan im 2. Weltkrieg, Tokio 2000 Film & Diskussion: Umoja Uaso Frauengruppe & Frauendorf, Kenia Kaffeepause Fortsetzung Plenum (Umoja Raum) Film & Diskussion: Shortcut to Justice Kollektive Gerechtigkeitsinitiative, Gujarat, Indien Berichte über andere Initiativen Mittagessen und Entspannung Diskussion in freien und spontanen Arbeitsgruppen Kaffeepause Erste Ergebnisse und Auswertungen Plenum: Freier Austausch (Umoja Raum) Freizeit, Massage- und Bewegungsangebote Grillabend & Party Donnerstag, 11.09.2008 Schlussfolgerungen und Ausblick in die Zukunft Dienstag, 09.09.2008 Kritik an offiziellen Gerechtigkeitsinstrumenten aus Frauensicht 07:30 - 09:00 09:00 - 10:45 10:45 - 11:00 11:00 - 12:30 12:30 - 14:00 08:30 - 09:30 09:30 - 11:15 Frühstück und Bewegungsangebote Diskussion in Arbeitsgruppen Kaffeepause Fortsetzung Arbeitsgruppen Mittagessen und Entspannung 11:15 - 11:30 11:30 - 13:00 13:00 15:00 9 Frühstück und Bewegungsangebote Plenum (Umoja Raum) Schlussfolgerungen Kaffeepause Ausblick in die Zukunft Verabschiedung Mittagessen Abreise 4. Eröffnungsvortrag von Malin Bode 4. Eröffnungsvortrag von Malin Bode Der Hintergrund der Tagung stenfalls ein juristisches Verfahren, das in seiner Ausgestaltung am Ende ganz patriarchal ist, wie Frauen es in der Vergangenheit stets erlebt haben. Eine Idee, die schon lange zwischen Gabi Mischkowski und mir überlegt worden ist, eine solche Tagung zu organisieren, ist jetzt Wirklichkeit geworden; das erfüllt mich mit ganz, ganz großer Freude! Wir wissen, dass dies trotz allem schon ein großer Schritt in Übergangsgesellschaften ist, um die Persönlichkeit von Frauen zu respektieren. Denn oft genug und lange genug wurde die Vergewaltigung einer Frau einfach ignoriert, sie war keines Aufhebens wert, im schlimmsten Falle wurde sie als normales männliches Verhalten gerade in Kriegszeiten angesehen. Ein wenig möchte ich mich zunächst vorstellen. Ich gehöre zu den feministischen Juristinnen in Deutschland, bin einerseits praktisch tätige Anwältin und andererseits diskutiere ich in unterschiedlichen Zusammenhängen auch über feministische rechtstheoretische Fragen, aber vor allem über solche, die sich aus der praktischen Arbeit ergeben. Zusammen mit anderen feministischen Juristinnen gebe ich seit 25 Jahren eine feministische Rechtszeitschrift mit Namen STREIT heraus. Ich vertrete seit 30 Jahren Frauen in Arbeits- und Sozialrechtlichen Fällen als praktisch tätige Anwältin aber auch Frauen in Vergewaltigungsverfahren. Für Frauen hat die Vergangenheit allerdings leider auch oft genug gezeigt, dass der Übergang in eine neue Gesellschafts- oder Staatsform nach Kriegs- oder Krisenzeiten ihre Lage im Verhältnis zur Vorkriegs- oder Vorkrisensituation nicht zwangläufig verbessert, sondern sogar verschlechtern kann. In dem Maße, in dem es normaler wird, von Übergangsjustiz gerade in internationalen Zusammenhängen zu sprechen und dabei eine vage Begrifflichkeit von Gerechtigkeit zu wählen, die auch den Eindruck erwecken kann oder vielleicht sogar soll, dass von der Erreichung von Gerechtigkeit in Übergangsgesellschaften die Rede sei, wird es wichtig, genauer hinzusehen und zu überlegen, welchen Blick haben Frauen auf diese Verfahren in Übergangsgesellschaften, in denen über ihr, das von Ihnen erlebte, Schicksal verhandelt wird. Schon vor vielen Jahren gab es mal einige Treffen kurz nach Errichtung des Jugoslawien-Tribunals, in denen Gabi Mischkowski und ich uns über den Erfolge im Zusammenhang mit dem Tribunal einerseits gefreut haben, aber auch überlegt haben, ob die Zeuginnen bei diesem Tribunal nach Beendigung der Prozesse für sich Zufriedenheit gewonnen haben und ob das Tribunal wohl der richtige Weg für Frauen, die sexualisierte Gewalt in Kriegs- und Krisensituationen erleben mussten, ist. Das Grundanliegen bleibt dabei nach wie vor für uns, dafür einzutreten, ja zu kämpfen, dass Frauen, die sexualisierte Gewalt in Krieg und auch im Frieden erleben mussten, mehr Gerechtigkeit erfahren. Kommen die Interessen der Frauen im Rahmen der Übergangsjustiz vor? Erfahrungen mit Übergangsjustiz gibt es im Allgemeinen vielfältig auf der Welt und die meisten von Euch sind damit eng vertraut. medica mondiale hat zu dieser Tagung eingeladen, die sich dieser Frage nach der Gerechtigkeit für Frauen, die sexualisierte Gewalt in oder nach Kriegs- oder Krisensituationen erlebt haben, nun auch tatsächlich stellt. In Deutschland haben wir historisch in der gesellschaftlichen und juristischen Reaktion auf den Nationalsozialismus – und letztlich bis zum heutigen Tage auch in der Aufarbeitung der DDR – damit eine intensive Auseinandersetzung gehabt und haben sie manchmal bis zum heutigen Tage noch. Gerechtigkeit ist dabei ein Wort, das in vielen Zusammenhängen leichthin Erwähnung findet und doch ist meistens damit nicht mehr gemeint, als dass die Vergewaltiger einem (in der jeweiligen Gesellschaft offiziellen justizförmigen) Strafverfahren zugeführt werden, oder auch einer sonstigen gesellschaftlich vorgesehenen Konfliktlösungseinrichtungen, wie z. B. Wahrheits- und Versöhnungskommissionen. Meine Kindheit war davon geprägt, dass meine Familie erzürnt und verbittert darüber war, wie alte aktive Nationalsozialisten wieder in gute politische und wirtschaftliche Positionen im Nachkriegsdeutschland kamen, die Verfolgten des Naziherrschaft wurden jedoch eher ausgegrenzt als rehabilitiert. Es wurde oft dabei auch gerade auf die Justiz geschimpft, dass die Verbrecher des Nationalsozialismus Frauen verlangen, dass von Gerechtigkeit nicht nur die Rede sein soll, sondern dass sie Gerechtigkeit für sich auch erleben wollen. Die meisten erleben aber tatsächlich be- 10 4. Eröffnungsvortrag von Malin Bode in großer Zahl nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden waren, sondern eher die Opfer auch noch um ihre Anerkennung oder eine kleine Rente kämpfen mussten. Da wir viele geworden sind, werden wir an den ersten beiden Tagen in Arbeitsgruppen diskutieren, damit es für alle genügend Zeit gibt, zu sprechen und es auch einfacher ist, die jeweils andere zu verstehen, wenn wir uns so noch besser kennen lernen und Zeit miteinander verbringen können. Als ich dann als junges Mädchen noch von einer mutigen Professorin, Frau Prof. Ilse Staff, – einer von drei Professorinnen die es damals für Rechtswissenschaften überhaupt in Deutschland gab – ein Buch über diese Fragen las, habe ich mich entschieden, Juristin zu werden. Wir haben uns lange Gedanken über die Art der Arbeitsgruppeneinteilungen gemacht und wollten auf jeden Fall erreichen, dass sich in jeder Gruppe eine bunte Mischung der Teilnehmerinnen wiederfindet. So sind wir zu der erfolgten Einteilung gekommen, die ihr jetzt schon kennt, da ihr schon Präferenzen für die Gruppen angegeben habt. Trotzdem ist mit den Nürnberger Prozessen der Alliierten Sieger des 2. Weltkriegs gegen die Hauptverantwortlichen des Nazideutschlands die Übergangsjustiz sozusagen praktisch in die moderne Welt gekommen. Es gab am Anfang durchaus gute Bemühungen auf allen möglichen Ebenen, die Verbrechen der Diktatur zu verarbeiten. Von den Siegermächten eingesetzte Ausschüsse von unbelasteten Bürgern haben für kurze Zeit versucht, die Verbrechen auch in der breiten Masse der Bevölkerung zu verfolgen. Mit Amnestiegesetzen Anfang der 50-iger Jahre verschwand die Verfolgung der Verantwortlichen des Naziregimes aus dem öffentlichen Interesse. Es gab zwar später noch einige große Prozesse, z. B. den Ausschwitzprozess Anfang der 60-iger Jahre in Frankfurt, der auch nur stattfand, weil er hartnäkkig gegen auch Widerstände in der Justiz vom jüdischen Oberstaatsanwalt Fritz Bauer betrieben wurde, doch es dauerte bis in die 90-iger Jahre hinein, bis auch die Vergewaltigungen von Frauen in der Kriegs- und Nachkriegszeit, die von allen Seiten der Kriegsparteien stattgefunden hatten, in das öffentliche Bewusstsein rückte. Juristische Reaktionen darauf blieben dabei bis heute die absolute Ausnahme. Es gibt weltweit eine rege Diskussion, dass die sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten und auch in den Zeiten nach Kriegen und schweren Krisen nicht straflos bleiben soll. Eine langer, mühevoller internationaler Kampf von Frauen hat in den letzten Jahren zu Erfolgen geführt. Auf internationaler Ebene, sowohl bei den Internationalen Tribunalen als auch jetzt beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (ISTGH), werden in Verfahren Täter wegen Vergewaltigungen von Frauen angeklagt. In Urteilen der internationalen Kriegsverbrecher-Tribunale für das frühere Jugoslawien und für Ruanda wurde die Strafbarkeit von Vergewaltigungen, auch die strafrechtliche Verantwortung militärischer Vorgesetzter festgestellt. Doch die Lage der Zeuginnen ist vor den internationalen Gerichten nach den inzwischen gewonnenen Erfahrungen menschlich schwierig, Schutz und Unterstützung reichen vielfach in keiner Weise aus. Auch auf der Ebene der nationalen Strafverfolgung hat in etlichen nationalen Völkerstrafrechtsgesetzgebungen die sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen Eingang gefunden. Hier gibt es in der Praxis nur wenige Verfahren, insbesondere solche, in den Frauen sich ernst genommen fühlen. Die Art der Tagung Ich komme zu unserer Tagung hier zurück. Sie weicht von der üblichen Form einer Tagung ab. Wir wollen den Titel der Arbeitstagung ernstnehmen – und wenn ich wir sage, meine ich die ganze Vorbereitungsgruppe –: „Auf der Suche nach Gerechtigkeit“ und wollen gemeinsam in den Tagen, in denen wir zusammen sind, versuchen, uns ihr ein Stückchen mehr zu nähern. Nach langen Anstrengungen ist es auch gelungen, dass bei den Verfahren vor den Wahrheits- und Versöhnungskommissionen, die in vielen Ländern, die sich in einem Übergang befinden, nach Kriegs- und Krisenzeiten eingerichtet worden sind, auch die sexualisierte Gewalt in die Verhandlungen und Verfahren als Verbrechen aufgenommen worden sind. Nach unserer Kenntnis hat dies aber erst in wenigen Verfahren tatsächlich eine wirklich wichtige Rolle gespielt und Frauen werden im Alltag vor den Kommission kaum ermutigt, ihre Schicksale zu thematisieren. Wir hören daher nicht wenigen vorbereiteten Referaten zu und haben dann kaum Zeit für die Diskussion, sondern haben Euch alle als Expertinnen eingeladen. Jede von Euch, die Ihr von weither angereist seid, könnte hier als Expertin aus ihrem Arbeitsbereich uns ein gutes Referat halten. Wir hoffen auf Euch daher als lebhafte und engagierte Teilnehmerinnen in der Diskussion. Sexualisierte Gewalt in Kriegs- und Krisenzeiten wird auch im Rahmen traditioneller Konfliktregelungsmechanismen 11 4. Eröffnungsvortrag von Malin Bode thematisiert und es gibt auch dort Lösungsversuche. Diese empfinden aber ebenfalls die betroffenen Frauen selbst selten als zufriedenstellend. langen Frauen für sich, welche Kompensation/Wiedergutmachung soll es geben, damit sie für sich und ihre Kinder eine Zukunft sehen können? Welche Bedingungen brauchen Frauen, dass sie in diesen Fragen eigene Vorstellungen entwickeln können? Dies ist nur ein Ausschnitt der Fragen, von denen wir denken, dass sie in der Diskussion wichtig sein könnten. Hinzu kommt, dass bei diesen traditionellen Konfliktregelungsmechanismen und auch bei den Verfahren vor den Wahrheits- und Versöhnungskommissionen sexualisierte Gewalt gegen Frauen oft (nur) im Zusammenhang mit der Schuldzuweisung für den Konflikt an eine bestimmte Ethnie oder Bevölkerungsgruppe gesehen wird. Um daher die Diskussion trotz der Aufteilung in die vier Arbeitsgruppen etwas gemeinsam führen zu können, werdet ihr vorbereitete Fragen vorfinden, an denen entlang sich die Diskussion in den Arbeitsgruppen orientieren mag. Sie dienen aber nur der Unterstützung der Diskussion, sie sollen unsere Diskussionen fördern, sie nicht einengen. Bei allen Formen der Konfliktlösung, ob auf eher lokaler, nationaler oder internationaler Ebene stellen sich für Frauen dieselben Fragen: Haben sie überhaupt Zugang zu diesen Institutionen? Werden dort ihre Interessen beachtet und wird ihre Würde in diesen Verfahren gewahrt? Im Tagungsverlauf möchten wir heute (Montag) mit einer schlichten Bestandsaufnahme beginnen. Wir werden diesen Fragen zusammen nachgehen. Wir wollen im ersten Schritt das Erreichte, das für uns Positive (auch) festhalten. Ich möchte das an dieser Stelle sehr gerne noch einmal hervorheben: Wir sehen in allen Teilnehmerinnen gleichermaßen Expertinnen, Expertinnen auf dem Gebiet ihres jeweiligen Wirkens. Die dort gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse werden uns allen zu einem umfassenden Bild der Bestandsaufnahme der Lage der Frauen auf den verschiedenen Ebenen der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt gegen Frauen in Kriegs- und Krisengebieten führen. Dabei möchte ich Euch bitten, möchten wir Euch herzlich bitten – auch mit Rücksicht auf die hier ständig notwendige Übersetzung – nehmt es bitte hin, dass andere Teilnehmerinnen vielleicht Begriffe verwenden, die ihr persönlich aus frauenpolitischen Gründen anders wählt. Wir brauchen diese Begriffstoleranz, wenn wir mit so vielen unterschiedlichen Frauen aus allen Teilen der Welt zusammen diskutieren wollen. Wir sind ohnehin darauf angewiesen, dass wir nur etwas erreichen können, wenn es uns gelingt, uns im besten Sinne des Wortes zu verstehen. Im zweiten Schritt – nämlich morgen/am Dienstag – möchten wir diese getroffenen Feststellungen kritisch mit den vielfältigen bisherigen Erfahrungen aus Frauensicht konfrontieren. Wir denken, es wird eine Fülle von Problemen zur Sprache kommen. Wir hoffen auch dabei auf ein sehr reichhaltiges und vielschichtiges Bild. Der Tagungsverlauf Das Wichtigste zuerst: Wir möchten Euch ermutigen, radikal parteiisch sein und den Blick der Frauen auf Prozesse von Recht und Gerechtigkeit bei sexualisierter Gewalt in Kriegs- und Krisengebieten in den Mittelpunkt rücken und zu schärfen. Auf dieser Tagung müssen wir auf keinerlei Autoritäten Rücksicht nehmen, weder die am Arbeitsplatz, noch die in Staat und Gesellschaft – wir sind unter uns. Dieses kann uns schon zu vielen eigenen Vorstellungen, Wünschen und Forderungen führen, die wir an die bestehenden Verfahren anzumelden haben, um Frauen darin besser vorkommen zu lassen. Welche Rolle spielen also betroffene Frauen in allen diesen Verfahren/Prozessen selbst? Können Sie selbst Einfluss auf den Gang dieser Verfahren nehmen? Werden Ihre Erfahrungen zur Grundlage von Formulierungen von Regeln oder Verfahrensordnungen gemacht? Interessiert sich die Gesellschaft auf lokaler, regionaler, nationaler oder internationaler Ebene für das (Über)Leben der so verletzten Frauen? Über welche Erfahrungen gilt es zu berichten, die gerade betroffene Frauen als Zeuginnen in diesen unterschiedlichen Verfahren gemacht haben? Welche Art von positiver gesellschaftlicher Reaktion ver- Wir möchten dann im dritten Schritt – am Mittwoch – aber noch etwas weiter gehen und uns mit großer Aufmerksamkeit den unter uns anwesenden Frauen widmen, die uns von Konfliktlösungswegen berichten werden, die Frauen selbst in unterschiedlichen Bereichen und Teilen der Welt bereits in der Vergangenheit entwickelt haben. Dazu werden wir drei Filme sehen und wir haben die Freude, Frauen aus den jeweiligen Projekten, die in den Filmen vorgestellt werden, unter uns begrüßen zu dürfen. Sie werden uns von diesen filmisch präsentierten Initiativen auch persönlich noch etwas erläutern und eigene Erfahrungen ergänzen können. 12 4. Eröffnungsvortrag von Malin Bode Die Filme werden das Frauentribunal gegen militärische Versklavung (von koreanischen Frauen) durch Japan im 2. Weltkrieg, die Umoja-Uaso Frauengruppe & Frauendorf aus Kenia und ‚Shortcut to Justice’ (die Kollektive Gerechtigkeitsinitiative für Frauen aus Indien) vorstellen. vorfinden, für uns aus Frauensicht das Beste ist, sondern auch, dass wir frei von dem, was wir vorfinden, uns eigenen Ideen zuwenden können. In diesem Sinne hoffen wir, dass im letzten Schritt – Mittwochnachmittag und Donnerstagvormittag – alles zusammengetragen wird, was wir herausgefunden haben, und daraus sich unsere Wünsche für die Verbesserung für die betroffenen Frauen auch ergeben werden. Vielleicht mögen wir auch Forderungen formulieren. So haben wir die Möglichkeit, auch die Sicht von alternativen Konfliktlösungsmöglichkeiten kennen zu lernen. Es lässt sich vielleicht auf diese Weise noch besser herausfinden, welche Fragen wir ‚auf der Suche nach Gerechtigkeit’ an die bekannten und vorhandenen Verfahren stellen möchten. Auf jeden Fall streben wir an, dass wir den wichtigen Fragen für die Beurteilung von Verfahren aus Frauensicht gemeinsam am Ende unserer Diskussionen ein Stück näher gekommen sind und damit auch zusammen einige Schritte weiter auf dem Weg zur Gerechtigkeit für Frauen vorwärts gekommen sein werden. Vor allem erfahren wir natürlich Möglichkeiten, die sich uns auch als Alternativen bieten könnten, um zu mehr Gerechtigkeit für Frauen zu kommen. Wichtig erscheint uns dabei, dass wir nicht nur Erkenntnisse dazu gewinnen, welches von den Verfahren, die wir Ich wünsche uns zusammen eine gute gemeinsame Zeit! 13 5. Eröffnungsvortrag von Bonnie Keller 5. Eröffnungsvortrag von Bonnie Keller Fortschritte der internationalen Frauenorganisationen und feministischen Bewegungen in politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systemen bei. Dadurch wurden Geschlechterungleichheiten erkannt, thematisiert und positive Veränderungen erreicht. Da ich zu den älteren Workshopteilnehmerinnen zähle, möchte ich Euch einen kurzen Überblick über die historischen Entwicklungen geben. Es gibt eine große Vielfalt der hier anwesenden Teilnehmerinnen. Trotz unserer unterschiedlichen Herkunft eint uns eine gemeinsame Geschichte. Aus diesem Grund haben wir unseren Plenarsaal Umoja-Raum genannt, also nach dem Kiswahili-Wort für Einheit. Damit wollten wir unsere Gemeinsamkeiten und unser verbindendes Anliegen kundtun, die Frauenrechte im Allgemeinen und insbesondere die Rechte der Frauen zu garantieren, die sexualisierte Gewalt in Kriegs- und Krisensituationen erfahren haben. In den letzten 15 Jahren wurde sexualisierte Gewalt in Kriegen und Nachkriegsgesellschaften ein wichtiges Thema in den feministischen Bewegungen. Während der UN-Menschenrechtskonferenz 1993 fand eine Anhörung zur Situation von Frauen und Mädchen statt; sie schloss die sexualisierte Gewalt in Bosnien-Herzegowina ein. Seit 1993 gibt es zahlreiche themenrelevante Forschungen und die Dokumentation von speziellen Fällen, etwa durch Amnesty International, Human Rights Watch sowie eine steigende Zahl von Gruppen, Netzwerken und Koalitionen von Frauenaktivistinnen. Dieses gestiegene Bewusstsein über die Ausmaße sexualisierter Gewalt in Kriegen und Konflikten und über die Traumata, die viele Tausend Frauen erlitten, ist ein fantastischer Beleg für den Aktivismus von Individuen, Gruppen und Frauennetzwerken. Das Bewusstsein über schwere Menschenrechtsverletzungen an Frauen hat auch zu konkreten Handlungen geführt. Dazu zählt die erste Resolution (1325) des UN-Sicherheitsrats zu Frauen, Frieden und Sicherheit im Jahr 2000. Um diese Resolution zu stärken, verabschiedete der UN-Sicherheitsrat im Juni 2008 die Resolution 1820, die einen sofortigen und vollständigen Stop der sexualisierten Gewalt gegen ZivilistInnen in Kriegszonen fordert. Der Kampf gegen sexualisierte Kriegsgewalt wurde auch im internationalen Strafrecht verankert, konkret durch die Arbeit der Tribunale zu Ex-Jugoslawien und Ruanda sowie den Internationalen Strafgerichtshof. Das Thema wurde manchmal in Wahrheits- und Versöhnungskommissionen sowie in Reparationsprogramme integriert. Auf lokaler Ebene, z. B. in Nachkriegsländern wie Liberia, oder in Ländern, wo Konflikte weiter fortbestehen, z. B. in der Demokratischen Republik Kongo, gibt es nun lokale Projekte und Programme, die überlebende Frauen und Mädchen in vielfältiger Weise unterstützen. Mein persönliches Engagement in der Frauenbewegung begann während meiner Tätigkeit als Forscherin in einer Kleinstadt im südlichen Sambia. Im Jahr 1975 wurden meine Freundinnen und Nachbarinnen zu einer Versammlung für Frauen eingeladen, bei der eine Ministerin eine Rede hielt. Sie berichtete über die UN-Weltfrauenkonferenz zum Internationalen Jahr der Frau in Mexiko City, anlässlich derer Sambia der Weltöffentlichkeit mitteilte: „In Sambia haben die Frauen keine Probleme.“ Zu jener Zeit, also vor mehr als 30 Jahren, forschte ich praktisch allein über die wirtschaftlichen und häuslichen Problemen der Frauen in städtischen Gebieten Sambias. Ich hatte kaum sambische Kolleginnen und die existierenden Frauenorganisationen hatten meist eine kirchliche Basis – mit einer konservativen Einstellung zu Geschlechterrollen. Zwischen 1976 und 1985, während der ersten Weltfrauendekade, war der Frauenaktivismus auf der lokalen Ebene aufgeblüht und wurde international sichtbar. Vor allem Frauen im globalen Süden bildeten Bewegungen und bezeichneten sich selbst als Feministinnen. Dennoch erwähnten die „Forward Looking Strategies“ der 3. Weltfrauenkonferenz in Nairobi 1985 nicht die geschlechtsspezifische oder sexualisierte Gewalt. Das änderte sich 1995, denn die Aktionsplattform der Vierten Weltfrauenkonferenz in Beijing enthielt die Problembereiche „Gewalt gegen Frauen“ und „Frauen in bewaffneten Konflikten“. Das reflektierte die Sichtbarkeit, die diese Themen inzwischen erhalten hatten. Wir wissen, dass hinter all diesen Aktionen und Strukturen, die als Fortschritt gelten, mannigfaltige Probleme fortbestehen, die wir auf dieser Arbeitstagung diskutieren wollen. Strukturen und Regeln wurden etabliert, aber ihre Umsetzung in der Praxis ist eine Herausforderung. Oft haben wir den Eindruck, einen Schritt vor und zwei Schritte zurück zu gehen. Diejenigen, die in diesem Feld arbeiten, werden müde; viele sind ausgebrannt, manche sind traumatisiert. Es gab Fortschritte, aber das Tempo ist langsam und die Zahl der Opfer steigt. Somit gab es einen genuinen Fortschritt zwischen 1975 und 1985, der die Gründung zahlreicher neuer Frauenorganisationen und lokaler Frauengruppen einschloss. Diese trugen zur Wahrnehmung der Benachteiligung von Frauen 14 5. Eröffnungsvortrag von Bonnie Keller Dennoch, wir müssen uns an unsere gemeinsame Geschichte erinnern, als wir zusammenarbeiteten, um Geschlechterungleichheiten in allen Formen sichtbar zu machen und dafür kämpften, sexualisierte Gewalt überall auf die Tagesordnung zu setzen: lokal, national und international. Nun ist es an der Zeit, herauszufinden, wo wir stehen: Welche Fortschritte haben wir auf den verschiedenen Ebe- nen erreicht? Die zentralen Themen dieser Arbeitstagung sind deshalb: Wo stehen wir nun? Was sind die zentralen Probleme? Wie weit sind wir gekommen? Und insbesondere: Was wünschen sich die Frauen selbst, wenn sie Gerechtigkeit suchen? (übersetzt von Rita Schäfer) 15 6. Berichte aus den Arbeitsgruppen 6. Berichte aus den Arbeitsgruppen 6.1 Arbeitsgruppe 1: Traditionelles Recht durch die Zwangsverheiratung der Vergewaltigten mit dem Täter. Mancherorts werden auch die Opfer mit dem Tod bestraft, weil ihre bloße Existenz als Schande für ihre Familie angesehen wird. Dies geschieht z. B. im Iran oder in Pakistan. Die Teilnehmerinnen kamen aus folgenden Ländern: Afghanistan, Deutschland, Indien, Kenia, Ost-Timor und den USA. In vielen Ländern werden Frauen und Mädchen, die Überlebende von Vergewaltigungen sind, stigmatisiert, als Prostituierte beschimpft und aus der Gemeinschaft ausgestoßen, sie müssen ihre Familie und ihr Dorf verlassen. Oft hängt die konkrete Sanktion vom Alter und familiären Status der Vergewaltigten ab. In wenigen Ländern wird der jeweilige Täter sanktioniert, wobei das Strafmaß von Körperstrafen, über Verbannung aus der Gemeinschaft bis zur Tötung reicht. So werden in manchen Regionen Westafrikas Vergewaltiger aus der Dorfgemeinschaft ausgeschlossen. Im Vergleich haben die jeweiligen Täter aber viel größere Chancen, wieder in die lokale Gemeinschaft aufgenommen zu werden, als die Frauen, die Vergewaltigungen überlebt haben. Falls überhaupt Prozesse vor traditionellen Gerichtsinstanzen stattfinden, werden nicht selten die Frauen und Mädchen unter Bezug auf Geschlechterstereotypen angefeindet, reviktimisiert und traumatisiert. Ihr Ruf wird zusätzlich geschädigt. Häufig geht es nicht darum, ihnen Gerechtigkeit zu verschaffen und die Täter zur Verantwortung zu ziehen, sondern eine als traditionell interpretierte Ordnung aufrecht zu erhalten. Traditionelle Rechtsinstanzen sind Männerdomänen Traditionelle Rechtssysteme, so bilanzierten die Teilnehmerinnen dieser Arbeitsgruppe, sind in und nach bewaffneten Konflikten oftmals die einzigen, die Frauen zur Verfügung stehen. Nationale Rechtsinstitutionen sind oft unerreichbar, vielerorts ist die Infrastruktur durch die Kriege zerstört. Selbst vor den jeweiligen Kriegen war der Zugang zur nationalen Justiz vor allem für Frauen in ländlichen Gebieten wegen mangelnder Straßen und Transportsysteme nicht zugänglich. Zudem waren die Gesetzesgrundlagen frauenfeindlich; die Verfahren und Urteile spiegelten die sexistischen Einstellungen vieler Richter. Insbesondere Frauen in abgelegenen ländlichen Gebieten können sich nur an traditionelle Rechtsinstitutionen wenden. Die Arbeitsgruppe befand einhellig, dass diese Institutionen und deren Rechtssprechung extrem patriarchalisch sind. Hier haben Männer die alleinige Entscheidungsgewalt. Gelegentlich können sie sich sogar aussuchen, ob sie traditionelle, religiöse oder nationale Rechtsmechanismen anwenden. Frauen haben in traditionellen Rechtssystemen fast gar nichts zu sagen. Sie gelten als rechtsunmündig und müssen sich von ihren Ehemännern, Vätern oder Brüdern vertreten lassen. „Hinsichtlich des traditionellen Rechts sehe ich in unserem Land ein Problem, weil die Gefahr besteht, dass Überlebende in den traditionellen Verfahren re-traumatisiert werden. Schließlich haben diejenigen, die diese Prozesse leiten, ihre eigenen Interessen. Ich denke, es ist wichtig, die bestehenden Gesetze zu nutzen, weil diese Gesetze sexualisierte Gewalt bestrafen.“ (Teilnehmerin, D.R. Kongo) Zudem betonten Teilnehmerinnen dieser Arbeitsgruppe, das traditionelle Recht gelte vorrangig für Friedenszeiten und sei dann bereits frauenfeindlich. Häufig geht es bei traditionellen Konfliktregelungsmechanismen nicht um die individuelle Frau, sondern um die Wiederherstellung familiärer und gesellschaftlicher Beziehungen. Dabei werden die Frauen als Instrumente benutzt, um den von Männern bestimmten sozialen Frieden zu sichern. Was heißt „traditionell“? Die Arbeitsgruppe war sich darin einig, dass dieser Grundsatz trotz einzelner lokaler Unterschiede fast überall anzutreffen ist. Ein Beispiel dafür ist „badal“ in Afghanistan: Im Falle einer Bluttat wird der Familie des Opfers ein junges Mädchen aus der Familie des Täters zur „Kompensation“ angeboten. Damit soll das Verbrechen gesühnt und Blutrache vermieden werden. Nach einer Vergewaltigung wird der dadurch entstandene Konflikt zwischen Familien bestenfalls durch ein Viehgeschenk geschlichtet, schlimmstenfalls Einige Teilnehmerinnen dieser Arbeitsgruppe wiesen darauf hin, dass die Bezeichnung „traditionell“ irreführend sei, weil in vielen Ländern Rechtspraktiken, die heute als „traditionell“ tituliert werden, kolonial geprägt sind. Beispielsweise legten die Kolonialherren und einige lokale Autoritäten in etlichen afrikanischen Ländern fest, was bis heute als traditionelles Recht gilt. Manche Rechtspraktiken wurden dabei erst erschaffen. Somit ist das traditionelle Recht keineswegs statisch, sondern von Machtverhältnissen ab- 16 6. Berichte aus den Arbeitsgruppen hängig und wandelbar. Nach der Kolonialzeit finden in Folge gesellschaftlicher und politischer Umbrüche mancherorts Re-Traditionalierungen statt. Das bedeutet: Neue Rechtspraktiken werden von lokalen Autoritäten als traditionell ausgegeben. Dieses Vorgehen birgt die Gefahr, das traditionelle Recht für Machtinteressen zu instrumentalisieren, aber es eröffnet auch Chancen zur Veränderung. Frauengerichte als Chance oder Alternative? Eine Teilnehmerin schlug vor, Frauen sollten den alleinigen Herrschaftsanspruch männlicher Autoritäten nicht länger hinnehmen. Sie forderte, Frauen sollten diese zur Rechenschaft ziehen und selbst Macht und Mitsprache in traditionellen Rechtsinstanzen beanspruchen. Als erfolgreiches Beispiel nannte sie traditionelle Schlichtungsgerichte im indischen Bundesstaat Gujarat, die lokale Aktivistinnen zu Frauenschlichtungsgerichten verwandelten. Diese werden sogar von den offiziellen Familiengerichten anerkannt, deshalb sollten sich Frauen auf der Suche nach lokalen Sanktionsmöglichkeiten keineswegs vorschnell von traditionellen Mechanismen verabschieden. Während einige Teilnehmerinnen nicht-staatliche Gerechtigkeitssysteme durchaus als Hebel für Veränderungen wahrnahmen, hoben andere eher die potentiellen Gefahren hervor. Dabei ist zu beachten, dass das traditionelle Recht in Nachkriegsgesellschaften nur Zivilisten sanktionieren kann, nicht Soldaten. Vergewaltigende Soldaten einer regulären Armee können nur von Militärgerichten verurteilt werden, Soldaten der UN-Friedenstruppen nur von nationalen Gerichten in ihren Herkunftsländern. Unterschiedliche Einschätzungen gab es zum sogenannten Rechtspluralismus, also zur Situation in Ländern, in denen zwei oder mehrere Rechtssysteme nebeneinander bestehen. Fraglich ist, inwieweit Frauen diese Situation für sich nutzen können. Während einzelne Teilnehmerinnen den Rechtspluralismus als Chance betrachteten, wandten viele andere ein, Frauen würden darin zerrieben. Einige Teilnehmerinnen hoben das Problem einer intensivierten, frauenfeindlichen Re-Traditionalisierung in Nachkriegsgesellschaften hervor. So würden angesichts der individuellen und sozialen Verunsicherungen durch kriegerische Gewalt Bräuche als „ewige Werte“ beschworen, die es zuvor noch gar nicht gab oder die längst bedeutungslos geworden waren. Als Beispiel dafür wurden einige sudanesische Flüchtlingsgruppen in Dafur genannt, die von Regierungssoldaten oder Milizen vertrieben wurden und in Flüchtlingscamps mühsam überlebten. Dort praktizieren Frauen unter Berufung auf Traditionen wieder die Beschneidung weiblicher Geschlechtsorgane, obwohl sie dies über Jahrhunderte nicht mehr getan hatten. Den meisten Teilnehmerinnen schien der Begriff „re-traditionalisierte Konfliktregelungsmechanismen“ für solche Praktiken angemessen. Schließlich handelt es sich hier um die von Menschen gesetzten Regeln, die politischen Veränderungsprozessen und sozialen Umbrüchen durch Kriege unterliegen. Sie können durch gesellschaftliche Entscheidungen verändert werden. „In Liberia ist der Konflikt seit über fünf Jahren beigelegt und 90 % oder sogar 95 % des Landes haben noch immer kein funktionierendes Justizsystem. Was können wir in dem Kontext für die Frauen tun, damit sie Zugang zu Gerechtigkeit erhalten? Aus diesen Überlegungen entschied ich mich für diese Arbeitsgruppe zu traditionellen Rechtssystemen. Ich denke, wir können darin enorme Eingriffe und Veränderungen vornehmen. Dennoch: Wie können wir vorgehen, ohne ein paralleles System aufzubauen?“ (Teilnehmerin, USA) Mit Blick auf religiöse Rechtsvorstellungen, die manchen Rechtssprechungen zugrunde liegen, gaben einige Frauen zu bedenken, dass deren Inhalte und Interpretationen von Frauenrechten keineswegs eindeutig, sondern ambivalent oder sogar widersprüchlich seien. Deshalb sei es wichtig, auf den Einstellungswandel religiöser Autoritäten hinzuwirken. Außerdem basiert die Macht mancher Vertreter „traditioneller“ Systeme keineswegs auf der Zustimmung lokaler Gemeinden, sondern schlicht auf Gewalt, wie das Beispiel der afghanischen Warlords dokumentiert. Die Rechtsprechung soll niemals beliebigen Autoritäten überlassen bleiben, nur weil sie danach verlangen, forderte eine Teilnehmerin. Im Anschluss daran stellten andere die grundsätzliche Frage, worauf die Legitimität der Vertreter traditioneller Rechtsinstitutionen beruht und welche Personen oder sozialen Gruppen innerhalb einer Gesellschaft ihnen Autorität verleihen. Hinsichtlich lokaler Frauengerichte wurde diskutiert, inwieweit es ausreiche, dass diese von der lokalen Gesellschaft akzeptiert werden, oder ob die Frauen auch von der nationalen Justiz anerkannt werden wollen. In der Reflexion über diese komplexen Probleme betonten einige Teilnehmerinnen, traditionelle Rechtssprechungen, die unter Mitwirkung von Frauengruppen grundlegend ver- 17 6. Berichte aus den Arbeitsgruppen ändert werden, seien Instrumente, die Frauen und Mädchen Gerechtigkeit bringen könnten. Möglicherweise sei das sogar eher der Fall als bei staatlichen oder internationalen Rechtssystemen, gerade weil letztere oft nicht existent oder unerreichbar sind. lebende sexualisierter Gewalt errichtet werden, die ihren Bedürfnissen entsprechen. Dies schließt die Entstigmatisierung der Frauen, die vergewaltigt worden waren, und umfassende gesellschaftliche Diskussionen sowie die Ächtung jeglicher Gewalt gegen Frauen ein. Trotz vieler Hindernisse haben Frauengruppen es in einigen Ländern geschafft, traditionellen Konfliktregelungsmechanismen eine positive frauenfreundliche Wendung zu geben. Deshalb sollten Aktivistinnen, die sich für die Menschenrechte von Frauen und Mädchen auf nationaler und internationaler Ebene einsetzen, sie nicht einfach übergehen. Vielmehr ist es wünschenswert, dass sie sich auch für deren Veränderung einsetzen und nicht nur an der Verbesserung des nationalen und internationalen Rechts arbeiten. Diese Forderungen sind Meilensteine, um folgende Ziele zu erreichen: Frauen über ihre grundlegenden Rechte in Kenntnis setzen. Die meisten Menschen in Kriegs- und Krisenregionen dieser Welt kennen nicht einmal die Regeln traditioneller Konfliktregelung geschweige denn nationale Gesetze. Vielerorts kann es hilfreich sein, nationale Rechtsreformen, beispielsweise neue Gesetze gegen sexualisierte Gewalt für die Rechtsinformation auf lokaler Ebene zu nutzen. So wurde in Liberia versucht, unter Bezug auf das neue Gesetz gegen sexualisierte Gewalt das lokale traditionelle System zu ändern. Für solche Übersetzungsleistungen ist es wichtig, insbesondere Frauen in ländlichen Gebieten grundlegende Rechtskenntnisse zu vermitteln. Umfassende Kenntnis der eigenen Rechte kann die Verhandlungsmacht von Frauen stärken. Damit dies gelingt, ist es wichtig, dass Frauenorganisationen methodische Instrumente entwickeln, um das internationale und das nationale Recht für Frauen auf dem Land verständlich und im Zusammenhang mit lokalen Rechtsinstanzen sinnvoll nutzbar zu machen. Hier ist ein länderübergreifender Austausch notwendig, in den auch Basisgruppen einbezogen werden sollten. Grundsätzlich müssen viel stärker als bisher Vorgaben und Maßnahmen zur Geschlechtergleichheit in alle Friedensverhandlungen, Reintegrations- und Wiederaufbauprogramme integriert werden, egal ob es dabei um den Wiederaufbau von Straßen, Schulen, Brunnen etc. geht. Geschlechtergerechtigkeit und die Überwindung geschlechterbezogener Gewalt sollten integrale Bestandteile aller Planungen und aller Programme sein. Frauen und Mädchen, die Gewalt überlebt haben, müssen darin unterstützt werden, Anwältinnen ihrer selbst zu werden. Dazu können Gruppen von Überlebenden beitragen, die ihre Isolation und Stigmatisierung durch Zusammenarbeit überwinden. Sie können sich gegenseitig stärken, ihre Stimme zu erheben. So können sie auf traditionelle und nationale Rechtssysteme Einfluss nehmen. Lokale Transformationsansätze des traditionellen Rechts müssen dokumentiert werden. Das spezifische Vorgehen und die konkreten Erfahrungen der beteiligten Aktivistinnen müssen auf unterschiedlichen Ebenen bekannt gemacht werden. Vor allem Frauenorganisationen an der Basis müssen länderübergreifend vernetzt werden und sich austauschen können. Dies erfordert finanzielle För- Eine Teilnehmerin betonte, es sei wichtig, die Transformationen traditioneller Systeme nicht nur mit Blick auf die Friedensstifterinnen zu betrachten, sondern als staatsbürgerliches Engagement. Es gehe darum, Beziehungen in Nachkriegsgesellschaften im umfassenden Sinn mitzugestalten. In diesem Zusammenhang unterstrichen einzelne Arbeitsgruppenteilnehmerinnen, dass Männer nicht nur negativ betrachtet werden sollten. Sie forderten eine Unterscheidung zwischen Tätern und Männern, die Veränderungen wollen. Diese veränderungswilligen Männer sind wichtig, um traditionelle Rechtsinstitutionen frauenfreundlich zu reformieren. Die Arbeitsgruppe formulierte Empfehlungen, wie Frauen zur Situationsverbesserung ansetzen können. Übergreifendes Ziel sollte es sein, die Gerechtigkeitsvorstellungen der Gewaltüberlebenden zu verwirklichen. Folgende Schritte können den Weg dahin ebnen: In allen Gerechtigkeitsprozessen müssen die Mitspracheund Einflussmöglichkeiten von Frauen gestärkt werden. Das heißt, Frauen und Mädchen müssen als Handelnde wahrgenommen werden und wahrhaftig an Entscheidungsprozessen beteiligt sein, nicht nur als Alibifrauen. Die Einstellungen von Richtern, Politikern, lokalen politischen und religiösen Autoritäten müssen sich grundlegend verändern. Die Mitsprache, Mitbestimmung und Mitwirkung von Frauengruppen in der Zivilgesellschaft müssen gestärkt werden, damit sie als Interessenvertretung von Frauen, die sexualisierte Gewalt überlebt haben, gegenüber Gerichten und anderen Gerechtigkeitsinstanzen wirken können. Es müssen umfassende Unterstützungssysteme für Über- 18 6. Berichte aus den Arbeitsgruppen derungen, die es bislang nicht gibt. Nationale und internationale Rechtsexpertinnen sollten lokale Transformationsansätze berücksichtigen. nicht wieder aufgebaut. In zahlreichen aktuellen Krisenländern gab es auch vor den Kriegen nur Gerichte in den Großstädten, die zudem sehr schleppend und unzuverlässig gearbeitet haben. In vielen Ländern sind die – zumeist männlichen – Polizisten, Richter und Staatsanwälte inkompetent oder korrupt. Sie lassen Vergewaltiger gegen Bargeld frei oder leiten Verfahren erst gar nicht erst ein, besonders wenn die Angeklagten Männer mit Macht und Einfluss sind. 6.2 Arbeitsgruppe 2: Nationales Recht Die Teilnehmerinnen dieser Arbeitsgruppe kamen aus Bosnien-Herzegowina, der Demokratischen Republik Kongo, Deutschland, Haiti, Indien, Liberia, Ruanda und Uganda. Sie befasste sich insbesondere mit den Rechtssystemen in aktuellen Nachkriegsgesellschaften. Auch die Gerichtssprache ist für viele Frauen ein enormes Problem. Sie sprechen oft nicht die nationale Verkehrssprache, sondern nur eine lokale Sprache, vor allem wenn sie während ihrer Kindheit keine angemessene Schulausbildung erhielten. Für sie ist die juristische Sprache unverständlich und entfremdend. Außerdem sehen sie sich aufgrund mächtiger Sexualtabus nicht in der Lage, das Wort „Vergewaltigung“ direkt auszusprechen. Erschwerend kommt hinzu, dass es in etlichen Lokalsprachen keine Begriffe für diese Gewaltakte gibt. In Uganda greifen Frauen daher zu Umschreibungen, indem sie Formulierungen benutzen wie „Dieser Mann machte mich zur Frau“. Wenn ErmittlerInnen und AnklägerInnen diese Symbolik nicht verstehen, dann scheitert jede Strafverfolgung schon im Ermittlungsstadium, spätestens aber vor Gericht. In Haiti fragte ein Richter eine Zeugin, ob sie vergewaltigt (violée) oder ausgeraubt (volée) worden sei. Sie nickte nur beschämt, was zur Folge hatte, dass der Richter den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung freisprach. Rechtslage in den einzelnen Ländern In zahlreichen Ländern wird Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Familie, eine bestimmte Gruppe oder den Staat gesehen, aber nicht als Verbrechen gegen die vergewaltigten Frauen. Als Ursachen für Vergewaltigungen gelten nicht Sexismus, Frauenverachtung, besitzergreifende Männlichkeitsvorstellungen, Geschlechterhierarchien und gesellschaftliche Machtverhältnisse, sondern Zerrbilder wie das angeblich aufreizende Sexualverhalten, die Kleidung oder das forsche Auftreten der jeweiligen Frau. So werden die Frauen, die vergewaltigt wurden, als für die Verbrechen selbst verantwortlich beschuldigt. Diese Viktimisierung und Stigmatisierung begründet ihr Schweigen über die erlittene Gewalt. Im Unterschied zur staatlichen Rechtssprechung nehmen in vielen Ländern nur Frauengruppen und Teile der Zivilbevölkerung Vergewaltigungen als Angriff auf die körperliche und persönliche Integrität der individuellen Frauen wahr. Die Teilnehmerinnen berichteten über Besonderheiten der Strafverfolgung aus ihren jeweiligen Ländern und von gesellschaftlichen Zwängen im Hintergrund: In der Demokratischen Republik Kongo gab es 2006 eine Strafrechtsreform, nach der Vergewaltigung mit einer Freiheitsstrafe bis zu 20 Jahren belegt ist. In der Praxis ist die Lage allerdings nicht viel anders als vorher. Der nächste Staatsanwalt ist oft viele hundert Kilometer entfernt. Bis 1996 war es Frauen und Mädchen nicht gestattet, vor Gericht auszusagen. Sie galten nicht als eigenständige Rechtspersonen und mussten sich von männlichen Familienangehörigen vertreten lassen. Das hat sich mittlerweile juristisch geändert, allerdings gilt es nach wie vor kulturell als inakzeptabel, dass eine Frau selbst vor Gericht auftritt. Für Frauen ist es bereits sehr schwer, innerhalb der Familie überhaupt über eine erlittene Vergewaltigung zu sprechen, sich in Worten auszudrücken. Im Hinblick auf die Strafverfolgung von Kriegsvergewaltigungen stellt sich das Problem, dass die Frauen die vergewaltigenden Milizionäre oder Soldaten nur in den seltensten Fällen kennen, die unmittelbaren Täter also anonym bleiben und nicht angezeigt werden können. Vor diesem Hintergrund, so bilanzierten die Teilnehmerinnen dieser Arbeitsgruppe, werden die existierenden staatlichen Justizsysteme Frauen und Mädchen nicht gerecht. Und das, obwohl Frauen in allen Ländern jahrelang hart für entsprechende Rechtsreformen gekämpft und auch manche Fortschritte erreicht haben. So wurden dank dieses Kampfes in den letzten Jahren in vielen Ländern neue Gewaltschutz- oder Strafgesetze verabschiedet, die zumindest teilweise von umfassenden Vergewaltigungsbegriffen ausgehen und Vergewaltigungen mit drastischen Strafen ahnden. Probleme bei der Strafverfolgung von Vergewaltigungen Zahlreiche Probleme erschweren die Umsetzung der vorhandenen Gesetze: Staatliche Gerichte sind oft schon örtlich unerreichbar und das Justizsystem ist vielerorts noch 19 6. Berichte aus den Arbeitsgruppen nozid-Täter haben etliche Gewaltakte gestanden, um aus den Gefängnissen entlassen zu werden, Vergewaltigungen zählen nur äußerst selten dazu. Inzwischen gibt es allerdings bei den staatlichen Gerichten eine Zunahme von Ermittlungsverfahren. „Wenn Du die Situation im Kongo anschaust, wirst Du sehen, dass die ganze Infrastruktur zerstört ist und dass Frauen keinen Zugang zu irgendeiner Institution haben. (...) Internationale Abkommen nützen nichts, wenn die Situation vor Ort so problematisch ist. Beispielsweise können Frauen nicht als Zeuginnen aussagen, weil sie keine Zugang zu den Gerichten haben. So gibt es eine Kluft zwischen dem, was an der Basis passiert, und den Gerichten. Die Frage ist, wie Frauenorganisationen wirklich Frauen helfen können, wie sie ihnen Zugang zu den Gerichten verschaffen können.“ (Teilnehmerin, D.R. Kongo) Auf Druck von Frauenorganisationen finden in Bosnien-Herzegowina mittlerweile zahlreiche Prozesse über Kriegsvergewaltigungen vor den dafür zuständigen Gerichten statt. Neben der Kriegsverbrecherkammer des staatlichen Gerichtshofs in Sarajewo, an der nach Proporz auch internationale RichterInnen und AnklägerInnen tätig sind, werden auch vor rein national besetzten Distriktgerichten Kriegsverbrechen abgeurteilt. Eine Rechtsvertretung von ZeugInnen gibt es auch hier nicht. Der Zeuginnenschutz ist unterschiedlich ausgeprägt. Während die Kriegsverbrecherkammer am Standard des Jugoslawien-Tribunals in Den Haag anknüpft, ist der Umgang mit Zeuginnen vor den Distriktgerichten von Respektlosigkeit geprägt. In Liberia steht Vergewaltigung aufgrund des von der Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf initiierten Gesetzes unter einer Strafandrohung von lebenslangem Freiheitsentzug. Tatsächlich findet jedoch die Strafverfolgung allenfalls in den Städten statt, auf dem Land praktizieren AnwältInnen nicht, lediglich einfache Rechtspraktikanten. Zudem sind die Kosten für eine anwaltliche Vertretung, die die Frauen im Falle von Vergewaltigungen faktisch brauchen, um eine Strafverfolgung sicher zu stellen, unerschwinglich hoch. Es gibt ein Anwältinnenverband, der sich einzelnen Fällen erfolgreich annehmen kann. In Uganda droht Vergewaltigern sogar die Todesstrafe, was Zeuginnen jedoch in ein moralisches Dilemma bringt: Viele wünschen sich nicht den Tod des Täters, sondern ihre eigene Rehabilitation. Mächtige alte oder neue Eliten halten Frauen nicht selten davon ab, Vergewaltigungen anzuzeigen und überhaupt zu thematisieren: So zwingen zum Beispiel in ländlichen Regionen Liberias traditionelle Frauen- und Männer-Geheimbünde vergewaltigte Frauen, Kompromisse zu akzeptieren. Diese werden zwischen den Familien der Täter und der Opfer geschlossen, um die „soziale Ordnung“ wiederherzustellen, die die Machtbasis der lokalen Eliten ist. In den meisten Ländern ist die Vergewaltigung in der Ehe nicht strafbar: Auch in Liberia weigerten sich zunächst die zumeist männlichen Parlamentarier, einem Gesetzentwurf zur Strafbarkeit ehelicher Vergewaltigung zustimmen. In Haiti drohen Männer damit, vergewaltigte Frauen zu verhexen, wenn sie vor Gericht ziehen. Im ländlichen Afghanistan urteilen Richter, wenn es sie überhaupt gibt, nicht nach staatlichem, sondern eher nach traditionellem Recht oder der Scharia. In Indien vertreten ausschließlich Staatsanwälte Frauen, die vergewaltigt wurden, da es nach angelsächsischem Recht keine Nebenklage gibt. Entsprechend gering sind daher die Mitsprachemöglichkeiten bei den Prozessen. In Haiti kann Vergewaltigung mit bis zu zehn Jahren bestraft werden; allerdings geschieht dies in der Praxis nur, wenn die verletzte Frau der reichen und einflussreichen Oberschicht angehört. Arme Frauen haben kaum eine Chance auf ein Gerichtsverfahren, bei dem der Täter bestraft wird; sie werden vielmehr unter Druck gesetzt, nicht als Zeugin auszusagen. Kompensationen und Schmerzensgelder In Ruanda wird nach einem neueren Gesetz Vergewaltigung mit einer Freiheitsstrafe bis zu 25 Jahren bestraft. Ruanda verfügt im Übrigen über eine Verfassung, die sich an der Gleichberechtigung der Geschlechter orientiert. Für die rechtliche Stellung der Frauen bedeutet sie einen großen Fortschritt. Die nach dem Völkermord eingerichteten Gacaca-Gerichte sind für die während des Völkermordes 1994 begangenen Vergewaltigungen nicht zuständig. Abgesehen vom internationalen Ruanda-Tribunal werden Vergewaltigungen, die während des Völkermordes geschahen, nur vor nationalen Gerichten verhandelt. Zahlreiche inhaftierte Ge- Kompensationen und Schmerzensgelder für Überlebende sexualisierter Gewalt sind, wenn überhaupt, fast überall nur in Form von Geld erhältlich. Pekuniäre Leistungen sind aber unzulänglich. In Deutschland, so berichtete eine Teilnehmerin, lehnen Frauen, die vergewaltigt wurden, in einigen Fällen Wiedergutmachungszahlungen ab, weil sie die „Bezahlung“ von Leiden als würdelos und beschämend empfinden. In der Demokratischen Republik Kongo und Afghanistan, wo Frauen bis vor kurzem nicht als eigenständige Rechts- 20 6. Berichte aus den Arbeitsgruppen In Indien gibt es zwar ein ausdifferenziertes Hilfssystem für Opfer von Gewalt oder Naturkatastrophen. Aber zum einen fällt Vergewaltigung nicht darunter, zum anderen geht es hierbei um humanitäre Hilfe und nicht um Rechtsansprüche. personen galten, erhalten nicht die geschädigten Frauen etwaige Geldzahlungen, die dort an Stelle eines regulären Strafverfahrens nach traditionellem Recht gelegentlich erfolgen, sondern ihre männlichen Familienangehörigen. In Ruanda wurden viele Frauen während des Völkermords vergewaltigt und dabei mit HIV infiziert und/oder geschwängert. Zahllose Frauen und Kinder erhalten keine anti-retroviralen Medikamente. Die geschwächten Mütter werden stigmatisiert und können ihre Kinder kaum ernähren. Diese erfahren als „Kinder der Feinde“ oder „Kinder der schlechten Erinnerung“ massive Diskriminierungen, sie werden von der Gesellschaft abgelehnt und manchmal auch von den eigenen Müttern misshandelt. Solche Fälle werden von der nationalen Gesetzgebung nicht berücksichtigt. Eine Gesetzesvorlage zu Reparationen konnte bisher nicht umgesetzt werden, weil für die einzurichtenden Hilfsfonds die zugesagten internationalen Gelder fehlten. Obwohl Ruanda weltweit über die höchste Frauenquote im Parlament verfügt und sich viele der Genozidüberlebenden gemeinsam organisiert haben, hat sich ihre Lage noch nicht wesentlich verbessert. Zahllose Frauen schrecken davor zurück, Vergewaltigungen anzuzeigen; sie fürchten, erneut stigmatisiert zu werden. Umso wichtiger ist die Stärkung von Frauenorganisationen als zivilgesellschaftliche Interessenvertretung. Trotz ihres Engagements scheiterte eine Gesetzesinitiative zur Entschädigung von Vergewaltigungsopfern am großen Widerstand nationaler Entscheidungsträger. Männliche Unterstützung Für die Verurteilung der Vergewaltiger und gesellschaftliche Ächtung sexualisierter Gewalt können religiöse Autoritäten eine wichtige Rolle spielen. In Bosnien verurteilte der Imam per Fatwa Vergewaltigungen und rief alle Familien und die Gesellschaft dazu auf, Frauen, die Vergewaltigungen überlebt hatten, zu schützen und sie nicht zu diskriminieren. In Ruanda, Kenia und Liberia, so berichteten Teilnehmerinnen, gibt es durchaus junge Männer, die Vergewaltigungen öffentlich verurteilen. Sie erklären sich mit den Überlebenden solidarisch und wollen die gewaltgeprägten Einstellungen von Männern ändern. Diese Männer könnten Allianzpartner von Frauenorganisationen werden. Kritische Schlussfolgerungen Falls es überhaupt Strafprozesse vor einem staatliche Gericht gibt, wird die Würde und Sicherheit der Frauen, die Vergewaltigungen überlebten, nicht geschützt; oft werden sie re-traumatisiert. Richter und Verteidiger tendieren in zahlreichen Fällen dazu, Frauen voyeuristisch und sexistisch zu befragen. Nicht selten haben Richter den Mythos verinnerlicht, eine Frau sei „selbst schuld“ an einer Vergewaltigung. Außerdem ist die angelsächsische Tradition des Kreuzverhörs für die Zeuginnen zumeist erniedrigend. Aussagen über eine Videoverbindung sind vielfach logistisch nicht möglich; falls sie überhaupt realisierbar sind, müssen Richter dem erst zustimmen. In ganz wenigen Ländern werden Frauen, die vergewaltigt wurden, vor Prozessbeginn über den Verfahrensablauf informiert, erhalten Rechtsbeistand und oder psychologische Unterstützung. So erleben zahllose Frauen die Prozesse als fremdbestimmt, patriarchal, sexistisch und entwürdigend. Das ist vor allem dann der Fall, wenn sie nach ihrer sexuellen Vorgeschichte ausgefragt werden. Eine positive Ausnahme ist Bosnien-Herzegowina. Die weltweit erste Kriegsversehrtenrente für vergewaltigte Frauen wurde 2006 vom Parlament verabschiedet, nachdem der Film „Esmas Geheimnis“ (Grbavica von Jasmila Zbanic) im ganzen Land große Resonanz erhalten hatte. Der Krieg erzählt die Geschichte einer Frau, die im Krieg vergewaltigt wurde und ihrer Tochter, die bei der Vergewaltigung gezeugt wurde. Frauengruppen hatten vor den Kinosälen binnen kurzer Zeit rund 50.000 Unterschriften für die Gesetzesvorlage gesammelt. Das Gesetz sieht vor, dass den betroffenen Frauen eine Opferrente von monatlich rund 250 Euro zusteht. Doch in der Praxis hat es seine Tücken. Zum einen gilt es nur für einen Teil des nach wie vor gespaltenen Landes, zum anderen fehlen Informationen darüber. Vor allem in ländlichen Gebieten wissen viele Frauen nicht, wie sie einen Antrag stellen können. Darüber hinaus ist das Antragsverfahren für diese Rentenzahlungen sehr intransparent und anfällig für Machtmissbrauch. Es gibt nur eine einzige regierungsnahe Nichtregierungsorganisation, an die sich die Frauen wenden müssen. Für ein anschließendes Urteil müssen sie sich von einer medizinischen Kommission befragen lassen, deren Mitglieder bislang wenig oder gar keine Erfahrungen mit Vergewaltigungstraumata haben. Viele Frauengruppen setzen sich jetzt dafür ein, dass dieses Verfahren geändert wird. Die Teilnehmerinnen der Arbeitsgruppe waren sich einig, dass die Frauen in ihren Ländern neben der Bestrafung der Täter immer auch eine Entschuldigung wollen. Wichtig ist ein Schuldeingeständnis der Vergewaltiger, um die Qualen der Frauen zu reduzieren. Eine öffentliche Entschuldigung kann dazu beitragen, dass Frauen, die vergewaltigt wurden, geglaubt wird und sie nicht als Lügnerinnen angefeindet 21 6. Berichte aus den Arbeitsgruppen werden. Es geht um die Wiederherstellung ihrer Würde und den Respekt in der Gesellschaft. beiten an Rechtsreformen und deren effektiver Umsetzung Ein Ende sexualisierter Gewalt kann nicht allein von Aktivistinnen und Frauenorganisationen auf lokaler oder nationaler Ebene geleistet werden. Erstrebenswert ist auch die verbesserte weltweite Vernetzung von Frauen und die Etablierung einer permanenten Pressure Group. Diese könnte sich auf politischer und gesellschaftlicher Ebene dafür einsetzen, dass Regierungen und die internationale Staatengemeinschaft Verantwortung für die strafrechtliche Verfolgung und Ächtung der Gewalt übernehmen. Frauen, so die einhellige Meinung der Teilnehmerinnen, stellen die Garantie und den Ausgangspunkt für diese Veränderungen dar, sie entwickeln neue gesellschaftliche Strukturen und nehmen ihr Leben in die eigene Hand. Sie verlangen, dass sich Verhalten und Einstellungen der Männer ändern. Die wesentlichen Feststellungen der Teilnehmerinnen waren: Frauen müssen in alle gesellschaftlichen Prozesse mit einbezogen werden und insbesondere Zugang zu den entscheidenden gesellschaftlichen Stellen und Gremien erhalten. Wichtig ist es, von den konkreten Forderungen der Frauen und Frauenorganisationen gegenüber der nationalen Justiz auszugehen. Das betrifft die Umsetzung von Gesetzesreformen und Verbesserungen im Zugang zu Gerichten. Dazu könnten beispielsweise mobile Gerichte in ländlichen Gebieten beitragen. Verändert werden müssen die Prozesse, das Verhalten sowie die Einstellungen der Richter, Staatsanwälte und anderer Justizmitarbeiter. Viele befördern die Straffreiheit der Täter. So gilt es, sexistische Einstellungen und kulturell verankerte Geschlechtervorstellungen zu überwinden, denn diese viktimisieren die Frauen vor Gericht. Wichtig sind Rechtsinformationen zum Prozessablauf, psychologische Beratungen und vor allem die praktische Ermöglichung einer konkreten Rechtsvertretung vor, während und nach Rechtsverfahren. Frauen müssen in allen Arten von Verfahren ihre eigene Sprache sprechen können und haben Anspruch auf Respekt vor ihrer Ausdrucksweise. Fragen nach dem sexuellen Vorleben einer Frauen dürfen grundsätzlich nicht zulässig sein. Überlebende, die als Zeuginnen vor Gericht aussagen, bedürfen eines effektiven Schutzes, der sich nicht nur auf das Verfahren selbst erstreckt. Zum Schutz gehört auch eine gesicherte Zukunft, d.h. eine materielle Sicherung ebenso wie Gesundheitsfürsorge, mit spezieller Aufmerksamkeit für HIV infizierte Frauen, und die Gewissheit, nie mehr wieder eine solche Gewalt erleben zu müssen. Auch für die Kinder, die infolge von Vergewaltigungen geboren wurden, muss es Platz und gesellschaftliche Sorge geben. Das internationale Strafrecht sollte auf nationaler Ebene umgesetzt und in nationale Rechtssprechung übersetzt werden, auch in ländlichen Gebieten. Frauenorganisationen und lokale Aktivistinnen müssen umfassend unterstützt werden. Nur die Stärkung, Vernetzung und Organisierung von Frauen kann eine gesellschaftlich nachdrückliche Veränderung herbeiführen, die dauerhaft den Gewalttätigkeiten auf jeder Ebene, denen Frauen ausgesetzt sind, entgegenwirken kann. Sie setzen sich für die Stärkung der Überlebenden ein und ar- 6.3 Arbeitsgruppe 3: Internationales Strafrecht An dieser Arbeitsgruppe nahmen Frauen aus Costa Rica, Deutschland, der Demokratische Republik Kongo, Kenia, Kosovo, Mexiko, Nepal, Ost-Timor, der Türkei und den USA teil. Internationale Strafgerichte – Gerechtigkeit für Gewaltüberlebende? Juristinnen und Frauenorganisationen haben erfolgreich dafür gekämpft, dass sexualisierte Gewalt im Völkerrecht als Verbrechen anerkannt und sanktioniert wird. Dennoch ist die Umsetzung der neuen völkerrechtlichen Grundlagen in den verschiedenen internationalen und internationalisierten Gerichten in vieler Hinsicht mangelhaft. Vor allem aber – so die Bilanz dieser Arbeitsgruppe – ist die Kluft zwischen den betroffenen Frauen und Aktivistinnen vor Ort und den internationalen Strafgerichten enorm groß. Angesichts von fortdauernder Gewalt gegen Frauen, von gesundheitlichen Folgen der Kriegsgewalt sowie von ökonomischen und familiären Zwängen erscheint diese Kluft oft unüberwindbar. Neue Brücken sind notwendig, um die Kluft zu überwinden. Ein Schritt vorwärts ... Als positive Entwicklung im internationalen Strafrecht bewerteten die Teilnehmerinnen die stärkere Rolle von Opfern und ZeugInnen im Vergleich zu den Kriegsverbrecherpro- 22 6. Berichte aus den Arbeitsgruppen zessen Ende des Zweiten Weltkriegs. Auch im Vergleich mit vielen nationalen Gerichtsverfahren oder mit traditionellen Schlichtungsverfahren werden Rechte und Schutz von Opfern und Zeuginnen im internationalen Strafrecht stärker berücksichtigt. Eine spezielle Abteilung ist für den Schutz und die Betreuung von ZeugInnen zuständig, wenn auch nur für die Dauer ihrer Aussage und für die An- und Abreise. Es besteht die Möglichkeit, vertraulich auszusagen, d. h. nicht identifizierbar für die allgemeine Öffentlichkeit. So können ZeugInnnen auf Antrag unter Pseudonymen und hinter Stellwänden aussagen; die Öffentlichkeit kann wähend einer Aussage ausgeschlossen werden. Es ist auch prinzipiell möglich, per Videoverbindung auszusagen. ... zwei Schritte zurück Dieser Verankerung sexualisierter Kriegsgewalt im Völkerstrafrecht und der grundsätzlichen Stärkung der Opfer- und Zeuginnenrechte stehen in der Praxis aber zahlreiche Hindernisse entgegen. Damit sind vor allem Frauen konfrontiert. So bleibt sexualisierte Gewalt in vielen Anklagen unberücksichtigt, wie im Fall der Anklage gegen den kongolesischen Rebellenführer Thomas Lubanga vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Dieser Prozess betrifft die Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten, lässt aber die sexualisierte Gewalt gegen Kindersoldatinnen unberücksichtigt. Beim Jugoslawien-Tribunal wurden in mehreren Fällen Vergewaltigungen in den Anklagepunkten fallen gelassen, um Verfahren zu beschleunigen. Häufig heißt es auch, Vergewaltigungen seien besonders schwer nachzuweisen. Zudem seien nur wenige Frauen wegen des gesellschaftlichen Stigmas bereit, darüber auszusagen. Auch beim UNgestützten Tribunal gegen die Roten Khmer in Kambodscha kam sexualisierte Gewalt bis zum Zeitpunkt der Tagung nicht als Anklagepunkt vor, obwohl sie in großem Umfang stattfand. “Einen Punkt, den ich für entscheidend halte (und) der aus dieser Konferenz hervorgehen sollte, ist der Bedarf an einer – ich nenne es – Verbindungsbeauftragten für lokale Aktivistinnen (liaison officer) auf der UN-Ebene; so dass jede einzelne UN-Aktivität die Mitgliedsstaaten einbezieht. Erinnern wir uns an eine Sache: Mitgliedsstaaten repräsentieren uns, wir sind das Volk! Das ist der erste Satz in der universellen Erklärung (der Menschenrechte). Ich denke, es ist extrem wichtig, dass es eine Verbindungsbeauftragte für lokale Aktivistinnen gibt. So dass jede Entscheidung der UN oder regionaler Mechanismen, beispielsweise des Inter-American Court oder des African Court, mit Lobbying verbunden ist. (...) So kann sicher gestellt werden, dass die Anliegen und Prioritäten der lokalen Aktivistinnen auf jedem Treffen verhandelt werden.“ (Teilnehmerin, USA) Vor allem die Vertreterinnen lokaler Frauengruppen, die häufig die Kontakte zwischen potentiellen Zeuginnen und internationalen Strafgerichtshöfen herstellen, berichteten in der Arbeitsgruppe von ihren großen Frustrationen in ihrer Begegnung mit der internationalen Justiz. Sie empfanden nicht nur die zermürbenden und oftmals erniedrigenden Kreuzverhöre als Zumutung, sondern auch die Tatsache, dass die Vergewaltiger als Angeklagte das Recht hatten, selbst die Frauen zu befragen. Das erlebten viele Zeuginnen als erneute Angriffe auf ihre Integrität. Es wurde von Fällen berichtet, in denen die Richter trotz Verbot Befragungen zuließen, die auf das sexuelle – angeblich unmoralische – Vorleben von Zeuginnen abzielten. In einem Fall hatte ein Täter eine Frau mit einer Pistole am Kopf bedroht und vergewaltigt. Mit der Überlebenden hatte er zuvor eine sexuelle Beziehung gehabt. Die ausschließlich männlichen Richter werteten das als strafmildernden Umstand; letztlich kam der Täter frei. Besonders wichtig sind Verfahrensregeln, die bei Vergewaltigungsfällen verhindern, dass die Verteidigung die betroffenen Frauen erneut demütigen kann. Sie darf z. B. nicht nach dem sexuellen Vorleben der Zeugin fragen und es bedarf auch keiner zusätzlichen Beweismittel, um die Aussage einer Zeugin zu bestätigen. Das heißt, die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen wird nicht – wie häufig in nationalen Verfahren – im Voraus angezweifelt. Sie unterliegt ausschließlich der gleichen Prüfung wie andere Zeuginnen und Zeugen. Als besonders wichtig für die Stärkung der Rechte von Zeuginnen und Opfern schätzten die Teilnehmerinnen die Möglichkeit ein, beim Internationalen Strafgerichtshof (ISTGH) die eigenen Interessen durch eine Rechtsvertretung wahrnehmen zu können, auch wenn dies mit Einschränkungen verbunden ist. Auch die Einbeziehung der Opferentschädigung und Rehabilitation in die Gerichtsverfahren wurde als weiterer Fortschritt genannt. Ebenso wurde die Einrichtung eines Fonds zur Entschädigung der Opfer als positive Entwicklung erwähnt. Die NGO Aktivistinnen beklagten auch eine fehlende Aufklärung der Zeuginnen über ihre Rechte, vor allem aber eine mangelnde Vorbereitung auf das Gerichtsgeschehen. So wurden Zeuginnen bei Kreuzverhören vollkommen unvorbereitet mit verschiedenen Aussagen, die sie vor langer Zeit gemacht hatten, konfrontiert und in Widersprüche über Nebensächlichkeiten verwickelt. Auch Beispiele von unsensiblen Ermittlungsverfahren wurden genannt. So lud ein Ermittler des Internationalen Strafgerichtshofs in der Demokratischen Republik Kongo eine Frau aus einem entfernt liegenden Dorf zur Vernehmung in die Stadt, um sie dann 23 6. Berichte aus den Arbeitsgruppen lung von Gerechtigkeit beigetragen zu haben. Zu berücksichtigen ist auch das begrenzte Mandat der Gerichtshöfe. Darüber hinaus müssen sich Richterinnen oder Anklägerinnen strikt an die Regeln halten, die auch die Achtung der Rechte des Angeklagten einschließen. Dies ist in der Öffentlichkeit oder gegenüber Zeuginnen oft schwer oder gar nicht vermittelbar und steht oft im krassen Gegensatz zu den Erwartungen an die Gerichtshöfe. zurückzuschicken, weil ihm terminlich etwas dazwischen gekommen war. Diese Frau war tagelang unterwegs gewesen, um ihre Aussage zu machen, und fand sich nun ohne Geld in einer ihr völlig fremden Stadt wieder. Generell wurde ein kultursensibleres Verhalten des Gerichtspersonals eingeklagt, dass auch Kenntnisse lokaler Ausdrucksweisen einschließt. Dies ist insbesondere im Falle sexualisierter Gewalt ein Muss und verlangt sensible Übersetzungen, da es Frauen oft unmöglich ist, den Sachverhalt einer Vergewaltigung in der juristisch geforderten Definitionsklarheit auszudrücken. So sei z. B. die ausführliche Vorbereitung von Zeuginnen durch den Ankläger als unzulässige Einflussnahme juristisch umstritten und in einem neueren Urteil des Internationalen Strafgerichtshofes sogar verboten worden. In diesem Fall empfanden viele Teilnehmerinnen, dass es sowieso besser sei, dass die Zeuginnen durch eine neutrale Instanz vorbereitet werden, wie z. B. die Zeuginnenschutzabteilung der Gerichtshöfe oder noch besser durch eigene Rechtsvertretungen. An dieser Stelle berichtete eine Teilnehmerin von einer Gruppe von Frauen in Bosnien, die während des Krieges gemeinsam in einem Lager waren und fast alle vergewaltigt worden waren. Sie waren später auch als Gruppe gegenüber dem Gerichtshof aufgetreten. Sie stellten gemeinsam Bedingungen für ihre Aussage, informierten sich gemeinsam und entschieden jeden weiteren Schritt zusammen. Durch ihr gemeinsames Vorgehen hatten sie eine starke Verhandlungsposition gegenüber dem Gerichtshof, konnten ihre Einflussmöglichkeiten wahrnehmen und sich gegenseitig stärken. Ein weiteres großes Thema war der mangelnde Schutz von Zeuginnen vor und nach ihrer Aussage. Einige NGO-Vertreterinnen führten verschiedene Beispiele dafür an, wie die Identität einer Zeugin in ihrem Heimatort bekannt wurde, obwohl sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgesagt hatte. In einem anderen Fall wurde eine Zeugin nach Rückkehr in ihr Dorf sogar erneut angegriffen und von Männern aus ihrer eigenen Gemeinde vergewaltigt, da sie als entehrt galt. Auch die lokalen Aktivistinnen selbst fühlen sich von den internationalen Gerichthöfen oft missachtet und im Stich gelassen, obwohl sie zumeist diejenigen sind, die überhaupt den Kontakt zwischen internationalen Strafgerichtshöfen und potentiellen Zeuginnen oder ganzen Gemeinden in Gegenden herstellen, zu denen internationale ErmittlerInnen sonst niemals Zugang hätten. Durch diese Vermittlungstätigkeit nehmen sie eine exponierte Stellung ein und sind Bedrohungen und physischen Angriffen ausgesetzt, je nach politischem Kontext auch von Seiten des Staates. Doch wenn sie dann akut bedroht werden, sind sie auf sich allein gestellt. Gerechtigkeit ist mehr als Recht In diesem Zusammenhang wiesen einige Teilnehmerinnen auf eine besondere Krux hin: Die Aussagebereitschaft von Frauen ist trotz aller Probleme oft viel größer, als Ankläger vermuten. Es ist umgekehrt auch oft nicht so sehr die Scham, die Frauen daran hindert, auszusagen. Allerdings fehlt es an Wissen in den Gerichtshöfen, die tatsächlichen Hindernisse zu erkennen und an Strategien, im Rahmen des Möglichen dagegen anzugehen. Die anwesenden Juristinnen stimmten den Beschwerden der NGO-Vertreterinnen zu, fügten teilweise sogar noch weitere Kritik hinzu. Nach wie vor gibt es innerhalb der Gerichtshöfe keine Geschlechterparität bei der Besetzung von Stellen vor allem auf höheren Ebenen. Es fehlt dort auch an obligatorischen Aus- und Weiterbildungsprogrammen im Hinblick auf sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewaltverbrechen, obwohl z. B. das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes ausdrücklich entsprechende Kompetenzen in allen Bereichen vorschreibt. Patriarchale Vorurteile, aber auch eigene Ängste im Umgang mit Vergewaltigungsopfern, bleiben so unbearbeitet und wirkungsvoll. Dazu gehört auch die reduzierte Wahrnehmung von weiblichen Überlebenden sexualisierter Gewalt als Opfer und nicht als Menschen, die Rechte haben und informierte Entscheidungen treffen wollen. Wir müssen uns grundsätzlich darüber im Klaren sein, merkte etwa eine Teilnehmerin bezogen auf Nachkriegssituationen an, dass nur ganz wenige Frauen überhaupt diesen Weg des formellen Rechts beschreiten können. Die überwiegende Mehrheit weiß nicht, wie sie für das, was ihnen angetan wurde, Gerechtigkeit erlangen könnte. Eine formal juristische und geschlechtsneutrale Herangehensweise, so eine andere Teilnehmerin, ignoriere den sozialökonomischen und kulturellen Kontext, in dem Frauen leben und sozialisiert werden. Wenn dem nicht aktiv entgegen gesteuert wird, reproduziert die formal juristische Herangehensweise sogar Diskriminierungen von Frauen. Andererseits wiesen einige Juristinnen darauf hin, dass ehemalige Zeuginnen ihnen auch von positiven Erfahrungen berichteten. Diese Frauen hatten das Gefühl, trotz aller Zumutungen selbst ihren Teil zur Aufklärung und Herstel- 24 6. Berichte aus den Arbeitsgruppen recht als praktischer Bezugspunkte für nationale Rechtsreformen in Nachkriegsländern genutzt werden können. Notwendig sind umfassendere Aufklärungen über die Möglichkeiten, die die internationalen Rechts- und Menschenrechtsinstrumente Frauen in Kriegs- und Krisenländern bieten. Ganz speziell gilt dies für die Rechte von Zeuginnen vor internationalen Strafgerichten. Nützlich wären länderspezifische und vergleichende Forschungen über die Gründe, die Frauen daran hindern, den Rechtsweg zu beschreiten. Die Erfahrungen von Frauen mit Rechtssystemen in verschiedenen Ländern müssten vergleichend ausgewertet werden. So könnte dokumentiert werden, in welchem Maße eine gesellschaftliche Stärkung von Frauen und eine Stärkung weiblichen Selbstbewusstseins tatsächlich den Zugang zu formellen Rechtssystemen für Frauen verbessert. Frauen müssten in ihren jeweiligen Kontexten eigene Kriterien dafür entwickeln, welche Art von Konfliktregelung und Gerechtigkeit sie befürworten und wollen. Beispielhaft ist das Frauennetzwerk im asiatisch-pazifischen Raum, das im Jahr 2000 das Frauentribunal von Tokio organisiert hatte. Gleichzeitig versuchten die wenigen überlebenden Frauen aber auch vor nationalen Gerichten, ihr Recht auf Entschuldigung und Wiedergutmachung durchzusetzen. Das zeigt auch das extreme Missverhältnis zwischen männlichen und weiblichen Zeugen vor dem Jugoslawien- und Ruanda-Tribunal. Einerseits werden Frauen insgesamt weniger zu allgemeinen Kriegsverbrechen befragt als Männer, andererseits behindern Frauenarmut und die geringeren Bildungschancen von Frauen sie in der Wahrnehmung ihrer Rechte. Auch werden Frauen dazu erzogen, sich nicht zu beschweren. Die derzeitigen, an Männern orientierten Rechtssysteme eigneten sich nicht, Frauen zu stärken, so eine Teilnehmerin; denn die dort vorherrschenden fremden und oft einschüchternden Verfahrensweisen würden eher das Gegenteil bewirken. Das Problem ist, da waren sich die Teilnehmerinnen einig, dass Frauen generell in Nachkriegsgesellschaften von der Neugestaltung der Gesellschaft, politischer Entscheidungsprozesse sowie der juristischer Aufarbeitung ausgeschlossen sind. So wird die im Jahr 2000 vom UN-Sicherheitsrat verabschiedete UN-Resolution 1325, die eine wirksame Teilhabe von Frauen an allen politischen Prozessen fordert, von den Regierungen ignoriert. Forderungen zur Veränderung der internationalen Justiz: Alle Veränderungen müssen darauf abzielen, Frauen in ihren Selbstermächtigungsprozessen zu stärken. Dabei müssen immer die jeweiligen spezifischen Kontexte berücksichtigen werden. Alle vorhandenen internationalen Instrumente, nicht nur die internationalen Strafgerichtshöfe, müssen genutzt werden. Dies betrifft insbesondere den Schutz von Aktivistinnen. Zum Schutz der Aktivistinnen können die Beschwerdemechanismen der UN-Sonderberichterstatterinnen für Menschenrechte oder der UN-Sonderberichterstatterinnen über Gewalt gegen Frauen beitragen. Auch die UNResolution 1820 sollte genutzt werden. Lokale Aktivistinnen brauchen konkrete Schutznetzwerke. Sie müssen sich der realen Risiken, die sie eingehen, bewusst sein. Es besteht ein großer Bedarf an mehr Kommunikation, Kooperation und Information, um die Kluft zwischen dem internationalem Strafrecht und den von Kriegsgewalt betroffenen Frauen sowie den lokalen Aktivistinnen zu schließen. Wichtig ist die Institutionalisierung eines kontinuierlichen Monitorings von Prozessen sowie die kontinuierliche Dokumentation von Urteilen, Beschlüssen und Verfahren der Gerichtshöfe. Urteile, Beschlüsse und Verfahren der Gerichtshöfe müssen in eine allgemein verständliche Sprache übersetzt werden, damit die Fortschritte im internationalen Straf- 6.4 Arbeitsgruppe 4: Andere Konfliktlösungsmechanismen An dieser Arbeitsgruppe nahmen Teilnehmerinnen aus Chile, Costa Rica, Deutschland, Guatemala, Kanada, Liberia, Peru und Südafrika teil. Wahrheits- und Versöhnungskommissionen sind nicht immer eine Alternative Diese Arbeitsgruppe zu anderen Konfliktlösungsmechanismen konzentrierte sich vor allem auf Wahrheits- und Versöhnungskommissionen. In vielen Ländern, unter anderem in Südafrika, Liberia, Guatemala, Peru und Osttimor, sind nach Ende eines bewaffneten Konfliktes Wahrheits- und Versöhnungskommissionen eingesetzt worden. Sie sind keine Alternativen zu Strafverfahren, auch wenn sie fälschlicherweise immer wieder so gesehen werden. Vielmehr ist es ihre Aufgabe, extreme Menschenrechtsverletzungen aufzudecken. Alle Kommissionen, so stellten die Teilnehmerinnen dieser Arbeitsgruppe fest, haben sexualisierte Gewalt, wenn überhaupt, dann erst zum Schluss auf ihre Agenda gesetzt. 25 6. Berichte aus den Arbeitsgruppen Strukturprobleme von Wahrheits- und Versöhnungskommissionen „Zwei wichtige Schlüsselfaktoren für Frauen waren: Vertrauensbasis zwischen denen, die die Zeuginnen begleiten und Zeit. Ja, dass Zeit gegeben wird, dass ein, zwei Jahre nicht ausreichen für eine Versöhnungskommission. (...) Es ist wichtig, bei der Begleitung von Zeuginnen, (gemeinsam) das Für und Wider abzuwägen, ... also was sie sagt und ob sie es sagt. (...) Die internationalen Organisationen und die NGOs sind in einem Dilemma. Das Dilemma besteht darin, dass die TRCs Richtlinien haben und die NGOs diese Richtlinien umsetzen müssen, um die Betreuung der Überlebenden zu gewährleisten, d. h. sie müssen die sehr hochgesteckten und unrealistischen Versprechungen der TRCs erfüllen und gleichzeitig können sie nicht die Interessen der Überlebenden erfüllen.“ (Teilnehmerin, Deutschland) Viele Wahrheits- und Versöhnungskommissionen werden viel zu schnell nach dem Ende eines Konfliktes eingesetzt, um die Nachkriegsordnungen zu stabilisieren oder das neue politische Machtgefüge abzusichern. Die Regierungen und internationale Akteure wie die UN verfolgen eigene Interessen und wollen einen schnellen Frieden oder rasche Amnestierungen um jeden Preis, oftmals um den Preis der Gerechtigkeit. Zahllose Frauen sind unter diesen Bedingungen nicht bereit, über ihre Gewalterfahrungen zu sprechen. In Wahrheits- und Versöhnungskommissionen, in der Strafjustiz, in anderen Institutionen zur Konfliktregelung und in NGOs prallen oft unterschiedliche, kaum miteinander vereinbare Erwartungshaltungen, Interessen und Gerechtigkeitsvorstellungen aufeinander. Hier wäre es notwendig, viel mehr Klarheit zu schaffen, insbesondere hinsichtlich der Perspektiven und Positionen der Frauen. terpretieren Übersetzer solche Aussagen falsch. Zahllose schweigen aus Scham, weil andere traumatisierende Erfahrungen in ihren Erinnerungen dominieren oder aus dem Wunsch, zu verdrängen. Hinzu kommt die Angst vor weiterer Diskriminierung und Racheakten seitens der Täter, der jeweiligen Gruppe oder der eigenen Familie. Die aussagenden Zeuginnen werden oft nur benutzt, um Informationen über die Gräuel der Vergangenheit zu erhalten. Dann werden sie nach Hause geschickt, ohne psychologische Vor- und Nachbereitung, ohne Aussicht auf Heilung und Rehabilitation. Viele erhalten auch im Nachhinein keine Informationen, was mit ihren Aussagen weiter passiert. Die Kommissionen wecken Erwartungen, die sie aber durch ihre internen Strukturen und Mechanismen, durch ihre personelle Besetzung, durch Zeitdruck und mangelnde finanzielle Ausstattung gar nicht erfüllen können. Das ist fatal für die Zeuginnen und Gewaltüberlebenden, vor allem wenn Vertreter der Institutionen diese vorrangig als Opfer kategorisieren und ihnen während der Anhörungen nur die Opferrolle zuweisen. Dieses Vorgehen, so die einhellige Meinung der Teilnehmerinnen, demütigt und re-traumatisiert viele Frauen, zumal die Art und Weise der formalisierten Anhörungen und der Befragungen nach bestimmten Fragemustern ihnen keineswegs gerecht wird. Darüber hinaus berücksichtigen die Mitglieder von Wahrheits- und Versöhnungskommissionen oft nicht Vergewaltigungen, weil sie ihre Untersuchungen vor allem auf Morde, Verschwindenlassen von politischen Aktivisten und Folter konzentrieren. Sie nehmen Vergewaltigungen überhaupt nicht als Gewaltverbrechen in Kriegen und Konflikten wahr. Guatemala, Chile und Südafrika In Guatemala hat die Wahrheitskommission nicht dazu gedient, die gesellschaftliche Gewalt einzudämmen; die Täter blieben unbestraft und die Straflosigkeit dauert bis heute an. Viele Generäle des langjährigen Bürgerkrieges bekleiden noch immer hohe Posten und kontrollieren die Medien. Die Opfer und Aktivistinnen werden zum Schweigen gezwungen, die Gewalt wird im Generationenverhältnis weitergegeben. Entschädigungen wurden nur an Unbewaffnete gezahlt, also nicht an KämpferInnen in Guerillagruppen. Ehemalige Angehörige der Guerilla müssen aber zu ihrer Identität stehen können, müssen erzählen können, dass sie beides waren: Opfer und KämpferInnen. Manchmal müssen sie akzeptieren, dass ihre männlichen Mitstreiter anderen Frauen ebenfalls sexuelle Gewalt angetan haben. Wessen Wahrheit? In der Regel tagen die Kommissionen in den Hauptstädten oder in größeren Städten eines Landes und sind damit für die Mehrheit der Gewaltüberlebenden unerreichbar. Die Anhörungen finden in den Nationalsprachen statt, die aber von vielen Frauen nicht beherrscht werden. So können sich z. B. Indigenas in Lateinamerika nicht in Spanisch artikulieren, vor allem dann nicht, wenn es darum geht, persönliche Gewalterfahrungen in Worte zu fassen. In vielen Lokalsprachen gibt es keine Begriffe für Vergewaltigungen oder Frauen umschreiben aus Scham die erlittene Gewalt, z. B. indem sie sagen, der Täter habe ihre Würde geraubt und sie in der schrecklichsten Weise misshandelt. Oft in In Chile wurde ein zivilgesellschaftlich kontrolliertes Institut für Menschenrechte gegründet, um Mitsprache zu erreichen. Die Menschenrechtsorganisation Corporación Humanas ist in Chile und anderen südamerikanischen Ländern vertreten und bildet dort strategische Allianzen mit 26 6. Berichte aus den Arbeitsgruppen gische Beratungsgruppen einhalten müssen, weil sie internationale Fördergelder erhalten, werden sie von manchen Frauen nicht als tatsächliche Hilfe angesehen. Stattdessen entscheiden sich einige Frauen, informelle Solidaritätsgruppen zu gründen. Diese entsprechen ihren eigenen Vorstellungen und dort gelten – unter Ausschluss der Öffentlichkeit – ihre eigenen Regeln, wie Fallbeispiele aus Bosnien und Guatemala illustrieren. Das verdeutlicht, wie begrenzt die Hilfe von außen ist und wie pragmatisch und konstruktiv darauf mancherorts reagiert wird. Frauenrechtsorganisationen. Sie kämpft für ein Gesetz, das jenen Frauen Entschädigungen und Kompensationen zubilligt, die während der chilenischen Militärdiktatur unter Pinochet gefoltert wurden und sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren. In Südafrika wurde sexualisierte Gewalt von der Wahrheitsund Versöhnungskommission nur am Rande thematisiert. Der beim Präsidenten angesiedelte Entschädigungsfonds war für viele Opfer unerreichbar. „President’s Fund“ gilt als Begriff dafür, dass niemand zahlt, niemand verantwortlich oder ansprechbar ist. Hierarchien zwischen MitarbeiterInnen von Nichtregierungsorganisationen und lokalen Frauen sollten auch bei wirtschaftlich ausgerichteten Programmen reflektiert werden. Wichtig ist es, Frauen nicht in die Opferrolle zu drängen, sondern ihren Status z. B. als Bäuerinnen und ihre eigene wirtschaftliche Verhandlungsmacht zu stärken. So könnten sich lokale Frauen und Vertreterinnen von NGOs auf gleicher Augenhöhe begegnen. Partizipation von Frauen gefordert In einigen Ländern sind Entschädigungszahlungen mit Problemen behaftet, deshalb sollten die verantwortlichen Planer von den Interessen und Bedürfnissen der Frauen ausgehen. Einerseits sollten sie zusätzliche Stigmatisierungen vermeiden und andererseits keinen sozialen Neid hervorrufen. Vor diesem Hintergrund waren sich die Teilnehmerinnen einig, dass individuelle Entschädigungszahlungen mit konkreten Verbesserungen der wirtschaftlichen und sozialen Lebensumstände im Umfeld der Frauen verbunden werden sollten. Derartige strukturverändernde Entwicklungsmaßnahmen erfordern außerdem übergreifende gesellschaftliche Diskussionen und Bewusstseinsarbeit, die Gefühlen von unfairer Behandlung entgegenwirken. Wichtig ist es, die gesellschaftliche Teilhabe und die politische Partizipation von Frauen zu verbessern, sie können dann eher Entwicklungsprozesse in ihrem Sinne mitsteuern. Ein Schritt zur politischen Partizipation kann es sein, die Entwicklungsbudgets und Staatsausgaben in Nachkriegszeiten hinsichtlich ihrer Geschlechtergerechtigkeit zu prüfen. Solche Monitoring-Prozesse sollten die Umsetzung von Frauen- und Menschenrechten beachten. Zum Spannungsverhältnis zwischen Reparationen, individuellen Entschädigungen und Entwicklung gibt es weiterhin viel Diskussionsbedarf, so lautete eine Einschätzung dieser Arbeitsgruppe. Etliche Aktivistinnen bewegen sich im Spannungsfeld zwischen der Aufarbeitung von sexualisierten Gewaltverbrechen während eines Krieges oder Konfliktes, der aktuellen Gewalt und der Prävention von Gewalt – vor allem im Generationenverhältnis. Für viele ist eine Schwerpunktsetzung problematisch, da vergangene Verbrechen bestraft werden müssten, wofür sie aber angesichts aktueller Gewaltprobleme mehr Kapazitäten bräuchten. Keine Rückkehr zum Alten! Die Forderung nach Versöhnung und nach Wiederherstellung eines Status quo ante, also der Vorkriegssituationen, wird von vielen Frauen weder als ausreichend noch als wünschenswert betrachtet. Denn zahlreiche Gewaltverbrechen in Konflikten basieren auf extrem patriarchalen Strukturen und betreffen Frauen, die schon vor den jeweiligen Kriegen/Konfliktsituationen unter vielfältigen Formen von Unterdrückung und massiven Missachtungen ihrer Würde und Rechte litten. Hinzu kommt, dass extreme Verarmung mancherorts zu einer gesellschaftlichen Brutalisierung führt, die Hemmschwellen für Verbrechen wie Vergewaltigungen absenkt. Große Machtgefälle zwischen Soldaten, z. B. einer Besatzungsarmee, und den lokalen Frauen, begünstigen Vergewaltigungen. In all diesen Fällen muss es darum gehen, über die individuelle Heilung oder die gesellschaftliche Versöhnung hinaus, die Machtverhältnisse und Strukturen so zu verändern, dass Frauen und Mädchen ohne permanente Angst vor einer Wiederholung der Gewalt und neuen Übergriffen leben können. NGOs verfolgen eigene Interessen Nichtregierungs- und Frauenorganisationen müssen sorgfältig analysieren, welche Forderungen der Frauen sie in den Mittelpunkt stellen und welche sie eher vernachlässigen, beispielsweise konkrete Forderungen nach Wiedergutmachung und sozialer Gerechtigkeit. NGO-Mitarbeiterinnen sollten selbstkritisch reflektieren, welche eigenen Interessen sie verfolgen, damit sie nicht die Frauen, die sie zu unterstützen meinen, selbst instrumentalisieren oder viktimisieren. Wegen der straffen Richtlinien, die psycholo- Die Teilnehmerinnen sind überzeugt, dass Wahrheitskommissionen folgende Voraussetzungen erfüllen müssen, um 27 6. Berichte aus den Arbeitsgruppen Straßenbau als Ersatz für gezielte Reparationsprogramme missbrauchen. Es müssen Strukturen geschaffen werden, die Frauen bei allen Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen von Wahrheitskommissionen, bei Versöhnungsfragen und Debatten über Reparationen, Entschädigungen, Entwicklung und Demokratisierung aktiv beteiligen. Für Überlebende ist es wichtig, den Opferstatus zu überwinden und erneut einen Bürgerinnenstatus zu erlangen. Erst wenn sich Frauen, die vergewaltigt wurden, von Opfern (victims) zu Überlebenden (survivors) und am Ende vielleicht sogar zu Siegern (victors) entwickeln können, sind sie nicht länger im Gewaltzirkel gefangen. Aber das braucht mehrere Jahre Zeit und vielfältige Unterstützung. Auf jeder Stufe sollten sie selbst entscheiden können, ob und welche politische Allianzen sie eingehen wollen. ein geeignetes Mittel zur Aufarbeitung von Gewalt zu werden: Das Schweigen muss gebrochen werden, damit sich sexualisierte Gewalt nicht wiederholt. Notwendig ist also eine Politik der klaren Benennung und Anerkennung der Verbrechen. Frauen sollten in ihren Muttersprachen vor den Kommissionen aussagen. Die Kommissionsmitglieder müssen die Sprache der Frauen sprechen und eine sprachliche Sensibilität für die Aussagen von Frauen entwickeln. Sinnvoll wäre es, Vertreterinnen der marginalisierten Gruppen z. B. Indigene an den Kommissionen und Ermittlerteams zu beteiligen. Bevor Frauen, die vergewaltigt wurden, aussagen, sollten sie mit ihren Begleiterinnen sorgfältig das Für und Wider von Aussagen abwägen können. Frauen müssen entscheiden können, ob sie öffentlich aussagen wollen oder ob die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden soll. Es sollten keine Befragungen durch Männer stattfinden und es muss eine geschützte Umgebung geschaffen werden. Wie diese konkret aussehen soll, muss im jeweiligen konkreten Fall entschieden werden. Die Gerechtigkeitsvorstellungen der Frauen müssen im Mittelpunkt stehen, diese umfassen z. B. die grundsätzliche Anerkennung der Tatsache, dass die Verbrechen stattgefunden haben, die Bestrafung der Täter, die Wiedergutmachung für die Überlebenden und die Garantie, dass die Gewaltakte nicht wiederholt werden. Vor allem die Vermeidung von erneuten Gewalterfahrungen gilt als Voraussetzung für Heilung und hat eine zukunftsorientierte Generationendimension: Mütter wollen ihren Töchtern das gleiche Schicksal ersparen. In einigen Ländern, in denen bereits Wahrheits- und Versöhnungskommissionen stattfanden, ist es sinnvoll, zusätzliche Frauentribunale nach dem Vorbild des Tokio-Tribunals durchzuführen. Sie können dazu beitragen, die Würde der Frauen wieder herzustellen und gesellschaftliche Diskussionen über sexualisierte Gewalt in Gang zu setzen. Die elementaren Bedürfnisse der Überlebenden müssen gesichert werden: Sie wollen unter anderem ein Dach über dem Kopf, medizinische Hilfe, die Versorgung ihrer Kinder, Schutz vor Gewalt, Infrastrukturverbesserungen, Informationen und Beratung, geschützte Orte und Gerechtigkeit. Fonds für Reparationen und Entschädigungen müssen mit eigenen Titeln in die nationalen Etats integriert werden. Sie müssen kontrolliert und überwacht werden, damit sie nicht von korrupten Regierungen missbraucht werden. Es muss eindeutig zwischen Reparationen, Entschädigungen und allgemeiner Entwicklungsförderung unterschieden werden. Regierungen dürfen nicht z. B. den Den vierten Tag der Arbeitstagung nahmen viele Teilnehmerinnen als Höhepunkt wahr, zumal dann alternative Formen von Gerechtigkeit im Mittelpunkt standen. Drei Dokumentarfilme stellten eindrücklich unterschiedliche Ansätze aus Japan, Indien und Kenia vor. Frauen, die diese Gerechtigkeitsinitiativen auf internationaler, nationaler und lokaler Ebene entwickelt oder daran wesentlich mitgearbeitet hatten, kommentierten die Filme und beantworteten Fragen. 7.1 Internationales Frauen-Tribunal in Tokio, 2000 „Breaking the History of Silence“, heißt der Dokumentarfilm über das symbolische Frauentribunal, das Ende 2000 in Tokio stattfand. Rund 200.000 Asiatinnen waren zwischen 1937 und 1945 in so genannte „Comfort Stations“ gezwungen worden, um japanischen Soldaten als sexuelle Sklavinnen und Zwangsprostituierte zu dienen. Viele wurden als Mädchen verschleppt und jahrelang in Front(zwangs)bordellen vergewaltigt. Diese Verbrechen blieben 1946 vom Alliierten Militärtribunal unerwähnt. Bis heute sind sie ungestraft, da die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs die Frauen im aufkommenden Kalten Krieg ihren strategischen Interessen opferten. Die AnklägerInnen kamen aus Süd- und Nordkorea, China, Taiwan, Osttimor, Indonesien, den Niederlanden, Malaysia und Philippinen. 78 betagte Überlebende aus unterschiedlichen asiatischen Ländern kamen dank der Initiative von Frauenrechtsorganisationen nach Tokio und sagten vor dem Tribunal aus, wie sie geschlagen, gedemütigt und täglich mehrfach vergewaltigt wurden. Auch nach so langer Zeit waren die Erinnerungen an die Qualen und Demütigungen sichtbar schmerzhaft. 28 7. Alternative Formen von Gerechtigkeit 7. Alternative Formen von Gerechtigkeit Das Tribunal war symbolisch, aber es war auch wie ein ordentliches Gericht organisiert, mit international anerkannten RichterInnen und AnklägerInnen besetzt und es wandte strikt die Bestimmungen des damals gültigen humanitären Völkerrechts an. Angeklagt waren neun hochrangige japanische Politiker und Militärs, darunter auch Kaiser Hirohito. Die japanische Regierung, der Kaiser und das Militär verweigern bis heute jedes Schuldeingeständnis und übernehmen keinerlei Verantwortung. Dennoch können symbolische Akte auch nach so langer Zeit ein Stück Gerechtigkeit schaffen, sie können die Opfer rehabilitieren, indem sie das ihnen angetane Unrecht öffentlich anerkennen und anprangern. In dem Film ist der historische Moment festgehalten, als die vorsitzende Richterin und frühere Präsidentin des internationalen Ex-Jugoslawientribunals Gabrielle Kirk McDonald ihr „Schuldig!“ verkündet. Kaiser Hiroshito habe als Oberbefehlshaber der Armee seit 1937 von den Gewaltakten in den Truppenbordellen gewusst. Juristisch sei dies zu werten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verstoß gegen die Haager Landkriegsordnung von 1907, die Konvention gegen Frauenhandel von 1921, die Anti-Sklaverei-Konvention von 1926 und die UN-Abkommen gegen Zwangsarbeit. Der heutige japanische Staat stehe in der Rechtsfolge der damaligen Regierung und schulde den Frauen eine Entschuldigung sowie eine Wiedergutmachung. Die Überlebenden jubelten, strahlten, weinten und fielen sich in die Arme. Für alle Zuschauerinnen ein höchst bewegender Moment. In der anschließenden Diskussion wünschten sich viele Tagungsteilnehmerinnen, den Überlebenden in ihren Herkunftsländern solch eine späte Genugtuung zukommen lassen zu können. „Ich möchte drei Dinge sagen... Erstens: Wir betonten, dass das Gesetz, das beim Tokio Tribunal 1945 angewandt wurde, auch auf die Comfort Women hätte angewendet werden können. Und wenn es angewandt worden wäre, hätte es die Schuld (der Täter) bestätigt. Zweitens: die Ankläger fanden in den japanischen Archiven Beweise, beispielsweise schriftliche Mitteilungen des Kriegssekretärs in Tokio an einen der Offiziere im besetzten China. Diese besagten: ‚Wir brauchen etwa 500 Comfort Women, weil wir die Truppe in die Nähe der russischen Grenze verlegen. Uns fehlen Comfort Women’. Es gab Anweisungen, wie die Schilder an den Einrichtungen für die Comfort Women aussehen sollten. Es war so „normal“; und um so erstaunlicher war es, dass angeblich niemand davon wusste, außer demjenigen, die die Schilder malte. Drittens: im internationalen Recht gibt es verschiedene Quellen, die zitiert werden können. ... Dieses Urteil (des Tokio Frauentribunals) hat einen juristischen Wert. Es kann von NGOs zitiert werden, es kann in anderen Fällen zitiert werden. Deshalb sollten wir es nicht als nettes Urteil betrachten, sondern es wirklich benutzen.“ (Patricia Sellers) Wichtige Arbeit hatte auch das japanische Frauennetzwerk gegen Gewalt an Frauen VAWW geleistet, denn sie forderten Täter auf, vor dem Tribunal auszusagen. Zudem fanden gezielte Recherchen in japanischen Archiven zahlreiche Dokumente, die den geplanten Einsatz der „Comfort Women“ im Rahmen von Militärstrategien eindeutig belegten. Als RichterInnen konnten hoch angesehene JuristInnen aus vier Kontinenten gewonnen werden, drei von vier waren Frauen. Patricia Sellers kommentierte, dies sei die unsexistischste Umgebung gewesen, in der sie je gearbeitet habe. Eine weitere Teilnehmerin, Vahida Nainar, berichtete ergänzend, dass im Anschluss an das Frauentribunal in Tokio eine von ihr mitorganisierte, öffentliche Anhörung stattfand, in denen Frauen aus heutigen Kriegs- und Krisengebieten über ihre Gewalterfahrungen berichteten. Rhonda Copelon unterstrich, dass der Schuldspruch des Tokio-Tribunals auch auf heutige Fälle anwendbar ist, weil er auf gültigem nationalem und internationalem Recht beruht. Vier Konferenzteilnehmerinnen hatten am Tribunal mitgewirkt: Die ehemalige Gender-Expertin der Anklage des ExJugoslawientribunals Patricia Sellers war Chefanklägerin, die US-Juristin Rhonda Copelon Beraterin, die südkoreanische Soziologie-Professorin Chinsung Chung war Mitorganisatorin, die ost-timoresische Frauenrechtsaktivistin Rosa Maria do Rosario de Sousa hatte sich für die Zeuginnen eingesetzt und sie begleitet. Sie und andere Frauenrechtlerinnen aus asiatischen und pazifischen Ländern hatten seit Anfang der 1990er Jahre gefordert, dass die überlebenden „Comfort Women“ Gerechtigkeit erfahren. Zu ihren Aktivitäten zählten Solidaritätskonferenzen, Vernetzungstreffen, rechtspolitische Lobbyarbeit und die gezielte Kooperation mit internationalen Organisationen. Ganz bedeutend war die Zusammenarbeit mit der früheren UN-Spezialberichterstatterin über Gewalt gegen Frauen Radhika Coomaraswamy für den 1996 erschienen UN-Bericht über die Vergewaltigungen und Demütigungen der „Comfort Women“. Die Internetadresse für das Urteil lautet: www1.jca.apc.org/vaww-netjapan/english/ womenstribunal2000/Judgement.pdf Die OrganisatorInnen des Tokio-Tribunals, so berichtete Chinsung Chung, versuchen weiterhin, eine Entschuldigung 29 7. Alternative Formen von Gerechtigkeit der japanischen Regierung und des Militärs gegenüber den betagten Opfern sowie Reparationen zu erreichen. Beides könne zur Bedingung dafür gemacht werden, dass Japan einen Sitz im UN-Sicherheitsrat erhält. Immerhin verlangte der US-Kongress im Jahre 2007 eine Entschuldigung, desgleichen das niederländische, australische, kanadische und südkoreanische Parlament. In Korea erhalten die Frauen von einigen buddhistischen Organisationen und von der Regierung etwas Unterstützung, beispielsweise kostenlose medizinische und psychologische Versorgung. Zudem konnte ein Schutzhaus aufgebaut werden. Die wichtigste Unterstützung für die überlebenden Frauen bot aber ein länderübergreifendes Netzwerk von Aktivistinnen, die beharrlich die Anerkennung des Unrechts forderten und überhaupt erst den Raum schufen, in dem die ehemaligen „Comfort Women“ vor Diskriminierung geschützt sprechen konnten. Dieses Netzwerk leistete wesentliche Arbeit für die Vorbereitung des Tokio-Tribunals und unterstützt die Frauen bis heute auf vielfältige Weise. kenianischen Behörden strebten keine Strafverfolgung an, und eine militärinterne Untersuchung der Briten verlief im Sande. In der patriarchalen Gesellschaft der Samburu gebe es keinen Mechanismus, um Vergewaltigungen in Interesse von Frauen zu sühnen, so Rebecca Lolosoli. Dagegen setzen die Umoja-Frauen ihre eigenen gelebten Gerechtigkeitsvorstellungen: Sie sagen: „Wenn eine Frau ein Problem hat, dann haben wir es alle und lösen es gemeinsam.“ Sie finden, der einzige Weg (zu Gerechtigkeit) sei Bildung von Frauen, damit sie für ihre eigenen Rechte kämpfen und die männerdominierten Mechanismen überwinden können. Ökonomische Selbstermächtigung und Unabhängigkeit kann Frauen dazu befähigen, ihre Fälle vor Gericht zu bringen. Laut Rebecca Lolosoli gelten Frauen und Mädchen bei den patriarchalischen Samburu als Besitz der Familie und werden genital beschnitten, uneheliche Kinder oder Kinder von unbeschnittenen Frauen werden getötet. Doch im ‚Umoja Uaso Women’s Village’ besitzen Frauen Land, Vieh und Geld, ihre Kinder gehen in die Schule, ihre Töchter bleiben unversehrt – ein Quantensprung in der Samburu-Gesellschaft. Das ‚Umoja’-Frauendorf nimmt auch Frauen anderer Ethnien auf, beispielsweise Teenager, die schwanger sind und verstoßen wurden. Diese jungen Mädchen sollen wieder zur Schule gehen. Zum Gedenken an die Opfer soll eine Erinnerungshalle errichtet werden. Auch kämpfen die Initiatorinnen weiter dafür, dass die Ereignisse in die japanischen Schulbücher für den Geschichtsunterricht aufgenommen werden. Während eine Schulbuchauflage 1996/97 auf das Schicksal der „Comfort Women“ einging, sorgten rechte Gruppen in Japan dafür, dass diese Hinweise bei einer Neuauflage der Schulbücher im Jahr 2000 wieder gestrichen wurden. Die Frauen leben von ihren Ziegen und vom Schmuckverkauf an TouristInnen, ein Teil ihrer Einnahmen wird für die Schule und in einer Art gemeinsame Krankenkasse für die medizinische Versorgung in Krankheitsfällen zurückgelegt. In der dorfeigenen Schule, die auch Kinder anderer Dörfer aufnimmt, erzieht eine Lehrerin Jungen und Mädchen zur Gleichberechtigung. Söhne dürfen so lange im ‚Umoja’Frauendorf leben, wie sie sich an die dort herrschenden Regeln halten und Frauen und Mädchen respektvoll behandeln. Als junge Männer müssen sie jedoch das Dorf verlassen; die meisten von ihnen unterstützen ihre Mütter und das Dorf aber weiterhin durch praktische Arbeit oder durch nächtliches Wachestehen. 7.2 Das Frauendorf ‚Umoja Uaso Women’s Village’ und ‚Umoja Uaso Women’s Group’ in Kenia: Rebecca Lolosoli, Samburu-Frau aus Kenia, hatte 1991 im Samburu-Nationalpark das rund 50 Häuser umfassende Frauendorf „Umoja Uaso Women’s Village’“ gegründet, das im gleichnamigen Film porträtiert wurde. Sie nahm dort Frauen und deren Kinder auf, die verstoßen worden waren. 35 von insgesamt 42 „Umoja“-Frauen waren beim Feuerholzsuchen von britischen Soldaten vergewaltigt worden. Anschließend wurden sie von ihren Männern verprügelt und davon gejagt. Die Vergewaltiger, die auf einem nahen Truppenübungsplatz der britischen Armee stationiert waren, wurden nie verurteilt. Kenia unterstand bis 1963 der britischen Kolonialherrschaft. In einem detaillierten Untersuchungsbericht vom Juli 2003 bezifferte amnesty international die Zahl der begangen Vergewaltigungsfälle durch britische Militärs in Kenia auf 650; die Hälfte davon war gemeinschaftlich worden. Viele der Frauen und Mädchen – in einem belegten Fall auch ein Junge – haben laut amnesty schwere Verwundungen und Traumata erlitten. Etwa 35 bis 40 Frauen gebaren Kinder, die aufgrund ihrer hellen Hautfarbe starken Diffamierungen ausgesetzt waren. Die Die Frauen sahen sich gezwungen, einen hohen Zaun gegen wilde Tiere und zornige Ex-Ehemänner zu errichten. Der Film zeigte auch, dass das Frauendorf auch aufgrund seines bescheidenen ökonomischen Erfolges vielen Samburu-Männern „ein Dorn im Auge“ ist. Der erwachsene Sohn einer im ‚Umoja Uaso Women’s Village’ lebenden Frau steht dort nachts Wache. Wenn die Frauen das Dorf verlassen und in einer nahegelegenen Siedlung einkaufen, werden sie oft von Männern beleidigt oder gar bedroht und der Hexerei bezichtigt. Nach dem Film äußerten sich etliche Teilnehmerinnen begeistert. Andere zeigten sich eher skeptisch, zumal sie den 30 7. Alternative Formen von Gerechtigkeit Auf die Frage, was Rebecca Lolosoli veranlasste, eine Aktivistin zu werden und das Frauendorf zu gründen, sagte sie: “Es ist nicht so leicht, weil unsere Männer nicht wollten, dass ich (bei öffentlichen Versammlungen) aufstehe und etwas sage. Sie riefen immer: ‚Setz Dich hin. Wir wollen sie nicht reden hören’ (...), weil es uns Frauen nicht erlaubt ist, zu sprechen, wenn wir stehen. So versuchte ich es bis zu dem Tag, als ich stehen blieb. Sie sagten: ‚Setz Dich’. Aber ich sprach weiter, während ich stand und setzte mich (erst danach) hin. (...). So begannen die Frauen zu überlegen: ‚Lass uns zu ihr gehen und schauen, ob sie etwas für uns tun kann. Als sie kamen, organisierte ich ein Treffen und fragte sie, ob wir eine Gruppe bilden sollen, um uns gegenseitig zu helfen. Wir begannen, als wir noch an verschiedenen Orten lebten. Danach dachten wir, es sei besser, in einem Dorf zusammen zu kommen (gemeinsam ein Dorf zu gründen), um mehr Sicherheit zu haben und uns gegenseitig zu helfen.“ (Rebecca Lolosoli, Kenia) allem die von häuslicher Gewalt und Zwangsheiraten betroffenen Frauen können dort keine Hilfe erwarten. In Kalyan Nagart, einem Armenviertel am Rande der Großstadt Vadodara in der nordwestindischen Provinz Gujarat, haben sich deshalb Frauen zu einer „Kollektiven Initiative für Gerechtigkeit“ zusammengeschlossen. Im Film „Shortcut to Justice“ („Abkürzung zur Gerechtigkeit“) der Filmemacherin und medica mondiale-Mitarbeiterin Sybille Fezer wird die Arbeit dieser Frauenschlichtungsgerichte portraitiert. In einem Falle nehmen diese Laien-Richterinnen einem Mann, der seine Frau misshandelt hat, die Mitgift weg, indem sie bei jedem Haushaltsgegenstand und Möbelstück klären, wer was mit in die Ehe gebracht hat. Sie laden dann den Besitz der Frau auf einen Wagen und bringen ihn fort. Manchmal bleibt nur die Trennung, in anderen Fällen ändert ein Mann sein Verhalten. So wurde Rehana von ihrem Mann schlimm misshandelt und in Anwesenheit ihrer kleinen Tochter mit dem Tode bedroht, weil sie ihm „nur“ drei Töchter und keinen Sohn geboren hatte. Am Ende der Verhandlung vor dem Schlichtungsgericht verspricht der Täter, seine Frau respektvoll zu behandeln. Er lenkt ein, weil er nicht noch einmal erleben will, dass seine Familieninterna öffentlich diskutiert werden. Eindruck gewannen, die Frauen würden sich aus der Gesellschaft zurückziehen. Rebecca Lolosoli dementierte energisch: Sie wollten sich weder isolieren, noch die Männer bekämpfen. Manchmal, so Rebecca Lolosoli im Film, kämen sogar Männer zu ihnen und böten ihre Unterstützung an: „Ich sage ihnen dann, die beste Unterstützung, die ihr uns geben könnt, ist die, eure Frauen anständig zu behandeln und damit anderen Männern ein Beispiel zu geben.“ Sie habe das Dorf gegründet, um zu überleben, weil sie selbst ausgestoßen wurde. Weitere Ziele sind die Anerkennung von Frauenrechten und das Engagement für mehr Gleichheit. So soll das Ehe- und Familienleben harmonischer gestaltet werden. Allerdings sind Kontakte mit Frauengruppen in anderen Landesteilen oder Frauenrechtsorganisationen im über 400 Kilometer entfernten Nairobi wegen der schlechten Verkehrsanbindung schwierig. Das Modell findet inzwischen auch in anderen Siedlungen Nachahmung, berichtete die auf der Tagung anwesende Projektinitiatorin und Leiterin der feministischen Frauenorganisation ‚Olakh’ Nimisha Desai in der anschließenden Diskussion. Sie hatte die Initiative vor dem Hintergrund des Massakers extremistischer Hindus gegen Moslems im Jahre 2002 gegründet. Während dieses Pogroms wurden Tausende Menschen getötet; sexualisierte Gewalt spielte eine große Rolle, bereits während der propagandistischen Anstiftung zur Gewalt. „Am Anfang“, berichtete Nimisha Desai, „ging es allerdings um Konfliktschlichtung, um ein Wiederzusammenleben in den Gemeinden. Männer und Frauen haben sich daran beteiligt. Dann aber blieben die Männer irgendwann weg und die Frauen brachten andere Themen ein, vor allem sexuelle und häusliche Gewalt.“ Auch die Rate und Intensität häuslicher Gewalt stieg nach dem Konflikt stark an. Das Frauendorf ‚Umoja Uaso Women’s Village’ benötigt indes dringend internationale Vernetzung, um weiter bestehen zu können. Aktivistinnen wie Rebecca Lolosoli brauchen aber auch praktischen Schutz vor männlichen Übergriffen sowie Rechtshilfe. Alle Prozesse gegen die britischen Vergewaltiger sind gescheitert, und die kenianische Regierung unterzeichnete vor kurzem ein neues Abkommen, wonach die britische Militärbasis weiter bestehen bleibt. Mehr Information unterwww.umojawomen.org Nimisha Desai und ihre Mitstreiterinnen setzen sich auch mit lokal angepassten Kommunikationsforen für die Verbesserung des Dialogs zwischen muslimischen und hinduistischen Frauen ein. Zudem versuchen sie, trotz der Kastenunterschiede Dialoge mit kastenlosen Frauen zu ermöglichen. Projekte wie die „Collective Initiative for Justice“ beweisen, dass traditionelles Recht zugunsten von Frauen kreativ weiterentwickelt werden kann. Die Konfliktschlichtungen sind allerdings ein langwieriger, oft monatelang dauernder Prozess. Die Schlichtungsgerichte treffen sich regelmäßig an einem öffentlichen Ort und alle können Beschwerden ein- 7.3 Collective Initiative for Justice: Das indische Rechtssystem ist hoffnungslos überlastet, über 25 Millionen Fälle warten auf ihre Bearbeitung. Vor 31 7. Alternative Formen von Gerechtigkeit “Wenn es einen Vergewaltigungsfall gibt, der an die Frauengruppe herangetragen wird, dokumentiert die Frauengruppe die Aussage der Frau (falls sie damit einverstanden ist) und alles, was notwendig ist, um einen Strafprozess zu beginnen. (Das betrifft) beispielsweise ihre Begleitung zur Polizeistation, die Registrierung der ersten Aussage, die dann die Basis bildet für den Prozess, und die Begleitung des Vergewaltigungsopfers, ... zu einer medizinischen Kontrolle. Diese Dienstleistungen bietet die Frauengruppe vor dem eigentlichen Prozess.“ (Nimisha Desai, Indien) haben aber vor allem in psychologischer und sozialer Hinsicht eine bindende Wirkung: Alle Konfliktparteien unterschreiben sie, zur Not per Fingerabdruck, und verpflichten sich damit zur Umsetzung. Die Einhaltung wird durch regelmäßige Besuche kontrolliert. Allerdings beschränken sich die Konfliktregelungen keineswegs nur auf ein Stück Papier, sondern umfassen oft auch kreative Handlungen. Eine Frau, die von ihrem Schwiegervater ständig vergewaltigt wurde, beschützten die Mediatorinnen ganz praktisch, indem sie der Reihe nach bei dieser Frau übernachteten. Bei Fällen von schwerer häuslicher Gewalt wird auch versucht, die Nachbarn zum Schutz der Frauen zu mobilisieren. Eine solche Öffentlichkeit kann präventiv wirken; umfassenden Schutz gibt es letztlich nicht. Immerhin wird den Tätern klar zu verstehen gegeben, dass sie öffentlich beobachtet werden und das Frauenkollektiv auch mit der Polizei zusammenarbeitet. Das Frauenkollektiv ist eine staatlich registrierte Organisation, die wie viele andere Frauenzusammenschlüsse eine gute Arbeitsebene mit der Polizei gefunden haben. Dabei geht es keineswegs darum, Selbstjustiz zu üben, sondern Vergewaltigungsfälle zu dokumentieren, die Frauen bei Behördengängen zu begleiten und sie ganz praktisch zu unterstützen. Immer häufiger verweisen auch offizielle Familiengerichte Fälle an diese Schlichtungsgerichte. bringen. Sie folgen bestimmten Regeln, es werden Zeuginnen befragt und Protokolle geführt. Die Laienrichterinnen laden die Konfliktparteien mehrfach vor oder suchen sie auf, wenn eine Seite nicht erscheint. Sie hören alle an, auch Nachbarn und Dorfvorsteher, bis sie ein „Urteil“ fällen. So schaffen sie in aller Öffentlichkeit transparente, innovative Dialogforen, bei denen die betroffenen Frauen – vor Diskriminierung geschützt – sagen können, was ihre konkreten Wünsche sind. Häufig geht es um die Wiederherstellung von Respekt. Die Entscheidungen werden nach dem örtlichen Recht formell bekräftigt und haben etwa die juristische Qualität einer notariellen Vereinbarung. Sie 32 8. Schlusserklärung und zusammenfassende Empfehlungen 8. Schlusserklärung und zusammenfassende Empfehlungen Forderungskatalog Die Planungsgruppe – unterstützt durch Vahida Nainar – erstellte noch während der Tagung eine Liste zusammenfassender Empfehlungen, die die Teilnehmerinnen in den einzelnen Arbeitsgruppen und in Plenumsdiskussionen formuliert hatten. Während des Abschlussplenums wurden sie um einige Punkte ergänzt. Solidarität, Wohlbefinden und Sicherheit Förderung des Wohlbefindens von Gewalt-Überlebenden und Aktivistinnen Förderung von Heilung und Wiederherstellung traumatisierter Körper und Seelen Erstellung von Solidaritäts-, Unterstützungs- und Aktionsnetzwerken für Frauen auf allen Ebenen Entwicklung von Flucht- oder Evakuierungs-Routen für bedrohte Aktivistinnen Ausarbeitung spezifischer Aktionen zur Sicherheit von Aktivistinnen Sicherheit muss körperliche Sicherheit beinhalten. Das ist etwas ganz anderes als die vorherrschende militärische Definition von Sicherheit. Das Militär dominiert die so genannte zivil-militärischen Zusammenarbeit in und nach Militärinterventionen, auch die Gesetze sind vielfach ein Folgeprodukt von Militärinterventionen. Die Stimmen der Überlebenden müssen in allen juristischen Verfahren gehört werden Entstigmatisierung der Frauen und Mädchen, die vergewaltigt wurden; der Frauen, die durch die Vergewaltigungen mit HIV infiziert wurden und der Kinder, die durch Vergewaltigungen gezeugt wurden Unterstützung der Kampagne der kongolesischen Frauen gegen sexuelle Gewalt in der D.R.Kongo per Unterschrift ihrer Petition: http://www.rdcviolencesexuelle.org/site/en/ node/58 Frauenorganisationen stärken und nachhaltige Mechanismen ausarbeiten Erstellung einer Datenbank verschiedener Fachfrauen und ihre Verlinkung zu lokalen Frauengruppen Organisation von regelmäßigen Reflexions-, Auswertungs- und Strategietreffen Dem notorischen Problem von finanziellem und personellem Ressourcenmangels zu begegnen Internationale Anerkennung und Preise für einzigartige innovative Lösungen wie das kenianische Frauendorf Umoja Uaso Women’s Village Schlusserklärung Die Teilnehmerinnen befinden, dass Frauen Justizsysteme oftmals als inadäquat und/oder unerreichbar erleben – oder sogar als unfähig oder unwillig, weiblichen Überlebenden von Vergewaltigung und anderen Formen sexualisierter Gewalt Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Die Unerreichbarkeit etablierter Justizsysteme ist ein anhaltendes Problem. Sie sind oft weit entfernt von den Wohnorten der Frauen angesiedelt, sie sprechen eine für die Frauen fremde Sprache, sie behandeln die Frauen feindselig und ergreifen keine Sicherheitsmaßnahmen, so dass die Frauen in einem unsicheren und verletzbaren Status verbleiben. Oft ist die Teilnahme an Rechtsverfahren eine entmutigende Erfahrung, die die Überlebenden einmal mehr zu Opfern macht. Die Teilnehmerinnen stellen daher fest, dass es einerseits nötig ist, die existierenden Rechtsfindungsverfahren zu nutzen, zu verändern und/oder zu stärken, und andererseits neue alternative Modelle entwickelt werden müssen, die für Frauen zugänglich sind und nachhaltiger ihre Erwartungen an Gerechtigkeit erfüllen. Gleichzeitig muss das gesellschaftliche Problembewusstsein im Hinblick auf Vergewaltigung und andere Formen sexualisierter Gewalt erhöht werden – durch politische Aktionen, Bildungskampagnen, Beratungen auf allen Ebenen, Forschungen und Unterstützung verschiedener Fraueninitiativen. Die Handlungsempfehlungen, die während der Diskussionen formuliert wurden, lassen sich grob in drei Kategorien einteilen. Jede zu entwickelnde Aktion oder Strategie muss dabei berücksichtigen, dass sie sich im globalen Kontext einer extrem rechten und konservativen Sozialpolitik und einer neoliberalen Ökonomie bewegt, die das Leben der Frauen beeinflusst. Initiierung, Beeinflussung und Überwachung von rechtlichen Entwicklungen auf allen Ebenen Förderung von Verbindungen zwischen internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen und lokalen Initiativen Erstellung eines Monitoring-Systems für Prozesses 33 8. Schlusserklärung und zusammenfassende Empfehlungen über sexualisierte Kriegsgewalt Überwachung rechtlicher Entwicklungen auf allen Ebenen und Veröffentlichung feministischer Kritik daran Kooperation und Austausch zwischen lokalen Frauen und Rechtsexpertinnen, um auf nationaler oder internationaler Ebene Prozesse anstrengen zu können Austausch und Verbreitung positiver Gerichtsentscheide und Urteile, einschließlich der Übersetzung von Gesetzen, Urteilen und juristischen Texten in eine alltagsrelevante Sprache. Organisation von Arbeitsgruppen zu spezifischen Fragen, um auf Krisensituationen reagieren zu können Initiierung und/oder Verbreitung alternativer Modelle von Gerechtigkeit vollziehen, welche Konsequenzen die Vergangenheit auf die Gegenwart hat. Gebrauch von Massenmedien wie Filmen, um gesellschaftliches Bewusstsein zu schaffen Dokumentation und Verbreitung guter Praxisbeispiele und erfolgreicher Geschichten Jede erfolgreiche Initiative braucht Vertrauen und Zeit Männer sowohl als Täter als auch als potenzielle Agenten des Wandelns ansprechen Ausarbeitung von Strategien, um den Druck auf Regierungen und UN gegen Multinationale Konzerne und ihre Ausbeutung natürlicher Ressourcen als Quelle von Gewalt zu verstärken Die ethnische und rassistische Diskriminierung als Teil des Kontextes unserer Arbeit sichtbar machen Aufmerksamkeit auch für die Frauen in Industrieländern, vor allem Flüchtlingen oder Migrantinnen, die Gewalt erleben. Anerkennung, Wachsamkeit und Bewusstsein Gedächtnis und Erinnerungen müssen lebendig gehalten werden. Versöhnung mit der Vergangenheit ist nötig, um die Gegenwart zu verstehen und nachzu- 34 9. Kontaktgruppen – vier international vernetzte Teams 9. Kontaktgruppen – vier international vernetzte Teams Zum Abschluss der Konferenz bildeten sich vier internationale Teams bzw. Kontaktgruppen. Sie wollen miteinander in Kontakt bleiben, Anregungen und Informationen austauschen und in dringenden Fällen schnelle Hilfe leisten. Die erste Kontaktgruppe („Project Support“) will sich darauf konzentrieren, wie die Kapazitäten lokaler Frauengruppen gestärkt werden können. Die zweite Kontaktgruppe („Security Team“) möchte die Sicherheit bedrohter Aktivistinnen verbessern. Dazu zählen situationsspezifische Programme sowie die Öffentlichkeitsarbeit, die auf die Sicherheitsprobleme von Frauen hinweist. Auch die generelle Förderung des Wohlergehens von Aktivistinnen, die von Burn-out bedroht sind, gehört dazu. 35 Die dritte Kontaktgruppe („Bridging the gap between international law and local activists“) will Brücken bauen zwischen Basisaktivistinnen und Expertinnen, die auf internationaler Ebene arbeiten. Sie sollen sich über wichtige Verordnungen, Gesetze und Urteile austauschen, um die Kluft zwischen internationalem Strafrecht und der realen Lebenssituation von Frauen zu schließen. Dieser Austausch soll einerseits die Arbeit auf internationaler Ebene qualitativ unterstützen und andererseits die Rechtspraxis z.B. des Internationalen Strafgerichtshofes kritisch verfolgen und kommentieren. Die vierte Kontaktgruppe („Women’s Justice Initiatives“) plant, Gerechtigkeitsprojekte wie „Umoja“ und „Collective Initiative for Justice“ zu unterstützen, international bekannt zu machen und ähnliche Initiative aufzuspüren. Auch der länderübergreifende Austausch zwischen solchen Basisinitiativen ist wichtig. Teilnehmerinnen Teilnehmerinnen Judicial System Monitoring Programm, Osttimor medica mondiale Afghanistan, Afghanistan UNIFEM/UN Action Against Sexual Violence in Conflict, Australien/USA Promotion et appui aux iniatiatives féminines, DR Kongo Khulumani Support Group, Südafrika Khmer Rouge Tribunal, ZeugInnenschutzabteilung, Kambodscha Coalition for Women’s Human Rights in Conflict Situations, Kanada medica mondiale e.V., Deutschland medica mondiale e.V., Deutschland/Türkei Korean Council for Military Sexual Slavery by Japan, SüdKorea International Women’s Human Rights Law Clinic, USA Olakh – A Space for Women, Indien Griese, Karin Fokupers, Osttimor medica Kosova, Kosova UN-Berichterstatterin über Gewalt gegen Frauen, Türkei/USA Eugene, Elvire Association femme soleil d’Haiti, Haiti Falcon Mantilla, Julissa Rechtsanwältin, Peru Fezer, Sybille medica mondiale e.V., Deutschland Fries, Lorena Corporación Humanas, Chile Fulchiron, Amandine Unión Nacional de Mujeres Guatemaltecas, Guatelmala Gautam, Shoba Institute of Human Rights Communication, Nepal Gonzales Rivas, Gabriela Khmer Rouge Tribunal, ZeugInnenschutzabteilung, Mexiko/Kambodscha Grau, Bele medica mondiale e.V., Deutschland Ocitti, Agnes Agnes Bere, Maria Ameer Rasuli, Humaira Anderson, Letitia Birhaheka, Immaculee Bonase, Noma-Russia Bophat, Keat Brunet, Ariane Bruchhaus, Eva-Maria Çaliş kan, Selmin Chung, Chinsung Copelon, Rhonda Desai, Nimisha Hauser, Monika Husic, Sabiha Kenny, Erin Krug-Rohn, Stefanie Lolosoli, Rebecca Lusenge, Julienne Mendez, Luz Mukasarasi, Godelieve Muponisi, Chipo Gift Nainar, Vahida Nawabi, Massoda Do Rosario de Sousa, Rosa Maria Dylatahu, Zejnete Ertürk, Yakin Odio Benito, Elizabeth Rees, Madeleine Schäfer, Rita Sellers, Patricia Sharratt, Sarah Shehu, Lola Veprore Studzinsky, Silke Swen, Angeline 36 medica mondiale e.V., Deutschland medica mondiale e.V., Deutschland Medica Zenica, BosnienHerzegowina United Nations Population Fund, USA Institut für Auslandsbeziehungen, Programm zivik, Deutschland Umoja Uaso Women’s Group, Kenia Solidarité Féminine pour la Paix et le Développement intégral, DR Kongo Women’s Fight for Justice, Guatemala Solidarité pour l’Epanouissement des Veuves et des orphelins visant le travail et l’Auto Promotion, Ruanda medica mondiale Liberia, Sambia/Liberia Juristin, ehem. Women’s Caucus for Gender Justice, Indien medica mondiale Afghanistan, Afghanistan Association of Volunteers for International Service, Uganda/Niederlande Internationaler Strafgerichtshof, Costa Rica/Niederlande Office of the High Commissioner for Human Rights, UK/Schweiz freiberufliche Ethnologin Anwältin, eheml. Ex-Jugoslawientribunal, USA/Belgien Psychologin, Costa Rica/ Niederlande medica Kosova, Kosova Khmer Rouge Tribunal, Nebenklage, Kambodscha/Deutschland medica mondiale Liberia, Liberia Organisation und Mitarbeit Organisation und Mitarbeit Planungsgruppe Bode, Malin Keller, Bonnie Mischkowski, Gabriela Mosbahi, Jessica Photographie Anwältin, Deutschland Sozialwissenschaftlerin, Deutschland medica mondiale e.V., Deutschland medica mondiale e.V., Deutschland Suhan, Cornelia Übersetzung Delgado, Carmen Gruber, Veronika Heikamp, Stefanie Kaltwasser, Anne Lourtau, Delphine Tejera González Von Arps-Aubert, Bettina Moderation Kiragu, Jane Klingspor, Christiane Plakwicz, Jolanta Sichtermann, Marie Anwältin, Kenia Transkulturelles und interreligiöses Lernhaus der Frauen, Deutschland Gender consultant, Polen Geld & Rosen, Deutschland König, Stefanie Platzmann, Maren Wohlbefinden Trauma-Expertin, Deutschland Dokumentation Hamzhei, Modjgan Scheub, Ute Schweiz Deutschland Deutschland Deutschland Kanada Spanien Deutschland Weitere Mitarbeiterinnen Schäfer, Nuria Maria Zemp Photographin, Deutschland Traumatherapeutin, Deutschand/Iran Journalistin, Deutschland 37 Deutschland medica mondiale e.V., Deutschland medica mondiale e.V., Deutschland Fotoanhang Fotoanhang Tokio Women’s Tribunal Kenia, Umoja Uaso Women’s Village, Kenia Von links nach rechts Rebecca Lolosoli (Kenia) ist die Gründerin der Umoja Uaso Women’s Rhonda Copelon ist Professorin für Völkerstrafrecht und Direktorin der In- Group und des Umoja Uaso Women’s Village, Kenia. Das Dorf wurde als ternational Women’s Human Rights Law Clinic (IWHR). Sie vertritt diese In- Zufluchtsort errichtet für Frauen, die Vergewaltigungen von Seiten der zwi- stitution bei der Coalition for Women’s Human Rights in Conflict Situations, schen 1980 und 1990 im Samburu-Gebiet in Kenia stationierten briti- sie ist im Beirat der Women’s Initiative for Gender Justice und Vorstands- schen Soldaten erlebt hatten; heute ist es eine selbst verwaltete Ge- mitglied des Centre for Constitutional Rights in New York. meinschaft für Frauen, die von Gewalt betroffen und bedroht sind. Patricia Sellers (USA) war ‘Legal Advisor for Gender’ und Anklägerin bei den internationalen Tribunalen zu Ruanda und Ex-Jugoslawien (ICTY und ICTR). Sie war Co-Chefanklägerin im Tokio-Frauentribunal. Seitdem arbei- Indien, Frauengerichte tet sie als unabhängige Expertin zum internationalen Strafrecht. Chinsung Chung (Süd-Korea) ist Professorin für Soziologie an der Seoul Nimisha Desai (Indien) ist National University. Seit 1990 arbeitet sie zur militärischen sexuellen Ver- Gründungsmitglied sklavung von Frauen durch die japanische Armee im 2. Weltkrieg. Sie des Fraueninformations- und - zählte zu den Vertreterinnen des ‚Korean Council of Military Sexual Slavery beratungszentrums Olakh. by Japan’. Gemeinsam mit Frauenorganisationen aus Nord-Korea, Japan Sie bildet Frauen für lokale und anderen asiatischen Ländern bereiteten sie das Frauentribunal in Schiedsgerichte aus und ar- Tokio vor. beitet im Lenkungsaus- schuss zur Stärkung von Frauen innerhalb der nationalen Planungskommission. Sie erhielt ein Fulbright Forschungsstipendium und ein Alle Fotos: Cornelia Suhan Ashoka Stipendium. 38 Fotoanhang Portraits Vahida Nainar (Indien) ist Juristin. Sie gründete und leitete die Women’s Research and Action Group, Mumbai. Als frühere Geschäftsführerin des Women’s Caucus for Gender Justice, New York arbeitete sie daran mit, dass eine Geschlechterperspektive in die Planung des Internationalen Strafgerichtshof (ICC) integriert wurde. Sie lehrte an der International Women’s Bonnie Keller und Elvire Eugene Human Rights Clinic, CUNY Bonnie Keller (Amerikanerin, die in Deutschland lebt), ist Anthropologin School of Law, in New York, und und Entwicklungsexpertin. Sie ist als Freiwillige bei medica mondiale tätig ist Mitglied und war Mitglied im Planungskomitee für diese Arbeitstagung. Sie verfügt in zahlreichen internationalen aktives über mehr als dreißig Jahre Arbeitserfahrungen in Afrika – zu unter- Frauenrechtsorganisationen. schiedlichen Themen im Bereich Frauen und Gender. Elvire Eugene (Haiti) ist Anwältin und Mitbegründerin der Association Femmes Soleil (AFASDA), der Assoziation der Sonnenfrauen Haitis. Sie begleitet Überlebende sexualisierter Gewalt vor Gericht und kämpft gegen Menschenrechtsverletzungen an weiblichen Gefangenen. Gabriela Mischkowski ist Historikerin. Sie war 1993 Mitbegründerin von medica mondiale Seit 1999 ist sie als freie Mitarbeiterin und Referentin für Geschlechtergerechtigkeit bei medica mondiale tätig. Sie war Mitglied im Planungskomitee für diese Arbeitstagung Immaculée Birhaheka (D.R. Kongo), daneben Sabiha Husic (BosnienHerzegovina) Immaculée Birhaheka ist Entwicklungssoziologin und Leiterin der Organisation „Promotion et appui aux initiatives féminines“, übersetzt „Förderung und Unterstützung für Fraueninitiativen“ (PAIF) im Ostkongo. Sabiha Husic ist eine islamische Mualima. Seit der Gründung des Frauentherapiezentrum medica Zenica im Bosnien-Krieg arbeitet sie in diesem Zentrum. Sie war dort als Theologin und Psychotherapeutin tätig, seit Alle Fotos: Cornelia Suhan 2007 ist sie Exekutivdirektorin. Malin Bode ist Rechtanwältin, Mitherausgeberin und Gründungsredakteurin der feministischen Rechtszeitschrift Streit. 1991 initiierte sie eine Gruppe zur Feministischen Rechtstheorie. Sie war Mitglied im Planungskomitee für diese Arbeitstagung. 39 Fotoanhang Allgemeine Tagungsinformationen/Tagungsdynamik Bewegung – Wohlergehen Arbeitsgruppen – im Haus Vernetzung Arbeitsgruppen – im Garten Ausflug Drachenfels – Gruppenbild Alle Fotos: Cornelia Suhan Plenum Tagungshaus 40