Beijing Bicycle - filmpodium thalwil

Transcrição

Beijing Bicycle - filmpodium thalwil
Dienstag, 28. Oktober 2003, 20:00 Uhr, Bar offen ab 19:40 Uhr
Singsaal Schulhaus Feld, Tödistrasse 77, 8800 Thalwil
Beijing Bicycle
Shiqi sui de dan che
Regie
Drehbuch
Kamera
DarstellerInnen
Musik
Version
Spieldauer
Altersempfehlung
Xiaoshuai Wang, China / Taiwan 2001
Peggy Chiao, Hsiao-ming Hsu, Danian Tang, Xiaoshuai Wang
Liu Jie
Yuan Yuan Gao, Lin Cui, Bin Li, Xun Zhou
Feng Wang
Mandarin, deutsch/französisch untertitelt
114 Minuten
Ab 12 Jahren
Xiao Guei kommt vom Land in die Metropole Peking und findet Arbeit bei einem Kurierdienst. Er wird gewaschen und frisiert, bekommt Unterkunft, Verpflegung und ein
schönes Fahrrad auf Leasing-Basis. Ist er erfolgreich, geht das Fahrrad in seinen Besitz über. Kurz bevor Xiao die geforderte Summe zusammen hat, wird das Mountainbike, von dem seine berufliche Existenz abhängt, gestohlen.
In Peking gebe es tausend solcher Fahrräder, doch wenn Xiao seines wieder finde,
könne er seinen Job behalten, sagt der Manager. Da Xiao jedes Gespür für Ironie
fehlt, macht er sich störrisch auf die aussichtslose Suche. In seiner Verzweiflung wird
er fast selber zum Dieb. Doch dann hat er wider Erwarten Glück. Allerdings befindet
sich sein Rad jetzt im Besitz des Studenten Jian, der dafür auf dem Flohmarkt bezahlt haben will. Zwei, drei Szenen machen deutlich, was der Besitz des Fahrrads als
Statussymbol für Jian bedeutet: Prestige innerhalb seiner Fahrrad-vernarrten Clique,
Ermöglichung einer zarten Liebesgeschichte, ein Gefühl von Ich-Stärke und Identität.
Es entbrennt ein erbitterter Machtkampf, denn der eine verliert ohne Rad den Job,
der andere die Aufmerksamkeit seiner Angebeteten. Schliesslich siegt die Vernunft,
man einigt sich auf Bicycle-Sharing: Der eine bekommt das Fahrrad am Vormittag,
der andere am Nachmittag. Für kurze Zeit scheinen alle Probleme gelöst – bis sich
die Lage im Zwist um das Mädchen wieder zuspitzt.
„Beijing Bicycle” nutzt die einfache, tragfähige Fabel, um ein recht trostloses Bild des
heutigen China zu zeichnen. Hauptwiderspruch ist dabei der traditionelle Widerspruch von Stadt und Land, der sich in der kaum kaschierten Kluft zwischen Zentrum
und Peripherie Pekings fortsetzt. Es mag ja sein, dass das Zentrum Pekings mit
blank geputzten Fassaden und Individualverkehr längst wie eine normale Weltmetropole aussieht; es mag auch sein, dass das Führungspersonal im Dienstleistungssektor mit lässig kosmopolitischer Professionalität auftritt. Doch wenige Schritte
hinter dieser glänzenden, materialistischen Oberfläche existieren grosse Armut und
traditionell geprägte Vorstädte, in denen Transportgeschäfte noch mit dem Karren
erledigt werden.
Der Film findet für die gesellschaftlichen Spannungen eines Schwellenlandes prägnante Bilder. Regisseur Xiaoshuai Wang hat angemerkt, dass das Fahrrad im heutigen China vom „Zeichen für Wohlstand und Pfiffigkeit“ zum Symbol für „Mangel an
Wohlstand“ geworden sei.
Der originelle und packende Film hat an der Berlinale 2001 nicht nur den silbernen
Bären abgeholt, sondern auch verdiente Preise für seine jungen Hauptdarsteller.
Christine Meyer